Preisgekrönt: Philipps einfallsreiche Filmwelten - Kinderkrebsstiftung
Preisgekrönt: Philipps einfallsreiche Filmwelten - Kinderkrebsstiftung
Preisgekrönt: Philipps einfallsreiche Filmwelten - Kinderkrebsstiftung
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Psychosoziales<br />
Wendy Routen-Hardy, Philipp Willam<br />
Preisgekrönt:<br />
<strong>Philipps</strong> <strong>einfallsreiche</strong> <strong>Filmwelten</strong><br />
Kreativangebote im Krankenzimmer mobilisieren Energie<br />
Niemand wird jemals den Moment vergessen, als ihm mitgeteilt<br />
wurde, dass er Krebs oder Leukämie hat. Es ist normal, dass die<br />
Erinnerung an bestimmte Details im Leben nach und nach verblasst,<br />
wenn die Monate und Jahre vergehen. So dass sogar unangenehme<br />
Erfahrungen immer undeutlicher werden: wie oft man in<br />
der Klinik war, wie oft Blut abgenommen wurde oder wie es war,<br />
als alle Haare ausgefallen sind. Der Augenblick jedoch, als die Diagnose<br />
mitgeteilt wurde, wird wahrscheinlich für immer im Gedächtnis<br />
eingebrannt bleiben. Statistiken zeigen, dass die Überlebenschancen<br />
für junge Patienten auf über 80 Prozent gestiegen<br />
sind; und doch, mit dem Wort „Krebs“ verbindet man noch immer<br />
so viel Bedrohung wie früher.<br />
2006 gehörte Philipp Willam, damals gerade einmal 13 Jahre<br />
alt, zu den 1.400 bis 1.600 Jugendlichen unter 15 Jahren in Deutschland,<br />
die ohne erkennbaren Grund ganz plötzlich an Krebs erkranken.<br />
Jetzt, im Alter von 18 Jahren, beschreibt er den Tag, der sein<br />
Leben veränderte:<br />
„Ich bin in Witten, im Herzen des<br />
Ruhrgebietes geboren und mein Leben<br />
vor der Diagnose würde ich generell<br />
als „normal“ beschreiben. Es war<br />
das ganz normale Leben eines Jungen.<br />
Ich hatte Schule, war im Theaterverein<br />
und traf mich mit Freunden. Es<br />
war eigentlich ein normaler Wochentag.<br />
Ich hatte Schule und nachmittags<br />
einen Termin bei meinem Kinderarzt. Während der Osterferien<br />
ist auf meinem Oberarm ein großes Hämatom (Bluterguss)<br />
aufgetreten. Generell fühlte ich mich sehr schlapp<br />
und müde. Die Untersuchung beim Arzt sollte Klarheit darüber<br />
bringen, was der Grund dafür war.<br />
Der Kinderarzt nahm mir Blut ab und wir warteten auf das<br />
Ergebnis. Mit den Geräten, welche der Kinderarzt zur Verfügung<br />
hatte, konnte man jedoch keine Blutplättchen mehr in<br />
meinem Blut finden. So wurde mir ein weiteres Mal Blut abgenommen.<br />
Jedoch ließ sich auch diesmal nichts finden. Der<br />
Arzt wurde etwas nervös und ich wurde ins Krankenhaus<br />
weiter geleitet. Dort wurden erneut verschiedene Untersuchungen<br />
gemacht und noch am selben Abend wurde ich in<br />
die Kinderklinik nach Dortmund überwiesen. Ich hatte schon<br />
während der Komplikationen bei der Blutuntersuchung beim<br />
Kinderarzt ein komisches Gefühl. Dieses wurde über den Tag<br />
immer stärker, denn niemand konnte mir sagen, was ich hatte.<br />
Es war eine große Ungewissheit. Das einzige, was fest<br />
stand, war, dass etwas nicht stimmte.“<br />
Die Diagnose lautete MDS. Myelodysplastische Syndrome (MDS)<br />
sind eine Gruppe von Erkrankungen, die die normale Blutzellproduktion<br />
im Knochenmark verändern. Bei den MDS produziert das<br />
Knochenmark abnorme, unreife Blutzellen, so genannte Blasten.<br />
Diese Zellen reifen nur unzureichend aus, so dass sie ihre normale<br />
Funktion nicht erfüllen können. Sie werden häufig schon abgebaut,<br />
bevor sie das Knochenmark verlassen, oder kurz nach dem<br />
Ausschwemmen in den Blutkreislauf. Ohne eine ausreichende<br />
Zahl an normalen, im Knochenmark gebildeten Zellen (rote und<br />
weiße Blutkörperchen, Blutplättchen) ermüden MDS-Patienten<br />
schnell, sind anfälliger für Infektionen oder Blutungen und erleiden<br />
häufig Blutergüsse.<br />
Es gibt mehrere MDS-Typen, so dass die Erkrankung in ihrem<br />
Schweregrad und dem Grad der normalen Zellproduktion variiert.<br />
Die MDS stellen keine Krebserkrankung dar, in ca. 30 Prozent der<br />
Fälle gehen sie jedoch in eine Form der akuten myeloischen Leukämie<br />
über. Sie werden daher als prä-leukämische Erkrankungen<br />
angesehen. Im überwiegenden Teil der Fälle bleiben die Ursachen<br />
eines MDS unbekannt, einige Faktoren scheinen die Entstehung<br />
allerdings zu begünstigen. Ein MDS tritt als Folge von Veränderungen<br />
in einem oder mehreren Genen auf, die normalerweise die<br />
Blutzellentwicklung kontrollieren.<br />
In Abhängigkeit von Typ, Risiko und Patientenalter finden mehrere<br />
Behandlungsoptionen Anwendung. In <strong>Philipps</strong> Fall wurde die<br />
Transplantation von Stammzellen erforderlich. Man unterscheidet<br />
die autologe und die allogene Stammzelltransplantation. Bei der<br />
autologen Form werden dem Patienten eigene Stammzellen aus<br />
dem Knochenmark (KMT) oder mittels Zellseparation aus dem peripheren<br />
Blut (PBSZT) entnommen, und zwar in Remission, d.h. zu<br />
einem Zeitpunkt , an dem das MDS inaktiv ist. Bei der allogenen<br />
Transplantation werden Stammzellen eines Spenders verwendet.<br />
Hier wird zunächst geprüft, ob in der Familie ein geeigneter Spender<br />
gefunden werden kann. In <strong>Philipps</strong> Fall spendete seine damals<br />
10-jährige Schwester Hanna.<br />
Vor der eigentlichen Transplantation erfolgt zur Vorbereitung<br />
eine sogenannte Konditionierung, während der das Knochenmark<br />
des Patienten mittels einer hochdosierten Chemotherapie zerstört<br />
wird. Im Anschluss werden die Stammzellen über einen kurzen,<br />
flexiblen Katheter in eine der großen, herznahen Venen verabreicht.<br />
Die Stammzelltransplantation an sich ist also kein spektakulärer<br />
Vorgang, der Patient erhält lediglich die Infusion einer zellhaltigen<br />
Flüssigkeit. Die folgenden Tage und Wochen sind jedoch<br />
kritisch, denn der Patient, nun ohne eigenes Immunsystem, ist<br />
hochanfällig für Infektionen und ausgedehnte Blutungen. Bei einer<br />
erfolgreichen Transplantation wandern die verabreichten<br />
Stammzellen in das Knochenmark der langen Röhrenknochen des<br />
Patienten, „pflanzen sich ein“ und beginnen, normale Blutzellen<br />
zu bilden. Dies dauert aber einige Zeit. Im Fall eines erfolgreichen<br />
Eingriffs kann die Erholungsphase bis zu einem Jahr in Anspruch<br />
nehmen, bis der Patient wieder ein normales Leben führen kann.<br />
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Es kann aber auch zu<br />
Komplikationen kommen. Gelegentlich<br />
liegt zwischen dem Patientengewebe und dem transplantierten<br />
Knochenmark zu einem gewissen Grad eine Unverträglichkeit<br />
vor, bei der die neu gebildeten Blutzellen die Körperzellen des<br />
Patienten als fremd erkennen und angreifen. Dieses als GvHD<br />
(Graft-versus-Host-Disease = Transplantat-gegen-Empfänger-<br />
Krankheit) bekannte Phänomen kann sich zu einem chronischen<br />
Zustand entwickeln oder auch lebensbedrohlich werden. Wenn<br />
andererseits der Körper des Patienten das Transplantat abstößt<br />
(Transplantatabstoßung), besteht die einzige Überlebenschance<br />
in einem zweiten oder sogar dritten Transplantationsversuch.<br />
Angesichts einer solch schwerwiegenden Diagnose und eingreifenden<br />
Behandlung ist – nicht überraschend – die klassische<br />
Frage: „Warum ich?“. Auf diese Frage gibt es keine Antwort. So<br />
weiß niemand genau, warum gerade Philipp an einem MDS erkrankte.<br />
Aber er und seine Familie mussten den Tatsachen ins<br />
Auge sehen und irgendwie damit klar kommen.<br />
Erwachsenen Patienten hilft es oft bei der Krankheitsverarbeitung,<br />
einen Sinn in der Erkrankung zu finden. Viele berichten, dass<br />
ihnen durch die Erkrankung bewusst wurde, was ihnen wirklich<br />
wichtig ist im Leben. Oftmals entstehen Pläne für zukünftige Veränderungen.<br />
So kann der Patient auch etwas Positives aus der<br />
Erkrankung mitnehmen und die Krankheit, die „aus dem Nirgendwo“<br />
kam, erscheint ihm nicht einfach zufällig und bedeutungslos.<br />
Jüngere Patienten beschäftigen sich meiner Erfahrung nach<br />
sehr viel weniger mit solchen Fragen. Sie möchten so „normal“<br />
wie möglich bleiben, „normal“ behandelt werden so sein, wie jeder<br />
andere in ihrem Alter. Und sie wollen beschäftigt sein – bisweilen<br />
sogar mit Hausaufgaben. Philipp konzentrierte sich darauf, so<br />
aktiv und so optimistisch wie möglich zu bleiben:<br />
„Ablenkung von der Situation und etwas zu tun, was nichts<br />
mit der Klinik zu tun hatte, war mir sehr wichtig. Ich wollte<br />
Dinge tun, die normal waren und die ich auch hätte machen<br />
können, wenn ich nicht krank gewesen wäre. Natürlich habe<br />
ich auch mit Freunden über das Internet Kontakt gehalten<br />
und gechattet, jedoch habe ich mich dann eher über das Geschehen<br />
in der Schule informiert und wollte wissen, wie das<br />
„normale“ Leben so läuft“.<br />
Aber die endlos langen und angstbesetzten Wochen im KMT-Zimmer<br />
mit den typischen Nebenwirkungen wie Haarausfall, Übelkeit,<br />
Appetitverlust usw. erschwerten das „normal“ bleiben sehr. Aber<br />
Philipp entdeckte während dieser Zeit glücklicherweise eine besondere<br />
Begabung, die wegweisend für seine Zukunftspläne sein<br />
sollte.<br />
Es war keine große Herausforderung, einen so kreativen Patienten<br />
wie Philipp zum Malen zu ermutigen. Spontanes Malen, bei<br />
dem es keine Regeln oder vorbestimmten Ziele gibt, ist eine meiner<br />
bevorzugten Techniken bei der Arbeit mit Kindern; insbesondere<br />
bei Patienten, die eine lange Zeit in der Isolation eines KMT-<br />
Zimmers verbringen müssen, wo sich leicht Tendenzen zu Angst<br />
und Depressionen einschleichen können. Diese Technik erlaubt es<br />
dem Patienten, seine eigenen Themen zu entwickeln:<br />
„Mit den Farben einfach drauf los zu malen, ohne darüber<br />
nachzudenken, hat unglaublich geholfen. Man konnte Dinge<br />
ausprobieren und auch versuchen Gefühle, sowohl Ängste<br />
als auch Hoffungen, zu Papier zu bringen. So konnte ich meine<br />
Situation für einen Augenblick vergessen und auf andere<br />
Gedanken kommen oder schlechte Gefühle loswerden, indem<br />
ich sie mir aus der Seele, auf das Papier malte. Als kleines<br />
Kind habe ich oft mit meiner Oma gebastelt. Zusätzlich<br />
habe ich Theater gespielt und war in einer Tanzgruppe. Es<br />
hat mir schon immer Spaß gemacht etwas Kreatives zu<br />
schaffen. So nutzte ich die Zeit in der Klinik auch, um kreativ<br />
tätig zu werden. Es tat gut, die lange Zeit mit etwas zu überbrücken,<br />
was Spaß macht. Zusätzlich half es, zumindest im<br />
Kopf, die Klinik und die sterile Atmosphäre des KMT-Zimmers<br />
zu verlassen“.<br />
Nachdem wir einige Zeit gemalt hatten, nahm <strong>Philipps</strong> Interesse<br />
ab und es wurde Zeit, neue Ideen einzubringen. Eines Tages diskutierten<br />
wir, dreidimensional zu arbeiten. Also brachte ich Ton mit<br />
in das KMT-Zimmer und wir saßen zusammen, jeder mit einem<br />
Klumpen Ton, und waren gespannt, was daraus werden würde.<br />
Und plötzlich saßen nicht nur Philipp und ich in diesem sterilen<br />
Raum, sondern mit uns ein paar seltsame Besucher, kleine „Karikatur-Figuren“.<br />
Aus meiner Sicht war dies der Punkt, als Philipp<br />
sich von einer eher ruhigen und reservierten Person zu einem humorvollen<br />
Jungen voller Energie entwickelte, der viele Witze<br />
machte und laut lachte. Wir kreierten „Dumb wie Brot“, eine wirklich<br />
schrecklich schlechte Band, aus deren Gesichtern man ablesen<br />
konnte, dass sie weder singen, tanzen noch Musik machen<br />
konnten. Danach wechselten wir zu Knete, um Figuren zu modellieren,<br />
die sich bewegen konnten. Mit der Steigerung der kreativen<br />
Spannung wuchs auch das Selbstbewusstsein, und so entstand<br />
die Idee, einen ganzen Trickfilm zu machen.<br />
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Psychosoziales<br />
Quelle: Fox Foto Uwe Völkner<br />
Auszeichnung mit dem Bürgermedienpreis am 11.11.2011<br />
„Nachdem wir aus Ton bereits verschiedene Köpfe geformt<br />
hatten, war das Modellieren von ganzen Figuren aus beweglichem<br />
Material eine weitere Steigerung. Es dauerte auch<br />
viel länger, eine Figur fertig zu stellen. Ich konnte mich also<br />
mit einer Figur einen ganzen Tag beschäftigen, sie gestalten<br />
und mir eine “Geschichte” für sie ausdenken. Wo sie her<br />
kam, wie sie hieß und was sie beruflich machte. Dies war<br />
sehr schön, da man so in eine andere Welt gelangte und das<br />
Krankenhaus für einen Moment hinter sich ließ“.<br />
Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich in <strong>Philipps</strong> Zimmer<br />
kam und da eine kleine acht Zentimeter große Figur sah. Sie war<br />
mit einer Präzision und Geduld geformt, die weit über die Fähigkeiten<br />
hinausging, die man von einem Jungen in <strong>Philipps</strong> Alter erwarten<br />
würde. Was er erschaffen hatte, war meiner Meinung nach<br />
vergleichbar mit den bekannten „Wallace and Gromit“ Figuren, die<br />
auch aus Knete geformt wurden. Philipp hatte das Making-Of von<br />
„Wallace and Gromit“ gesehen und sich vorgenommen, in ähnlicher<br />
Art und Weise zu arbeiten. Eine reife Leistung für den damals<br />
Vierzehnjährigen.<br />
Mit den Wochen, die vergingen, tauchten immer neue Figuren<br />
auf und bald konzentrierte sich Philipp darauf, die Kulisse für den<br />
Film mit der gleichen Ausdauer und Aufmerksamkeit zu gestalten<br />
wie die Figuren selbst. Die KMT war erfolgreich verlaufen und die<br />
Zeit, das Film-Projekt fertig zu machen, wurde tatsächlich knapp.<br />
Nach langen Monaten im KMT-Zimmer, in denen wir auf der Suche<br />
nach Möglichkeiten waren, die Zeit herumzukriegen, hatten wir<br />
jetzt plötzlich nicht genug davon!<br />
Nach Wochen intensiver und engagierter Arbeit saßen wir nun<br />
in diesem Zimmer mit vielen wunderschönen Figuren, einer tollen<br />
Kulisse und – dank dem Förderverein für krebskranke Kinder – mit<br />
einer neuen Kamera! Es war schön zu sehen, wie <strong>Philipps</strong> Figuren<br />
nach der wochenlangen Arbeit zum Leben erweckt wurden.<br />
Zu Hause konnte Philipp mit der Hilfe seiner Eltern den Film<br />
fertig stellen. Einige Monate später feierte „Visit to Head Museum“<br />
seine Premiere auf der Station von Pfaundler, begleitet von<br />
der „Badischen Zeitung“.<br />
Nun, beinahe sechs Jahre später, ist Philipp ein normaler gesunder<br />
Teenager. Und während MDS für ihn nun wirklich der Vergangenheit<br />
angehört, hat ihn die Leidenschaft, die er während<br />
seines Klinikaufenthaltes für das Filme machen entdeckte, seither<br />
begleitet.<br />
Ohne den verzweifelten Wunsch, den kalten und sterilen Bedingungen<br />
des KMT-Zimmers zu entkommen, hätte Philipp jemals so<br />
viel Zeit und Ausdauer darauf verwendet, diese kleinen Knetfiguren<br />
zu formen und die Materialien, mit denen er arbeitete, so gut<br />
zu beherrschen?<br />
Dieser junge und entschlossene Teenager verließ die Klinik mit<br />
dem Glauben an seine Fähigkeit, neue und spannende Dinge gestalten<br />
zu können!<br />
„In Filmen ist alles möglich und diese Tatsache macht es so<br />
spannend. Egal was man sich erträumt, was man fürchtet,<br />
alles kann im Film wahr werden. Selbst neue Dinge und ganze<br />
Welten kann man erschaffen und somit nicht nur für sich<br />
selber, sondern auch für die Zuschauer neue Welten eröffnen.<br />
Diese “Traumwelten” zu erschaffen macht unheimlich Spaß.<br />
Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und man kann<br />
sich völlig “austoben”.<br />
Seit Philipp aus der Klinik entlassen wurde, hat er mehr als 20 Filme<br />
gemacht, zwei mit Knetfiguren, die restlichen im Rahmen von<br />
Schulprojekten mit seinen Freunden Tom und Florian. Er hat ein<br />
sechsmonatiges Praktikum bei RTL gemacht und an fünf Filmwettbewerben<br />
teilgenommen, wobei er, zusammen mit seinen beiden<br />
Freunden, für den Kurzfilm „Da wo die Welt in Ordnung ist“ mit<br />
dem ersten Preis ausgezeichnet wurde. Es überrascht nicht, dass<br />
Philipp auch für seine Zukunft kreative Pläne hat:<br />
„Im Moment bin ich dabei, mich an verschiedenen Filmhochschulen<br />
zu bewerben, um dann hoffentlich Ende des Jahres<br />
mit dem Studium zu beginnen. Allerdings gibt es verschiedene<br />
Aufgaben und Aufnahmeprüfungen, welche man bestehen<br />
muss, um zum Studium zugelassen zu werden. Die<br />
nächsten Monate werden daher anstrengend und spannend.<br />
Wenn alles wie geplant klappt, kann ich zum Wintersemester<br />
mit dem Studiengang “Film” starten“.<br />
Durch seine Erfahrungen schaut Philipp heute Filme auch aus einem<br />
anderen Blickwinkel an:<br />
„Wenn ich mir einen Film ansehe, versuche ich mich auf diesen<br />
einzulassen und die Technischen Details auszublenden.<br />
Erst im Nachhinein, wenn mich ein Film sehr begeistert hat,<br />
gucke ich mir auch gerne die filmischen Details an. Anfangs<br />
möchte ich mich aber, wie jeder andere auch, von dem Film<br />
an sich in eine andere Welt entführen und begeistern lassen.<br />
Insgesamt muss ich sagen, dass mich vor allem die Kameraführung,<br />
die Regie und der Schnitt interessieren. Ich finde es<br />
spannend, die gesamte Entstehung eines Filmes mit zu begleiten.<br />
Für die Zukunft denke ich, dass ich mich noch etwas<br />
mehr spezialisieren muss. Allerdings hoffe ich trotzdem,<br />
auch in Zukunft mein Arbeitsgebiet so breit gefächert wie<br />
möglich halten zu können“.<br />
Außenstehende denken oft, die Kinderkrebsstation muss ein unglaublich<br />
trauriger Ort sein. Dass ein unschuldiges Kind Krebs<br />
bekommt, erschüttert unser<br />
Weltbild.<br />
Für diejenigen, die, wie ich,<br />
auf einer Kinderkrebsstation arbeiten,<br />
wird jedoch schnell klar,<br />
dass es trotz der wirklich tragischen<br />
Situation dort auch viel<br />
Spaß gibt. Kinder und Jugendliche<br />
sind sehr belastbar und wol-<br />
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len oft kein Mitleid spüren. Was sie, wie Philipp, vielleicht am<br />
meisten wertschätzen, ist, von den Menschen in ihrer Umgebung<br />
ganz normal behandelt zu werden. Die Krebserkrankung und die<br />
erforderliche aggressive Therapie führen oft zu schwerwiegenden<br />
Beeinträchtigungen, aber dennoch können kreative, ihrem Alter<br />
angemessene Aktivitäten und bisweilen sogar Schularbeiten ein<br />
Stück Normalität in den Krankenhausalltag bringen, so dass das<br />
Leben der jungen Patienten nicht vollständig von der Krankheit<br />
bestimmt wird.<br />
<strong>Philipps</strong> Geschichte zeigt, dass manchmal in einer besonders<br />
schlimmen Situation eigene, ungeahnte Kräfte mobilisiert werden<br />
und wirklich Großartiges entstehen kann. Und wer weiß, vielleicht<br />
führen die Erfahrungen der Monate, die er in diesem engen Raum<br />
verbracht hat, in ein paar Jahren zu neuen Impulsen für kreative<br />
Arbeit, die andere inspirieren wird und Freude bringt.<br />
Welchen Rat würde Philipp denjenigen geben, die gerade erfahren<br />
haben, dass sie eine Krebserkrankung haben und voller<br />
Angst in die Zukunft und auf die Zeit der Behandlung blicken?<br />
„Dass diese Krankheit möglicherweise hätte tödlich enden<br />
können, war mir anfangs gar nicht wirklich bewusst. Vielleicht<br />
wollte ich es auch nicht wissen und habe aus diesem<br />
Grund nicht darüber nachgedacht, sondern eher nach vorne<br />
geblickt. Ich habe generell auch während der Phase im KMT-<br />
Zimmer immer an die Zeit nach der Krankheit gedacht und<br />
mir ausgemalt, wie es wohl sein würde, endlich wieder normal<br />
leben zu können. Normal zu sein, wie die anderen Jugendlichen<br />
in meinem Alter, war das eigentliche Ziel. Und<br />
dass es ein „Nach der Krankheit“ geben würde, war für mich<br />
eigentlich selbstverständlich. Natürlich wurde mir schlagartig<br />
klar, was es heißt, gesund zu sein, und ich lernte das<br />
“gesund sein” als solches viel mehr schätzen, als ich es vorher<br />
tat. Im Nachhinein ist es eine Kombination aus mehreren<br />
Dingen. Auf der einen Seite versuche ich jetzt nicht mehr all<br />
zu häufig daran zu denken. Auf der anderen Seite denke ich<br />
immer wieder daran zurück und achte darauf, das Leben<br />
auch wirklich zu “leben“. Man darf nie aufgeben und muss<br />
sein Ziel immer fest vor Augen haben. Die Zeit im KMT-Zimmer<br />
und das ganze Drumherum sind sehr hart und nicht<br />
leicht, aber mit einem starken Willen kann man alles schaffen.<br />
Zusätzlich ist es immer gut, sich Ziele zu setzen, die man<br />
erreichen will. Man muss etwas haben, wo man drauf hinarbeiten<br />
kann. Dann kann man alles schaffen“.<br />
Links zu <strong>Philipps</strong> Filmen:<br />
„Da wo die Welt in Ordnung ist“ (ausgezeichnet mit dem<br />
Bürgermedienpreis 2011 in der Kategorie Publikumspreis)<br />
http://www.nrwision.de/programm/sendungen/ansehen/2<br />
86828160A01100201AD3B36C8D54D63.html<br />
„Braun auf Weiß“ (Wettbewerbsbeitrag zum 99 Fire-Films<br />
Award 2011 – Platzierung unter denTop 99 von 1.500 Teams)<br />
http://www.myvideo.de/watch/7989032/Braun_auf_<br />
Weiss_99FIRE_FILMS<br />
„Der Koffer des Schicksals“ http://www.youtube.com/<br />
watch?v=eN3F8-UucKU<br />
„Was wäre wenn?“ (Ausgezeichnet mit dem Bürgermedienpreis<br />
in der Kategorie Publikumspreis 2010) http://www.<br />
youtube.com/watch?v=uIhvaNCQXrY<br />
Beitrag zur Meisterfeier des BVB http://www.youtube.<br />
com/watch?v=e98r_6Tiaug<br />
Kontakt:<br />
Wendy Routen-Hardy, Kunsttherapeutin<br />
Klinik IV: Päd. Hämatologie und Onkologie<br />
Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin<br />
Universitätsklinikum Freiburg<br />
wendy.routen-hardy@uniklinik-freiburg.de<br />
Philipp Willam,<br />
philipp_willam@yahoo.de<br />
1/12 DLF H 27