Korrespondenzblatt - Kamenzer-geschichtsverein.de
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Thomas Bin<strong>de</strong>r<br />
Blutrünstiges Kamenz – Die Blutnacht auf <strong>de</strong>m Anger im Jahre 1409.<br />
Die neue Ausstellung <strong>de</strong>s Stadtarchivs Kamenz<br />
Ab <strong>de</strong>m 19. Oktober bis zum En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Jahres 2009 wer<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Vitrinen<br />
am Westeingang <strong>de</strong>s Rathauses historische Quellen aus <strong>de</strong>m Stadtarchiv Kamenz<br />
präsentiert, die auf schauerliche Begebenheiten vor 600 Jahren Bezug<br />
nehmen.<br />
Die Stadt hatte sich damals zwar längst von ihren alten Lehnsherren – <strong>de</strong>n<br />
Herren von Kamenz – freigekauft, aber noch immer wohnten diese im alten<br />
Burglehn auf <strong>de</strong>m Schlossberg. Von dort hatten sie einen direkten Zugang<br />
zur Stadt, wo ihre Lehnsleute am so genannten Ober-Anger Freihäuser besaßen.<br />
Obwohl sich diese Gebäu<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Stadt befan<strong>de</strong>n, unterlagen <strong>de</strong>ren<br />
Bewohner nicht <strong>de</strong>r städtischen Gerichtsbarkeit. Die E<strong>de</strong>lleute verprassten<br />
ihr Vermögen bei großen Gelagen mit reichlich Alkohol. Anschließend verübten<br />
sie Gewalttaten in <strong>de</strong>r Stadt: Die Betrunkenen fielen in die Häuser <strong>de</strong>r<br />
Bürger ein und misshan<strong>de</strong>lten <strong>de</strong>ren Frauen und Töchter bzw. schlugen die<br />
sich wehren<strong>de</strong>n Männer. Da trotz Hilfeersuchen beim Lan<strong>de</strong>sherrn, <strong>de</strong>m König<br />
von Böhmen, keine Besserung eintrat, sahen sich die <strong>Kamenzer</strong> zur<br />
Selbstjustiz gezwungen. In einer Nacht fielen sie im Burglehn ein und töteten<br />
einige <strong>de</strong>r grausamen E<strong>de</strong>lmänner.<br />
Erstaunlich, dass diese Begebenheit keinen Einzelfall darstellt: Ähnliches<br />
ereignete sich auch in Bautzen, Görlitz und Zittau. Der König von Böhmen<br />
musste sich daher kurz nach 1400 mit mehreren solcher Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen<br />
in <strong>de</strong>r Oberlausitz beschäftigen und durch Rechtsprechung die Ordnung<br />
wie<strong>de</strong>rherstellen – zumeist gegen die Bürgerschaft. Doch davon ließen<br />
sich die <strong>Kamenzer</strong> nicht beirren. Ein Urteil zu ihren Ungunsten wollten sie<br />
jedoch in Kauf nehmen, wenn sie dadurch von ihren a<strong>de</strong>ligen Peinigern befreit<br />
wür<strong>de</strong>n. Umso größer war das Erstaunen, als <strong>de</strong>r König kurz darauf in<br />
Kamenz Gericht hielt und weitestgehend im Sinne <strong>de</strong>r Bürgerschaft entschied.<br />
In <strong>de</strong>r Forschung war lange Zeit umstritten, wann diese Geschehnisse stattfan<strong>de</strong>n;<br />
nicht zuletzt auch <strong>de</strong>shalb, weil nur wenige Quellen Auskunft gaben<br />
bzw. herangezogen wur<strong>de</strong>n. Einige von ihnen wur<strong>de</strong>n neu ausgewertet, wodurch<br />
sich interessante Deutungen ergeben haben.<br />
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