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N - Die Kirchengemeinden in HELSA

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8<br />

Quelle: Der Geme<strong>in</strong>debrief<br />

Vorurteil<br />

Das Orig<strong>in</strong>al<br />

überliefert von Klaus Nagorni<br />

In e<strong>in</strong>er Stadt <strong>in</strong> Süddeutschland geht e<strong>in</strong>e<br />

Frau um die Mittagszeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kaufhausrestaurant.<br />

Sie hat Hunger und kauft sich<br />

e<strong>in</strong>e Gulaschsuppe. Sie stellt die Suppe auf<br />

e<strong>in</strong>en Tisch und hängt ihre Handtasche<br />

darunter. Dann holt sie noch e<strong>in</strong>en Löffel.<br />

Als sie zu der Suppe zurückkommt, steht<br />

e<strong>in</strong> Afrikaner dort und löffelt die Suppe<br />

aus.<br />

Erst kriegt die Frau e<strong>in</strong>en Schreck. Aber<br />

dann fasst sie sich e<strong>in</strong> Herz und löffelt mit<br />

ihm zusammen aus der Terr<strong>in</strong>e. Freundlich<br />

lächelt der Afrikaner zurück. Nach der geme<strong>in</strong>samen<br />

Mahlzeit spendiert ihr der junge<br />

Mann noch e<strong>in</strong>en Kaffee, dann verabschiedet<br />

er sich höflich. Das waren die<br />

e<strong>in</strong>zigen Worte, die zwischen den beiden<br />

fielen.<br />

Als die Frau gehen will, greift sie nach<br />

ihrer Handtasche. <strong>Die</strong> aber fehlt. Also<br />

doch e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>er Schuft, denkt sie. Der<br />

Fremde ist jedoch schon verschwunden.<br />

Hilflos blickt die Frau sich um. Da sieht<br />

sie am Nachbartisch e<strong>in</strong>e unangerührte<br />

Terr<strong>in</strong>e Gulaschsuppe und darunter ihre<br />

Handtasche.<br />

So weit die Zeitungsnotiz. Auf knappem<br />

Raum schildert sie, wie sich das Bild, das<br />

sich die Frau von ihrem Gegenüber gemacht<br />

hat, verändert. Da ist zunächst ihr<br />

E<strong>in</strong>druck, dass die Suppe, die sie sich als<br />

Mittagessen bestellt hatte, von e<strong>in</strong>em<br />

Fremden, e<strong>in</strong>em Afrikaner, ausgelöffelt<br />

wird. Das ist merkwürdig genug. Aber mit<br />

dem Bild vom guten Schwarzen kann sie<br />

sich offensichtlich relativ schnell arrangieren.<br />

Es handelt sich um e<strong>in</strong>e weitherzige<br />

und tolerante Frau.<br />

Dann aber, als die Tasche weg ist, erschrickt<br />

sie. Es war offenbar e<strong>in</strong> freundliches,<br />

aber zu schnell gefasstes Vorurteil:<br />

das Bild vom guten Schwarzen. Es wird<br />

ersetzt durch das gängige Schema, dass<br />

der freundliche Fremde im Grunde doch<br />

nur e<strong>in</strong> gerissener Betrüger ist.<br />

Schließlich die Po<strong>in</strong>te der Geschichte:<br />

Nicht der Fremde hat ihre Mahlzeit aufgegessen,<br />

sondern sie die se<strong>in</strong>e. <strong>Die</strong> Verwechslung<br />

der Tische geht zu ihren Lasten.<br />

Nicht sie war die Großzügige, Tolerante,<br />

die dem Schwarzen e<strong>in</strong>en Teil ihres<br />

Essens überlassen hatte, sondern sie selbst<br />

war die E<strong>in</strong>geladene.<br />

<strong>Die</strong> Kirchenmaus ...<br />

... und der Poltergeist<br />

Guten Tag. Er<strong>in</strong>nern Sie sich an Christo?<br />

Ich me<strong>in</strong>e den, der den Reichstag <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />

verpackte?<br />

Me<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> war <strong>in</strong> der Kirche: die Empore<br />

mit Gerüst und sanft geschwungenen<br />

weißen Tüchern. Von der Decke bis zum<br />

Geländer. Zwar als Staubschutz gedacht,<br />

aber elegant – wie der Reichstag eben!<br />

Außerdem die ideale Sportarena für e<strong>in</strong>e<br />

Kirchenmaus. H<strong>in</strong>auf gespurtet und herunter<br />

gesaust. Schussfahrt<br />

<strong>in</strong> der Kirche – Ski<br />

heil! Um me<strong>in</strong>e<br />

sportlich-elegante<br />

Figur muss ich<br />

nicht bangen!<br />

Bangen muss ich<br />

auch nicht um Abwechslung<br />

<strong>in</strong> der<br />

Kirche. Sie ist renoviert<br />

und doch wird<br />

gewerkelt. Sie ist<br />

gestrichen und<br />

doch wandert<br />

das<br />

Gerüst – von l<strong>in</strong>ks nach rechts, von rechts<br />

nach vorn. Immer gibt es etwas zu entdecken.<br />

Als, zum Beispiel, die Handwerker den<br />

Putz neben der E<strong>in</strong>gangstür abkratzten,<br />

polterten zwei Konsolen zu Boden. Mich<br />

packte das blanke Entsetzen, stützten doch<br />

die Konsolen die Empore mit der schönen,<br />

schweren Orgel. Gleich würde die Empore<br />

samt Orgel e<strong>in</strong>stürzen. Und die Handwerker<br />

darunter...! E<strong>in</strong>e Katastrophe <strong>in</strong> der<br />

Kirche von Helsa bahnte sich an. Me<strong>in</strong><br />

Herz stockte, ich rang nach Luft! - Doch<br />

nichts geschah. Vom Blumenschnuppern<br />

auf dem Altar sauste ich zum E<strong>in</strong>gang.<br />

Und siehe da, die verme<strong>in</strong>tlichen Stützen<br />

waren Atrappen. Nur fünf Zentimeter tief<br />

hatten sie <strong>in</strong> der Wand gesteckt. E<strong>in</strong><br />

Scherz der Bauleute oder – Lebense<strong>in</strong>stellung?<br />

Mehr sche<strong>in</strong>en als se<strong>in</strong>, hatten<br />

die Vorfahren der Heutigen wohl<br />

geme<strong>in</strong>t – wie bei den unechten Fugen<br />

an<br />

den Säulen. Lug und Trug<br />

<strong>in</strong> der Kirche???<br />

Wie auch immer,<br />

aus e<strong>in</strong>em<br />

der fünf Zentimeter<br />

tiefen<br />

Löcher purzelte<br />

e<strong>in</strong>e Fünferpackung<br />

„Eckste<strong>in</strong>“, leer<br />

natürlich. <strong>Die</strong><br />

Glimmstängel<br />

wollte der Maurer<br />

der Kirche<br />

nicht opfern.<br />

Wozu auch? Ich mag sie nicht rauchen.<br />

Stellen Sie sich vor, ich wäre ahnungslos<br />

unter den Atrappenkonsolen lustgewandelt,<br />

sie hätten sich vorzeitig gelöst und<br />

wären heruntergepoltert. Platt wie die<br />

Holzmaus, me<strong>in</strong> Klon, könnte ich Ihnen<br />

nichts von Lug und Trug <strong>in</strong> der Kirche<br />

erzählen.<br />

Ist noch e<strong>in</strong>mal gutgegangen – oder, wie<br />

die frommen Kirchgänger sagen, ich<br />

wurde bewahrt.<br />

Grüß Gott, die kle<strong>in</strong>e Kirchenmaus<br />

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