Tango Korrupti? - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag
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<strong>Tango</strong> <strong>Korrupti</strong>?<br />
Zwei Jahre Untersuchungsausschuss<br />
zur <strong>Korrupti</strong>ons- / Aktenaffäre<br />
in Sachsen<br />
Eine Bilanz der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Sächsischen <strong>Landtag</strong>
<strong>Tango</strong> <strong>Korrupti</strong>?<br />
Zwei Jahre Untersuchungsausschuss zur<br />
<strong>Korrupti</strong>ons- und Aktenaffäre in Sachsen<br />
Inhalt<br />
Vorwort Seite 2<br />
Untersuchungsausschuss zum „Sachsen-Sumpf“: Seite 3<br />
Einsetzungsbeschluss, Zusammensetzung des UA<br />
Chronologie der Vorgeschichte des Seite 4<br />
„Sachsen-Sumpfes“<br />
Rede von MdL Klaus Bartl als Berichterstatter Seite 8<br />
des Untersuchungsausschusses am 26.6.2009<br />
vor dem Sächsischen <strong>Landtag</strong><br />
Welchen Abschlussbericht MdL Klaus Bartl Seite 21<br />
(<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>) gern gehabt hätte …<br />
Rede von MdL Caren Lay (<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>) zum Abschlussbericht<br />
und Minderheitenvoten des Untersuchungsausschusses<br />
zum „Sachsen-Sumpf Seite 28<br />
Rede von MdL Karl Nolle (SPD) zur Unterrichtung<br />
durch den 2. Untersuchungsausschuss am 26.6.2009<br />
<strong>im</strong> Sächsischen <strong>Landtag</strong> Seite 34<br />
Entschließungsantrag der <strong>Fraktion</strong>en <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> und<br />
BÜNDNIS 90 / <strong>DIE</strong> GRÜNEN Seite 38<br />
Impressum Seite 40
Vorwort<br />
Was Sie, liebe Bürgerinnen und Bürger, in dieser Broschüre lesen können,<br />
ist das Fazit eines Untersuchungsausschusses, den es nach dem Willen der<br />
CDU gar nicht geben durfte. Erst der Sächsische Verfassungsgerichtshof<br />
konnte die Blockade der Arbeit des Gremiums durch die Staatsregierung<br />
und die Koalition beenden. Damit ging dem von <strong>LINKE</strong>N, FDP und GRÜNEN<br />
eingesetzten Untersuchungsausschuss ein Jahr Zeit für die Aufklärung der<br />
Verfassungsschutz- bzw. <strong>Korrupti</strong>onsaffäre verloren.<br />
Was nun von <strong>LINKE</strong>N und GRÜNEN als Abschlussbericht vorgelegt worden ist,<br />
kann logischerweise nur vorläufig und unvollständig sein. Da der Ausschuss aber<br />
mit dem Ende der Legislaturperiode seine Arbeit beenden muss, betrachten wir<br />
es als unsere Pflicht, Sie darüber zu informieren, was Aktenstudium und Zeugenvernehmungen<br />
zutage gebracht haben. Sie werden selbst sehen, dass bei uns<br />
Fakten <strong>im</strong> Mittelpunkt stehen. Die Interpretation überlassen wir gerne Ihnen.<br />
Wir lassen aber nicht unwidersprochen zu, dass Staatsregierung und CDU,<br />
teilweise auch die SPD, Interpretationen als Scheinwahrheiten ausgeben,<br />
die mit den Tatsachen auf Kriegsfuß stehen. Dazu gehört vor allem die These<br />
von der „heißen Luft“. Als bei Androhung erheblicher Strafen zum Schweigen<br />
verpflichtetes Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission, die<br />
sich lange vor dem Ausschuss mit den über 15.000 Seiten des Verfassungsschutzes<br />
zu mutmaßlichen kr<strong>im</strong>inellen Netzwerken beschäftigt hat, und als<br />
häufiger Zuschauer <strong>im</strong> Untersuchungsausschuss sage ich:<br />
Ob das, was die Medien „Sachsen-Sumpf“ genannt hatten, am Ende mehr eine<br />
Akten- oder eine <strong>Korrupti</strong>onsaffäre ist, also ob der Verfassungsschutz Hirngespinste<br />
produziert hat oder ob es wirklich lokale kr<strong>im</strong>inelle Netzwerke unter Einbeziehung<br />
der Justiz gab, ist aufgrund der Verschleierungs- und Verzögerungstaktik<br />
vor allem von CDU-geführter Staatsregierung und CDU-<strong>Fraktion</strong> noch nicht<br />
restlos geklärt. Die bisher ermittelten Fakten sprechen dafür, dass es beides gab<br />
und die Wahrheit irgendwo in der Mitte liegt. Wir werden auch nach den Wahlen<br />
– dann hoffentlich mit einer Mehrheit ohne CDU – an dem Thema dranbleiben!<br />
Dr. André Hahn<br />
Vorsitzender der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>
2. Untersuchungsausschuss<br />
der 4. Wahlperiode des Sächsischen <strong>Landtag</strong>s:<br />
Einsetzungsbeschluss vom 19. Juli 2007 / <strong>Landtag</strong>sdrucksache 4/9265:<br />
Einsetzung eines Untersuchungsausschusses unter dem Titel:<br />
„Verantwortung der Staatsregierung für schwerwiegende Mängel bei der Aufdeckung<br />
und Verfolgung kr<strong>im</strong>ineller und korruptiver Netzwerke unter Beteiligung<br />
von Vertretern aus Politik und Wirtschaft, von Richtern, Staatsanwälten<br />
und sonstigen Bediensteten der sächsischen Justiz, Polizei, von Landes- und<br />
kommunalen Behörden sowie für das Versagen rechtsstaatlicher Informations-,<br />
Kontroll- und Vorbeugungsmechanismen in Sachsen (Kr<strong>im</strong>inelle und<br />
korruptive Netzwerke in Sachsen)“<br />
Dem Untersuchungsausschuss gehören insgesamt 20 Mitglieder des Sächsischen<br />
<strong>Landtag</strong>es (MdL) an:<br />
CDU 10<br />
<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> 5<br />
SPD 2<br />
NPD 1<br />
FDP 1<br />
BÜNDNIS 90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN 1<br />
Die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> hat folgende Mitglieder in den Untersuchungsausschuss<br />
zum so genannten „Sachsen-Sumpf“ entsandt:<br />
MdL Klaus Bartl (Ausschussvorsitzender)<br />
MdL Caren Lay (Obfrau)<br />
MdL Dr. Cornelia Ernst<br />
MdL Dr. Dietmar Pellmann<br />
MdL Andrea Roth<br />
Dr. Rosemarie Jarosch und Thorsten Steckel stehen den Ausschussmitgliedern<br />
der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> als Berater in parlamentarisch-juristischen<br />
Fragen zu Seite.<br />
3
Chronologie der Vorgeschichte<br />
des „Sachsen-Sumpfes“<br />
Am 9.9.2003 fing alles an: Die CDU boxte gegen alle verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken der damaligen PDS-<strong>Fraktion</strong> eine Änderung des Sächsischen<br />
Verfassungsschutzgesetzes durch. Damit wurde einer Beobachtung<br />
der organisierten Kr<strong>im</strong>inalität durch das Landesamt für Verfassungsschutz<br />
der Weg geebnet. Folgerichtig baute der Verfassungsschutz ein sogenanntes<br />
OK-Referat auf. Noch in der letzten Wahlperiode reichte die PDS-<strong>Fraktion</strong><br />
deshalb Klage be<strong>im</strong> Sächsischen Verfassungsgerichtshof ein.<br />
Am 21.7.2005 entschieden Sachsens höchste Richter und gaben der PDS-<br />
<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> Wesentlichen Recht: Die Beobachtung der OK ist nur bei Gefährdung<br />
der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zulässig, sonst nicht.<br />
Einen Tag später ordnete der damalige Innenminister Thomas de Maizière<br />
(CDU) die vorläufige Einstellung der OK-Beobachtung durch den Verfassungsschutz<br />
an. Zugleich erhielt eine Fachabteilung des Innenministeriums<br />
den Auftrag, genau zu prüfen, wie das Urteil praktisch umzusetzen ist.<br />
Ergebnis der Prüfung: Es bleibt fast alles be<strong>im</strong> Alten, denn, so wurde am<br />
12.8.2005 in einem Abteilungsleiterschreiben mitgeteilt: Der vom Verfassungsgericht<br />
geforderte Bezug zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung<br />
sei bei allen Fallkomplexen gegeben. Schon drei Tage später st<strong>im</strong>mte<br />
de Maizière der Wiederaufnahme der OK-Beobachtung zu. Man muss dazu<br />
wissen, dass die sächsische Verfassung ausdrücklich eine strikte Trennung<br />
von Polizei und Gehe<strong>im</strong>dienst vorschreibt, also folgerichtig die Bekämpfung<br />
von Kr<strong>im</strong>inalität Aufgabe einer möglichst gut ausgerüsteten und personell<br />
opt<strong>im</strong>al ausgestatteten Polizei zu sein hat.<br />
Am 27.9.2005 tagte die streng gehe<strong>im</strong>e Parlamentarische Kontrollkommission<br />
(PKK). Sie wurde vom Innenministerium über die Schlussfolgerungen<br />
aus dem Verfassungsgerichtsurteil unterrichtet. Am 24.11.2005 trat der<br />
neue Innenminister Buttolo sein Amt an, de Maizière war dem Ruf der neuen<br />
Bundeskanzlerin Angela Merkel gefolgt, den Job des Chefs des Kanzleramts<br />
zu übernehmen. 1.12.2005: Die seit Herbst 2004 regierende CDU/SPD-<br />
Koalition bringt einen Gesetzentwurf ein, der das Verfassungsschutzgesetz<br />
4
so ändern soll, dass die OK-Beobachtung nach Maßgabe der Verfassungsrichter<br />
weiter möglich ist. Einen Tag vor Heiligabend fertigt das Landesamt<br />
für Verfassungsschutz einen Vermerk, wie die PKK über die weiter zu beobachtenden<br />
Fallkomplexe in Kenntnis zu setzen sei.<br />
Am 23.1.2006 wird vom Innenminister <strong>im</strong> Rahmen der Beantwortung einer<br />
Kleinen Anfrage auf die OK-Beobachtung hingewiesen, nähere Einzelheiten<br />
– so heißt es in der Antwort – würden auf Verlangen der PKK mitgeteilt. Eine<br />
Woche später, am 1.2.2006, übersenden die Koalitionsfraktionen einen Gesetzesänderungsantrag,<br />
der die vollständige Streichung der Beobachtung<br />
der „Bestrebungen und Tätigkeiten der OK“ vorsieht. Der Verfassungs- und<br />
Rechtsausschuss empfiehlt am 27.3.2006 die Annahme dieses Gesetzentwurfes.<br />
Der Innenausschuss schließt sich drei Tage später an, am 7. April<br />
2006 wird der Gesetzentwurf vom <strong>Landtag</strong> beschlossen.<br />
Im Mai überschlagen sich erstmals die Ereignisse. Noch bevor am 28.5. die<br />
Novelle des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes in Kraft tritt und das<br />
Landesamt für Verfassungsschutz die Datenerhebung in den beobachteten<br />
OK-Fallkomplexen beendet, haben am 18. und 19.5. 2006 zwei Mitarbeiter<br />
des Datenschutzbeauftragten Einsicht in die entsprechenden Akten genommen<br />
und angekündigt, dass diese Datenverarbeitung als rechtswidrig beanstandet<br />
werde. Am 30.5.2006 informieren Innenministerium und Verfassungsschutz<br />
die PKK über Konsequenzen<br />
der Gesetzesnovellierung.<br />
Am 13.6.2006 verschafft sich der Datenschutzbeauftragte<br />
persönlich Einblicke in die<br />
brisanten Akten und vertritt die Auffassung,<br />
dass sich der Verfassungsschutz nicht an die<br />
vom Verfassungsgericht gezogenen Grenzen<br />
gehalten habe.<br />
Am 29.9.2006 bittet Innenminister Buttolo<br />
die PKK, die vom Datenschutzbeauf-<br />
Sachsens Innenminister Dr. Albrecht Buttolo<br />
tragten durchgesehenen Unterlagen darauf<br />
hin zu prüfen, ob die Beanstandung zu Recht bestehe und damit eine<br />
Weitergabe der Daten ausgeschlossen sei. Sechs Tage später bekräftigt der<br />
5
Verfassungsschutz seine Auffassung, dass die OK-Beobachtung rechtmäßig<br />
gewesen sei. Am 2.10.2006 verlangt der Datenschutzbeauftragte, die Akten<br />
zu vernichten, falls das zuständige Archiv kein Interesse daran habe.<br />
Am 15.5.2007 beschließt die PKK – abweichend von der Position des<br />
Datenschutzbeauftragten –, dass die Beobachtung der OK in vier von fünf<br />
Fallkomplexen rechtmäßig gewesen sei. Daraus folgt, dass die entsprechende<br />
Aktensammlung verwendet werden darf. Am 25.5.2006 übergibt die PKK<br />
das erste Dossier des Verfassungsschutzes mit Erkenntnissen zur OK-Beobachtung<br />
an den Generalstaatsanwalt.<br />
Es stellt sich <strong>im</strong> weiteren Verlauf<br />
der Übergabe von Unterlagen an<br />
die Staatsanwaltschaft heraus,<br />
dass zuvor <strong>im</strong> Landesamt für Verfassungsschutz<br />
Kopien von Gerichtsakten,<br />
die <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit den Beobachtungsobjekten<br />
standen, vernichtet worden sind.<br />
Der <strong>Landtag</strong> setzt <strong>im</strong> zweiten Anlauf<br />
mit den St<strong>im</strong>men von <strong>LINKE</strong>N,<br />
FDP und GRÜNEN einen Untersuchungsausschuss ein, den der damalige Ministerpräsident<br />
Milbradt als „Klamauk“ besch<strong>im</strong>pft. Der Leiter der mit der<br />
strafrechtlichen Bearbeitung beauftragten Ermittlungseinheit der Dresdner<br />
Staatsanwaltschaft, Henning Drecoll, spricht schon bald – unmittelbar vor<br />
dem CDU-Landesparteitag – von „heißer Luft“.<br />
Der Ausschuss selbst, dem Akten und Zeugen vorenthalten werden, weil die<br />
Staatsregierung behauptet, der Einsetzungsauftrag des Gremiums sei verfassungswidrig,<br />
kann erst nach über einem Jahr mit der Arbeit beginnen –<br />
dank eines Urteils des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes. Das oberste<br />
sächsische Gericht entscheidet, dass die Arbeit dieses Untersuchungsausschusses<br />
<strong>im</strong> öffentlichen Interesse sei.<br />
Wegen dieser mit den St<strong>im</strong>men der CDU <strong>im</strong> Untersuchungsausschuss<br />
durchgesetzten Blockade konnte der Ausschuss nach Einschätzung aller<br />
6
<strong>Fraktion</strong>en nur zu vorläufigen, unvollständigen Erkenntnissen gelangen.<br />
Dies gilt sowohl für den von der Koalitionsmehrheit durchgesetzten Abschlussbericht<br />
als auch für die abweichenden Minderheitsvoten, von denen<br />
wir in dieser Broschüre die Zusammenfassung des Berichts von <strong>LINKE</strong>N und<br />
GRÜNEN dokumentieren.<br />
Eigentlich wollten diejenigen, die den Untersuchungsausschuss gemeinsam<br />
ins Werk setzten, auch eine gemeinsame abschließende Wertung vornehmen.<br />
Die Entwurfsfassung war auch von Dr. Jürgen Martens (FDP) unterschrieben,<br />
der zusammen mit Klaus Bartl (<strong>LINKE</strong>) und Johannes Lichdi<br />
(GRÜNE) <strong>im</strong> Jahr 2007 den Untersuchungsauftrag vorgestellt hatte. Doch da<br />
die Führung der FDP wegen ihrer Sehnsucht nach einer schwarz-gelben Koalition<br />
nach der Wahl inzwischen auf Schmusekurs gegenüber der CDU eingeschwenkt<br />
ist, war ein erneuter gemeinsamer Auftritt des Rechtsanwalts-<br />
Trios nicht möglich.<br />
Nichtsdestotrotz sind <strong>LINKE</strong> und GRÜNE davon überzeugt, dass der <strong>Landtag</strong><br />
in der kommenden Legislaturperiode erneut einen Untersuchungsausschuss<br />
zur vollständigen Aufklärung dessen einsetzen sollte, was mal „Sachsen-<br />
Sumpf“, mal <strong>Korrupti</strong>on-, Akten- oder Verfassungsschutzaffäre genannt wird<br />
und am Ende wahrscheinlich ein bisschen von allem gewesen ist …<br />
7
Rede von MdL Klaus Bartl (<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>)<br />
als Berichterstatter des Untersuchungsausschusses<br />
am 26.06.2009 vor dem Sächs. <strong>Landtag</strong><br />
(Es gilt das gesprochene Wort!)<br />
Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der 4. Wahlperiode zum Antrag<br />
von 31 Abgeordneten der Linksfraktion, 7 Abgeordneten der FDP-<strong>Fraktion</strong><br />
sowie 6 Abgeordneten der <strong>Fraktion</strong> Grüne zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses<br />
(Drucksache 4/9265 und 4/9422) zum Thema: „Untersuchung<br />
der Verantwortung von Mitgliedern der Staatsregierung für etwaige<br />
schwerwiegende Mängel bei der Aufdeckung und Verfolgung kr<strong>im</strong>ineller und<br />
korruptiver Netzwerke unter Beteiligung von Vertretern aus Politik und Wirtschaft,<br />
von Richtern, Staatsanwälten und sonstigen Bediensteten der sächsischen<br />
Justiz, Polizei, von Landes- und kommunalen Behörden sowie für das<br />
Versagen rechtsstaatlicher Informations-, Kontroll- und Vorbeugungsmechanismen<br />
in Sachsen (Kr<strong>im</strong>inelle und korruptive Netzwerke in Sachsen)“ sowie<br />
abweichende Berichte<br />
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren,<br />
der Sächsische <strong>Landtag</strong> der 4. Wahlperiode hat in seiner 86. Sitzung am <br />
19. Juli 2007 auf entsprechenden Antrag von Abgeordneten der Linksfraktion,<br />
der <strong>Fraktion</strong> FDP und der <strong>Fraktion</strong> Bündnis 90/Die Grünen einen Untersuchungsausschuss<br />
mit der Bezeichnung und Themenzuweisung „Kr<strong>im</strong>inelle<br />
und korruptive Netzwerke in Sachsen“ eingesetzt. Der Untersuchungsausschuss<br />
hat seither stellvertretend für das Plenum alle ihm möglichen Bemühungen<br />
unternommen, die <strong>im</strong> Einsetzungsbeschluss näher best<strong>im</strong>mte Thematik<br />
zu untersuchen.<br />
Mit dem heute vorgelegten zur Debatte gegenständlichen Abschlussbericht<br />
sowie den hierzu vorliegenden drei abweichenden Berichten kommt<br />
der Untersuchungsausschuss der ihm durch § 23 des Sächsischen Untersuchungsausschussgesetzes<br />
auferlegten Verpflichtung nach, dem <strong>Landtag</strong><br />
nach Abschluss seiner Untersuchungen Bericht zu erstatten. Um dieser<br />
Rechenschaftspflicht des Untersuchungsausschusses gegenüber dem Par-<br />
8
lament gerecht werden zu können, hat der Ausschuss am 9. Juni 2009 den<br />
Beschluss gefasst, dass er seine Beweisaufnahme, also seine Untersuchungen,<br />
beendet. Obgleich er, dies sei an dieser Stelle bereits ausdrücklich hervorgehoben,<br />
nach der übereinst<strong>im</strong>menden Auffassung aller seiner Mitglieder<br />
aus verschiedenen, näher noch darzulegenden Gründen nicht in der Lage<br />
war, den Einsetzungsauftrag auch nur in Näherung vollständig zu erfüllen.<br />
Der Ausschuss hatte sich unverzüglich nach seiner Einsetzung in der Sitzung<br />
am 27. Juli 2007 konstituiert und in dieser Sitzung auch bereits die ersten Beschlüsse<br />
zur Beweiserhebung gefasst. Sie betrafen in nahezu wortgleichen<br />
Anträgen von den Koalitionsfraktionen und den einsetzenden Oppositionsfraktionen<br />
zunächst die an das Sächsische Staatsministerium des Inneren<br />
gerichtete Aufforderung zur Übergabe sämtlicher, <strong>im</strong> damaligen OK-Referat<br />
33/34 des Landesamtes für Verfassungsschutz zur Beobachtung der Organisierten<br />
Kr<strong>im</strong>inalität geschaffenen Akten, Aktenteile und sonstigen Unterlagen<br />
in der Fassung, wie sie vom LfV vorher der Parlamentarischen Kontrollkommission<br />
vorgelegt wurden und wie sie nach deren Beschluss vom 15.<br />
Mai 2007 der Staatsanwaltschaft zu übergeben waren.<br />
Mit Schreiben vom 28. August 2007 teilte der Sächsische Staatsminister<br />
des Innern dem Ausschuss mit, dass das Staatsministerium der Justiz gegen<br />
eine Herausgabe der Akten des Landesamtes für Verfassungsschutz in Hinblick<br />
auf § 477 StPO Bedenken geäußert habe. Es wurde also der Einwand<br />
vorgetragen, dass die Herausgabe dieser Unterlagen an den Untersuchungsausschuss<br />
den Zweck der zwischenzeitlich durch die Staatsanwaltschaft<br />
Dresden eingeleiteten Ermittlungen gefährden könne. Der Ausschuss äußerte<br />
hierüber in der anschließenden 2. Sitzung am 30. August 2007 gegenüber<br />
den Beauftragten der Staatsregierung <strong>im</strong> Ausschuss sein Erstaunen,<br />
da die Parallelität zwischen Untersuchungstätigkeit eines Untersuchungsausschusses<br />
und laufenden Ermittlungsverfahren in der parlamentarischen<br />
Praxis nachgerade die Regel ist.<br />
Mit Schreiben vom 14. September 2007 teilte der Staatsminister des Inneren<br />
dann dem 2. Untersuchungsausschuss mit, dass er die Herausgabe<br />
der abgeforderten Unterlagen generell ablehne. Dies unter Berufung darauf,<br />
dass der den Untersuchungsausschuss einsetzende <strong>Landtag</strong>sbeschluss verfassungswidrig<br />
sei.<br />
9
Das Sächsische Staatsministerium des Innern bezog sich dabei auf zwei<br />
vom Staatsministerium der Justiz in Auftrag gegebene Rechtsgutachten, die<br />
behaupteten, der Einsetzungsbeschluss sei zu unbest<strong>im</strong>mt, nehme Wertungen<br />
vorweg, verstoße gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und greife<br />
in den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung ein. Darüber hinaus<br />
stünden der Herausgabe der Akten – später zum Teil aufgegebene – Einwände<br />
des Bundesamtes sowie anderer Landesämter für Verfassungsschutz entgegen.<br />
Zudem sei schließlich „die Gefährdung der staatsanwaltschaftlichen<br />
Ermittlungen“ zu befürchten.<br />
Im Weiteren brachten die Vertreter der Staatsregierung <strong>im</strong> Ausschuss auch<br />
zum Ausdruck, dass bis zur Klärung dieser verfassungsrechtlichen Einwände<br />
Zeugen, die der Ausschuss laden wolle und die in einem öffentlich-rechtlichen<br />
Dienstverhältnis mit dem Freistaat Sachsen bzw. seinen Behörden stehen,<br />
keine Aussagegenehmigung erhalten würden.<br />
Da sich diese Position der Staatsregierung in anschließenden informellen<br />
Gesprächen und Verhandlungen nicht überwinden ließ, der Untersuchungsausschuss<br />
aber durch diese Konstellation weithin an dem ihm durch den<br />
<strong>Landtag</strong> aufgegebenen zielführenden Untersuchungen gehindert war, erhob<br />
dieser nach entsprechender Beschlussfassung in seiner 8. Sitzung am <br />
17. Dezember 2007 eine Organklage gegen die Sächsische Staatsregierung<br />
be<strong>im</strong> Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen in Leipzig.<br />
Am 29. August 2008 traf der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen<br />
über diese Klage folgende Sachentscheidung:<br />
„Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller dadurch in<br />
seinen verfassungsmäßigen Rechte aus Artikel 54 Abs. 4 Sächsische Verfassung<br />
verletzt hat, dass sie die Vorlage der mit den Beweisbeschlüssen<br />
ADS 3, 5, 10, 11, 17 und 21 angeforderten Akten, Aktenteile und Unterlagen<br />
abgelehnt hat.“<br />
Nach den Feststellungen des Urteils des Verfassungsgerichtshofs war mithin<br />
der 2. Untersuchungsausschuss von Anfang an wirksam eingesetzt.<br />
Die parlamentarische Untersuchung liege <strong>im</strong> öffentlichen Interesse. Der<br />
Einsetzungsbeschluss werde den Geboten der Best<strong>im</strong>mtheit und Begrenzt-<br />
10
heit gerecht, den Fragenkatalogen lasse sich ein ausreichend konkretes<br />
Arbeitsprogramm entnehmen. Die Bezeichnung des Untersuchungsgegenstands<br />
enthalte keine unzulässig vorweggenommenen Feststellungen und<br />
Wertungen, auch greife der Untersuchungsgegenstand nicht in unzulässiger<br />
Weise in den Bereich der Judikative ein. Allerdings verletzten Teile des<br />
Untersuchungsauftrags den nach dem Gewaltenteilungsprinzip geschützten<br />
Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dabei handelt es sich um die<br />
Themenkreise Spiegelstrich 5, 7 und 8, die Maßnahmen der Staatsregierung<br />
zum Gegenstand hätten, die von dieser erst in Reaktion auf die Berichterstattung<br />
in den Medien eingeleitet worden seien. Diese seien <strong>im</strong> Zeitpunkt<br />
der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum Großteil noch nicht abgeschlossen<br />
gewesen. Gleiches gelte für das Krisenmanagement und die Informationspolitik<br />
der Staatsregierung, die nicht Untersuchungsgegenstand<br />
sein könnten.<br />
In seiner anschließenden 17. Sitzung am 2. September 2008 verschaffte<br />
sich der Untersuchungsausschuss einen Überblick über die Auswirkungen<br />
dieses Urteils auf die bereits beschlossenen Beweisanträge und stellte<br />
fest, dass die vom Verfassungsgerichtshof für ungültig erklärten Teile des<br />
Untersuchungsauftrags den Beweisbeschluss ADS 17 betrafen, welcher <strong>im</strong><br />
Übrigen nach einer Neufassung durch die Antragsteller dann später in der <br />
28. Ausschusssitzung am 27. Januar 2009 beschlossen wurde.<br />
In der besagten 17. Sitzung am 2. September 2008 verständigte sich der <br />
2. Untersuchungsausschuss angesichts der Tatsache, dass ihm effektiv in<br />
Hinblick auf die Dauer der Legislaturperiode ein Zeitfenster von ca. 9 bis 10<br />
Monaten für eigene Untersuchungen verbleibt, darauf, von der Gliederung<br />
des Einsetzungsauftrags abzuweichen, diese quasi nicht chronologisch abzuarbeiten,<br />
sondern sich in einer Art Selbstbeschränkung zunächst mit der<br />
Untersuchung der Tätigkeit des Landesamtes für Verfassungsschutz, insbesondere<br />
dessen Referats Organisierte Kr<strong>im</strong>inalität während der Dauer seiner<br />
Existenz von 2003 bis Mai 2006, den entsprechenden Entscheidungen des<br />
LfV auf der Leitungs- und Präsidialebene sowie dessen Zusammenwirken mit<br />
dem Staatsministerium des Inneren und der Parlamentarischen Kontrollkommission<br />
(Informationspflichten aus § 17 SächsVG) zu befassen. Demgemäß<br />
wurde weiter beschlossen, zunächst die Arbeitsebene des Landesamtes für<br />
Verfassungsschutz bzw. zuständigen OK-Referats, hiernach die Leitungsebe-<br />
11
ne des LfV, dann die Aufsichtsebene <strong>im</strong> Staatsministerium des Innern und<br />
schließlich die Führungsebenen <strong>im</strong> Landesamt für Verfassungsschutz und <strong>im</strong><br />
Staatsministerium des Inneren zeugenschaftlich zu vernehmen. Dies mit der<br />
Verabredung, dass dann, wenn dieser Komplex abgeschlossen sei, über die<br />
weiteren Beweiserhebungen eine Verständigung erfolgt.<br />
Am 30. September 2008 vernahm dann der Untersuchungsausschuss als<br />
ersten Zeugen den Sächsischen Datenschutzbeauftragten Andreas Schurig.<br />
Dies deshalb, weil es der Sächsische Datenschutzbeauftragte war, der mit<br />
seiner Beanstandung vom September 2006 die Existenz der entsprechenden<br />
umfänglichen Datenbestände, die während der Arbeit des Referats 33/34<br />
zur Beobachtung von vermeintlichen Strukturen der Organisierten Kr<strong>im</strong>inalität<br />
angelegt worden waren, überhaupt erst öffentlich gemacht hatte.<br />
Jenseits der vorstehend schon in Bezug genommenen grundsätzlichen Verständigung<br />
in der Ausschusssitzung vom 2. September 2008 begann dann<br />
auch relativ zeitnah die Übersendung der von verschiedenen Behörden des<br />
Freistaates Sachsen durch den 2. Untersuchungsausschuss per Beweisbeschluss<br />
zumeist Monate zuvor abgeforderten Akten und Aktenteile. Diese<br />
waren in verschiedene Gehe<strong>im</strong>haltungsstufen klassifiziert und teilweise<br />
gesperrt. Da behördlicherseits um Zeitaufschub wegen der Klassifizierung<br />
teilweise großer Aktenbestände und Gehe<strong>im</strong>haltungsstufen ersucht wurde,<br />
diskutierte der 2. Untersuchungsausschuss kontrovers, ob dies angesichts<br />
des ohnehin <strong>im</strong>mensen Zeitverlustes zu gewähren sei, allzumal die Klassifizierung<br />
bereits während der verfassungsgerichtlichen Auseinandersetzung<br />
hätte erfolgen können.<br />
Der 2. Untersuchungsausschuss hat dann <strong>im</strong> Laufe der Zeit in Realisierung<br />
von 27 Beweisbeschlüssen von verschiedenen Behörden insgesamt 788 Aktenordner,<br />
davon 500 Ordner als offene Unterlagen, 89 Ordner als Vertrauliche<br />
Verschlusssachen – Nur für den Dienstgebrauch (VS-NfD), 32 Ordner als<br />
Verschlusssache vertraulich (VVS), 149 Ordner als Verschlusssache gehe<strong>im</strong><br />
(VSG), in seinen Aktenbestand aufgenommen.<br />
Vom Landesamt für Verfassungsschutz wurden 125 Ordner als Verschlusssache<br />
gehe<strong>im</strong> klassifizierte und 27 Ordner als Verschlusssache vertraulich<br />
eingestuft übergeben. Adressaten von Beweisbeschlüssen, die von dort aus<br />
12
auch realisiert wurden, waren darüber hinaus das SMI, verschiedene Staatsanwaltschaften,<br />
insbesondere die Staatsanwaltschaft Dresden, die Generalstaatsanwaltschaft<br />
bis hin zum Bundeskr<strong>im</strong>inalamt.<br />
Insgesamt wurden in der Geschäftsstelle des Ausschusses 446 Vorgänge<br />
als Ausschussdrucksachen (ADS) erfasst.<br />
Der Ausschuss hat, nachdem sich dessen Mitglieder <strong>im</strong> Einvernehmen darauf<br />
verständigt hatten, um den eingetretenen Zeitverlust zumindest partiell aufzuarbeiten,<br />
zu den turnusmäßigen Sitzungen nach dem Sitzungsplan des Sächsischen<br />
<strong>Landtag</strong>s 10 weitere Sondersitzungen, die teils über mehrere Tage und<br />
auch bis in die Nachtstunden reichten, durchzuführen, 55 Beweisanträge behandelt<br />
und beschlossen. Davon betrafen 29 Anträge Herausgabeverlangen<br />
an Dienststellen und Behörden <strong>im</strong> Freistaat Sachsen wie auch außerhalb des<br />
Freistaates. Betreffend besagte Akten, Aktenteile und Dokumente. 33 Anträge<br />
wurden durch die <strong>Fraktion</strong>en mit dem Begehr auf Zeugenladung gestellt,<br />
wobei die Einvernahme von insgesamt 75 Zeugen verlangt wurde.<br />
In den dann 15 Beweiserhebungssitzungen, die der 2. Untersuchungsausschuss<br />
ab Ende September 2008 durchführen konnte, wurden 31 Zeugen,<br />
davon 5 zwei Mal, vernommen. Circa 50 bereits beschlossene Zeugenvernehmungen<br />
konnten aus verschiedenen Gründen sowohl wegen des nahenden<br />
Endes der Beweisaufnahme bzw. der Legislatur, aber auch, weil die<br />
betreffenden Zeugen wegen behaupteter oder tatsächlicher Vernehmungsunfähigkeit,<br />
aus Gründen vorab erklärter Auskunftsverweigerungsrechte<br />
oder auch aus gerechtfertigten persönlichen Gründen nicht erreichbar waren,<br />
nicht mehr vorgenommen werden. In erheblichem Umfang wurde die<br />
Tätigkeit des Ausschusses auch dadurch erschwert bzw. verzögert, dass<br />
der 2. Untersuchungsausschuss umfängliche, in der bisherigen Tätigkeit<br />
von Untersuchungsausschüssen des Sächsischen <strong>Landtag</strong>s nicht gekannte <br />
Gehe<strong>im</strong>schutzvorkehrungen vornehmen musste.<br />
Bereits in der 2. Ausschusssitzung am 30. August 2007 war deutlich geworden,<br />
dass ein großer Teil der beizuziehenden Akten in den Gehe<strong>im</strong>haltungsgrad<br />
VS-vertraulich bzw. VS-gehe<strong>im</strong> klassifiziert worden sind.<br />
Dies hatte nicht nur zur Konsequenz, dass der Untersuchungsausschuss betreffs<br />
der Lagerung der entsprechenden Aktenbestände umfängliche räum-<br />
13
liche und sächliche Voraussetzungen schaffen musste, sondern auch, dass<br />
Personen, die zu Sachverhalten vernommen werden sollten, die den besagten<br />
Gehe<strong>im</strong>haltungsgraden unterfielen, eben nicht in offener oder auch<br />
nur geschlossener Sitzung angehört werden konnten, sondern in Sitzungen,<br />
die dem Gehe<strong>im</strong>haltungsgrad VS-gehe<strong>im</strong> entsprachen. So wurden nahezu<br />
sämtliche der insgesamt 9 vernommenen Mitarbeiter des damaligen Referats<br />
33/34 von 12 dort Beschäftigten in indirekter Vernehmung, nur über<br />
Tonleitung übertragen, vernommen, bei Anwesenheit in Räumlichkeiten, die<br />
dem Untersuchungsausschuss selbst nicht bekannt gewesen sind.<br />
Wesentliche Belastungen ergaben sich darüber hinaus aus den gleichen <br />
Gehe<strong>im</strong>haltungsgründen dahingehend, dass auf Verlangen der Staatsregierung<br />
bzw. die Akten herausgebenden Stellen nur solche Mitarbeiter der<br />
<strong>Landtag</strong>sverwaltung bzw. der <strong>Fraktion</strong>en mit den als gehe<strong>im</strong> eingestuften<br />
Aktenbeständen Kontakt haben durften, respektive Zugang zu selbigen hatten,<br />
die auf der an sich denkbar höchsten Sicherheitsüberprüfungsstufe <br />
Ü 3 durch das in Amtshilfe tätig werdende Bundesamt für Verfassungsschutz<br />
vorher überprüft worden waren. Eine derartige Ü3-Überprüfung hatten zur<br />
Zeit der Einsetzung des 2. Untersuchungsausschusses nur ganz wenige Mitarbeiter<br />
der <strong>Landtag</strong>sverwaltung und kein einziger <strong>Fraktion</strong>smitarbeiter.<br />
Durch die <strong>Fraktion</strong> Bündnis 90/Die Grünen, die <strong>Fraktion</strong> der FDP und die<br />
Linksfraktion wurde während der gesamten Dauer der Tätigkeit kritisiert,<br />
dass diese Sicherheitsüberprüfungen zu einer weiteren nicht hinnehmbaren<br />
Verzögerung der Ausschussarbeit geführt haben bzw. dass es generell nicht<br />
hinnehmbar sei, dass Mitarbeiter von Oppositionsfraktionen durch das Landesamt<br />
für Verfassungsschutz sicherheitsüberprüft werden.<br />
Insgesamt erwarben schließlich 9 Mitarbeiter der <strong>Landtag</strong>sverwaltung und<br />
4 <strong>Fraktion</strong>smitarbeiter die für Betreuungsaufgaben be<strong>im</strong> 2. Untersuchungsausschuss<br />
erforderliche Sicherheitsüberprüfungsstufe Ü3 und weitere <br />
3 <strong>Fraktion</strong>smitarbeiter die Stufe Ü2, was sie zumindest partiell zum Zugang<br />
zu den Verschlusssachen des 2. Untersuchungsausschusses ermächtigte.<br />
Der Untersuchungsausschuss dankt an dieser Stelle ausdrücklich dem <br />
Präsidenten des Sächsischen <strong>Landtag</strong>s, der dem Ausschuss für die Vernehmung<br />
von Zeugen zu derartig gehe<strong>im</strong>haltungsbedürftigen Sachverhalten<br />
14
seinen besonderen Beratungsraum,<br />
den Raum A 108 <strong>im</strong> <strong>Landtag</strong>sgebäude<br />
nicht nur zur Verfügung stellte,<br />
sondern auch veranlasste, dass<br />
dieser mit der entsprechenden Sicherheitstechnik<br />
versehen wurde.<br />
Der Ausschuss muss konstatieren,<br />
dass die zu beachtenden Gehe<strong>im</strong>haltungsbedingungen<br />
bzw. das dadurch<br />
notwendige Prozedere zwar<br />
zu lückenhaften Wahrnehmungen<br />
der Öffentlichkeit von den Zeugenaussagen<br />
und zu Brüchen in der<br />
Vernehmungsreihenfolge durch die<br />
Ausschussmitglieder führte, jedoch<br />
als alternativlos akzeptiert werden<br />
musste, sollte es nicht zu weiteren<br />
Zeitverzögerungen wegen verfassungsrechtlichen<br />
Streitigkeiten mit<br />
der Staatsregierung bzw. sonstigen<br />
Aussagegenehmigungen erteilenden<br />
Stellen kommen.<br />
Der 2. Untersuchungsausschuss fasste über bestehende Gehe<strong>im</strong>haltungsvorschriften<br />
von <strong>Landtag</strong> und Staatsregierung hinaus eigene Gehe<strong>im</strong>haltungsbeschlüsse,<br />
die nicht zuletzt auch dem Schutz von Daten Betroffener<br />
oder Dritter dienen sollten.<br />
Trotz aller Vorkehrungen zur Sicherung der entsprechenden besonders<br />
schutzwürdigen Aktenbestände musste der Untersuchungsausschuss feststellen,<br />
dass aus dem besonders gesicherten Akteneinsichtsraum AK 92,<br />
in welchem Mitglieder des Ausschusses, der Staatsregierung und entsprechend<br />
überprüfte Mitarbeiter nur <strong>im</strong> Beisein von Mitarbeitern der VS-Stelle<br />
des Sächsischen <strong>Landtag</strong>s Akten einsehen durften, aus einer Akte, die<br />
in der ADS 162 beinhaltet war, zwei Unterlagen fehlten, die ursprünglich als <br />
Verschlusssache – „Nur für den Dienstgebrauch“ klassifiziert gewesen sind.<br />
15
Von diesem, am 21. Januar 2009 <strong>im</strong> Zuge der Akteneinsichtnahme durch<br />
den Regierungsbeauftragten be<strong>im</strong> 2. Untersuchungsausschuss, Herrn Leisner,<br />
festgestellten Dokumentenverlust wurde der Ausschussvorsitzende am<br />
selben Tag in Kenntnis gesetzt, welcher hiernach entsprechend die Obleute<br />
informierte und die Sache zur Beratung <strong>im</strong> Ausschuss stellte. Am 28. Januar<br />
2009 wurde dem Ausschussvorsitzenden <strong>im</strong> MDR-Funkhaus in Leipzig von<br />
einem Redakteur der Sendereihe „Fakt“ eine Unterlage übergeben, die inhaltsgleich<br />
den Dokumenten entsprach, welche offenkundig aus dem Akteneinsichtsraum<br />
in Verlust geraten waren. Es handelte sich allerdings um eine<br />
andere Fassung, was durch den beinhalteten Aufdruck des Wortes „Entwurf“<br />
nachvollziehbar war.<br />
Der 2. Untersuchungsausschuss hat betreffs dieses Aktenverlustes Strafanzeige<br />
erstattet, die derzeit unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Dresden<br />
durch das Landeskr<strong>im</strong>inalamte Sachsen <strong>im</strong> Zuge eines Ermittlungsverfahrens<br />
wegen Verwahrungsbruchs, Diebstahls u. a. bearbeitet wird.<br />
Der Ausschuss hat während seiner gesamten Tätigkeit umfängliche Zuschriften<br />
von Petenten mit unterschiedlichsten Anliegen entgegengenommen. In<br />
der Mehrzahl handelte es sich um Schreiben, mit welchen die Petenten darum<br />
ersuchten, eigene Fallkonstellationen, in welchen sie sich vermeintlichen<br />
kr<strong>im</strong>inellen und korruptiven Netzwerken ausgesetzt sahen, zum Gegenstand<br />
der Untersuchungstätigkeit zu machen. Sämtliche diesbezügliche Petitionen<br />
wurden den <strong>Fraktion</strong>en bzw. den Obleuten bekannt gegeben und in umfänglicher<br />
Korrespondenz mit den Petenten unter Verweis auf die vom Ausschuss<br />
zu beachtenden Bindungen an den Einsetzungsauftrag erläutert.<br />
Der Untersuchungsausschuss hat quasi gleitend <strong>im</strong> Zuge der Beweisaufnahme<br />
erste Zeugen aus Bereichen auch außerhalb des Landesamtes für<br />
Verfassungsschutz bzw. der Staatsregierung vernommen, so die Kr<strong>im</strong>inalhauptkommissare<br />
Wehling und Keetman von der Polizeidirektion Leipzig, den<br />
Kr<strong>im</strong>inalkommissar Kaziur, ebenfalls vom Kommissariat Organisierte bzw.<br />
Bandenkr<strong>im</strong>inalität der Polizeidirektion Leipzig, sowie schließlich erste direkte<br />
Wahrnehmungszeugen, wie die Anfang der 90er Jahre zur Prostitution <strong>im</strong> damaligen<br />
Kinderbordell „Jasmin“ in Leipzig gezwungene Zeugin mit dem Pseudonym<br />
„Sarah“ und schließlich in seiner letzten Sitzung am 9. Juni 2009 den<br />
renommierten Kölner Rechtsanwalt und Strafverteidiger Dr. Ulrich Sommer.<br />
16
Unter anderem wegen der bereits <strong>im</strong> Herbst 2007 von Vertretern der Linksfraktion<br />
und dem Vertreter der <strong>Fraktion</strong> Bündnis 90/Die Grünen beantragten<br />
Vernehmung dieses Zeugen, welche die Ausschussmehrheit unter Verweis<br />
auf die wegen der verweigerten Herausgabe von Akten seitens der Staatsregierung<br />
fehlenden Unterlagen zur Prüfung der Zeugenaussagen verweigerte,<br />
kam es <strong>im</strong> Übrigen <strong>im</strong> Juni 2008 zu einem weiteren Organstreitverfahren,<br />
das die Abgeordneten Klaus Bartl, Caren Lay, Johannes Lichdi, Dietmar Pellmann<br />
und Andrea Roth als Antragsteller gegen den 2. Untersuchungsausschuss<br />
wegen Verletzung von Minderheitsrechten führten.<br />
In diesem zu Aktenzeichen Vf. 99-I-08 vor dem Verfassungsgerichtshof des<br />
Freistaates Sachsen geführten Organstreitverfahren sprach der Verfassungsgerichtshof<br />
am 21. November 2008 ein weiteres Urteil. Mit diesem<br />
wurde festgestellt, dass der Antragsgegner, also der 2. Untersuchungsausschuss<br />
bzw. die Ausschussmehrheit, die Antragsteller dadurch in ihren verfassungsmäßigen<br />
Rechten aus Artikel 54 Abs. 3 der Sächsischen Verfassung<br />
verletzt hat, dass er die Realisierung der mit dem entsprechenden Antrag zu<br />
Ausschussdrucksache 121 gestellten Beweisanträge respektive die Ladung<br />
dieser Zeugen, so des Zeugen Rechtsanwalt Dr. Sommer, abgelehnt hat. In<br />
selbigem Urteil wurde in großer Prägnanz die Reichweite des Schutzes der<br />
Minderheit in einem Untersuchungsausschuss ausgeführt, so dass dieses<br />
Urteil grundsätzliche Bedeutung auch für die künftige Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen<br />
<strong>im</strong> Freistaat Sachsen und richtungsweisend in anderen<br />
Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland ist.<br />
Nachdem sich der Ausschuss definitiv verständigt hatte, aus den eingangs<br />
bereits reflektierten prinzipiellen rechtlichen und rechtspolitischen Erwägungen<br />
dem Sächsischen <strong>Landtag</strong> einen Abschlussbericht vorzulegen,<br />
obgleich wegen der faktischen Halbierung des ihm verfügbaren Untersuchungszeitraums<br />
nur ein partieller Abschluss der Untersuchungen absehbar<br />
war, verständigte sich dieser über das Verfahren der Erstellung des Abschlussberichts.<br />
Nach einer dazu kontrovers geführten Aussprache wurde schließlich Einvernehmen<br />
dahingehend erzielt, dass die <strong>Landtag</strong>sverwaltung einen 1. Teil<br />
des Ausschussberichts erarbeitet, der statistische Angaben sowie die Darstellung<br />
des Ganges der Untersuchungen ohne inhaltliche Wertungen beinhaltet.<br />
17
Den einsetzenden <strong>Fraktion</strong>en Linksfraktion, FDP und Grüne wurde eingeräumt,<br />
den Entwurf für einen 2. Teil über die getroffenen Feststellungen<br />
bis zum 2. Juni 2009 vorzulegen, wovon diese drei <strong>Fraktion</strong>en unter<br />
Zeichnung des eingebrachten Entwurfs durch die drei Obleute Caren Lay, <br />
Dr. Jürgen Martens und Johannes Lichdi auch Gebrauch machten. In der<br />
36. und letzten Sitzung des 2. Untersuchungsausschusses am 9. Juni<br />
2009 unmittelbar <strong>im</strong> Anschluss an die Einvernahme des Zeugen Dr. Sommer,<br />
wurde dann der von der einsetzenden Minderheit vorgelegte Entwurf<br />
des betreffenden Teils des Abschlussberichts eingebracht, woraufhin die<br />
Koalitionsfraktionen beantragten, einen von ihnen vorgelegten „Gegenentwurf“<br />
zu diesem Teil 2 des Abschlussberichts als ersetzenden Änderungsantrag<br />
zu behandeln.<br />
Mit einem St<strong>im</strong>mergebnis von 11 zu 7 zu 0 wurde beschlossen, dass die<br />
von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Entwurfsfassung zum Teil 2 bestätigt<br />
wird. Damit war eine Abst<strong>im</strong>mung über den ursprünglichen Entwurf der<br />
<strong>Fraktion</strong>en <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>, FDP und Grüne hinfällig. Die Sprecher dieser <strong>Fraktion</strong><br />
erklärten nach dieser Abst<strong>im</strong>mung, dass sie von dem ihnen nach § 23 <br />
Abs. 2 Untersuchungsausschussgesetz eingeräumten Recht, eigene Berichte<br />
vorzulegen, Gebrauch machen werden.<br />
Hiernach wurde in der Gesamtabst<strong>im</strong>mung zu den Teilen 1 und 2 des Abschlussberichts<br />
ein St<strong>im</strong>mergebnis von 10 zu 7 zu 1 festgestellt. Ein Mitglied<br />
der CDU-<strong>Fraktion</strong> erklärte seine St<strong>im</strong>menthaltung damit, dass es ohne<br />
vorherige Kenntnisnahme der Minderheitenvoten eine Abst<strong>im</strong>mung zu dem <br />
Abschlussbericht für nicht akzeptabel halte.<br />
Die <strong>Fraktion</strong>en <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> und Bündnis 90/Die Grünen legten innerhalb der<br />
dann vom Ausschuss best<strong>im</strong>mten Frist den in Band III von III dem <strong>Landtag</strong><br />
vorliegenden „Abweichenden Bericht“ mit entsprechenden Anlagen vor.<br />
Einen eigenständigen Abweichenden Bericht überreichten des Weiteren die<br />
<strong>Fraktion</strong> der FDP und die <strong>Fraktion</strong> der NPD. Auch diese beiden Abweichenden<br />
Berichte befinden sich <strong>im</strong> Band III von III.<br />
In Band I von III ist der Teil 1 respektive der Berichtsteil der Verwaltung, den<br />
der Ausschuss mit Änderungen bestätigt hat, enthalten sowie zu Teilen in<br />
diesem Band und zu Teilen in Band II von III der Bericht der Koalitionsfraktionen.<br />
18
Festzustellen ist, dass es zwischen den Wertungen, welche die Koalitionsfraktionen<br />
CDU und SPD zum Einen, die einsetzenden bzw. die Oppositionsfraktionen<br />
generell zum Anderen aus dem Gang der Untersuchung bzw. der<br />
Beweisaufnahme ableiten, gravierende Unterschiede gibt, die zweifellos in<br />
der weiteren Debatte über diese Unterrichtung des 2. Untersuchungsausschusses<br />
gegenüber dem Sächsischen <strong>Landtag</strong> noch deutlich werden.<br />
Mir als Ausschussvorsitzender und Berichterstatter verbleibt, mich ausdrücklich<br />
und herzlich zuerst bei allen Mitarbeitern der <strong>Landtag</strong>sverwaltung,<br />
insbesondere des Sekretariats des 2. Untersuchungsausschusses, zu bedanken,<br />
die die Ausschusstätigkeit mit großem persönlichen Engagement<br />
und hoher Einsatzbereitschaft unterstützt haben.<br />
Dies betrifft Herrn Axel Helbig, der zunächst vom 2.10.2007 bis 1.2.2009 als<br />
Ausschusssekretär tätig war, dann Herrn Otto Wuttke, der ab 2.2.2009 bis<br />
zum Abschluss seiner Tätigkeit den Ausschuss als Sekretär begleitet, Frau<br />
Martina Zärtner als stellvertretende Ausschusssekretärin sowie Frau Ramona<br />
Kontek, Abteilung Plenardienst als Sekretärin des Ausschusses.<br />
Für die juristische Betreuung bedanke ich mich bei Herrn Dirk Förster, Herrn<br />
Thomas Gey, dem inzwischen aus dem Dienst des <strong>Landtag</strong>s ausgeschiedenen<br />
Herrn Sebo Koolmann sowie bei Herrn Wolfgang Rausch.<br />
Der Dank des Ausschusses gilt den Mitarbeitern, die für die Aktenbetreuung<br />
VS-gehe<strong>im</strong> zuständig waren, nämlich Frau Grahl, Herrn Helbig, Frau Henschel<br />
und Frau Kirmes sowie Frau Unger, so wie sich der Ausschuss auch bei den<br />
seine Tätigkeit unterstützenden Beratern der <strong>Fraktion</strong>en zu bedanken hat.<br />
Für den Ausschuss danke ich den seine Tätigkeit in allen Sitzungen begleitenden<br />
Beauftragten der Staatsregierung. Diese Aufgabe war zunächst durch Herrn Girl<br />
vom Sächsischen Staatsministerium der Finanzen, später durch Herrn Leisner<br />
vom Sächsischen Staatsministerium der Justiz und in Vertretung von Herrn Dr.<br />
Falk vom Sächsischen Staatsministerium des Innern wahrgenommen worden.<br />
Ich bedanke mich für die sehr kooperative Zusammenarbeit be<strong>im</strong> Vertreter des<br />
Sächsischen Datenschutzbeauftragten, Herrn Schneider, und be<strong>im</strong> Gehe<strong>im</strong>schutzbeauftragten<br />
des Sächsischen <strong>Landtag</strong>s, Herrn Dr. Schröder.<br />
19
Nicht zuletzt gilt unser Dank und unser großer Respekt den die Tätigkeit des <br />
Ausschusses begleitenden Stenografen. Hier darf ich anmerken, dass der Bericht<br />
ausweist, dass die Sitzungen des Ausschusses <strong>im</strong>merhin insgesamt 178<br />
Stunden und 2 Minuten dauerten, wovon 108 Stunden und 45 Minuten auf <br />
Beweiserhebungen entfielen. Zumindest letztere wurden durchweg wortwörtlich<br />
mit stenografiert.<br />
Mir verbleibt als Ausschussvorsitzender und Berichterstatter, den Sächsischen<br />
<strong>Landtag</strong> zu bitten, die Unterrichtung des 2. Untersuchungsausschusses in <br />
Gestalt der vorliegenden Abschlussberichte und Abweichenden Berichte zur<br />
Kenntnis zu nehmen. Der Untersuchungsausschuss hat nach dem parlamentarischen<br />
Untersuchungsausschussrecht die Rolle des Ermittlers, das Parlament<br />
die Rolle des Entscheiders. Ungeachtet dessen befinden sich beide<br />
darüber hinaus, so jedenfalls die gesicherte Kommentierung und Rechtsprechung,<br />
in der Rolle des Bewerters. Wir haben die Hoffnung, dass das vom<br />
Ausschuss vorgelegte Material bei den Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten<br />
dieses Hohen Hauses Beachtung und eigene Resonanzen, jedenfalls<br />
auch Nachdenken in diese oder jene Richtung ausgelöst hat.<br />
Der Ausschuss hat sich, das darf ich abschließend auch mit Dank an alle Mitglieder<br />
des Ausschusses, an meinen Stellvertreter, Herrn Prof. Schneider, und<br />
die Obleuten der <strong>Fraktion</strong>en <strong>im</strong> Besonderen betonen, nach Kräften bemüht, der <br />
Aufgabenstellung des <strong>Landtag</strong>s gerecht zu werden. Dass dies nur partiell gelungen<br />
ist, ist gewiss nicht von ihm zuerst zu verantworten.<br />
Wenn mithin der Ausschuss auch bei Weitem nicht alle Sachverhalte, die<br />
als Misstandsenquete zu untersuchen ihm aufgegeben war, erhellen konnte,<br />
hat er sich jedenfalls, das darf ich in aller Bescheidenheit sagen, Verdienste<br />
für die Fortbildung der Verfassungsgerichtsrechtsprechung zur Tätigkeit von<br />
Untersuchungsausschüssen und zum Untersuchungsausschussrecht allgemein<br />
erworben.<br />
20
Welchen Abschlussbericht<br />
MdL Klaus Bartl gern gehabt hätte …<br />
Der Untersuchungsausschuss zum „Sachsen-Sumpf“ wurde von <strong>LINKE</strong>N,<br />
FDP und GRÜNEN gemeinsam eingesetzt. Am Ende der Legislaturperiode<br />
stellten <strong>LINKE</strong> und GRÜNE einen gemeinsamen Abschlussbericht vor, gewissermaßen<br />
das vom Resümee der Koalitionsmehrheit abweichende Minderheitsvotum.<br />
Die rechtspolitischen Sprecher von <strong>LINKE</strong>N und GRÜNEN, Klaus<br />
Bartl und Johannes Lichdi, stützten sich bei der Präsentation <strong>im</strong> Unterschied<br />
zur Koalition vor allem auf Fakten, die durch Aktenstudium und Zeugenvernehmungen<br />
erhärtet worden sind.<br />
Klaus Bartl, zugleich Vorsitzender des Untersuchungsausschusses<br />
zur Akten- bzw, <strong>Korrupti</strong>onsaffäre, erklärte auf der Pressekonferenz<br />
zur Vorstellung des Abweichenden<br />
Abschlussberichtes:<br />
„Was wir Ihnen vorstellen –<br />
Kollege Lichdi als Obmann<br />
seiner <strong>Fraktion</strong> und ich als<br />
Mitglied meiner <strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> 2.<br />
Untersuchungsausschuss – ist<br />
einer von drei Abweichenden<br />
Berichten zum Abschlussbericht.<br />
Ich würde es als Vorsitzender<br />
des 2. Untersuchungsausschusses natürlich gern sehen, wenn das<br />
der eigentliche Abschlussbericht wäre, als welcher er übrigens ursprünglich<br />
auch eingereicht wurde. Und zwar am 2. Juni 2009 als Entwurf des Abschlussberichts<br />
der einsetzenden Minderheit. In der Entwurfsfassung war<br />
noch mitzeichnend Dr. Jürgen Martens für die FDP.<br />
Die Koalition hat dann in der abschließenden 36. Sitzung des Untersuchungsausschusses<br />
am 9. Juni 2009 ihre Fassung des Abschlussberichts<br />
vorgelegt und qua Ersetzungsantrag selbige zur Grundlage der Berichterstattung<br />
des 2. Untersuchungsausschusses an den <strong>Landtag</strong> best<strong>im</strong>mt.<br />
21
Der Untersuchungsausschuss hatte natürlich den Charakter einer Missstandsenquete*.<br />
Zu untersuchen war die Verantwortung von Mitgliedern<br />
der Staatsregierung für etwaige schwerwiegende Mängel bei der Aufdeckung<br />
und Verfolgung mutmaßlicher kr<strong>im</strong>ineller und korruptiver Netzwerke unter<br />
Beteiligung von Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Richtern, Staatsanwälten,<br />
sonstigen Bediensteten der sächsischen Justiz, von Polizei, landes- und kommunalen<br />
Behörden bzw. für das Versagen rechtsstaatlicher Informations-,<br />
Kontroll- und Vorbeugungsmechanismen in Sachsen. Tatsache ist, dass der<br />
Ausschuss in seiner außerordentlich kurzen Untersuchungszeit jedenfalls<br />
folgende, der Staatsregierung zurechenbare Missstände und Mängel festgestellt<br />
hat:<br />
Das Versagen der Aufsicht über den Verfassungsschutz<br />
1.<br />
Die Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht über die Tätigkeit des Landesamtes<br />
für Verfassungsschutz Sachsen (LfV Sachsen), die von Gesetzes wegen <strong>im</strong><br />
Staatsministerium des Innern (SMI) angesiedelt ist und in der letzten Verantwortung<br />
dem jeweiligen Innenminister zufällt, wies gravierende Mängel<br />
auf. Sie hat <strong>im</strong> Grunde aufgabenbezogen auf den dem LfV Sachsen mit dem<br />
2003er Verfassungsschutzgesetz zugewiesenen Gegenstand der Beobachtung<br />
der Organisierten Kr<strong>im</strong>inalität (OK) unter Einrichtung des diesbezüglichen<br />
OK-Referats 33/34 weitestgehend versagt. Am prägnantesten hat<br />
dies der vom Ausschuss als erster Zeuge am 30. September 2008 gehörte<br />
Sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig charakterisiert.<br />
Zitat: „Das SMI hat von der Fachebene bis hoch zur Spitze erheblichen Anteil an<br />
diesem Versagen“ – gemeint ist die nicht rechtsförmige Wahrnahme der Aufgabenzuweisung<br />
der OK-Beobachtung nach der Maßgabe des Urteils des Sächsischen<br />
Verfassungsgerichtshofs vom 21. Juli 2005 <strong>im</strong> damaligen Normenkontrollverfahren<br />
auf Antrag der Mitglieder der damaligen PDS-<strong>Fraktion</strong>. Und Andreas<br />
Schurig weiter: „Eine Rechts- und Fachaufsicht hat nicht stattgefunden!“<br />
* Die Aufklärung von Sachverhalten durch Ausübung des parlamentarischen Untersuchungsrechts<br />
dient zwei Hauptzwecken: Als Sachstandsenquete der Informationsbeschaffung <br />
(vor allem <strong>im</strong> Bereich der Gesetzgebung = Gesetzgebungsenquete) und als Missstandsenquete<br />
der Aufdeckung von Missbräuchen und sonstigen Unzulänglichkeiten (Kontrollenquete).<br />
22
Der Leipziger „Türsteher-Krieg“ wäre vermeidbar gewesen<br />
2.<br />
Die fehlende Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht hat ermöglicht, jedenfalls<br />
maßgeblich begünstigt, dass die mit der Aufgabenzuweisung OK-Beobachtung<br />
an das LfV Sachsen verfolgte Absicht, die Erkenntnisgewinnung und Erkenntnisaufbereitung<br />
so anzulegen, dass die „Abgabereife“ an die zuständigen<br />
Strafverfolgungsbehörden auf der Grundlage der §§ 12, 12a SächsVSG<br />
(Sächsisches Verfassungsschutzgesetz) erreicht wird, sprich Effekte für die<br />
tatsächliche Aufdeckung, Verfolgung und Zurückdrängung organisierter Kr<strong>im</strong>inalität<br />
durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden eintreten, allenfalls<br />
in den Anfangszeiten funktionierte.<br />
Zu der <strong>im</strong> Jahre 2004 aufgenommenen Beobachtung <strong>im</strong> Komplex Osteuropa<br />
– OK-Strukturen gab es bereits nach wenigen Monaten erste Abgaben<br />
an die Staatsanwaltschaft, die dann auch zu rechtskräftigen Urteilen in Verfahren,<br />
u. a. wegen schweren Menschenhandels, führten (siehe Abschlussbericht<br />
III), Seite 30). Danach bildete die Schaffung von Voraussetzungen für<br />
die Abgabereife gesammelter Erkenntnisse an die Strafverfolgungsbehörden<br />
auf Grundlage der §§ 12 und 12a SächsVSG praktisch auf der Führungsebene<br />
des LfV Sachsen keine Rolle mehr. Vielmehr setzte sich offenkundig bei der<br />
Hausspitze des LfV Sachsen die „Strategie“ durch, die Erkenntnissammlung<br />
aus weiteren Beobachtungskomplexen einfach „zu horten“, um zu gegebener<br />
Zeit den „Mehrwert“ der Aufgabenzuweisung OK-Beobachtung an den Verfassungsschutz<br />
nachzuweisen.<br />
Als Beispiel nannte die Referatsleiterin Henneck in ihrer Zeugenvernehmung<br />
vom 24. Februar 2009 die Nichtabgabe der Erkenntnisse zum Komplex<br />
„Rocker” und verband dies mit der Behauptung, dass das, was in punkto<br />
sicherheitsgefährdender Aktivitäten von Rockerbanden, Auseinandersetzungen<br />
in der Türsteherszene etc. jetzt in Leipzig auf der Tagesordnung ist,<br />
vermeidbar gewesen wäre (Seite 33, letzter Absatz, Abschlussbericht III).<br />
In der Konsequenz wurden <strong>im</strong>mer mehr, <strong>im</strong>mer umfangreicher und intensiver<br />
in Persönlichkeitsrechte von Beobachteten eingreifende Informationsbestände<br />
angehäuft, über deren Verwendung, rechtsförmige Behandlung bei<br />
23
Schließung des Referats 33/34 Ende Mai 2006 keine klaren Festlegungen<br />
getroffen wurden. Wir erinnern an die 15.600 Seiten bzw. ca. 100<br />
Aktenbände und VS-Dossiers, deren Existenz erst nach der Intervention<br />
des Datenschutzbeauftragten<br />
<strong>im</strong> Jahr 2006 selbst der<br />
Parlamentarischen Kontrollkommission<br />
(PKK) bekannt<br />
wurden.<br />
Welche Erwägungen dieser<br />
Zurückhaltung auch abgabereifer<br />
Sachverhalte zu Grunde<br />
lagen und wieweit diese durch die Hausspitze des LfV Sachsen auch mit<br />
dem SMI abgest<strong>im</strong>mt waren, konnte der Untersuchungsausschuss nicht<br />
mehr aufklären, da der damalige Präsident des LfV Sachsen, Rainer Stock,<br />
mangels behaupteter Verhandlungs- bzw. Vernehmungsunfähigkeit bis zum<br />
Abschluss der Beweiserhebung nicht mehr erreichbar gewesen ist.<br />
Parlamentarische Kontrolle wurde umgangen<br />
3.<br />
Die Staatsregierung respektive die für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgabe<br />
zuständigen Vertreter des SMI haben zugelassen und zu verantworten, dass<br />
betreffs der Aufgabenstellung Beobachtung der Organisierten Kr<strong>im</strong>inalität bzw.<br />
der Tätigkeit des OK-Referats des LfV Sachsen in gravierender Weise die aus<br />
§ 17 SächsVSG resultierenden Unterrichtungspflichten gegenüber der<br />
Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) verletzt worden sind.<br />
Im Verlauf der 3. Wahlperiode erfolgte nur höchst sporadisch, in der 4. Wahlperiode<br />
von Amts wegen, so auf Initiative des Innenministers bzw. des LfV-<br />
Präsidenten, bis zur Beanstandung durch den Sächsischen Datenschutzbeauftragten<br />
<strong>im</strong> September 2006 keinerlei Unterrichtung der jeweiligen<br />
PKK über Einrichtung, Arbeitsweise, Erkenntnisgewinnung, Abgabefälle etc.<br />
des OK-Referats. Dies geschah weder <strong>im</strong> Zuge der Berichterstattung über<br />
die laufende Tätigkeit des LfV, erst recht nicht als Unterrichtung über Fälle<br />
von besonderer Bedeutung. Eine aus unserer Sicht unfassbare Ignoranz<br />
gegenüber der Parlamentarischen Kontrollkommission des <strong>Landtag</strong>s!<br />
24
Dies gilt <strong>im</strong> Besonderen auch <strong>im</strong> Lichte der sachlichen und rechtlichen Gemengelage,<br />
die nach dem Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs<br />
vom 21. Juli 2005 eingetreten war. In der berühmten „Schrecksekunde“, in<br />
der die Beobachtung der Organisierten Kr<strong>im</strong>inalität ausgesetzt wurde, hätte<br />
der damalige Innenminister Dr. Thomas de Maizière zwingend die PKK informieren<br />
und betreffs der Entscheidungen zur Fortsetzung der OK-Beobachtung<br />
und der hierfür geltenden Maßstäbe einbeziehen müssen.<br />
Das Verfassungsgebot der Trennung von Polizei und Gehe<strong>im</strong>dienst<br />
wurde verletzt<br />
4.<br />
Die Staatsregierung hat in eklatanter Weise Versäumnisse zugelassen und<br />
zu verantworten, dass der von Gesetzes wegen, nämlich durch § 5 des Verfassungsschutzgesetzes,<br />
vorgeschriebene Erlass von Vorschriften zur<br />
Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel und darin eingeschlossen<br />
zum Einsatz und zur Führung von Vertrauensleuten, Gewährsleuten,<br />
Kontaktpersonen und sonstigen nachrichtendienstlichen Quellen <strong>im</strong><br />
Bereich der OK-Beobachtung in Gänze unterblieben ist!<br />
Das heißt <strong>im</strong> Klartext: Es gab keinerlei den neuen Aufgabenbereich OK-<br />
Beobachtung angepasste (schriftliche) Dienst- oder sonstige Vorschriften<br />
für die Gewinnung und Führung von V-Leuten!<br />
Es gab ebenso wenig Vorschriften, die die Bedingungen, den Rahmen, die<br />
Formen, die Nachweise etc. laufender Arbeitskontakte und des laufenden Informations-<br />
und Datenaustausches zwischen Mitarbeitern des OK-Referats<br />
des LfV Sachsen und Beamten und Bediensteten der sächsischen Polizei<br />
und Justiz regelten.<br />
Das ist angesichts des <strong>im</strong> Artikel 83 Absatz 3 der Sächsischen Verfassung<br />
gerade und ausschließlich in der Sächsischen Landesverfassung ausdrücklich<br />
betonten Trennungsgebots von Polizei und Gehe<strong>im</strong>diensten unfassbar!<br />
Derartige Arbeitskontakte, Informationstausche, Zusammenarbeit zwischen<br />
Verfassungsschutz und Polizei und Justizvertretern gab es <strong>im</strong> Zuge der OK-<br />
Beobachtung, wie Zeugenvernehmungen und Aktenlagen beweisen, in Hülle<br />
und Fülle ...<br />
25
„Quellen“ wurden durch Enttarnung in Gefahr gebracht<br />
5.<br />
Eine der Konsequenzen dieser Unterlassung klarer Vorschriftensetzung ist die<br />
nach den einsetzenden öffentlichen Debatten um die vermeintliche Existenz<br />
eines „Sachsen-Sumpf“ und <strong>im</strong> Zuge der Übergabe von Dossiers des OK-<br />
Referats 33/34 an die Staatsanwaltschaft eingetretene Dekonspirierung<br />
teils offensichtlich hoch gefährdeter, in den verschiedenen Beobachtungskomplexen<br />
geführter Quellen.<br />
Nach Aussagen vernommener Mitarbeiter des LfV Sachsen und nach Lage der<br />
eingereichten, von der Staatsanwaltschaft Dresden beigezogenen Akten sind<br />
in den Ermittlungsverfahren zum „Sachsen-Sumpf” <strong>im</strong> erheblichen Umfang<br />
Klarnamen von Quellen des OK-Referats 33/34, denen Vertraulichkeit zugesichert<br />
worden war, offenbart, offiziell gemacht worden.<br />
Verfassungsschutzbeamte, die sich dagegen wandten, sich verweigerten,<br />
waren offenkundig schweren Repressalien ausgesetzt. Die Dekonspirierung<br />
führte handgreiflich auch zu ernst zu nehmenden Gefährdungen der (früheren)<br />
Beamten des LfV Sachsen, die die betreffenden Quellen führten bzw. kontaktierten.<br />
Der Untersuchungsausschuss konnte aus Zeitgründen und aus Gründen der<br />
Grenzen seines Einsetzungsgegenstands nicht mehr <strong>im</strong> Detail prüfen, welche<br />
Verantwortung hierfür die Vertreter der Staatsregierung tragen, inwieweit ihnen<br />
diese Dekonspirierung bekannt war, von ihnen gebilligt oder in sonstiger<br />
Weise hingenommen wurde.<br />
Abschließend noch Folgendes: Anders als von der Staatsregierung in die Öffentlichkeit<br />
kommuniziert, hat sich das OK-Referat 33/34 des LfV Sachsen keineswegs<br />
nur oder schwerpunktmäßig mit dem Beobachtungskomplex „Abseits<br />
III“ bzw. dem in den medialen Mittelpunkt geratenen Komplex Verwicklung von<br />
Vertretern der Justiz, Polizei, von Wirtschaft und Politik in Grundstücksschiebereien<br />
und Rotlichtmilieu <strong>im</strong> Raum Leipzig befasst. „Abseits III“ war der letzte,<br />
am wenigstens aufgearbeitete, verifizierte und falsifizierte Beobachtungskomplex<br />
des OK-Referats, erst <strong>im</strong> Frühsommer 2005 begonnen und logischerweise<br />
nach einem ¾ Jahr Ende Mai 2006 beendet.<br />
26
Entlastende „Teebeutel-These“ ist vorsätzlich wahrheitswidrig<br />
Der Leipziger Kr<strong>im</strong>inalhauptkommissar Wehling war nie die Hauptquelle. Die<br />
bei der „Abmoderation“ des „Sachsen-Sumpf“ von Vertretern der Staatsregierung,<br />
vom neuen Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz und leitenden,<br />
mitwirkenden Vertretern anderer der Staatsregierung nachgeordneter<br />
Behörden in die Welt gesetzte Behauptung vom vermeintlichen Insichgeschäft<br />
zwischen Wehling, Henneck und den doppelt aufgegossenem „Teebeutel“ ist<br />
nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung und nach der Aktenlage eindeutig<br />
falsch, der Wahrheit zuwider behauptet und zwar offenkundig wissentlich und<br />
willentlich.<br />
Der Untersuchungsausschuss konnte auf Grund der über 13 Monate nach seiner<br />
Einsetzung durch den Sächsischen <strong>Landtag</strong> wirkenden Blockierung durch die<br />
Staatsregierung und die Ausschussmehrheit seine praktische Untersuchungstätigkeit<br />
erst gegen Ende der Beweisaufnahme mit der Vernehmung direkter<br />
Wahrnehmungszeugen beginnen, die zur Frage tatsächlich existierender kr<strong>im</strong>ineller<br />
und korruptiver Netzwerke oder Sachverhalte vernommen werden sollten<br />
(siehe Seite 60 f. Abschlussbericht III).<br />
So die in den frühen 90er Jahren als Minderjährige zur Prostitution <strong>im</strong> damaligen<br />
Kinderbordell „Jasmin“ gezwungene Zeugin unter dem Pseudonym Sarah und die<br />
Vernehmung des Kölner Rechtsanwalts Dr. Ulrich Sommer. Deren und die Aussagen<br />
der Zeugen Kr<strong>im</strong>inalhauptkommissar (KHK) Keetman, KHK Wehling, KHK <br />
Kazior – letztere auch partiell Betroffene<br />
– sowie die Aktenlage warnen dringend<br />
davor, die Existenz jedenfalls lokaler<br />
kr<strong>im</strong>ineller und korruptiver Netzwerke<br />
zu verneinen.<br />
Summa summarum: Es ist ein Gebot<br />
der Vernunft und der politischen Verantwortung<br />
des Parlaments <strong>im</strong> Freistaat<br />
Sachsen, dass die Untersuchungen zu unerledigt gebliebenen Teilen des Einsetzungsauftrags<br />
bzw. die gebotene Erweiterung desselbigen <strong>im</strong> 5. Sächsischen<br />
<strong>Landtag</strong> neu gefasst, ein neuer Untersuchungsausschuss zur Problematik eingesetzt<br />
wird. Dies ist jedenfalls meine Überzeugung.“<br />
27
Rede von MdL Caren Lay (<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>)<br />
zum Abschlussbericht und Minderheitenvoten des Untersuchungsausschusses<br />
zum „Sachsen-Sumpf“ am 26.6.2009<br />
Caren Lay war Obfrau der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Untersuchungsausschuss<br />
zum „Sachsen-Sumpf“.<br />
(Es gilt das gesprochene Wort!)<br />
Der 2. Untersuchungsausschuss und der sogenannte Sachsen-Sumpf gehören<br />
sicherlich zu den spannendsten Kapiteln der laufenden Legislaturperiode.<br />
Da ging es um Vorwürfe, die wirklich<br />
reif waren für jeden Tatort. <strong>Korrupti</strong>on und<br />
Bestechlichkeit, Rotlicht und Machtmissbrauch,<br />
sex and cr<strong>im</strong>e. Das ist sicherlich<br />
interessanter als so manche Durchführungsverordnung,<br />
insbesondere für Journalisten.<br />
Wir haben uns als einsetzende <strong>Fraktion</strong>en<br />
von Anfang an bemüht, die Dinge sachlich zu<br />
betrachten. Nur gut, dass wir heute, bei der<br />
letzten Plenardebatte, noch einmal die Gelegenheit<br />
haben, darüber zu sprechen. Allerdings:<br />
Der Abschlussbericht der Koalition biete dafür keine gute Grundlage. Das<br />
einzige, worüber er verlässlich Auskunft gibt, ist die Borniertheit und der Autismus<br />
der Koalition.<br />
Es ist mir ein einziges Rätsel, wie man so an der Realität der Aktenlage<br />
und der Zeugenaussagen vorbei schreiben kann. Sie wiederholen die<br />
Märchen der Staatsregierung, als sei in den letzten 2 Jahren nichts geschehen.<br />
Nehmen wir die angebliche Verfassungswidrigkeit des Einsetzungsauftrages.<br />
Leipzig hat hier klar entschieden. Sie jedoch drehen es<br />
so, als hätte die Staatsregierung einen Teilerfolg erzielt. Dabei hatten<br />
CDU und SPD mit uns gemeinsam gegen die Staatsregierung geklagt.<br />
Das ist doch absurd! Und dann der Kernpunkt Ihrer Märchenstunde:<br />
28
Sie versuchen, die Schuld auf eine verselbstständigte Referatsleiterin <strong>im</strong><br />
LfV zu schieben. Was ist das nur für eine billige Argumentation? Wenn diese<br />
Argumentation st<strong>im</strong>men würde, dann müssten Sie sich Folgendes fragen<br />
lassen: Was wäre das für eine Staatsregierung, die ihre Behörden so wenig <strong>im</strong><br />
Griff hat? Und was wären das für Minister, die sich von einer einzigen Mitarbeiterin<br />
so an der Nase herumführen lassen mussten?<br />
Sie haben heute nur die Wahl, Herr Minister, entweder Ihre eklatante Führungsschwäche<br />
zuzugeben oder einzugestehen, dass diese Argumentation eine einzige<br />
Hilfskrücke ist.<br />
Dass wir als <strong>LINKE</strong> Kritik am Verfassungsschutz haben, steht außer Frage,<br />
schließlich waren wir es, die geklagt haben. Der Untersuchungsausschuss hat<br />
aber eindeutig belegt: Es gab keine wesentlichen Unterschiede in der Arbeit<br />
des OK-Referates zur Arbeit anderer Referate des Verfassungsschutzes. Die<br />
Arbeitsweise des Referates und selbst die wesentlichen, auch strittigen Ermittlungsschritte<br />
des OK-Referates waren mit der Hausspitze abgest<strong>im</strong>mt.<br />
Die These von einer Verselbstständigung des OK-Referates hat sich als falsch<br />
erwiesen!!<br />
Was jedoch st<strong>im</strong>mt, und da bin ich wieder be<strong>im</strong> Beyer-Irrgang-Bericht ist die<br />
Tatsache, dass die Fachaufsicht durch die Ministerien komplett versagt bzw.<br />
einfach nicht stattgefunden hat. Es fängt an bei der Abwesenheit von entsprechenden<br />
Rechtsvorschriften. Weiter geht es mit dem regelrechten Desinteresse<br />
beider Minister für das, was <strong>im</strong> OK-Referat passierte und ermittelt wurde.<br />
Das behaupten beide jedenfalls. Es hat weder unter der Amtsführung von de<br />
Maizière noch unter Dr. Buttolo Einwände, Rügen oder Kritiken an der Arbeit<br />
des OK-Referates gegeben. Im Gegenteil wurde die vielfach kritisierte Referatsleitern<br />
Frau Henneck von Dr. Buttolo für ihr besonderes Engagement mit<br />
einer Prämie ausgezeichnet.<br />
Zuerst führt die Koalition die OK-Beobachtung durch den Verfassungsschutz<br />
unter großem Tamtam ein – und dann kümmert sich kein Mensch darum, was<br />
daraus wird. Auch hier gibt es wieder zwei Möglichkeiten, Herr Buttolo: Entweder<br />
ist das die Wahrheit, dann müssen Sie den Wählerinnen und Wählern allerdings<br />
erklären, warum hier <strong>im</strong> <strong>Landtag</strong> eigentlich Gesetze gemacht werden.<br />
29
Oder Sie und ihr Vorgänger haben das Referat nicht so sehr am langen Gängelband<br />
laufen lassen, wie Sie heute behaupten. Dann müssen Sie uns allerdings<br />
erklären, wie viel Sie wirklich wussten. Man kann es drehen und<br />
wenden wie man will, die CDU verstrickt sich in Widersprüchen.<br />
Das gilt auch für die so genannte „Teebeutel-These“, nach der der Polizeibeamte<br />
Wehling zugleich Hinweisgeber und Zeuge gewesen sei soll. Da hat<br />
sich der inzwischen neue Präsident<br />
des LfV, Herr Boos, zwar eine schöne<br />
Legende zusammen gere<strong>im</strong>t, leider<br />
ist sie falsch. Wer <strong>im</strong> Ausschuss auch<br />
nur ab und an die Ohren gespitzt hat,<br />
der weiß: Die Reduzierung der Akten<br />
den Fallkomplex Abseits III ist unzulässig.<br />
Die Akten dieses Fallkomplexes<br />
stellen lediglich einen Bruchteil<br />
aller anfallenden Akten dar. Ohnehin<br />
lag der Schwerpunkt der Arbeit des<br />
OK-Referates auf Abseits II Vogtland,<br />
während Abseits III erst später als Ermittlungsgegenstand<br />
eröffnet wurde.<br />
Fest steht darüber hinaus, dass der<br />
Komplex Abseits III sich nicht auf Gemag<br />
reduzieren lässt. Im Fallkomplex<br />
LfV-Präsident Reinhard Boos<br />
Abseits III sind die Aussagen zahlreicher Quellen verarbeitet. Gespräche<br />
der Schlapphüte mit Polizei und Staatsanwaltschaft standen regelmäßig auf<br />
der Tageordnung.Die These, der Kern der Akten basiere <strong>im</strong> Wesentlichen auf<br />
zwei Mal verwendeten Aussagen der Quelle Gemag ist schon deshalb falsch,<br />
weil mit ihm erst kurz vor Abschluss der Arbeit geredet wurde. Die Teebeutel-These<br />
eignet sich bestenfalls für die Märchenstunde in der Kuppel der<br />
Yenidze, aber kaum für einen seriösen Abschlussbericht des <strong>Landtag</strong>es!<br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
Sie werden verstehen, dass ich als Mitglied der PKK auch zur Frage Stellung<br />
beziehe, ob eine ausreichende Information stattgefunden hat. Der Abschlussbericht<br />
der Koalition stellt hier fest, man sehe die Unterrichtungs-<br />
30
pflichten des Staatsministeriums des Innern als „überspannt“ an. Verstöße<br />
gegen die Informationspflichten können Sie nicht feststellen. Es dürfte Ihnen<br />
hoffentlich klar sein, dass Sie mit dieser Darstellung nicht nur der Auffassung<br />
der PKK-Mitglieder Lay und Hahn von der <strong>LINKE</strong>N widersprechen. Das<br />
hätte niemanden gewundert. Nein, Sie fallen auch den PKK-Mitgliedern der<br />
Koalition in den Rücken, also niemandem geringeren als dem Vorsitzenden<br />
Gottfried Teubner (CDU), dem Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD,<br />
Stefan Brangs, und dem heutigen Minister für Umwelt und Landwirtschaft,<br />
Herrn Kupfer (CDU). Denn wir waren einhellig der Auffassung, dass eine entsprechende<br />
Unterrichtung eben NICHT stattgefunden hat. Der Vorsitzende<br />
Teubner hat das Verhalten von de Maizière gar als „rechtswidrig“ gegeißelt<br />
und dies bis heute nicht revidiert. Warum auch?<br />
Es hat weder eine Unterrichtung der PKK über den Inhalt der OK-Akten stattgefunden,<br />
noch wurde die PKK über die Entscheidung der Weiterbeobachtung<br />
der OK nach dem Urteil des Verfassungsgerichtes informiert bzw. konsultiert.<br />
Sehr wohl aber die Innenpolitiker der Koalition, an der PKK vorbei.<br />
Sie sollen dann ganz nebenbei noch über Inhalte der Akten sowie personenbezogene<br />
Daten informiert werden.<br />
Ihre Darstellung der Ereignisse in der PKK beruht <strong>im</strong> Wesentlichen auf den<br />
Aussagen von de Maizière, der aber in der zur Rede stehenden Zeit an KEINER<br />
EINZIGEN Sitzung der PKK teilgenommen hat. Die Einladungen hätte er nie<br />
erhalten. Das ist nachweislich falsch. Stattdessen interpretiert er die Protokolle<br />
der PKK in unvollständigen Auszügen, die sind offenbar angekommen.<br />
Ich denke, ich verrate Ihnen kein Gehe<strong>im</strong>nis, wenn ich Ihnen sage, dass Ihre<br />
Darstellung der Ereignisse der PKK, die sich mit der des LfV deckt, in der<br />
letzten PKK-Sitzung keine Zust<strong>im</strong>mung erhielt, keine einzige St<strong>im</strong>me, auch<br />
nicht von den beiden Vertretern der CDU!<br />
Eine Stärkung der Rechte der PKK sowie eine genauere gesetzliche Definition<br />
dessen, worüber zu unterreichten ist, wäre die logische Konsequenz<br />
aus den Vorgängen, auch darin waren wir uns einig. Einem entsprechenden<br />
Gesetzentwurf der <strong>LINKE</strong>N haben Sie allerdings die Zust<strong>im</strong>mung verweigert.<br />
31
Im Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit standen die Ereignisse <strong>im</strong> Kinderbordell<br />
Jasmin und die Ermittlungen zum Klockzin-Attentat. Wir haben mehrere<br />
Zeugen dazu gehört. Das Ergebnis: Eine Ungere<strong>im</strong>theit jagt die andere:<br />
Warum, so steht nach wie vor <strong>im</strong> Raum, wurden die mutmaßlichen Hintermänner<br />
des Attentats bis heute geschont? Warum wurden alle anderen mit<br />
einer solchen Härte bestraft? Warum wurde gegen den Bordellbetreiber<br />
nicht wegen Vergewaltigung und<br />
sexuellen Missbrauchs ermittelt?<br />
Und warum hat man gegen die<br />
Freier <strong>im</strong> Kinderbordell nie systematisch<br />
ermittelt, und warum<br />
wurden diejenigen, die mit hoher<br />
Wahrscheinlichkeit Kunden waren,<br />
bis heute geschont?<br />
Im Ergebnis unserer Untersuchungen<br />
hat es in all diesen Punkten<br />
mehr Fragen als Antworten gegeben.<br />
Aber ich bin überzeugt: Diese<br />
ganze Sache stinkt zum H<strong>im</strong>mel!<br />
Die Zweifel an der Arbeit der zuständigen Staatsanwälte und Richter sind erheblich,<br />
ohne dass ich damit gesagt haben will, es hinge damit zusammen,<br />
dass einige von ihnen selbst <strong>im</strong> Kinderbordell ein und aus gingen. Ich bedaure<br />
es sehr, dass wir dieses Gehe<strong>im</strong>nis in unserer Arbeit nicht umfassend<br />
lüften konnten.<br />
Meine Damen und Herren,<br />
und insbesondere allen anderen interessierten Bürgerinnen und Bürger, die<br />
diese Debatte verfolgen, möchte ich sagen: Die CDU trägt die politische<br />
Verantwortung dafür, dass die Vorwürfe nicht umfassend aufgeklärt werden<br />
konnten! Das haben Sie mit Ihrer Blockadehaltung verhindert.<br />
Und damit komme ich zu dem größten Gehe<strong>im</strong>nis dieser Affäre, das noch<br />
<strong>im</strong>mer nicht gelüftet ist:<br />
32
Warum nur haben die Staatsregierung und CDU die Arbeit in diesem Ausschuss<br />
anderthalb Jahre lang blockiert, wenn doch angeblich nichts dran<br />
ist an den Vorwürfen, wenn alles doch nur heiße Luft ist? Warum die Verfahren<br />
gegen 19 Journalisten? Warum die zahlreichen Disziplinarverfahren<br />
gegen MitarbeiterInnen und Mitarbeiter des Landesamtes und des Innenministeriums?<br />
Warum nur wird jeder Zeuge, der nicht die offizielle Variante<br />
der Staatsregierung stützt, mit Verleumdungsklagen überzogen? Warum<br />
die anderthalbjährige Blockade des Untersuchungsausschusses? DAS ist<br />
für mich der eigentliche Skandal.<br />
Vielleicht wollten Sie das Ansehen des Rechtsstaates und der Justiz wiederherstellen.<br />
Das Gegenteil haben Sie meiner Meinung nach erreicht!<br />
Mein Vertrauen in den Rechtsstaat ist jedenfalls nicht gerade gestärkt.<br />
Im Gegenteil: Der Verdacht, dass die Staatspartei CDU auch den Versuch<br />
untern<strong>im</strong>mt, mit Hilfe der Justiz ihre Machtinteressen durchzusetzen, hat<br />
sich durch diese Affäre eher erhärtet. Wie viel schlauer wäre es gewesen,<br />
auch in Ihrem eigenen Interesse, da bin ich mir sicher, wenn Sie sich an<br />
die Spitze der Aufklärungsbemühungen begeben hätten. Sie wollen einfach<br />
nicht aufklären. Was haben Sie nur zu verbergen? Der Untersuchungsausschuss<br />
zum Sachsen-Sumpf ist Ihnen ein einziger Klotz am Bein. Schon<br />
dass alleine sollte Grund genug sein, die Arbeit des Ausschusses in der<br />
nächsten Legislatur fort zu führen! Das jedenfalls, meine Damen und Herren,<br />
empfehle ich all denjenigen, die dem nächsten <strong>Landtag</strong> angehören<br />
werden.<br />
33
Rede von MdL Karl Nolle (SPD)<br />
zur Unterrichtung durch den 2. Untersuchungsausschuss<br />
der 4. Wahlperiode <strong>im</strong> Sächs. <strong>Landtag</strong> am 26. Juni 2009<br />
(Es gilt das gesprochene Wort!)<br />
Meine sehr verehrten Damen und Herren,<br />
Unsere Position zu dem Thema, war <strong>im</strong>mer –, ohne Ansehen von Ämtern, Personen<br />
und Parteizugehörigkeiten – lückenlos parlamentarisch aufzuklären.<br />
Die verfassungswidrige Blockade hat aus Leipzig gleich zwe<strong>im</strong>al die Quittung<br />
bekommen. Die herrschenden CDU-Eliten unseres Landes stehen nicht <br />
zum ersten Mal mit der Verfassung auf Kriegsfuß.<br />
Nach wie vor ist die Mehrheit der <strong>im</strong> Raume stehenden Vorwürfe gar nicht<br />
oder nicht abschließend untersucht worden. Das Thema bleibt und muss<br />
weiter aufgeklärt werden.<br />
Was wurde nicht alles versucht, um zu vernebeln und zu verwirren, dabei<br />
haben die christdemokratischen Märchenerfinder die Gebrüder Gr<strong>im</strong>m weit<br />
hinter sich gelassen.<br />
So wurde die Idee von den streng gehe<strong>im</strong>en 15.000 Seiten Märchen geboren<br />
– von durchgeknallter Referatsleiterin und rachsüchtigem Kripomann.<br />
Entweder waren es beide gemeinsam oder eben die Referatsleiterin alleine,<br />
lautete der interne Marschbefehl. Nachzulesen in CDU-internen Leitpapieren<br />
zum Ausschuss.<br />
Diese Diffamierungsstrategie ist gründlich daneben gegangen. Nach der Befragung<br />
von fast zwei Dutzend Zeugen zeigt sich ein viel differenzierteres Bild.<br />
Selbst die unterirdische Rede von Minister Buttolo entstammt in Wirklichkeit<br />
der Feder eines irregeleiteten Beamten des SMI, der heute – zur Belohnung<br />
und wohl, um seinen Mund zu halten – stellvertretender sächsischer Polizeipräsident<br />
ist.<br />
34
Aber was ist denn eigentlich der wahre Sachsensumpf? Sind es die Ereignisse<br />
in Leipzig oder ist es der sachsenspezifische Umgang mit diesen Vorgängen?<br />
Es fällt ins Auge, dass sich bisher kein unabhängiges Gericht mit dem Sachsensumpf<br />
beschäftigt hat, allenfalls sind die in Sachsen besonders weisungsgebunden<br />
Staatsanwaltschaften und unter diesen vor allem die, örtlich<br />
gar nicht zuständige, Staatsanwaltschaft<br />
Dresden tätig geworden.<br />
Bei diesen Herren geht es eigentlich<br />
nur um den Schutz des Staates<br />
vor der üblen Nachrede des<br />
Sumpfes. Das heißt bei ihnen:<br />
Schutz vor den Ermittlern, Zeugen,<br />
Journalisten, Abgeordneten<br />
und allen anderen, die es für<br />
möglich halten, dass in Leipzig<br />
etwas Ungesetzliches passiert<br />
sein könnte.<br />
Das scheint mir der eigentliche<br />
Sumpf zu sein, und dessen Urheber<br />
müssen wir fassen, um den<br />
Sumpf wirklich trocken zu legen.<br />
Wir sollten uns dann nicht wundern, wenn unter diesem Sumpfpflegern sogar<br />
Staatsanwälte zu finden sind, die sich bei Polizisten Strafanträge zu besorgen<br />
versuchen, um Journalisten verfolgen zu können. Herr Oberstaatsanwalt<br />
Schwürzer von der Staatsanwaltschaft Dresden ist ein großer Spezialist<br />
in diesem Metier. Er versteht auch etwas von rechtswidriger Telefonüberwachung<br />
und der Verfolgung Unschuldiger und findet hierfür den Schutz seiner<br />
Vorgesetzten bis hinein ins Justizministerium.<br />
Wen wundert es, hat doch „Generalstaatsanwalt Ministerpräsident Milbradt“<br />
bereits nach Studium des Aktenmaterials festgestellt, dass alles nur heiße<br />
Luft ist.<br />
35
Doch da sind wir schon be<strong>im</strong> Problem. Warum lässt man die Justiz nicht endlich<br />
die Arbeit machen, für die sie geschaffen ist? Diese und andere Fragen<br />
werden uns über die Wahl hinaus in die nächste Legislaturperiode begleiten.<br />
Sie werden selbstverständlich Gegenstand der Wahlauseinandersetzung<br />
sein.<br />
Nicht nur <strong>im</strong> Zusammenhang mit dem sogenannten Sachsensumpf fällt eine<br />
Verrohung des Umgangs der Staatsanwaltschaft mit dem Institut des Ermittlungsverfahrens<br />
auf. Ermittlungsverfahren werden sehr schnell eingeleitet,<br />
dauern elend lange und scheinen bei einigen Personen, die missliebig sind,<br />
gar nicht enden zu wollen. Zwar erklärt der Justizminister <strong>im</strong>mer wieder, dass<br />
die sächsische Justiz sich an einer schnellen Erledigung ihrer Verfahren messen<br />
lassen wolle, aber dies scheint für Ermittlungsverfahren gegen politisch<br />
missliebige Personen nicht zu gelten. Da gibt es dann Verfahren, die älter als<br />
zwei Jahre sind und bei denen man hofft, dass sie ehrenrührig sind, rufschädigend<br />
und auch die wirtschaftliche Kreditwürdigkeit unterminierend. Damit<br />
man den Gegner, wenn man ihn politisch schon nicht besiegen kann, doch<br />
auf diese andere Weise aus dem Feld schlagen kann.<br />
36
So wird in Sachsen das Ermittlungsverfahren bereits zur Strafe, was nichts<br />
anderes bedeutet, als dass ein strafprozessuales Instrument des Rechtsstaates<br />
missbraucht wird. Eine Strafe darf <strong>im</strong> freiheitlich demokratischen<br />
Rechtsstaat nur vom Richter verhängt werden, nicht aber vom Staatsanwalt.<br />
Für manch einen eine Neuigkeit – denn das konnte man früher weder in Potsdam<br />
noch in Burgscheidungen lernen. Im übrigen denken diejenigen zu kurz,<br />
die das für besonders trickreich halten, denn wenn es so weitergeht, wird<br />
es <strong>im</strong> Freistaat Sachsen zum guten Ton gehören, ein Ermittlungsverfahren<br />
bei den Mackenroths und Schwürzers zu haben, denn wer von den richtigen<br />
Leuten verfolgt wird, darf sicher sein, dass er ein rechter Kerl ist.<br />
Und bestraft werden kann er ohnehin nur, wenn sich ein unabhängiges Gericht<br />
findet, was die Mackenroths und die Schwürzers offenbar zu fürchten<br />
haben, wie der Teufel das Weihwasser. Der Wahlkampf wird spannend werden,<br />
wenn uns der Verwandlungskünstler erklären muss, wie Georgs Bank,<br />
Georgs Sumpf und Georgs Brücke als großartige Erfolge der sächsischen<br />
Politik zu verstehen sind.<br />
37
Entschließungsantrag<br />
der <strong>Fraktion</strong>en <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> und BÜNDNIS 90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN<br />
Am Ende der Legislaturperiode des 4. Sächsischen <strong>Landtag</strong>s brachten die<br />
<strong>Fraktion</strong>en BÜNDNIS 90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN und <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> am 26. Juni 2009 einen<br />
gemeinsamen Entschließungsantrag ein.<br />
zur <strong>Landtag</strong>s-Drucksache Nummer 4/ 15777<br />
UNTERRICHTUNG durch den 2. Untersuchungsausschuss der 4. Wahlperiode<br />
Bericht des 2. Untersuchungsausschusses der 4. Wahlperiode zum Antrag<br />
von 31 Abgeordneten der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>, 7 Abgeordneten der FDP-<strong>Fraktion</strong><br />
sowie 6 Abgeordneten der <strong>Fraktion</strong> BÜNDNIS 90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN zur Einsetzung<br />
eines Untersuchungsausschusses (Drs 4/9265 und Drs 4/9422):<br />
„Untersuchung der Verantwortung von Mitgliedern der Staatsregierung für<br />
etwaige schwerwiegende Mängel bei der Aufdeckung und Verfolgung kr<strong>im</strong>ineller<br />
und korruptiver Netzwerke unter Beteiligung von Vertretern aus Politik<br />
und Wirtschaft, von Richtern, Staatsanwälten und sonstigen Bediensteten<br />
der sächsischen Justiz, Polizei, von Landes- und kommunalen Behörden<br />
sowie für das Versagen rechtsstaatlicher Informations-, Kontroll- und Vorbeugungsmechanismen<br />
in Sachsen (Kr<strong>im</strong>inelle und korruptive Netzwerke in<br />
Sachsen)’ sowie abweichende Berichte“<br />
Der <strong>Landtag</strong> möge beschließen:<br />
I. Der <strong>Landtag</strong> stellt fest:<br />
1. Die Staatsregierung blockierte in verfassungswidriger Weise die Arbeit<br />
des 2. Untersuchungsausschusses, indem sie Beweisbeschlüsse nicht erfüllte<br />
(vgl. Urteil des SächsVerfGH vom 29. August 2008, Vf. 154-I-07) und<br />
damit die Beweisaufnahme erst <strong>im</strong> September 2008 beginnen konnte.<br />
2. Der vorliegende Abschlussbericht enthält keine abschließenden und vollständigen<br />
Feststellungen und Bewertungen, die es rechtfertigen würden,<br />
von der Erledigung des Untersuchungsgegenstandes auszugehen.<br />
3. Die bisherigen Untersuchungen haben erhebliche Anhaltspunkte dafür <br />
ergeben, dass es kr<strong>im</strong>inelle und korruptive Personennetzwerke unter <br />
38
Zusammenwirken von Vertretern aus Wirtschaft, Politik, Justiz, Polizei und<br />
Verwaltung gegeben haben könnte.<br />
4. Die Fortsetzung der parlamentarischen Untersuchung zur Aufklärung der<br />
in den Drs. 4/ 9265 und 4/ 9422 genannten Gegenstände sachlich geboten<br />
ist.<br />
II. Der <strong>Landtag</strong> empfiehlt dem 5. Sächsischen <strong>Landtag</strong>,<br />
die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der in den<br />
Drs. 4/ 9265 und 4/ 9422 genannten Gegenstände zu prüfen.<br />
III. Die Staatsregierung wird ersucht,<br />
die erforderlichen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass<br />
» die dem 2. Untersuchungsausschuss bislang übersandten umfangreichen<br />
Aktenbände, Akten, Aktenteile und sonstigen Unterlagen nach deren<br />
Zurücksendung zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten nach<br />
dem Ende der 4. Legislaturperiode unter Beachtung der diesbezüglichen<br />
Gehe<strong>im</strong>haltungsvorschriften zur Verfügung des 5. Sächsischen <strong>Landtag</strong>es<br />
gesondert verwahrt bleiben und<br />
» es <strong>im</strong> Übrigen insoweit auch keine Veränderungen am Bestand weiterer,<br />
den Gegenstand der Untersuchungen berührender und bislang noch nicht<br />
beigezogener Behörden- und Justizakten, -aktenteile und Dokumente gibt.<br />
39
Impressum<br />
Herausgeber:<br />
<strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Sächsischen <strong>Landtag</strong><br />
V.i.S.d.P.:<br />
Marcel Braumann<br />
Redaktion / Layout: Elke Fahr / Carola Müller<br />
Fotos: olly©www.fotolia.de – Collage: efa (Titel, S. 32)<br />
© Frank Müller / PIXELIO (S. 39)<br />
plrang©www.fotolia.de (S. 36)<br />
© M. Siefke /PIXELIO<br />
© efa (S. 5,6,15,21,24,27,30)<br />
Orlando Florin Rosu © www.fotolia.de (S. 7)<br />
<strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Sächsischen <strong>Landtag</strong><br />
Bernhard-von-Lindenau-Platz 1, 01067 Dresden<br />
Telefon: 0351 493-5800, Telefax: 0351 493-5460<br />
E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de<br />
http://linksfraktion-sachsen.de<br />
Diese Publikation dient der Information und darf in einem Wahlkampf<br />
nicht zur Parteienwerbung eingesetzt werden.<br />
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www.linksfraktion-sachsen.de<br />
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