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Vorlesung Kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik - Klinik und ...

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<strong>Vorlesung</strong><br />

<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>jugendpsychiatrische</strong><br />

<strong>Diagnostik</strong> <strong>und</strong><br />

Klassifikation<br />

<strong>Klinik</strong> für <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie, Psychosomatik <strong>und</strong><br />

Psychotherapie, Pettenkoferstr. 8a, 80336 München<br />

http://www.kjp.med.uni-muenchen.de<br />

1


a13<br />

Literatur<br />

• Steinhausen HC. Psychische Störungen bei<br />

<strong>Kinder</strong>n <strong>und</strong> Jugendlichen. Lehrbuch der<br />

<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie <strong>und</strong><br />

-psychotherapie (6. Auflage). München:<br />

Elsevier, Urban & Fischer, 2006.<br />

• Remschmidt H, Quaschner K, Theisen FM<br />

(Hrsg.). <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie. Eine<br />

praktische Einführung (5., aktualisierte<br />

Auflage). Stuttgart: Thieme, 2008.<br />

2


Folie 2<br />

a13<br />

Wichtigste Themen: fettgedruckt<br />

aallgaie; 16.04.2008


<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>jugendpsychiatrische</strong><br />

<strong>Diagnostik</strong><br />

3


Untersuchung eines Kindes<br />

• Begrüßung<br />

• Kontaktaufnahme<br />

• Erklärung: was kommt<br />

• Kleine Schritte<br />

• Rückmeldung<br />

• „Du kannst es“<br />

4


<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>jugendpsychiatrische</strong><br />

<strong>Diagnostik</strong>: Bestandteile<br />

• Anamnese<br />

• Körperliche Untersuchung<br />

• Neurologische Untersuchung<br />

• Psychischer / psychopathologischer Bef<strong>und</strong><br />

• Psychologische <strong>Diagnostik</strong><br />

• Familiendiagnostik<br />

• Apparative Untersuchungen <strong>und</strong> Labordiagnostik<br />

5


Anamnese<br />

6


Anamnese: Gliederung<br />

• Vorstellungsanlass <strong>und</strong> Aufnahmemodus<br />

• Eigenanamnese<br />

• Familienanamnese<br />

7


Vorstellungsanlass<br />

<strong>und</strong> Aufnahmemodus<br />

• Tag, Zeit, Begleitung, einweisender<br />

Arzt, Zuweisungsgr<strong>und</strong><br />

• Aktuelle Symptomatik: Beginn, situativer<br />

Kontext, Intensität, Maßnahmen,<br />

Verlauf, Exazerbation<br />

8


Eigenanamnese I<br />

• Entwicklung<br />

◦ Schwangerschaftsverlauf, Geburt, Neugeborenenperiode,<br />

Säuglings- <strong>und</strong> Kleinkindentwicklung, Entwicklung in<br />

Vorschulalter / Schulalter / Adoleszenz<br />

• Schule <strong>und</strong> Beruf<br />

◦ Einschulung, Schulstand, Leistungen, Schularbeitssituation,<br />

Berufspläne, Ausbildung in Lehre <strong>und</strong> Beruf<br />

• Soziale Situation<br />

◦ Fre<strong>und</strong>schaftsbeziehungen, soziale Stellung in der<br />

Gleichaltrigengruppe, Interaktionen <strong>und</strong> Aktivitäten<br />

außerhalb der Familie, soziale Auffälligkeiten,<br />

Freizeitunternehmungen<br />

9


Eigenanamnese II<br />

• Sexualität<br />

◦ Sexueller Entwicklungsstand, Einstellung zur<br />

Sexualität, sexuelle Aktivitäten<br />

• Frühere Krankheiten<br />

◦ Beginn, Maßnahmen <strong>und</strong> Verlauf<br />

• Primärpersönlichkeit, Hobbys <strong>und</strong><br />

Interessen<br />

11


Eigenanamnese III<br />

• Genussmittel, Drogen <strong>und</strong> Medikamente<br />

◦ Koffein, Nikotin, Alkohol, Rauschmittel <strong>und</strong><br />

Arzneimittel: Art, Dosis, Frequenz <strong>und</strong> Dauer<br />

der Einnahme<br />

• Familiendynamik<br />

◦ Beziehungen des Patienten zu den übrigen<br />

Familienmitgliedern, Interaktionen <strong>und</strong> Aktivitäten<br />

innerhalb der Familie<br />

12


Familienanamnese I<br />

• Standardangaben zu den Verwandten<br />

(Eltern, Geschwister, ggf. Großeltern):<br />

◦ Alter<br />

◦ Krankheiten (Fehlbildungen, chronische<br />

Krankheiten, psychische Auffälligkeiten,<br />

psychiatrische Krankheiten,<br />

<strong>Klinik</strong>aufenthalte)<br />

◦ Soziale Stellung <strong>und</strong> Beruf<br />

13


Familienanamnese II<br />

• Persönlichkeit <strong>und</strong> Entwicklung der Eltern<br />

<strong>und</strong> Geschwister, Geschwisterkonstellation<br />

• Sozioökonomische Lage der Familie<br />

• Gesprächseindruck von den Eltern bzw. der<br />

Begleitperson<br />

14


Beispiel<br />

Krebserkrankung<br />

RR<br />

RR<br />

RR<br />

10 18<br />

Kopfschmerzen<br />

15


Körperliche Untersuchung<br />

16


Körperliche Untersuchung<br />

• Inspektion, Gesamteindruck<br />

• Größe, Gewicht Somatogramm<br />

• Pubertätsstadium<br />

• Blutdruck, Sehvermögen, Gehör<br />

• Bei Bedarf internistischer Bef<strong>und</strong><br />

17


Neurologische Untersuchung<br />

19


Neurologische Untersuchung<br />

• Motorische Funktionen,<br />

Bewegungskoordination,<br />

• Kopfumfang: Makro-, Mikrozephalie<br />

• Hirnnerven<br />

• Reflexe<br />

• Muskeltonus<br />

• Grobe Kraft<br />

• Sensibilität<br />

20


Psychischer /<br />

psychopathologischer Bef<strong>und</strong><br />

21


Psychischer Bef<strong>und</strong>:<br />

Untersuchungsmethoden<br />

• Exploration<br />

• Verhaltensbeobachtung<br />

• Strukturierte Interviews<br />

• Fragebogenmethoden <strong>und</strong> Skalen<br />

22


Psychischer Bef<strong>und</strong>:<br />

zu prüfende psychische Funktionen<br />

• Äußerliches Erscheinungsbild<br />

• Kontakt- <strong>und</strong> Beziehungsfähigkeit<br />

• Emotionen<br />

• Denkinhalte<br />

• Kognitive Funktionen<br />

• Sprache<br />

• Motorik<br />

• Soziale Interaktion<br />

• Andere Bef<strong>und</strong>e<br />

23


Psychischer Bef<strong>und</strong> I<br />

• Äußerliches Erscheinungsbild<br />

◦ Attraktivität, Größe, Gewicht, Reife,<br />

Fehlbildungen, Minor-Anomalien, erworbene<br />

körperliche Entstellungen, Kleidung, Sauberkeit<br />

• Kontakt- <strong>und</strong> Beziehungsfähigkeit<br />

◦ Abhängigkeit von der Begleitperson, Aufnahme<br />

der Beziehung zum Untersucher, Rapport,<br />

Selbstsicherheit, Kooperation<br />

• Emotionen<br />

◦ Stimmung, Affekte, Angst, psychomotorischer<br />

Ausdruck<br />

24


Psychischer Bef<strong>und</strong> II<br />

• Denkinhalte<br />

◦ Ängste, Befürchtungen, Phantasien, Träume,<br />

Denkstörungen, Selbstkonzept, Identität<br />

• Kognitive Funktionen<br />

◦ Aufmerksamkeitssteuerung, Orientierung,<br />

Auffassung, Wahrnehmung, Gedächtnis <strong>und</strong><br />

Merkfähigkeit, allgemeine Intelligenz<br />

• Sprache<br />

◦ Umgang, Intonation, Artikulation, Vokabular,<br />

Komplexität, Sprachverständnis, Gesten<br />

25


Psychischer Bef<strong>und</strong> III<br />

• Motorik<br />

◦ Antrieb <strong>und</strong> Aktivität, qualitative Auffälligkeiten:<br />

z.B. Tics, Stereotypien, Automutilation, Jaktationen<br />

• Soziale Interaktion<br />

◦ Position / Beziehungen innerhalb von Familie /<br />

Schulklasse / Gleichaltrigengruppe / Fre<strong>und</strong>eskreis<br />

• Andere Bef<strong>und</strong>e<br />

◦ Oppositionell-dissoziales Verhalten, Zwang<br />

◦ Essverhalten, körperliche Beschwerden,<br />

Substanzmissbrauch, Suizidalität, Sexualität<br />

26


Psychologische <strong>Diagnostik</strong><br />

27


Psychologische <strong>Diagnostik</strong>: Ablauf<br />

• Untersuchungsanlass<br />

• Fragestellung<br />

• Auswahl der Verfahren<br />

• Durchführung<br />

• Auswertung<br />

• Beurteilung der Ergebnisse, diagnostische<br />

Schlussfolgerungen<br />

• Integration aller vorhandenen Bef<strong>und</strong>e<br />

• Ableitung weiterführender Maßnahmen<br />

a9<br />

28


Folie 28<br />

a9<br />

zusätzlich erforderliche <strong>Diagnostik</strong>, Beratung <strong>und</strong> Therapie; Behandlungsplan<br />

aallgaie; 12.04.2008


Psychologische <strong>Diagnostik</strong>:<br />

Einteilung der Testverfahren<br />

• Intelligenztests / Leistungstests<br />

• Tests zur Erfassung von<br />

Teilleistungsstörungen<br />

• Neuropsychologische<br />

Untersuchungsverfahren<br />

• Entwicklungstests<br />

• Persönlichkeitstests<br />

• Projektive Persönlichkeitstests<br />

29


Psychologische <strong>Diagnostik</strong>:<br />

Beispiel Symptomtagebuch<br />

• Baselineerhebung vor Interventionen!<br />

◦ Ausprägung<br />

◦ Begleitende Umstände<br />

◦ Was geht voraus?<br />

◦ Was folgt danach?<br />

◦ Wann tritt das Verhalten nicht auf?<br />

◦ Hypothesen dazu?<br />

30


Familiendiagnostik<br />

34


Familiendiagnostik<br />

• Familienstruktur <strong>und</strong> -interaktionen<br />

• Entwicklungsphase der Familie im<br />

Lebenszyklus<br />

• Soziokultureller Kontext der Familie<br />

• Entwicklung der Eltern in der Herkunftsfamilie<br />

• Umgang mit dem Symptom des Kindes,<br />

Bedeutung des Symptoms für die Familie<br />

• Problemlösungsmöglichkeiten in der Familie<br />

35


Apparative Untersuchungen <strong>und</strong><br />

Labordiagnostik<br />

36


Apparative <strong>Diagnostik</strong> <strong>und</strong><br />

Labordiagnostik: Beispiele<br />

• Elektrophysiologie (z.B. EEG)<br />

• Bildgebende Verfahren (z.B. CT, MRT)<br />

• Untersuchung des Liquors<br />

• Sonographie (Ultraschalldiagnostik)<br />

• Chromosomenanalyse<br />

37


Weitere Informationsquellen<br />

• Schule<br />

◦ Zeugnisse<br />

◦ Tests, Schreibproben etc.<br />

• Vorbef<strong>und</strong>e<br />

38


Diagnostischer Prozess –<br />

Weg zur Diagnose<br />

• Die wichtigsten Beobachtungen<br />

von Krankheitserscheinungen<br />

werden analog zu anderen<br />

medizinischen Disziplinen in Form<br />

einer oder mehrerer Diagnosen<br />

zusammengefasst.<br />

39


Diagnostischer Prozess –<br />

Weg zur Diagnose<br />

• Von einer psychischen Störung mit<br />

Krankheitswert spricht man nur,<br />

wenn das Verhalten / Erleben<br />

bei Berücksichtigung des<br />

Entwicklungsalters<br />

◦ abnorm ist <strong>und</strong> / oder<br />

◦ zu einer Beeinträchtigung führt<br />

a16<br />

40


Folie 40<br />

a16<br />

mündlich einige Beispiele bringen<br />

aallgaie; 16.04.2008


Diagnostischer Prozess –<br />

Weg zur Diagnose<br />

• Passt das klinische Bild zu einem<br />

definierten Störungsbild? Erfüllt das<br />

Kind die Diagnosekriterien für eine<br />

psychiatrische Erkrankung?<br />

41


Diagnostischer Prozess –<br />

Weg zur Diagnose<br />

Bef<strong>und</strong>erhebung<br />

(Untersuchung)<br />

Symptome<br />

Diagnose<br />

Allgemeinzustand<br />

Neurologischer Bef<strong>und</strong><br />

<strong>Kinder</strong>psychiatrischer<br />

Bef<strong>und</strong><br />

- Anamnese<br />

-Exploration<br />

-Tests<br />

Einzelsymptome<br />

Leitsymptome<br />

Syndrome<br />

(Symptomkomplexe)<br />

<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong><br />

<strong>jugendpsychiatrische</strong><br />

Krankheitsbilder<br />

Symptomgewinnung<br />

Symptomzuordnung<br />

42


Funktionen von Diagnosen<br />

• Gemeinsame Bezeichnung für ein Störungsbild:<br />

Zusammenfassung von gleichartigen psychischen<br />

Auffälligkeiten <strong>und</strong> Abgrenzung von andersartigen<br />

• Erleichterung der Kommunikation<br />

• Zuweisung zu geeigneter Therapie<br />

• Zentral für die Forschung, z.B. bzgl. Ursachen <strong>und</strong><br />

Prognose<br />

• Erster Schritt jeglicher wissenschaftlicher Klassifikation<br />

43


<strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> <strong>jugendpsychiatrische</strong><br />

Klassifikation<br />

44


Klassifikation: Definition<br />

• Ordnungssystem<br />

• Systematik<br />

• Krankheitslehre<br />

45


Klassifikationssysteme<br />

• Zwei Klassifikationssysteme sind für<br />

die <strong>Kinder</strong>- <strong>und</strong> Jugendpsychiatrie<br />

besonders relevant:<br />

◦ Multiaxiales Klassifikationsschema für<br />

psychische Störungen des Kindes- <strong>und</strong><br />

Jugendalters nach ICD-10 der WHO (MAS)<br />

◦ Diagnostic and Statistical Manual der APA<br />

(DSM-IV).<br />

46


Gemeinsamkeiten von MAS <strong>und</strong> DSM<br />

• Kategoriale <strong>Diagnostik</strong>:<br />

◦ Ges<strong>und</strong>heit vs. Krankheit<br />

◦ Psychische Störungen als klar voneinander<br />

abgegrenzte, diskrete Einheiten<br />

• Multiaxiale <strong>Diagnostik</strong>:<br />

◦ Erfassung auf mehreren Achsen /<br />

Dimensionen<br />

47


Erste Achse:<br />

Zweite Achse:<br />

Dritte Achse:<br />

Vierte Achse:<br />

Fünfte Achse:<br />

Multiaxiale <strong>Diagnostik</strong><br />

• Klinisch-psychiatrisches Syndrom<br />

• Umschriebene<br />

Entwicklungsrückstände<br />

• Intelligenzniveau<br />

• Körperliche Symptomatik<br />

• Aktuelle abnorme psychosoziale<br />

Umstände<br />

Sechste Achse:<br />

• Globalbeurteilung des<br />

psychosozialen Funktionsniveaus<br />

49


Sechste Achse: Globalbeurteilung des<br />

psychosozialen Funktionsniveaus<br />

• Anpassung / Adaptation vs. Beeinträchtigung<br />

in folgenden Bereichen:<br />

◦ Soziale Beziehungen (Familie, Fre<strong>und</strong>e)<br />

◦ Bewältigung sozialer Situationen<br />

◦ Schulische / berufliche Anpassung<br />

◦ Interessen <strong>und</strong> Freizeitaktivitäten<br />

• Skalierung von 0 bis 8<br />

◦ 0 (hervorragende Anpassung auf allen Gebieten)<br />

◦ 8 (braucht ständige Betreuung)<br />

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Dimensionaler Ansatz<br />

• Ausprägungsgrad<br />

• Geeignet für:<br />

◦ Screening<br />

◦ Verlaufsbeurteilung<br />

◦ <strong>Kinder</strong>/Jugendliche<br />

• Beispiel:<br />

◦ CBCL – Verhaltenscheckliste:<br />

Syndromskalen<br />

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Kategorialer <strong>und</strong> dimensionaler Ansatz<br />

in Gegenüberstellung<br />

• Sich nicht ausschließende, sondern<br />

einander ergänzende Ansätze<br />

• Unterschiedliche Vorzüge <strong>und</strong> Grenzen<br />

Für die klinische Praxis ist eine<br />

Verbindung beider Ansätze sinnvoll.<br />

54

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