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Predigt 31.10.10, Zachäus, Pfr. Stephan Guggenbühl

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<strong>Zachäus</strong> Sonntag, 31. Oktober 2010<br />

Die Begegnung Jesu mit <strong>Zachäus</strong> ist uns von Kindheit an - wohl als eine der best<br />

bekannten Geschichte in Erinnerung, aber sie ist beileibe nicht nur eine<br />

Kindergeschichte, die sich so nett erzählen und spielerisch gestalten lässt<br />

Vor allem das Verhalten der Jesu begleitenden Menschenmenge hat mich bei x-<br />

ten Mal Durch-Lesen des heutigen Evangeliums aufgeschreckt - denn was die da<br />

machten, dass machen Volksmassen ja bis heute immer wieder einmal, dass sie<br />

gedankenlos, manchmal aber auch ganz bewusst Menschen, die nicht in ihr<br />

Schema passen, undifferenziert, pauschal verurteilen, dass sie Angst machend,<br />

kriminelle Menschen selbst richten und verurteilen, sie verhetzen und sie<br />

öffentlich fertig machen.<br />

So versperrt diese aufgehetzte Menschenmenge in Jericho diesem unliebsamen<br />

Mitbürger, dem Zöllner, der mit den Römern zusammenarbeitet und unsaubere<br />

Geschäfte betreibt, den Weg zu Jesu und verweigert ihm damit einen Weg zur<br />

persönlichen Umkehr. Man gibt ihm keine Chance, Jesus zu sehen, ihn zu hören,<br />

von ihm zu lernen, sich mit ihm gar auszusprechen<br />

Ihr Urteil ist gefällt, das "schwarze Schaf" ist entlarvt, es wird zurück und<br />

ausgestossen, der Versuch einer Integration wird ohne Bedenken abgelehnt.<br />

Die Macht der Masse, die vielleicht ihre Privilegien mit andern teilen müsste, diese<br />

Mehrheit der vermeintlich Rechtschaffenen, - tut sich meist schwer mit einem Weg<br />

der Versöhnung, - Gesprächsbereitschaft ist nicht ihre Stärke, - sie reden Klartext<br />

- sagen sie - und kennen keine Kompromisse, Konflikte werden so nicht<br />

ausgetragen, sondern mit Gewalt erledigt.<br />

Doch einer stellte sich damals entschieden gegen das rechthaberische,<br />

sogenannte Volk - Jesus, der für viele noch wenig bekannte Mann aus Nazareth -<br />

lässt sich nicht aufhalten von der Menschenmenge, sondern durchbricht mutig<br />

ihre Reihen, bleibt stehen, und blickt hinauf zum kleinen, neugierigen - öffentlich<br />

bekannten Sünder, spricht ihn an und lädt sich gar bei ihm als Gast zu Tische ein.<br />

Dieser hat, was ihm das Volk nicht zugetraut hat, ebenfalls einen wichtigen Schritt<br />

getan, offensichtlich nicht nur aus Neugier, sondern aus einem wahren Interesse<br />

heraus, was ja bedeutet, dass auch er mit-dabei sein möchte. Und alles geht<br />

nun sehr schnell: (gleich 2x benützt Lukas dieses Wort) Komm herunter - ich<br />

muss (nicht ich möchte) heute bei dir sein - und auch der Zöllner springt schnell<br />

herunter und nimmt sogleich Jesus freudig bei sich auf.<br />

Jesus sieht also den Ausgestossenen mit andern Augen als die grosse Mehrheit<br />

und gibt ihm damit Ansehen, - ihm auf den man nur herabgesehen - oder an dem<br />

man vorbei gesehen - Jesus schaut zu einem Menschen hoch - spricht ihn sogar<br />

bei seinem Namen an, - einen, den man bis heute kennt und der übersetzt heisst:<br />

Der Gerechte -


Jesus sieht auch im Sündigen die Würde des Menschen, er stärkt ihm sein<br />

Selbstwertgefühl - und dieser <strong>Zachäus</strong> steigt herunter - herunter vom hohen Ross,<br />

auf dem er als oberster Zollpächter seine kriminellen Taten ausgeübt hat. Er<br />

demütigt sich und geht den Weg der Umkehr. Diese Verwandlung geschieht nicht<br />

aufgrund einer Belehrung und Jesus macht ihm keine Vorwürfe und legt ihm auch<br />

keine moralischen Verpflichtung auf -<br />

sondern es ist allein seine liebende, bedingungslose Zuwendung, die zur<br />

friedlichen Versöhnung hinführt.<br />

Und jetzt achten wir wieder auf die empörte Reaktion des Volkes. Wie so oft<br />

schimpft es einfach drauf los, sieht nur diesen Jesus, der sich auf einen<br />

Ungläubigen einlässt - sich gar wohl noch anfreundet - und sich damit nach ihrer<br />

Auffassung selbst versündigt.<br />

Ein Skandal ist das, man spürt förmlich ihre Wut, ihren Hass - jetzt nicht nur auf<br />

den Zöllner -<br />

und Angst haben muss man jetzt nicht mehr vor ihm, sondern vor der<br />

aufgebrachten Menschenmasse, die kopflos, unkritisch und lernunfähig auf ihrem<br />

Standpunkten beharrt und die sofort mit Gewalt droht - die aber nicht bereit ist, die<br />

Wirklichkeit als solche zu sehen und damit anzunehmen, dass Versöhnung<br />

möglich ist und dass das Wunder der Verwandlung tatsächlich sich ereignen<br />

kann.<br />

Warum nur lassen sich Menschen - zu allen Zeiten - oft so leicht eintauchen in<br />

eine anonyme Masse, lassen sich dirigieren und manipulieren - selbst zu<br />

lieblosem und unmenschlichen Tun - und laden sich so kollektive Schuld auf sich.<br />

Warum nur regiert in den Konflikten immer gleich diese Härte und Kälte dem<br />

Sünd- und Fehlerhaften gegenüber, zumal wir ja wissen, dass keiner und keine<br />

von uns fehlerlos ist.<br />

Mit der <strong>Zachäus</strong>-Geschichte, die nur Lukas erzählt, erkennen wir seine<br />

menschfreundliche Theologie, so wie eben er das Wirken Jesus verstanden und<br />

wie er es uns späteren Lesern vermitteln will. Lukas erkennt, wie Jesus es strikt<br />

vermeidet, den Menschen klein zu machen und ihm ständig seine Sündhaftigkeit<br />

vorzurechnen. Er erkennt in ihm den wahren Menschenfreund. In seiner Nähe<br />

finden Menschen freudig ihren Weg zur Umkehr und finden zu ihrer eigenen<br />

Menschlichkeit.<br />

Den Schlussvers des heutigen Evangeliums gilt es zutiefst zu verinnerlichen<br />

und vor allem wir Christen müssen ihn immer wieder repetieren und in unsere<br />

Entscheidungen - sowohl in die familiären-alltäglichen, wie auch in die<br />

gesellschaftlich-politischen - einbringen, nämlich dieses eine Postulat<br />

Der Menschensohn ist gekommen um zu suchen und zu retten, was verloren war.<br />

<strong>Stephan</strong> <strong>Guggenbühl</strong>, Appenzell

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