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Titel - Justament

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D R E I<br />

2002<br />

• Fernsehrichter<br />

• Glamouranwalt<br />

• Zensurversuche<br />

MEDIEN IM BLICK<br />

ISSN 1615-4800<br />

INTERVIEW<br />

Matthias Prinz<br />

„Medienrechtspapst“<br />

EINE ZEITSCHRIFT VON<br />

AUSBILDUNG<br />

Jobs bei der<br />

Filmproduktion<br />

Wahlstation<br />

Neuseeland<br />

Ausbildungsreform II<br />

TITEL<br />

Der „Counterstrike“- Fall<br />

zwischen Zensur<br />

und Perversion<br />

Persönlichkeitsschutz<br />

versus Meinungsfreiheit<br />

TV-Richter<br />

im Quotenrennen


Inhalt<br />

<strong>Titel</strong>thema<br />

Christian Frenzel 6<br />

Die entgültige Teilung Deutschlands<br />

Gespräch mit der Rechtsberatung der Satirezeitschrift Titanic<br />

Anselm Grün 8<br />

Viele Wege führen zum Film<br />

Szenebericht eines Referendars<br />

Martin Franz 10<br />

Eigenwillige Branche<br />

Aus der Praxis eines Medienanwalts<br />

Dr. Georg Seyfarth 12<br />

Die Grenzen der Wahrheit<br />

Meinungs- und Pressfreiheit versus Persönlichkeitsrecht<br />

Kristina Orthmann 14<br />

Wie steht’s um die Quote, Frau Vorsitzende?<br />

Gerichtsverhandlungen im Fernsehen<br />

Katharina Mohr<br />

Eine Hymne an Edel und Stark 15<br />

Anwaltsserien im Fernsehen – unrealistisch aber schön<br />

Lorrain Haist<br />

www.blood-is-red.de 16<br />

Gewalt in Computerspielen<br />

Interview<br />

Der Glamouranwalt 18<br />

Interview mit Mathias Prinz,<br />

der wohl bekannteste deutsche Medienanwalt<br />

Ausbildung<br />

Kristina Orthmann 20<br />

Standortbestimmung<br />

Die deutsche Juristenausbildung im europäischen Vergleich.<br />

Ein Gespräch mit Dr. Ranieri<br />

und danach<br />

Dominik Heuel/Katharina Sack 22<br />

Einstieg in die Verlagsbranche<br />

Was ist die juristische Ausbildung eigentlich wert?<br />

David Schmidtke 23<br />

Good on ya, mate!<br />

Der LL.M. in Wellington, Neuseeland<br />

Udo Zöbelein 24<br />

Die Praktikantenfalle<br />

Ein Praktikum bei einer Filmproduktionsgesellschaft<br />

Literatur<br />

Berhard Schlink,<br />

Vergangenheitsschuld und gegenwärtiges Recht 25<br />

Rainer Oberheim, Zivilprozessrecht für Referendare 26<br />

Noam Chomsky, 9 -11 26<br />

Gehard Köbler, Rechtstürkisch 27<br />

Michael Stolleis,<br />

Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland 27<br />

Service<br />

Editorial 4<br />

Echtest für Juristen 40<br />

Impressum 42<br />

justament drei 2002<br />

3


Editorial<br />

Traumberuf Medienanwalt<br />

uf die Frage, welche Art von Jurist oder Juri-<br />

man denn nun werden will, kommen<br />

Astin<br />

viele ins Stocken. Früher, in der Grundschule, war<br />

das alles einfach: Die Willensbildung erfolgte –<br />

zumindest was die Zukunft betraf – im Kollektiv:<br />

Die Mädchen wollten Tierärztin werden und bei<br />

den Jungs sollte es der Fußballprofi sein. Die<br />

Phantasie für die Praxis war farbig und konkret:<br />

Die einen wollten Lassie gesund pflegen und die<br />

anderen im Halbfinale gegen England den Elfmeter<br />

verwandeln.<br />

Und heute als Akademiker? Auch an den juristischen<br />

Fakultäten ist sich das Gros einig: Zumindest<br />

irgendwann einmal hat sich jeder überlegt,<br />

Medienanwalt zu werden. Die entsprechenden<br />

Veranstaltungen sind hoffnungslos<br />

überlaufen und wäre nicht das Wahlfach Urheberrecht<br />

als ausnehmend schwierig verrufen,<br />

gäbe es keinen anderen Abschluss mehr. So ist<br />

das bei jeder Ausbildung, je größer das Interesse<br />

daran, desto höher die gestellten Anforderungen.<br />

Und wieder gibt es konkrete und farbige Vorstellungen<br />

für die Praxis dieser Anwälte: Heute wollen<br />

die einen als gerissene Anwälte Graciano<br />

Rocchigiani „raushauen“ und die andern, diskret<br />

aber wirkungsvoll, das „geschätzte Alter“ von<br />

Stefanie von Monaco „richtig stellen“.<br />

Die Realität sieht anders aus. Kinderträume<br />

sind längst entzaubert: Von Tierärzten weiß man<br />

inzwischen, dass sie teures, mit Antibiotika angereichertes,<br />

semilegales Futtermittel in Schweinetröge<br />

schütten und deswegen selbst längst Vegetarier<br />

geworden sind, Vegetarier aus Vernunft<br />

und nicht aus Liebe zum Tier. Und dass schon in<br />

der Kreisliga kein Blumentopf mehr zu holen ist,<br />

wenn man sich mit sechzehn Jahren einen<br />

Außenbandriss zugezogen hat, ist auch nicht neu.<br />

Dass auch in Medienkanzleien die eine oder<br />

andere Desillusion auf uns wartet, wissen wir,<br />

seitdem klar ist, in welchem Punktebereich Anwälte<br />

in dieser Branche eingestellt werden –<br />

wenn überhaupt Jobs zu vergeben sind. Die<br />

Frage nach dem Traumberuf, oder nennen wir es<br />

einfach die Frage nach dem Berufswunsch, ist ein<br />

rein individuelles Problem. Und jetzt, kurz vor,<br />

kurz nach oder während der Referendarszeit wird<br />

sie noch mal richtig wichtig. Am Ende einer langen<br />

Ausbildung könnte man die letzten Weichen<br />

stellen. Danach gibt es wahrscheinlich dreißig<br />

Jahre lang nur noch eine Karriereleiter und die<br />

kennt nur ein Hoch oder Runter. Ein Rechts oder<br />

Links gibt es dann nicht mehr. Traumberufe ändern<br />

sich und verblassen. Die Altvordern haben<br />

es uns oft genug prophezeit: Irgendwann finden<br />

wir uns hinter einem beliebigen Schreibtisch zwischen<br />

Aktenbergen wieder und wundern uns, wie<br />

wir dahingekommen sind.<br />

Aber das muss nicht so sein. Der Rat, die<br />

Kindheitsträume nicht aus den Augen zu verlieren,<br />

ist da schon besser. Mit dem Älterwerden<br />

haben wir gelernt, dass das Gefühl des Torschützen<br />

sich nur wenig von dem Gefühl unterscheidet,<br />

das sich bei jedem außerordentlichen Erfolg<br />

einstellt. Es kommt uns eben nicht unbedingt<br />

darauf an, Lassie zu helfen, sondern wir wollen<br />

Verantwortung übernehmen.<br />

Und diejenigen, die sich nun mit einem gemurmelten<br />

Jetzt-erst-recht! in die Medienbranche<br />

stürzen wollen, weil ihnen<br />

der eine oder andere Traum<br />

wichtig ist, für diejenigen ist<br />

diese Ausgabe von justament<br />

gemacht. Viel Spaß beim Lesen.<br />

Jörg-Ulrich Weidhas<br />

Leitender Redakteur<br />

4<br />

justament drei 2002


<strong>Titel</strong><br />

Die endgültige Teilung Deutschlands<br />

Nur wenige Redaktionen trauen sich, einen FDP-Kreisvorsitzenden vor<br />

einem Plakat „Deutsche wehrt Euch – wählt FDP“ zu fotografieren. Die<br />

Redaktion des Titanic-Magazins hat da keine Hemmungen. Wir<br />

waren neugierig auf die Rechtsanwältin, die der Titanic-<br />

Redaktion aus brenzligen Situationen heraushilft.<br />

Christian Frenzel<br />

ie Hände des Anrufers zittern auf den<br />

DTasten des Telefons. Ein Anruf in der<br />

Redaktion der Satirezeitschrift „Titanic“,<br />

die wirklich an nichts und niemandem ein<br />

gutes Haar lässt – Zitat: „die endgültige<br />

Teilung Deutschlands – das ist unser Auftrag“<br />

– und dann auch noch für eine<br />

Zeitschrift, die sich an junge Juristen<br />

richtet. „Junge Juristen“ – das klingt<br />

doch wie „Junge Liberale“ oder wie „Junge<br />

Burschenschafter“! Würde der Angerufene<br />

ein Band mitlaufen<br />

lassen und den<br />

Anrufer vor Millionen,<br />

wenn nicht Milliarden<br />

von Lesern in die Einzelteile<br />

zerlegen? Würde man sich für Möllemann<br />

rechtfertigen müssen? Oder für die<br />

Tatsache, dass alle Jurastudenten Seidentücher<br />

tragen?<br />

Die Stimme des Chefredakteurs Martin<br />

Sonneborn am anderen Ende der Leitung<br />

ist dann doch erstaunlich freundlich. Von<br />

Aggressivität keine Spur. Die Nummer der<br />

Rechtsberaterin ist schnell erfragt, man<br />

bedankt und verabschiedet sich erleichtert<br />

– und doch auch mit einer Spur Enttäuschung.<br />

Das war also der Mann, der<br />

einen Bestechungsskandal bei der WM-<br />

Vergabe provoziert hat? Der Mann, der<br />

einen FDP-Kreisvorsitzenden dazu brachte,<br />

sich vor Plakaten mit Slogans wie<br />

„FDP – judenfrei und Spaß dabei“ oder<br />

„Deutsche wehrt Euch – wählt FDP“ fotografieren<br />

zu lassen?<br />

Das Problem der Satire<br />

„Man muss diese Art der Satire mögen<br />

und verstehen“, sagt Rechtsanwältin Gabriele<br />

Rittig, seit über 20 Jahren Rechtsberaterin<br />

der Titanic, „sonst kann man sie<br />

weder erklären noch vertreten.“ Die Frau<br />

kann einem Leid tun. Der durchschnittliche<br />

Titanic -Leser muss nur im<br />

eigenen Freundeskreis erklären, dass er<br />

über die Ossiwitze in seiner Lieblingszeitschrift<br />

nicht deswegen lacht, weil er keine<br />

Ostdeutschen mag, sondern weil sie (die<br />

Witze, nicht die Ossis) einfach komisch<br />

IMan muss diese Art der<br />

Satire mögen und verstehen<br />

sonst kann man sie weder<br />

erklären noch vertreten.<br />

sind. Frau Rittig muss dem Bundesverfassungsgericht<br />

erklären, warum die Titanic<br />

einen Querschnittsgelähmten, der unbedingt<br />

eine Reserveübung bei der Bundeswehr<br />

machen möchte, als Krüppel bezeichnen<br />

dürfen muss (BVerfGE 86,1 –<br />

warum Frau Rittig dieses Urteil besonders<br />

gut gefällt, wird jedem klar werden, der es<br />

liest, was hiermit nachdrücklich empfohlen<br />

wird). Und da steckt das Problem der<br />

Titanic, das Problem jeder Satire: Der Rezipient<br />

muss sie als solche<br />

verstehen. Der Titanic-Abonnent<br />

wird auch<br />

über den übelsten<br />

Scherz lachen können.<br />

Wenn andererseits der Mutter eines Titanic-Lesers<br />

zufällig ein Heft in die Hände<br />

fällt, in dem die Todesanzeige ihrer Mutter<br />

zum Gegenstand eines der legendären<br />

„Briefe an die Leser“ wird (s. März-Heft,<br />

S. 8), kann ihr wahrscheinlich auch der<br />

geübtere Zyniker das Recht auf Klage<br />

nicht absprechen. Überraschender ist da<br />

schon, dass auch Vertreter unserer, der<br />

jüngeren Generation, und zwar solche,<br />

die sich gern über Humorversager wie<br />

Franz-Josef Wagner mokieren, einen erschreckenden<br />

Mangel an Toleranz an den<br />

Tag legen. Ja, auch Benjamin von Stukkrad-Barre<br />

hat sich schon in den inzwischen<br />

recht unübersichtlichen Kreis derer<br />

eingereiht, die die Titanic zum gerichtlichen<br />

Duell aufgefordert haben. Und das<br />

nur, weil diese in eine Reklame für seine<br />

Lesereise statt seines Porträts ein Foto des<br />

Oklahoma-Bombers Timothy McVeigh<br />

montiert hatte – ein für Titanic-Verhältnisse<br />

eher harmloser Scherz. Und damit<br />

muss sich dann Frau Rittig rumschlagen.<br />

Die ist so etwas aber natürlich gewohnt,<br />

schließlich hat sie schon in den späten<br />

Siebzigern für Henning Venske gearbeitet,<br />

damals Chefredakteur von „Pardon“<br />

und der erste, der ein juristisches Problem<br />

mit einer Werbeparodie hatte – von den<br />

<strong>Justament</strong>-Lesern wird sich wohl keiner<br />

an den Slogan „Ich trinke Jägermeister,<br />

weil mein Dealer im Knast ist“ erinnern.<br />

In dieser Zeit lernte Frau Rittig auch spätere<br />

Titanic-Stars wie Robert Gernhardt<br />

kennen und sie begann mit ihrer bis<br />

heute unvollendeten Doktorarbeit über<br />

Satire und Justiz.<br />

Immer auf der Höhe der Zeit<br />

Heutzutage kommt es schon mal zu Meinungsverschiedenheiten<br />

mit den Machern<br />

des Blattes, die aus dem Generationenkonflikt<br />

entstehen und aus dem daraus resultierenden<br />

unterschiedlichen Verständnis von<br />

Politik. Trotzdem wird zumeist auf sie gehört,<br />

wenn sie im Vorfeld von bestimmten<br />

Formulierungen abrät oder besonders krasse<br />

Verunglimpfungen verhindert. Das ist<br />

gut für Frau Rittig und gut für Titanic, die<br />

bei jeder Unterlassungsverfügung aufs<br />

Neue in ihrer Existenz bedroht ist – und es<br />

ist schade für den juristisch interessierten<br />

Leser, der erstens um eine im Zweifel lustige<br />

Satire gebracht wird, und zweitens um die<br />

richterliche Klärung interessanter juristischer<br />

Probleme. Denn Satire hat es an sich,<br />

dass sie sich immer auf der Höhe der Zeit<br />

befindet, darin, welche Themen behandelt<br />

werden, und vor allem in der Art, wie sie behandelt<br />

werden. Hier entsteht ein interessantes<br />

Spannungsfeld zu der den Gerichten<br />

anhaftenden Trägheit in der Verarbeitung<br />

und Inkorporierung außerjuristischer Disziplinen,<br />

nachzuverfolgen an der Diskussion<br />

um den Kunstbegriff. Die Richter haben mit<br />

dem politischen Druck zu kämpfen, der –<br />

meist unbewusst – auf sie ausgeübt wird.<br />

Außerdem stimmen die neuen Formen der<br />

Satire mit ihren althergebrachten Definitionen<br />

nicht mehr überein, weshalb es ihnen<br />

schwer fällt, Satire als solche zu identifizieren.<br />

Das führt teilweise zu krassen Fehlentscheidungen,<br />

zumindest aus der Sicht von<br />

Frau Rittig. Die Richter scheuten sich zum<br />

Beispiel davor, den Verantwortlichen für<br />

einen Beitrag freizusprechen, in dem Bischof<br />

Dyba auf der rein wörtlichen Ebene<br />

als Kinderschänder bezeichnet wurde (der<br />

eigentliche Inhalt des Textes war weit komplexer).<br />

Grund für die Entscheidung war sicherlich<br />

auch der politische Druck.<br />

6<br />

justament drei 2002


<strong>Titel</strong><br />

Foto: Thomas Hintner<br />

Die „JuLis“ alias Titanic-Redaktion luden<br />

Klaus Schneider (FDP), 3.v.l.,<br />

zum Händeschütteln nach Eisenach.<br />

Was darf man montieren?<br />

Als Björn Engholm die Titanic verklagte,<br />

weil er auf dem <strong>Titel</strong> in die Barschel-Badewanne<br />

verlegt worden war, unterlag er<br />

zunächst. Als Reaktion auf seine Klage<br />

montierte die Titanic ihn im nächsten<br />

Heft in viele andere bekannte<br />

Fotos (aus dem<br />

Vietnamkrieg, der Zeit<br />

des Nationalsozialismus,<br />

etc.), womit ganz offensichtlich<br />

weder gemeint war, er sei ein<br />

Kriegsverbrecher noch ein Nazi, sondern<br />

nur die Frage problematisiert werden sollte,<br />

was man denn nun montieren darf und<br />

was nicht (Landgericht Hamburg, Urteil<br />

vom 26. Dezember 1993 – 324 O 511/93).<br />

Hierfür wurde die Titanic verurteilt, was<br />

Frau Rittig für eine klare Fehlentscheidung<br />

hält und ihrer Meinung nach auch<br />

mit dem Ansehen zusammenhing, das<br />

IMan muss sich frei machen von<br />

der Vorstellung, einem guten<br />

Menschen könne man solche<br />

Bilder nicht zumuten?<br />

Engholm in Hamburg genoss. Sie betont<br />

aber, dass sie nicht glaubt, dass Richter<br />

absichtlich zugunsten eines Politikers entscheiden,<br />

sondern nur, dass auch ein<br />

Richter sich möglicherweise nicht freimachen<br />

kann von der bewussten oder unbewussten<br />

Vorstellung,<br />

einem guten Menschen<br />

könne man<br />

solch schändliche Bilder<br />

nicht zumuten.<br />

Dieses Denken sei verständlich, juristisch<br />

aber völlig falsch. Die Arbeit für Titanic<br />

würde Frau Rittig allerdings kaum ernähren.<br />

Diese macht nur fünf bis zehn Prozent<br />

ihrer Arbeit aus. In der Frankfurter Bürogemeinschaft,<br />

der sie angehört, betätigt sie<br />

sich hauptsächlich als Strafverteidigerin<br />

und im Presserecht. Beneiden darf man sie<br />

trotzdem darum, dass sie sich auf beruflicher<br />

Ebene mit einem gesellschaftlichen<br />

Phänomen beschäftigt, dass die Lektüre<br />

der Titanic über das reine Amüsement hinaus<br />

faszinierend macht. Offensichtlich ist<br />

Deutschland in zwei Lager gespalten, die<br />

einander wie fremde Wesen gegenüber<br />

stehen: Die Titanic-Leser und die braven<br />

Bürger, die unter Satire höchstens noch die<br />

schnarchigen Plattitüden eines Dieter Hildebrandt<br />

verstehen. Verwiesen sei hier nur<br />

auf die wüsten Beschimpfungen, die sich<br />

die Titanic-Redaktion von Bild-Lesern<br />

nach dem Bestechungsskandal im Zuge<br />

der WM-Vergabe anhören musste, abrufbar<br />

unter www.titanic-magazin.de. Berührungspunkte<br />

zwischen diesen Gruppen ergeben<br />

sich sonst eigentlich nur, wenn Frau<br />

Rittig dabei ist, nämlich vor Gericht. Die<br />

endgültige Teilung Deutschlands: Sie ist<br />

längst vollzogen.<br />

www.titanic-magazin.de<br />

justament drei 2002<br />

7


<strong>Titel</strong><br />

Viele Wege führen zum Film<br />

Gerade auch für Juristen – Ein Berliner Referendar berichtet aus der Szene<br />

Anselm Grün<br />

Das Team vom Filmkollektiv Berlin<br />

Patrick Knippel, Steffen Reuter und Thilo Krastel (v.l.nr.)<br />

uch wenn Berlin heute hart kämpfen<br />

Amuss, um an den Ruhm vergangener<br />

Tage anzuknüpfen, so hat sich hier doch<br />

in den letzten Jahren eine Szene von jungen<br />

Filmemachern etabliert, die als Keimzelle<br />

für eine neue Filmkultur gelten<br />

könnte. Entsprechend wächst der Bedarf<br />

an juristischen Beratern, die das komplexe<br />

Projekt eines Spielfilms rechtlich begleiten.<br />

Wer sich hier als Referendar in die Materie<br />

einarbeitet, wird stets willkommen sein –<br />

auch und gerade weil die „Neuen“ in der<br />

Szene noch mehr Ideen und Ambitionen<br />

haben als Geld für teure Anwälte.<br />

Einer dieser filmischen Newcomer ist<br />

die junge Firma „Filmkollektiv“. Erst vor<br />

anderthalb Jahren aus einem lockeren<br />

Netzwerk junger Filmschaffender entstanden,<br />

hat sich das Unternehmen heute auf<br />

die beiden Standbeine Werbung und Kinofilm<br />

spezialisiert. Derzeit bereiten die drei<br />

Unternehmensgründer Patrick Knippel,<br />

Thilo Krastel und Steffen Reuter die Dreharbeiten<br />

für ihren neuen Thriller „Devot“<br />

vor, die im Sommer in Halle mit Annett<br />

Renneberg in der Hauptrolle beginnen sollen.<br />

Das Vertragsnetzwerk, als das sich das<br />

Gebilde „Spielfilm“ juristisch gesehen darstellt,<br />

wird von den drei Produzenten derzeit<br />

noch selber gemanagt. Dabei bedienen<br />

sie sich vorwiegend vorformulierter<br />

Musterverträge. Doch Vorsicht: Die Produktion<br />

eines Spielfilms ist ein hochkomplexes<br />

Vertragsgeflecht mit vielen Fallen<br />

und Stricken. Wer hier mit juristischem<br />

Sachverstand helfen will, muss wissen, wie<br />

aus einer anfängliche Idee überhaupt ein<br />

leinwandtauglicher Streifen entsteht.<br />

Die Stoffentwicklung<br />

Am Anfang steht die Phase der Stoffentwicklung.<br />

Der Produzent entwickelt gemeinsam<br />

mit den Autoren das filmreife<br />

Drehbuch. Vertraglich kommt es hier darauf<br />

an, sich entweder die Verfilmungsrechte<br />

an einem bereits bestehenden Roman<br />

oder aber an dem zu schreibenden Drehbuch<br />

zu sichern. Wenn der Produzent<br />

noch nicht sicher ist, ob er den Stoff wirklich<br />

verfilmen möchte, wird er in zunächst<br />

nur vorläufig mittels eines Optionsvertrages<br />

sichern: Danach hat er für einen begrenzten<br />

Zeitraum das exklusive Recht des<br />

Zugriffs auf den begehrten Stoff. Der Vertragsjurist<br />

muss in dieser Phase Erfahrung<br />

im Umgang mit den Gestaltungsmöglichkeiten<br />

und Risiken von Optionen sowie der<br />

Persönlichkeit und den Ängsten von Autoren<br />

haben. Die bloße Übernahme eines<br />

Formulars reicht nicht mehr aus.<br />

Das „Packaging“:<br />

die Projektentwicklung<br />

In der zweiten Phase folgt das sog. Packaging.<br />

Für den Juristen ist dies die intensivste<br />

Station, weil vertraglich die Grundlage<br />

für das gesamte weitere Gedeihen des<br />

Films gelegt wird. Der Produzent schnürt<br />

sein „Paket“: Er verpflichtet (spätestens<br />

jetzt) den Regisseur, die Schauspieler, das<br />

gesamte kreative und technische Team.<br />

Um den Film uneingeschränkt verwerten<br />

zu können, muss sich der Produzent die<br />

Nutzungsbefugnis an allen Urheber- und<br />

Leistungschutzrechten der Mitwirkenden<br />

im Voraus übertragen lassen.<br />

Schon vorher wird die Finanzierung<br />

des Films geplant. Traditionell erfolgt dies<br />

in Deutschland durch die Dreiteilung Eigenkapital,<br />

öffentliche Förderung und<br />

Vorabverkauf der Rechte bzw. Minimumgarantien<br />

von Verleihern (sogenannte Lizenzen).<br />

Lizenzen werden dabei in dreifacher<br />

Hinsicht eingeräumt: Zeitlich (z.B.<br />

sieben Jahre bzw. drei TV- Wiederholungen),<br />

räumlich (z.B. Deutschland oder<br />

deutschsprachiges Europa) und sächlichmedial<br />

(z.B. free-TV-Rechte oder Filmtheater).<br />

Durch diese Differenzierung kann<br />

der Film parallel mehrfach ausgewertet<br />

werden. Was sich zunächst simpel anhört,<br />

wächst in der Praxis nicht selten zu umfangreichen,<br />

ausgefeilten Vertragswerken<br />

mit branchentypischen Eigenheiten. So<br />

werden teilweise sog. Elevator-Verträge<br />

ausgehandelt, wonach sich der Preis der<br />

Lizenz erhöht, wenn in den Kinos eine bestimmte<br />

Zuschauergrenze überschritten<br />

wird. Bei den jungen Filmemachern wird<br />

auch in dieser Phase versucht, einfache<br />

Strukturen einzuhalten. Der Referendar,<br />

der hier von Anfang an mit einem „Gründerteam“<br />

zusammenarbeitet, wird gemeinsam<br />

mit seinen künstlerischen Kollegen<br />

den erforderlichen Reifeprozess durchmachen.<br />

Häufig werden in der Finanzierungsphase<br />

zudem Co-Produzenten mit ins<br />

Boot geholt, die sich entweder auf eine<br />

reine Finanzierung beschränken oder aber<br />

auch an der Produktion selber teilnehmen.<br />

In Deutschland ist die Zusammenarbeit<br />

mit einem Fernsehsender weitverbreitet.<br />

„Preproduction“:<br />

Die Drehvorbereitung<br />

Als nächste Phase folgt die Drehvorbereitung<br />

(sog. Preproduction). Es werden Kostüme<br />

genäht, die Ausstattung wird gebaut,<br />

das Equipment gemietet. Während<br />

die Arbeit der einzelnen Filmschaffenden<br />

jetzt emsiger und aufgeregter wird, flacht<br />

die juristische Spannungskurve ab. Es<br />

müssen Drehgenehmigungen für die<br />

Außendrehs eingeholt werden. Dies stellt<br />

keine wirkliche Herausforderung mehr für<br />

dar: Zwar ist ein Außendreh eine minutiös<br />

regulierte Angelegenheit, bei der zu<br />

Zwecken der Gefahrenabwehr und des Arbeitsschutzes<br />

fast schon jede Handbewegung<br />

vorgeschrieben ist, doch hat das<br />

Land Berlin diverse Filmbeauftragte, die<br />

(gegen saftige Gebühr) die Voraussetzungen<br />

der Drehgenehmigung überwachen.<br />

Dreh und Endfertigung<br />

Der anschließende Dreh selber und die Postproduktion<br />

(Schnitt, Nachbearbeitung, etc.)<br />

kommt weitgehend ohne die Arbeit des Juristen<br />

aus. Soweit nicht bereits in der Finanzierungsphase<br />

geschehen, wird der fertige<br />

Film dann zeitlich/räumlich/medial aufgesplittet<br />

und veräußert. Die inländischen<br />

Theaterrechte gehen dabei an den Verleih,<br />

der den Film auf eigene Kosten in die Kinos<br />

bringt, insbesondere auch die Werbung finanziert.<br />

Die ausländischen Theater- und<br />

Videorechte werden oft auch im Paket an<br />

einen sog. Weltvertrieb verkauft, der ihn im<br />

Ausland auswertet. Film ab!<br />

8<br />

justament drei 2002


<strong>Titel</strong><br />

Eigenwillige Branche<br />

Ein Rechtsanwalt, der für die Medien tätig ist, in erster Linie ein Rechtsanwalt wie jeder<br />

andere auch. Das bedeutet: er sitzt am Schreibtisch, erstellt Schriftsätze und telephoniert.<br />

Erst in zweiter Linie werden die Besonderheiten der Branche relevant.<br />

Martin Franz<br />

Medienrecht und praktische<br />

Tätigkeit des Medienanwalts<br />

„Medienrecht“ ist kein Rechtsgebiet, dass<br />

sich über eine begrenzte Anzahl von Gesetzen<br />

definieren könnte wie etwa das Zivilprozessrecht,<br />

das sich im wesentlichen<br />

mit der ZPO beschäftigt. Unser Rechtsgebiet<br />

definiert sich über die Branchen, für<br />

die wir tätig werden, und die für deren<br />

Problemstellungen. Unsere Mandanten<br />

sind Unternehmen aus den Bereichen der<br />

Filmproduktion, des Filmverleihs, des öffentlichen<br />

und privaten Rundfunks, des<br />

Verlagswesens, der Telekommunikation,<br />

des Internets und der Softwareherstellung.<br />

Privatleute finden sich nur unter unseren<br />

Mandanten, wenn ein spezielles urheberoder<br />

medienrechtliches Problem vorliegt.<br />

Die Tätigkeiten dieser Branchen werden<br />

von ganz unterschiedlichen Vorschriften<br />

geregelt, die teilweise weitab von den<br />

Inhalten der Ausbildung an der Universität<br />

und im Referendariat liegen. So wird man<br />

noch relativ leicht darauf kommen, dass<br />

ein Filmproduktionsvertrag grundsätzlich<br />

aus einer Verbindung von Werkvertragsund<br />

Urheberrecht (BGB und UrhG) besteht.<br />

Ein Application Service Providing (ASP)-<br />

Vertrag bezüglich einer für Dritte zugänglichen<br />

Datenbank zur Buchung von Models<br />

wird sich in erster Linie mit Dienstvertrags-<br />

und Lizenzrecht befassen (ebenfalls<br />

BGB und UrhG). Aber man würde dem<br />

Mandanten einen Bärendienst erweisen,<br />

wenn man nur BGB und UrhG beachten<br />

würde, die allerdings gelegentlich kompliziert<br />

genug sein können.<br />

Filmfinanzierung<br />

Die Tätigkeit der gesamten Filmbranche ist<br />

durch den Kampf um Fördermittel geprägt.<br />

Statistisch gesehen kommt allein<br />

mit den Kassenerlösen kaum ein deutscher<br />

Film in die Gewinnzone. Daher wird einerseits<br />

das Risiko durch die Verteilung auf<br />

verschiedene Investoren gestreut. Zweitens<br />

versuchen die Beteiligten primär, über die<br />

Fördermittel das Risiko zu minimieren. Die<br />

Vergabe von Fördermitteln ist aber zwischen<br />

EU, Bund, Ländern und auch Privaten<br />

in zahlreichen Institutionen zersplittert,<br />

die Vorschriften für die einzelnen Förderungsarten<br />

sind außerordentlich kompliziert.<br />

Die einschlägigen Gesetze, Verordnung<br />

und Richtlinien (z. B. Filmförderungsrichtlinien<br />

des Beauftragten für die<br />

Angelegenheiten der Kultur und der Medien,<br />

Filmförderungsgesetz (FFG), die<br />

Richtlinien der Filmförderungsanstalt<br />

(FFA), die Richtlinien für die bayrische<br />

Film- und Fernsehförderung, die Förderungsrichtlinien<br />

der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen<br />

etc.) zielen primär auf die<br />

Subventionierung der Filmindustrie im jeweils<br />

eigenen Gebiet, so dass hier Konfliktstoff<br />

liegt. Der Medienanwalt muss sich<br />

klar sein, dass am Verhandlungstisch nicht<br />

nur Produzent, Koproduzenten und Filmverleiher<br />

sitzen, sondern indirekt auch<br />

sämtliche Filmförderungsinstitutionen, auf<br />

deren Belange Rücksicht zu nehmen ist. Es<br />

muss im Vertrag gegebenenfalls genau geregelt<br />

werden, wo welcher Beitrag zu dem<br />

Filmwerk erbracht wird. Der Standort des<br />

Kopierwerks und die Nationalität des dritten<br />

Kabelträgers können dabei genauso relevant<br />

werden wie der Ort der Premierenfeier.<br />

Rückflussplan<br />

Ebenso wichtig ist die Beteiligung an den<br />

Erlösen. Es muss ein sogenannter „Rückflussplan“<br />

erstellt werden, der deutlich<br />

macht, wer bei welcher Zuschauerzahl<br />

welchen Erlös erhält. Dabei wird praktisch<br />

nie einfach eine prozentuale Aufteilung<br />

gewählt, sondern nach verschiedenen<br />

„Rängen“ unterschieden. Bei mehr als drei<br />

Beteiligten wird der Rückflussplan so kompliziert,<br />

dass ohne Computerunterstützung<br />

nichts mehr geht. Der Rechtsanwalt<br />

wird hier schnell zum Excel-Spezialisten,<br />

denn der Rückflussplan ist das Herzstück<br />

der Vertragsverhandlungen. Zur weiteren<br />

Komplizierung sehen die Filmförderungsinstitutionen<br />

genaue Regelungen für die<br />

Maximalsätze der Erlösbeteiligung von<br />

privaten Investoren vor, damit sie selbst bei<br />

der Rückführung nicht leer ausgehen. Es<br />

bleibt meist nur der Ausweg, sich auf die<br />

wenigen bewährten Muster zu verlassen<br />

und ansonsten den direkten Kontakt mit<br />

den Förderinstitutionen zu suchen. Man<br />

muss dann teilweise zwischen acht<br />

und mehr Beteiligten eine Einigung herbeiführen.<br />

Zum Abschluss der Beschreibung<br />

des Rechtsgebiets stelle ich noch<br />

mein derzeitiges Lieblingsproblem aus<br />

dem Lizenzrecht zur Diskussion: Ein Filmrechtehändler<br />

verkauft an einen Filmverwerter<br />

bestimmte Rechte, liefert aber<br />

noch kein Material. Der Vertrag enthält<br />

für den Insolvenzfall eine Kündigungsklausel.<br />

Der Filmverwerter verkauft die<br />

Rechte weiter an ein Tochterunternehmen.<br />

Vor Lieferung des Materials meldet<br />

der Filmverwerter Insolvenz an (Parallelen<br />

in der Wirklichkeit sind rein zufällig). Der<br />

Filmverwerter hat nur eine Anzahlung geleistet,<br />

der Rest wird bei Lieferung des<br />

Materials fällig. Die Fragen sind nun: Ist<br />

die Insolvenzklausel gültig? Kann der<br />

Filmrechtehändler aus anderen Gründen<br />

kündigen und wenn ja, unter welchen<br />

Voraussetzungen? Fallen die Rechte bei<br />

Kündigung automatisch an den Filmrechtehändler<br />

zurück oder besteht nur eine<br />

Verpflichtung auf Rückübertragung? Und<br />

welche Auswirkungen bestünden jeweils<br />

für die Rechtsposition des Tochterunternehmens?<br />

Und schließlich: Behält am<br />

Ende der Filmrechthändler das Filmmaterial<br />

und der Filmverwerter die Filmrechte?<br />

Man sollte schon den Willen haben, sich<br />

10<br />

justament drei 2002<br />

Grafik: David Fuchs


<strong>Titel</strong><br />

mit solchen Grundlagenfragen auseinander<br />

zu setzen, wenn man sich für das Medienrecht<br />

entscheidet. Und merke: Die Lösung<br />

all dieser Fragen gibt noch keine<br />

Antwort darauf, wie man als Rechtsanwalt<br />

konkret vorgeht. Dabei sind zusätzlich<br />

taktische Erwägungen zu berücksichtigen.<br />

Die Mandanten<br />

Mein Gebiet in der Kanzlei ist vor allem<br />

das IT- und Filmrecht. Die Mandanten dieser<br />

beiden Branchen unterscheiden sich erwartungsgemäß<br />

stark:<br />

Im IT-Bereich liegt die Schwierigkeit vor<br />

allem in der unterschiedlichen Sprache, die<br />

Informatiker und Juristen normalerweise<br />

sprechen. Häufig werden die technischen<br />

Spezifikationen aus den Verträgen ausgelagert,<br />

so dass sie den Rechtsanwalt nicht<br />

unmittelbar betreffen. Die technischen<br />

Grundlage müssen dem Juristen allerdings<br />

klar sein. Zum Beispiel muss der Anwalt<br />

bei ASP-Vertrag zur Regelung der Haftungsfragen<br />

die technischen Aufgaben der<br />

einzelnen Beteiligten genau kennen.<br />

Sehr eigenwillig ist die Filmbranche.<br />

Ohne den Mandanten aus der Filmindustrie<br />

Unrecht tun zu wollen, lässt sich<br />

durchaus sagen, dass hier Verträge häufig<br />

eher als lockere Richtlinien denn als feste<br />

Verbindlichkeiten betrachtet werden. Das<br />

hat aber seinen Grund zum Großteil im<br />

geregelten Sachverhalt selbst. Der Film ist<br />

mit Abstand die organisatorisch komplexeste<br />

Kunstform. Es gibt das Bonmot,<br />

dass man zum Schreiben eines Buches Papier<br />

und Bleistift braucht, zum Malen<br />

eines Bildes einen Pinsel und zur Produktion<br />

eines Films eine Armee. Dies trifft den<br />

organisatorischen und finanziellen Aufwand<br />

recht gut. Aufgrund der Vielzahl der<br />

Beteiligten und der Komplexität einer<br />

Filmproduktion ist die reibungslose<br />

Durchführung der Produktion eher die<br />

Ausnahme. Der Vertrag darf keine<br />

Zwangsjacke sein, die das Projekt bei der<br />

ersten unvorhergesehenen Schwierigkeit<br />

zum Scheitern bringt. Der Rechtsanwalt<br />

kann hier nicht bei der kleinsten Vertragsverletzung<br />

Klage erheben, schon gar nicht<br />

während der laufenden Produktion. Häufig<br />

wird gerade dies vertraglich untersagt.<br />

Wegen der hohen Wahrscheinlichkeit von<br />

Reibereien bei der Vertragsdurchführung<br />

ist es besonders wichtig, ein Klima des<br />

Vertrauens aufrechtzuerhalten, das für die<br />

Lösung von Schwierigkeiten häufig wichtiger<br />

ist als die Rechtslage. Der Rechtsanwalt<br />

benötigt viel Augemaß, um einerseits<br />

die Produktion nicht platzen zu lassen,<br />

andererseits aber nichtsdestotrotz die<br />

Interessen seines Mandanten zu wahren.<br />

Man darf schließlich auch nicht vergessen,<br />

dass man es häufig mit Leuten zu tun<br />

hat, die sich primär als Künstler sehen. Das<br />

bedeutet, dass sie häufig zu Entscheidungen<br />

neigen, die aus ihrer künstlerischen<br />

Perspektive quasi zwingend erscheinen,<br />

unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten<br />

aber schlicht irrational sind. Die Überschreitung<br />

von Budgets ist da noch der<br />

voraussehbarste Fall. Gut lässt sich auch<br />

die Verzweiflung von Miramax über die<br />

Weigerung von Martin Scorsese verstehen,<br />

seine „Gangs of New York“ auf unter vier<br />

Stunden zu kürzen. Eine tödlicher Fehler<br />

ist es auf jeden Fall, den künstlerischen<br />

Ehrgeiz eines Beteiligten zu verletzen. In<br />

diesem Fall kann ein unsinniger Rechtsstreit<br />

unausweichlich sein, bei dem<br />

schließlich alle Beteiligten mit leeren Händen<br />

dastehen. Hier wird der Anwalt häufig<br />

zum Schlichter oder gar zum Psychiater.<br />

Die Besonderheiten der Tätigkeit<br />

als Medienanwalt<br />

Schon oben wurde erläutert, dass aufgrund<br />

der Schwierigkeiten bei der Durchführung<br />

von Filmproduktionen das Vertrauensverhältnis<br />

in der Branche eine wohl<br />

noch größere Rolle spielt als im übrigen<br />

Geschäftsverkehr. Wenn man sich auf ein<br />

Unternehmen einlässt, dass trotz aller<br />

möglichen und nötigen Kalkulation nicht<br />

vollständig im voraus zu überblicken ist,<br />

muss man sich in schwierigen Situationen<br />

auf die Partner verlassen können. Dies gilt<br />

ganz besonders für das Verhältnis Anwalt<br />

und Mandant. Kurze Reaktionszeiten und<br />

eine persönliche Betreuung stehen an erster<br />

Stelle. Dies gilt nicht nur für die Filmproduktion,<br />

sondern für den gesamten<br />

Medienbereich. Dazu kommt die Bereitschaft,<br />

sich auf unkonventionelle Charaktere<br />

einlassen zu wollen. Der nur streng<br />

logisch denkende Karrierejurist ist dazu<br />

eher weniger geeignet. Viele Mitarbeiter<br />

unserer Kanzlei haben daher nicht den<br />

ganz geraden Weg zum Anwaltsberuf eingeschlagen.<br />

Man sollte künstlerisch geprägte<br />

Leute nicht nur tolerieren, sondern<br />

am besten mögen. Der Mandant sollte<br />

sich nicht nur rein rechtlich und wirtschaftlich,<br />

sondern auch emotional gut<br />

aufgehoben fühlen.<br />

Martin Franz ist<br />

Mitarbeiter des<br />

Max-Planck-Instituts für<br />

internationales Patent-,<br />

Urheber und Wettbewerbsrecht<br />

in München und<br />

Mitarbeiter der Kanzlei<br />

Lausen Rechtsanwälte.<br />

Für den Medienanwalt bestehen in der<br />

Regel auch weitergehende Möglichkeiten,<br />

auf das operative Geschäft Einfluss zu<br />

nehmen. Man hat es häufig nicht wie in<br />

anderen Branchen mit rechtlich gut vorgebildeten<br />

Kaufleuten zu tun, die den Anwalt<br />

lediglich für die Feinheiten der Vertragsgestaltung<br />

oder das Gerichtsverfahren<br />

benötigen. Der Mandant hat in unsere<br />

Branche häufig eher eine Idee, deren praktische<br />

Ausgestaltung noch sehr offen ist.<br />

Wir versuchen daher, zum Beispiel im<br />

Filmbereich eine umfassende Beratung anzubieten,<br />

die Projektplanung, Verhandlung<br />

mit Dritten, Budgetplanung, Erstellung<br />

des Rückflussplans, Vertragsgestaltung,<br />

Kontrolle der Produktion und<br />

Überwachung der Verwertung umfasst.<br />

Etwas weniger originell ist, dass auch<br />

in der Medienbranche gute Noten, sicheres<br />

Englisch und am besten noch mindestens<br />

eine andere Fremdsprache Grundvoraussetzungen<br />

sind.<br />

Fazit: Die Medienbranche ist sicher<br />

häufig etwas chaotischer als beispielsweise<br />

die Autoindustrie. Ich persönlich finde sie<br />

allerdings auch wesentlich interessanter.<br />

justament drei 2002 11


<strong>Titel</strong><br />

Die Grenzen der Wahrheit<br />

Das Grundgesetz schützt die Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit. Aber Äußerungen<br />

und Presseberichte können verletzen. Wer sich gegen beeinträchtigende Berichterstattung<br />

wehrt, kann sich seinerseits auf die Verfassung berufen.<br />

Dr. Georg Seyfarth<br />

m Januar 1969 wurden bei einem Über-<br />

auf ein Munitionsdepot der Bundes-<br />

Ifall<br />

wehr in Lebach vier Soldaten brutal getötet,<br />

ein weiterer wurde schwer verletzt. Die<br />

Tat war von drei Jugendlichen begangen<br />

worden. Die Täter wurden rasch gefaßt<br />

und verurteilt. Der Fall erregte seinerzeit<br />

bundesweit großes Aufsehen. Das ZDF<br />

produzierte Anfang 1972 ein Dokumentar-Fernsehspiel<br />

über den “Lebach-Mord”,<br />

in dem die drei Täter im Bild gezeigt und<br />

wiederholt namentlich genannt wurden.<br />

Gegen die Ausstrahlung setzte sich damals<br />

ein Tatbeteiligter, der kurz vor der Haftentlassung<br />

stand, mit einer Unterlassungsklage<br />

zur Wehr. Nachdem er mit seinem<br />

Unterlassungsbegehren zunächst vor den<br />

Zivilgerichten gescheitert war, untersagte<br />

das Bundesverfassungsgericht 1973 in der<br />

berühmten Lebach-Entscheidung dem<br />

ZDF die Ausstrahlung des Fernsehspiels<br />

(BVerfGE 35, 202).<br />

Meinungs- und Medienfreiheiten<br />

Das Lebach-Urteil ist Generationen von<br />

Jurastudenten als Schulfall der widerstreitenden<br />

verfassungsrechtlichen Schutzgüter<br />

der Meinungs- und Medienfreiheit einerseits<br />

und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />

andererseits bekannt. In der Tat<br />

konnte sich das ZDF damals mit guten<br />

Gründen auf die Verfassung berufen:<br />

Art. 5 I GG garantiert jedem das Recht,<br />

seine Meinung in Wort, Schrift und Bild<br />

frei zu äußern und zu verbreiten. Er gewährleistet<br />

überdies die Pressefreiheit und<br />

die Freiheit der Berichterstattung durch<br />

Rundfunk und Film (Medienfreiheiten).<br />

Die Meinungsfreiheit ebenso wie die<br />

Medienfreiheiten sind für eine freiheitliche<br />

Grundordnung schlechthin konstituierend.<br />

Jeder soll im Prinzip frei sagen können,<br />

was er denkt, auch wenn er keine nachprüfbaren<br />

Gründe für sein Urteil angibt<br />

oder angeben kann. Die freiheitliche Demokratie<br />

lebt davon, daß Fragen von allgemeiner<br />

Relevanz frei und offen debattiert<br />

werden. Der unbefangene Austausch<br />

von Meinungen und gegenläufigen Positionen<br />

ist Voraussetzung individueller Entfaltung<br />

sowie demokratischer Entscheidungsfindung<br />

und Kontrolle. Das Grundrecht<br />

verbietet dem Staat deshalb, eine<br />

Äußerung inhaltlich zu bewerten. Es ist<br />

unerheblich, ob eine Äußerung wertvoll<br />

oder wertlos, richtig oder falsch, emotional<br />

oder rational begründet ist.<br />

Während die Meinungsfreiheit einzelne<br />

Äußerungen vor allem inhaltlich schützt,<br />

dienen die Medienfreiheiten der Sicherung<br />

der Aufgabe und der Funktion von Presse,<br />

Rundfunk und Fernsehen. Die Rundfunkfreiheit<br />

ist dabei im Kern Programmfreiheit.<br />

Sie gewährleistet,<br />

daß die Gestaltung<br />

des Programms<br />

Sache des Rundfunks<br />

bleibt und<br />

sich an publizistischen<br />

Kriterien ausrichten<br />

kann. Im Zentrum der grundrechtlichen<br />

Gewährleistung der Pressefreiheit<br />

steht das Recht, Art und Ausrichtung, Inhalt<br />

und Form eines Publikationsorgans<br />

frei zu bestimmen. Von der Eigenart oder<br />

dem Niveau des Presseerzeugnisses oder<br />

der Berichterstattung im einzelnen hängt<br />

der verfassungsrechtliche Schutz nicht ab.<br />

Die Gewährleistung beschränkt sich nicht<br />

auf politische Programme, sondern umfaßt<br />

ebenso die unterhaltenden. Deshalb konnte<br />

sich das ZDF im Lebach-Fall ebenso auf<br />

die Verfassung berufen wie etwa die Boulevardblätter,<br />

die Berichte über Caroline<br />

von Monaco oder andere Prominente veröffentlichen<br />

und bebildern.<br />

Ehrschutz und allgemeines<br />

Persönlichkeitsrecht<br />

Das Grundgesetz gewährleistet die Meinungs-<br />

und Medienfreiheiten allerdings<br />

nicht vorbehaltlos, sondern setzt ihnen<br />

durch die allgemeinen Gesetze, also etwa<br />

die strafrechtlichen Beleidigungstatbestände,<br />

und das Recht der persönlichen<br />

Ehre Schranken (Art. 5 II GG). Wer sich<br />

gegen herabsetzende, falsche oder rufschädigende<br />

Äußerungen zur Wehr setzen<br />

will, kann sich darüber hinaus in aller<br />

Regel auf das verfassungsrechtlich gewährleistete<br />

“allgemeine Persönlichkeitsrecht”<br />

berufen. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht<br />

ist eine der beiden Ausprägungen<br />

des Grundrechts auf freie Entfaltung<br />

der Persönlichkeit, das in Art. 2 I GG gewährleistet<br />

wird. Im Unterschied zur allgemeinen<br />

Handlungsfreiheit, die dem Einzelnen<br />

das Recht gibt, zu tun und zu lassen,<br />

was er will, also die aktive Seite der Persönlichkeitsentfaltung<br />

zum Gegenstand<br />

hat, geht es bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht<br />

um die Freiheit von nachteiligen<br />

Einwirkungen des Staates oder von<br />

Dritten auf die Persönlichkeit. Aufgabe des<br />

allgemeinen<br />

Persönlichkeitsrechts<br />

ist es, die<br />

engere persönliche<br />

Lebenssphäre<br />

und die<br />

Erhaltung ihrer<br />

Grundbedingungen zu gewährleisten, soweit<br />

das nicht durch spezielle Grundrechte<br />

geschieht. Seine Bedeutung kommt darin<br />

zum Ausdruck, daß die Rechtsprechung<br />

bei der Herleitung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts<br />

von Anfang an auch die<br />

Garantie der Menschenwürde (Art. 1 I GG)<br />

mitzitiert hat.<br />

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht<br />

schützt auch vor nachteiligen und ehrkränkenden<br />

Äußerungen und Medienberichten.<br />

Das gilt zum Beispiel für verfälschende und<br />

entstellende Darstellungen. Niemand muß<br />

sich nachsagen lassen, er sei Mitglied einer<br />

umstrittenen Vereinigung oder habe etwas<br />

Bestimmtes gesagt, wenn das gar nicht<br />

stimmt. Manchmal entfaltet das Grundrecht<br />

seine Schutzwirkung aber auch<br />

gegenüber wahrer Berichterstattung. Das<br />

zeigte der Lebach-Fall besonders eindrucksvoll:<br />

Das ZDF-Dokumentarspiel enthielt<br />

keine unwahren Behauptungen. Jedoch<br />

stand der Kläger, als die Ausstrahlung beabsichtigt<br />

war, kurz vor der Entlassung aus<br />

der Haft. Seine Wiedereingliederung in die<br />

Gesellschaft nach Verbüßung der Strafe<br />

(Resozialisierung) wäre wesentlich erschwert<br />

worden, wenn die Brutalität und<br />

Verabscheuungswürdigkeit des Verbrechens<br />

durch die Ausstrahlung des Fernsehspiels<br />

noch einmal mit großer Breitenwirkung<br />

in Erinnerung gerufen worden wären.<br />

IManchmal entfaltet das Grundrecht seine<br />

Schutzwirkung aber auch gegenüber<br />

wahrer Berichterstattung. Das zeigte<br />

der Lebach-Fall besonders eindrucksvoll.<br />

12<br />

justament drei 2002


<strong>Titel</strong><br />

Juristische Fachseminare<br />

INSTITUT FÜR ANGEWANDTES RECHT<br />

FACHANWALT<br />

2002/2003<br />

Eine persönlichkeitsbeeinträchtigende Stigmatisierung<br />

wäre die Folge gewesen. Davor will das<br />

Grundrecht schützen.<br />

Abwägung der Verfassungsgüter<br />

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Lebach-<br />

Fall mithin eine Abwägung vorzunehmen, die typisch<br />

für den Konflikt von Meinungs- und Medienfreiheiten<br />

einerseits und den verfassungsrechtlichen<br />

Positionen der Betroffenen<br />

andererseits war. Das Ergebnis der Abwägung<br />

hängt stets von den konkreten Umständen des<br />

Falls ab. Es spielt etwa eine Rolle, ob eine Äußerung<br />

oder Berichterstattung eine die Öffentlichkeit<br />

wesentlich berührende Frage betrifft, bei der<br />

die Vermutung der freien Rede besteht, oder allein<br />

im Rahmen einer “privaten” Auseinandersetzung<br />

fällt. Auf der anderen Seite ist die Schwere der<br />

Ehr- oder Persönlichkeitsbeeinträchtigung zu beachten.<br />

Sogenannte Schmähkritik, bei der nicht<br />

mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern<br />

allein die jenseits polemischer und überspitzter<br />

Kritik liegende Diffamierung der angegriffenen<br />

Person im Vordergrund steht, ist regelmäßig<br />

untersagt. Im Lebach-Urteil 1973 befand das<br />

Bundesverfassungsgericht, daß die Ausstrahlung<br />

des Films zu einer gravierenden Persönlichkeitsbeeinträchtigung<br />

führe, und entschied deshalb<br />

gegen das ZDF und gegen die Rundfunkfreiheit.<br />

Der Lebach-Fall fand übrigens in den 90er<br />

Jahren eine unerwartete publizistische und juristische<br />

Fortsetzung. 1996 produzierte Sat1 abermals<br />

einen Fernsehfilm über den Lebach-Mord,<br />

diesmal allerdings mit fiktiven Namen und ohne<br />

die Täter im Bild zu zeigen. Wieder wehrten sich<br />

die damaligen Täter gegen die Ausstrahlung.<br />

Nunmehr entschied das Bundesverfassungsgericht<br />

jedoch für Sat1 und gab der Rundfunkfreiheit<br />

den Vorrang (NJW 2000, 1859). Denn der<br />

Sat1-Film erlaubte keine Identifizierung der<br />

Täter, und die Empörung über die Tat war mittlerweile<br />

verblaßt, so daß eine stigmatisierende<br />

Wirkung nicht zu erwarten war. Da zudem das<br />

allgemeine Persönlichkeitsrecht keinen Anspruch<br />

darauf vermittelt, in der Öffentlichkeit nur so<br />

dargestellt zu werden, wie es einem gefällt, gab<br />

das Bundesverfassungsgericht 1999 in der zweiten<br />

Lebach-Entscheidung der Rundfunkfreiheit<br />

den Vorzug.<br />

Dr. Georg Seyfarth<br />

ist Rechtsanwalt in Düsseldorf.<br />

ARBEITSRECHT<br />

26. Fachanwaltslehrgang in Berlin<br />

Sept./Okt./Nov./Dez. 2002<br />

27. Fachanwaltslehrgang in Nürnberg/Lengenfeld<br />

Januar/Februar/März 2003<br />

28. Fachanwaltslehrgang in Hamburg<br />

April/Mai/Juni 2003<br />

FAMILIENRECHT<br />

29. Fachanwaltslehrgang in Berlin<br />

Sept./Okt./Nov./Dez. 2002<br />

30. Fachanwaltslehrgang in Nürnberg/Lengenfeld<br />

Januar/Februar/März 2003<br />

31. Fachanwaltslehrgang in Hamburg<br />

April/Mai/Juni 2003<br />

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justament drei 2002<br />

13


<strong>Titel</strong><br />

Wie steht’s um die Quote,<br />

Frau Vorsitzende?<br />

Gerichtsverhandlungen im Fernsehen – Realitätsverlust oder Weiterbildung?<br />

Manch einer kann da ins Schleudern kommen.<br />

Kristina Orthmann<br />

ch, was waren sie schön, die guten<br />

Aalten Zeiten als Verhandlungen noch<br />

vor Gericht stattfanden und das Urteil<br />

eines Richters ein natürliche Autorität<br />

besaß. Doch diese Zeiten sind nun leider<br />

vorbei: Es begab sich an einem gewöhnlichen<br />

Freitag morgen, an dem mich<br />

meine Wege ins Amtsgericht führten, um<br />

an einer Verhandlung teilzuhaben. Der<br />

Fall stellte sich schnell als wenig spektakulär<br />

heraus. Der Angeklagte gab alles zu<br />

und war seinen Äußerungen nach nur<br />

dort, um sich seine Strafe abzuholen.<br />

Dies klingt soweit noch ganz gut: ein<br />

geständiger Angeklagter, der reuig seine<br />

Strafe entgegennimmt. Letzteres gestaltete<br />

sich dann jedoch ungewöhnlich<br />

schwierig. Das vom Richter festgelegte<br />

Strafmaß war dem Angeklagten nämlich<br />

zu hoch. Nachvollziehbar: fürs geständig<br />

sein nun auch noch zahlen müssen?<br />

Doch darum ging es gar nicht. Vielmehr<br />

war sich der Angeklagte sicher, dem<br />

Richter sei bei Festlegung des Strafmasses<br />

ein Irrtum unterlaufen. Sodann klärte<br />

er den Richter darüber auf, dass er gestern<br />

im Fernsehen eine Verhandlung gesehen<br />

habe, in der bei selbiger Tat das<br />

Strafmaß wesentlich niedriger ausgefallen<br />

sei. So, nun wissen wir‘s – war doch<br />

schon immer so: Was im Fernsehen läuft<br />

ist richtig – und vor allem nicht falsch!<br />

Realitätsverlust oder Weiterbildung fragt<br />

man sich? Dem wahren Leben so nah<br />

und doch so fern?! Die Rede ist von Barbara<br />

Salesch und ihren Nachfolgern, die<br />

nachmittags im Fernsehen Recht sprechen.<br />

Sie und ihr Kollege Richter Holt<br />

Richterin<br />

Barbara Salesch bei<br />

der Rechtsfindung<br />

scheinen streitend um Drei auf den Kanälen<br />

Deutschlands einen unergründlichen<br />

Zauber auf die Menschen auszuüben,<br />

der sie am Fernseher fesselt.<br />

Immerhin hat es Jura nun geschafft,<br />

die Bretter dieser Welt zu erobern- weg<br />

vom staubig trockenen Langeweile-<br />

Image! Jura goes Hollywood!<br />

Wartet nun eine ähnliche Karriere auf<br />

die Juristen dieser Nation wie sie zuvor<br />

Dr. Stefan Frank und Schwester Stefanie<br />

in zahlreiche Arztserien erfahren haben?<br />

Weiterbildung per Fernseher? Immerhin<br />

war zumindest Frau Barbara Salesch<br />

auch im wahren Leben Richterin und<br />

sollte also ihr Handwerk verstehen. Doch<br />

scheinbar führt auch diese Performance<br />

zu unvermeidbaren Verwechslungen von<br />

Realität und Show. Warum selber leben,<br />

wenn uns im Fernsehen doch alles so<br />

schön vorgespielt wird? Es wird uns gezeigt,<br />

was sich im Leben der Familien von<br />

nebenan abspielt. Es strengt nicht an<br />

und es ist real! Jawohl, den Eindruck bekommt<br />

man jedenfalls, wenn Frau Meier<br />

tränenüberströmt gesteht, dass sie sich in<br />

tiefster Eifersucht und Verzweiflung befand,<br />

als die mit dem Messer auf ihren<br />

Mann einstach. Das Leben im Fernsehen<br />

perfekt nachbereitet- second hand sozusagen.<br />

Einerseits gut, denn wer möchte<br />

sich schon selbst in den Irrungen und<br />

Wirrungen der jeweiligen Straftäter befunden<br />

haben? Künstliche Realität andererseits,<br />

die uns zum passiven Statisten<br />

werden lässt, der sich immer tiefer in<br />

seine Couch kuschelt und das Leben an<br />

sich vorbeiziehen lässt.<br />

Doch gönnen wir zumindest Justitia<br />

die Karriere! Schliesslich hatte sie es nie<br />

leicht im Leben – von Beginn an gefürchtet,<br />

ohne wahre Freunde und von vielen<br />

zu Nutze gemacht und so lange verdreht<br />

bis es endlich passte. Nun ist ihre Zeit<br />

gekommen, um die Ungerechtigkeiten<br />

dieser Welt vor den Augen der Menschheit<br />

klarzustellen. Ob jedoch Barbara Salesch<br />

& Co auf Dauer das richtige Forum<br />

dafür bieten, bleibt fraglich.<br />

Der Angeklagte musste sich schliesslich<br />

damit abfinden, dass er die vom<br />

Richter für ihn vorgesehene Strafe<br />

bekam. Doch diesen schien inzwischen<br />

etwas ganz anderes zu beschäftigen:<br />

eilig brach er auf- schliesslich war es<br />

schon kurz vor Drei...<br />

Informationen<br />

Auf der Seite www.sat1.de/richterin/ gibt es<br />

jede Menge Informationen zur Serie.<br />

Dort werden zum Beispiel auch die Anwälte<br />

vorgestellt, die in der Serie mitspielen und<br />

übrigens auch im richtigen Leben<br />

Rechtsanwälte sind.<br />

Das Buch zur Serie:<br />

„Richterin Barbara Salesch – Meine spannendsten<br />

Fälle“ von Nathalie John.<br />

Dino Verlag 2002,<br />

€ 7,95,<br />

ISBN 3-89748-608-3<br />

14<br />

justament drei 2002


<strong>Titel</strong><br />

Eine Hymne an Edel & Starck<br />

Anwaltsserien im Fernsehen – unrealistisch aber schön<br />

Katharina Mohr<br />

elcher Jurist würde schon ehrlich<br />

Wsagen, dass er sich Anwaltsserien<br />

gerne anguckt. Liebling Kreuzberg? Total<br />

unrealistisch und klamottig. Ich muss zugeben:<br />

Ich habe es vom ersten Tag an geliebt.<br />

Und bin deswegen auch so glücklich<br />

über die neue Serie auf Sat1: Edel und<br />

Starck. Was? Noch nie gesehen? Montags<br />

abends um viertel nach neun auf Sat1?<br />

Schade, denn im Moment ist Sendepause.<br />

Die erste Staffel ist bereits vorbei. Aber die<br />

zweite ist gerade in der Mache und bald<br />

werden die beiden Fernsehanwälte wieder<br />

auf der Mattscheibe auftauchen. Rebecca<br />

Immanuel und Christoph M. Ohrt alias<br />

Sandra Starck und Felix Edel.<br />

Ich finde es einfach schön, die geräumige<br />

Kanzlei in der Rykestraße im Prenzlauer<br />

Berg von Berlin, direkt am Wasserturm.<br />

Jeder Anwalt hat ein mindestens<br />

30 m 2 großes Zimmer, da muss die Arbeit<br />

doch einfach leicht von der Hand gehen.<br />

In der Mitte sitzt Biene, die rührige Sekretärin,<br />

die schlechte Stimmungen auffängt,<br />

während der Arbeit versucht, nebenbei ihre<br />

eigene Tochter zu erziehen und sich vor<br />

allem heimlich wünscht, dass Sandra und<br />

Felix bald zusammenfinden. Und zwischen<br />

den beiden knistert es auch ganz gehörig,<br />

wie es sich für richtige Juristen gehört.<br />

Jeden Morgen treffen sie sich, um erst<br />

einmal einen Kaffe zu trinken und sich auf<br />

den Arbeitstag vorzubereiten. Sehr charakteristisch<br />

übrigens für den Prenzlauer Berg<br />

– junge Leute sitzen im Café. Vom Modetrend<br />

des Prenz’lbergs haben sich Sandra<br />

und Felix aber nicht anstecken lassen. Sie<br />

sehen nicht aus, wie die Statisten eines<br />

70er Jahre Films, sondern sind immer<br />

ziemlich adrett und konservativ herausgeputzt.<br />

Felix relativ brav in Anzug und Kravatte,<br />

wie es sich für einen ordentlichen<br />

Anwalt gehört. Sandra immer hoch elegant<br />

und weiblich.<br />

Gemeinsam einen Kaffee trinken<br />

und dabei den neuesten Fall lösen<br />

Das netteste an der Kanzlei ist, dass die<br />

beiden eigentlich jeden Fall gemeinsam<br />

lösen. Wie sich das die Serienschreiber vorgestellt<br />

haben, weiss ich nicht. Werden die<br />

Anwälte von ihren Mandanten so gut bezahlt,<br />

dass sie sich auch zu zweit um ein<br />

einzelnes Mandat kümmern können?<br />

Dabei scheinen ihre Fälle nicht besonders<br />

viel Geld abzuwerfen. Sie sind im übrigen<br />

so spannend auch nicht: Nachbarschaftsstreit,<br />

Scheidung oder Körperverletzungen.<br />

Das Übliche eben. Das Lustige ist auch,<br />

dass weder Edel noch Starck besonders oft<br />

an ihren Schreibtischen sitzen und sich<br />

Schriftsätze aus den Fingern saugen. Aber<br />

nehmen wir es damit nicht zu genau. Eine<br />

realistische Serie über den Alltag eines Anwalts<br />

würde vermutlich nicht wirklich viele<br />

Zuschauer vor den Bildschirm locken. Oder<br />

doch?<br />

Offensichtlich bin ich mit meiner Begeisterung<br />

nicht ganz allein. Im Online-<br />

Forum unter www.sat1.de übertreffen sich<br />

die Teilnehmer mit ihren Begeisterungsrufen.<br />

Personen namens „snack“,<br />

„milka05“ oder auch „Serena X“<br />

schreiben solche schönen<br />

Sachen wie, dass Felix<br />

M. Ohrt total süß<br />

ist, auch wenn<br />

seine Frisur etwas brav daherkommt und<br />

das Rebecca Immanuel unheimlich schöne<br />

Beine hat und man(n) ihr jeden Wunsch<br />

von den Augen ablesen würde. Aber das<br />

Lob beschränkt sich nicht auf das Auftreten<br />

der beiden Hauptdarsteller. Auch der<br />

Plot, die Musik und die Ausstattung kommen<br />

offensichtlich gut an. An den juristisch<br />

nicht korrekten Details wird auch<br />

schon mal ein bisschen herumgemosert,<br />

aber insgesamt kann das doch die Begeisterung<br />

über die Serie nicht bremsen.<br />

Was aber macht die Faszination dieser<br />

Serie aus? Der Traum, auch einmal so zu<br />

arbeiten? Vielleicht sind es die Aufnahmen<br />

von Berlin, das im Fernsehen immer noch<br />

viel schöner aussieht, als in Wirklichkeit?<br />

Oder die Begeisterung für die beiden<br />

Hauptdarsteller? Klar, manchmal sind die<br />

Geschichten ein bisschen blöd, aber für<br />

eine in Deutschland produzierte Serie hält<br />

es sich in Grenzen. Vielleicht reicht das<br />

schon aus, um jeden Montag wieder die<br />

Glotze einzuschalten, wenn der <strong>Titel</strong>song<br />

von Tom Jones erklingt „It’s not unusual<br />

to be loved by anyone...“<br />

Info: www.sat1.de/edelstarck<br />

Sandra Starck (Rebecca Immanuel)<br />

und Felix Edel (Christoph M. Ohrt) sind die<br />

Hauptdarsteller der neuen Anwaltsserie auf Sat1.<br />

<br />

justament drei 2002<br />

15


<strong>Titel</strong><br />

www.blood-is-red.de<br />

Nach dem Schock ist vor dem Schock: Auf dem Computerspiele-<br />

Markt stehen derzeit alle Zeichen auf Erfurt. Die Beziehung zwischen<br />

Jugendschützern und der „Gamer-Community“ bleibt<br />

kompliziert.<br />

Lorraine Haist<br />

ls nach dem Amoklauf im Zimmer des<br />

AErfurter Attentäters das Computerspiel<br />

„Counterstrike“ gefunden wurde,<br />

war vielen schnell klar, dass ihm dieses<br />

Spiel wohl als eine Art Trainingslager für<br />

die Tat gedient haben mußte. Das Spielszenario<br />

des Ego-Shooters, bei dem zwei<br />

bis an die Zähne bewaffnete Teams – die<br />

einen als Terroristen, die anderen als Anti-<br />

Obwohl diese „Screenshots“ aus den<br />

Terror-Einheiten – gegeneinander kämpfen,<br />

läßt diese Vermutung jedenfalls zu.<br />

als gewaltverherrlichend kritisierten<br />

Spielen eine deutliche Sprache sprechen,<br />

heißt das noch nicht, dass sie<br />

tionspiel in menschlichen Teams gespielt,<br />

Andererseits wird das komplexe Ac-<br />

auch die Gewaltbereitschaft ihrer<br />

die sich irgendwo online am Computer<br />

Spieler erhöhen. Juristisch gesprochen<br />

fehlt es hier wohl an der „Zuretion<br />

mit den anderen Mitspielern ist ge-<br />

gegenübersitzen. Ständige Kommunikachenbarkeit“fragt,<br />

denn ohne die Entwicklung einer<br />

gemeinsamen Strategie ist auch bei<br />

„Counterstrike“ am Ende kein Kampf gegen<br />

den Terrorismus zu gewinnen. Gerne<br />

Die Diskussion, ob inszenierte Bilder<br />

treffen sich „Counterstrike“-Fans auch<br />

der Gewalt zu weiterer Gewalt führen,<br />

zum gemütlichen Beisammensein auf riesigen<br />

Spieleparties, wo in den Pausen bei<br />

ist wohl so alt wie die Bilder der Gewalt<br />

selbst. Vor den Computerspielen<br />

einem Kaltgetränk vermutlich auch mal<br />

waren Videos oder noch früher Kinofilme<br />

die „tieferen Ursachen“ für Ge-<br />

andere Dinge zur Sprache kommen. Sollte<br />

es sich also bei diesem und vielen ähnlich<br />

walttaten. Hier sei an den heftigen<br />

gearteten PC-Spielen doch nicht nur um<br />

Streit in den siebziger Jahren über<br />

stumpfes Geballer handeln, das einen jugendlichen<br />

Computerspiel-Fanatiker durch<br />

Stanley Kubricks Clockwork Orange<br />

erinnert, dessen Gewaltszenen detailgetreu<br />

in die Realität umgesetzt wur-<br />

tägliches Exerzieren an virtuellen Waffen<br />

früher oder später zum ganz realen Mörder<br />

macht?<br />

den. Und noch früher in der Geschichte<br />

wurden die öffentlichen Hinrichtungsszenen<br />

für die Grausamkeit der<br />

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende<br />

Schriften (BPjS) weist mit ihrer<br />

Menschen verantwortlich gemacht.<br />

im Mai dieses Jahres getroffenen Entscheidung<br />

zumindest in diese Richtung.<br />

Sie hat „Counterstrike“ gegen die Forderungen<br />

einer breiten Öffentlichkeit nicht<br />

indiziert und sich damit den Unmut von<br />

Mit der Zeit haben sich also die Bilder<br />

immer wieder verändert. Nur die<br />

mann eingehandelt, die das Vorgehen<br />

Bundesfamilienministerin Christine Berg-<br />

Gewalt ist geblieben. Hierzu sei an<br />

der BPjS als „nicht nachvollziehbar“ kritisierte.<br />

die brillante Analyse von Michel Foucault<br />

in „Überwachen und Strafen“<br />

Mit dem Absegnen von „Counterstrike“<br />

ist die BPjS zur allseitigen Verwun-<br />

erinnert, die gerade für Juristen auch<br />

heute noch lesenwert ist.<br />

derung deutlich von ihrer bisherigen, im<br />

Es ist wichtig, nach den tatsächlichen<br />

Ursachen jugendlicher Gewalt<br />

beralen Bewertungspraxis abgerückt. So<br />

Bezug auf Computerspiele nicht eben li-<br />

zu forschen. Zumal das hier in Frage<br />

beriet das zwölfköpfige Gremium aus Vertretern<br />

unterschiedlicher gesellschaftlicher<br />

stehende Zensurverbot wohl eine der<br />

grundlegendsten demokratischen<br />

Gruppen auch erst über den Indizierungsantrag,<br />

als es die Einschätzung praktizie-<br />

Freiheiten schützt.<br />

render „Counterstrike“-Fans gehört hatte.<br />

16 justament drei 2002


<strong>Titel</strong><br />

„Medienkompetenz“<br />

heißt das Zauberwort<br />

Die Debatte um Erfurt hatte aber nicht nur<br />

Auswirkungen auf die Art der Entscheidungsfindung<br />

bei der BPjS. Insbesondere<br />

dem Gesetzgeber ging es um ein Zeichen,<br />

welches unter anderem das selbst gestekkte<br />

Ziel einer künftigen Anleitung von<br />

Kindern und Jugendlichen zum eigenverantwortlichen<br />

und kritischen Umgang mit<br />

Medieninhalten verdeutlichen sollte. Er<br />

trieb daher die Verabschiedung eines<br />

neuen Jugendschutzgesetzes zügig voran,<br />

das ab 1. Januar 2003 das Gesetz zum<br />

Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit<br />

(JÖSchG) und das Gesetz über die Verbreitung<br />

jugendgefährdender Schriften und<br />

Medieninhalte (GjS) in sich vereinen soll.<br />

Als wichtigsten Änderungspunkt wird<br />

das neue Gesetz eine generelle Kennzeichnungspflicht<br />

für Video- und Computerspiele<br />

enthalten, wie sie schon lange für<br />

Filme und Videos existiert. Damit darf kein<br />

Computerspiel mehr ohne Altersfreigabestempel<br />

in den Handel gelangen. Bei Verletzung<br />

dieser Abgabebeschränkungen<br />

drohen zukünftig hohe Bußgelder.<br />

Darüber hinaus sieht das neue Gesetz<br />

eine Stärkung der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende<br />

Schriften vor, deren Zuständigkeit<br />

sich künftig auch dem Namen<br />

nach auf sämtliche „Medien“ erstreckt.<br />

Nach der neuen Regelung sollen die Prüfer<br />

nicht mehr nur auf Antrag von Jugendämtern<br />

über die Indizierung eines bestimmten<br />

Mediums entscheiden dürfen. Vielmehr ist<br />

eine Ausdehnung des Kreises der möglichen<br />

Antragsteller auf Schulen, Polizei und Verfassungsschutz<br />

vorgesehen. Die Prüfstelle<br />

soll außerdem Anregungen von Trägern der<br />

freien Jugendhilfe zu einer Indizierung aufgreifen.<br />

Ziel dieser Erweiterungen ist es, jugendgefährdende<br />

Medienangebote möglichst<br />

lückenlos zu indizieren.<br />

Darüber hinaus sollen im nächsten Jahr<br />

Medien, die „den Krieg verherrlichen, die<br />

Menschen in einer die Menschenwürde<br />

verletzenden Weise darstellen oder Jugendliche<br />

in geschlechtsbetonter Körperhaltung<br />

zeigen“, auch schon ohne Indizierung<br />

nicht mehr verkauft, vertrieben oder<br />

beworben werden dürfen. Die Auswirkungen<br />

einer Indizierung bleiben also offensichtlich<br />

dieselben: das Produkt darf nicht<br />

an Minderjährige verkauft werden; Vertrieb<br />

und Werbung sind nach der Indizierung<br />

verboten. Den Computerspiel-Herstellern,<br />

die in Deutschland von einem erfolgreichen<br />

Spiel oftmals hunderttausende<br />

Exemplare absetzen, drohen hierdurch<br />

drastische Einbußen. Sie entwickeln daher<br />

einige Phantasie, um einer Indizierung<br />

ihrer Spiele zu entgehen. Als einfachste<br />

und gebräuchlichste Maßnahme werden<br />

viele Spiele schon im Vorfeld für den deutschen<br />

Markt entschärft. Da in den indizierungsgefährdeten<br />

Computerspielen die<br />

Darstellung von Blut eine wesentliche<br />

Rolle spielt, verzichten die Hersteller in der<br />

deutschen Version inzwischen oft gänzlich<br />

auf die Darstellung von Blut oder verwenden<br />

statt der roten Blutfarbe neutralere<br />

Farben wie blau, grün, violett oder gar<br />

weiß. Martialische Tötungsszenarien, die<br />

zerschossene oder zerstückelte Leichen<br />

zeigen, gelten als besonders jugendgefährdend.<br />

Zu den Entschärfungsmaßnahmen<br />

der Hersteller gehört daher auch, dass sich<br />

Leichen auf dem Bildschirm in Luft auflösen<br />

oder gehäutete Leichen durch bekleidete<br />

ersetzt werden. Oft werden auch aus<br />

Schmerzensschreien einfach Grunzlaute.<br />

„Get Blood into your Game!“<br />

Viele Computerspiel-Fans möchten dennoch<br />

nicht auf die Todesschreie der Opfer<br />

verzichten und sehen in diesen „Anpassungen“<br />

ungerechtfertigte Zensur. In ihrer<br />

Spiellaune beeinträchtigt, versuchen sie<br />

daher, die einschränkenden Maßnahmen<br />

in Eigenregie rückgängig zu machen und<br />

so den möglichst unveränderten Originalzustand<br />

der Spiele wiederherzustellen. Anders<br />

als bei Videos, die einen den deutschen<br />

Bestimmungen entsprechenden,<br />

„jugendgerechten Schnitt“ erhalten und<br />

damit nachhaltig verändert sind, lassen<br />

sich die Entschärfungen in den deutschen<br />

Versionen der PC-Spiele auf unterschiedliche<br />

Art und Weise tatsächlich meist wieder<br />

aufheben. Auch hier bietet das Internet<br />

vielfältige Möglichkeiten. So kann sich der<br />

Spielfreak dort entsprechende Programmergänzungen,<br />

so genannte Patches, herunterladen,<br />

die – oftmals von den jugendliche<br />

Spielern selbst programmiert –<br />

bereits bestehende und installierte Programme<br />

modifizieren. Nur ein kleiner<br />

Patch ist nötig, um bei einem entschärften<br />

Spiel wieder blutige Animationen sehen zu<br />

können. Mittlerweile gibt es zahlreiche<br />

Webseiten, die derartige „Blut-Patches“<br />

unter so programmatischen Namen wie<br />

www. blood-is-red.de zum Download anbieten.<br />

Einfachster Weg wird jedoch nach<br />

wie vor die Online-Bestellung der unveränderten<br />

Originalversion eines Spiels im<br />

Herstellerland sein.<br />

Der Jugendschutz hat hier bisher nicht<br />

die notwendige Rechtsgrundlage, um<br />

gegen solche Tipps und Tricks vorgehen zu<br />

können. Ob sich hier mit den umfangreichen<br />

Veränderungen des neuen Jugendschutzgesetzes<br />

eine Verbesserung erreichen<br />

läßt, bleibt allerdings trotzdem fraglich.<br />

Denn seit es das Internet gibt,<br />

erscheint ein lückenloser Jugendschutz,<br />

wie ihn der Gesetzgeber mit dem novellierten<br />

Jugendschutzrecht erreichen will,<br />

schon aufgrund der unüberschaubaren<br />

Anzahl von Webseiten als illusorisch. Das<br />

neue Gesetz sieht daher auch eine verstärkte<br />

Zusammenarbeit der BPjS mit den<br />

Einrichtungen der Freiwilligen Selbstkontrolle<br />

der Wirtschaft vor. Schon jetzt<br />

versieht die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle<br />

(USK), Vertragspartner des Verbandes<br />

der Unterhaltungssoftware-Industrie<br />

(VUD), im Auftrag der Spielehersteller<br />

deren Produkte mit (allerdings unverbindlichen)<br />

Alterseinstufungen. Nach dem<br />

Willen des Gesetzgebers soll sie in Zukunft<br />

auch – im Auftrag und unter der Aufsicht<br />

von Landesbehörden – jugendbeeinträchtigende<br />

Inhalte von Computerspielen feststellen<br />

und daraufhin verbindliche Jugendschutzmaßnahmen<br />

treffen können.<br />

Aber auch diese arbeitsteilige Lösung erscheint<br />

nur bedingt erfolgversprechend.<br />

Denn die Bundesprüfstelle bleibt nach wie<br />

vor alleine für die Indizierung von jugendgefährdenden<br />

Inhalten im Internet zuständig.<br />

Und da hat sie alle Hände voll zu tun.<br />

Informationen<br />

http://www.bmfsfj.de<br />

Webseite des Bundesfamilienministeriums<br />

http://www.bpjs.bmfsfj.de<br />

Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften<br />

http://www.usk.de<br />

Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle<br />

http://www.gamer-gegen-gewalt.de<br />

justament drei 2002<br />

17


Interview<br />

Der Glamouranwalt<br />

In letzter Zeit ist ein wachsendes Interesse der Medien an rechtlichen Auseinandersetzungen<br />

festzustellen – egal ob diese inzeniert sind, wie bei Barbara Salesch, oder real, wie beim<br />

Untersuchungsausschuss des Bundestages. Hier ein Gespräch mit Prof. Dr. Matthias Prinz.<br />

Was glauben Sie, ist der Grund für dieses<br />

neue Interesse der Medien an juristischen<br />

Themen?<br />

Ich glaube, dass das Interesse eigentlichschon<br />

immer da war. Die Leute interessieren<br />

sich für juristische Themen. Eine juristische<br />

Auseinandersetzung ist ja wie ein<br />

Wettkampf. Es wetteifern zwei Parteien<br />

miteinander und befolgen dabei bestimmte<br />

vorgegebene Regeln. Das ist wie bei<br />

einer sportliche Auseinandersetzung. Die<br />

Leute finden das interessant. Ich habe<br />

immer schon festgestellt, dass es ein grosses<br />

Interesse daran gibt, wenn ich selbst in<br />

irgendwelchen Talkshows war oder mich<br />

mit Journalisten über juristische Themen<br />

unterhalten habe. Denken Sie an die erfolgreiche<br />

Sendung „Wie würden Sie entscheiden?“.<br />

Dies zeigt doch, dass immer<br />

schon ein großer Bedarf da gewesen ist.<br />

Vielleicht ist dieser Bedarf von den Medien<br />

aber früher nicht so erfüllt worden, wie es<br />

das Publikum gerne gehabt hätte. Manchmal<br />

ist es natürlich auch die Person der<br />

Streitenden, die das Interesse hervorruft.<br />

Sie selbst sind einer der bekanntesten deutschen<br />

Anwälte. Dies ist u. a. auch auf die Bekanntheit<br />

Ihrer Mandanten zurückzuführen.<br />

Wie ist damals der erste Kontakt zu Ihrer<br />

prominenten Mandantschaft entstanden?<br />

Ich war 1985 gerade mit dem zweiten<br />

Staatsexamen und meiner Promotion fertig<br />

geworden und plante, so schnell wie möglich<br />

nach New York zurückzugehen, wo ich<br />

bereits als Anwalt zugelassen war und gerne<br />

arbeiten wollte. Bis dahin hatte ichmich nur<br />

für internationales Recht interessiert.<br />

Vor der geplanten Rückkehr nach New<br />

York arbeitete ich vorübergehend bei<br />

einem Freund in dessen Anwaltskanzlei.<br />

Zu dieser Zeit suchte der berühmte Arzt<br />

Prof. Julius Hackethal in seinem Sterbehilfefall<br />

einen neuen Strafverteidiger. Er<br />

hatte einer Krebspatientin, die unter grossen<br />

Schmerzen litt, Zyankali gegeben. Da<br />

er wußte, dass er sie nicht aktiv töten<br />

durfte, hatte er ihr den Becher mit dem<br />

Gift gegeben und sie hatte ihn dann selbst<br />

getrunken. Nun war höchst umstritten, ob<br />

dies eine Tötung in mittelbarer Täterschaft<br />

oder bloß straflose Beihilfe zur Selbsttötung<br />

war. Der Anwalt, der Hackethal bisher<br />

vertreten hatte, war verstorben. Nun wollte<br />

Hackethal einen ganz jungen Anwalt,<br />

der von der Praxis noch „unverdorben“ war<br />

und den er mit seinen Ideen formen konnte.<br />

Auf Umwegen gelangte er dann an<br />

mich. Nachdem ich mir das Material zu<br />

dem Fall angesehen hatte, sah ich darin<br />

eine große Chance – ich war zu dem Zeitpunkt<br />

28 Jahre alt – habe meine Abreise<br />

nach New York verschoben und stattdessen<br />

das Hackethal-Mandat übernommen.<br />

Ihr erster Fall betraf also den strafrechtlichen<br />

Bereich?<br />

Das war meine erste und einzige Strafverteidigung.<br />

Aber der Fall hatte eigentlich<br />

mehr mit Medien zu tun als mit Strafverteidigung.<br />

Rund um Hackethal gab es damals<br />

wahnsinnig viel Medienrecht. Das<br />

fing an mit Bücher- und Interviewverträgen.<br />

Außerdem war Hackthal sehr streitbar<br />

und wehrte sich gegen unwahre Berichterstattungen.<br />

Plötzlich war ich mitten in<br />

einem hochinteressanten Fall, der die Öffentlichkeit<br />

sehr beschäftigte, der dauernd<br />

auf irgendwelchen <strong>Titel</strong>seiten abgefeiert<br />

wurde und der eine Menge mit Medienrecht<br />

zu tun hatte. Als wir mit dem Verfahren<br />

nach zwei Jahren fertig waren, verstand<br />

ich was von Medienrecht. Ausserdem<br />

war ich durch diesen Fall populär geworden<br />

und bekam weitere sehr interessante<br />

Mandate. 1989 kam dann – das ist sicherlich<br />

auch nochmal ein Meilenstein gewesen<br />

– Karl Lagerfeld mit vielen interessanten<br />

Verfahren, die dazu führten, dass wir<br />

uns auch international mit medienrechtlichen<br />

Fragen befassen mussten.<br />

War Ihre Bekanntheit aus den vorhergehenden<br />

Verfahren ausschlaggebend dafür, dass<br />

sich Personen wie Karl Lagerfeld an Sie gewandt<br />

haben?<br />

Man darf die Medienpräsenz nicht überschätzen.<br />

Wir haben die guten und interessanten<br />

Mandate nicht deshalb bekommen,<br />

weil jemand angerufen hat und gesagt<br />

hat „Ich habe etwas über Sie in der<br />

Zeitung gelesen“. Es ist vielmehr fast<br />

immer die Empfehlung zufriedener Mandanten<br />

gewesen. Ich glaube, dass da natürlich<br />

auch die Werbung des Anwalts ansetzt:<br />

Sind die Mandanten zufrieden,<br />

empfehlen sie einen auch weiter.<br />

Welche Bedeutung hat der Name „Prinz“ inzwischen<br />

erlangt? Ist es schon einmal vorgekommen,<br />

dass eine Gegenpartei schon allein<br />

deshalb klein beigeben hat, weil Ihr Name<br />

auf dem Briefkopf stand?<br />

Das kann ich so nicht beurteilen. Aber unsere<br />

Gegner nehmen sicherlich ernst, was<br />

wir ihnen schreiben. Wenn wir ein Mandat<br />

übernehmen, wissen unsere Gegner, dass<br />

wir das Mandat auch professionell anpakken.<br />

Unsere Sozität beschäftigt sich mit<br />

Medienrecht nunmehr seit 17 Jahren. Wir<br />

haben sicherlich ein hohen Grad an Sachkenntnis.<br />

Führt dies dann dazu, dass viele Fälle auch<br />

aussergerichtlich geklärt werden können?<br />

Zunächst muss man differenzieren zwischen<br />

einstweilige Verfügungsverfahren<br />

einerseits und Hauptsacheverfahren andererseits.<br />

Wir führen sehr viele Verfahren<br />

nur im Bereich der einstweiligen Verfügung,<br />

weil dann beide Parteien sehr<br />

schnell sehen, was auf dem Tisch liegt und<br />

wie das Gericht die Situation sieht. Wenn<br />

dann noch auf beiden Seiten professionelle<br />

Anwälte sind, wissen beide Seiten bereits<br />

nach dem einstweiligen Verfügungsverfahren,<br />

wie ein Hauptsacheverfahren<br />

wohl ausgehen wird. Dann sind wir in der<br />

Lage, uns schnell zu einigen. Vor dem Verfügungsverfahren<br />

werden aber nur wenige<br />

Fälle – vielleicht 10% – beendet. Weitere<br />

70% werden erledigt im oder nach dem<br />

einstweiligen Verfügungsverfahren, so<br />

dass der Prozentsatz der Fälle, die nachher<br />

tatsächlich ins Hauptsacheverfahren gelangen,<br />

eher gering ist.<br />

Wie fühlen Sie sich persönlich in der Rolle<br />

des „Prominenten“?<br />

Ich habe das nicht so gerne. Ich finde es<br />

angenehmer, anonym und zurückgezogen<br />

zu leben und lege besonderen Wert auf ein<br />

ungestörtes Privatleben.<br />

Viele Ihrer Mandanten sind letztlich auch<br />

darauf angewiesen, in den Medien präsent<br />

zu sein. Gibt es deshalb schon mal Fälle, wo<br />

eine unwahre Berichterstattung auch einfach<br />

hingenommen wird?<br />

Natürlich ist das so. Unsere Tätigkeit beschränkt<br />

sich nicht darauf, dass wir uns<br />

18<br />

justament drei 2002


Interview<br />

einen juristischen Sachverhalt angucken<br />

und juristische Ansprüche durchprüfen.<br />

Wir schauen uns natürlich das Ganze an.<br />

Das sichere Beherrschen der Ansprüche<br />

und die Kenntnis, wie man sie durchsetzen<br />

kann, ist nur das Basis-Handwerkszeug.<br />

Wenn ich festgestellt habe, was ich mit juristischen<br />

Mitteln erreichen kann, beginnt<br />

aber die ganzheitliche Denkarbeit. Dann<br />

überlege ich mir: „Hat der Mandant denn<br />

auch etwas davon? Tue ich ihm einen Gefallen<br />

mit einer Gegendarstellung oder<br />

einer Unterlassungsverfügung oder ist es<br />

viel sinnvoller, wir machen irgendetwas<br />

anderes?“ Wenn z. B. der Fußballtrainer<br />

des örtlichen Bundesligavereins gerne<br />

gegen den Sportteil der Lokalpresse prozessieren<br />

möchte, dann liegt es nahe, ihm<br />

davon abzuraten. Er sollte lieber mit seinen<br />

Kritikern kommunizieren, sie mal anrufen<br />

und zum Bier einladen. Dasselbe gilt<br />

natürlich auch für andere Berufsgruppen,<br />

die ständig Medienberührung haben, z. B.<br />

Politiker: Hier stellt sich oft die Frage, ob<br />

eine Prozess wirklich sinnvoll ist oder ob es<br />

nicht ratsamer ist, in einen Kommunikationsprozess<br />

mit den Medien einzutreten.<br />

Werden in solchen Fällen auch schon mal<br />

„Deals“ zwischen der Presse und den Mandanten<br />

vermittelt und wie sehen diese aus?<br />

Das kommt schon vor. Einen Image-Schaden<br />

kann ich mit den normalen zivilrechtlichen<br />

Mitteln gar nicht reparieren, jedenfalls<br />

nicht auf eine vernünftige Art und<br />

Weise. Also muss ich dem Mandanten helfen,<br />

den entstandenen Schaden irgendwie<br />

auszugleichen. Das ist im Regelfall nicht<br />

durch jahrelange Prozesse bis zum BGH zu<br />

erreichen, sondern durch einen pragmatischen<br />

Ansatz. Es gibt natürlich auch auf<br />

der Gegenseite sehr kompetente Rechtsabteilungen,<br />

die das genauso sehen und die,<br />

wenn sie die Aufforderung zum Abdruck<br />

der Gegendarstellung und zur Abgabe der<br />

Unterlassungsverpflichtungserklärung auf<br />

dem Tisch haben, von selber auf die Idee<br />

kommen, uns vorzuschlagen, den ganzen<br />

Jurakram beiseite zu schieben und z. B. die<br />

neue Platte des Mandanten zu besprechen<br />

oder sie zu verlosen.<br />

Gibt es besondere Regeln zu beachten im<br />

Umgang mit Ihren prominenten Mandanten?<br />

Prof. Dr. Matthias Prinz ist zugelassener<br />

Rechtsanwalt in New York und Hamburg<br />

und prominentestes Mitglied der Kanzlei<br />

„Prinz Neidhardt Engelschall“ in Hamburg,<br />

die jedes Jahr über 500 medienrechtliche<br />

Verfahren betreut. Sein Tätigkeitsschwerpunkt<br />

liegt im Bereich des Internationalen<br />

Rechts, des Kommunikationsrechts und des<br />

Medienrechts. Er ist ausserdem Honorarprofessor<br />

an der FU Berlin und der FH Wiesbaden<br />

und Autor des 1999 im C.H. Beck Verlag<br />

erschienenen Buches „MEDIENRECHT -<br />

Die zivilrechtlichen Ansprüche“.<br />

Wirkliche Stars sind angenehm. Sie müssen<br />

sich nicht mehr inszenieren. Das sind häufig<br />

vernünftige, amüsante, geniale Leute,<br />

mit denen man sehr gut umgehen und<br />

kommunizieren kann. Nur die, die noch<br />

dabei sind, richtig wichtig zu werden, sind<br />

manchmal etwas mühsam. Aber da hilft es<br />

natürlich, dass ich im Laufe der Jahre eine<br />

Menge Erfahrung im Umgang mit Mandanten<br />

gesammelt habe.<br />

Wenn sich ein junger Student mit der Frage<br />

an Sie wendet, in welchem Bereich er sich<br />

spezialisieren sollte: Würden Sie ihm Medienrecht<br />

empfehlen?<br />

Dagegen spricht zunächst einmal, dass dieser<br />

Markt sehr klein ist. Die Zahl der medienrechtlichen<br />

Positionen ist sehr begrenzt.<br />

Das Rechtsgebiet selbst ist nach wie<br />

vor faszinierend, weil es ein Gebiet mit sehr<br />

wenigen gesetzlichen Regelungen und<br />

einem sich ständig weiter entwickelndem<br />

Richterrecht ist. Darum handelt es sich um<br />

ein extrem flexibles und immer wieder neu<br />

geschöpftes Rechts. Es ist spannend, immer<br />

mittendrin zu sein in dieser Entwicklung.<br />

Man muss allerdings in der Lage sein, sich<br />

in andere Rechtsgebiete extrem schnell einzuarbeiten,<br />

weil man die verschiedenen<br />

Sachverhalte vor der presserechtlichen Bewertung<br />

erst mal verstanden haben muss.<br />

Wenn z. B. ein Wirtschaftsunternehmen,<br />

dem Bilanzmanipulationen vorgeworfen<br />

werden, zu Ihnen kommt, müssen sie sich<br />

mit dessen Bilanzfachleuten zusammensetzen<br />

und verstehen, was die Medien dem<br />

Unternehmen eigentlich vorwerfen. Anschließend<br />

müssen sie dies in dem Antrag<br />

auf einstweilige Verfügung so nachvollziehbar<br />

umsetzen, dass das Gericht die<br />

schwierigen Fragen des Bilanzrechts im<br />

einstweiligen Verfügungsverfahren schnell<br />

überblicken kann. Die stetige Auseinandersetzung<br />

mit rechtlichen Problemen aus<br />

ganz verschiedenen Bereichen macht unsere<br />

Arbeit so besonders interessant. Aber<br />

auch unsere Erfahrungen mit den Mandanten,<br />

die teilweise wirklich beeindruckende<br />

Persönlichkeiten sind, sind sehr wertvoll.<br />

Über welche besonderen Fähigkeiten muss<br />

ein Medienrechtler – neben den entsprechenden<br />

Fachkenntnissen – verfügen?<br />

Er muss einen Sinn für die Medien haben.<br />

Alle, die heute für uns tätig sind, haben<br />

sich irgendwann einmal intensiv mit Medien<br />

beschäftigt, haben ein Volontariat<br />

gemacht oder für eine Schülerzeitung geschrieben.<br />

Man muss die Mechanismen der<br />

Medien verstehen können. Ausserdem –<br />

das gilt für alle Juristen – muss man sich<br />

vom „Fachidioten-Approach“ lösen und<br />

versuchen, offen zu sein. Man muss darüber<br />

hinaus alternative Lösungsmöglichkeiten<br />

im Blick haben. Zusätzlich hilft es natürlich<br />

beim Umgang mit Medien, wenn<br />

man eine klare und deutliche Sprache<br />

spricht. Das ist ja bei Juristen auch nicht<br />

immer der Fall. Ob sich jemand als Medienrechtler<br />

eignet, kann man letztlich<br />

aber erst nach einiger Zeit der praktischen<br />

Erprobung feststellen. Deshalb nehmen<br />

wir so gerne Referendare und stellen dann<br />

in der Zusammenarbeit fest, ob jemand<br />

wirklich Talent hat für unseren Job. In der<br />

Vergangenheit haben wir das Wachstum<br />

unserer Kanzlei an zusätzlichen Mitarbeitern<br />

auch fast immer aus unseren Referendaren<br />

rekrutiert.<br />

Das Gespräch führte Ingo Sparmann<br />

justament drei 2002<br />

19


Ausbildung<br />

Standortbestimmung<br />

Die bundesdeutsche Juristenausbildung im europäischen Vergleich.<br />

Ein Gespräch mit Dr. Ranieri.<br />

ie deutsche Juristenausbildung ist im<br />

Deuropäischen Vergleich gar nicht so<br />

schlecht wie immer wieder behauptet<br />

wird.“ Professor Ranieri weiß wovon er<br />

spricht, er lehrt seit viel Jahren an verschiedenen<br />

europäischen Universitäten<br />

zum Beispiel in Saarbrücken oder in Strasbourg.<br />

Bereits in der JZ 1997, 801ff. und<br />

JZ 1998, 831ff. hat er sich zu diesem<br />

Thema geäußert. Ferner hat er Stellung<br />

genommen zum Entwurf des Gesetzes zur<br />

Reform der Juristenausbildung.<br />

Welche Kritik ist nun insbesondere im<br />

europäischen Vergleich berechtigt? Professor<br />

Ranieri hat hierzu Stellung genommen:<br />

Die deutsche Juristenausbildung, welche<br />

durch Staatsexamina abgeschlossen wird,<br />

ist in seiner bestehenden Form einzigartig.<br />

Das deutsche Modell hat praktisch die Universität<br />

aus der Juristenausbildung weitgehend<br />

verdrängt. Es fehlt nicht nur ein Universitätsabschlussexamen,<br />

sondern auch,<br />

dass Prüfungen und sonstige Leistungen<br />

während der Universitätskarriere keine Berücksichtigung<br />

bei der Bewertung des 1.<br />

Staatsexamens finden. Damit hat die Universität<br />

keine Möglichkeit, Einfluß auf die<br />

wissenschaftliche Prägung und Orientierung<br />

des Studiums zu nehmen und muss<br />

sich der Ausrichtung der Rechtsausbildung<br />

auf die fallbezogene Gutachtentechnik<br />

IEine staatliche Besoldung der Rechtspraktikanten<br />

existiert in keinem europäischen<br />

Land in einer vergleichbaren Form<br />

wie für das deutsche Referendariat.<br />

beugen. Professor Ranieri bedauert, dass<br />

die völlige Freiheit des deutschen Studenten<br />

häufig zu einem ineffizienten Studierverhalten<br />

verführt.<br />

In keinem anderen europäischen Land<br />

wird die Juristenausbildung ohne eine universitäre<br />

Prüfung abgeschlossen. Allerdings<br />

kann die Universitätsprüfung in<br />

manchen romanischen Ländern kein Vorbild<br />

sein. So ist in Frankreich, Italien und<br />

Spanien die beherrschende Stellung der<br />

Mündlichkeit im Unterricht und vor allem<br />

im Prüfungswesen problematisch. Ferner<br />

sind der abstrakte und theoretische Charakter<br />

der Lehre und die repetitiven Prüfungsanforderungen<br />

in den Universitätsexamina<br />

zu bemängeln. Schriftliche Aufnahmeprüfungen,<br />

die in Form von<br />

Rechtsgutachten zu verfassen sind, stellen<br />

die Bewerber häufig vor unüberwindbare<br />

Schwierigkeiten. Auch das Referendariat in<br />

ist seiner bestehenden Form einzigartig.<br />

Nur Österreich und Schweden haben eine<br />

ähnliche praktische<br />

Ausbildungsphase unter<br />

staatlicher Aufsicht. Jedoch<br />

hat in fast allen<br />

kontinentalen Ländern<br />

der junge Jurist heute<br />

nach dem Universitätsbesuch<br />

noch als Praktikant eine mehrjährige<br />

langwierige und intensive Beschäftigung<br />

mit der Berufspraxis zu absolvieren.<br />

Die staatliche Justizverwaltung und die<br />

Rechtsanwaltskammern organisieren und<br />

beaufsichtigen auch hier die praktische<br />

Ausbildungsphase.<br />

Staatliche Besoldung<br />

Eine staatliche Besoldung der Rechtspraktikanten<br />

existiert in keinem europäischen<br />

Land in einer vergleichbaren Form wie für<br />

das deutsche Referendariat. In den meisten<br />

kontinentalen Ländern ist diese praktische<br />

Ausbildungsphase der privaten und so<br />

auch der wirtschaftlichen Initiative der Betroffenen<br />

überlassen. Dies gilt vor allem<br />

für die Anwaltsprüfung. In Spanien scheint<br />

es sogar üblich zu sein, dass der frische<br />

Universitätsabsolvent, der sich eigentlich<br />

gleich als Anwalt niederlassen könnte,<br />

selbst ein Honorar zahlt, um in besonders<br />

guten Kanzleien auf die Praxis vorbereitet<br />

zu werden.<br />

Ist das Modell des deutschen Staatsexamens<br />

demnach nur ein Relikt eines vergangenen<br />

autoritären Staatsverständnisses?<br />

Professor Ranieri betont, dass ein realistischer<br />

Vergleich zeigt, dass das<br />

deutsche Staatsexamen funktional Entsprechungen<br />

in nahezu sämtlichen kontinentalen<br />

Ländern findet. Dies in der Form<br />

von unter staatlich Aufsicht durchgeführten<br />

Eignungsprüfungen für den Zugang<br />

zu einer bestimmten juristischen Profession.<br />

Allerdings sind diese Eignungsprüfungen<br />

je nach Berufsausgang, wie etwa<br />

Aufnahme in die Justiz, Verwaltung, Anwaltschaft<br />

oder in das Notariat, unterschiedlich<br />

strukturiert.<br />

In Italien gelten die „concorsi“ für die<br />

Aufnahme in die Justiz und vor allem diejenigen<br />

für die Aufnahme in das Notariat,<br />

als unüberwindbar. Dies beweisen die<br />

IDies könnte zur „Proletarisierung<br />

der Anwaltschaft“ führen, wie es<br />

bereits in anderen europäischen<br />

Ländern der Fall ist.<br />

hohen Durchfallquoten, die am Appellationsgericht<br />

Mailand heute zwischen 80<br />

und 90% liegen. Die Folge ist, daß ehemalige<br />

Richter private und sehr teure Vorbereitungsschulen<br />

für Prüfungskandidaten<br />

betreiben. Zu beachten<br />

ist dabei, daß<br />

sich deren Angebot<br />

kaum von den deutschen<br />

Repetitorien<br />

unterscheidet. Das<br />

differenzierte System<br />

von spezifischen Eingangs- und Fachprüfungen<br />

offenbart allerdings eine weitaus<br />

höhere professionelle Flexibilität. Die starre<br />

Einheitlichkeit des preußischen Modells<br />

des sogenannten „Volljuristen“ scheint<br />

somit in der Tat bei einem internationalen<br />

Vergleich den heutigen ausdifferenzierten<br />

Anforderungen der juristischen Fachqualifikationen<br />

nicht immer zu entsprechen.<br />

Die Kritik an dem hohen Alter in dem<br />

die deutschen Juristen ihre Ausbildung abschliessen,<br />

hält Prof. Ranieri hingegen für<br />

nicht überzeugend. Ein Altersvergleich mit<br />

den ausländischen Universitätsabsolventen<br />

ist irreführend. Vielmehr müssen die Kandidaten<br />

der deutschen Staatsexamina mit<br />

denen verglichen werden, welche die Eignungs-<br />

und Zulassungsprüfungen bestehen<br />

müssen. Im Ergebnis lägen kaum wesentliche<br />

Altersunterschiede vor.<br />

Die Reform der Juristenausbildung<br />

Die Reform der deutschen Juristenausbildung<br />

ist nach Professor Ranieris Ansicht<br />

erforderlich und begrüßenswert . Den wesentlichen<br />

Kern einer Studienreform sieht<br />

er jedoch in einer radikalen Befreiung der<br />

Fakultäten von den derzeitigen bürokratischen<br />

Regulierungen. Er fordert deren<br />

kompromisslose Entlassung in die Freiheit,<br />

um die eigenen Qualitäts- und Erfolgsansprüche<br />

selbst zu definieren.<br />

Als ein Schritt in diese Richtung kann<br />

der Beschluss des Verwaltungsausschusses<br />

der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen<br />

gesehen werden: vom Wintersemester<br />

an, sollen die Studienplätze im<br />

Fach Jura von den Hochschulen selbst vergeben<br />

werden und nicht mehr von der<br />

ZVS. Dies wird sicherlich die Konsequenz<br />

haben, dass einige Fakultäten einen lokalen<br />

Numerus Clausus einführen und dass<br />

so die übrigen Fakultäten einem verstärkten<br />

Wettbewerb ausgesetzt werden. „Mei-<br />

20<br />

justament drei 2002


Ausbildung<br />

nes Erachtens ist dies nur der Beginn einer<br />

Entwicklung, die unvermeidlich ist“, so<br />

Prof. Ranieri.<br />

Auch hält er frühzeitige Eignungskontrollen<br />

für notwendig. Eine solche Eignungsprüfung<br />

lässt sich sowohl durch eine<br />

nach drei oder vier Semestern zwischengeschaltete<br />

Prüfung als auch durch die systematische<br />

Einführung von Abschlussprüfungen<br />

nach jeder Lehrveranstaltung und<br />

einer Einführung von credit points erreichen.<br />

Dadurch wird verhindert, dass das<br />

große Erwachen erst am Ende des Studiums<br />

kommt.<br />

Der Gesetzentwurf zur Reform der Juristenausbildung<br />

ist nach Prof. Ranieris<br />

Ansicht jedoch in verschiedener Hinsicht<br />

zu widersprechen: Die Lösung des Reformvorschlags,<br />

welcher Abschlussprüfungen<br />

sowohl durch die Universität als auch<br />

durch die juristischen Justizprüfungsämter<br />

vorsieht, führt im Ergebnis zu einer gemischten<br />

Zuständigkeit der Fakultäten<br />

und der juristischen Prüfungsämter. „Dies<br />

ist ein fauler Kompromiss!“ Ein Kompromiss<br />

anstelle einer radikalen Reform: die<br />

angestrebte Lösung wählt zum Teil die<br />

Verantwortung des Staates und führt<br />

ausserdem zu einer Verantwortung der<br />

einzelnen Fakultäten ohne dass eine Korrespondenz<br />

zwischen diesen beiden Bereichen<br />

stattfindet. Der universitäre Teil der<br />

Prüfung würde in die Endnote einfließen,<br />

ohne dass der Staat eine Möglichkeit der<br />

Qualitätskontrolle hat. Auf der anderen<br />

Seite hat die Fakultät keinen Einfluss auf<br />

die Politik des JPA. Prof. Ranieri plädiert<br />

gegen diese gemischte Verantwortung.<br />

Stattdessen schlägt er ein System vor, das<br />

die Kompetenzen von Universität und Justizprüfungsamt<br />

klar trennt: die wissenschaftliche<br />

Ausbildung an den Universitäten<br />

soll frei von staatlicher Regulierung<br />

sein. Nach der jeweiligen Berufsentscheidung<br />

soll es dann berufsspezifische Staatsprüfungen<br />

geben als Eingangshürden zu<br />

den juristischen Fachberufen, so z.B. eine<br />

Anwalts- oder Richterzulassungsprüfung.<br />

Historischer Ursprung<br />

des Staatsexamens<br />

Damit besteht keine Notwendigkeit mehr,<br />

die Voraussetzungen für die Zulassung<br />

zum Richterdienst mit den Voraussetzungen<br />

zur Zulassung zur Anwaltschaft<br />

gleichzustellen. Die Idee einer einheitlichen<br />

Ausbildung, welche mit<br />

dem Staatsexamen abgeschlossen<br />

wird, ist<br />

nämlich historischen<br />

Ursprungs. Ende<br />

des 18. Jahrhunderts<br />

hatte das Examen in<br />

erster Linie die Funktion<br />

der Professionalisierung<br />

der Justiz in<br />

Preussen. Die Absolventen waren im wesentlichen<br />

Staatsdiener, die später auch im<br />

Staatsdienst als Beamte übernommen worden<br />

sind. Dies ist zur Zeit jedoch ganz und<br />

gar nicht der Fall: ein Großteil der heutigen<br />

Absolventen wird nicht im Staatsdienst<br />

landen. Somit läßt sich auch eine juristische<br />

Ausbildung, die auf den späteren<br />

Staatsdienst ausgerichtet ist, nicht halten.<br />

Allerdings sieht Professor Ranieri auch bei<br />

seiner vorgeschlagenen Reform Probleme:<br />

im wirtschaftlichen Sinne stellt sich die<br />

Frage, ob die Anwaltschaft willig und finanziell<br />

fähig sein wird, die Ausbildungsaufgabe<br />

für den eigenen Nachwuchs zu<br />

übernehmen. Fraglich bleibt auch, ob dann<br />

der Teil der Absolventen, welcher mit<br />

schlechten Noten des Studium anschließt<br />

von der Möglichkeit der professionellen<br />

Ausbildung ausgeschlossen würde. Dies<br />

könnte zur „Proletarisierung der Anwaltschaft“<br />

führen, wie es bereits in anderen<br />

europäischen Ländern der Fall ist.<br />

Ranking und Wettbewerb<br />

Auch können sich Probleme bei der Gewährleistung<br />

von Qualität und Gleichförmigkeit<br />

der Anforderungen ergeben. Die<br />

Qualitätsanforderungen bei rein universitären<br />

juristischen Prüfungen lassen sich<br />

aber dann erreichen, wenn die Fakultäten<br />

in eigener Verantwortung Lehrcurricula<br />

und Prüfungen zu vertreten haben. Dies<br />

sieht auch der Gesetzesentwurf vor, in dessen<br />

Begründung ausdrücklich ein Ranking<br />

und ein Wettbewerb gefordert wird. So<br />

könnte nach Prof. Ranieris Ansicht das<br />

Universitätsstudium auch aus Studentenperspektive<br />

wieder eine größere Rolle spielen.<br />

Die deutschen Rechtsfakultäten müssen<br />

in die Lage versetzt werden, dass der<br />

berufliche Erfolg der eigenen Absolventen<br />

sich tatsächlich lohnt- sie also ähnlich wie<br />

bei amerikanischem Law Schools ihre Absolventen<br />

als Visitenkarten für Qualität<br />

sehen und dieser letztendlich den Ruf der<br />

Fakultät ausmacht. Dringend ausbaubedürftig<br />

ist in Deutschland vor allem die<br />

wirtschaftliche Komponenete des Juristenausbildung.<br />

Betriebswirtschaftliche und<br />

steuerrechtliche Ausbildungsthemen sind<br />

von großer Wichtigkeit. Auch die internationalen<br />

Rechtsgebiete, wie z.B. das Internationale<br />

Privatrecht und die Kenntnisse<br />

über die europäischen Rechtsordnungen<br />

müssen verstärkt gelehrt werden. Die<br />

Wertschätzung der universitären Lehrangebote<br />

von studentischer Seite könnte ferner<br />

das Problem der kommerziellen Repetitorien<br />

lösen. Professor Ranieri bestätigt,<br />

dass die deutschen Universitäten momentan<br />

nicht in angemessener Weise auf die<br />

Anforderungen des Ersten Staatsexamens<br />

vorbereiten. Man könne nicht leugnen,<br />

dass die kommerziellen Repetitorien eine<br />

Nachfrage erfüllen, die innerhalb der Universitäten<br />

nur wenig Beantwortung erfährt.<br />

Mit Hilfe der Reform muss diesem<br />

Umstand dringend Abhilfe geschaffen<br />

werden. Auf dem Spiel steht nämlich nicht<br />

nur die Privatisierung des Universitätsunterrrichts,<br />

sondern auch die Trivialisierung<br />

der Didaktik und die Aufgabe eines wissenschaftlichen<br />

Anspruchs der Juristenausbildung.<br />

Universitäre Lehrveranstaltungen<br />

müssen vor allem darin bestehen,<br />

das methodische und theoretische Wissen<br />

zu vermitteln. Die argumentative Schulung<br />

setzt nämlich weit mehr als das Pauken<br />

von Fakten voraus. (vergl. auch Ranieri in<br />

JZ 2001, S. 856-861)<br />

Abschliessend bleibt zu sagen: Die Reform<br />

der Juristenausbildung ist notwendig<br />

und sinnvoll, um den angeführten Qualitätsproblemen<br />

der deutschen Juristenausbildung<br />

entgegenzuwirken. Nur so wird<br />

die Ausbildung dem europäischen und<br />

internationalen Vergleich standhalten<br />

können und letztendlich auch konkurrenzfähig<br />

sein.<br />

Das Gespräch führte Kristina Orthman<br />

justament drei 2002<br />

21


und danach<br />

Einstieg in die Verlagsbranche<br />

Zwischen Ratzingers Kindheitserinnerungen und diffizilem Vertragswerk<br />

Grafik: David Fuchs<br />

Dominik Heuel<br />

als Juristin oder Jurist in einem<br />

WVerlag arbeiten will, dem steht nicht<br />

nur die Rechtsabteilung offen. Auch Lektoratsstellen<br />

werden mit Juristen besetzt. Ein<br />

Praktikum bei Heyne, Rowohlt oder im Aufbau-Verlag<br />

kann helfen, sich über die verschiedenen<br />

Möglichkeiten klarer zu werden.<br />

Meine Wartezeit auf das Referendariat<br />

wollte ich darauf verwenden, das Verlagswesen<br />

kennen zu lernen, und das zur Abwechslung<br />

aus nicht-juristischer Sicht.<br />

Praktikumsplätze im Lektoratsbereich<br />

werden allerdings ein bis eineinhalb Jahre<br />

im Voraus vergeben, das gilt besonders für<br />

den Bereich gehobene Sachliteratur. Bei<br />

Siedler, Suhrkamp oder Herder ist also<br />

kurzfristig kaum etwas zu machen. Ich trat<br />

daher zunächst eine dreimonatige Praktikantenstelle<br />

im Lektorat des Heyne Verlags<br />

an, der eigentlich nicht zu meinen Favoriten<br />

zählte. Das Schwabinger Traditionshaus<br />

hat aber den Vorteil, dass auch Praktikanten,<br />

schon wegen des enormen Programmumfangs,<br />

eigenständige Aufgaben<br />

übertragen werden. Das Sachbuchprogramm<br />

bot eine schräge Mischung und<br />

reichte von „Sissi“-Biographien bis hin zu<br />

feinsinnigen Texten wie den Kindheitserinnerungen<br />

Joseph Ratzingers oder der<br />

Dissertation des Altmeisters der Liebe Erich<br />

Fromm aus dem Jahre 1922. Unter Anleitung<br />

meiner Lektorinnen (Lektoren sind<br />

im Verlag die seltene Ausnahme) arbeitete<br />

ich an Text und Cover, korrespondierte mit<br />

Übersetzern oder Verlagen und nahm an<br />

den verschiedenen Lektoratssitzungen teil.<br />

Der Großverlag hat außerdem den Vorteil,<br />

dass er über alle klassischen Ressorts<br />

verfügt: Lektorate, Herstellung, Presse,<br />

Werbung, Lizenzen, Rechtsabteilung und<br />

Vertrieb (für Praktikanten gibt es entsprechende<br />

Einführungen). Sonderlich ertragreich<br />

ist die Tätigkeit nicht, immerhin gab<br />

es eine mäßige monatliche Bezahlung. Es<br />

wird eine Mitarbeit für mindestens drei<br />

Monate gewünscht. Bei Interesse wendet<br />

man sich am besten direkt an das gewünschte<br />

Lektorat.<br />

Verlagsadresse:<br />

Wilhelm Heyne Verlag,<br />

Paul-Heyse-Str. 28,<br />

80336 München,<br />

Tel.: 089-5 14 80.<br />

Das Gegenteil von Massenproduktion betreibt<br />

der Rowohlt-Berlin-Verlag, bei dem<br />

ich zwei weitere Monate hospitierte. Der<br />

beschauliche Rowohlt-Ableger am Hackeschen<br />

Markt ist ein Nachwende-Produkt<br />

des Ex-Kulturstaatsministers Michael Naumann<br />

(damals Rowohlt-Verlagsleiter) mit<br />

Themenschwerpunkt Osteuropa. Das Programm<br />

verantwortet jetzt die vormalige<br />

Wunderlich-Chefin Siv Bublitz. Unter<br />

demselben Dach befinden sich noch die<br />

Rowohlt-Medienagentur und Hans Magnus<br />

Enzensbergers legendäres „Kursbuch“.<br />

Meine Aufgabe bestand neben dem<br />

Sichten der Presse und Mithilfe bei der<br />

Vorbereitung von Lesungen vor allem im<br />

Votieren von Manuskripten. Die Lektoren<br />

haben sich zwei bis drei mal Zeit genommen,<br />

die Gutachten ausführlich mit mir zu<br />

besprechen.<br />

Praktikumsplätze sind bei Rowohlt-<br />

Berlin sehr schwer zu ergattern. Die Mitarbeit<br />

soll nach Vorstellung des Verlags zwischen<br />

vier Wochen und drei Monaten dauern<br />

und ist unbezahlt. Zum Ausgleich<br />

bekommt man allerdings ein Kontingent<br />

an Büchern. Ansprechpartnerin für Praktikumsfragen<br />

ist Frau Thron.<br />

Verlagsadresse: Rowohlt-Berlin Verlag,<br />

Neue Promenade 5,<br />

10178 Berlin,<br />

Tel.: 030-2 85 38 40.<br />

Katharina Sack<br />

ber dem Hackeschen Markt in Berlins<br />

Üneuer Mitte thront das Gebäude des<br />

Aufbau-Verlages. Er wurde 1945 gegründet<br />

und war dann ein renommierter DDR-Verlag.<br />

Mittlerweile hat er einen wichtigen<br />

Platz auf dem Literaturmarkt gefunden<br />

und gehört mit drei weiteren Verlagen zur<br />

Aufbau-Verlagsgruppe.<br />

Kurz nach meinem ersten Staatsexamen<br />

begann ich ein viermonatiges Praktikum<br />

in der Rechts- und Lizenzabteilung.<br />

Eine der ersten Aufgaben, sozusagen zum<br />

Warmwerden, ist der Versand der Belegexemplare<br />

an die Autoren und Übersetzer,<br />

sowie die Erteilung von Abdruckgenehmigungen<br />

an andere Verlage. Beides stellt<br />

einen selten vor schwierige juristische Probleme,<br />

ist aber für die Sicherung der Autorenrechte<br />

von Bedeutung. Gleichzeitig<br />

lernt man so die Umsetzung eines Autorenvertrages<br />

kennen und versteht bestimmte<br />

Vertragsklauseln besser, weil man<br />

ihre praktische Relevanz kennt.<br />

Dagegen stellen sich bei der Kontrolle<br />

der Gültigkeit von Verträgen oder ihrer<br />

Anpassung an die aktuelle Sach- und<br />

Rechtslage hauptsächlich juristische Fragen.<br />

Spannend ist die Planung eines<br />

neuen Buchtitels. Zuerst muss recherchiert<br />

werden, ob es diesen oder einen ähnlichen<br />

<strong>Titel</strong> bereits gibt. Dann ist eventuell die<br />

rechtliche Zulässigkeit des geplanten <strong>Titel</strong>s<br />

zu klären. Sehr interessant wird es auch,<br />

wenn sich jemand durch ein Werk in seinem<br />

Persönlichkeitsrecht verletzt fühlt.<br />

Auch hierfür ist die Rechts- und Lizenzabteilung<br />

zuständig.<br />

Da der Verlag noch relativ klein ist, bekommt<br />

man von fast allen wichtigen Vorgängen<br />

etwas mit und erhält auch einen<br />

guten Überblick über anderen Abteilungen,<br />

wie Werbung, das Vertriebssystem,<br />

die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und<br />

das Marketing.<br />

Das Praktikum wird grundsätzlich nicht<br />

bezahlt, aber das ist letztendlich – wie auch<br />

die Mindestdauer von drei Monaten – Verhandlungssache.<br />

Ansprechpartner:<br />

Frau Kathrin Schulz<br />

Abt. Rechte und Lizenzen<br />

Neue Promenade<br />

10117 Berlin<br />

schulz@aufbau-verlag.de<br />

www.aufbau-verlag.de<br />

22<br />

justament drei 2002


und danach<br />

Good on ya, mate!<br />

Der LL.M. in Wellington, Neuseeland<br />

David Schmidtke<br />

er sich für den Magister Legum in der<br />

WHauptstadt Neuseelands entscheidet,<br />

findet sich nach langem Flug und einer informativen<br />

Einführungswoche im Postgraduate<br />

Room der Law Faculty im ehemaligen<br />

Regierungsgebäude wieder. Der Raum<br />

wird geteilt mit LL.M.-Studenten aus England,<br />

Indonesien, China, Pakistan, Indien,<br />

Neuseeland und natürlich Deutschland.<br />

Die Popularität des LL.M. in Deutschland<br />

schlägt sich, wie wohl fast überall, auch<br />

hier nieder. So sind zwölf der 26 Studenten<br />

meiner Master Class Deutsche.<br />

Dass nun aber ausgerechnet hier so<br />

viele Deutsche sind, hat einen handfesten<br />

Grund. Zwischen Neuseeland und Deutschland<br />

besteht ein Ausbildungsabkommen,<br />

welches Deutsche dazu berechtigt, in Neuseeland<br />

zu den Inlandsgebühren zu studieren.<br />

Diese betragen 3800 neuseeländische<br />

Dollar für den einjährigen LL.M., etwa<br />

1900 Euro. Die internationalen Studiengebühren<br />

sind weitaus höher. So müssen die<br />

oben genannten Kommilitonen umgerechnet<br />

9000 Euro berappen.<br />

Große Kursauswahl<br />

Man bekommt etwas geboten für sein<br />

Geld. Das Seminarangebot für Master-Studenten<br />

ist zwar nicht in allen Trimestern<br />

gleich reichhaltig bestückt. Jedoch besteht<br />

immer die Möglichkeit, durch Teilnahme<br />

an den normalen Unikursen der neuseeländischen<br />

Studenten Punkte für den<br />

LL.M. zu sammeln. So ist die Kursauswahl<br />

recht vielfältig, und man hat das Vergnügen,<br />

mit einheimischen Studenten im Hörsaal<br />

zu sitzen. Der LL.M.-Student hat die<br />

Informationen<br />

Informationen ueber Anmeldefristen und<br />

Kursangebote des LL.M. in Wellington<br />

gibt’s unter:<br />

www.vuw.ac.nz /law/ postgrad.html.<br />

Ein besonderer Notendurchschnitt fuer<br />

deutsche Bewerber ist nicht erforderlich.<br />

Kontaktadressen von KPMG Legal finden<br />

sich bei:<br />

www.kpmglegal.co.nz.<br />

www.webinside.de/wissen/neuseeland<br />

freie Wahl von „Alternative Dispute Resolution“<br />

für Studenten im dritten Unijahr<br />

über Medicine and the Law in New Zealand<br />

bis zum „International Trade Law“<br />

Seminar für Postgraduierte und besonders<br />

qualifizierte neuseeländische Undergraduates.<br />

Zudem steht einem das Thema der<br />

Abschlussarbeit, die etwa ein Viertel des<br />

gesamten Programms ausmacht, frei, solange<br />

es ein wenig mit Recht zu tun hat<br />

und auf englisch geschrieben wird. So<br />

unterschiedlich die Rechtsgebiete sind, aus<br />

denen der deutsche Student hier wählen<br />

kann, so einheitlich ist am Ende der <strong>Titel</strong><br />

des Magister Legum, den er hinter seinem<br />

Namen mit zurück nach Hause nimmt.<br />

Integriertes Praktikum<br />

Ein weiterer großer Pluspunkt des LL.M.<br />

in Wellington ist die Möglichkeit, einen<br />

Teil des Masterprogramms als Intern in<br />

einer Anwaltskanzlei, einem Wirtschaftsunternehmen,<br />

am Gericht oder in Ministerien<br />

zu absolvieren. Inhaltlich muss<br />

das nichts mit den Kursen an der Law<br />

School zu tun haben. Universitäre Betreuung<br />

besteht während des Praktikums insoweit,<br />

als man in gelegentlichen Seminaren<br />

bei Wein und Keksen von seiner<br />

Rechtstätigkeit erzählt und am Ende<br />

einen Bericht schreibt. So konnte ich 40<br />

der für den LL.M. insgesamt erforderlichen<br />

120 Punkte durch ein Praktikum in<br />

einer neuseeländischen Großkanzlei erzielen.<br />

Drei Monate lang saß ich acht<br />

Stunden täglich in einem schicken Glasbüro<br />

und arbeitete für das Public Law<br />

Team von KPMG Legal New Zealand. Dort<br />

wurde ich freundlich aufgenommen und<br />

in die Gemeinschaft der 80 Anwälte integriert.<br />

Die Teilnahme an Fortbildungsseminaren<br />

und allen Social Events war<br />

ebenso selbstverständlich wie eigenverantwortliches<br />

Recherchieren und wöchentliche<br />

Präsentationen vor dem Team.<br />

Wem das nun nach viel Arbeit klingt,<br />

dem sei versichert: Gerade nach dem Aufwand,<br />

den man in Deutschland ja bekanntlich<br />

für die beiden Staatsexamina<br />

betreiben muss, ist dieses LL.M.-Jahr in<br />

Neuseeland ein zwar anspruchsvolles, aber<br />

nur selten stressiges und nie druckbeladenes.<br />

Ein 45-minütiger Seminarvortrag vor<br />

Juristen aus fünf verschiedenen Ländern,<br />

dazu noch auf englisch, ist eine große<br />

Sache. Aber zur Belohnung bleibt viel Zeit<br />

zum Reisen. Zu sehen gibt es in Neuseeland<br />

viel, und wer ein ganzes Jahr fuer den<br />

LL.M. veranschlagt, hat dafür auch mindestens<br />

zwei bis drei Monate Zeit. Dabei lernt<br />

man atemberaubende Landschaften kennen<br />

und immer freundliche, herzliche und<br />

hilfsbereite Kiwis.<br />

Nachteile? Keine. Na gut, vielleicht ein<br />

paar. Der für junge deutsche Juristen wohl<br />

schmerzlichste ist die leider recht unterentwickelte<br />

Medienkultur Neuseelands.<br />

Zeitungen und Fernsehen berichten über<br />

Weltpolitik, wenn überhaupt, nur am<br />

Rande. Ja, selbst die nationale Politik ist<br />

selten Gegenstand von Leitartikeln und<br />

den Top News der Acht-Uhr-Nachrichten.<br />

Dementsprechend gering ist das Interesse<br />

der Neuseeländer an aktuellen politischen<br />

Debatten. Aber so richtig verwunderlich ist<br />

das dann eigentlich auch nicht, denn Neuseeland<br />

ist ein kleines Land mit wenigen<br />

Problemen im Südpazifik am Ende der<br />

Welt, weit weg von World Trade Centres<br />

und palästinensischen Flüchtlingsghettos.<br />

Erfreulich unvoreingenommen begegnen<br />

einem dadurch die Leute, sei es im Pub,<br />

am Strand oder im Rugbystadion.<br />

justament drei 2002<br />

23


und danach<br />

Die Praktikantenfalle<br />

Ein Praktikum bei einer Filmproduktionsgesellschaft<br />

Udo Zöbelein<br />

ich mit großer Mappe und viel Brimbo-<br />

um eine unbezahlte Praktikum-<br />

Srium<br />

stelle zu bewerben, ist in der Medienbranche<br />

keine Seltenheit. Die angespannte Arbeitsmarktlage<br />

und der Wunsch, sich<br />

wenigstens in der Nähe von Kreativität<br />

und Glamour aufzuhalten, sind der Grund<br />

dafür, dass sich die Rechtsabteilungen großer<br />

Film- und Fernsehproduktionsfirmen<br />

vor Bewerbern kaum retten können. Und<br />

weil der Andrang so groß ist, steigen auch<br />

die Anforderungen an die Qualifikation.<br />

Viele sind im hohen Semester, die meisten<br />

jedoch schon mit dem ersten Examen fertig<br />

– und alle sind sie hochmotiviert: Freuen<br />

sich auf die ersten echten Fälle in ihrem<br />

Wahlfach und sind zu viel Arbeit auch<br />

ohne Bezahlung bereit. „In Praktika kann<br />

man Kontakte herstellen und wertvolle Erfahrungen<br />

für die Praxis sammeln.“<br />

Wie sie dann zuschnappen kann, die<br />

Praktikantennenfalle, möchte der Autor an<br />

einem Beispiel verdeutlichen. An einer Erfahrung,<br />

die er selbst machen musste.<br />

Die Beginn der Geschichte<br />

Es ist Spätsommer. In einer großen Filmproduktionsgesellschaft<br />

im Süden von<br />

Berlin, nennen wir den Ort Babelsberg, hat<br />

er nach langem Warten endlich einen<br />

Praktikumplatz bekommen. Die Anwältin,<br />

seine neue Chefin, macht einen netten<br />

Eindruck, ist im Moment aber sehr beschäftigt,<br />

so dass nicht ganz klar ist,<br />

was man machen könnte. Aber die<br />

Bedingungen stimmen: An seinem<br />

Arbeitsplatz steht ein<br />

Computer und er hat<br />

Internet-Anschluss. Die<br />

Kommunikation mit<br />

seiner Anwältin läuft<br />

über E-Mail – das ist<br />

zwar komisch, weil sie<br />

ja eigentlich nur wenige Meter entfernt ist<br />

aber O.K., schließlich leben wir im 21.<br />

Jahrhundert. Die Kommunikation hat<br />

dann mehr Struktur und man überlegt sich<br />

bei einer Nachfrage auch zweimal, was<br />

man schreibt. Ohne Aufgabe vergehen die<br />

ersten Tage. Zunächst zaghaft, dann bestimmter<br />

fragt er via E-Mail nach einer Arbeit<br />

für ihn. Jeden Tag mehrere Anfragen,<br />

leider keine Antwort. Wieder ist ein Tag<br />

vergangen und man hat hauptsächlich unmotiviert<br />

in einem Urheberrechtskommentar<br />

geblättert. Kommunikationsversuche<br />

morgens und abends bei dem erzwungenen<br />

Begrüßungskontakt werden abgewürgt.<br />

Man wird auf die Elektronik verwiesen.<br />

Sein Name auf den Mails ist „Christine“.<br />

Das war wohl seine Vorgängerin<br />

und noch hat niemand die Zeit gefunden,<br />

den Namen zu ändern.<br />

Nach der ersten Woche<br />

Inzwischen hat er Teile der Büroorganisation<br />

übernommen und auch die ersten juristischen<br />

„Aufgaben“ sind ihm kommentarlos<br />

eines Abends auf den Schreibtisch<br />

gelegt worden: Verträge abgleichen. Lizenzbestimmungen<br />

oder Standardarbeitsverträge<br />

für Schauspieler. Was genau er da<br />

ließt, versteht er nicht, Nachfragen per E-<br />

Mail ergibt keinen Sinn. Ohnehin lautet<br />

die Anweisung ja auch nicht verstehen,<br />

sondern abgleichen und zwar kommagenau.<br />

Das kann bei den ersten Verträgen<br />

noch interessant sein, schließlich bekommt<br />

man solche Verträge im Studium nicht zu<br />

Gesicht. Aber nach fünf abgeglichenen Lizenzverträgen<br />

weiß man zwar, was immer<br />

wieder geschrieben wird, der juristische<br />

Hintergrund erschließt sich aber nur sehr<br />

schwer. Dann Abwechslung: Die Rechtsabteilung<br />

soll eine bestimmte erbrechtliche<br />

Frage klären. Wahrscheinlich eine private<br />

Anfrage eines Mitarbeiters und unser<br />

Praktikant wird<br />

zur Recherche losgeschickt. Das benötigte<br />

Buch steht im Büro des Kollegen im selben<br />

Flur schräg gegenüber. Die ersten beiden<br />

Versuche scheitern an der Vorzimmerdame,<br />

da nicht gestört werden darf. Der Vormittag<br />

vergeht mit Nachfragen und der<br />

ungehörten Bitte, nur schnell das Buch zu<br />

herauszuholen. Nachdem seine Chefin Ergebnisse<br />

fordert, fasst er sich ein Herz. Es<br />

ist Nachmittag und die Vorzimmerdame<br />

nicht da. Er betritt nach Klopfen das Zimmer<br />

des Anwaltskollegen. Gereizt macht<br />

der sich Luft. Unangemessenes autodiätes<br />

Geblubber entweicht ihm von „wer glauben<br />

sie den, wer sie sind“ bis „bitte nur<br />

sprechen, wenn sie gefragt sind“. Aus dem<br />

Buch ist nichts geworden.<br />

Am nächsten Morgen kam der Praktikant<br />

dann nicht mehr zu seiner Ausbildungsstelle.<br />

Bei solchen unbezahlten<br />

„Praktika“ ist eine Kündigung nicht notwendig.<br />

Fazit<br />

Wie unverfroren Unternehmen in Zeiten<br />

der schlechten Arbeitsmarktlage sich dem<br />

Institut des Praktikums bedienen, ist unvorstellbar.<br />

Mit Ausbildung hat das in den<br />

wenigsten Fällen zu tun. Juristische Praktikanten<br />

hält man sich in er Filmbranche<br />

wie Stallhasen. Auf jeden freien Stuhl im<br />

Vorzimmer kann man einen setzen – kostet<br />

ja nichts. Unvorstellbar auch, dass aus<br />

diesen Praktika eine Festanstellung erwächst.<br />

Keine Rechtsabteilung stellt jemanden<br />

ein, der noch keine Erfahrung in<br />

einer echten Medienkanzlei gemacht hat.<br />

Wer wie die Praktikanten im eigenen Haus<br />

ständig die gleichen Verträge abgleicht,<br />

lernt doch nichts.<br />

Auch wer glaubt, in dieser Zeit Kontakte<br />

knüpfen zu können, ist naiv. Schon die<br />

Leute aus der Rechtsabteilung sind in der<br />

Firma zumeist verpönte Außenseiter, die<br />

kein Stück von dem eigentlichen Geschäft<br />

mitbekommen. Innerhalb der Rechtsabteilung<br />

ist der Konkurrenzdruck hoch und das<br />

schwächste Glied sind die Referendare.<br />

Alles in allem bleibt zu sagen:<br />

Bevor man ein Praktikum in der<br />

Rechtsabteilung einer Filmproduktionsfirma<br />

macht, ist es<br />

besser, in dieser Zeit ein gutes<br />

Buch zu lesen.<br />

24<br />

justament drei 2002 Grafik: David Fuchs


Auf dem Eis<br />

Bernhard Schlink schreibt über deutsche Vergangenheit, Schuld und Recht<br />

Literatur<br />

Jörn Reinhardt<br />

einem sicheren zeitlichen Abstand<br />

Aheraus erscheinen viele Dinge leichter.<br />

Man weiß eben mehr. Wann man nicht<br />

mehr hätte wegsehen dürfen zum Beispiel.<br />

Was man hätte tun müssen und wie. Wenn<br />

die Zusammenhänge erklärt und eingeordnet<br />

sind, wenn alles klar und übersichtlich<br />

wirkt, dann ist die Vergangenheit schon<br />

weitgehend bewältigt und weit weg.<br />

Eine These des neuen, jetzt bei Suhrkamp<br />

erschienenen Buches von Bernhard<br />

Schlink ist, dass dieser Zustand vermeintlicher<br />

Sicherheit ganz eigene Gefahren in<br />

sich trägt. „Vergangenheitsschuld und<br />

gegenwärtiges Recht“ ist der <strong>Titel</strong>, der in<br />

den letzten fünfzehn Jahren entstandene<br />

Essays und Aufsätze Schlinks auf ihren<br />

kleinsten gemeinsamen Nenner bringt. Im<br />

Zentrum steht die Auseinandersetzung<br />

mit der NS-Vergangenheit. Für Schlink<br />

und seine Generation, so kann man lesen,<br />

ist sie von zentraler Bedeutung. Immer<br />

wieder habe man die Thematik gegen<br />

Widerstände durchsetzen und behaupten<br />

müssen. Wenn Schlink darüber schreibt,<br />

geht es ihm nicht nur um abstrakte rechtliche<br />

und moraltheoretische Probleme. Es<br />

geht auch, und sehr detailliert, um die individuellen<br />

und kollektiven Strategien,<br />

Dinge unter den Teppich zu kehren. Es<br />

geht um das Regime von Taktgefühl und<br />

falscher Rücksichtnahme, das dafür sorgt,<br />

dass sie dort bleiben. Und um den großzügigen<br />

Umgang mit Biographien, der<br />

immer dann einsetzt, sobald die neue Zeit<br />

ihre Anforderungen stellt. In dieser Gemengelage<br />

erhält der Begriff der Kollektivschuld<br />

für Schlink einen Sinn. Kollektivschuld<br />

entstehe aus einer Solidarität<br />

mit den Tätern, die nie gänzlich aufgekündigt<br />

wird und vielleicht auch nicht so<br />

einfach aufgekündigt werden kann, weil<br />

es sich bei den Tätern um die Eltern oder<br />

Lehrer handelt. Den erforderlichen Emanzipationsprozess<br />

nennt er „Elternaustreibung“.<br />

„Lehreraustreibung“ wäre auch passend<br />

gewesen: Man erfährt von einer historischen<br />

Tagung am 4. Oktober im Jahr<br />

2000. Die Vereinigung der Deutschen<br />

Staatsrechtslehrer beschäftigt sich zum ersten<br />

Mal mit der NS - Vergangenheit. Viel<br />

Forschung und Literatur hat es zu diesem<br />

Thema bereits gegeben, und nun steht es<br />

auf der offiziellen Agenda des Zentralorgans<br />

der Wissenschaft vom Öffentlichen<br />

Recht. In der Aussprache bedankt sich die<br />

Professorenschaft bei den Vortragenden.<br />

Für ihren Mut und dafür, dass sie das<br />

Thema so „sachlich“ angegangen seien,<br />

also nicht moralisierend nach Schuld und<br />

Verstrickungen einzelner Staatsrechtslehrer<br />

gefragt haben. Eine merkwürdige Geste.<br />

Schlink beklagt in seinem Aufsatz das Ausblenden<br />

der moralischen Frage als verpasste<br />

Chance. Wolle man die Gefährdungen<br />

ausloten, denen jede Rechtskultur ausgesetzt<br />

ist, müsse man individuelles Fehlverhalten<br />

und Schuld in den Mittelpunkt<br />

rücken.<br />

Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen<br />

überrascht es dann, wie Schlinks<br />

Einschätzung der strafrechtlichen Bewältigung<br />

der kommunistischen Vergangenheit<br />

nach 1989 ausfällt. In der Bestrafung der<br />

Todesschüsse an der Mauer durch bundesdeutsche<br />

Gerichte sieht er eine Verletzung<br />

des Rückwirkungsverbotes. Die Rechtsprechung<br />

konnte zu einer Strafbarkeit nur gelangen,<br />

indem sie dem zur Tatzeit geltenden<br />

Recht durch eine quasi-naturrechtliche<br />

(Re-)Interpretation eine andere<br />

Bedeutung zumaß. Anstatt auf das Grenzgesetz<br />

der DDR, so wie es zur Tatzeit verstanden<br />

wurde, abzustellen, nahm man<br />

das Gesetz „in menschenrechtsfreundlicher<br />

Auslegung“(BGH). Für Schlink ist das ein<br />

Taschenspielertrick. Geltendes Recht im<br />

Sinne des Rückwirkungsverbotes könne<br />

immer nur sein, was zur Tatzeit als Recht<br />

anerkannt und praktiziert wurde. Jedes<br />

andere Verständnis verkürze das Recht um<br />

seine „Wirklichkeitsdimension“.<br />

Aber macht Schlink es sich an diesem<br />

Punkt nicht zu einfach? Was ist denn diese<br />

„Wirklichkeitsdimension“ des Rechts? Soll<br />

heißen: Wer entscheidet darüber, was<br />

wirklich ist und was nicht? Der Rechtspositivismus,<br />

so wie er hier vorgetragen wird,<br />

lässt die Täter entscheiden. Also die „offizielle“<br />

DDR mit ihren ganz unwirklichen<br />

Geheimhaltungsritualen, die sie um die<br />

Verletzung des Grenzregimes konstruieren<br />

musste, weil sie davon ausgehen durfte,<br />

dass nicht nur die Opfer, sondern die<br />

Mehrheit der Bevölkerung eine andere<br />

Auffassung zur Rechtmäßigkeit des Grenzgesetzes<br />

hatte.<br />

Vergangenheitsschuld und<br />

gegenwärtiges Recht<br />

von Bernhard Schlink<br />

€ 8,50<br />

2002, edition suhrkamp<br />

ISBN: 3-518-12168-5<br />

Wie dünn ist das Eis<br />

Am Endes des Buches steht dann ein Epilog<br />

- und die Frage nach der Zukunft der<br />

Auseinandersetzung mit der Vergangenheit<br />

des Dritten Reiches und des Holocausts.<br />

Schlink diagnostiziert eine schleichende<br />

Banalisierung, eine Erinnerungskultur,<br />

deren moralisches Pathos ihm<br />

häufig leer erscheint und warnt vor Leichtfertigkeit<br />

und Zynismus als mögliche<br />

Gegenreaktionen: „Moralisches Pathos,<br />

das nicht in moralischem Engagement existentiell<br />

eingelöst wird, stimmt nicht, und<br />

die nächste Generation hat dafür durchaus<br />

ein Gespür“. Doch wird hier keiner neuen<br />

deutschen Fröhlichkeit das Wort geredet.<br />

Angesichts des Rückfalls in die Barbarei als<br />

einer realen Möglichkeit geht es Schlink<br />

um die Bewahrung kritischer Impulse.<br />

„Wenn damals das Eis, auf dem man sich<br />

kulturell und zivilatorisch sicher wähnte, in<br />

Wahrheit so dünn war – wie sicher ist das<br />

Eis, auf dem wir heute leben? Ist es mit<br />

dem Ablauf der Zeit dicker geworden, oder<br />

hat uns der Ablauf der Zeit nur vergessen<br />

lassen, wie dünn es ist?“. Wer selbst auf<br />

dem Eis steht, wird diese Fragen wahrscheinlich<br />

nie mit letzter Sicherheit beantworten<br />

können, sondern nur in dem Maß<br />

wie man sich mehr oder weniger vorsichtig<br />

voranbewegt.<br />

justament drei 2002<br />

25


Literatur<br />

Zivilprozessrecht<br />

für Referendare.<br />

von Rainer Oberheim<br />

„Resignierend senke ich das ermüdete Haupt …“<br />

Bemerkens- und liebenswerte Selbstkritik eines Studenten,<br />

die jeden Korrektor wieder versöhnlich stimmt<br />

Auf der Literaturliste, die die Ausbilder zu<br />

Beginn der Zivilstation austeilen, ist der<br />

„Oberheim“ meist zu finden. Ein ausführliches<br />

Werk, in dem sich zu allem<br />

Wichtigen etwas findet.<br />

Zum Durcharbeiten<br />

ist er wohl zu<br />

langatmig und um<br />

ihn als reines Nachschlagewerk<br />

zu nutzen,<br />

ist wiederum<br />

ein echter Kommentar,<br />

wie der von Thomas<br />

Putzo vorzuziehen.<br />

Aber so „mittendrin“<br />

ist es ein<br />

Preis: EUR 39,00<br />

ISBN 3-8041-2837-8<br />

gutes Buch. Mit vielen<br />

Tabellen und<br />

kleinen Grafiken ist<br />

der Stoff gut strukturiert<br />

und übersichtlich dargestellt. Und<br />

wirklich sehr gut ist es, weil der Luchterhandverlag<br />

es als einer der ersten geschafft<br />

hat, die ZPO-Reform einzuarbeiten.<br />

Da sich sehr viel geändert hat, kann<br />

man mit alten Texten sehr durcheinanderkommen.<br />

Nichts ist unangenehmer<br />

als ein Lehrbuch, bei dem man das Vertrauen<br />

auf die Richtigkeit verloren hat.<br />

Im August soll auch der große Konkurrent<br />

zum „Oberheim“ in der überarbeiteten<br />

Auflage erscheinen: Anders/Gehle,<br />

Das Assessorexamen im Zivilrecht. Wir<br />

sind gespannt.<br />

yt<br />

Dieses ist mit Abstand die eloquenteste,<br />

humorvollste und vor allem charmanteste<br />

Anmerkungen, die ich in meiner Zeit als<br />

Korrekturassistentin als Anhang einer in der<br />

Tat recht abenteuerlichen Hausarbeit eines<br />

Studenten der unteren Semester vorgefunden<br />

habe. Da Anmerkungen dieser Art die Bewertung<br />

aber nach wie vor leider so gar nicht beeinflussen<br />

können, sollte sie wenigstens in<br />

diesem Rahmen gebührenden Ruhm erlangen.<br />

«<br />

PS.: Sicherlich ist es dem/der Korrektor/-<br />

in nicht entgangen, dass es mir leider nicht<br />

gelungen ist, meine Zeit so einzuteilen, dass<br />

es zur Fertigstellung der Arbeit gereicht hat,<br />

weshalb auch ein Großteil der nicht einmal<br />

vollständigen Literaturangaben nicht zum<br />

Einsatz kam. Auf Grund des Zeitmangels<br />

und der vielen sich zum Teil überschneidenden,<br />

verwirrenden Argumentationen gelang<br />

mir auch nicht eine Beschränkung und<br />

Schwerpunktsetzung, die es möglich gemacht<br />

hätte, die diversen Fragmente für<br />

den Leser verständlich zusammenzufügen<br />

und zu(zu)ordnen. Ich hatte vorgesehen,<br />

Lücken dadurch zu schließen, dass ich wenigstens<br />

Meinungsstreits vervollständige,<br />

was nicht wirklich gelang. Resignierend<br />

senke ich das ermüdete Haupt und harre<br />

der Dinge. Möglicherweise habe ich mich<br />

von meinen Literaturrecherchen verleiten<br />

lassen und mich vom Hauptstrang des zu<br />

bearbeitenden Themas entfernt und/oder<br />

versucht Probleme zu vertiefen, wo keine<br />

gesehen werden sollten, oder es dem Sinne<br />

nach, keine gab. Daher bin ich auf die Besprechung<br />

und Korrektur gespannt. Bedenkt<br />

man die Materialfülle, die nun ungenutzt<br />

im Hefter verblieben ist, war meine<br />

Bearbeitungsstrategie vielleicht nicht ganz<br />

optimal. Auch war ich mit mir im Streite<br />

über die Zumutbarkeit dieses „Werkes“,<br />

allerdings hoffe ich auf den/die – hoffentlich<br />

- fertig gestellten Teil(e).<br />

Dies sollte nur der Klarstellung dienen,<br />

denn mir ist bewusst, dass dies nicht die<br />

Art und Weise ist, eine juristische Hausarbeit<br />

anzufertigen, zumal eine Korrekturlesung<br />

zeitlich nicht gelang und auch angesichts<br />

des Mangels an Komplettzusammenhang<br />

aussichtslos gewesen wäre, ganz zu<br />

schweigen von der vernachlässigten Gliederung<br />

/ Orthographie / Formatierung des<br />

Textes und der Fußnoten, und bitte um<br />

Entschuldigung, sollte dies zur Verstimmung<br />

während der Korrektur geführt<br />

haben, sehe es aber als gutes Zeichen,<br />

wenn dies Zeilen hier gelesen werden.<br />

Mit freundlichen Grüßen Der Verfasser<br />

Nachtrag: Zu allem Überfluss hat das Abdrucken<br />

im PC-Pool dazu geführt, dass meine<br />

Seitenformatierung nicht angenommen<br />

wurde und sich zusätzlich noch das Unübersichtlichkeitschaos<br />

verstärkt hat. Das ist also<br />

nicht meine Woche, wie man so sagt.<br />

Dieser Text wurde eingereicht<br />

von Susi Schmidt<br />

»<br />

Kritischer Erklärungsversuch<br />

oam Chomsky, Sprachwissenschaftler und der viel-<br />

am meisten gelesene und zitierte lebende Pu-<br />

Nleicht<br />

blizist, hat ein kleines Buch geschrieben, in dem er<br />

Interviews zusammenfasst, die er nach dem 11. September<br />

Journalisten aus der ganzen Welt gegeben hat.<br />

Einfache und bequeme Antworten wird man bei<br />

Chomsky nicht finden. Hart geht er mit der Politik der<br />

USA und dem CIA ins Gericht.<br />

Im Oktober wird ein neues Buch von Chomsky erscheinen,<br />

das auch im Zusammenhang der Themen dieses<br />

Hefts interessant sein dürfte:<br />

„Media Control:<br />

The Spectacular Achievements of Propaganda“,<br />

Open Media Series, Seven Stories Press,<br />

ISBN: 1-58322-536-6.<br />

Noam Chomsky, „9-11“ (Englisch),<br />

Seven Stories Press,<br />

ISBN 1-58322-489-0.<br />

Fehlermeldung<br />

Ja, ja. Wir haben es natürlich auch<br />

gemerkt.<br />

Die Humanistische Union (HU) ist<br />

eine ehrwürdige und eigenständige<br />

Bürgerrechtsbewegung und hat<br />

nichts mit der Berliner Humboldt<br />

(man beachte das dt!) Universität<br />

zu tun.<br />

Im übrigen kostet das in der<br />

letzten Ausgabe gepriesene<br />

Fischer - Taschenbuch von<br />

Cornelia Vismann („Akten“) keine<br />

astronomischen 35 Euro, sondern<br />

nur schlappe €14,90.<br />

26<br />

justament drei 2002


Almanca türkce ve türkce almanca hukuk sözlügü<br />

Deutsch-türkisches und türkisch deutsches Rechtswörterbuch<br />

Literatur<br />

ndlich kann man in Erfahrung bringen,<br />

Ewas Rechtsbegriffe wie Verwaltungsakt,<br />

Leistungskondiktion, Preisgefahr, negatorischer<br />

Anspruch etc. auf türkisch heißen.<br />

In landläufigen Wörterbüchern sucht man<br />

danach vergebens.<br />

Das heute in der Türkei bestehende<br />

Rechtssystem hat seine Anfänge im Jahr<br />

1923. In diesem Jahr erfolgte die Gründung<br />

der laizistischen türkischen Republik<br />

unter Aufhebung des Kalifats. Im juristischen<br />

Sektor bedeutete dies die radikale<br />

Abkehr vom islamischen Recht hin zum<br />

kontinentaleuropäischen Recht. So ist das<br />

heutige türkische Zivilgesetzbuch sehr<br />

stark vom schweizerischen geprägt, im Bereich<br />

des Verwaltungsrechts ist der französische<br />

Einfluß sehr stark und im Strafrecht<br />

hat man sich an französischen und italienischen<br />

Vorbildern orientiert. Diese Annäherung<br />

an Europa hat sich aber nicht in<br />

der Rechtssprache niedergeschlagen. Viele<br />

Rechtsbegriffe stammen aus dem arabischen<br />

oder persischen, was das Verständnis<br />

der Rechtsbegriffe auch für den Muttersprachler<br />

erschwert.<br />

Gerhard Köbler hat bereits zahlreiche<br />

Rechtswörterbücher herausgegeben. Mit<br />

dem jetzt in erster Auflage erschienenen<br />

deutsch-türkischen Rechtswörterbuch ist<br />

Rechtstürkisch<br />

Gehard Köbler<br />

€ 20,–<br />

April 2002,<br />

Vahlen München<br />

ISBN: 3-80062-828-7<br />

ein weiteres hinzugekommen. Es umfasst<br />

10 200 deutsche und 10 700 türkische<br />

Rechtsbegriffe. Das Bedürfnis nach einem<br />

derartigen Rechtswörterbuch ist groß. Zum<br />

einen leben in Deutschland schätzungsweise<br />

2 Mio. Türken, die im Alltag oftmals<br />

mit Rechtsbegriffen konfrontiert sind,<br />

denen sie zum Teil ratlos gegenüberstehen.<br />

Das Rechtswörterbuch kann hierbei<br />

eine Orientierungshilfe sein. Der Autor<br />

scheint dies mit dem <strong>Titel</strong> „Rechtswörterbuch<br />

für jedermann“ auch anzustreben.<br />

Zum anderen bestehen zwischen der Türkei<br />

und Deutschland vielfältige, insbesondere<br />

enge wirtschaftliche Beziehungen, die<br />

die Verwendung des Buches erforderlich<br />

machen können. Die Anschaffung kann<br />

daher nur empfohlen werden.<br />

Deniz Firtina / Ayhan Halat<br />

Dunkle und spannende Epoche<br />

em rechtsgeschichtlich interessierten<br />

DLeser ist die dreibändige Geschichte<br />

des öffentlichen Rechts in Deutschland<br />

von Michael Stolleis längst ein Begriff, hat<br />

sich diese Publikation doch bereits in kurzer<br />

Zeit als ein Standardwerk auf diesem<br />

Gebiet etabliert. Der letzte Band über die<br />

gleichermaßen spannende wie – gerade<br />

auch für die Rechtswissenschaften – dunkle<br />

Epoche von 1914-1945 ist jetzt in<br />

einer broschierten Sonderausgabe erschienen<br />

und damit erstmals für Studenten und<br />

Referendare erschwinglich geworden.<br />

Der <strong>Titel</strong> der Sonderausgabe sollte<br />

dabei nicht täuschen. Stolleis Ziel ist nicht<br />

eine umfassende rechtsgeschichtliche Darstellung.<br />

Der Schwerpunkt liegt eindeutig<br />

auf der Wissenschafts- und Forschungsgeschichte<br />

dieser Epoche. Dieser Ansatz ist<br />

für den Leser zunächst mit mehr Mühsal<br />

verbunden; im Ergebnis aber nicht weniger<br />

spannend. Gerade durch die akribische<br />

Schilderung der verschiedenen Forschungsansätze<br />

und Lehrmeinungen der<br />

wissenschaftlichen Akteure, die Stolleis<br />

nach den verschiedenen Universitäten aufgliedert<br />

und dem Leser damit zugleich ein<br />

Nachschlagewerk über die Geschichte seiner<br />

eigenen Universität zur Verfügung<br />

stellt, erschließt sich das rechtswissenschaftliche<br />

Gedankengut dieser Zeit in all<br />

seiner Ambivalenz aber auch Mitverantwortung<br />

für die Katastrophe des Nationalsozialismus<br />

besonders gut.<br />

Vielleicht auch durch die berühmte Radbruch`sche<br />

Formel ist die Ansicht nach wie<br />

vor weitverbreitet, gerade der Rechtspositivismus<br />

habe dazu beigetragen, die Juristen<br />

durch „legales Unrecht“ im Sinne des Nationalsozialismus<br />

zu korrumpieren. Die Realität<br />

juristischer Forschung und Lehre im<br />

Nationalsozialismus, wie sie Stolleis in großer<br />

Differenziertheit schildert, belegt allerdings<br />

vielfach das Gegenteil und bezeugt<br />

damit auch, dass die Rechtswissenschaft bei<br />

der Aufweichung rechtsstaatlicher Strukturen<br />

und dem Verlust von Normgebundenheit<br />

bis hin zur totalen Beliebigkeit einen<br />

durchaus aktiven Part gespielt hat.<br />

Bei der Lektüre des Buches begegnet<br />

einem zudem mancher nach wie vor<br />

klangvoller Name. Das gilt nicht nur für<br />

Theodor Maunz und Karl Larenz, deren<br />

unrühmliche Rolle im Nationalsozialismus<br />

ihrer juristischen Karriere auch nach 1945<br />

kein Abbruch getan hat. Beim Streifzug<br />

durch die Wissenschaftsgeschichte erfährt<br />

man unter anderem auch, dass der allen<br />

Juristen durch den gleichnamigen BGB-<br />

Kommentar bestens bekannte Otto Palandt<br />

Leiter des Reichs-Justizprüfungsamtes<br />

war und die Juristenausbildung unter<br />

seiner Ägide eine mehr „völkische Ausrichtung“<br />

erhalten hat.<br />

Deutlich wird damit nicht zuletzt auch die<br />

massive Verdrängungsleistung der Nachkriegszeit<br />

auf dem Gebiet des öffentlichen<br />

Rechts. Anders ist nicht zu erklären, warum<br />

ausgerechnet der bekannteste Grundgesetzkommentar<br />

mit Theodor Maunz von einem<br />

Geschichte des<br />

öffentlichen Rechts in<br />

Deutschland.<br />

Weimarer Republik und<br />

Nationalsozialismus<br />

von Michael Stolleis<br />

€ 29,90<br />

Februar 2002, C.H. Beck<br />

ISBN:3-40648-960-5<br />

Mann mitbegründet worden ist, der immerhin<br />

noch 1937 das Ende des subjektiv-öffentlichen<br />

Rechts und der Gesetzesbindung<br />

proklamiert hat. Stolleis verzichtet dennoch<br />

auf Polemik, sondern bleibt seiner objektiven<br />

und differenzierten Herangehensweise<br />

stets treu. Schon deswegen ist das Buch<br />

jedem an dieser Materie Interessierten nur<br />

wärmstens ans Herz zu legen.<br />

Patrick Ostendorf<br />

justament drei 2002<br />

27


Service<br />

Elchtest für Juristen<br />

Der Einschulungstest soll juristisches Denken überprüfen –<br />

hier eine Kurzversion für „fertige“ Studienabgänger.<br />

Bärbel Sachs<br />

ir gehören noch zu der glücklichen<br />

WGeneration Juristen, die Eliteschmieden<br />

– zumindest in Deutschland – nicht<br />

kennt. Bei uns stand nicht schon im Alter<br />

von 19 Jahren fest, wer dazu gehören<br />

würde und wer nicht. Staatsexamen war<br />

Staatsexamen, egal auch in welchem<br />

Bundesland es abgelegt worden war, und<br />

ob man in Bayreuth, Rostock oder Köln<br />

Jura studiert hatte – schnurzegal für die<br />

spätere Laufbahn.<br />

Wenn es nach der Bucerius Law School<br />

geht, soll sich das nun ändern. Die im Jahr<br />

2000 gegründete private Hochschule für<br />

Rechtswissenschaft hat sich Begabtenund<br />

Eliteförderung auf die Fahnen geschrieben.<br />

Auch schon der Name läßt erahnen,<br />

wo sie hinwill: elitäre Kaderschmiede<br />

nach amerikanischem Vorbild.<br />

Der Grundstein dafür ist die Auswahl<br />

der Studenten. Wie aber soll die Bucerius<br />

Law School die –nach eigenem Wunschdenken-<br />

zukünftige Elite aus ihren Bewerbern<br />

herausfiltern? Einige lassen sich vielleicht<br />

schon durch die hohen Studiengebühren<br />

abschrecken. Neben Schulnoten,<br />

einem Aufsatz, und dem Bewerbungsgespräch<br />

zieht die Schule dann zur Auslese<br />

ihrer Schüler einen eigens entwickelten<br />

Multiple-Choice-Test heran, der in besonderem<br />

Maße die Befähigung zum juristischen<br />

Denken prüfen soll.<br />

Haben Sie das Zeug zum<br />

Elite-Juristen<br />

Auch wenn unter uns schon (fast) fertigen<br />

Juristen sich wohl keiner ernsthaft für ein<br />

Studium bei Bucerius & Co interessiert,<br />

wollten wir es uns nicht nehmen lassen,<br />

den MC-Test anhand anhand beispielhaft<br />

ausgeführter Aufgaben einmal nachzuspielen.<br />

Denn wir wollen wenigstens wissen,<br />

nach welchen Kriterien die BLS auserwählt,<br />

und wie wir dabei ungefähr aussehen<br />

würden.<br />

Der echte Test hat 126 Aufgaben und<br />

dauert 200 Minuten. Eine komplette Anleitung<br />

mit diesen und weiteren Beispielsaufgaben<br />

gibt es auch unter<br />

http://www.law-school.de/<br />

downloads/Auswahlverfahren_2002.pdf<br />

Sie haben 12 Minuten Zeit, los geht’s!<br />

Bei den ersten drei Aufgaben lassen sich drei<br />

der vier Wörter unter einen gemeinsamen<br />

Oberbegriff bringen. Welches Wort passt<br />

nicht dazu?<br />

1. A Himbeere<br />

B Erdbeere<br />

C Stachelbeere<br />

D Brombeere<br />

2. A Hai<br />

B Qualle<br />

C Krokodil<br />

D Tintenfisch<br />

3. A Rauch<br />

B Dampf<br />

C Wolke<br />

D Dunst<br />

4. Die beiden Graphiken zum Thema „Untersuchungshaft“<br />

beziehen sich auf das Jahr<br />

1996. Sie informieren über die Gründe<br />

und die Dauer der Untersuchungshaft bei<br />

den insgesamt 38154 Betroffenen in den<br />

alten Bundesländern sowie in Berlin.<br />

Welche der folgenden Aussagen lässt<br />

bzw. lassen sich aus diesen Informationen<br />

ableiten? siehe Grafik rechts oben<br />

I. Die durchschnittliche Dauer der Untersuchungshaft<br />

lag unter drei Monaten.<br />

II.Bei manchen Untersuchungshäftlingen<br />

muss mehr als ein Grund für die Untersuchungshaftvorgelegen<br />

haben.<br />

A Nur Aussage I lässt sich ableiten.<br />

B Nur Aussage II lässt sich ableiten.<br />

C Beide Aussagen lassen sich ableiten.<br />

DKeine der beiden Aussagen lässt sich<br />

ableiten.<br />

Bei den folgenden zwei Aufgaben ist zu überprüfen,<br />

welche der beiden Behauptungen sich<br />

zwingend aus der eingangs präsentierten<br />

Feststellung ableiten lässt bzw. lassen.<br />

5. Feststellung: Manche Geistesgrößen des<br />

zwanzigsten Jahrhunderts fielen in ihrer<br />

Schulzeit durch eher schlechte Schulleistungen<br />

auf.<br />

Behauptungen:<br />

I. Herausragende geistige Fähigkeiten<br />

entwickeln sich erst im Anschluss an die<br />

Schulzeit.<br />

II. Im Einzelfall erlauben Schulleistungen<br />

keine zweifelsfreie Beurteilung geistiger<br />

Fähigkeiten.<br />

A Nur Behauptung I lässt sich ableiten.<br />

B Nur Behauptung II lässt sich ableiten.<br />

C Beide Behauptungen lassen sich<br />

ableiten.<br />

D Keine der beiden Behauptungen<br />

lässt sich ableiten.<br />

6. Feststellung:<br />

1995 standen die Rechtswissenschaften<br />

bei den Frauen auf Platz drei der meist belegten<br />

Studiengänge, bei den Männern gar<br />

auf Platz zwei.<br />

Behauptungen:<br />

I. Selbst wenn man annimmt, dass 1995<br />

insgesamt mehr Männer als Frauen studierten,<br />

kann man nicht davon ausgehen,<br />

dass in diesem Jahr mehr Männer als Frauen<br />

ein Studium der Rechtswissenschaften<br />

absolvierten.<br />

II. 1995 haben mehr als doppelt so viele<br />

Frauen ein anderes Fach studiert, als<br />

Frauen in einem rechtswissenschaftlichen<br />

Studiengang eingeschrieben waren.<br />

A Nur Behauptung I lässt sich ableiten.<br />

B Nur Behauptung II lässt sich ableiten.<br />

C Beide Behauptungen lassen<br />

sich ableiten.<br />

D Keine der beiden Behauptungen<br />

lässt sich ableiten.<br />

7. Kommissar Schlau wird zu einem Mordfall<br />

gerufen: Herr Tätlich wurde im Schlaf erschossen,<br />

die Mordwaffe ist verschwunden<br />

und Frau Tätlich ist tatverdächtig.<br />

Nach einer ersten Befragung von Frau<br />

Tätlich und einer Besichtigung des Tatorts<br />

stellt Kommissar Schlau Folgendes fest:<br />

Wenn Frau Tätlich Spuren der Tat vernichtet<br />

hat, dann freut sie sich auch über<br />

den Tod ihres Gatten.<br />

Nur wenn sie sich über den Tod ihres Gatten<br />

freut, dann weiß sie auch, wo die<br />

Mordwaffe ist.<br />

Wenn sie sich über den Tod ihres Gatten<br />

freut, dann ist sie die Täterin.<br />

Aufgrund der Reaktionen von Frau Tätlich<br />

muss ich davon ausgehen, dass sie sich<br />

nicht über den Tod ihres Gatten freut.<br />

28<br />

justament drei 2002


Service<br />

gründe der untersuchungshaft<br />

dauer der untersuchungshaft<br />

97%<br />

Wiederholungsgefahr<br />

2% 1%<br />

Flucht/<br />

Fluchtgefahr<br />

4%<br />

Welche der folgenden Thesen ist bzw.<br />

sind mit den Feststellungen von Kommissar<br />

Schlau vereinbar?<br />

I. Frau Tätlich ist die Täterin, aber sie hat<br />

keine Spuren der Tat vernichtet.<br />

II. Frau Tätlich ist nicht die Täterin und sie<br />

weiß nicht, wo die Mordwaffe ist.<br />

A Nur These I ist mit den Feststellungen<br />

von Kommissar Schlau vereinbar.<br />

B Nur These II ist mit den Feststellungen<br />

von Kommissar Schlau vereinbar.<br />

C Beide Thesen sind mit den Feststellungen<br />

von Kommissar Schlau vereinbar.<br />

DKeine der beiden Thesen ist mit<br />

den Feststellungen von Kommissar<br />

Schlau vereinbar.<br />

8. In der Innenstadt von Hamburg ist ein gerade<br />

fertig gestelltes Bürohaus eingestürzt.<br />

Die Baupolizei ermittelt und stellt<br />

dabei fest:<br />

Wenn es keinen Statikfehler gegeben hat,<br />

dann wurde mit zu billigem Material gebaut.<br />

Wenn nicht mit zu billigem Material gebaut<br />

wurde, dann gab es einen Statikfehler.<br />

Wenn sich der Architekt bereichern wollte,<br />

dann gab es keinen Statikfehler.<br />

Wenn sich der Architekt ins Ausland abgesetzt<br />

hat, dann wollte er sich bereichern.<br />

Verdunklungsgefahr<br />

Schwere der Tat<br />

31%<br />

27%<br />

23%<br />

14%<br />

5%<br />

Der Architekt spricht bei der Baupolizei<br />

vor: Er hat sich also nicht ins Ausland abgesetzt.<br />

Welche der folgenden Thesen ist bzw. sind<br />

mit den Feststellungen der Baupolizei vereinbar?<br />

I. Es hat einen Statikfehler gegeben und es<br />

wurde mit zu billigem Material gebaut.<br />

II. Der Architekt wollte sich bereichern<br />

und es wurde mit zu billigem Material gebaut.<br />

A Nur These I ist mit den<br />

Feststellungen vereinbar.<br />

B Nur These II ist mit den<br />

Feststellungen vereinbar.<br />

C Beide Thesen sind mit den<br />

Feststellungen vereinbar.<br />

DKeine der beiden Thesen ist mit den<br />

Feststellungen vereinbar.<br />

9. §19 Bundesangestelltentarif (BAT)<br />

(Auszug): Beschäftigungszeit ist die bei<br />

demselben Arbeitgeber nach Vollendung<br />

des 18. Lebensjahre in einem Arbeitsverhältnis<br />

zurückgelegte Zeit, auch wenn sie<br />

unterbrochen ist.<br />

§ 53 BAT(Auszug): Ordentliche Kündigung<br />

Nach einer Beschäftigungszeit von 15 Jahren,<br />

frühestens jedoch nach Vollendung<br />

des 40. Lebensjahres, ist der Angestellte<br />

unkündbar.<br />

Nach einer Beschäftigungszeit von mindestens<br />

zwölf Jahren beträgt die Kündigungsfrist<br />

6 Monate zum Schluss eines<br />

Kalendervierteljahres.<br />

Sachverhalt: Der Langzeitarbeitslose<br />

Bernhard Schuster wird von der Stadt<br />

Köln während zweier Jahre zum Verwaltungsfachangestellten<br />

umgeschult. Er beginnt<br />

die Umschulung am 1. April; sein<br />

23. Geburtstag war am 28. September des<br />

Vorjahres; im Anschluss an die Umschulung<br />

arbeitet er weiterhin bei der Stadt<br />

Köln. Am Tag vor seinem 40. Geburtstag<br />

erhält er die Kündigung zum Ende des ersten<br />

Quartals des Folgejahres.<br />

Welche der beiden folgenden Aussagen<br />

lässt bzw. lassen sich aus einem Abgleich<br />

von Norm und Sachverhalt ableiten?<br />

Aussage I: Wenn die Umschulung zur Beschäftigungszeit<br />

zählt, dann ist die Kündigung<br />

unwirksam, weil Schuster eine Beschäftigungszeit<br />

nach §19 BAT von mehr<br />

als 15 Jahren aufweist.<br />

Aussage II: Wenn die Beschäftigungszeit<br />

erst nach der Umschulung beginnt, dannbleibt<br />

Schuster grundsätzlich kündbar,<br />

weil die 15 Jahre Beschäftigungszeit erst<br />

nach seinem 40. Geburtstag erreicht werden.<br />

A Nur Aussage I lässt sich ableiten.<br />

B Nur Aussage II lässt sich ableiten.<br />

C Beide Aussagen lassen sich ableiten.<br />

DKeine der beiden Aussagen lässt<br />

sich ableiten.<br />

Die Auflösung findet sich auf Seite 30 unten.<br />

Bewertung<br />

sieben bis neun richtige Antworten<br />

Das war wohl eindeutig nicht schwer genug<br />

für Sie. Sie können vor so viel high potential<br />

vermutlich kaum noch laufen. Gerd Bucerius<br />

(Zitat: „Wir haben in abenteuerlichen Reformen<br />

unser Hochschulwesen statt auf Elite<br />

und Wettbewerb auf breiteste Masse umgestellt<br />

und den Wettbewerb als unmoralisch<br />

denunziert“) würde Ihnen sicher das Du anbieten,<br />

lebte er noch. Auch wenn Ihr Staatsexamen<br />

nicht so gut ausgefallen sein sollte,<br />

müssten Ihre hohen Fähigkeiten im „analytischen<br />

und logischen Denken“, Ihr Umgang<br />

mit verschiedenartigen, komplexen Informationen“<br />

und Ihre „sprachliche Genauigkeit“,<br />

ja allerspätestens im Assessment-Center<br />

des Finanzamts wieder auffallen.<br />

vier bis sechs richtige Antworten<br />

Ihr Testergebnis ist zwar eigentlich ganz<br />

gut, unter elitären Gesichtspunkten jedoch<br />

allenfalls mittelmäßig. Sie zweifeln zuviel.<br />

Zum Beispiel daran, ob Ihre juristische Karriere<br />

davon abhängt, dass Sie das Logikrätsel<br />

der ZEIT regelmäßig lösen oder nicht.<br />

Auch sind Sie sich nicht wirklich sicher, ob<br />

die gewiefte Auswertung eines Tortendiagramms<br />

Ihren Mandanten aus der U-Haft<br />

holt. Mittelmaß.<br />

null bis drei richtige Antworten:<br />

Sie denken, die Welt ist ein bisschen komplexer<br />

als die Kategorie „Hai Qualle Tintenfisch”?<br />

Sie wollen nicht einsehen, warum<br />

hier schon wieder ein Test stattfindet, dessen<br />

Prüfungsumfang der Sache nach nur beschränkt<br />

sein kann? Sie haben wohl nach<br />

drei Aufgaben aufgehört? Dafür gibt’s vier<br />

Punkte extra.<br />

justament drei 2002<br />

29


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Wer Lust hat sich an der kommenden Ausgabe, die voraussichtlich<br />

Anfang September erscheint, zu beteiligen, sollte sich bis Redaktion justament<br />

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