Gemeindebrief - Evangelischer Kirchenkreis Aachen
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ANGEDACHT<br />
oder um Gottes willen? Oder hat er es nicht vielmehr getan, um vor<br />
Gott gut dazustehen, also aus Selbstliebe? Was ist der Antrieb meines<br />
Handelns, fragte sich der junge Mönch. Und jeder, der sich diese Frage<br />
schon einmal selber gestellt hat, weiß, dass sie nicht zu beantworten ist,<br />
weil bei jedem Handeln viele Motivationen zusammenkommen. Und so<br />
bleibt die Angst in Martin zusammen mit der Frage, ob sein Leben denn<br />
gerechtfertigt sei . Später hat er diese verzweifelte Situation einem Lied<br />
einmal so dargestellt:<br />
Dem Teufel ich gefangen lag, /im Tod war ich verloren, / mein Sünd mich<br />
quälte Nacht und Tag, / darin ich war geboren. / Ich fiel auch immer tiefer<br />
drein, / es war kein Guts am Leben mein, / die Sünd hatt’ mich besessen.<br />
Mein guten Werk, die galten nicht, / es war mit ihn’ verdorben; / der frei<br />
Will hasste Gotts Gericht, / er war zum Gutn erstorben; / die Angst mich<br />
zu verzweifeln trieb, / dass nichts denn Sterben bei mir blieb, / zur Höllen<br />
musst ich sinken. [EG 341, 2-3]<br />
Einen weisen Beichtvater hatte Luther in seinem Ordensoberen Staupitz.<br />
Der wies Luther an, auf den gekreuzigten zu schauen und als theologischer<br />
Lehrer die Heilige Schrift auszulegen. In der Betrachtung des<br />
Gekreuzigten und in der Lektüre der Bibel entdeckte Luther den Paulus<br />
neu und fand Antwort auf seine bedrängenden Fragen. Ihn ängstete das<br />
Gericht, das über ihn gehalten wird und in dem er, nach Lage der Dinge,<br />
nur mit einer Verurteilung rechnen konnte. In Jesus Christus erblickte<br />
er nun einen, der im Gericht verurteilt wurde, der genau das erlitten<br />
hat, was er, Martin, fürchtete. Gott hatte Jesus verlassen, hatte seine<br />
Hand von ihm abgezogen. Deshalb schreit Christus am Kreuz mit den<br />
Worten des 22. Psalms: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich<br />
verlassen?“ Das und nichts anders bedeutet gerichtet werden. Denn wer<br />
von Gott verlassen ist, der vergeht, der stürzt in ein bodenloses Nichts.<br />
Aber warum er? Warum gerade Jesus von Nazareth, der im Gegensatz<br />
zu Martin vollkommen frei war von Schuld gegenüber Gott? Mit Paulus<br />
fand Luther die Antwort: Es war nicht seine eigene Sünde, um derentwillen<br />
Gott seinen Sohn bestraft hat, sondern es war – meine. Die wurde<br />
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