1 1.Einleitung In dem folgenden Vortrag werde ich mich eingehend ...
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<strong>1.Einleitung</strong><br />
<strong>In</strong> <strong>dem</strong> <strong>folgenden</strong> <strong>Vortrag</strong> <strong>werde</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> <strong>eingehend</strong> mit der Analyse in Bezug auf<br />
Pamofskys Ikongraohie und Ikonologie beschäftigen. Als Grundlage hierzu dient ein<br />
Werk Piet Mondrians (ohne Titel 1927), welches im Abstrakten Kabinett, im Sprengel<br />
Museum Hannover seinen Platz hat. Dazu <strong>werde</strong> <strong>ich</strong> anfangs in der Biografie auf die<br />
w<strong>ich</strong>tigsten Eckdaten eingehen, welche wegen der begrenzten Länge des <strong>Vortrag</strong>s nur<br />
knapp skizziert sind, meiner Meinung nach jedoch notwendig, um den Prozess des<br />
Künstlers nachzuvollziehen und um zu erkennen, was ihn beeinflusste. Darauf folgt eine<br />
kurze Bildbeschreibung des Werkes, welches dann durch die anschließende<br />
Ikonographie besser verständl<strong>ich</strong> gemacht <strong>werde</strong>n soll. <strong>In</strong> der Ikonologie wird die<br />
Theorie der Konstruktivisten erläutert und ein Gegenbeispiel eingebracht um den<br />
Kontext des Denkens und des Lebensgefühls zu der Zeit zu verdeutl<strong>ich</strong>en. Abschließen<br />
<strong>werde</strong> <strong>ich</strong> den <strong>Vortrag</strong> mit <strong>dem</strong> Fazit und einer Art „Ausblick“ wobei <strong>ich</strong> noch einmal<br />
kurz auf den Künstler per se eingehen <strong>werde</strong>.<br />
2. Biografie:<br />
Piet Mondrian wurde am 7. März 1872 als<br />
Pieter Cornelis Mondriaan in der Provinzstadt<br />
Amersfoort in den Niederlanden geboren und<br />
wuchs in ärml<strong>ich</strong>en Verhältnissen auf. Sein<br />
Vater lehrte ihn früh das Ze<strong>ich</strong>nen und ab 1892<br />
besuchte Mondrain die Kunstaka<strong>dem</strong>ie in<br />
Amsterdam. Anfang des 20 Jh. bewarb er s<strong>ich</strong><br />
um den angesehensten Kunstpreis der<br />
Niederlande und wurde zweimal abgelehnt,<br />
seine Arbeiten verkauften s<strong>ich</strong> schlecht und<br />
1904 zog er aufs Land. Er wandte s<strong>ich</strong> <strong>dem</strong><br />
Thema der Landschaft in der Tradition der<br />
niederländischen Malerei zu. (vgl. De<strong>ich</strong>er:1994: 15ff.)1909 wurde Mondrian mit kräftig<br />
strahlenden Kompositionen schlagartig berühmt, und stellte in Amsterdam aus. <strong>In</strong><br />
diesem Jahr starb auch seine Mutter. 1911 beteiligte er s<strong>ich</strong> an der ersten Ausstellung<br />
der Amsterdamer Künstlervereinigung auf der auch Arbeiten von Picasso und Braque<br />
gezeigt wurden. Ende 1911 brach Mondrain nach Paris auf, gab den Namen seines<br />
Vaters auf und nannte s<strong>ich</strong> von da an Piet Mondrian. Während der Pariser Phase,<br />
1911-1914, gelang es ihm das Liniennetz mit den Bildern der Natur zu verschmelzen.<br />
1
(vgl. De<strong>ich</strong>er: 1994: 28ff.) Die Werke wurden immer abstrakter. Die von ihm erre<strong>ich</strong>te<br />
Bildform, in der abstrakte Ze<strong>ich</strong>en gle<strong>ich</strong>mäßig über die Fläche verteilt sind, bedeutete<br />
eine enorme Neuerung in der Gesch<strong>ich</strong>te der Malerei. (vgl. De<strong>ich</strong>er: 1994: 38) 1914<br />
kehrte Mondrian in die Niederlande zurück. 1917 wurde in der Hochphase des ersten<br />
Weltkrieges die Künstlergruppe „de Stijl“ mit der gle<strong>ich</strong>namigen Zeitschrift von seinem<br />
Freund Theo van Doesburg gegründet unter anderem um aus den Erfahrungen des<br />
Krieges zu lernen und Prinzipien eines neuen Lebens, mit politischen,<br />
gesellschaftl<strong>ich</strong>en und philosophischen Ansätzen, zu erschaffen. Mondrian war<br />
anfängl<strong>ich</strong> rege beteiligt und es war vor allem er, der den Gedanken der „neuen<br />
Gestaltung“ theoretisch unterbaute und weiterführte. Ab diesem Jahr verschwand das<br />
Gegenständl<strong>ich</strong>e vollkommen aus Mondrians Bildern. Ende 1920 kehrte er nach Paris<br />
zurück und fand dort n<strong>ich</strong>ts vor, was er mit seiner neuen Bildform hätte vergle<strong>ich</strong>en<br />
können. Er war in seinem Umkreis zum abstraktesten und modernsten Maler geworden.<br />
Zeitgle<strong>ich</strong> erschien sein kunsttheoretisches Buch „Le Néo – Plasticisme“ in Paris(vgl.<br />
De<strong>ich</strong>er: 1994: 54 und 94) 1921 gilt als das entschiedene Jahr in seiner Entwicklung. Es<br />
gelang im abermals einen neuen Stil zu entwickeln, den wir bis heute auf den ersten<br />
Blick als typisch für Mondrian erkennen. <strong>In</strong> dieser Zeit der Stilwende starb sein Vater.<br />
(vgl. De<strong>ich</strong>er: 1994: 58) 1925 erschien Mondrians Buch „Neue Gestaltung“ in<br />
Deutschland. <strong>In</strong> der zweiten Hälfte der 20er Jahre beteiligte s<strong>ich</strong> Mondrian n<strong>ich</strong>t mehr<br />
an den Projekten des „de Stijl“. 1928 wurde im Provinzialmuseum (heutiges<br />
Sprengelmuseum) in Hannover, von <strong>dem</strong> russischen Künstler El Lissitzky das<br />
„abstrakte Kabinett“ einger<strong>ich</strong>tet, wo auch Werke von Mondrian ausgestellt wurden.<br />
1932, zu seinem 60sten, Geburtstag fand eine Retrospekiveausstellung in Amsterdam<br />
statt. 1938 zog er nach London, 1940 dann nach New York. Dort beteiligte er s<strong>ich</strong> an<br />
der Künstlervereinigung American Abstract Artists und an zahlre<strong>ich</strong>en Ausstellungen. Er<br />
entwickelte seinen Stil weiter. Sein letztes Werk, „Victory Boogie Woogie“, blieb<br />
unvollendet. Piet Mondrian starb am 1. Februar 1944 in New York an einer<br />
Lungenentzündung. (vgl. De<strong>ich</strong>er: 1994: 94)<br />
3. Bildbeschreibung – Mondrian: Bild ohne Titel um<br />
1927<br />
Öl auf Leinwand 50 x 39,5 cm ohne Rahmen.<br />
Das Bild, welches ca. 1927 entstand, und ohne Titel ist,<br />
besteht aus geraden schwarzen Linien, welche mit <strong>dem</strong><br />
Lineal gezogen wurden und ausschließl<strong>ich</strong> im rechten<br />
2
Winkel zueinander stehen und aus Weiß und Schwarz als N<strong>ich</strong>tfarben und Gelb und<br />
Blau als innerl<strong>ich</strong>ste Primärfarben. Auf <strong>dem</strong> weißen einfachen Grund des Bildes,<br />
welcher dieses dominiert, befindet s<strong>ich</strong> oben rechts am Bildrand in reiner gelber Farbe<br />
ein Rechteck, das an zwei Seiten (links und unten) durch eine horizontale und eine<br />
vertikale schwarze Gerade eingeschlossen wird, die im rechten Winkel zueinander<br />
stehen, s<strong>ich</strong> durch das ganze Bild ziehen und somit die zwei Hauptachsen ergeben, an<br />
denen s<strong>ich</strong> die weiteren zwei Linien orientieren. Die anderen zwei Seiten des gelben<br />
Rechteckes <strong>werde</strong>n durch den Bildrand „begrenzt“, allerdings ohne schwarze Linie,<br />
somit gewinnt man den Eindruck, als ob sowohl das Gelb, als auch die schwarzen<br />
Linien über den Bildrand hinaustreten könnten. Gle<strong>ich</strong>ermaßen ist es bei <strong>dem</strong> gle<strong>ich</strong><br />
großen blauen Rechteck, das am rechten unteren Bildrand <strong>dem</strong> Gelb gegenüberliegt.<br />
Auch hier wird das reine Blau an zwei Seiten, einmal durch die gle<strong>ich</strong>e vertikale Gerade<br />
(links) und durch eine kurze Horizontale (oben) eingeschlossen, die nur zwischen<br />
Bildrand und vertikaler Gerade verläuft. Auch diese Linien stehen im rechten Winkel<br />
zueinander. Die anderen zwei Seiten <strong>werde</strong>n wie bei <strong>dem</strong> gelben Rechteck durch den<br />
Bildrand „begrenzt“. Am unteren Bildrand, knapp über <strong>dem</strong> Leinwandende, führt eine<br />
weitere, (dritte) horizontale Gerade vom linken Bildrand bis<br />
zur senkrechten Achse durch das Bild. Die Gew<strong>ich</strong>te in<br />
<strong>dem</strong> Bild sind unterschiedl<strong>ich</strong> verteilt. So vermittelt das<br />
helle gelbe Rechteck eher eine Le<strong>ich</strong>tigkeit und scheint<br />
auch größer als das dunklere Blau. Dieses wirkt<br />
drückender. Das Blau scheint herab zu fallen. Dadurch<br />
entsteht eine le<strong>ich</strong>te Drehbewegung im Uhrzeigersinn,<br />
wodurch das Bild eine dynamische und rhythmische<br />
Wirkung hat. Die Verteilung der Gew<strong>ich</strong>te wird noch<br />
deutl<strong>ich</strong>er, wenn man das Bild dreht. Die Verteilung ist<br />
dann umgekehrt.<br />
4.Ikonographie<br />
Theorien zu Mondrains Werken<br />
Mondrian erarbeitete einige theoretische Texte zu seinen Werken. Um das Bild besser<br />
verstehen zu können, <strong>werde</strong> <strong>ich</strong> auf einige seiner theoretischen Aspekte eingehen, bei<br />
denen er s<strong>ich</strong> vor allem auf Form und Farbe bezieht.<br />
Die Beschränkung der Malerei auf die Primärfarben, sowie Schwarz und Weiß und auf<br />
die senk - und waagerechte Geraden wird vor allem Mondrian zugeschrieben. Er sprach<br />
3
wiederholt vom Rhythmus seiner Bilder: n<strong>ich</strong>t statisch sollten sie erscheinen, sondern<br />
wie in Bewegung. (vgl. De<strong>ich</strong>er: 1994: 7 und 58 ebenso Blok: 1975: 33) Somit passten<br />
seine Werke auch optimal in das „Abstrakte Kabinett“ von El Lissitzky (1928) da dieses<br />
ebenfalls einen Fokus in s<strong>ich</strong> auf Bewegung legte. (vgl. El Lissitzky:1988: 222 f.)<br />
Mondrian schrieb, dass die neue Gestaltung in der Abstraktion von Form und Farbe<br />
zum Ausdruck kommen soll. Und zwar in der geraden Linie und in der zur Bestimmtheit<br />
geführten Primärfarbe. (vgl. Mondrian in: Jaffé: 1967: 36) Er benennt dies als<br />
mathematisches Ausdruckmittel, wobei er drei Grundsätzen folgt: Erstens die<br />
Zurückführung der Naturfarbe auf die Primärfarbe. 1 Diese Reduzierung führt zu visueller<br />
Verinnerl<strong>ich</strong>ung der Materie und zu reinerer Offenbarung des L<strong>ich</strong>ts. 2 Durch<br />
Zurückführung auf die Primärfarbe von der Naturfarbe wird die äußerl<strong>ich</strong>e Erscheinung<br />
der Farbe in die <strong>In</strong>nerl<strong>ich</strong>ste verwandelt. Gelb und Blau sind die innerl<strong>ich</strong>sten<br />
Primärfarben, folgl<strong>ich</strong> ist Rot mehr äußerl<strong>ich</strong>. 3 Damit ist eine Gestaltung in den Farben<br />
Gelb und Blau innerl<strong>ich</strong>er als eine in den drei Primärfarben, wie es bei <strong>dem</strong> Bild,<br />
welches s<strong>ich</strong> im Abstrakten Kabinett im Sprengel Museum befindet, der Fall ist. 4 Die<br />
Primärfarben sollen durch die N<strong>ich</strong>t-Farben Weiß, Schwarz und Grau ergänzt <strong>werde</strong>n.<br />
(vgl. Mondrian in: Jaffé 1967: 48) Zweitens das Reduzieren der Farbe zur Fläche. Die<br />
natürl<strong>ich</strong>e Farbe wird n<strong>ich</strong>t nur dadurch vertieft, dass sie als Primärfarbe auftritt sondern<br />
ebenso durch die Fläche. <strong>In</strong> der Natur sieht man Farbe n<strong>ich</strong>t flächig, sondern als<br />
Körperl<strong>ich</strong>keit (Rundung). Die Dinge <strong>werde</strong>n für uns visuell zur Form durch Flächen, die<br />
durch Eckigkeit plastisch in Erscheinung treten. Diese Erscheinung der Formen ist<br />
immer mehr oder weniger eine in einander übergehende Eckigkeit, die s<strong>ich</strong> aber auf<br />
den ersten Blick n<strong>ich</strong>t zeigt. <strong>In</strong> der technischen Entwicklung des Malers und in seiner<br />
Ausbildung lernt der Maler die Planordnung der Formerscheinung und dadurch das<br />
Plastische zu sehen und in der Darstellung zu übertreiben. Durch die Betonung der<br />
Planordnung entstand in der bildnerischen Gestaltung der Bruch mit der visuellen<br />
1 Primärfarbe bedeutet hier, dass die Farbe als Grundfarbe auftritt. (vgl. Mondrian in: Jaffé 1967: 48)<br />
2 Farbe ist getrübtes L<strong>ich</strong>t (Goethe) (vgl. Jaffé 1967: 81 Fußnote)<br />
3 Laut Schoenmakers „das neue Weltbild“ ist Rot die Verschwisterung von Blau und Gelb (vgl.Mondrian in: Jaffé 1967: 48)<br />
4 Die Primärfarbe ist vom <strong>In</strong>dividuellen befreit, drückt nur die stille Empfindung des Universellen aus. Mondrian geht es hierbei vor<br />
allem darum die Ideologie zu bewahren, die er mit seinen Kollegen von „de Stijl“ propagierte. Dabei geht es darum vom<br />
<strong>In</strong>dividuellen zum Universalen zu gelangen und das Natürl<strong>ich</strong>e auszuschließen. <strong>In</strong> der abstrakt - realen Malerei bedeutet dies seiner<br />
Auffassung nach, dass die Primärfarbe als Grundfarbe auftritt, dass die Farbe von <strong>In</strong>dividuellen und von individueller Emotionen<br />
befreit ist und nur die stille Empfindung des Universalen ausdrückt (vgl. Mondrian in: Jaffé 1975. 48 Kapitel Gestaltungsmittel und<br />
Komposition)<br />
Auf die Theorie des Universalen wird in der Ikonographie noch genauer eingegangen.<br />
4
Körperl<strong>ich</strong>keit der Dinge 5 - Allgemein stellt die Malerei also das Plastische dadurch dar,<br />
dass sie das Kantige betont. Das Plastische bildet den Raum, ist also notwendig und<br />
der Raum wird auf Fläche gestaltet. (vgl. Mondrian in: Jaffé 1967: 50 f.) Und drittens<br />
das Abgrenzen der Farbe - in der Weise, dass sie als Einheit rechteckiger Flächen<br />
entsteht. Mondrian entdeckte, dass durch das Eingeschlossensein der Farben im<br />
Rasternetz ihre besondere Qualität, ihre stimmungshafte Ausstrahlung und optische<br />
Bewegungskraft deutl<strong>ich</strong> wurden. (vgl. Mondrian in: Jaffé 1967: 48 ebenso De<strong>ich</strong>er<br />
1994: 7)<br />
Mondrian erläutert weiter die Darstellung von Beziehungen: Durch Gegenüberstellung<br />
von Farbe und Linie soll Beziehung dargestellt und in den Vordergrund gerückt <strong>werde</strong>n.<br />
Beziehung tritt in der Naturform, in der natürl<strong>ich</strong>en Farbe und Linie nur verschleiert auf,<br />
und wird durch Rundung, also durch die Körperl<strong>ich</strong>keit der Dinge geschwächt. Die<br />
Beziehung muss also, um zum bestimmten Ausdruck zu kommen, durch Farbe und<br />
Linie an s<strong>ich</strong> dargestellt <strong>werde</strong>n. Um nun den bildnerischen Mitteln der Malerei volle<br />
Kraft zu geben, ließ Mondrian in der Entwicklung seines Werkes immer mehr Farbe und<br />
Linie an s<strong>ich</strong> sprechen. Darstellung von Farbe und Linie an s<strong>ich</strong> bedeutet Darstellung<br />
der Gegenüberstellung durch Farbe und Linie, durch diese wird Beziehung dargestellt.<br />
Eine bestimmte Form vermittelt einen bestimmten Eindruck. 6 Die Linie besitzt eine<br />
gestaltende Kraft, und die am meisten gespannte Linie (Gerade) 7 stellt am reinsten das<br />
Unveränderl<strong>ich</strong>e, das Starke, das Große dar. Die Neigung das Große zu gestalten,<br />
führte bei Mondrian zum Suchen nach der größten Spannung: diese liegt im Kontrast<br />
der Geraden. So musste s<strong>ich</strong> jede Kurve in der Geraden lösen und für das Gebogene<br />
blieb kein Raum mehr. (vgl. Mondrian in: Jaffé: 1967: 114)<br />
Abschließend lässt s<strong>ich</strong> sagen, dass bei Mondrian vieles auf <strong>dem</strong><br />
Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>tsverhältnis entgegen gesetzter Kräfte basierte. Seine Kompositionen<br />
sollen n<strong>ich</strong>t als Zusammenstellungen von Rechtecken gelesen <strong>werde</strong>n, sondern als die<br />
gegenseitige Neutralisierung von Linie, Fläche, Farbe und N<strong>ich</strong>t-Farbe, die keinem<br />
Einzelelement den Vorrang gestattet. (vgl. Blok. 1975: 34) Zu<strong>dem</strong> entsteht der Eindruck<br />
eines beständigen Ausgle<strong>ich</strong>s, wie bei Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>tskonstruktionen, zwischen fast<br />
unmerkl<strong>ich</strong>en Spannungen, die auf rein optischen Wege zustande kommen. (vgl. Blok:<br />
1975: 37 ebenso 59) Tatsächl<strong>ich</strong> hat Mondrian an einem einzigen Bild oft viele Monate<br />
5 (Cézanne - Kandinsky, die Schule der Kubisten - Picasso). Der Begriff des Plastischen erhielt eine stärkere gestalterische<br />
Betonung. (vgl. Mondrian in: Jaffé 1967: 50)<br />
6 Bedeutsamkeit der Form: zum Beispiel eine Blume vermittelt etwas <strong>In</strong>times während Dünen zum Beispiel eher den Eindruck der<br />
Weite vermitteln.(vgl. Mondrian in: Jaffé 1967: 114)<br />
7 Gerade = größte Spannung<br />
5
lange gearbeitet, immer neue Sch<strong>ich</strong>ten aufgetragen, bis er mit <strong>dem</strong> Resultat zufrieden<br />
war. (vgl. De<strong>ich</strong>er 1994: 8)<br />
Neoplastizismus und die Theorien „De Stijls“<br />
„Die Denaturalisierung ist als einer der wesentl<strong>ich</strong>ste(n) Punkte des menschl<strong>ich</strong>en<br />
Fortschritts von allererstem Gew<strong>ich</strong>t in der neoplastizistischen Kunst. Die Bedeutung<br />
der neoplastizistischen Kunst besteht darin, daß sie die Notwendigkeit der<br />
Denaturalisierung bildnerisch bewiesen hat. Sie hat sowohl die konstruktiven Elemente<br />
wie auch die Zusammensetzung dieser Elemente `denaturalisiert`. Aus diesem Grunde<br />
ist sie die wahre abstrakte Malerei. Denaturalisieren heißt abstrahieren. Durch die<br />
Abstraktion gelangt man zu einem reinen abstrakten Ausdruck! Denaturalisieren heißt<br />
vertiefen!“(Mondrain in: Brion 1956: 60)<br />
Diese Sätze Mondrians, der einer der größten Theoretiker der abstrakten Kunst war,<br />
fassen seine Gedanken über den Neoplastizismus zusammen. Bei ihm kam der<br />
Wunsch nach Gesetzmäßigkeit am stärksten zum Ausdruck. (vgl. Brion 1956: 60)<br />
Der Neoplastizismus, auch „Neue Gestaltung“ genannt, wurde in den ersten Jahren von<br />
der Konstruktivisten – Gruppe „De Stijl“, neben <strong>dem</strong> Maler, Architekten und<br />
Herausgeber der gle<strong>ich</strong>namigen programmatischen Zeitschrift Theo van Doesburg,<br />
speziell von Piet Mondrian theoretisch und praktisch entwickelt, und in <strong>dem</strong> Wortträger<br />
der Gruppe propagiert. Ebenso wurden die Texte in die „Bauhausbücher“ mit<br />
aufgenommen. Neben Mondrian wirkten van Doesburg und Oud 8 als Autoren hier mit.<br />
Das Verhältnis zum Bauhaus war eine freundschaftl<strong>ich</strong>e Rivalität. Man war s<strong>ich</strong> im<br />
Bauhaus bewusst, was Mondrians ästhetisches Prinzip der streng orthogonalen 9<br />
Ordnung - n<strong>ich</strong>t zuletzt für die Architektur - bedeutete. (vgl. Wingler 1962: 142)<br />
Neoplastizismus impliziert: Kunst als vorläufige Verwirkl<strong>ich</strong>ung des „Universellen“ 10 im<br />
gesellschaftl<strong>ich</strong>en Leben und <strong>dem</strong>zufolge die Ausschaltung des <strong>In</strong>dividuellen und des<br />
(zeit - und ortsgebundenen) Gegenstandes. Die Wirkung soll nur durch „reine“<br />
bildnerische Mittel (Primärfarben, Schwarz, Weiß, horizontale und vertikale Geraden)<br />
und durch mögl<strong>ich</strong>st große Klarheit und Präzision erstrebt <strong>werde</strong>n. 11 Mondrian und Van<br />
Doesburg legten in ihrer Theoretisierung den kennze<strong>ich</strong>nenden Weg vom Kubismus zur<br />
8 Oud: (Jacobus Johannes Pieter Oud) Niederländischer Architekt, der der “Stijl” - Gruppe angehörte.<br />
9 Orthognonal: rechtwinklig (aus <strong>dem</strong> Griechischen); in der Mathematik das Konzept des Senkrechtstehens und des rechten<br />
Winkels.<br />
10 als reines (Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>ts-)Verhältnis aufgefasst<br />
11 Dieses Programm war im Übrigen nur für Mondrian selbst verbindl<strong>ich</strong>, der es 1921 in seiner Malerei zu realisieren begann.<br />
6
estlosen Abstraktion zurück. Für sie war die Abstraktion hauptsächl<strong>ich</strong> eine Sache der<br />
Vernunft, ein Vorgang des <strong>In</strong>tellekts. Durch diese Reduktion (Abstrahieren) versuchten<br />
sie von der Kunst zur Sachl<strong>ich</strong>keit zu kommen. (vgl. Blok 1975: 167 f. ebenso Oud in:<br />
Jaffé 1967: 93) Sie fühlten s<strong>ich</strong>, wie sie selber sagten, als „Konstrukteure eines neuen<br />
Lebens“. <strong>In</strong> der Theorie geht es - elementar gesagt - darum, von <strong>dem</strong> <strong>In</strong>dividuellen weg,<br />
hin zu <strong>dem</strong> Universellen zu gelangen. Mit <strong>dem</strong> <strong>In</strong>dividuellen ist das Besondere gemeint,<br />
welches uns von anderen unterscheidet verbunden zum Beispiel mit <strong>dem</strong><br />
Identitätsbegriff, wie die Nationalsozialisten, der Schwabe, der /die Deutsche und so<br />
weiter. Das Universelle ist dann folgl<strong>ich</strong> der Mensch im Allgemeinen, ohne bestimmte<br />
Zuschreibung. Um dies näher und vor allem r<strong>ich</strong>tig zu erfassen, bedarf es einer<br />
Erläuterung, wobei Kollegen Mondrians von „de Stijl“ vornehml<strong>ich</strong> Architekten in die<br />
Analyse später mit einbezogen <strong>werde</strong>n, da die Theorie auch am Städtebau deutl<strong>ich</strong><br />
gemacht <strong>werde</strong>n soll. Mondrian ging es ebenso um den Städtebau. Er entwarf im Jahre<br />
1926 fünf Gesetze 12 , die er unter anderem in <strong>dem</strong> Aufsatz „L´homme, la rue, la cité<br />
13 veröffentl<strong>ich</strong>e, womit zum Ausdruck kommt, dass diese Gesetze n<strong>ich</strong>t nur für das<br />
eigentl<strong>ich</strong>e Kunstwerk gelten, sondern ebenso, wie der Titel des Aufsatzes schon<br />
andeutet, für die künstlerische Ordnung von Straßen und Städten.(vgl. Brion: 1956: 69)<br />
Die Ideen der „Stijl“ - Bewegung lassen s<strong>ich</strong> mit den Ideen des Bauhauses vereinbaren,<br />
die ebenfalls die radikale Umwandlung der gesamten Kunst in allen Bere<strong>ich</strong>en<br />
anstrebten. Sowohl in den freien, als auch in den angewandten Künsten und in der<br />
Architektur und der Städteplanung.(vgl. Brion: 1956: 225)<br />
5.Ikonologie<br />
12 1) Das bildnerische Mittel hat die Fläche oder das rechteckige Prisma in den Primärfarben (Rot, Blau und Gelb) und in den<br />
N<strong>ich</strong>t- Farben (Weiß, Schwarz und Grau) zu sein. <strong>In</strong> der Architektur gilt der leere Raum als N<strong>ich</strong>t- Farbe, die Masse kann als Farbe<br />
gewertet <strong>werde</strong>n.2) Die gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>tige Entsprechung der bildnerischen Mittel ist notwendig. Wenn sie s<strong>ich</strong> auch in Dimension und<br />
Farbe unterscheiden, <strong>werde</strong>n sie doch im Wert gle<strong>ich</strong> sein. Das Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t verlangt im Allgemeinen eine große Oberfläche in<br />
N<strong>ich</strong>t-Farben und eine eher kleine Oberfläche aus Farbe oder Masse.3)Die dualistische Gegensätzl<strong>ich</strong>keit im bildnerischen Mittel ist<br />
gle<strong>ich</strong>falls in der Komposition erforderl<strong>ich</strong>.4)Das feste Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t wird durch Positionsbeziehungen erzielt und kommt durch die<br />
gerade Linie (Grenze des bildnerischen Mittels) in seiner grundsätzl<strong>ich</strong>en Gegensätzl<strong>ich</strong>keit zum Ausdruck 5) Das Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t,<br />
das die bildnerischen Mittel neutralisiert und aufhebt, entsteht durch die proportionellen Beziehungen, in denen sie zueinander<br />
stehen und durch die der lebendige Rhythmus erzeugt wird. Dies sind fünf neo-plastizistische Gesetze, die das reine bildnerische<br />
Mittel und seinen Gebrauch bestimmen. Auch erschienen in der Jubiläumsausgabe von „de Stijl“ 1927. (Mondrian in: Jaffé 1967:<br />
224) Diese Gesetze gelten für das gesamte Werk Mondrians, für die früheren bis hin zum „Victory Boogie-Woogie“. Seit er diese<br />
Gesetze aufgestellt hatte, gab es keine Abwe<strong>ich</strong>ungen oder Unruhen mehr in seinen Werken. (vgl. Brion: 1956: 69)<br />
13 Frei übersetzt: Der Mensch, die Straße, die Stadt<br />
7
Es ging den Konstruktivisten 14 n<strong>ich</strong>t darum, dass die Gesellschaft einheitl<strong>ich</strong>, gar strikt<br />
gle<strong>ich</strong> <strong>werde</strong>n sollte, wenn sie von <strong>dem</strong> Universellen sprachen. Vielmehr ging es folgl<strong>ich</strong><br />
darum, vor allem im Städtebau, Universelles und damit Effizienteres als Lebensraum zu<br />
schaffen, damit s<strong>ich</strong> die <strong>In</strong>dividualität frei entfalten konnte. Das <strong>In</strong>dividuelle bedeutet in<br />
diesem Kontext zum einen Wohnbedingungen in der Stadt, die keine hohen<br />
Lebenserwartungen erbrachten, wie zum Beispiel Altbauwohnungen in denen es feucht<br />
war, es Ratten gab und Krankheiten verbreitet waren. Und im Umland die Eigenheime,<br />
mit der typischen konservativen Durchschnittsfamilie. Die individuellen Eigenheime<br />
beinhalteten als negative Aspekte zum einen die hohe Verschuldung, sowie im Zeitalter<br />
der anfängl<strong>ich</strong>en Gle<strong>ich</strong>berechtigung 15 der Frau eine eher traditionell-konservative<br />
Lebensweise, als auch die Umweltzerstörung, da die Natur – damit die Eigenheime auf<br />
<strong>dem</strong> Land gebaut <strong>werde</strong>n konnten – dazu zerstört <strong>werde</strong>n musste. An <strong>dem</strong> „Alten“<br />
festzuhalten bedeutete <strong>dem</strong>gemäß einen Rückschritt anstelle eines Fortschrittes in<br />
einem Zeitalter der Technisierung (Maschinerie). Der Architekt van Eesteren schreibt<br />
hierzu in „de Stijl“ 1927: “Die Eins<strong>ich</strong>t in das Wesen der Technik steht in keinem<br />
Verhältnis zum technischen Können. Der chaotische Zustand, in <strong>dem</strong> unsere<br />
Umgebung (die moderne Kulturlandschaft) und unsere Wohnorte (Städte) s<strong>ich</strong><br />
befinden, und die unzweckmäßige Einr<strong>ich</strong>tung unserer Wohnungen sind die greifbaren<br />
Folgen dieser mangelnden Eins<strong>ich</strong>t.“ (zitiert nach van Eesteren in: Jaffé 1967: 225.) Die<br />
Künstler erkannten dies früh und die Reaktion darauf war der Kubismus, Dadaismus<br />
und die funktionelle Architektur. (vgl. van Eesteren in: Jaffé 1967: 225) „Als ein<br />
14 Konstruktivismus: Eine Kunstströmung, die s<strong>ich</strong> um 1913 in Russland aus <strong>dem</strong> Kubismus nd Futurismus entwickelte. Die<br />
Anfänge sind von <strong>dem</strong> Bestreben gekennze<strong>ich</strong>net, die geometrischen Grundelemente der Konstruktion und Gestaltung<br />
aufzuzeigen. Klare Formen sollen in einem übers<strong>ich</strong>tl<strong>ich</strong>en konstruktiven Aufbau angeordnet sein, alle subjektiven und emotionalen<br />
Bestandteile zurückgedrängt <strong>werde</strong>n. Das auf Horizontale und Vertikale beschränkte Schema (Piet Mondrian) wurde auch auf die<br />
Diagonale sowie auf räuml<strong>ich</strong> – körperhafte Systeme erweitert. Der Konstruktivismus hat für die Theorien von „Bauhaus“ und „De<br />
Stijl“ eine entscheidene Rolle gespielt.<br />
15 Die Konstruktivisten waren sehr positiv gegenüber der Gle<strong>ich</strong>berechtigung der Frau eingestellt.<br />
8
konstruktives Element der Gesellschaft ist es<br />
die Aufgabe des Städtebauers, auf die<br />
Mögl<strong>ich</strong>keiten hinzuweisen, die die moderne<br />
Technik unseren Städten bietet, damit sie s<strong>ich</strong><br />
erneuern können, um wieder den<br />
Anforderungen zu genügen, die wir an sie<br />
stellen.“(zitiert nach van Eesteren in: Jaffé<br />
1967: 227) Das Gegenmodell, welches die<br />
Konstruktivisten forderten, waren helle<br />
L<strong>ich</strong>tdurchflutete trockene Wohn – und<br />
Lebensräume. „Wir haben durch das<br />
Durchbrechen der Geschlossenheit (Wände)<br />
die Dualität zwischen <strong>In</strong>nen und Außen<br />
aufgehoben. Die Epoche der Destruktion ist<br />
endgültig vorbei. Eine neue Epoche beginnt:<br />
DIE GROßE EPOCHE DER KONSTRUKTION.<br />
Paris, 1923.“ (Zitiert nach „De Stijl“ in: Jaffé<br />
1967: 197) Die Ästhetik in diesen Räumen<br />
sollte aus einer Reinheit der Verhältnisse, Klarheit des Raumdrucks, durch Massen,<br />
Flächen und Linien und schließl<strong>ich</strong> in der Spannkraft seiner konstruierenden Plastik<br />
bestehen. (vgl. Oud in: Jaffé 1967: 130) Weg von <strong>dem</strong> Alten hin zu neuen Perspektiven<br />
(avantgardistisch). Dies sollte durch universelle, objektive gültige Gesetze mögl<strong>ich</strong><br />
gemacht <strong>werde</strong>n die dann, wie in der Wissenschaft allseits anwendbar wären. Hierbei<br />
muss ferner die Rolle der Maschine (Mechanik) bedacht <strong>werde</strong>n, die ohne Frage<br />
effizienter und genauer arbeitete als der individuelle Handwerker, spr<strong>ich</strong> universell. Sie<br />
kann n<strong>ich</strong>t nur bestimmter als die Hand gestalten, auch ist sie aus sozialen und<br />
ökonomischen Gründen dazu geeignet Produkte herzustellen, die eher der<br />
Gemeinschaft zugute kommen als zum Beispiel Kunstprodukte dieser Zeit, die nur den<br />
re<strong>ich</strong>en Einzelnen erre<strong>ich</strong>en.(vgl. Oud in: Jaffé 1967: 94) Die Benutzung der Maschine<br />
führt zu ästhetischen Ergebnissen. (ebd.) Ein bedeutender Punkt ist aber auch, dass sie<br />
den Zufall beseitigt und damit die individuelle Laune und den Personenkult, die als<br />
Gestaltungselement der Kunst fremd sind. (vgl. Vor<strong>dem</strong>berge - Gildewart in: Jaffé 1967:<br />
228)<br />
9
Das Gegenbeispiel: Der Ballhof (Altstadt) in<br />
Hannover<br />
Um dies noch zu verdeutl<strong>ich</strong>en <strong>werde</strong> <strong>ich</strong> nun<br />
ein Gegenbeispiel aufzeigen. Hierzu <strong>werde</strong> <strong>ich</strong><br />
auf die Gesch<strong>ich</strong>te des Ballhofs in der Altstadt<br />
Hannover eingehen, der ein Paradebeispiel einer<br />
Art „Gegenströmung“ der Konstruktivisten ist:<br />
Der Nationalsozialismus.<br />
Der Ballhof per se, ist der älteste<br />
Veranstaltungssaal Hannovers und wurde<br />
1649 unter Herzog Georg Wilhelm als<br />
Örtl<strong>ich</strong>keit für Federballspiel und<br />
Hoffeste(Bälle) erbaut und diente bald auch als<br />
Theater. 16 1779-1780 wurde das Gebäude<br />
renoviert. 1936-1937 wurde die Altstadt und<br />
damit wesentl<strong>ich</strong>e Gebäude am Ballhofplatz<br />
und der Ballhofstraße, ehemalige Judenstaße, im Rahmen<br />
der NS-Altstadtsanierung erneuert beziehungsweise neu<br />
bebaut. Die schmale Parzellierung lässt erkennen, dass<br />
s<strong>ich</strong> nach früheren Bausituationen orientiert wurde. (vgl.<br />
Wörner / Hägele / Kirchhof: 2000: 17) Rückblickend hat der<br />
Stadtbaurat gesagt, dass dies Zweck einer<br />
Gesundheitsmaßnahme gewesen sei, da die Zustände dort<br />
in der Tat zu wünschen übrig ließen. Allerdings ist n<strong>ich</strong>t zu verleugnen, dass es s<strong>ich</strong><br />
hierbei um eine ideologisch befrachtete nationalsozialistische Sanierungspolitik<br />
handelte, die n<strong>ich</strong>t nur die Gebäude sondern auch die Bewohner im Blick hatte, in<strong>dem</strong><br />
sie s<strong>ich</strong> von der Beseitigung der Elendsquartiere die „Ausmerzung des moralisch<br />
Minderwertigen und biologisch Defekten“ versprach. Bei Kriegsbeginn war unter<br />
anderem die gesamte Ballhofstraße saniert. Die ehemaligen Bewohner (Arbeiter,<br />
Handwerker, Rentner) wurden jedoch umgesiedelt, damit sie das nun<br />
„sozialhygienische“ Bild eines Viertels in dessen Mittelpunkt der Ballhof stand, n<strong>ich</strong>t<br />
16 Unter anderem wurde hier die erste italienische Oper Hannovers aufgeführt und die Leinebürger konnten seltene Tiere<br />
betrachten. Im Ballhof bestimmte der erste Allgemeine Deutsche Arbeiterverein, der Vorläufer der SPD, die ersten<br />
sozial<strong>dem</strong>okratischen Re<strong>ich</strong>stagskandidaten. (vgl. Bultmann / Neumann / Schieke (Hrsg.)1989: 16f.)<br />
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mehr stören sollten. Der Ballhof (das Gebäude per se) wurde in diesem Rahmen<br />
erweitert, da er 1939 das Heim der HJ im „Heimatschutzstil“ wurde. Dies geschah<br />
wenige Wochen vor Kriegsausbruch. (vgl. Mlynek / Röhrbein (Hrsg.): 1994: 515 ebenso<br />
Wörner / Hägele / Kirchhof: 2000: 17)<br />
Zur Vervollständigung erwähne <strong>ich</strong> noch, dass das Ballhofgebäude 1975 nochmals<br />
saniert und um ein Stahl-Glas-Foyer ergänzt wurde. Der Saal, welcher variabel nutzbar<br />
ist, dient seit 1992 als Schauspielhaus des niedersächsischen Staatstheaters<br />
Hannover. (vgl. Wörner / Hägele / Kirchhof: 2000: 17) Es lässt erkennen, dass die<br />
Nationalsozialisten nach <strong>dem</strong> „Alten“ strebten und die vergangene „romantische“ Zeit<br />
wieder aufleben lassen wollten - und dies in einem Zeitalter wo die Technisierung in<br />
großem Maße fortschritt. Die Altstadt Hannovers, und damit der Ballhofplatz und die<br />
Ballhofstraße lassen dies unmissverständl<strong>ich</strong> erkennen. Allerdings entsprechen<br />
ledigl<strong>ich</strong> die Fassaden der „Heimatstil“ – Architektur, die s<strong>ich</strong> an der NS-Blut - und<br />
Bodenideologie orientierten, einem alten Stadtbild. Diese sind unter anderem durch<br />
Fenstereinfassungen aus Sandstein, Schleppgauben und Dacherker geprägt. (vgl.<br />
Wörner / Hägele / Kirchhof: 2000: 17) Schaut man jedoch hinter die Häuser, sieht man<br />
einzig und allein nur einfach verputzte nackte Mauern.<br />
6.Fazit<br />
<strong>In</strong> meinem Fazit <strong>werde</strong> <strong>ich</strong> m<strong>ich</strong> nun direkt auf das Gegenbeispiel des letzten Kapitels<br />
beziehen.<br />
Durch dieses Gegenbeispiel sollen die visionären Ideen des<br />
„DeStijl“ noch mehr verdeutl<strong>ich</strong>t <strong>werde</strong>n. Ihre Auffassung hielt<br />
Schritt mit <strong>dem</strong> Denken dieser Zeit. Dass die Nationalsozialisten<br />
den Konstruktivisten feindl<strong>ich</strong> gegenüberstanden, muss kaum<br />
erwähnt <strong>werde</strong>n. Einen größeren Gegensatz zu den<br />
Konstruktivisten könnte es n<strong>ich</strong>t geben. Sie verkörperten all das,<br />
was die Ideologie der Nationalsozialisten in keiner Weise vertrat. Im<br />
Jahre 1937 wurde das Abstrakte Kabinett, welches El Lissitzky 17<br />
entworfen hatte und Werke Mondrians beherbergte, durch die<br />
Nationalsozialisten zerstört. (vgl. Lissitzky: 1988: 220) Leider hatten<br />
die Konstruktivisten den „Kampf“ gegen die Nationalsozialisten<br />
17 El Lissitky: Russischer Maler, Grafikdesigner, Architekt, Fotograf, der den Konstruktivismus stark beeinflusste. Sein Werk<br />
beeinflusste die „Stijl“ – Bewegung, sowie das Bauhaus. Er sah seine Arbeit als <strong>In</strong>teraktion zwischen Malerei und Architekur. <strong>In</strong> der<br />
Malerei sind seine „Proun“ – Bilder am bekanntesten.<br />
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verloren.<br />
7.Ausblick<br />
Anhand der Bilder, die Mondrian in seiner New Yorker Zeit fertigte, lässt s<strong>ich</strong> der<br />
Gesellschaftl<strong>ich</strong>e Einfluss erkennen. Europa ist eher rigider als New York, somit wirken<br />
Mondrian Werke auch eher starr, die von <strong>dem</strong> „Gesetz“ n<strong>ich</strong>t abwe<strong>ich</strong>en, die Linien<br />
vertikaler Ausr<strong>ich</strong>tung sind und alles ausgewogen scheint. Als er nach New York<br />
übersiedelte, <strong>werde</strong>n die Bilder lockerer, die schwarzen „starren“ Linien verschwinden<br />
und das Gle<strong>ich</strong>gew<strong>ich</strong>t wie man es aus den Werken, die er in den 30er Jahren fertigte<br />
kannte, ist n<strong>ich</strong>t mehr in <strong>dem</strong> Maße vorhanden. Dies ist ein Beispiel dafür, was passiert,<br />
wenn die Materie (Kunst) in eine andere Gesellschaftsform transportiert wird. Damit ist<br />
gemeint, dass in New York, n<strong>ich</strong>t den gesamten USA, eher ein <strong>dem</strong>okratisches Umfeld<br />
vorhanden ist als zum Beispiel in Europa. Mondrian ist ein gutes Beispiel dafür, wie s<strong>ich</strong><br />
ein Künstler, unter anderem durch gesellschaftl<strong>ich</strong>e Einflüsse, entwickelt. Das Gelangen<br />
zu der vollständigen Abstraktion (Denaturalisierung) war bei Piet Mondrian ein<br />
Entwicklungsprozess, der ihn sein ganzes Leben begleitete.<br />
Bibliografie<br />
Blok, Cor (19715): Gesch<strong>ich</strong>te der abstrakten Kunst 1900 – 1960. Verlag M. DuMont<br />
Schauberg, Köln<br />
Brion, Marcel (1956): Gesch<strong>ich</strong>te der abstrakten Malerei. Verlag M. DuMont<br />
Schauberg, Köln<br />
Bultmann, <strong>In</strong>go / Neumann, Thomas / Schiecke, Jutta (Hrsg.) (1989) Hannover zu<br />
Fuß, 18 Stadtteilrundgänge durch Gesch<strong>ich</strong>te und Gegenwart: VSA – Verlag, Hamburg<br />
De<strong>ich</strong>er, Susanne (1994): Mondrian : Benedikt Taschen Verlag GmbH<br />
Jaffé, Hans, L.C. (1967): Mondrian und De Stijl: Verlag M. DuMont Schauberg, Köln<br />
Lissitzky, El, Landeshauptstadt Hannover (Hrsg.) (1988): El Lissitzky 1890 – 1941.<br />
Retrospektive. Sprengel Museum Hannover 24. Januar – 10. April 1988: Verlag Ullstein<br />
GmbH<br />
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Mlynek, Klaus / Röhrbein, Wal<strong>dem</strong>ar R. (1994): Gesch<strong>ich</strong>te der Stadt Hannover, Band<br />
2. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart<br />
Riese, Brigitte (Hrsg.) (1994): Semanns kleines Kunstlexikon: E.A. Semann Verlag,<br />
Leibzig<br />
Wingler, Hans M.(1962): Das Bauhaus; Bramsche – Köln: Rasch und DuMont<br />
Schauberg, Köln<br />
Wörner, Martin / Hägele, Ulr<strong>ich</strong> / Kirchhof, Sabine (2000):Architekturführer Hannover:<br />
Dietr<strong>ich</strong> Reimer Verlag<br />
Weiterführende Literatur:<br />
Panofsky, Erwin (1978): Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der<br />
Renaissance. S. 16 – 67. <strong>In</strong>: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst. Verlag M.<br />
DuMont Schauberg, Köln<br />
Seuphor, M<strong>ich</strong>el (1957): Piet Mondrian. Leben und Werk: Verlag M. DuMont<br />
Schauberg, Köln<br />
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