Manuskripte 5 (2012)
Manuskripte 5 (2012)
Manuskripte 5 (2012)
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<strong>Manuskripte</strong> 5<br />
Freundesgesellschaft<br />
des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar e.V.
Freundesgesellschaft<br />
des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar e.V.<br />
<strong>Manuskripte</strong> 5
© Freundesgesellschaft des Goethe- und Schiller-Archivs Weimar e.V. <strong>2012</strong><br />
Redaktion: Eva Beck, Dr. Ulrike Bischof, Dr. Edith Nahler<br />
Abbildungen: Klassik Stiftung Weimar, Dr. Manfred Koltes, Bernd Gildehaus (S. 14/15)<br />
Gestaltung: Andreas Schirmer<br />
Druck: Gutenberg Druckerei GmbH Weimar<br />
ISBN 978-3-9814371-1-9<br />
Umschlagabbildungen<br />
Bernd Gildehaus<br />
»Die Schublade« – Archiverweiterung von Westen<br />
Tresormagazin
Inhalt<br />
Jürgen Seifert<br />
Geleitwort 5<br />
I Zur Wiedereröffnung des Goethe- und Schiller-Archivs im Juli <strong>2012</strong><br />
Gerhard Schmid<br />
Zum Einzug in das neugestaltete Gebäude 7<br />
Bernd Gildehaus / Lutz Krause<br />
Das Goethe- und Schiller-Archiv – Das historische Gebäude entwickelt<br />
seine Erweiterung aus sich selbst heraus. Ein Rechenschaftsbericht 12<br />
Manfred Koltes<br />
Die Sanierung des Goethe- und Schiller-Archivs aus Nutzersicht 18<br />
Karin Ellermann<br />
»Fehlt eine Zahl, fehlt eine Kiste. Das fällt sofort auf.« Der Umzug der<br />
Bestände des Goethe- und Schiller-Archivs im November 2009 24<br />
Wohnen im Archiv. Interview mit den Hausmeistern<br />
Monika und Norbert Schwanke<br />
Aufgeschrieben von Ulrike Bischof 34<br />
Dorothea Kuhn<br />
Erinnerungen an das Goethe- und Schiller-Archiv 39<br />
II Unbekanntes aus dem Goethe- und Schiller-Archiv<br />
Eva Beck<br />
Das erste Findbuch des Archivs – Kräuters »Repertorium<br />
über die Goethesche Repositur« 47<br />
III Erwerbungen<br />
Ulrike Bischof<br />
Goethes Brief an Christian August Vulpius vom 20. April 1817 63<br />
Übersicht über die Ankäufe der Freundesgesellschaft<br />
in den Jahren 2005 bis <strong>2012</strong> 67<br />
Erwerbungen des Goethe- und Schiller-Archivs im Jahr 2011 69
Geleitwort<br />
Nach mehr als 100 Jahren war das Gebäude des Goethe- und Schiller-<br />
Archivs an eine Grenze gekommen, an der eine umfassende Grundsanie -<br />
rung und Erweiterung unumgänglich wurde. Die Wiedereröffnung des<br />
Hauses ist ein sehnlich erwartetes und festliches Ereignis in der Geschich -<br />
te des Goethe- und Schiller-Archivs. Für die Freundesgesellschaft des<br />
Archivs ein willkomme ner Anlass, den fünften Band ihrer Publikations -<br />
reihe »<strong>Manuskripte</strong>« vorzulegen.<br />
Von ihren Erlebnissen und Erfahrungen im Umgang mit einem Bauvor -<br />
haben, das zwar die lang ersehnten technischen und funktionellen Verbes -<br />
serungen versprach, für eine Handschriften- und Aktensammlung aber<br />
denkbar ungünstige Umstände bereithielt, berichten und erzäh len die<br />
Betroffenen: Archivdirektor, Architekt, Forscher, Nutzer und Mitar beiter<br />
kommen zu Wort und lassen die schwierigen Wochen und Monate wieder<br />
lebendig werden. In nun schon traditioneller Form ergänzen die Rubrik<br />
»Unbekanntes aus dem Goethe- und Schiller-Archiv« sowie die Vorstel -<br />
lung der Neuerwerbungen den thematischen Schwerpunkt des Heftes. Al -<br />
len Autoren und vor allem auch dem kleinen Redaktionskolle gium sei an<br />
dieser Stelle herzlich gedankt.<br />
Die Publikationsreihe »<strong>Manuskripte</strong>« begleitet die Freundesgesellschaft<br />
des Goethe- und Schiller-Archivs bereits von Beginn an und ist nicht nur<br />
bei den Mitgliedern der Gesellschaft willkommen. Längst ist sie ein wich -<br />
tiger Teil jener Aufgabe geworden, die wir uns selbst gestellt haben; die<br />
Freunde des Archivs wollen das Goethe- und Schiller-Archiv bei der Be -<br />
wahrung und Erweiterung seiner Bestände und bei der Entfaltung seiner<br />
Wirkung in die Öffentlichkeit nach Kräften unterstützen.<br />
Die Bilanz der Freundesgesellschaft im achten Jahr ihres Bestehens – im<br />
September 2004 wurde sie ins Leben gerufen – kann sich sehen lassen. Ihr<br />
gehören inzwischen 140 Mitglieder an, die gespendet, Spenden eingeworben<br />
und dem Archiv bei der Restaurierung und beim Ankauf von Hand -<br />
schrif ten tatkräftig geholfen haben. Wir sind stolz auf das Erreichte und<br />
wünschen uns und dem Goethe- und Schiller-Archiv viele weitere Freunde<br />
und verlässliche Weggefährten.<br />
| 5<br />
Dr. Jürgen Seifert (Weimar)<br />
Architekt, Vorsitzender der Freundesgesellschaft, ehemaliger Präsident der<br />
Klas sik Stiftung Weimar
I Zur Wiedereröffnung<br />
des Goethe- und Schiller-Archivs im Juli <strong>2012</strong><br />
Gerhard Schmid<br />
Zum Einzug in das neugestaltete Gebäude<br />
Es muss im Sommer 1949 gewesen sein, als ich zum ersten Mal den Weg zu<br />
dem Gebäude des Goethe- und Schiller-Archivs hinaufgegangen bin. Das<br />
Gefühl, das den Jenenser Studenten der Geschichte und Germanistik zum<br />
Besuch der »Heiligen Hallen der deutschen Literatur« hierher geführt hatte,<br />
war vorwiegend von Ehrfurcht und Bewunderung geprägt. Eine solche Wir -<br />
kung zu erzeugen, war wohl auch die Absicht gewesen bei der Planung des<br />
Gebäudes als eines Museums der deutschen Klassik, das, in äußerst solider<br />
Bauweise errichtet, im Jahre 1896 feierlich eingeweiht worden war.<br />
Die räumliche Ausgestaltung im Inneren war ganz auf repräsentative Be -<br />
dürf nisse ausgerichtet. Entsprechend den Vorstellungen der Großherzogin<br />
Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach als der Bauherrin waren das Goethe -<br />
sche Archiv, der Nachlass Schillers und alle nachfolgenden Erwerbungen<br />
in den hohen, öffentlich zugänglichen Sälen untergebracht, in denen eine<br />
Dauerausstellung besonders kostbarer Handschriften gezeigt wurde. Zu -<br />
sam men mit den unterschiedlich gestalteten weißen Schränken, in denen<br />
die Bestände eingelagert waren, konnte diese Einrichtung, die die gesamte<br />
Westseite der Beletage einnahm, zweifellos eine ganz eigene Atmo -<br />
sphäre vermitteln. Das von dem Gedanken musealer Ausstrahlung her entwickelte<br />
Konzept geriet aber in Widerspruch zu den veränderten Aufga -<br />
ben: Im Laufe der Jahrzehnte hatte man nicht nur das Sammelgebiet auf<br />
die gesamte Geschichte der deutschen Literatur erweitert; das Interesse an<br />
den dazu überlieferten literarischen Nachlasshandschriften wurde auch zu -<br />
neh mend – vor ihrem Wert als museale Ausstellungsstücke oder bewunderte<br />
Reliquien – bestimmt durch ihren Charakter als Quellen für wissenschaftliche<br />
Forschungen.<br />
Diese grundsätzliche Wandlung trat mir vor Augen, als ich mich in den<br />
Jahren 1961 bis 1964, inzwischen mit archivarischen Berufsweihen und<br />
er sten Erfahrungen ausgestattet, als Fachkollege wieder dem Hause näherte:<br />
Hier wurde auf Initiative von Karl-Heinz Hahn über eine »Zentralkar-<br />
tei der Nachlasshandschriften deutschsprachiger Dichter« beraten – ein<br />
zukunftsweisendes Projekt, das den damals gegebenen technischen Mög -<br />
lich keiten noch vorauseilte, in dem aber eindeutig archivarische Erfah -<br />
rungen und Bedürfnisse zu Tage traten.<br />
Der Wechsel von musealen Vorstellungen zu genuin archivischen Zielstel -<br />
lungen konnte nicht ohne Folgen für die Innengestaltung des Gebäudes<br />
| 7
Hinweistafel am Eingang des Goethe- und Schiller-Archivs, 1932<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 150/1114<br />
bleiben. So war es unvermeidlich und konsequent, dass in den Jahren<br />
1968 bis 1970 ein Umbau in Gang gesetzt wurde, der die Anordnung und<br />
Ausstattung der Räume grundlegend verändert hat. Das Archiv erhielt<br />
erst mals gesonderte Magazine, die den wichtigsten Anforderungen an<br />
eine gesicherte und geschützte Unterbringung der Bestände entsprachen.<br />
Um Platz für die zahlreicher gewordenen, an archivarischen Arbeiten und<br />
an editorischen Unternehmungen tätigen Mitarbeiter zu schaffen, wurde<br />
die Front der Ausstellungssäle aufgelöst und über dem Nord- und Südsaal
eine Zwischendecke eingezogen. Für die wachsende Zahl wissenschaftlicher<br />
Benutzer konnte ein entsprechend ausgestatteter Benutzersaal eingerichtet<br />
werden. Technische Modernisierungen insbesondere im Hin -<br />
blick auf Sicherheitsanlagen, Heizung und Fahrstuhl kamen hinzu. Im<br />
Gan zen gesehen war es damit gelungen, in der Hülle des überlieferten<br />
Baues die Ausstattung eines Archivzweckbaus zu schaffen.<br />
In dieser Gestalt habe ich das Goethe- und Schiller-Archiv vorgefunden, als<br />
ich zu Anfang des Jahres 1971 die inzwischen gepflasterte Auffahrt als<br />
neu eingestellter leitender Archivar emporgegangen bin. Das Stamm per -<br />
sonal des Hauses war erst kurz zuvor aus seinen Ausweichquartieren zu -<br />
rückgekehrt, in denen es unter mancherlei Schwierigkeiten den Archiv -<br />
betrieb im Rahmen des Möglichen aufrechterhalten hatte. In dem umgestalteten<br />
Gebäude erhielten die Mitarbeiter, ausgebildete Archivare und er -<br />
fahrene Editoren, nun klar abgegrenzte Arbeitsbereiche. Magazin, Benut -<br />
zersaal und neu eingerichtete Büroräume boten gute Voraussetzungen für<br />
eine intensive Bearbeitung des gesamten Archivbestandes und wurden<br />
zum vertrauten Umfeld der täglichen Arbeit.<br />
Nach der politischen Wende von 1989/90 ergaben sich im Rahmen der<br />
nun mehrigen Stiftung Weimarer Klassik neue Möglichkeiten, um gleichwohl<br />
gebliebene technische Rückstände vor allem im Hinblick auf einen<br />
angemessenen klimatischen Schutz der Bestände zu beseitigen und Vor -<br />
aus setzungen zum Einsatz der modernen Datenverarbeitung für die Ar -<br />
chiv arbeit wie für die Benutzung zu schaffen. Die Inneneinrichtung blieb<br />
dabei in ihrer bewährten Grundstruktur unverändert; lediglich der Bereich<br />
des Benutzersaals konnte erweitert und in die Klimatisierung einbezogen<br />
werden.<br />
Bei den Unterbringungsmöglichkeiten war das Haus aber an die Grenzen<br />
seiner Nutzbarkeit gestoßen. Neuzugänge, mit denen auch weiterhin zu<br />
rech nen war und ist, konnten nicht mehr untergebracht werden. Für eine<br />
verbesserte Lagerung der vorhandenen Bestände fehlten Raum und technische<br />
Anlagen. Für dringende Konservierungs- und Restaurierungs ar bei -<br />
ten an der wachsenden Zahl gefährdeter und beschädigter Handschriften<br />
wurde im Hause eine eigene Werkstatt benötigt. Diese Bedürfnisse einerseits<br />
und die Notwendigkeit einer baulichen Gesamtinstandsetzung des<br />
über hundertjährigen Gebäudes andererseits führten zu dem Um- und Er -<br />
weiterungsbau, dessen glücklichen Abschluss wir nun erleben.<br />
| 9<br />
Zuvor aber mussten die Mitarbeiter, wie vor vierzig Jahren ihre »Vor gän -<br />
ger«, das Haus räumen und dieses Mal auch die Bestände auslagern. Das<br />
war eine logistische Aufgabe, deren Problematik jeder Archivar nachfühlen<br />
kann, der einmal Ähnliches erlebt und erlitten hat. Gewohntes und<br />
Vertrautes musste aufgegeben werden, um dem Neuen Platz zu machen.
Für mich, der ich vier Jahrzehnte lang in dem bisherigen Gebäude ein- und<br />
ausgegangen bin – über zwei Jahrzehnte als Mitarbeiter und danach in der<br />
schönsten Position, die es im Archiv gibt: als Benutzer – mag das Anlass<br />
zu rückblickenden Gedanken geben.<br />
Sind es wehmütige Gedanken? In der öffentlichen Meinung herrscht wohl<br />
noch oft die Vorstellung, dass der Berufsstand des Archivars grundsätzlich<br />
zu einer Haltung der Nostalgie verführe, dass er eher auf Beharrung und<br />
Be wahrung und weniger auf Veränderung und Vorwärtsstreben ausgerich -<br />
tet sei. Das mag zu Teilen sogar zutreffen, sofern es als Ausdruck der be -<br />
son de ren Affinität zu werten ist, die den Archivar mit seinem Arbeits ge -<br />
genstand verbindet. Und eine Rolle spielt auch die Tatsache, dass Archive<br />
sich nicht als Durchgangsstationen für kurzfristig wechselnde Mitarbeiter<br />
eignen, dass hier der Fachmann benötigt wird, der mit »seinem« Archiv<br />
auf Grund jahrelanger Tätigkeit vertraut ist, der »seine« Bestände bis ins<br />
Ein zelne kennt und sie mit dem Fundus der erworbenen Erfahrungen<br />
wirk lich für die Bedürfnisse der Öffentlichkeit nutzbar machen kann.<br />
Alle diese Merkmale und Anforderungen stehen aber einem Umbau des<br />
Gebäudes, wie er nun abgeschlossen ist, nicht im Wege – im Gegenteil:<br />
Auch und gerade für den Archivar unserer Tage steht im Mittelpunkt seines<br />
Berufsethos die Sorge für den dauernden Erhalt der ihm anvertrauten,<br />
Mitteilung über die Errichtung des Goethe- und Schiller-Archivs<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 150/A 164
durch Alterung und Umwelteinflüsse ständig bedrohten schriftlichen Zeug -<br />
nisse aus Vergangenheit und Gegenwart. Wenn er dieser Verantwortung<br />
gerecht werden, wenn er seine Bestände bestmöglich bewahren und für öf -<br />
fentliche, insbesondere wissenschaftliche Interessen zugänglich machen<br />
will, muss er für seine Arbeit auch alle geeigneten Hilfsmittel der modernen<br />
Technik heranziehen. Dazu gehört es selbstverständlich auch, dass die<br />
»Hülle«, das bauliche Umfeld, verändert und modernisiert werden muss,<br />
wenn es für die Erfüllung der Aufgaben notwendig ist. Für das Gebäude<br />
des Goethe- und Schiller-Archivs war dies in der Vergangenheit mehrfach<br />
geschehen. Nun erwies es sich erneut als notwendig und wurde durch eine<br />
verantwortungsbewusste politische Entscheidung ermöglicht.<br />
Wenn ich das Ergebnis des neuerlichen, wirklich grund-legenden Erwei -<br />
terungsbaus vor mir sehe, bewegen mich deshalb nicht Gedanken der<br />
Weh mut, sondern wohl gute Erinnerungen an erfüllte Berufsjahre und<br />
viel fältige Begegnungen im gewohnten Ambiente, aber vor allem Freude<br />
und Befriedigung über das neu hergestellte Gebäude, das von außen fast<br />
nichts von dem seit Jahrzehnten gewohnten Bild verloren hat. Für ein weiteres<br />
Jahrhundert erscheint es gesichert als Hülle für vorhandene und hinzukommende<br />
Archivbestände wie als neu gestalteter Arbeitsplatz für Ge -<br />
ne rationen von Archivaren und Editoren – und ebenso für die Benutzer,<br />
denen zur Unterstützung ihrer Arbeiten viele technische Hilfsmittel zur<br />
Verfügung stehen. Mögen sie von ihren vielseitigen Forschungsinteressen<br />
weiterhin auf den Weg zum Goethe- und Schiller-Archiv am Hang über<br />
dem Ilmufer geleitet werden; und mögen sie hier stets bei Archivaren willkommen<br />
sein, die sich mit ihnen in der Bindung an den gemeinsamen Ar -<br />
beitsgegenstand einig wissen und die sie auf Grund ihrer langjährigen Er -<br />
fah rungen sicher zu den gesuchten Quellen für ihre Forschungen führen<br />
können. In diesem Sinne sei der Wunsch ausgesprochen, der gelehrten Ge -<br />
burtstagskindern gern auf den Weg mitgegeben wird: Ad multos annos!<br />
| 11<br />
Professor Dr. Gerhard Schmid (Weimar)<br />
Historiker, Germanist und Archivar, ehemaliger Direktor des Goethe- und<br />
Schiller-Archivs
Bernd Gildehaus / Lutz Krause<br />
Das Goethe- und Schiller-Archiv – Das historische Gebäude entwickelt<br />
seine Erweiterung aus sich selbst heraus. Ein Rechenschaftsbericht<br />
Angesichts der jetzt im Frühjahr <strong>2012</strong> schon umfangreichen »teilfertigen«<br />
Leistungen und der gleichzeitig – täglich wie von Geisterhand – neugeschaffenen<br />
Fragestellungen auf dem Weg zur endgültigen Realisierung,<br />
befinden wir uns auf der Zielgeraden eines längeren Prozesses. Wir kennen<br />
den Fertigstellungstermin und sind auch vom positiven Ergebnis<br />
überzeugt. So können wir jetzt – ein wenig befreit vom hektischen Tun<br />
des Baualltags – gedanklich nochmals zum Beginn unserer Konzeption, d. h.<br />
zu unserer Entwurfsidee, zurückkehren.<br />
Die vor mehr als drei Jahren übernommene doppelte Aufgabe lautete: Sa -<br />
nierung und Erweiterung des Goethe- und Schiller-Archivs. Architekten<br />
waren gefragt, um im Wettbewerb Lösungen zu präsentieren. Unsere war<br />
eine von mehreren: Bei uns bleibt das Haus die repräsentative »Kommode«,<br />
so wie sie Otto Minckert (1845–1900) nach den Vorstellungen von Groß -<br />
herzogin Sophie (1824–1897) als »Schatztruhe« für die Nachlässe von<br />
Goethe und Schiller errichtet hat. Nur im Inneren und aus dem Inneren<br />
heraus konnten wir auf die nach über 100 Jahren erforderlichen Verän de -<br />
rungen reagieren und dann diese als »Bewegung – nach außen« sichtbar<br />
werden lassen. Das öffentliche Interesse an den Sammlungen war seither,<br />
wie diese selbst, enorm gewachsen. Im gleichen Zeitraum hatte sich allerdings<br />
auch das Gefährdungspotential ebenso wie das Sicherheitsinteresse<br />
kontinuierlich erhöht. All dies waren Gründe für eine bauliche Erweite -<br />
rung des Archivs.<br />
Heute bestimmen Klima, Energie, Baunutzungskosten und barrierefreie<br />
Er schließung als planerische Schwergewichte das Bauen entscheidend mit,<br />
und die Denkmalpflege wacht übergeordnet über die Einhaltung eines<br />
engen Rahmens zwischen bewahrender Pflege und verändernder Erhal -<br />
tung. Die entscheidende Frage war: Wohin mit der Erweiterung, die alle<br />
Auf gaben erfüllt, ohne das bestehende Ensemble aus »Petit Trianon an der<br />
Ilm« und nachbarocker Gartengestaltung zu zerstören?<br />
Unsere Lösung war die »Schublade im Sockel der alten Kommode«. Die<br />
»Schublade«, die den schwer nutzbaren Keller des Bestandsgebäudes mit<br />
einbezieht und leicht »in der Bewegung nach vorn geschoben wird« und<br />
die sich durch die Stützmauer an der Ilm zur Stadt hin öffnet. Ihre Blende<br />
aus feinem Edelstahlgewebe soll vor Sonne und Hitze schützen und Sicher -<br />
heit für die dahinterliegenden Archivräume und Archivalien bieten. Diese<br />
Konzeption hatte die Jury überzeugt und brachte uns – den Architekten<br />
der Arge gildehaus.reich / Dr. Krause – den Auftrag. Dann folgten über an -
derthalb Jahre die üblichen Planungsschritte: Erarbeitung von Vorga ben,<br />
Umplanungen, Erklärungen, Präzisierungen, Nachweise, Kürzungen, Än -<br />
de rung der Vorgaben, Berechnungen, neue Erklärungen, Anpassun gen –<br />
und schließlich startete das eigentliche Bauen, mit zwei Jahren Ringen um<br />
Kosten, Termine und Qualitäten in jeder Lösung.<br />
Das Ziel vor Augen, wagen wir nun einen ersten Rückblick. Auf Fragen<br />
von außen sind wir vorbereitet. Denn mit dem Plan war das Ziel geklärt,<br />
mit dem Ziel die Methode und mit der Methode – im Regelfall – auch das<br />
Detail. Da fallen Antworten leicht. Doch wie halten wir es mit den Fragen<br />
an uns selbst? Ist uns die Umsetzung der funktionellen und gestalterischen<br />
Vorgaben gelungen? Haben wir diese ausreichend kritisch hinterfragt<br />
und qualifiziert? Wird das Neue als neu und auch im Dialog zu<br />
Bestehendem wahrgenommen? Sind wir mit unserer Konzeption den An -<br />
sprüchen des Standortes, des Objektes und seiner Inhalte gerecht geworden?<br />
Wir wissen: »Gute Häuser« zeigen ihre Qualitäten in der Dauer ihrer Nutz -<br />
barkeit und in ihrer Bewährung bei Veränderungen. »Gute Räume« zeigen<br />
eine hohe Qualität dadurch, dass sie über lange Zeit für die ge wünschten<br />
und geforderten Nutzungen zur Verfügung stehen oder sich verändern lassen<br />
und sich anpassen können. – Frage: Welche Bereiche des Archivs sollen<br />
also bewusst mit veränderten Nutzungen versehen werden?<br />
Wir wissen: Wir sind nicht irgendwo, sondern wir sind hier in Weimar im<br />
Goethe- und Schiller-Archiv. Hier lagert Geschriebenes nicht nur von dem<br />
Einen, sondern wirklich von beiden. Hier sind sie vereint und unter ihresgleichen.<br />
Und darüber hinaus ist hier Anderen und ihren Werken eine<br />
»lagernde Heimstätte« angeboten worden. Hier sind sie sicher! – Aber die<br />
Frage: wie sicher?<br />
Wir sehen: Es ist ein großes Haus, hoch über der Ilm erscheint es sehr do -<br />
mi nant und unnahbar zugleich. In seiner Ausrichtung ist es leicht verdreht<br />
und so wendet es sich nicht zum Stadtzentrum und auch nicht zum<br />
Schloss. – Frage: Welche Bedeutung haben diese starke Präsenz und zur<br />
gleichen Zeit die große Verschlossenheit? – Und: Wendet sich das Haus<br />
nach außen an die Welt oder wendet es sich nach innen, an sich selbst, den<br />
Ort der Archivalien, in denen zu Schrift gewordene Gedanken erkennbar<br />
und sichtbar werden?<br />
Wir wissen: Das Goethe- und Schiller-Archiv ist durch seine äußere Er -<br />
scheinung im Stadtraum sehr präsent und vielen bekannt, aber gleichzeitig<br />
ist das Haus mit seinem Innenleben den allermeisten wohl gänzlich<br />
un bekannt. – Frage: Welchen Grad der Öffentlichkeit, welche Art von Nut -<br />
zungen und welchen Nutzer wird es zukünftig in diesem Haus geben?<br />
Und gelingt es den Architekten durch das Finden der Antworten eine eige-<br />
| 13
ne gestalterische Identität des Hauses zu artikulieren? Eine Identität, die<br />
Innen und Außen, Inhalt und Form, Geschichte und auch die gestaltete Ge -<br />
genwart zu einer Einheit werden lässt?<br />
In unseren Recherchen versuchen wir mit eindeutigen Begrifflichkeiten<br />
und Zuordnungen die inhaltlichen Aspekte des Archivs konkreter zu er -<br />
fas sen. Das Archiv ist ein »Haus des GEISTES«, ein Haus sprachgewordener<br />
Visionen und der Innerlichkeit, in dem Literatur, Poesie und Prosa,<br />
einen »Ort« gefunden haben. Hier vereinen sich Werke und Zeugnisse einzelner,<br />
ganz individueller Lebensauseinandersetzungen. Das Archiv ist ein<br />
»Haus des WORTES«, ein Haus der »Hinterlassenschaft« der toten Dich -<br />
ter, Denker und Schreiber. Hier wird das geschriebene Wort erforscht. Das<br />
Archiv ist ein »Haus der SAMMLUNG«, ein Haus der Konzentration und<br />
Veranstaltungssaal Petersen-Bibliothek
der Bewahrung. Es ist ein Haus der <strong>Manuskripte</strong>, Dokumente und Bücher,<br />
individuell auf Papier erhaltener Zeugnisse. Hier wird das unter optimalen<br />
Bedingungen Gelagerte allen Interessierten zur Ansicht und Einsicht<br />
angeboten.<br />
Unter dem einstmals abschüssigen Vorplatz wollen wir die Anforde run -<br />
gen Platzbedarf, Sicherheit und Klima funktional integrieren, und gleichzeitig<br />
wird hier mit und an der »Schublade mit ihrer Blende« über die Art<br />
und die Qualität der architektonischen Mittel entschieden.<br />
Ein Haus braucht immer eine Basis. In jedem Fall eine bauliche; diese zu<br />
er richten, dafür sind die Architekten zuständig. Aber es braucht ebenso<br />
eine inhaltliche Basis. Diese zu begreifen und sie zu interpretieren und ge -<br />
stalterisch herauszubilden, ist ebenfalls die Fähigkeit des Architekten. In<br />
| 15<br />
Arbeitsplatz im Magazingeschoss
dem von uns gewählten Entwurf geht es also gleich im »doppelten Sinne«<br />
baulich materiell und inhaltlich konzeptionell an und um diese Basis.<br />
Wir haben die Aufgabenstellung, in der pragmatisch Wünsche formuliert<br />
worden waren, die aber den Architekten in der Wahl der Antworten wichtige<br />
Freiheiten ließ, kreativ genutzt und sind bei unserer Konzeption<br />
erneut von Grund auf gestartet. Wir sind dem Haus an die äußeren Stützund<br />
inneren Grundmauern gegangen; wir haben es »unterfangen«, an seinem<br />
Fuß gestärkt, strukturell ertüchtigt und funktional neu gegliedert. In<br />
der Bearbeitung des Projektes haben wir besonders stark die große Ähnlichkeit<br />
zwischen der dichterisch-konzeptionellen Arbeit des Schreibens<br />
und der architektonisch-konzeptionellen Herangehensweise bei einer Ent -<br />
wurfs aufgabe kennengelernt:<br />
In ihrer frühen Entstehungsphase, in der ersten Gestaltungskonzeption<br />
sind beide Schaffensprozesse etwas sehr Persönliches. Werke solcher Art<br />
entstehen in der Stille und besitzen durch diese Art der Entstehung etwas<br />
Bernd Gildehaus und Dr. Lutz Krause vor dem Archiv, Mai 2010
In-sich-Geschlossenes. Wird das Werk dann vorgestellt, gezeigt und be -<br />
kannt gemacht, dann wird es öffentlich und zugänglich und für gut oder<br />
schlecht befunden. In der Literatur entsteht aus Geistigem ein Text aus<br />
geschriebenen Worten. In der Architektur wird die gestalterische Idee –<br />
nach dem Moment der Konzeption und der Geburtsstunde – in die gebaute<br />
Realität geführt. Was wird dann mit der baulichen Fertigstellung von<br />
dieser Idee im Gebäude zu sehen und zu spüren sein?<br />
Sicherlich: seine Größe, seine dominanten Materialien, seine Farbigkeit, ...<br />
all dies erscheint an der Oberfläche und ist direkt wahrnehmbar für den<br />
Betrachter. Auf einer zweiten, feineren Ebene kann ein Gebäude darüber<br />
hinaus die »magischen Momente« seiner Gestaltungskonzeption offenbaren.<br />
Mit dem Abschluss der Bauaufgabe von Sanierung und Erweiterung zeigt<br />
sich vordergründig kein Prozess mehr, und dennoch bleibt er vielschichtig<br />
ablesbar in dem, was entstanden ist:<br />
- ein Haus für die Öffentlichkeit, aber kein öffentliches Haus.<br />
- ein Haus für Leser, aber kein Lesehaus.<br />
- ein Haus für Forscher, aber kein Forschungsgebäude.<br />
- ein Haus für Bücher und Schriften, aber kein Büchertempel.<br />
- ein Haus für viele tausende Archivalien, aber kein Lagergebäude.<br />
- ein Haus mit Tresormagazin, aber keine Festung.<br />
- ein Haus mit einer großen baulichen Erweiterung, aber ohne deren Do -<br />
minanz.<br />
In diesem Spannungsfeld will das Goethe- und Schiller-Archiv erkannt<br />
werden.<br />
| 17<br />
Dipl.-Ing. Bernd Gildehaus (Weimar)<br />
Architekt, gildehaus.reich architekten BDA<br />
Dr. Lutz Krause (Weimar)<br />
Architekt, Architekturbüro Dr. Krause
Manfred Koltes<br />
Die Sanierung des Goethe- und Schiller-Archivs aus Nutzersicht<br />
Es fing alles ganz harmlos an! Mit der Aufgabenstellung für einen Stegreif -<br />
wettbewerb zu »Grundsanierung und Umbau des Goethe- und Schiller-<br />
Archivs« im Juli 2008 war der Startschuss für eine durch und durch turbulente<br />
Phase gefallen, und aus den Mitarbeitern des Goethe- und Schiller-<br />
Archivs waren mit einem Male »Nutzer« geworden – so wollten es zumindest<br />
die unzähligen Protokolle der Beratungen, die das Baugeschehen von<br />
Beginn an begleitet hatten. Dieses Stegreifverfahren sollte zum einen dazu<br />
dienen, ein Team von Planern, das für dieses Vorhaben geeignet schien,<br />
aus zuwählen, aber auch schon einen ersten Blick darauf zu werfen, wie die<br />
Umsetzung der verständlicherweise sehr speziellen Nutzeranforderungen<br />
aussehen könnte.<br />
Die Planungen hatten natürlich bereits erheblich früher begonnen. Was sich<br />
unter dem unscheinbaren Begriff »Nutzeranforderungen« verbirgt, war das<br />
Resultat zäher Verhandlungen mit den Zuwendungsgebern (Bund, Land<br />
Thüringen und Stadt Weimar) über die Ziele und das Ausmaß der Grund -<br />
sa nie rung. Unstreitig war, dass die Unterbringung der wertvollen Bestän -<br />
de verbessert werden musste, dass die Sanierung dem Denkmalcharakter<br />
des Hau ses gerecht werden musste und Eingriffe in das äußere Erschei -<br />
nungs bild so gering wie möglich gehalten werden sollten. Als wesentlich<br />
proble matischer erwies sich die Aufstellung des Raumprogramms, also der<br />
Nach weis, dass alle entstehenden Räume tatsächlich eine sinnvolle und<br />
wirtschaftlich vertretbare Nutzung finden würden. Zur echten Herausfor -<br />
de rung wurde dies, als der Siegerentwurf des Wettbewerbs feststand, der<br />
neben überzeugenden Lösungen zur Unterbringung der Archivalien und<br />
der Werkstätten auch Raum für acht weitere Mitarbeiterbüros bot. Seit<br />
vielen Jahren waren nämlich Wissenschaftler aus Platzgründen nicht im<br />
Ge bäude des Goethe- und Schiller-Archivs, sondern zunächst in einem<br />
anderen Gebäude der Klassik Stiftung in der Marstallstraße 3 und später<br />
im Studienzentrum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek untergebracht,<br />
obwohl die Editionen seit der Begründung des Hauses zum wissenschaftlichen<br />
Profil desselben gehören. Mit der Erweiterung der Raumkapazität<br />
im, oder genauer vor dem historischen Gebäude bietet sich zum ersten<br />
Mal seit den Anfangsjahren die Gelegenheit, sämtliche Mitarbeiter des<br />
Archivs wieder unter einem Dach zu vereinigen.<br />
Das schlüssige Konzept und der (papiergewichtige) Nachweis, dass sämtliche<br />
Räume des Hauses für die künftige Nutzung eine sinnvolle Verwen -<br />
dung finden würden, überzeugten schließlich auch die Zuwendungsgeber<br />
und ihre Vertreter, die Maßnahme finanziell und ideell zu unterstützen.
Die letztlich gefundenen Planer, die Weimarer Architekturbüros Dr. Krause<br />
und gildehaus.reich architekten BDA sowie das Erfurter Ingenieurbüro<br />
Hirsch, vergaßen nie zu betonen, dass »Bauen im Bestand«, so die technische<br />
Bezeichnung für alles, was nicht von Grund auf neu gebaut wird,<br />
immer Risiken berge, wohl um die Mitarbeiter des Archivs auf einige »Stö -<br />
rungen« in der Ruhe ihrer Arbeitsabläufe vorzubereiten. So fanden bereits<br />
im Vorfeld des eigentlichen Baubeginns intensive Untersuchungen zum<br />
Gebäude statt. Zwar besitzen das Goethe- und Schiller-Archiv und die für<br />
die Baudokumentation zuständige Bauabteilung der Klassik Stiftung die<br />
ursprünglichen Baupläne und Skizzen, allein die seit der Eröffnung des<br />
Ar chivs im Jahr 1896 vergangene Zeit und die vielen kleineren Baumaß -<br />
nah men der Vergangenheit machten es nötig, den tatsächlichen Zustand<br />
des Gebäudes intensiv zu erkunden. Diese Arbeiten, die bei voller Nutzung<br />
des Hauses abliefen, strapazierten die Nerven der Mitarbeiter und Gäste in<br />
erheblichem Maße. Waren die Arbeiten zur exakten Vermessung des Ge -<br />
bäu des sowie die Interviews der Planer mit den Nutzern, um die täglichen<br />
Arbeitsabläufe im Archiv zu untersuchen und für deren optimale Umset -<br />
zung im »neuen« Haus zu sorgen, noch geräuschlos, so änderte sich dies<br />
| 19<br />
Baugrunduntersuchungen auf dem Vorplatz des Archivs, Juni 2009
schlagartig, als in den Wänden Sondierungsbohrungen vorgenommen<br />
wur den. Diese Arbeiten dienten dazu, den Aufbau des Mauerwerks zu do -<br />
ku mentieren und in den alten Plänen eingezeichnete Schächte und Kanäle<br />
zu finden, die bei der Sanierung zur Aufnahme von Installationen genutzt<br />
werden könnten. Denkmalgerechtes Bauen bedeutet eben auch, die Ein -<br />
grif fe in die historische Substanz so gering wie möglich zu belassen –<br />
selbst, wenn »man es hinterher ja nicht mehr sieht«.<br />
Ungleich faszinierender und auch wieder in ruhigerer Atmosphäre gestaltete<br />
sich die Suche nach den ursprünglichen Farbgebungen im Inneren<br />
des Archivgebäudes. Aus den schriftlichen Quellen der frühen Jahre sind<br />
uns Beschreibungen des Hauses bekannt, die auf eine insgesamt sehr hel -<br />
le, freundliche Farbgebung schließen ließen, ein Eindruck, der sich zugegebenermaßen<br />
im Jahr 2009 nicht mehr einstellte. Fotografische Quellen<br />
der ersten Jahre zur Untermauerung der schriftlichen konnten zunächst<br />
nicht aufgefunden werden, was angesichts der Dokumentierfreudigkeit<br />
des namhaften Weimarer Fotografen Louis Held eigentlich kaum zu glau-<br />
Die Restauratoren Wolfgang Bruhm und Thomas Werner bei Farbuntersuchungen, Juni 2009
en ist. Die Untersuchungen konzentrierten sich besonders auf die schlecht<br />
zugänglichen Partien der Wände, Fenster und Möbel, da hier am ehesten<br />
die Chance bestand, dass ursprüngliche Farbschichten bei späteren Neuan -<br />
strichen nicht restlos entfernt worden waren. Am Ende der Arbeiten stand<br />
ein Farbentwurf, der sich mit den schriftlichen Quellen deckte. Wie zur<br />
Bekräftigung der Untersuchungen tauchten schließlich kurz vor Abschluss<br />
der Sanierungsarbeiten doch noch Fotografien des Innenraums aus der Er -<br />
öffnungszeit auf, die die wissenschaftliche und praktische Analyse weitge -<br />
hend bestätigten.<br />
Über den Umzug der Archivalien und der Mitarbeiter berichtet Karin<br />
Ellermann in diesem Heft an anderer Stelle. Als letztes verließen die Mö -<br />
bel und Einrichtungsgegenstände das Haus, die nach Abschluss der Sanie -<br />
rung aufgearbeitet wieder ihren Platz im neuen Haus bekommen sollen,<br />
allen voran die weißen Schränke und Ausstellungsvitrinen. Pünktlich zum<br />
2. Januar 2010 war das historische Gebäude des Goethe- und Schiller-<br />
Archivs baufrei.<br />
Die Hoffnungen auf einen unmittelbaren Beginn der Sanierungsarbeiten<br />
erfüllten sich nicht, und erst Ende Mai 2010 konnten die Arbeiten anfangen.<br />
Der Betrieb des Archivs, die Betreuung der Benutzer, die wissenschaftlichen<br />
und verwaltungstechnischen Arbeiten liefen zu diesem Zeit -<br />
punkt längst wieder in den Übergangsquartieren. Das historische Gebäude<br />
aber machte auf den Besucher mittlerweile einen vernachlässigten Ein -<br />
druck: Die Außenanlagen waren nicht mehr gepflegt, die Rosenstöcke vorsichtshalber<br />
von den Gärtnern ausgegraben worden; im Haus selbst, das<br />
früher makellos rein gehalten worden war, lagen dicke Staubschichten.<br />
We sentlich ungewohnter war die Tatsache, dass nun Archivfremde unkontrolliert<br />
alle Räume betreten und ihrer Arbeit nachgehen konnten, ohne<br />
von einer Aufsicht nach dem Grund ihrer Anwesenheit befragt oder gar zur<br />
Ruhe angehalten zu werden. Im Goethe- und Schiller-Archiv hatten jetzt<br />
andere das Kommando übernommen.<br />
| 21<br />
Dieser Eindruck steigerte sich noch in den kommenden Wochen. Wände<br />
wurden durchbrochen, Kanäle und Versorgungsschächte in die Wände<br />
ein gebracht, Fußböden geöffnet. Die Konstruktion des Hauses trat offen<br />
zutage. Die größte von außen wahrnehmbare Veränderung aber betraf den<br />
Vorplatz des Hauses, der früher zumeist zugeparkt und nicht unbedingt<br />
attraktiv war. Er war nun, zusammen mit großen Teilen der mächtigen<br />
Stütz mauer, die das Gebäude zur Ilm hin absicherte, komplett verschwunden.<br />
Mit dem Fortschreiten der Rohbauarbeiten wurde diese Lücke wieder<br />
geschlossen, und das erste sichtbare Zeichen für das Vorankommen des<br />
Baus entstand – das neue Tiefmagazin, gerade rechtzeitig vor dem frühen<br />
Wintereinbruch und den großen Schneemengen des Jahres 2010.
Trotz der Behinderungen durch den langen Winter gingen die Arbeiten im<br />
Innern des Hauses, unterstützt durch eine Bauheizung, unvermindert weiter.<br />
Wochenlang fuhr ein kleiner Bagger mit Aushub durch die Keller und<br />
beförderte die Ladung vor das Archiv zum Abtransport. Ziel dieser Arbei -<br />
ten war es, das Fußbodenniveau im historischen Gebäude abzusenken und<br />
dem des neuen Anbaus anzugleichen. Gleichzeitig wurde unter die alten<br />
Fun damente Beton eingebracht, um ihnen die notwendige Stabilität zu ge -<br />
ben. Zum allgegenwärtigen Staub waren jetzt noch Matsch und Schlamm<br />
hinzugekommen. Das Niveau des Fußbodens im künftigen Magazinge -<br />
schoss veränderte sich ebenso wie der »Schnitt« der alten Magazinräume:<br />
Durch das Einziehen neuer, gewaltiger Stahlträger wurden die zahlreichen<br />
Stützpfeiler, die die Magazine dominiert hatten, hinfällig – neue, große<br />
und zusammenhängende Räume waren entstanden.<br />
Auch im Dachgeschoss wurde die vorhandene Stahlträgerkonstruktion an<br />
wichtigen Stellen umgestaltet, um Raum für die lange ersehnten Restau -<br />
rie rungswerkstätten zu schaffen. Mit der Zeit schlossen sich die Mauer -<br />
Einrichtung der Mitarbeiterbibliothek im Ausweichquartier in der Steubenstraße, Januar 2010
durchbrüche und die Schächte im Innern des Hauses; Heiz-, Lüftungs- und<br />
Klimatechnik wurde eingebaut, und die geschwungene Glasfassade der<br />
»Schublade« erlaubte einen ersten Eindruck davon, wie die Büros einmal<br />
aussehen sollten. Auch an den Außenanlagen sah man die Fortschritte: Die<br />
Abgrenzungsmauer zur Hans-Wahl-Straße wurde Stein für Stein wieder<br />
aufgebaut und die Stützmauer zur Ilm mit gewaltigen Natursteinquadern<br />
geschlossen; die Gerüste fielen und gaben den Blick auf die gereinigten<br />
Fassaden wieder frei.<br />
Jetzt (im Januar <strong>2012</strong>) ist tatsächlich ein Ende der Arbeiten absehbar, die<br />
Außenanlagen und die Fertigstellung der Wege und des Vorplatzes werden<br />
sicherlich noch einige Zeit beanspruchen, aber der beginnende Ein -<br />
bau der Büromöbel, der Regale und Tische für die Lesesäle und die erfolgte<br />
erste Grobreinigung des Hauses lassen Gedanken an einen Wiederbe -<br />
zug des Gebäudes weniger utopisch erscheinen als noch Wochen zuvor,<br />
zu mal die Planer beharrlich einen Tag in der Mitte des Aprils <strong>2012</strong> für die<br />
Übergabe des Hauses ankündigen.<br />
Mit dem Wiedereinzug in das rundum erneuerte Gebäude wird dann eine<br />
als überaus lang empfundene Zeit des Provisoriums und der Behinde -<br />
rungen der laufenden Arbeiten beendet, obwohl das neue Haus die Mitar -<br />
bei ter ebenso wie die Benutzer sicherlich vor neue Herausforderungen<br />
stel len wird. Irgendwann wird dann die »vergeudete« Zeit der unzähligen<br />
Bauberatungen, Abstimmungsrunden, der Verzögerungen und wiederholten<br />
Begründungen vergessen sein. Es ist in vieler Hinsicht ein neues Haus<br />
mit neuen Möglichkeiten, aber auch neuen Aufgaben, was aber die Vor -<br />
freu de darauf, dort arbeiten zu dürfen, nicht schmälert.<br />
| 23<br />
Dr. Manfred Koltes (Erfurt)<br />
Historiker, stellvertretender Direktor und Abteilungsleiter Editionen im<br />
Goethe- und Schiller-Archiv
Karin Ellermann<br />
»Fehlt eine Zahl, fehlt eine Kiste. Das fällt sofort auf.«<br />
Der Umzug der Bestände des Goethe- und Schiller-Archivs<br />
im November 2009<br />
Es ist Montag, der 9. November 2009. Eigentlich sollte dieses geschichts -<br />
trächtige Datum ein deutscher Feiertag sein, doch es wurde anders entschieden,<br />
und deshalb ist Geschäftigkeit im Goethe- und Schiller-Archiv<br />
an gesagt. Es gilt, diesem historischen Datum eine neue Fußnote hinzuzufügen.<br />
Der Wetterbericht hat für diese Woche schönes ruhiges Herbstwetter vorhergesagt.<br />
Gegen 8 Uhr fahren große Transporter der Firma Bartels & Busch<br />
aus Erfurt von der Jenaer Straße her auf das Gelände des Archivs. Sie werden<br />
schon erwartet. In der Eingangshalle stehen die Kolleginnen des Ma -<br />
ga zin- und Benutzerdienstes, Manfred Koltes und der Umzugskoordinator<br />
Waldemar Görg. Ganz gegen alle Gewohnheit ist die große zweiflügelige<br />
Eingangstür offen. Nur die Glastür des Windfangs verschließt noch das<br />
Haus. Mit Schwung wird auch sie geöffnet, und die beiden Türflügel werden<br />
im Boden verankert. Gespannt begrüßen sich Archivare und Transpor -<br />
teu re, denn heute kommt nicht wertvolles Archivgut in das älteste deutsche<br />
Lite raturarchiv, um die Bestände zu ergänzen, nein, die Umzugsfirma<br />
ist ge kom men, um das gesamte Archivgut erstmalig 1 in seiner Geschichte<br />
kom plett aus dem Haus zu tragen. Und dies auf Wunsch des Archivs selbst.<br />
Am 28. Juni 1896 hatte das stattliche Haus unter dem Namen Goethe- und<br />
Schiller-Archiv in einem feierlichen Festakt erstmals seine Pforten geöffnet.<br />
In drei großen hellen Schauräumen in der ersten Etage waren die<br />
schönsten Handschriften der beiden Dichter ausgestellt worden. In den<br />
hohen weißen Holzschränken der Säle wurde die wertvolle Hinterlas sen -<br />
schaft aufbewahrt. Ein geschmackvoll eingerichtetes Zimmer für die Groß -<br />
herzogin Sophie, ein Arbeitszimmer für die Archivare sowie eine Diener -<br />
wohnung und Nebengelass für Arbeitsmaterial ergänzten die räumliche<br />
Aufteilung. Im Keller arbeitete eine zeitgemäße Schwerkraftheizung. Die<br />
technische Ausstattung des Gebäudes entsprach modernsten und feuersicheren<br />
Ansprüchen. Die äußere Gestalt beeindruckte Weimarer und Gäste.<br />
Im Vergleich zu den kleinen Archivräumen im Schloss, den so genannten<br />
Könneritz-Zimmern, in die der Nachlass Goethes nach Erbantritt durch die<br />
1 Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Archivalien nicht ausgelagert und überstanden diesen<br />
unbeschadet. Die hauseigene Registratur verblieb ebenfalls im Archiv und ist heute der historische In sti -<br />
tutionsbestand Archiv. Im 20. Jahrhundert gab es einige Ab- und Zugänge durch sogenannte Bestandsbe -<br />
rei ni gungen. 2004 wurde der Mörike-Nachlass an das Deutsche Literaturarchiv Marbach verkauft.
Großherzogin Sophie sofort verbracht worden war, wirkte der Neubau<br />
hoch über der Ilm opulent und zukunftsweisend.<br />
Während der steinerne Koloss fest und sicher stand, nahm der Bestand im<br />
Inneren zu. Das literarische Archiv der Deutschen Klassik wuchs in das 19.<br />
und frühe 20. Jahrhundert hinein und drohte den Berkaer Sandstein zu<br />
sprengen. Zwar hatte der Architekt Otto Minckert bereits bei der Baupla -<br />
nung einen seitlichen Erweiterungsbau in seine Überlegungen einbezogen<br />
und den Baugrund entsprechend vorbereiten lassen, doch so schnell war<br />
niemand bereit, das massive Gebäude in seinem Äußeren zu verändern.<br />
Als das Archiv nach 1945 die umfangreichen Bestände des Nietzsche-Ar -<br />
chivs und die <strong>Manuskripte</strong> des Liszt-Museums und aus der ehemaligen<br />
her zoglichen Bibliothek zahlreiche weitere Nachlässe aufnahm, musste an<br />
eine Erweiterung gedacht werden, denn auch der sich vergrößernde Mitar -<br />
bei ter stab benötigte Platz. Die komfortable Raumgestaltung ermöglichte<br />
es, durch das Einziehen eines Zwischengeschosses genügend Arbeitsräu -<br />
me in der 2. Etage zu schaffen. Der nördliche Flügel des Erdgeschosses<br />
| 25<br />
Blick in das Magazin vor dem Umbau
wur de mit einer Stahlkonstruktion in ein geräumiges Magazin umgebaut<br />
und ein Teil der Kellerräume zu Magazinen bestimmt. Wieder gab es vorerst<br />
genug Platz für die wertvollen Handschriften und ihre Bearbeiter. 2<br />
Die se Modernisierungsarbeiten wurden durchgeführt, ohne den Bestand<br />
aus zulagern.<br />
Spätestens zur Jahrtausendwende stand erneut fest: Die Räumlichkeiten<br />
im Haus genügen den gewachsenen Anforderungen nicht mehr. Nicht<br />
nur, dass mehr Arbeitsräume benötigt wurden, angedacht wurde auch ei -<br />
ne dringend benötigte Werkstatt zur Papierrestaurierung, ein modernes<br />
Di gi talisierungszentrum, ein klimatisch ausgewogener Benutzerraum und<br />
eine optimale sicherheitstechnische Unterbringung und Klimatisierung<br />
der wertvollen Unikate. Damit nicht genug, eine moderne Heizung war<br />
nö tig, durch die geschlossenen Fenster wehte teilweise der Wind, die Fuß -<br />
böden hatten ihre Glanzzeit hinter sich und neue Farbe, besser, ein historisch<br />
getreuer Anstrich erschien dringend geboten. Schnell stand fest, eine<br />
derart umfassende Modernisierung und Sanierung kann nur in einem leeren<br />
Gebäude stattfinden. Ein Hin- und Herräumen der wertvollen Archiva -<br />
lien hätte diese weit mehr in Gefahr gebracht als ihre tägliche Benutzung.<br />
Ganz abgesehen von Schmutz und Gefährdungen, die eine Baustelle mit<br />
sich bringt.<br />
Aus diesem Grund stehen am 9. November 2009 die Lastwagen vor dem<br />
Ar chiv eingang. Nach der kurzen Begrüßung zeigt Karin Ellermann den<br />
Mit arbeitern der Transportfirma die Magazinräume im Erdgeschoss, aus<br />
de nen zuerst die Handschriften ausgelagert werden sollen. In der Hand<br />
hält sie eine schmale gelbe Aktenmappe mit der Auflistung aller Bestände.<br />
Schnell ist ein Überblick verschafft, und die eigentliche Arbeit beginnt.<br />
Aus dem LKW werden fahrbare Bücherregale über eine Rampe in den Ein -<br />
gangsbereich des Archivs gerollt. Jedes Regal erhält eine fortlaufende<br />
Num mer, bevor es ins Magazin geschoben wird. Auf direktem Weg geht<br />
es Richtung »Lange Bank« 3 zum Goethe-Nachlass. Geschwind beginnen<br />
die Männer die Archivkästen aus den Magazinregalen zu heben und auf<br />
die fahrbaren Bücherregale zu stapeln. Susan Wagner und Karin Eller -<br />
mann beobachten das Aufladen und gleichen sorgfältig immer wieder Ar -<br />
chiv kästen, Umzugsliste und Regal ab. Alles verläuft reibungslos und wie<br />
geplant.<br />
2 Bei diesem Umbau wurden historisch wertvolle Teile der Innendekoration für immer entfernt. So die<br />
beiden marmornen Schrifttafeln für die Stifter des Archivs, der Erben Goethes und Schillers, und die<br />
Schrift tafel der Shakespeare-Gesellschaft, die diese zu Ehren der Großherzogin Sophie im Arbeitsraum<br />
hat te anbringen lassen. Ebenso wurden große Teile der Möblierung aus den Schauräumen und die nicht<br />
mehr benötigten Wendeltreppen zur Galerie entfernt. Ein unwiederbringlicher Verlust.<br />
3 Als »Lange Bank« wurde ein vierteiliger Unterschrank am nördlichen Ende des Magazins bezeichnet,<br />
in dem Archivalien zwischengelagert wurden. Gleichzeitig war sie der einzige größere Bearbeitungsplatz<br />
für Handschriften.
In der Halle werden die beladenen Regale von zwei anderen Transpor teu -<br />
ren mit Folie umwickelt. Dies soll einerseits die Kästen vor dem Verrut -<br />
schen während des Transportes schützen, andererseits aber auch eventuel -<br />
len Regen abhalten. Die vollen Regalwagen werden in der großen Halle<br />
aufgereiht. Im Magazin leert sich Reihe um Reihe. Auf der Liste bestätigt<br />
Haken um Haken den korrekten Verlauf der Umzugsarbeiten.<br />
Diese Liste hat eine Vorgeschichte. Am Anfang stand die Frage: Wie zieht<br />
man mit einem Archiv um, ohne dass etwas durcheinander gerät und dass<br />
nach dem Umzug eine sofortige Benutzung wieder möglich ist? Die Ant -<br />
wort: Es wird eine Transportliste erarbeitet, die den gesamten Bestand er -<br />
fasst und mit deren Hilfe man den Überblick beim Umzug behält. Bevor<br />
das geschehen konnte, galt es zu überlegen, was und wie viel eigentlich<br />
um ge zogen werden musste. Dazu war es nötig, den umfangreichen Ge -<br />
samt bestand mit allen seinen Eigenheiten genauer zu begutachten. Des -<br />
halb begannen die unmittelbaren Umzugsvorbereitungen schon 2008 mit<br />
einem Rundgang von Silke Henke und Karin Ellermann durch alle Maga -<br />
zin räume des Archivs. Jedes Regal und jede Kiste, jeder Stapel und alle<br />
| 27<br />
Karin Ellermann und Andrea Trommsdorf verpacken Archivalien
Map pen wurden erfasst, die Archivgut enthalten könnten. Schnell wurde<br />
klar, sollte es zu einem Auszug kommen, musste vorbereitend noch einiges<br />
getan werden.<br />
Auf dem Dachboden standen Regale voller Auktionskataloge, alter Mitar -<br />
bei ter ablagen und Altregistraturen aus verschiedensten Abteilungen der<br />
Klassik Stiftung, die noch nicht gesichtet worden waren. Auch die alte<br />
Find kartei, der Vorläufer der Briefdatenbank, hatte dort ihren letzten<br />
Stand ort gefunden. Kisten mit Publikationen und eine Ecke voll abgehängter<br />
Bildreproduktionen aus einem Jahrhundert Archivarsdasein komplettierten<br />
die Ansammlung. Im Bereitschaftsmagazin im 2. Obergeschoss<br />
fand sich archivisches Verpackungsmaterial; etliche Kartons, Pakete und<br />
Stapel fristeten hier ihr Dasein und einige Zugänge lagerten noch im<br />
Über gabezustand. Im Hauptmagazin im Erdgeschoss war die Lage noch<br />
am besten, denn hier war seit 1992 durch die Neuverpackung der Hand -<br />
schriften in säurefreies Material jede Archivale an den richtigen Platz ge -<br />
langt. Nur die überall zwischen den verpackten Beständen liegenden Groß -<br />
formate waren beim Umzug in Gefahr, verloren zu gehen oder be schädigt<br />
zu werden. Sie mussten unbedingt umgelagert werden.<br />
Die Kellermagazine warteten gleich mit drei Schwerpunkten auf: dem In -<br />
sti tutsarchiv, der Nietzsche-Zeitungsausschnittsammlung (ZAS) und dem<br />
Theaterbestand. Ersteres war nur zum Teil verpackt, die ZAS lagerte in un -<br />
handlichen Kartons und die Regiebücher standen aufgereiht wie in einer<br />
Bibliothek.<br />
Am Ende des Rundgangs waren die wichtigsten Aufgaben klar:<br />
- Jeder Zugang muss einem Bestand zugeordnet werden.<br />
- Alle Archivalien müssen in einem Archivkarton verpackt sein.<br />
- Die Überformate müssen in Kartenschränken lagern.<br />
- Die Altregistratur der Stiftung muss einer Kassation unterzogen werden.<br />
Sobald diese Aufgaben erledigt sein würden, konnte der Umzug geplant<br />
werden.<br />
Mehrere hundert Archivkartons wurden neu bestellt, um alle Archivalien<br />
ver packen zu können. Zwei neue Kartenschränke wurden erworben, um<br />
die Überformate aufzunehmen, die noch bei den Beständen lagen. Die Alt -<br />
registratur wurde zu zwei Dritteln kassiert. Gleichzeitig wurde von Silke<br />
Henke und Irmgard Fliedner-Grandke eine Bestandsabgrenzung des Insti -<br />
tutsarchivs durchgeführt und der Bestand ab 2002 ins Schloss überführt.<br />
Da die Theaterbücher nicht in die üblichen Archivkartons passten, wurden<br />
kleine Umzugskartons für deren Verpackung bestellt. An den Verpac kungs -<br />
arbeiten beteiligten sich Susanne Busch, Susanne Fenske, Birgit Fiebig,<br />
Karin Ellermann, Jürgen Gruß, Barbara Friedrich, Maria Günther, Barbara
Hampe, Gabriele Klunkert, Inge Scholz, Alexander Rosenbaum, Andrea<br />
Trommsdorf, Maria Stroh und Susan Wagner. Allen sei hiermit gedankt.<br />
Nach diesen technischen Vorbereitungen wurden alle Bestände nach ihrer<br />
Bezeichnung und ihrem Umfang von Karin Ellermann in einer Liste erfasst,<br />
insgesamt 8120 Archivkartons 4 . Damit war der wichtigste Parameter be -<br />
kannt, und es begann die Suche nach einem geeigneten Ausweichquartier.<br />
Die einzuhaltenden Kriterien waren vorgegeben:<br />
- Das Archivgut muss sicher gelagert werden.<br />
- Die klimatischen Bedingungen müssen stimmen.<br />
- Die Bestände müssen benutzbar sein.<br />
Schnell stellte sich heraus, dass in Weimar ohne größere Investitionen nur<br />
ein Platz in Frage kam: das Thüringische Hauptstaatsarchiv. Die Verhand -<br />
lungen verliefen erfolgreich, und für uns wurde einer der modernen un -<br />
ter ir dischen Magazinräume im Marstall geräumt: das Grüne Maga zin. Lei -<br />
der reichte die zur Verfügung stehende Regalfläche nicht aus, alle Bestän -<br />
de mitzunehmen. 4 800 Kartons konnten untergebracht werden, der Rest<br />
musste in ein anderes Quartier. Da sich kein weiteres Objekt in der Stadt<br />
fand, sollten die restlichen Archivalien im Außendepot des Staats archivs<br />
in Zechau sicher und klimatisch stabil eingelagert werden, ohne benutzbar<br />
zu sein.<br />
Die Bestände wurden nun den Standorten zugeteilt. Nach sorgfältigen Über -<br />
legungen, die laufende Forschungsprojekte und kommende Vorhaben einschlossen,<br />
wurden nur einige Nachlässe wenig bedeutender Personen so -<br />
wie das umfangreiche Institutsarchiv und der Theaterbestand von der Mit -<br />
nahme ausgeschlossen, insgesamt 3 184 Archivkästen. Die Kernbestände<br />
und 105 weitere Nachlässe sowie acht institutionelle Bestände und die Au -<br />
to graphensammlung konnten im Staatsarchiv untergebracht werden. Die<br />
143 Kartons der ZAS konnten in die Steubenstraße 5 mitgenommen werden,<br />
um die weitere Bearbeitung durch die Projektstelle zu ermöglichen.<br />
Damit war die Unterbringung geklärt.<br />
Doch wie sollte der Transport zügig gewährleistet werden? Zu berücksichtigen<br />
war die vorhandene alphabetische Lagerungsfolge im Magazin. Doch<br />
diese traf nicht generell zu, da einige Bestände jüngeren Zugangs an anderen<br />
freien Plätzen eingelagert worden waren. Da auch nicht alle Nachlässe<br />
mitgenommen wurden, konnte nicht einfach Reihe um Reihe aufgeladen<br />
werden. Die Beschriftung der Archivkästen wies zwar den Bestands na -<br />
| 29<br />
4 Ein Archivkarton wiegt zwischen 3-6 kg. Nimmt man einen Durchschnittswert von 5 kg an, ergibt sich<br />
eine Papiermasse von ca. 40 t. Berechnet man wie üblich im Archiv die laufenden Meter (lfdm), indem<br />
man für einen Meter Regal drei Kästen annimmt, ergeben sich: ca. 2 700 lfdm.<br />
5 In der Steubenstraße in Weimar wurden Arbeitsräume für die Mitarbeiter des Archivs angemietet.
men, die Bestandsnummer und die innere Ordnung des Bestandes aus,<br />
aber bei einem Umzug würde das Ablesen dieser Informationen zu zeitaufwändig<br />
sein. Außerdem hatte jeder Bestand einen anderen Umfang.<br />
Während der von Bertuch beispielsweise 206 Archivkästen beanspruchte,<br />
reichten dem Bestand der Louise von Goechhausen drei. Jedes Mal aber be -<br />
gann die Zählung erneut mit Eins 6 . Es musste eine praktikable Methode<br />
ge funden werden, um schnell und gezielt packen zu können. Aber welche?<br />
Wolfgang Bock aus dem Thüringischen Hauptstaatsarchiv Weimar war be -<br />
reit, uns die Lösung zu verraten: »Zählen Sie die Archivkartons einfach<br />
von Eins an durch. Diesen Zahlen kann jeder folgen. Fehlt eine Zahl, fehlt<br />
eine Kiste. Das fällt sofort auf.« Gesagt, getan. Zuerst wurden die Regale<br />
nummeriert, dann die dicksten Edding-Schreiber gekauft, und Susan<br />
Wagner und Maria Stroh versahen alle Kästen gut lesbar mit einer fortlaufenden<br />
Zahl. Dies war eine konzentrierte Arbeit und auf Grund der<br />
Lagerung auch eine sportliche Herausforderung, denn die oberen Kästen<br />
standen 1,80 m hoch und die unteren nur 40 cm vom Boden entfernt. Es<br />
gab bei 8 000 Zahlen nur fünf Verschreibungen. Die Regalnummern und<br />
die fortlaufenden Zahlen wurden in die Liste übernommen. Beim Ausund<br />
Einräumen der Kästen brauchte jetzt nur der Zählung gefolgt zu werden.<br />
Ein einfaches und sicheres Prinzip. Das Problem war gelöst und die<br />
Liste komplett.<br />
Es ist immer noch Montag. Die große Eingangshalle füllt sich mit fahrbaren<br />
Bücherregalen, auf denen sorgfältig in Folie eingehüllt die Werke<br />
Goethes, Schillers, Wielands, Herders, Liszts und Nietzsches 7 stehen. Sie<br />
wer den gleich für eine lange Zeit das Archiv verlassen. Als die erste LKW-<br />
Ladung fertig ist, wird kurz beraten, wie der Transport und die Einlage -<br />
rung im Staatsarchiv erfolgen sollen. Dann rollt der erste Transport vom<br />
Gelände des Archivs. Nach einer kurzen Fahrt über die Kegelbrücke steht<br />
das Auto im Innenhof des Staatsarchivs. Hier ist alles vorbereitet. Das Tor<br />
zum Südflügel steht offen, Wolfgang Bock erwartet uns. Alle Regale werden<br />
in den Marstall gerollt und dann per Fahrstuhl in den Keller transpor -<br />
tiert. Hier geht die Fahrt weiter zum Grünen Magazin. Einige Kolleginnen<br />
überprüfen das Einlagern der Handschriften anhand der Liste. Alles geht<br />
ohne Probleme vonstatten. Die Vorarbeit hat sich gelohnt. 977 Archiv -<br />
kästen wurden umgelagert. Gegen 16 Uhr wird die Arbeit beendet. Es<br />
herrscht Erleichterung. Das System hat funktioniert. Auch wenn alle Um -<br />
zugsbeteiligten von der ungewohnten Anstrengung erschöpft sind, sind<br />
auch alle glücklich, diesen ersten Umzugstag ohne Probleme überstanden<br />
zu haben.<br />
6 Einige Bestände sind mit römischen Zahlen nummeriert, was das schnelle Lesen weiter erschwerte.<br />
7 Die Zimelien-Bestände wurden aus Sicherheitsgründen zuerst umgelagert.
Dienstag, 10. November 2009: Nachdem gestern die wertvollsten Bestände<br />
sicher im Staatsarchiv eingelagert wurden, werden heute die Nachlässe in<br />
alphabetischer Reihe aufgeladen, gesichert und abtransportiert. Es wird al -<br />
les genauso durchgeführt wie beim ersten Transport. Die Kästen 978 bis<br />
2 169 erreichen sicher ihr Ziel.<br />
Am Mittwoch sind alle ein wenig erschöpft. Die Umzugsfirma hat ein an -<br />
deres Team geschickt, so dass wieder eine kleine Einweisung notwendig<br />
ist. Gestern wurde der Transport mit dem Nachlass Henning beendet. Da -<br />
mit ist der untere Magazinteil bis auf einige wenige Kästen geleert. Heute<br />
werden vor allem Archivalien aus dem oberen Raum aufgeladen. Dies be -<br />
deu tet, dass die Archivkästen nicht einfach auf die bereitstehenden Roll -<br />
regale umgeladen werden können, denn die Verbindung zwischen dem<br />
oberen und unteren Teil des Magazins besteht aus einer steilen schmalen<br />
Eisentreppe. Vollgeladen können die Wagen nicht sicher nach unten transportiert<br />
werden. Um das ständige Treppensteigen zu vermeiden, werden<br />
die Archivkartons durch das Sicherheitsgeländer oberhalb der Treppe per<br />
| 31<br />
Umzug der Handschriften, November 2009
Hand durchgereicht. Die körperliche Anstrengung für die Transporteure<br />
ist enorm. Trotzdem erreichen wir bis zum Feierabend Kasten 3 061 mit<br />
dem Bestand Deutsche Schillerstiftung.<br />
Am Donnerstag ist absehbar, dass die Umlagerung ins Staatsarchiv beendet<br />
werden kann. Noch einmal müssen Archivkartons über die Treppe<br />
nach unten gereicht werden. Als letztes werden die sogenannten Sperr -<br />
schränke geleert. Hier lagerten einzelne Handschriften, deren Erhaltungs -<br />
zustand eine Benutzung nicht mehr zuließ. Stücke mit besonders schwerem<br />
Tintenfraß zum Beispiel oder die wertvolle Marienbader Elegie, deren<br />
Papier über die Jahrhunderte vergilbt und brüchig geworden ist.<br />
Als die letzten Kästen aus dem Erdgeschossmagazin aufgeladen werden,<br />
kommt die lokale Presse. Manfred Koltes hat dies so eingerichtet, um die<br />
Sicherheit des Umzugs nicht zu gefährden. Ein paar Fotos werden ge -<br />
schos sen, die Presse ist zufrieden.<br />
Zum Schluss müssen zwei Bestände aus dem Kellermagazin geholt werden:<br />
die Akten der Goethe-Gesellschaft und das hauseigene historische In -<br />
stitutsarchiv. Die fahrbaren Regale passen nicht in den Fahrstuhl. Deshalb<br />
werden die Kästen im Keller auf die Magazinwagen gestellt und nach<br />
oben gefahren. In der Eingangshalle erfolgt dann das Umladen. Die Maga -<br />
zin wagen sind eigentlich zu lang für den engen Fahrstuhl. Außerdem gibt<br />
es keine Sicherheitstür, nur eine Lichtschranke sichert Fahrgäste und La s -<br />
ten. Sollte während der Fahrt ein Wagen ins Rollen kommen, würde der<br />
Fahrstuhl stecken bleiben. Erst wenn jemand ihn per Hand auf eine Tür -<br />
ebene kurbeln würde, ließe sich die Tür wieder öffnen. Das darf nicht passieren,<br />
denn es würde unnötig Zeit und Kraft kosten. Doch Birgit Fiebig<br />
und Karin Ellermann haben Erfahrungen, wie man die Wagen schräg einstellt,<br />
um sie sicher zu transportieren. Dabei kann sogar eine Person mitfahren<br />
und ein Verrutschen verhindern. Während die Akten der Goethe-<br />
Gesellschaft aufgeladen werden, kommt der MDR, um einen kleinen Bei -<br />
trag für das Thüringen Journal zu drehen. Manfred Koltes und Karin Eller -<br />
mann geben kurze Statements ab, bei ihrer Arbeit werden die Transport -<br />
firma und im Staatsarchiv Barbara Hampe und Susanne Fenske beim<br />
Über prüfen der Einlagerung gefilmt. Die Filmarbeiten gehen schnell vonstatten<br />
und halten die Arbeit nicht auf. Nach dem Mittag ist es geschafft.<br />
Alle Archivkästen, die ins Staatsarchiv sollten, sind dort angekommen. Die<br />
Liste ist abgearbeitet. Es fehlt keine Zahl, alle Kästen sind da. Jetzt müssen<br />
noch die vier Kartenschränke mit den Überformaten zerlegt und aufgeladen<br />
werden. Auch dies geht ohne Probleme vor sich. Alle Handschriften<br />
erreichen sicher das Staatsarchiv.<br />
Es ist Freitag. Am Morgen werden die Möbel, PCs und Bücher aus dem<br />
Benutzersaal ins Staatsarchiv gefahren. Während einige Kolleginnen den
Benutzerbereich herrichten, damit das Staatsarchiv wie gewohnt am Mon -<br />
tag 8 seine Gäste empfangen kann, steht im Goethe- und Schiller-Archiv<br />
noch einmal eine gewaltige Umlagerung von Handschriften bevor. 3 184<br />
Archivkartons aus den Kellermagazinen sollen ins Außendepot des Thü -<br />
ringischen Hauptstaatsarchivs nach Zechau ausgelagert werden. Um nur<br />
einmal fahren zu müssen, wird zusätzlich ein Anhänger benutzt. Bereits<br />
am Donnerstagnachmittag war begonnen worden, die ersten Kästen zu<br />
ver packen. Doch der größte Teil muss am Freitagvormittag aufgeladen<br />
wer den. Noch einmal gilt es, vollen Einsatz zu zeigen. Wieder wird über<br />
den Fahrstuhl die Last nach oben transportiert. Kein Wagen bleibt stecken.<br />
Am frühen Nachmittag rollt der Transport in Begleitung von Manfred<br />
Koltes und Waldemar Görg nach Zechau. Alle Magazine sind leer, alle Posi -<br />
tionen auf der Umzugsliste abgehakt. Zurück bleiben große kahle Räume<br />
mit leeren Metallregalen. Irgendwie wirkt das Erdgeschoss gespenstisch.<br />
Im Keller gähnen die leeren Hebelschubanlagen. Die große Eingangstür<br />
und der Windfang werden geschlossen. In die Eingangshalle kehrt Ruhe<br />
ein. Der Umzug der wertvollen Bestände ist abgeschlossen. 9<br />
Karin Ellermann (Weimar)<br />
Archivarin, Leiterin des Magazindienstes im Goethe- und Schiller-Archiv<br />
| 33<br />
8 Das Thüringische Hauptstaatsarchiv hat freitags geschlossen, so dass ohne Störung der Benutzung der<br />
Einzug im Lesesaal vonstattengehen konnte.<br />
9 Bereits am 1. Dezember 2009 wurde die Benutzung der Originale im Lesesaal des Staatsarchivs wieder<br />
aufgenommen. Am 1. und 2. Dezember 2009 zog die Mikrofilmbenutzung in den Bereich Fotothek der<br />
Herzogin Anna Amalia Bibliothek um. In der Woche vom 10. bis 15. Dezember 2009 erfolgte der Umzug<br />
der Mitarbeiter samt Möblierung und PCs in die Büros der Steubenstraße. Am 1. Januar 2010 begann der<br />
reguläre Betrieb des Goethe- und Schiller-Archivs in drei Ausweichquartieren.
Wohnen im Archiv.<br />
Interview mit den Hausmeistern Monika und Norbert Schwanke<br />
Aufgeschrieben von Ulrike Bischof<br />
Bis zum baubedingten Auszug im August 2009 haben Monika und Norbert<br />
Schwanke 20 Jahre im Goethe- und Schiller-Archiv gewohnt und gearbeitet.<br />
Damit endete auch die Ära der Hausmeister- bzw. Dienerwohnungen<br />
im Archivgebäude, denn diese Räume werden nun als Büroräume für die<br />
Mit arbeiter eingerichtet. Zunächst war Familie Schwanke gemeinsam für<br />
die Hausmeister- und Reinigungsarbeiten zuständig, bevor Norbert<br />
Schwanke 2003 als Hausmeister in das damals noch im Bau befindliche<br />
Studienzent rum der Herzogin Anna Amalia Bibliothek wechselte, wo er<br />
heute nach wie vor tätig ist. Monika Schwanke ist seitdem allein als Haus -<br />
meisterin für das Goethe- und Schiller-Archiv verantwortlich.<br />
Seit wann sind Sie im Goethe- und Schiller-Archiv tätig?<br />
Wir arbeiten seit 1989 als Hausmeisterehepaar im Archiv. Damals suchten<br />
wir schon einige Zeit nach einer beruflichen Neuorientierung, und so war<br />
es ein glücklicher Umstand, als wir erfuhren, dass für das in Ruhestand ge -<br />
hende Ehepaar Günther eine Nachfolge im Archiv gesucht wurde. Nach<br />
vie lerlei Mühen und auch behördlichen Prüfungen, die das Wohnen in ei -<br />
nem gesicherten Gebäude erforderten, waren wir glücklich, als der Miet -<br />
ver trag mit den damaligen Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten<br />
(NFG) abgeschlossen werden konnte.<br />
Sind Sie im Nachhinein zufrieden mit Ihrer Entscheidung?<br />
Wir haben den Schritt nie bereut. Wir wohnten zuvor in der Innenstadt<br />
und hatten bei Spaziergängen schon häufig dieses Gebäude bewundert,<br />
von dem eine gewisse Faszination ausging. Und mit Blick auf die Woh -<br />
nungs situation 1989 erschien uns die in Aussicht stehende Archivwoh -<br />
nung mit fast 100 Quadratmetern schon beinahe palastartig. Wir hatten<br />
für uns und unsere damals 10-jährige Tochter endlich genügend Raum.<br />
Welchen Eindruck hatten Sie von Ihrer künftigen Wohnung?<br />
Wir waren schon erschrocken, wie abgewohnt sie war, da jahrelang keine<br />
Investitionen mehr getätigt worden waren. In unzähligen Stunden Eigen -<br />
leistung haben wir z. B. die Wasser- und Elektroinstallationen erneuert und<br />
anschließend alle Räume malermäßig vorgerichtet. Die Raumhöhe von<br />
vier Metern machte im Bad das Einziehen einer Zwischendecke erforderlich.<br />
1990 wurde mit dem Einbau einer neuen separaten Gasheizung für<br />
unsere Wohnung die Renovierung im Wesentlichen abgeschlossen.<br />
Hatten Sie Probleme, in einem gesicherten Gebäude zu wohnen?<br />
Anfangs hatten uns die vergitterten Fenster etwas gestört, aber das war
eine Frage der Gewöhnung. Wir haben uns sicher gefühlt. Und es hatte ei -<br />
ne weitere gute Seite, denn, waren wir einmal unterwegs, hat sich bei uns<br />
z. B. nie die Frage gestellt: »Hast Du das Fenster geschlossen?«, was ja bei<br />
einer Erdgeschosswohnung nicht ganz unwichtig war.<br />
Welche Vorteile sahen Sie im Alleinwohnen?<br />
Die ersten Jahre war um 16 Uhr Dienstschluss im Archiv. Wir hatten dann<br />
die Zeit, noch verschiedene lärmintensive Reparatur- und Reinigungsar -<br />
bei ten auszuführen, denn Ruhe im Haus war zur Dienstzeit oberstes Ge -<br />
bot. In unserer Freizeit spielten wir gern Federball auf dem Platz vor dem<br />
Archiv oder saßen einfach nur draußen und genossen die Aussicht. Wir<br />
kümmerten uns um den Garten sowie anfangs auch um die Streuobst wie -<br />
se zur Ilm hin, die damals noch ausschließlich von den NFG genutzt wur -<br />
de und zum Archivgelände gehörte. Die Wiese haben wir mit der Sense ge -<br />
mäht und das Gras zu Heu getrocknet. Wir haben Äpfel, Birnen, Pflaumen<br />
und Kirschen geerntet und auch an die Mitarbeiter des Archivs gegeben,<br />
bis sich die Versorgungslage geändert hatte und keiner dieses Obst mehr<br />
wollte. Das kleine Gärtchen mit der Laube haben wir auch zwei bis drei<br />
Jahre bewirtschaftet, aber das Unkraut gewann nach und nach immer wieder<br />
die Oberhand, da der Wind die Samen von der umliegenden Wiese ste-<br />
| 35<br />
Ehemaliger Geräteschuppen auf dem Archivgelände
tig herübertrug. Das endgültige Aus für den Garten kam, als der erste<br />
Präsident der Stiftung, Bernd Kauffmann, die Intention hatte, in dem Gar -<br />
ten eine »Denkerecke« einzurichten; aber daraus ist leider nichts geworden.<br />
Welches waren/sind Ihre Aufgaben als Hausmeister im Archiv?<br />
Alles, was bei dieser Art Tätigkeit an Aufgaben anfällt: kleinere Instand hal -<br />
tungsarbeiten innerhalb und außerhalb des Gebäudes, Bedienung der Haus -<br />
technik, die Sorge für Ordnung und Sicherheit im Haus und auf dem Au -<br />
ßen gelände, Brandschutz, Innenreinigung, Straßenreinigung und Winter -<br />
dienst sowie die Grünflächenpflege. Die Reinigung und Beräumung des<br />
langen Gehweges an der Jenaer Straße hatten wir zunächst per Hand erledigt<br />
und für den Schnee einen selbstgebauten Holzpflug benutzt. Heute<br />
erleichtern Kehrmaschine und Schneefräse die Arbeit. Weiterhin waren<br />
wir auch für die Objektsicherung verantwortlich. Eine Sicherheitsanlage<br />
mit Fenstersicherung und Bewegungsmeldern in den Räumen gab es be -<br />
reits. Anfang der 1990er Jahre wurde dann die gesamte Sicherheitstechnik<br />
mit Brandmelde- und Einbruchssicherung erneuert. Die Sicherung des<br />
Außenbereichs brachte damals immer wieder Ärger mit sich, denn die<br />
Zäu ne zur Abgrenzung des Archivgeländes reichten bis an das Ufer der<br />
Ilm hinab. Häufig wurden sie von Anglern niedergerissen oder Fotografen<br />
kletterten am Abend darüber, um die außergewöhnliche Aussicht vom<br />
Vor platz des Archivs auf die Altstadt für Aufnahmen zu nutzen. Mit der<br />
Einrichtung des Ilm-Radwegs und der Öffnung des unteren Geländes entspannte<br />
sich die Situation.<br />
Welche Aufgaben im Hausmeisteralltag machen Ihnen besonders Spaß und<br />
umgekehrt, welche nicht?<br />
Wir machen so gut wie alle anfallenden Arbeiten gern. Wie bei jeder anderen<br />
Tätigkeit hängt es natürlich auch ein wenig von der eigenen Tagesform<br />
ab, mit welcher Freude man diese oder jene Aufgabe angeht. Geärgert hat<br />
uns manches Mal das städtische Laub von den umliegenden Bäumen. Es<br />
sammelt sich grundsätzlich im Archivbereich.<br />
Wie oft hat die Sicherheitsanlage Alarm ausgelöst?<br />
Gezählt haben wir das natürlich nicht. Aber es war schon nicht angenehm,<br />
wenn mitten in der Nacht der pfeifende Signalton den Schlaf unterbrach.<br />
Ehe der Wachmann eintraf, begaben wir uns meist selbst auf die Suche<br />
nach der Ursache, was Zeit und Kosten sparte. Oft lag sie bei den Außen -<br />
fenstern, die entweder von den Mitarbeitern nicht richtig verschlossen<br />
oder vom Wind aufgedrückt worden waren. In Sturmnächten mussten wir<br />
regelmäßig zu den nach Westen gerichteten großen Fenstern im Mittel -<br />
saal, bei denen es wegen ihres altersbedingten Zustandes von technischer<br />
Seite her besonders schwierig war, einen ordnungsgemäßen Sicherungs -<br />
kon takt herzustellen. Mit den Jahren lernten wir auch die verschiedenen
Geräusche im leeren Archivgebäude zuzuordnen und einzuschätzen. Wir<br />
wussten ziemlich genau, was sich wo bewegt.<br />
Was hat sich mit der Zeit in Ihrer Tätigkeit verändert?<br />
Insgesamt ist die Verantwortung gestiegen, denn je moderner die Technik<br />
ist, desto anspruchsvoller ist ihre Bedienung.<br />
Wie war/ist Ihr Verhältnis zu den Direktoren und Mitarbeitern?<br />
Zu den vier Direktoren, die wir in den 20 Jahren im GSA erlebten – Pro -<br />
fessor Wahl, Professor Schmid, Dr. Golz und Dr. Fischer, hatten/haben wir<br />
einen guten Kontakt. Mit den Mitarbeitern, das liegt in der Natur der<br />
Dinge, gab und gibt es schon die eine oder andere, insgesamt aber zu vernachlässigende,<br />
Begebenheit. In dieser Hinsicht hatte das Wohnen im Ar -<br />
chiv für uns auch sein Gutes: Wir mussten im Urlaub immer wegfahren.<br />
Denn bei auftretenden Problemen im Haus wurde oft kein Unterschied ge -<br />
macht, ob wir frei hatten oder nicht.<br />
Gab es besondere Erlebnisse mit Tieren in und am Gebäude?<br />
Ja, sehr viele. Beispielsweise hatte ein Reh aus dem nahen Webicht auf der<br />
Wiese zwei Junge geboren. Lange Zeit hatten wir ein handzahmes Enten -<br />
pär chen am Haus, zu dem sich bald ein weiterer Erpel gesellte. Sie hatten<br />
| 37<br />
Die abgehängte Decke in der Hausmeisterwohnung vor der Entkernung, Juli 2010
sogar Eier gelegt. Auf der Straßenkreuzung mussten wir einmal einen<br />
Schwan einfangen, der schon ein Verkehrschaos verursacht hatte, und ihn<br />
wieder zurück an die Ilm bringen. Die Eichhörnchen tummelten sich in<br />
den Haselnusssträuchern, Igel liefen durch die Wiesen bis an das Haus,<br />
eine Ratte durchwühlte das Rosenbeet und Wühlmäuse machten sich<br />
unterm Pfeiler am Nordtor zu schaffen, worauf das Sandbett über 20 cm<br />
einsank, und wir mussten uns Gedanken über die Standfestigkeit machen.<br />
Und natürlich waren alle einheimischen Vögel in den Bäumen und Bü -<br />
schen zu Gast, die wir in jedem Winter gern mit bis zu 75 kg Futter versorgt<br />
haben. Im Gebäude selbst blieben wir nicht verschont von Ameisen<br />
im Erdgeschoss und einer Maus im Kellermagazinbereich, die übrigens<br />
der einzige unbefugte Eindringling in all den Jahren war. Größeren Auf -<br />
wand erforderten die Wespennester in den Kästen der alten Rollläden im<br />
neuen Lesesaal, an deren Beseitigung Imker, Schädlingsbekämpfer und<br />
Feu erwehr beteiligt waren.<br />
Welche denkwürdigen Erlebnisse gab es?<br />
Zu den Randerscheinungen des Ilm-Hochwassers 1994 zählte der kom -<br />
plet te Stromausfall im Archivgebäude, da das uns versorgende Trafohäus -<br />
chen am Ufer der Ilm unter Wasser stand. Für 14 Tage wurde die Strom -<br />
versorgung mit einem Dieselgenerator sichergestellt. Weniger schön war<br />
in den letzten zwei Jahren die Ungewissheit im Zusammenhang mit der<br />
anstehenden Sanierung des Archivgebäudes. Das lange Hin und Her, ob<br />
wir nun ausziehen müssen oder nicht, zehrte schon an den Nerven. Es<br />
dau erte Monate, ehe feststand, dass nach dem Umbau keine Hausmeister -<br />
wohnung mehr zur Verfügung steht. Und dass wir die Wohnungskün di -<br />
gung zu Weihnachten am 24. Dezember 2008 erhalten haben, hat das un -<br />
angenehme Gefühl noch vergrößert. Aber im Nachhinein sind wir natürlich<br />
froh, dass wir nicht im Archiv wohnen geblieben sind, denn die Bau -<br />
maßnahmen waren doch um vieles umfangreicher als zuerst vorgesehen.<br />
Wie alle anderen freuen auch wir uns auf die Fertigstellung der Bauar -<br />
beiten, und [Monika Schwanke] ich mich auf die neuen Aufgaben.<br />
Liebe Frau Schwanke, lieber Herr Schwanke, vielen Dank für das Gespräch!
Dorothea Kuhn<br />
Erinnerungen an das Goethe- und Schiller-Archiv<br />
Für Renate Grumach zum 85. Geburtstag<br />
Dankbar bin ich dafür, im hohen Alter noch erleben zu dürfen, dass das<br />
Goethe- und Schiller-Archiv nach umfangreichen Aktionen wieder zur<br />
Auf nahme seiner Bestände bereit ist. Besichtigungen können wieder stattfinden,<br />
Benutzer werden ein- und ausgehen und in das Wesen eines literarischen<br />
Archivs, in die Geheimnisse der Nachlässe eingeführt werden.<br />
Es ist viele Jahre her und nicht sicher, wann wir Kinder vom Wohnort<br />
Halle an der Saale nach Weimar gelangt sind und das auffällige Gebäude<br />
hoch über der Ilm an der Straße nach Jena zuerst bemerkt haben. Jeden -<br />
falls erklärte der Vater, der uns in die Kunst- und Bildungswelt des Bau -<br />
hauses einführen wollte, was da doch für ein unbescheidener Klotz in seinem<br />
historistischen Kostüm über der Altstadt von Weimar errichtet worden<br />
sei. Näherkommend vermutete man im Erdgeschoss eine Hausmeis -<br />
ter wohnung und ein Foyer hinter dem rückwärtigen Haupteingang. In<br />
dem ersten Obergeschoss stellte man sich nach der Ilm zu einen dreigliedrigen<br />
Saal vor, dessen Mitte, vom Fluss aus betrachtet, als Risalit mit Säu -<br />
len und hohen Fenstern ausgestattet ist. Von der Straßenseite her sieht<br />
man das Treppenhaus des Gebäudes, das ebenso mit einem geschmückten<br />
Mittelrisalit vorspringt. Darüber erhebt sich ein zweites Obergeschoss mit<br />
kleineren Räumen und ein halbhohes Dachgeschoss mit flachem Dach.<br />
Der Inhalt und der Zweck des Gebäudes blieben den Kindern vorerst un -<br />
klar. Sie hörten »Archiv« und »Nachlässe«, und dass die Großherzogin<br />
Sophie das Gebäude habe erbauen lassen, um zuerst die schriftliche Hin -<br />
ter lassenschaft Goethes, dann auch die von Schiller und von weiteren<br />
Schrift stellern einzubringen.<br />
Als später mein älterer Bruder berichtete, dass er bei einer Klassenreise in<br />
Goethes Haus naturwissenschaftliche Sammlungen und die Bibliothek ge -<br />
sehen habe, dass man Experimente zur Farbenlehre nach des Dichters<br />
schrift lichen Anweisungen machen durfte, erwachte auch bei mir der<br />
Wunsch, dies alles näher kennen zu lernen, der Wunsch nach Teilhabe.<br />
1941, noch vor der kriegsbedingten Aus- bzw. Umlagerung eines großen<br />
Tei les der Museums- und Archivbestände, wurde den Abiturklassen unserer<br />
Schule eine Reise nach Weimar zu den »Schiller-Festspielen der deutschen<br />
Jugend« angeboten. Das bedeutete: Festakt, Theater mit Dramen<br />
und Wagner-Oper, Konzert und Besichtigungen für eine Woche unter der<br />
Leitung des Klassenlehrers und in Begleitung der Deutsch-Lehrerin. Sie<br />
wohnte im Haus der Frau von Stein. Die Schülerinnen hatten Privatquar -<br />
| 39
tiere. Ich wohnte »An der Ackerwand« gegenüber von Goethes Haus gar -<br />
ten. Das Quartier ist später durch Bomben zerstört worden. Es war eben<br />
Krieg. Das Goethe-Haus wurde dann auch ausgeräumt und bekam noch<br />
Bom benschäden.<br />
Jetzt aber zurück in das Jahr 1941 und auf die Kegelbrücke, von wo aus wir<br />
über die Ilm zum Haupteingang des Goethe- und Schiller-Archivs gelangten.<br />
Ich erkannte sofort den Klotz und war glücklich, eintreten zu dürfen<br />
in das untere Foyer und das wirklich viel Raum einnehmende Treppen -<br />
haus. Es war von innen her gesehen wohlproportioniert, großzügig und<br />
voller Licht, da konnte man sich die Großherzogin mit ihrem Gefolge vorstellen<br />
und ahnte, dass der Architekt wohl auf ihre Wünsche besonders<br />
eingegangen war.<br />
In dem Saal des ersten Obergeschosses empfing uns der Philologe Max<br />
Hecker zu einer Führung über Goethes Nachlass. Er hatte an der Gesamt -<br />
ausgabe der Werke, Briefe und Tagebücher Goethes, der Weimarer So -<br />
phien -Ausgabe, mitgewirkt. Als Mitarbeiter des Hauses machte er offensichtlich<br />
gerne solche Führungen, und wir waren aufmerksame Zuhörer.<br />
Zunächst erklärte er uns, dass diese größeren Räume nicht nur als Festund<br />
Ausstellungssäle dienten, sie enthielten auch das Archivgut. In der<br />
Mit te der Räume standen Gruppen von Kommoden mit verglaster Be -<br />
deckung. Unter dem schützenden Glas lagen Papiere mit Texten und<br />
Zeich nungen, auch Bücher und kleine Gegenstände. Stoffdecken konnten<br />
aufgelegt und abgenommen werden, um in Ruhezeiten die empfindlichen<br />
Ausstellungsstücke vor dem Licht zu schützen. Die Hauptmenge des<br />
Schreib gutes ruhte in Mappen und Kästen in massiven Schränken, die an<br />
den Wänden aufgereiht waren. Auf halber Höhe gab es umlaufende Ga -<br />
lerien, die ebenfalls mit Schränken besetzt waren. Wenn man im Laufe der<br />
Zeit das kostbare Material nicht genügend gegen Diebstahl, Feuer oder<br />
Ungeziefer geschützt fand, so ist zu bedenken, dass das Goethe- und Schil -<br />
ler-Archiv als erstes deutsches Literaturarchiv gilt und dass es noch keine<br />
Erfahrungen auf diesem Gebiet gab. Die waren hier zu sammeln. Und<br />
auch die Art, in der man die Bestände ordnen und verzeichnen wollte, war<br />
noch nicht festgelegt. Jedenfalls griff Hecker, scheinbar willkürlich, in ei -<br />
nen der Behälter und holte wie ein Zauberer zufällig mit Versen beschriebene<br />
Blätter heraus. Sie enthielten verschiedene Fassungen von Goethes<br />
Ge dicht »An den Mond«, die er kundig interpretierte. Er machte uns auf<br />
die Möglichkeiten aufmerksam, durch die Edition und den Vergleich der<br />
verschiedenen Formulierungen eines Textes den Grundgedanken des<br />
Dich ters näherzukommen. So verstand er kritische Edition und Interpre -<br />
tation als sich ergänzende Mittel zur Erschließung von literarischen Wer -<br />
ken. Und so beruhte das Verständnis der Texte eben gerade auf dem, was<br />
im Archiv bereitgestellt werden konnte.
Wir, die vor der Berufswahl standen, hätten uns vielleicht gerne für eine<br />
Ausbildung solcher Art entschlossen. Was Hecker darstellte, war verführe -<br />
risch: Man konnte sich in das Licht des Mondes, in das Ilmtal versetzen<br />
und verstand etwas von Goethes Bemühung um Bindungen und Freiheit<br />
in Weimar. – Aber es war Krieg, und wir mussten uns zu einer Berufs -<br />
ausbildung verpflichten, die dem Wohl unseres Landes diente. Darauf be -<br />
ruhte die Zulassung zum Studium. So ging mein Antrag auf Chemie; in<br />
Physik, biologische Fächer und in Geschichte der Wissenschaften konnte<br />
man hineinschauen. Das schien meinem jugendlichen Realismus nahe zu<br />
liegen.<br />
| 41<br />
Goethe- und Schiller-Archiv, Innenansicht 1. Obergeschoss 1954<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 150/1114
1945 war der Krieg beendet. Die Sieger teilten Deutschland, und es gab ein<br />
Hin und Her der Truppen. Die amerikanischen Besatzer verließen das östliche<br />
Deutschland; die sowjetischen zogen hier ein. Kurz entschlossen nahmen<br />
die Amerikaner eine Reihe von deutschen Naturwissenschaftlern in<br />
einem Güterzug mit nach Westdeutschland. Ich war studentische Hilfs -<br />
kraft im Institut für physikalische Chemie der Universität in Halle und<br />
fuhr mit diesem Zug nach Darmstadt. Die Amerikaner kümmerten sich<br />
nicht weiter um uns; und so habe ich erst einmal eine abgekürzte Lehrer -<br />
ausbildung für Volksschulen gemacht, das entsprechende Examen abgelegt<br />
und eine Zeit lang Kinder unterrichtet. Als die Mainzer Universität<br />
wieder eröffnet worden war, konnte ich 1952 das Studium mit einer morphologischen<br />
Dissertation (zur Symmetrie bei höheren Pflanzen) abschließen.<br />
Nun unterstützte mich die Deutsche Forschungsgemeinschaft mit ei -<br />
nem Stipendium für die Mitarbeit an der historisch-kritischen Ausgabe<br />
von Goethes Schriften zur Naturwissenschaft, die im Auftrag der Deut -<br />
schen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle von Wilhelm Troll<br />
und Karl Lothar Wolf herausgegeben wurde und die im Verlag Hermann<br />
Böhlaus Nachfolger in Weimar ab 1947 erschien. So bin ich denn doch bei<br />
Goethe gelandet.<br />
Jetzt wurde es also wirklich wahr mit dem Goethe- und Schiller-Archiv.<br />
1952 kam ich zum ersten Mal als Benutzerin hinein. Das Zimmer der Be -<br />
nutzer hatte die Nummer 11; man sprach von »der Elf«. Das hatte eine ge -<br />
wisse Vertraulichkeit; man wusste aber auch, dass man die Höhen der ge -<br />
genüberliegenden Direktionszimmer noch nicht erreicht hatte. Auch ging<br />
unser Dienstweg zur »Elf« in der 1. Etage nicht über die große Treppe, sondern<br />
durch an der Jenaer Straße gelegene Türen zur Hausmeisterei und<br />
auf einer Seitentreppe an einem Kontrollfenster vorbei. Zeitweise las man<br />
dort auf einem Spruchband die Aufschrift: »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist<br />
besser.« Wogegen ich, weil ich es der Würde des Hauses nicht entsprechend<br />
fand, Protest erheben wollte. Ob ich wirklich protestierte? Ich weiß<br />
es nicht mehr. Prinzipiell war ich ohne Proteste. Ich fühlte mich als Gast<br />
und wurde im Allgemeinen auch so behandelt.<br />
Von den Miseren der Grenzübergänge und Polizeian- und -abmeldungen<br />
will ich hier nicht sprechen. Ich habe auch mehr Komisches als Schlimmes<br />
erlebt. Täglicher Ärger war aufgehoben, wenn wir ein interessantes Buch<br />
ergatterten, wir erfreuten uns an einem hellen, warmen Tag, an schöner<br />
Mu sik. Im Winter, wenn es mit der Heizung gar nicht gehen wollte, muss -<br />
ten wir uns in einem Saal des Stadtschlosses einrichten. Ich sage nun<br />
„wir“. Weimar ist ein Ort, an dem sich schnell Interessengemeinschaften<br />
bilden.<br />
Zunächst war es Leiva Petersen, mit der mich bald eine enge Freundschaft<br />
und auch eine Wohngemeinschaft verband. Sie machte mich mit Liese -
lotte Blumenthal bekannt, aus deren enger Tätigkeit als Schiller- und<br />
Goethe-Herausgeberin ich nicht nur Fragen beantwortet bekam, sondern<br />
auch zu belehrenden Ausflügen der Schiller-Kommission mitgenommen<br />
wurde. Aus Hallenser Schulbekanntschaft traf ich Renate Fischer-Lamberg<br />
im Goethe- und Schiller-Archiv. Sie hatte schon ein besonderes Arbeits -<br />
zimmer, in das ich während meiner Aufenthalte in Weimar nach einiger<br />
| 43<br />
Johann Wolfgang von Goethe, An den Mond<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 25/W 1
Zeit mit einziehen durfte. Sicher habe ich sie mit Berichten und Fragen oft<br />
gestört – aber unsere Freundschaft, jetzt zu Renate Grumach, hat gehalten.<br />
Sie war an der Herausgabe von Goethes Gedichten des »West-östlichen<br />
Divan« beteiligt, ich hatte Goethes Hefte »Zur Morphologie« vor mir, das<br />
war eine besonders bereichernde Zeit für mich. – Wir sind noch bis in die<br />
letzten Jahre gemeinsam ins Goethe- und Schiller-Archiv gegangen, jetzt<br />
durch den Haupteingang.<br />
Aber bei den ersten Besuchen, die ich als Benutzerin unternahm, musste<br />
ich mich mit der Arbeit an den Handschriften noch gedulden. Ich bekam<br />
erst viele Jahre später Einblick in Dokumente aus dieser Zeit, die Auf -<br />
schluss über die Gründe der Zögerung verrieten: Der Direktor des Goetheund<br />
Schiller-Archivs war 1952 Gerhard Scholz, er wollte verhindern, dass<br />
das Archivgut für Editionen außerhalb der DDR genutzt werden könnte.<br />
Aber die Nutzer waren in unserem Falle die Leopoldina-Akademie in Halle<br />
und der Böhlau-Verlag in Weimar; nur die Herausgeber und Mitarbeiter<br />
waren unter die »Kapitalisten« zu rechnen. So war es nach längeren Ver -<br />
hand lungen dem Präsidium der Leopoldina und der Verlagsleitung, Leiva<br />
Petersen, gelungen, die Handschriften des Archivs für die Ausgabe, die<br />
jetzt »Leopoldina-Ausgabe« hieß, freizugeben.<br />
Aber, wie benutzte man denn eigentlich in diesen lange vergangenen Zei -<br />
ten die Archivalien? Junge Menschen werden das gar nicht mehr wissen,<br />
wenn sie ältere Editionen auf den Bildschirm rufen. An schriftliche Anwei -<br />
sungen zur Benutzung kann ich mich nicht erinnern. Ebenso wenig an<br />
Ver zeichnisse des Archivgutes oder auch nur vom Inhalt der Schränke.<br />
Man wusste nur, dass in den Schränken die Handschriften etwa nach<br />
ihrem Druckort in der Weimarer Ausgabe abgelegt waren. Man bekam sie<br />
von der Aufsicht im Benutzerraum oder vom Hausmeister, der auch sonst<br />
mit der Ordnung des Archivgutes zu tun hatte. Manchmal durfte man<br />
auch selbst an die Schränke gehen. Mit dem »ausgehobenen« Material saß<br />
man dann jedenfalls wieder am Arbeitsplatz, und nun begriff ich auch,<br />
warum das eigentlich in »der Elf« sein sollte. Dort hatte man um sich<br />
herum Bücherregale mit Werkausgaben und Nachschlagwerken, Wörter -<br />
bü chern und Atlanten, in denen man sich orientieren konnte. Zwischen<br />
den Fenstern gab es Schreibtische mit hohen Regalaufsätzen, auf denen<br />
die Benutzer einen »Apparat« zusammenstellen konnten, wenn sie längere<br />
Zeit hier zu tun hatten. Als Anfänger hatte ich zuerst einen altmodischen<br />
Tisch mit gekreuzten Beinen. Man nannte das einen »Luther-Tisch«.<br />
Er stand in der Mitte des Raumes.<br />
Hier begann also meine Arbeit in diesem Literaturarchiv. Es war nicht et -<br />
wa alles, was für die »Leopoldina-Ausgabe« getan werden mußte, aber die<br />
Textkritik war ein zeitaufwändiger und wichtiger Teil und eine der Grund -<br />
lagen für die Erläuterung von Goethes naturwissenschaftlichen Texten. Es
handelt sich dabei eigentlich um ein Vergleichen – Kollationieren, sagt<br />
man – der gewählten Textgrundlage mit den Abweichungen anderer Text -<br />
zeugen. Das Ergebnis nennt man »Lesarten«. In ihnen kann man festhalten<br />
und beurteilen, was der Autor ausdrücken wollte. Es blieb nicht bei<br />
dem handschriftlichen Zusammentragen des Lesartenapparates, er musste<br />
mit der Schreibmaschine in eine druckfertige Form gebracht werden. Das<br />
ging nicht am »Luther-Tisch«, auch nicht in irgendeinem Zimmer, das<br />
man nicht für sich allein hatte. Man machte es zu Hause; im Archiv war<br />
die Maschine zu laut. – Jedenfalls befindet man sich bei dieser Tätigkeit im<br />
Umkreisen des Sinnes von Dichtung oder Wissenschaft, und das ist im<br />
Hinblick auf die Schriften Goethes etwas Außerordentliches.<br />
Nun könnte ich fortfahren in der Geschichte meiner Begegnungen mit diesem<br />
Goethe- und Schiller-Archiv. Es gibt genug Ereignisse in den folgenden<br />
Jahren, die, sich abwechselnd und wiederholend, interessant wären,<br />
ver zeichnet zu werden. Aber die Zeit drängt, und der Umfang dieser Hefte<br />
lässt das nicht zu. So ist es nur möglich, darauf hinzuweisen, was sich in<br />
diesem Haus, dem modernen Literaturarchiv, von den fünfziger Jahren des<br />
vorigen Jahrhunderts an unter verschiedenen Direktoren entwickelt hat<br />
auf der langen Strecke, die ich es benutzen durfte, für mich besonders un -<br />
ter der Leitung von Karl-Heinz Hahn, wie z. B. die Verlagerung und Si che -<br />
| 45<br />
Goethe- und Schiller-Archiv, Benutzersaal 1970er Jahre<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 150/1114
ung des Magazins im Erdgeschoss, die Erweiterung der räumlichen Mög -<br />
lichkeiten durch Einzug von Zwischendecken, die Einrichtung neuer Be -<br />
nut zerräume, der Ausbau der Benutzer-Bibliothek und die Erweiterung<br />
der technischen Möglichkeiten, die Erstellung von Findbüchern, die Siche -<br />
rung der Handschriften durch Verfilmung sowie die Einrichtung des Be -<br />
nutzercafés –––<br />
Ich bin dankbar, wieder in Weimar zu sein.<br />
Professor Dr. Dorothea Kuhn (Weimar)<br />
Chemikerin und Biologin, seit 1952 Bearbeiterin und von 1964 bis 2011<br />
Herausgeberin der Leopoldina-Ausgabe »Goethe – Die Schriften zur<br />
Naturwissenschaft«
II Unbekanntes aus dem Goethe- und Schiller-Archiv<br />
Eva Beck<br />
Das erste Findbuch des Archivs –<br />
Kräuters »Repertorium über die Goethesche Repositur«<br />
Die Schätze eines Archivs erschließen sich dem interessierten Besucher<br />
nicht auf den ersten Blick. Auch in einem Literaturarchiv wird das Be -<br />
wahr te erst nach ordnender Vorarbeit der Archivare in Verzeichnissen<br />
über schaubar und damit nutzbar gemacht. Ein sogenanntes Findbuch<br />
weist den Weg durch einen Archivbestand oder Nachlass zu den Doku -<br />
men ten, die der Wissenschaftler für seine Forschungen oder Publikations -<br />
vorhaben benötigt. Die Findbücher oder »Repertorien« sind zugleich auch<br />
Nachweis des Vorhandenen zu einem bestimmten Zeitpunkt, im rechtlichen<br />
Sinne also Dokumente über den Besitz eines Archivs. Je älter ein<br />
solches Verzeichnis ist, d. h. je länger es mit der Überlieferungsgeschichte<br />
eines Bestandes verknüpft ist, umso wichtiger und interessanter ist es na -<br />
türlich. Ein überzeugendes Beispiel dafür bildet das im Folgenden vorgestellte<br />
»Repertorium über die Goethesche Repositur«.<br />
Es handelt sich dabei keineswegs um ein völlig unbekanntes Dokument.<br />
Wer immer sich mit Goethes Arbeitsweise oder der Druckgeschichte seiner<br />
Werke und hier speziell der »Ausgabe letzter Hand« bei Cotta befasst<br />
hat, ist auf die Erwähnung dieses Verzeichnisses von der Hand des Sekre -<br />
tärs Friedrich Theodor David Kräuter gestoßen. Es ist die erste authentische<br />
Übersicht über die Hauptmenge der zu Goethes Lebzeiten in seiner<br />
»Repositur«, d. h. in seinen Schränken und Regalen, abgelegten Papiere und<br />
damit sozusagen das erste Findbuch zum späteren handschriftlichen Nach -<br />
lass Goethes, der Keimzelle des heutigen Goethe- und Schiller-Archivs. 1<br />
Im Mai 1822 2 , zehn Jahre vor seinem Tode, beschließt Goethe, mit einer<br />
neuen Werkausgabe »die Summe seiner Existenz« zu ziehen 3 und gleichzeitig<br />
die Fortsetzung seiner »Annalen« in Angriff zu nehmen. Es ist ein<br />
ehrgeiziges und arbeitsintensives Unternehmen, zu dessen Durchführung<br />
er zunächst einmal das vorhandene Material, sein »Archiv des Dichters<br />
| 47<br />
1 Vgl. z. B. Goethe-Handbuch. Hrsg. von Bernd Witte, Theo Buck u. a. Bd. 4.1: Stuttgart, Weimar 1998,<br />
S. 73–78. - Goethe und Cotta. Briefwechsel 1797–1832. Textkritische und kommentierte Ausgabe. Hrsg.<br />
von Dorothea Kuhn. Bd. 3.2: Stuttgart 1983, S. 84. – Karin Ellermann: Weimar den Vorzug zu sichern ...<br />
Aus der Geschichte des Goethe- und Schiller-Archivs von 1885 bis 1945. Erfurt 2011, S. 11–13.<br />
2 Vgl. Tagebuch vom 1. und 2. Mai 1822. In: Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie<br />
von Sachsen (Weimarer Ausgabe; künftig WA). Abt. III: Tagebücher, Bd. 8, S. 191 und 192.<br />
3 Verändertes Zitat aus Goethes Brief an Schiller vom 27. August 1794. In: WA, Abt. IV: Briefe, Bd. 10,<br />
S. 184.
Repertorium über die Goethesche Repositur, Titelblatt<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 39/I,1a
und Schriftstellers« 4 sichten muss: »Übersah ich nun öfters die große Mas -<br />
se, die vor mir lag, gewahrte ich das Gedruckte theils geordnet, theils ungeordnet,<br />
theils geschlossen, theils Abschluß erwartend, [...] so fühlte ich<br />
mich in wehmüthige Verworrenheit versetzt, aus der ich mich, einzelne<br />
Versuche nicht abschwörend, auf eine durchgreifende Weise zu retten<br />
unternahm. Die Hauptsache war eine Sonderung aller bei mir ziemlich or -<br />
dentlich gehaltenen Fächer, die mich mehr oder weniger, früher oder später<br />
beschäftigten; eine reinliche ordnungsgemäße Zusammenstellung aller<br />
Papiere, besonders solcher, die sich auf mein schriftstellerisches Leben be -<br />
ziehen, wobei nichts vernachlässigt noch unwürdig geachtet werden sollte.«<br />
5<br />
Goethe wäre nicht er selbst, wenn er nicht die Öffentlichkeit an seinen Plä -<br />
nen und diesbezüglichen Arbeitsschritten teilhaben ließe. Er benutzt die<br />
von ihm herausgegebene Zeitschrift »Ueber Kunst und Alterthum«, um ab<br />
1823 mehrfach über den Fortgang seiner Arbeiten an den »Lebensbe kennt -<br />
nissen«, der »Vorbereitung zu einer echten Ausgabe« seiner Werke und<br />
der »Sicherung meines literarischen Nachlasses« Auskunft zu geben. 6 –<br />
Über den Abschluss der vorbereitenden Ordnungsarbeiten kann er be -<br />
richten: »Dieses Geschäft ist nun vollbracht; ein junger, frischer, in Biblio -<br />
theks- und Archivsgeschäften wohlbewanderter Mann hat es diesen Som -<br />
mer über dergestalt geleistet, daß nicht allein Gedrucktes und Unge -<br />
drucktes, Gesammeltes und Zerstreutes vollkommen geordnet beisammen<br />
steht, sondern auch Tagebücher, eingegangene und abgesendete Briefe in<br />
einem Archiv beschlossen sind, worüber nicht weniger ein Verzeichniß,<br />
nach allgemeinen und besonderen Rubriken, Buchstaben und Nummern<br />
aller Art gefertigt, vor mir liegt, so daß mir sowohl jede vorzunehmende<br />
Arbeit höchst erleichtert, als auch den Freunden, die sich meines Nachlas -<br />
ses annehmen möchten, zum besten in die Hände gearbeitet ist.« 7<br />
Der tüchtige junge Mann ist Friedrich Theodor David Kräuter (1790–1856),<br />
der seit 1814 in Goethes Diensten steht und seit 1816 außerdem an der<br />
großherzoglichen Bibliothek als Sekretär angestellt ist. Bereits am 6. Mai<br />
1822 beginnt er mit den gewünschten Ordnungsarbeiten 8 , und als der<br />
Dich ter nach seinem Sommeraufenthalt in Böhmen Ende August wieder<br />
in Weimar eintrifft, findet er »Kräuters Repertorium über meine sämmt-<br />
| 49<br />
4 Titel eines Aufsatzes (nur im Inhaltsverzeichnis) in: Ueber Kunst und Alterthum, Bd. IV.1. Stuttgart<br />
1823, S. 174–178. (Auch in: WA, Abt. I: Werke, Bd. 41.2, S. 25–28.)<br />
5 WA, Abt. I: Werke, Bd. 41.2, S. 26–27.<br />
6 Vgl. Ueber Kunst und Alterthum, Bd. IV.1, S. 172–181; Bd. IV.2, S. 184–186; Bd. IV.3, S. 151–156.<br />
7 WA, Abt. I: Werke, Bd. 41.2, S. 27.<br />
8 Tagebucheintrag vom 7. Mai 1822: »Kräuter arbeitete seit gestern, alle Acten und Documente auf mich<br />
und meinen Wirkungskreis bezüglich aufzustellen und in Ordnung zu bringen.« WA, Abt. III: Tagebücher,<br />
Bd. 8, S. 193.
Repertorium über die Goethesche Repositur, Inhaltsverzeichnis<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 39/I,1a
lichen Werke, Schriften und litterarischen Vorrath« 9 vor. Im Laufe des Sep -<br />
tembers wird unter Goethes Aufsicht das Repertorium fertiggestellt und<br />
revidiert. 10<br />
Der in braune marmorierte Pappe gebundene Band von 20,8 x 33,5 cm<br />
Größe erfasst alle schriftlichen Unterlagen in 27 Rubriken, über die ein In -<br />
haltsverzeichnis Auskunft gibt.<br />
Inhalt.<br />
Pag.<br />
Eigen Biographisches 1.<br />
Auf mich und meine Werke Bezügliches 5.<br />
Eigen Literarisches 9.<br />
Eigen Poetisches 15.<br />
Meine Tagebücher 23.<br />
Eignes Gedrucktes 27.<br />
Correspondenz 31.<br />
Eignes und Fremdes über bildende Kunst 39.<br />
Theater 43.<br />
Baukunst 45.<br />
Kunst und Alterthum (Journal.) 47.<br />
Chromatica 49.<br />
Naturlehre, Chemie und Physik 55.<br />
Mineralogie und Bergwerkskunde 59.<br />
Naturgeschichte, und Botanik 65.<br />
Vergleichende Anatomie und Morphologie 69.<br />
Eigene Reisen 73.<br />
Fremde Reisen 79.<br />
Auswaertige Angelegenheiten 81.<br />
Herausgabe der Goetheschen Werke u. einzeln: Schriften 87.<br />
Antiquarisches, auf Kunst und Wissenschaft bezüglich 91.<br />
Auf Jena Bezügliches 95.<br />
Hiesige Angelegenheiten 99.<br />
Fremd Literarisches und Poetisches 105.<br />
Fremd Biographisches 111.<br />
Privat Angelegenheiten u. eigene Geschaefte 115.<br />
Varia 119.<br />
Man bemerkt, dass diese Ordnungsgruppen nach keinem einheitlichen Sys -<br />
tem angelegt sind. Sie folgen überwiegend thematischen Bezügen in Form<br />
| 51<br />
9 Tagebucheintrag vom 2. September 1822. Ebd., S. 235.<br />
10 Vgl. Tagebucheintrag vom 20. September 1822: »Fortgesetzte Revision des Catalogs der Repositur.«<br />
Ebd., S. 241.
Repertorium über die Goethesche Repositur, Eigen Biographisches<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 39/I,1a
von Sachakten (»Auf mich und meine Werke Bezügliches« 11 ; »Auswaertige<br />
Angelegenheiten«; »Auf Jena Bezügliches« usw.) oder rein inhaltlichen<br />
Kri te rien (»Eignes und Fremdes über bildende Kunst«; »Theater«; »Bau -<br />
kunst«; »Chro matica«; »Naturlehre, Chemie und Physik«; »Mineralogie und<br />
Bergwerks kun de«; »Naturgeschichte und Botanik«; »Vergleichende Anato -<br />
mie und Morpholo gie«). Eine Sonderstellung nehmen die nach Schriftgut-<br />
Art angelegten Rubriken »Meine Tagebücher«; »Eignes Gedrucktes«; »Cor -<br />
respondenz« ein. – Auch der Umfang der einzelnen Ordnungsgruppen ist<br />
unterschiedlich. Wäh rend die »Correspondenz« 152, »Eigen Poeti sches«<br />
86 und »Fremd Li te rarisches und Poetisches« 45 Positionen umfassen,<br />
sind unter »Bau kunst« nur zwei Titel verzeichnet. – Jede Rubrik ist mit<br />
A. I.<br />
∗) d. 13 Nvbr 1825 dem Hn.<br />
St-M. von Goethe ausgehändigt. ThK.<br />
cfr. No. 36.<br />
Bibliothek. Scrin. I. 1–31.<br />
vdtr. p. 23.<br />
Bibliothek Scrin. I. 1–21.<br />
vdtr. p. 23.<br />
B. VI. 2.<br />
A. I.<br />
D. XVIII. 6 vdtr. pag 111. No. 6.<br />
A. I.<br />
Eigen. Biographisches.<br />
1. Neueste Materialien und Vorarbeiten<br />
zu meiner Biographie.<br />
2. Reise der Söhne des Megaprazons.<br />
3. Über das bei Frankfurt mir zu<br />
errichtende Denkmal.<br />
4. Auf den 28. August 1819. bezüglich.<br />
5. Auf den 28 August 1820. bezüglich.<br />
6. ∗) Biographisches von der Rückkehr<br />
von Strasburg an.<br />
7. Schematisches zum Feldzug. 1793.<br />
Materialien und Vorarbeiten zum<br />
4n Bande der 1n Abtheilung meiner<br />
Biographie. flo.<br />
Tagebuch von 1776–1780∗) 1782.∗∗. 1791.∗∗∗∗)<br />
1793.∗∗∗ 1796.∗∗∗∗) 1797-1816.∗∗ 31. Bde<br />
∗) in dem Weimarischen Quart-Calender.<br />
∗∗) im Gothaischen Schreib-Calender.<br />
∗∗∗ im Regensburgischen Comitial-Calender.<br />
(Nur wenig.)<br />
∗∗∗∗) im Nürnberg[ischen] Schreib-Almanach.<br />
Tagebuch vom Jahr 1814. 1817–1832<br />
21. Hefte in flo.<br />
Tagebuch meiner Reise am Rhein 1815.<br />
(vdtr. pag. 47. No 2.)<br />
8. Lebensverhältniß zu Trebra. 1813.<br />
Lebensverhältniß zu Klinger.<br />
9. Chronologischer Entwurf meiner schriftstellerischen<br />
Thätigkeit.<br />
10. Zu den Annalen. Auszüge aus Briefen,<br />
Tagebüchern und andern schriftlichen<br />
Documenten 1824. 12<br />
| 53<br />
11 Dazu die Anmerkung: »Diese ganze Rubrik blos wegen der systematischen Übersicht zusammengestellt,<br />
findet sich theils unter Eigen Biographischem, theils unter Varia und anderen Artikeln einrangirt.<br />
ThKräuter.«<br />
12 Bei der Transkription werden nur die zeitgenössischen Eintragungen wiedergegeben.
einer Art Standort-Signatur versehen: von »A. I.« bei »Eigen Biogra phi -<br />
sches« bis »D. XX.« bei »Varia«. Die Großbuchstaben-/Zahlenkombi na tio -<br />
nen beziehen sich auf den Aufbewahrungsort der Dokumente, die<br />
Schrank- und Fachbezeich nung der »Repositur«. Diese befand sich hauptsächlich<br />
in den großen Wand schränken des Diener- oder Schreibzimmers<br />
neben Goethes Schlaf raum. Einiges war an anderer Stelle im Hause untergebracht,<br />
z. B. »Meine Tagebücher« in der »Bibliothek Scrin. [Scrinium =<br />
Schrank] I.« oder die »Correspondenz« zunächst im »Büstenzimmer« und<br />
dann im »Scrin. I. der Bibliothek«.<br />
Dem Hauptanliegen des Dichters entsprechend stehen die autobiographischen<br />
Dokumente an der Spitze des Verzeichnisses, beginnend mit »Eigen<br />
Biographisches« auf Seite 1 (s. Abb. auf S. 52 und Umschrift auf S. 53).<br />
Auf der halbbrüchig, d. h. zweispaltig, eingerichteten Seite sind rechts die<br />
durchnummerierten Einzelpositionen aufgeführt. Dabei ist die Abfolge<br />
der Verzeichnungseinheiten nicht immer konsequent eingehalten. Einige<br />
sind untergliedert und mit Kleinbuchstaben gekennzeichnet, oder es gibt<br />
Einschübe ohne oder mit anderer Nummerierung (s. Abb. auf S. 52 und<br />
Um schrift auf S. 53). Es handelt sich dabei um Fälle von Doppel ver zeich -<br />
nung, die auf Grund von inhaltlichen Überschneidungen zustande kommen.<br />
So sind z. B. die Positionen 4. und 5. mit Geburtstagsbriefen der<br />
Jahre 1819 und 1820 gleichzeitig als Nummern 85 und 91 unter<br />
»Correspon denz« eingetragen. Die zwischen Position 7. und 8. eingeschobene<br />
lange Reihe der Ta ge bücher taucht auf Seite 23 (»v[i]d[ea]t[u]r<br />
pag[ina] 23.« = man sehe Seite 23) bei den Tagebüchern nochmals auf. 13<br />
Das »Tagebuch meiner Reise am Rhein 1815« dagegen ist außerdem<br />
Bestandteil der Ru brik »Kunst und Alterthum (Journal)«, Seite 47, Nr. 2.<br />
Dort wiederum hat je mand anlässlich einer späteren Revision vermerkt:<br />
»Vorhanden. Ich habe diese Nummer zu den Tagebüchern gelegt.«<br />
Die linke Blatthälfte ist, wie die Abbildung auf S. 52 zeigt, für Bemer kun -<br />
gen unterschiedlichster Art vorgesehen. Hier stehen z. B. die Angaben zu<br />
den Auf bewahrungsorten der Positionen, die bei der schon erwähnten<br />
Dop pel verzeichnung von der Fundort-Signatur der gesamten Rubrik (hier:<br />
A. I.) abweichen. Außerdem finden wir hier Zeugnisse dafür, dass der<br />
Dich ter für seine Arbeit an den »Annalen« in den folgenden Jahren wirklich<br />
auf das Verzeichnis zurückgriff: Die Position »6. Biographisches von<br />
der Rück kehr von Strasburg an« auf Seite 1 wurde laut Kräuter »d. 13<br />
Nvbr 1825 dem Hn. St-M. von Goethe ausgehändigt«. Unter dem Eintrag<br />
»7. Schema tisches zum Feldzug. 1793.« befindet sich die Ergänzung<br />
»Materialien und Vorarbeiten zum 4n Bande der 1n Abtheilung meiner<br />
13 Vgl. Abbildung S. 55.
Repertorium über die Goethesche Repositur, Meine Tagebücher<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 39/I,1a<br />
| 55
Biographie. f[o]l[i]o.« und links daneben ein Hinweis von anderer Hand<br />
»c[on]f[e]r. [vergleiche] No. 36«: in derselben Rubrik »Eigen Biographi -<br />
sches« ist dies auf Seite 3 die Nummer »36. Aus meinem Leben IVr Thl.<br />
Concept von Johns Hand, corrigirt von Goethe 1830. f[olio]«.<br />
Kräuters Verzeichnis enthält also nicht nur den Bestand des Jahres 1822,<br />
sondern es wurde, wie die Eintragungen erkennen lassen, kontinuierlich<br />
bis 1832 weitergeführt und ergänzt. Zu diesem Zwecke waren in jeder<br />
Rubrik von Anfang an nummerierte Seiten freigelassen worden.<br />
Zum Abschluss des Bandes hat der »in Bibliotheks- und Archivsgeschäften<br />
wohlbewanderte Mann« 14 seinem Auftraggeber als auch späteren Nutzern<br />
des Repertoriums ein zusätzliches Findhilfsmittel zur Hand gegeben. Ein<br />
»Alphabethischer Index über die Goethesche Repositur.« (s. Abb. auf S. 59)<br />
verzeichnet in drei Spalten nebeneinander Schlagwörter bzw. Begriffe, die<br />
die Ver zeich nungseinheit charakterisieren, dazu die »Rubrik.« und die<br />
»Locat[a].«, die Aufbewahrungs- bzw. Fundorte in den Schränken oder Re -<br />
ga len der »Repo si tur«. Die Angaben in der Spalte »Rubrik« bestehen aus<br />
Ab kürzungen, die bereits auf der vorangehenden Seite erklärt werden.<br />
So, wie das Kräutersche Verzeichnis dem Dichter als Arbeitsgrundlage und<br />
Hilfsmittel bei der Herausgabe seiner Werke nützlich ist, sollen damit nach<br />
seinem Tod Vollständigkeit und Verbleib der <strong>Manuskripte</strong> dokumentiert<br />
werden. Diverse Häkchen, Zeichen und Vermerke in den linken Spalten<br />
be legen auch, dass zu verschiedenen Zeiten Revisionen des Goetheschen<br />
Archivs auf der Grundlage des Repertoriums stattgefunden haben. Wann<br />
und durch wen im Einzelnen diese Revisionen durchgeführt wurden, ist<br />
nur mühsam nachzuvollziehen und kann an dieser Stelle nicht erörtert<br />
werden.<br />
In seinem Testament von 1831 überträgt Goethe bekanntlich Kräuter die<br />
Kustodie über seine Sammlungen, <strong>Manuskripte</strong> und die Bibliothek: »Die-<br />
ser Custos soll für Ordnung und Bewahrung derselben, auf dem Grund der<br />
vorhandenen Kataloge und Inventarien, Sorge tragen [...] und in Aus übung<br />
dieser Pflicht von den Herren Vormündern meiner Enkel unabhängig sein<br />
und nur unter Oberaufsicht meines Herrn Testamentsvollstreckers stehen.«<br />
15 – Dem Anschein nach nimmt Kräuter in den Jahren nach Goethes<br />
Tod seine Aufgabe nicht allzu genau, oder, was glaubhafter ist, er wird von<br />
den anderen eingesetzten Nachlassverwaltern, besonders dem Testaments -<br />
vollstrecker Kanzler Friedrich von Müller, übergangen und bevormundet.<br />
Jedenfalls zeigen sich im Jahre 1841, als die volljährig gewordenen Enkel<br />
14 Vgl. Anm. 7.<br />
15 WA, Abt. I: Werke, Bd. 53, S. 329.
ihre Verantwortung auch für den handschriftlichen Nachlass übernehmen<br />
wollen, deutliche Mängel. In einem Konzept von Wolfgang Maximilian<br />
von Goethe zu einer Eingabe an die Landesregierung als »Obervormund-<br />
schaftliche Behörde« ist zu lesen: »[…] großherzoglich. Regierung wolle 1.)<br />
Herrn Rath Kraeuter, als Custos des gedachten Archivs veranlaßen daß<br />
der selbe durch Herbeischaffung u. Ordg. aller von demselben Entlehnten<br />
<strong>Manuskripte</strong>n diese Sammlungen in einen solchen Zustand setzen wie er<br />
von einer sorgfältigen u. nach den Bestimmungen des Geheimraths v.<br />
Goethe geführten Aufsicht u. Bewahrung verlangt werden muß.« 16 Das<br />
stimmt mit einem Brief überein, den er am 30. Oktober 1841 direkt an<br />
Kräuter schreibt: »Zuerst kann ich nicht umhin Ihnen mein Befremden<br />
darüber auszusprechen daß der ganze gegenwärtige Zustand des Archivs<br />
weder eine genaue Revision noch auch nur einen genügenden Ueberblick<br />
gestattete. Die Richtigkeit und Vollständigkeit des Vorhandenen zu prüfen<br />
war unmöglich, an das früher angefertigte Repertorium konnte man sich<br />
nicht halten, da das Vorhandene nicht unter den einzelnen Rubriken zu<br />
finden, das Ausstehende nicht durchgängig bescheinigt noch auch verzeichnet<br />
war. Der Zustand der vorhandenen einzelnen Theile des Archivs<br />
nahmentlich der Hefte eingegangener Briefe, war aber ein so aufgelöster<br />
daß er mich nur mit dem höchsten Bedauern erfüllen konnte. Willkürlich<br />
griff ich in die Reihe der Jahre, alle Hefte waren zerschnitten, eine große<br />
Anzahl Briefe waren herausgenommen, die übrigen lagen meist lose in<br />
den Heften herum. [...] Wie leicht können nicht so einzelne Briefe verloren<br />
gehen, da keine paginirung einen Anhaltspunkt giebt. [...] Ebenso auffallend<br />
war mir die Bemerkung daß nicht über alles Ausstehende Scheine<br />
vorhanden sind, an die man sich bei einer neuen Ordnung des Archivs halten<br />
könnte. [...] Alle diese Zweifel geben mir wohl gerechten und dringenden<br />
Grund Sie zu ersuchen das Archiv recht bald in einen Zustand zu bringen,<br />
der doch wenigstens erkennen läßt was vorhanden ist und was fehlt.<br />
Es kann Ihnen ja selbst nur am Herzen liegen dem Vertrauen, welches<br />
Ihnen unser verewigter Großvater zu unseren Gunsten erwieß, auch zu<br />
unseren Gunsten durch die That zu entsprechen.« 17 – Dass sich Wolfgang<br />
Maximilian über die Weimarer Verhältnisse und Kräuters Möglichkeiten<br />
aber durchaus im Klaren ist, beweist eine relativierende Äußerung im<br />
Brief an seinen Bruder Walther Wolfgang vom Folgetag, dem 1. November<br />
1841: »[...] Der Kanzler wollte die Revision des Archivs durch seine Ge gen -<br />
wart leiten und mich dort selbst einführen. Dieß habe ich auf das Be -<br />
stimm teste abgelehnt u. bin mit Kraeuter endlich in den letzten Tagen hineingedrungen.<br />
In welchen desolaten Zustand ich es fand findest Du in<br />
| 57<br />
16 Handakte von Wolfgang Maximilian von Goethe zur Übernahme des Goethe-Nachlasses, GSA 39/I,1,<br />
Bl. 9.<br />
17 Ebd., Bl. 11.
Repertorium über die Goethesche Repositur, Erklärung der Abkürzungen<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 39/I,1a
Repertorium über die Goethesche Repositur, Alphabetischer Index<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 39/I,1a<br />
| 59
Archivumschlag<br />
Goethe- und Schiller-Archiv 28/487
dem Brief an Kraeuter den ich Dir hierbei in Abschrift sende nur mildernd<br />
angedeutet. Wir müssen uns an Kräuter halten, u. indem wir diesem einheitzen,<br />
kann er nur erst gegen den Kanzler auftreten. In diesem Sinne<br />
habe ich nach Uebereinkunft mit Kräuter diesen Brief vor ein Par Tagen<br />
abgesandt. Ich bin der Meinung so lange als möglich anständig und schonend<br />
aber fest zu verfahren.« 18<br />
Kräuters Bemühungen um Aufklärung und Nachweis fehlender Posi tio -<br />
nen sind durch seine Anmerkungen links neben den Nummern nicht aufgefundener<br />
Stücke belegt, wie z. B. S. 9: »Eignes Literarisches. 2. Mitthei -<br />
lun gen in’s Morgenblatt. 1815. 16. [...] b. Reinschrift sämmtlicher Aufsätze.<br />
fehlt«. Kräuters Anmerkung besagt: »Bestand schon bei der vorigen Revi -<br />
sion aus einer leeren Tectur [Deckblatt, Hülle], der Inhalt ist wahrscheinlich<br />
von Hfrath Eckermann bei Gelegenheit irgend einer der letzten Ausga -<br />
ben als M[anu]SC[rip]t an Cotta geschickt worden.« Ebenso fehlen in dieser<br />
Rubrik die »Abschriften der von mir [Goethe] in die Frankfurter ge -<br />
lehr te Anzeigen gegebenen Recensionen. 1772. 1773.« Kräuter vermerkt<br />
»(Wurden beim Druck verbraucht.)«. Auf S. 59 »Mineralogie und Berg -<br />
werks kunde.« ist Nr. 12 »Suitenverzeichniß des Schrankes No III.« bei<br />
drei vorangehenden Revisionen mit Häkchen als vorhanden gekennzeichnet,<br />
aber links daneben schreibt Kräuter: »No 12. (Ist von Bergrath u. Prof.<br />
Schueler am 28. Aug. 1842 mit vielem Andern geliehen behaltenen, nicht<br />
zurück gegeben worden.)« und darunter »Hat sich vorgefunden ThK.« –<br />
Die Position 2 »Abtragung des Löb[d]erthors. 1818.1819« in der Ordnungs -<br />
gruppe »Auf Jena Bezügliches.« fehlt bei einer der Revisionen. Ein später<br />
wieder aufgefundener, nunmehr beiliegender Zettel von Kräuters Hand<br />
gibt Auskunft über ein frühes Beispiel von Bestandsabgrenzung: »Ein von<br />
dem Herrn Staatsminister von Goethe angelegtes Akten-Heft, betitelt ›Die<br />
Abtragung des Löbderthors zu Jena betr.‹ ist, als zur Repositur Groß her -<br />
zoglr Oberaufsicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft<br />
und Kunst gehörig von dem Vollstrecker des Goethe’schen Testaments,<br />
Herrn Geheimrath Dr von Müller, an mich richtig ausgehändigt worden.<br />
Auf Verlangen erklärt dieses Weimar d. 16. July 1845. [egh. Unterschrift:]<br />
Schweitzer«. Die Bestätigung lautet: »Zum Großherzogl. Oberaufsichts-Ar -<br />
chiv gekommen. Sckell.« Dieser Vorgang steht im Zusammenhang mit<br />
einer großangelegten Überprüfung, die Kräuter auf der Rückseite des 2.<br />
Blat tes seines Verzeichnisses dokumentiert: »Anmerk. Die neueste Revi -<br />
sion der von Goethe’schen Repositur begann d. 7n Juli 1845. Ich habe<br />
mich der Bleifeder bedient, um sie von einer frühern Revision mit rother<br />
Tinte zu unterscheiden. ThK.« Er ist also durchaus bemüht, einen Überblick<br />
über das ihm Anvertraute zu behalten.<br />
| 61<br />
18 Ebd., Bl. 12r.
Rückblickend muss man konstatieren, dass sowohl schon Goethe selbst als<br />
auch seine Nachlassverwalter, Editoren und Archivare späterer Zeit die am<br />
Repertorium orientierte Ordnung der Handschriften gründlich durcheinander<br />
gebracht haben. Das soll abschließend an einem Beispiel gezeigt<br />
werden.<br />
Auf S. 1 unter »A. I. Eigen Biographisches« beinhaltet die Position 8 so -<br />
wohl Goethes »Lebensverhältniß zu Trebra. 1813.« als auch sein »Le bens -<br />
ver hältniß zu Klinger.« Links neben Letzterem weist der Vermerk »D.<br />
XVIII. 6 vdtr. pag 111. No. 6.« darauf hin, dass es sich um einen Fall von<br />
Doppelverzeichnung handelt und unter »Fremd Biographisches« zu finden<br />
sein würde. Dort aber, auf Seite 111, wurde bei einer Revision die<br />
Num mer 6 »Jetzt nicht gefunden«. Es existiert keinerlei Hinweis auf den<br />
Verbleib, auch nicht in der modernen maschinenschriftlichen Kopie des<br />
»Repertoriums über die Goethesche Repositur«, in der die heutigen Fund -<br />
orte bzw. Signaturen eingetragen sind. – Aber die besagte Nummer 6 ist<br />
nicht verloren! Im heutigen Archiv-Findbuch des Bestandes 28 »Goethe,<br />
eingegangene Briefe« befinden sich unter Nr. 487 Klingers Briefe an<br />
Goethe aus den Jahren 1801 bis 1826. Dabei liegen Abschriften von Brie -<br />
fen Klingers an andere Personen und weitere Notizen über Klinger, z. T.<br />
von Riemer oder von fremder Hand. Diese Beilagen sind separat in einem<br />
grauen Umschlag mit der Beschriftung von Kräuter: »Fremd Biogra phi -<br />
sches 6. / Klinger: / über sich selbst. /-/ Mein Lebensverhältniß zu ihm. /-/«<br />
verwahrt. Mit diesem Umschlag ist die Zugehörigkeit zum »Repertorium«<br />
eindeutig bestätigt.<br />
Eva Beck (Weimar)<br />
Archivarin, ehemalige Mitarbeiterin im Goethe- und Schiller-Archiv und<br />
der Berliner Arbeitsstelle des Goethe-Wörterbuchs
III Erwerbungen<br />
Ulrike Bischof<br />
Goethes Brief an Christian August Vulpius vom 20. April 1817<br />
Erfreulicherweise konnte die Freundesgesellschaft auch im Jahr 2011 mit Hilfe der<br />
zahlreichen Spenden ihre Handschriftenankäufe für das Archiv fortsetzen und<br />
zwei wertvolle Goethe-Autographen erwerben. Diese Zahl nimmt sich auf den er -<br />
sten Blick gegenüber den Vorjahren eher bescheiden aus. Betrachtet man jedoch<br />
die dafür aufgewendete Geldsumme, so rücken auch diese Erwerbungen in ein be -<br />
deu tendes Licht. Zu den Höhepunkten in der Erwerbungsgeschichte des Goetheund<br />
Schiller-Archivs überhaupt gehört zweifellos der Ankauf einer einzigartigen<br />
| 63<br />
Johann Wolfgang Goethe, Ward es doch am Tage klar!<br />
Goethe- und Schiller-Archiv NZ 5/11,A4<br />
ge schlossenen Sammlung von Goethe-Handschriften aus der Familienbibliothek<br />
der Welfen auf Schloss Cumberland/Gmunden im Frühjahr 2011. 1 Mit dem be deu -<br />
tenden Betrag von 15 000 Euro hat die Freundesgesellschaft neben anderen nam -<br />
haf ten Geldgebern und privaten Spendern die Erwerbung unterstützt und somit<br />
dazu beigetragen, dass dieses wertvolle Konvolut im Range nationalen Kulturguts<br />
1 Vgl. Silke Henke: Unvergesslicher Stunden eingedenk. Das Goethe- und Schiller-Archiv in Weimar er -<br />
wirbt Gedichte und Briefe an Herzogin Friederike von Cumberland aus Goethes Nachlass. In: Arsprototo<br />
2011, Nr. 3, S. 31–34.
nach Weimar in das Archiv zurückkehren konnte. Goethes Sekretär Johann Peter<br />
Eckermann, einst von Goethe testamentarisch mit der Edition seines Nachlasses<br />
betraut, hatte 1837 einige Gedicht-Handschriften an Herzogin Friederike anlässlich<br />
der Verleihung der hannoverschen Königswürde verschenkt. Darunter war ein<br />
bisher unbekannter Entwurf des Gedichts »Doch am Morgen ward es klar« 2 mit<br />
den Anfangsworten »Ward es doch am Tage klar!«, das Goethe in Erinnerung an<br />
ein Treffen 1815 mit Herzog Ernst August und Herzogin Friederike von Cumber -<br />
land geschrieben und 1826 selbst an Friederike in eigenhändiger Reinschrift ge -<br />
schickt hatte. Diesen Gedichtentwurf hob Goethe zeitlebens unter seinen Papieren<br />
auf. Mit Hilfe der Freundesgesellschaft konnte er zusammen mit den anderen eigen -<br />
hän digen Briefen und Gedichthandschriften Goethes dem Nachlass des Dichters<br />
wie der zugeführt werden.<br />
Eine weitere bedeutende Erwerbung ist mit dem eigenhändigen Brief Goethes an<br />
Christian August Vulpius vom 20. April 1817 aus Privathand gelungen. Die ehema -<br />
ligen Besitzer sind über das im Internet zugängliche Repertorium von Goethes<br />
Brie fen auf das Goethe- und Schiller-Archiv aufmerksam geworden. Bekannt war<br />
der Brief bisher nur aus Auktionskatalogen; einen dieser Drucke hatte Paul Raabe<br />
in die Nachträge zur Weimarer Ausgabe von Goethes Werken aufgenommen. 3 Der<br />
Verbleib der Handschrift war bis jetzt unbekannt. Mit der nun angekauften Aus -<br />
fer tigung des Briefes konnte die Überlieferung eines weiteren eigenhändigen Goethe-<br />
Briefes nachgewiesen werden. Sie bereichert fortan den Nachlass des Dich ters im<br />
Goethe- und Schiller-Archiv.<br />
H. Rath und Bibliothekar Vulpius<br />
wird H. Dr Casper von Berlin<br />
freundlich, nach seiner guten Gewohnheit,<br />
und auch um meiner<br />
Empfehlung willen, aufnehmen.<br />
Jena d. 20 Ap. 1817<br />
Goethe<br />
Adressat der Zeilen ist der Schriftsteller, Dramaturg und Bibliothekar Christian<br />
August Vulpius (1762–1827), Bruder von Goethes Frau Christiane und somit der<br />
Schwager des Dichters, dessen 250. Geburtstag im Januar <strong>2012</strong> in Weimar mit<br />
zahlreichen Veranstaltungen gedacht wurde. Im Jahr 1797, mit dem Eintritt von<br />
Goethe in die Leitung der herzoglichen Bibliotheken, war Vulpius dort zunächst im<br />
bescheidenen Amt als Registrator, seit 1814 als erster Bibliothekar und seit 1816<br />
mit der Amtsbezeichnung »Rath« tätig. Anfang des 19. Jahrhunderts trug die Bi -<br />
blio thek noch den Charakter einer musealen Kunst- und Rüstkammer, indem sie<br />
2 Goethes Werke. Hrsg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen (Weimarer Ausgabe; künftig<br />
WA). Abt. I: Werke, Bd. 4, S. 68.<br />
3 Goethes Werke. Weimarer Ausgabe. Nachträge und Register zur IV. Abteilung: Briefe. Hrsg. von Paul<br />
Raabe. München 1990, Bd. 51, S. 414f.
Johann Wolfgang Goethe an Christian August Vulpius<br />
Jena, 20. April 1817<br />
Goethe- und Schiller-Archiv NZ 22/11<br />
nahezu die gesamten Kunst- und Raritätenschätze der herzoglichen Familie beher -<br />
bergte. Folglich war es für jeden Weimar-Besucher, gleich welchen Ranges, fast un -<br />
er lässlich, die Bibliothek zu besichtigen. Für die Bibliothekare kam damit neben<br />
den laufenden Geschäften der Katalogisierungs-, Einordnungs- und Ausleihtätig -<br />
keit die Aufgabe hinzu, die Besucher zu führen und die Schätze der Kunst-, Münz-,<br />
Gemälde- und Militaria-Sammlungen zu zeigen. Obwohl ihnen dies vor allem bei<br />
hochrangigen Persönlichkeiten und Ausländern eine Ehre gewesen sein musste,<br />
wurden sie durch die Besichtigungen doch häufig von der eigentlichen Arbeit ab -<br />
ge halten. Die Weisungen für ihre Tätigkeit erhielten die Bibliotheksmitarbeiter<br />
von Goethe und von Christian Gottlob von Voigt (bis zu dessen Tod 1819). Beide<br />
hat ten seit 1797 die Leitung der Bibliothek inne, die 1809 nach einer Verwaltungs -<br />
reform einen Teil der zentralen Verwaltung der künstlerischen und wissenschaft -<br />
lichen Institute Sachsen-Weimar-Eisenachs bildete und 1815 in die als Oberauf -<br />
sicht über die unmittelbaren Anstalten für Wissenschaft und Kunst in Weimar<br />
und Jena bezeichnete Behörde mündete.<br />
Der durchschnittliche Weimar-Besucher und Interessierte an der Bibliothek und<br />
ihren Schätzen hatte sich folglich an Voigt oder Goethe zu wenden bzw. musste sich<br />
eines Vermittlers bedienen, wenn er Zugang zur Bibliothek erlangen wollte. Letz -<br />
teren Weg wählte der im vorliegenden Brief erwähnte Johann Ludwig Casper<br />
(1796–1864), der sich eine Empfehlung von Goethes Freund, dem Berliner Musiker<br />
und Komponisten Carl Friedrich Zelter, erbat; zunächst dafür, bei Goethe vorspre -<br />
chen zu dürfen. Zelter schreibt am 6. April 1817 an Goethe: »Der junge Caspar dem<br />
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ich auf seine Bitte dies Schreiben mitgebe, hat die Apothekerkunst erlernt und stu -<br />
diert nun Medicin weshalb er nach Göttingen will. Er ist eine Zeit lang Mitglied<br />
der Singakademie hieselbst gewesen und für einen Liebhaber gar nicht ununterrichtet.<br />
Auch sein sittliches Wesen ist nicht ohne Anmuth und daher habe ich sei -<br />
ne Bitte gern gewährt sein Auge an Deinen Anblicke zu weiden«. 4 Mit diesem Brief<br />
in der Hand wurden Casper und drei weitere Reisegefährten von Goethe am 15.<br />
April in Jena empfangen. Der Dichter hielt die Begegnung neben anderen Besu -<br />
chern an diesem Tag in seinem Tagebuch fest: »... vier Studenten von Göttingen«. 5<br />
Und er meldete Zelter am 29. Mai 1817: »Deine lieben Briefe habe ich nach und<br />
nach erhalten, und die Empfohlnen, die mich nicht verfehlten, freundlichst aufge -<br />
nom men“. 6 Die Studenten müssen sich einige Tage in Jena aufgehalten haben,<br />
denn der hier im Mittelpunkt stehende Brief Goethes an Vulpius vom 20. April<br />
nach Weimar mit der Bitte, »Dr Casper von Berlin freundlich« aufzunehmen, ist<br />
erst fünf Tage nach dem Besuch der jungen Männer bei Goethe geschrieben worden.<br />
Man kann vermuten, dass dieses Empfehlungsschreiben niemals entstanden<br />
wäre, wenn sich Goethe nicht in Jena sondern in Weimar aufgehalten hätte. Denn<br />
vor Ort hätte sich sicher die Möglichkeit zu einer mündlichen Fürsprache bei<br />
Vulpius ergeben. Auf diese Weise ist Johann Ludwig Casper, später Arzt und Uni -<br />
ver sitätslehrer in Berlin, in den Besitz eines eigenhändigen Schreibens von Goethe<br />
in dessen fester, klarer Handschrift gelangt, und hat es wahrscheinlich nach Vor -<br />
lage bei Vulpius in der Bibliothek wieder an sich genommen und als Andenken be -<br />
halten. Im Besucherbuch der großherzoglichen Bibliothek ist der Besuch des jungen<br />
Mannes leider nicht vermerkt.<br />
Die zwei hier aufgeführten Briefe, in denen Johann Ludwig Casper erwähnt wird,<br />
sind nicht die einzigen ihn betreffenden Archivalien im Goethe- und Schiller-<br />
Archiv. Aus dem Jahr 1818 liegt ein eigenhändiges Zeugnis für Casper von seinem<br />
Professor in Göttingen, dem Naturforscher und Mediziner Johann Friedrich Blumen -<br />
bach, vor. Weiterhin gibt es zwei Briefe von Casper an den Weimarer Oberme di -<br />
zinalrat Ludwig Friedrich von Froriep aus dem Jahr 1827 und zwei Briefe aus dem<br />
Jahr 1833 an dessen Sohn Robert, ebenfalls Mediziner und seit 1833 in Berlin tätig.<br />
Interessant sind auch die literarischen Versuche des Rechtsmediziners Casper, so<br />
u. a. die 1818 unter dem Pseudonym Till Bal lista rius veröffentlichte Satire »Die<br />
Karfunkel-Weihe«, von ihm selbst als romantisches Trauerspiel bezeichnet, und<br />
die Libretti zu den ersten Singspielen des jungen Felix Mendelssohn Bartholdy. 7<br />
Dr. Ulrike Bischof (Weimar)<br />
Historikerin und Archivarin, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Goethe- und<br />
Schiller-Archiv<br />
4 Zelter an Goethe, 6. bis 8. April 1817. GSA 28/1016 Brief 154.<br />
5 WA, Abt. III: Tagebücher, Bd. 6, S. 37.<br />
6 WA, Abt. IV: Briefe, Bd. 28, S. 105.<br />
7 Vgl. Karl Goedeke: Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung aus den Quellen. 2., ganz neu<br />
bearbeitete Auflage. Dresden 1891, Bd. 6, S. 483f.
Übersicht über die Ankäufe der Freundesgesellschaft<br />
in den Jahren 2005 bis <strong>2012</strong> – Deposita im Goethe- und Schiller-Archiv<br />
Carl Bertuch:<br />
Brief an einen Hofrat in Verlagsangelegenheiten, 26. Oktober 1809<br />
Friedrich Justin Bertuch:<br />
Brief an die Expedition der Allgemeinen Literaturzeitung in Jena, 10. Januar 1786<br />
Brief an einen Hofkanzler in Franken, vermutlich Adam Joseph Papstmann, ca.<br />
1793/1795<br />
Brief, vermutl. an Johann Christoph Gottlieb Göpfert in Jena, 27. November 1796<br />
Begleitbrief zu einem Probeabdruck, 14. November 1799<br />
Brief an Carl August Böttiger, 1801/1802<br />
Johann Peter Eckermann:<br />
Brief an Christian Theodor Musculus, 16. Juli 1838<br />
Johann Wolfgang von Goethe:<br />
Eigenhändiger Gedichtentwurf »Doch am Morgen ward es klar!«, 16. August 1815<br />
Brief an Friedrich Hildebrand von Einsiedel, 28. November 1776<br />
Brief an Johannes Daniel Falk, nach 1806<br />
Brief an Unbekannt (Christian Gottlob von Voigt), 22. November 1814<br />
Brief an Christian August Vulpius, 20. April 1817<br />
Brief an Angelica Facius, 9. August 1829<br />
Ottilie von Goethe:<br />
Brief an Emma Gräfin Henckel von Donnersmarck, 20. Juni 1857<br />
Brief an Louise Seidler, 17. Dezember 1858<br />
Brief an Leo Graf Henckel von Donnersmarck, 7. September 1859<br />
Brief an Leo Graf Henckel von Donnersmarck, 26. März 1862<br />
Brief an Leo Graf Henckel von Donnersmarck, April 1864<br />
Karl Hoffmeister:<br />
Brief an Ernst von Schiller, 16. August 1814<br />
Franz Liszt:<br />
»Schlaflos. Frage und Antwort.« Nocturne für Klavier nach einem Gedicht von<br />
Antonia Raab (unter Beteiligung der Deutschen Liszt-Gesellschaft)<br />
Julius Mosen:<br />
Trauerspiel »Herzog Bernhard der Große«, Manuskript, 87 S.<br />
Ulrike von Pogwisch:<br />
Brief an Leo Graf Henckel von Donnersmarck, 1864<br />
Johann Stephan Schütze:<br />
Brief an Friedrich Kind, 4. Mai 1822<br />
Thomas Täglichsbeck:<br />
Brief an Carl von Schiller, 12. Februar 1848<br />
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Stand: Februar <strong>2012</strong>
Friedrich Justin Bertuch an einen Hofkanzler in Franken<br />
Weimar, etwa 1793/1795<br />
Goethe- und Schiller-Archiv NZ 4/08,2
Erwerbungen des Goethe- und Schiller-Archivs im Jahr 2011<br />
Zusammengestellt von Silke Henke<br />
Ludwig Achim von Arnim:<br />
Brief an Johann Georg Zimmer, Brief an Friedrich Karl von Savigny,<br />
Geburtstagsgedicht auf Friedrich Karl von Savigny.<br />
Albert Brendel:<br />
Teilnachlass, enthält: Vorlesungsausarbeitungen, Briefe, Lebenszeugnisse.<br />
Johann Wolfgang Goethe:<br />
Konvolut mit Goethe-Autographen aus der Familienbibliothek der Welfen, enthält:<br />
6 eigenhändige Gedichthandschriften (»Im Nahmen dessen der Sich selbst er -<br />
schuf«, »Vom Himmel steigend Jesus brachte«, »Frage nicht durch welche Pforte«,<br />
»Ward es doch am Tage klar!«, »Hochländisch«, »Fehlt der Gabe gleich das Neue«),<br />
Einblattdruck »Die Feier des achtundzwanzigsten Augusts dankbar zu erwiedern«<br />
mit Widmung, zeitgenössische Abschrift des Friedrich Maximilian Klinger gewid -<br />
me ten Gedichts »An diesem Brunnen« mit einer Zeichnung von Samuel Rösel, 2<br />
Briefe von Goethe an Friederike Herzogin von Cumberland, spätere Königin von<br />
Han nover, 2 Briefe von Johann Peter Eckermann an Friederike sowie weitere Zeug -<br />
nisse zur Provenienzgeschichte der Sammlung.<br />
Eigenhändiges Albumblatt mit 2 Versen aus dem »Buch der Betrachtungen« des<br />
»West-östlichen Divans«: »Soll das Rechte zu dir ein / Fühl in Gott was Rechts zu<br />
seyn«.<br />
Brief an Joseph Sebastian Grüner, Brief an Friedrich Frommann, Brief an Christian<br />
August Vulpius, Brief an Friedrich Wilhelm Riemer(?).<br />
Gisela Kraft:<br />
Nachlass, enthält: Prosa, Übersetzungen, Gedichte, <strong>Manuskripte</strong> und Typoskripte,<br />
handschriftliche Notizen, Briefwechsel, Fotos, geschäftlich-berufliche und persön -<br />
liche Unterlagen (30 Archivkästen).<br />
Franz Liszt:<br />
Entwurf zum Titelblatt der »Ungarischen Rhapsodie« Nr. 5, Brief an Paul von Boja -<br />
nowski, Porträtfoto Franz Liszts von Louis Held nach einer Lithographie von A.<br />
Wegner, Brief von Anna Liszt an Frau Chardin, Brief von Marie von Czettritz-<br />
Neuhaus an Marie d’Agoult.<br />
Hermann Mahr:<br />
2 Konvolute mit Aufzeichnungen zur Geschichte Thüringens.<br />
Börries von Münchhausen:<br />
Manuskript »Tante Lu«, kleines Fotoalbum um 1934.<br />
Weimar / Archiv der Kunstsammlungen:<br />
Unterlagen zur Rückführung der Gemälde von Albrecht Dürer »Das Ehepaar Hans<br />
und Felicitas Tucher« nach Weimar 1982.<br />
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Johann Wolfgang Goethe, Hochländisch. 1827 (Matt und beschwerlich …)<br />
Goethe- und Schiller-Archiv NZ 5/11,A,9
Karl Friedrich Zelter:<br />
Brief an Friedrich Wilken, Brief an Johann Daniel Sander, Brief an unbekannten<br />
Empfänger (Mitglied der »Liedertafel«).<br />
Einzelautographen (Auswahl):<br />
Frida Bösenberg: Poesiealbum mit Einträgen von Ernst Ludwig und Elisabeth<br />
Schellenberg;<br />
Toni Deneke: Werkmanuskripte;<br />
Harry Frommelt: »Turmgesang«, Exemplar mit Widmung des Autors;<br />
Franz Huth: Bild des Schreibtisches von Hans Wahl im Goethe- und Schiller-<br />
Archiv;<br />
August von Kotzebue: Theaterprolog;<br />
Heinrich Luden: Albumblatt;<br />
Feodor Milde: Bühnentagebuch;<br />
Elisabeth Pauli: Briefe, Fotos und ein Bericht über die Tätigkeit von E. Pauli in<br />
Weimar;<br />
Ernst von Schiller: Albumblatt.<br />
Briefe<br />
von Friedrich Gentz, Ludwig von Gleichen-Rußwurm, Caroline Herder, Georg<br />
Kestner, August von Kotzebue, Heinrich Luden, Adam Müller, Friedrich von<br />
Müller, Ludwig Preller.<br />
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Dr. Silke Henke (Jena)<br />
Germanistin, Abteilungsleiterin Medienbearbeitung und -nutzung im Goethe- und<br />
Schiller-Archiv