20.03.2014 Aufrufe

Preisgekrönt: Philipps einfallsreiche Filmwelten - Kinderkrebsstiftung

Preisgekrönt: Philipps einfallsreiche Filmwelten - Kinderkrebsstiftung

Preisgekrönt: Philipps einfallsreiche Filmwelten - Kinderkrebsstiftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Psychosoziales<br />

Wendy Routen-Hardy, Philipp Willam<br />

Preisgekrönt:<br />

<strong>Philipps</strong> <strong>einfallsreiche</strong> <strong>Filmwelten</strong><br />

Kreativangebote im Krankenzimmer mobilisieren Energie<br />

Niemand wird jemals den Moment vergessen, als ihm mitgeteilt<br />

wurde, dass er Krebs oder Leukämie hat. Es ist normal, dass die<br />

Erinnerung an bestimmte Details im Leben nach und nach verblasst,<br />

wenn die Monate und Jahre vergehen. So dass sogar unangenehme<br />

Erfahrungen immer undeutlicher werden: wie oft man in<br />

der Klinik war, wie oft Blut abgenommen wurde oder wie es war,<br />

als alle Haare ausgefallen sind. Der Augenblick jedoch, als die Diagnose<br />

mitgeteilt wurde, wird wahrscheinlich für immer im Gedächtnis<br />

eingebrannt bleiben. Statistiken zeigen, dass die Überlebenschancen<br />

für junge Patienten auf über 80 Prozent gestiegen<br />

sind; und doch, mit dem Wort „Krebs“ verbindet man noch immer<br />

so viel Bedrohung wie früher.<br />

2006 gehörte Philipp Willam, damals gerade einmal 13 Jahre<br />

alt, zu den 1.400 bis 1.600 Jugendlichen unter 15 Jahren in Deutschland,<br />

die ohne erkennbaren Grund ganz plötzlich an Krebs erkranken.<br />

Jetzt, im Alter von 18 Jahren, beschreibt er den Tag, der sein<br />

Leben veränderte:<br />

„Ich bin in Witten, im Herzen des<br />

Ruhrgebietes geboren und mein Leben<br />

vor der Diagnose würde ich generell<br />

als „normal“ beschreiben. Es war<br />

das ganz normale Leben eines Jungen.<br />

Ich hatte Schule, war im Theaterverein<br />

und traf mich mit Freunden. Es<br />

war eigentlich ein normaler Wochentag.<br />

Ich hatte Schule und nachmittags<br />

einen Termin bei meinem Kinderarzt. Während der Osterferien<br />

ist auf meinem Oberarm ein großes Hämatom (Bluterguss)<br />

aufgetreten. Generell fühlte ich mich sehr schlapp<br />

und müde. Die Untersuchung beim Arzt sollte Klarheit darüber<br />

bringen, was der Grund dafür war.<br />

Der Kinderarzt nahm mir Blut ab und wir warteten auf das<br />

Ergebnis. Mit den Geräten, welche der Kinderarzt zur Verfügung<br />

hatte, konnte man jedoch keine Blutplättchen mehr in<br />

meinem Blut finden. So wurde mir ein weiteres Mal Blut abgenommen.<br />

Jedoch ließ sich auch diesmal nichts finden. Der<br />

Arzt wurde etwas nervös und ich wurde ins Krankenhaus<br />

weiter geleitet. Dort wurden erneut verschiedene Untersuchungen<br />

gemacht und noch am selben Abend wurde ich in<br />

die Kinderklinik nach Dortmund überwiesen. Ich hatte schon<br />

während der Komplikationen bei der Blutuntersuchung beim<br />

Kinderarzt ein komisches Gefühl. Dieses wurde über den Tag<br />

immer stärker, denn niemand konnte mir sagen, was ich hatte.<br />

Es war eine große Ungewissheit. Das einzige, was fest<br />

stand, war, dass etwas nicht stimmte.“<br />

Die Diagnose lautete MDS. Myelodysplastische Syndrome (MDS)<br />

sind eine Gruppe von Erkrankungen, die die normale Blutzellproduktion<br />

im Knochenmark verändern. Bei den MDS produziert das<br />

Knochenmark abnorme, unreife Blutzellen, so genannte Blasten.<br />

Diese Zellen reifen nur unzureichend aus, so dass sie ihre normale<br />

Funktion nicht erfüllen können. Sie werden häufig schon abgebaut,<br />

bevor sie das Knochenmark verlassen, oder kurz nach dem<br />

Ausschwemmen in den Blutkreislauf. Ohne eine ausreichende<br />

Zahl an normalen, im Knochenmark gebildeten Zellen (rote und<br />

weiße Blutkörperchen, Blutplättchen) ermüden MDS-Patienten<br />

schnell, sind anfälliger für Infektionen oder Blutungen und erleiden<br />

häufig Blutergüsse.<br />

Es gibt mehrere MDS-Typen, so dass die Erkrankung in ihrem<br />

Schweregrad und dem Grad der normalen Zellproduktion variiert.<br />

Die MDS stellen keine Krebserkrankung dar, in ca. 30 Prozent der<br />

Fälle gehen sie jedoch in eine Form der akuten myeloischen Leukämie<br />

über. Sie werden daher als prä-leukämische Erkrankungen<br />

angesehen. Im überwiegenden Teil der Fälle bleiben die Ursachen<br />

eines MDS unbekannt, einige Faktoren scheinen die Entstehung<br />

allerdings zu begünstigen. Ein MDS tritt als Folge von Veränderungen<br />

in einem oder mehreren Genen auf, die normalerweise die<br />

Blutzellentwicklung kontrollieren.<br />

In Abhängigkeit von Typ, Risiko und Patientenalter finden mehrere<br />

Behandlungsoptionen Anwendung. In <strong>Philipps</strong> Fall wurde die<br />

Transplantation von Stammzellen erforderlich. Man unterscheidet<br />

die autologe und die allogene Stammzelltransplantation. Bei der<br />

autologen Form werden dem Patienten eigene Stammzellen aus<br />

dem Knochenmark (KMT) oder mittels Zellseparation aus dem peripheren<br />

Blut (PBSZT) entnommen, und zwar in Remission, d.h. zu<br />

einem Zeitpunkt , an dem das MDS inaktiv ist. Bei der allogenen<br />

Transplantation werden Stammzellen eines Spenders verwendet.<br />

Hier wird zunächst geprüft, ob in der Familie ein geeigneter Spender<br />

gefunden werden kann. In <strong>Philipps</strong> Fall spendete seine damals<br />

10-jährige Schwester Hanna.<br />

Vor der eigentlichen Transplantation erfolgt zur Vorbereitung<br />

eine sogenannte Konditionierung, während der das Knochenmark<br />

des Patienten mittels einer hochdosierten Chemotherapie zerstört<br />

wird. Im Anschluss werden die Stammzellen über einen kurzen,<br />

flexiblen Katheter in eine der großen, herznahen Venen verabreicht.<br />

Die Stammzelltransplantation an sich ist also kein spektakulärer<br />

Vorgang, der Patient erhält lediglich die Infusion einer zellhaltigen<br />

Flüssigkeit. Die folgenden Tage und Wochen sind jedoch<br />

kritisch, denn der Patient, nun ohne eigenes Immunsystem, ist<br />

hochanfällig für Infektionen und ausgedehnte Blutungen. Bei einer<br />

erfolgreichen Transplantation wandern die verabreichten<br />

Stammzellen in das Knochenmark der langen Röhrenknochen des<br />

Patienten, „pflanzen sich ein“ und beginnen, normale Blutzellen<br />

zu bilden. Dies dauert aber einige Zeit. Im Fall eines erfolgreichen<br />

Eingriffs kann die Erholungsphase bis zu einem Jahr in Anspruch<br />

nehmen, bis der Patient wieder ein normales Leben führen kann.<br />

24 1/12 DLF H


Es kann aber auch zu<br />

Komplikationen kommen. Gelegentlich<br />

liegt zwischen dem Patientengewebe und dem transplantierten<br />

Knochenmark zu einem gewissen Grad eine Unverträglichkeit<br />

vor, bei der die neu gebildeten Blutzellen die Körperzellen des<br />

Patienten als fremd erkennen und angreifen. Dieses als GvHD<br />

(Graft-versus-Host-Disease = Transplantat-gegen-Empfänger-<br />

Krankheit) bekannte Phänomen kann sich zu einem chronischen<br />

Zustand entwickeln oder auch lebensbedrohlich werden. Wenn<br />

andererseits der Körper des Patienten das Transplantat abstößt<br />

(Transplantatabstoßung), besteht die einzige Überlebenschance<br />

in einem zweiten oder sogar dritten Transplantationsversuch.<br />

Angesichts einer solch schwerwiegenden Diagnose und eingreifenden<br />

Behandlung ist – nicht überraschend – die klassische<br />

Frage: „Warum ich?“. Auf diese Frage gibt es keine Antwort. So<br />

weiß niemand genau, warum gerade Philipp an einem MDS erkrankte.<br />

Aber er und seine Familie mussten den Tatsachen ins<br />

Auge sehen und irgendwie damit klar kommen.<br />

Erwachsenen Patienten hilft es oft bei der Krankheitsverarbeitung,<br />

einen Sinn in der Erkrankung zu finden. Viele berichten, dass<br />

ihnen durch die Erkrankung bewusst wurde, was ihnen wirklich<br />

wichtig ist im Leben. Oftmals entstehen Pläne für zukünftige Veränderungen.<br />

So kann der Patient auch etwas Positives aus der<br />

Erkrankung mitnehmen und die Krankheit, die „aus dem Nirgendwo“<br />

kam, erscheint ihm nicht einfach zufällig und bedeutungslos.<br />

Jüngere Patienten beschäftigen sich meiner Erfahrung nach<br />

sehr viel weniger mit solchen Fragen. Sie möchten so „normal“<br />

wie möglich bleiben, „normal“ behandelt werden so sein, wie jeder<br />

andere in ihrem Alter. Und sie wollen beschäftigt sein – bisweilen<br />

sogar mit Hausaufgaben. Philipp konzentrierte sich darauf, so<br />

aktiv und so optimistisch wie möglich zu bleiben:<br />

„Ablenkung von der Situation und etwas zu tun, was nichts<br />

mit der Klinik zu tun hatte, war mir sehr wichtig. Ich wollte<br />

Dinge tun, die normal waren und die ich auch hätte machen<br />

können, wenn ich nicht krank gewesen wäre. Natürlich habe<br />

ich auch mit Freunden über das Internet Kontakt gehalten<br />

und gechattet, jedoch habe ich mich dann eher über das Geschehen<br />

in der Schule informiert und wollte wissen, wie das<br />

„normale“ Leben so läuft“.<br />

Aber die endlos langen und angstbesetzten Wochen im KMT-Zimmer<br />

mit den typischen Nebenwirkungen wie Haarausfall, Übelkeit,<br />

Appetitverlust usw. erschwerten das „normal“ bleiben sehr. Aber<br />

Philipp entdeckte während dieser Zeit glücklicherweise eine besondere<br />

Begabung, die wegweisend für seine Zukunftspläne sein<br />

sollte.<br />

Es war keine große Herausforderung, einen so kreativen Patienten<br />

wie Philipp zum Malen zu ermutigen. Spontanes Malen, bei<br />

dem es keine Regeln oder vorbestimmten Ziele gibt, ist eine meiner<br />

bevorzugten Techniken bei der Arbeit mit Kindern; insbesondere<br />

bei Patienten, die eine lange Zeit in der Isolation eines KMT-<br />

Zimmers verbringen müssen, wo sich leicht Tendenzen zu Angst<br />

und Depressionen einschleichen können. Diese Technik erlaubt es<br />

dem Patienten, seine eigenen Themen zu entwickeln:<br />

„Mit den Farben einfach drauf los zu malen, ohne darüber<br />

nachzudenken, hat unglaublich geholfen. Man konnte Dinge<br />

ausprobieren und auch versuchen Gefühle, sowohl Ängste<br />

als auch Hoffungen, zu Papier zu bringen. So konnte ich meine<br />

Situation für einen Augenblick vergessen und auf andere<br />

Gedanken kommen oder schlechte Gefühle loswerden, indem<br />

ich sie mir aus der Seele, auf das Papier malte. Als kleines<br />

Kind habe ich oft mit meiner Oma gebastelt. Zusätzlich<br />

habe ich Theater gespielt und war in einer Tanzgruppe. Es<br />

hat mir schon immer Spaß gemacht etwas Kreatives zu<br />

schaffen. So nutzte ich die Zeit in der Klinik auch, um kreativ<br />

tätig zu werden. Es tat gut, die lange Zeit mit etwas zu überbrücken,<br />

was Spaß macht. Zusätzlich half es, zumindest im<br />

Kopf, die Klinik und die sterile Atmosphäre des KMT-Zimmers<br />

zu verlassen“.<br />

Nachdem wir einige Zeit gemalt hatten, nahm <strong>Philipps</strong> Interesse<br />

ab und es wurde Zeit, neue Ideen einzubringen. Eines Tages diskutierten<br />

wir, dreidimensional zu arbeiten. Also brachte ich Ton mit<br />

in das KMT-Zimmer und wir saßen zusammen, jeder mit einem<br />

Klumpen Ton, und waren gespannt, was daraus werden würde.<br />

Und plötzlich saßen nicht nur Philipp und ich in diesem sterilen<br />

Raum, sondern mit uns ein paar seltsame Besucher, kleine „Karikatur-Figuren“.<br />

Aus meiner Sicht war dies der Punkt, als Philipp<br />

sich von einer eher ruhigen und reservierten Person zu einem humorvollen<br />

Jungen voller Energie entwickelte, der viele Witze<br />

machte und laut lachte. Wir kreierten „Dumb wie Brot“, eine wirklich<br />

schrecklich schlechte Band, aus deren Gesichtern man ablesen<br />

konnte, dass sie weder singen, tanzen noch Musik machen<br />

konnten. Danach wechselten wir zu Knete, um Figuren zu modellieren,<br />

die sich bewegen konnten. Mit der Steigerung der kreativen<br />

Spannung wuchs auch das Selbstbewusstsein, und so entstand<br />

die Idee, einen ganzen Trickfilm zu machen.<br />

1/12 DLF H 25


Psychosoziales<br />

Quelle: Fox Foto Uwe Völkner<br />

Auszeichnung mit dem Bürgermedienpreis am 11.11.2011<br />

„Nachdem wir aus Ton bereits verschiedene Köpfe geformt<br />

hatten, war das Modellieren von ganzen Figuren aus beweglichem<br />

Material eine weitere Steigerung. Es dauerte auch<br />

viel länger, eine Figur fertig zu stellen. Ich konnte mich also<br />

mit einer Figur einen ganzen Tag beschäftigen, sie gestalten<br />

und mir eine “Geschichte” für sie ausdenken. Wo sie her<br />

kam, wie sie hieß und was sie beruflich machte. Dies war<br />

sehr schön, da man so in eine andere Welt gelangte und das<br />

Krankenhaus für einen Moment hinter sich ließ“.<br />

Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich in <strong>Philipps</strong> Zimmer<br />

kam und da eine kleine acht Zentimeter große Figur sah. Sie war<br />

mit einer Präzision und Geduld geformt, die weit über die Fähigkeiten<br />

hinausging, die man von einem Jungen in <strong>Philipps</strong> Alter erwarten<br />

würde. Was er erschaffen hatte, war meiner Meinung nach<br />

vergleichbar mit den bekannten „Wallace and Gromit“ Figuren, die<br />

auch aus Knete geformt wurden. Philipp hatte das Making-Of von<br />

„Wallace and Gromit“ gesehen und sich vorgenommen, in ähnlicher<br />

Art und Weise zu arbeiten. Eine reife Leistung für den damals<br />

Vierzehnjährigen.<br />

Mit den Wochen, die vergingen, tauchten immer neue Figuren<br />

auf und bald konzentrierte sich Philipp darauf, die Kulisse für den<br />

Film mit der gleichen Ausdauer und Aufmerksamkeit zu gestalten<br />

wie die Figuren selbst. Die KMT war erfolgreich verlaufen und die<br />

Zeit, das Film-Projekt fertig zu machen, wurde tatsächlich knapp.<br />

Nach langen Monaten im KMT-Zimmer, in denen wir auf der Suche<br />

nach Möglichkeiten waren, die Zeit herumzukriegen, hatten wir<br />

jetzt plötzlich nicht genug davon!<br />

Nach Wochen intensiver und engagierter Arbeit saßen wir nun<br />

in diesem Zimmer mit vielen wunderschönen Figuren, einer tollen<br />

Kulisse und – dank dem Förderverein für krebskranke Kinder – mit<br />

einer neuen Kamera! Es war schön zu sehen, wie <strong>Philipps</strong> Figuren<br />

nach der wochenlangen Arbeit zum Leben erweckt wurden.<br />

Zu Hause konnte Philipp mit der Hilfe seiner Eltern den Film<br />

fertig stellen. Einige Monate später feierte „Visit to Head Museum“<br />

seine Premiere auf der Station von Pfaundler, begleitet von<br />

der „Badischen Zeitung“.<br />

Nun, beinahe sechs Jahre später, ist Philipp ein normaler gesunder<br />

Teenager. Und während MDS für ihn nun wirklich der Vergangenheit<br />

angehört, hat ihn die Leidenschaft, die er während<br />

seines Klinikaufenthaltes für das Filme machen entdeckte, seither<br />

begleitet.<br />

Ohne den verzweifelten Wunsch, den kalten und sterilen Bedingungen<br />

des KMT-Zimmers zu entkommen, hätte Philipp jemals so<br />

viel Zeit und Ausdauer darauf verwendet, diese kleinen Knetfiguren<br />

zu formen und die Materialien, mit denen er arbeitete, so gut<br />

zu beherrschen?<br />

Dieser junge und entschlossene Teenager verließ die Klinik mit<br />

dem Glauben an seine Fähigkeit, neue und spannende Dinge gestalten<br />

zu können!<br />

„In Filmen ist alles möglich und diese Tatsache macht es so<br />

spannend. Egal was man sich erträumt, was man fürchtet,<br />

alles kann im Film wahr werden. Selbst neue Dinge und ganze<br />

Welten kann man erschaffen und somit nicht nur für sich<br />

selber, sondern auch für die Zuschauer neue Welten eröffnen.<br />

Diese “Traumwelten” zu erschaffen macht unheimlich Spaß.<br />

Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt und man kann<br />

sich völlig “austoben”.<br />

Seit Philipp aus der Klinik entlassen wurde, hat er mehr als 20 Filme<br />

gemacht, zwei mit Knetfiguren, die restlichen im Rahmen von<br />

Schulprojekten mit seinen Freunden Tom und Florian. Er hat ein<br />

sechsmonatiges Praktikum bei RTL gemacht und an fünf Filmwettbewerben<br />

teilgenommen, wobei er, zusammen mit seinen beiden<br />

Freunden, für den Kurzfilm „Da wo die Welt in Ordnung ist“ mit<br />

dem ersten Preis ausgezeichnet wurde. Es überrascht nicht, dass<br />

Philipp auch für seine Zukunft kreative Pläne hat:<br />

„Im Moment bin ich dabei, mich an verschiedenen Filmhochschulen<br />

zu bewerben, um dann hoffentlich Ende des Jahres<br />

mit dem Studium zu beginnen. Allerdings gibt es verschiedene<br />

Aufgaben und Aufnahmeprüfungen, welche man bestehen<br />

muss, um zum Studium zugelassen zu werden. Die<br />

nächsten Monate werden daher anstrengend und spannend.<br />

Wenn alles wie geplant klappt, kann ich zum Wintersemester<br />

mit dem Studiengang “Film” starten“.<br />

Durch seine Erfahrungen schaut Philipp heute Filme auch aus einem<br />

anderen Blickwinkel an:<br />

„Wenn ich mir einen Film ansehe, versuche ich mich auf diesen<br />

einzulassen und die Technischen Details auszublenden.<br />

Erst im Nachhinein, wenn mich ein Film sehr begeistert hat,<br />

gucke ich mir auch gerne die filmischen Details an. Anfangs<br />

möchte ich mich aber, wie jeder andere auch, von dem Film<br />

an sich in eine andere Welt entführen und begeistern lassen.<br />

Insgesamt muss ich sagen, dass mich vor allem die Kameraführung,<br />

die Regie und der Schnitt interessieren. Ich finde es<br />

spannend, die gesamte Entstehung eines Filmes mit zu begleiten.<br />

Für die Zukunft denke ich, dass ich mich noch etwas<br />

mehr spezialisieren muss. Allerdings hoffe ich trotzdem,<br />

auch in Zukunft mein Arbeitsgebiet so breit gefächert wie<br />

möglich halten zu können“.<br />

Außenstehende denken oft, die Kinderkrebsstation muss ein unglaublich<br />

trauriger Ort sein. Dass ein unschuldiges Kind Krebs<br />

bekommt, erschüttert unser<br />

Weltbild.<br />

Für diejenigen, die, wie ich,<br />

auf einer Kinderkrebsstation arbeiten,<br />

wird jedoch schnell klar,<br />

dass es trotz der wirklich tragischen<br />

Situation dort auch viel<br />

Spaß gibt. Kinder und Jugendliche<br />

sind sehr belastbar und wol-<br />

26 1/12 DLF H


len oft kein Mitleid spüren. Was sie, wie Philipp, vielleicht am<br />

meisten wertschätzen, ist, von den Menschen in ihrer Umgebung<br />

ganz normal behandelt zu werden. Die Krebserkrankung und die<br />

erforderliche aggressive Therapie führen oft zu schwerwiegenden<br />

Beeinträchtigungen, aber dennoch können kreative, ihrem Alter<br />

angemessene Aktivitäten und bisweilen sogar Schularbeiten ein<br />

Stück Normalität in den Krankenhausalltag bringen, so dass das<br />

Leben der jungen Patienten nicht vollständig von der Krankheit<br />

bestimmt wird.<br />

<strong>Philipps</strong> Geschichte zeigt, dass manchmal in einer besonders<br />

schlimmen Situation eigene, ungeahnte Kräfte mobilisiert werden<br />

und wirklich Großartiges entstehen kann. Und wer weiß, vielleicht<br />

führen die Erfahrungen der Monate, die er in diesem engen Raum<br />

verbracht hat, in ein paar Jahren zu neuen Impulsen für kreative<br />

Arbeit, die andere inspirieren wird und Freude bringt.<br />

Welchen Rat würde Philipp denjenigen geben, die gerade erfahren<br />

haben, dass sie eine Krebserkrankung haben und voller<br />

Angst in die Zukunft und auf die Zeit der Behandlung blicken?<br />

„Dass diese Krankheit möglicherweise hätte tödlich enden<br />

können, war mir anfangs gar nicht wirklich bewusst. Vielleicht<br />

wollte ich es auch nicht wissen und habe aus diesem<br />

Grund nicht darüber nachgedacht, sondern eher nach vorne<br />

geblickt. Ich habe generell auch während der Phase im KMT-<br />

Zimmer immer an die Zeit nach der Krankheit gedacht und<br />

mir ausgemalt, wie es wohl sein würde, endlich wieder normal<br />

leben zu können. Normal zu sein, wie die anderen Jugendlichen<br />

in meinem Alter, war das eigentliche Ziel. Und<br />

dass es ein „Nach der Krankheit“ geben würde, war für mich<br />

eigentlich selbstverständlich. Natürlich wurde mir schlagartig<br />

klar, was es heißt, gesund zu sein, und ich lernte das<br />

“gesund sein” als solches viel mehr schätzen, als ich es vorher<br />

tat. Im Nachhinein ist es eine Kombination aus mehreren<br />

Dingen. Auf der einen Seite versuche ich jetzt nicht mehr all<br />

zu häufig daran zu denken. Auf der anderen Seite denke ich<br />

immer wieder daran zurück und achte darauf, das Leben<br />

auch wirklich zu “leben“. Man darf nie aufgeben und muss<br />

sein Ziel immer fest vor Augen haben. Die Zeit im KMT-Zimmer<br />

und das ganze Drumherum sind sehr hart und nicht<br />

leicht, aber mit einem starken Willen kann man alles schaffen.<br />

Zusätzlich ist es immer gut, sich Ziele zu setzen, die man<br />

erreichen will. Man muss etwas haben, wo man drauf hinarbeiten<br />

kann. Dann kann man alles schaffen“.<br />

Links zu <strong>Philipps</strong> Filmen:<br />

„Da wo die Welt in Ordnung ist“ (ausgezeichnet mit dem<br />

Bürgermedienpreis 2011 in der Kategorie Publikumspreis)<br />

http://www.nrwision.de/programm/sendungen/ansehen/2<br />

86828160A01100201AD3B36C8D54D63.html<br />

„Braun auf Weiß“ (Wettbewerbsbeitrag zum 99 Fire-Films<br />

Award 2011 – Platzierung unter denTop 99 von 1.500 Teams)<br />

http://www.myvideo.de/watch/7989032/Braun_auf_<br />

Weiss_99FIRE_FILMS<br />

„Der Koffer des Schicksals“ http://www.youtube.com/<br />

watch?v=eN3F8-UucKU<br />

„Was wäre wenn?“ (Ausgezeichnet mit dem Bürgermedienpreis<br />

in der Kategorie Publikumspreis 2010) http://www.<br />

youtube.com/watch?v=uIhvaNCQXrY<br />

Beitrag zur Meisterfeier des BVB http://www.youtube.<br />

com/watch?v=e98r_6Tiaug<br />

Kontakt:<br />

Wendy Routen-Hardy, Kunsttherapeutin<br />

Klinik IV: Päd. Hämatologie und Onkologie<br />

Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin<br />

Universitätsklinikum Freiburg<br />

wendy.routen-hardy@uniklinik-freiburg.de<br />

Philipp Willam,<br />

philipp_willam@yahoo.de<br />

1/12 DLF H 27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!