N - Die Kirchengemeinden in HELSA
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Quelle: Der Geme<strong>in</strong>debrief<br />
Vorurteil<br />
Das Orig<strong>in</strong>al<br />
überliefert von Klaus Nagorni<br />
In e<strong>in</strong>er Stadt <strong>in</strong> Süddeutschland geht e<strong>in</strong>e<br />
Frau um die Mittagszeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Kaufhausrestaurant.<br />
Sie hat Hunger und kauft sich<br />
e<strong>in</strong>e Gulaschsuppe. Sie stellt die Suppe auf<br />
e<strong>in</strong>en Tisch und hängt ihre Handtasche<br />
darunter. Dann holt sie noch e<strong>in</strong>en Löffel.<br />
Als sie zu der Suppe zurückkommt, steht<br />
e<strong>in</strong> Afrikaner dort und löffelt die Suppe<br />
aus.<br />
Erst kriegt die Frau e<strong>in</strong>en Schreck. Aber<br />
dann fasst sie sich e<strong>in</strong> Herz und löffelt mit<br />
ihm zusammen aus der Terr<strong>in</strong>e. Freundlich<br />
lächelt der Afrikaner zurück. Nach der geme<strong>in</strong>samen<br />
Mahlzeit spendiert ihr der junge<br />
Mann noch e<strong>in</strong>en Kaffee, dann verabschiedet<br />
er sich höflich. Das waren die<br />
e<strong>in</strong>zigen Worte, die zwischen den beiden<br />
fielen.<br />
Als die Frau gehen will, greift sie nach<br />
ihrer Handtasche. <strong>Die</strong> aber fehlt. Also<br />
doch e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>er Schuft, denkt sie. Der<br />
Fremde ist jedoch schon verschwunden.<br />
Hilflos blickt die Frau sich um. Da sieht<br />
sie am Nachbartisch e<strong>in</strong>e unangerührte<br />
Terr<strong>in</strong>e Gulaschsuppe und darunter ihre<br />
Handtasche.<br />
So weit die Zeitungsnotiz. Auf knappem<br />
Raum schildert sie, wie sich das Bild, das<br />
sich die Frau von ihrem Gegenüber gemacht<br />
hat, verändert. Da ist zunächst ihr<br />
E<strong>in</strong>druck, dass die Suppe, die sie sich als<br />
Mittagessen bestellt hatte, von e<strong>in</strong>em<br />
Fremden, e<strong>in</strong>em Afrikaner, ausgelöffelt<br />
wird. Das ist merkwürdig genug. Aber mit<br />
dem Bild vom guten Schwarzen kann sie<br />
sich offensichtlich relativ schnell arrangieren.<br />
Es handelt sich um e<strong>in</strong>e weitherzige<br />
und tolerante Frau.<br />
Dann aber, als die Tasche weg ist, erschrickt<br />
sie. Es war offenbar e<strong>in</strong> freundliches,<br />
aber zu schnell gefasstes Vorurteil:<br />
das Bild vom guten Schwarzen. Es wird<br />
ersetzt durch das gängige Schema, dass<br />
der freundliche Fremde im Grunde doch<br />
nur e<strong>in</strong> gerissener Betrüger ist.<br />
Schließlich die Po<strong>in</strong>te der Geschichte:<br />
Nicht der Fremde hat ihre Mahlzeit aufgegessen,<br />
sondern sie die se<strong>in</strong>e. <strong>Die</strong> Verwechslung<br />
der Tische geht zu ihren Lasten.<br />
Nicht sie war die Großzügige, Tolerante,<br />
die dem Schwarzen e<strong>in</strong>en Teil ihres<br />
Essens überlassen hatte, sondern sie selbst<br />
war die E<strong>in</strong>geladene.<br />
<strong>Die</strong> Kirchenmaus ...<br />
... und der Poltergeist<br />
Guten Tag. Er<strong>in</strong>nern Sie sich an Christo?<br />
Ich me<strong>in</strong>e den, der den Reichstag <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
verpackte?<br />
Me<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> war <strong>in</strong> der Kirche: die Empore<br />
mit Gerüst und sanft geschwungenen<br />
weißen Tüchern. Von der Decke bis zum<br />
Geländer. Zwar als Staubschutz gedacht,<br />
aber elegant – wie der Reichstag eben!<br />
Außerdem die ideale Sportarena für e<strong>in</strong>e<br />
Kirchenmaus. H<strong>in</strong>auf gespurtet und herunter<br />
gesaust. Schussfahrt<br />
<strong>in</strong> der Kirche – Ski<br />
heil! Um me<strong>in</strong>e<br />
sportlich-elegante<br />
Figur muss ich<br />
nicht bangen!<br />
Bangen muss ich<br />
auch nicht um Abwechslung<br />
<strong>in</strong> der<br />
Kirche. Sie ist renoviert<br />
und doch wird<br />
gewerkelt. Sie ist<br />
gestrichen und<br />
doch wandert<br />
das<br />
Gerüst – von l<strong>in</strong>ks nach rechts, von rechts<br />
nach vorn. Immer gibt es etwas zu entdecken.<br />
Als, zum Beispiel, die Handwerker den<br />
Putz neben der E<strong>in</strong>gangstür abkratzten,<br />
polterten zwei Konsolen zu Boden. Mich<br />
packte das blanke Entsetzen, stützten doch<br />
die Konsolen die Empore mit der schönen,<br />
schweren Orgel. Gleich würde die Empore<br />
samt Orgel e<strong>in</strong>stürzen. Und die Handwerker<br />
darunter...! E<strong>in</strong>e Katastrophe <strong>in</strong> der<br />
Kirche von Helsa bahnte sich an. Me<strong>in</strong><br />
Herz stockte, ich rang nach Luft! - Doch<br />
nichts geschah. Vom Blumenschnuppern<br />
auf dem Altar sauste ich zum E<strong>in</strong>gang.<br />
Und siehe da, die verme<strong>in</strong>tlichen Stützen<br />
waren Atrappen. Nur fünf Zentimeter tief<br />
hatten sie <strong>in</strong> der Wand gesteckt. E<strong>in</strong><br />
Scherz der Bauleute oder – Lebense<strong>in</strong>stellung?<br />
Mehr sche<strong>in</strong>en als se<strong>in</strong>, hatten<br />
die Vorfahren der Heutigen wohl<br />
geme<strong>in</strong>t – wie bei den unechten Fugen<br />
an<br />
den Säulen. Lug und Trug<br />
<strong>in</strong> der Kirche???<br />
Wie auch immer,<br />
aus e<strong>in</strong>em<br />
der fünf Zentimeter<br />
tiefen<br />
Löcher purzelte<br />
e<strong>in</strong>e Fünferpackung<br />
„Eckste<strong>in</strong>“, leer<br />
natürlich. <strong>Die</strong><br />
Glimmstängel<br />
wollte der Maurer<br />
der Kirche<br />
nicht opfern.<br />
Wozu auch? Ich mag sie nicht rauchen.<br />
Stellen Sie sich vor, ich wäre ahnungslos<br />
unter den Atrappenkonsolen lustgewandelt,<br />
sie hätten sich vorzeitig gelöst und<br />
wären heruntergepoltert. Platt wie die<br />
Holzmaus, me<strong>in</strong> Klon, könnte ich Ihnen<br />
nichts von Lug und Trug <strong>in</strong> der Kirche<br />
erzählen.<br />
Ist noch e<strong>in</strong>mal gutgegangen – oder, wie<br />
die frommen Kirchgänger sagen, ich<br />
wurde bewahrt.<br />
Grüß Gott, die kle<strong>in</strong>e Kirchenmaus<br />
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