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Interreligiöse und interkonfessionelle Bildung“ am 24. Juni ... - KPHE

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Bildungsgespräch<br />

„Interreligiöse <strong>und</strong><br />

<strong>interkonfessionelle</strong> Bildung“<br />

Dienstag, <strong>24.</strong>06.2008, 14:30-17:00 Uhr<br />

Bischöfliches Bildungshaus<br />

Stift St. Georgen <strong>am</strong> Längsee<br />

Schlossallee 6, 9313 St. Georgen<br />

9020 Klagenfurt, Tarviserstraße 30, Diözesanhaus, Tel. 0463 5877 2201<br />

www.kphe-kaernten.at, kphe@kath-kirche-kaernten.at, Fax. 0463 58772209


Impressum<br />

Medieninhaber: Bischöfliches Schul<strong>am</strong>t Klagenfurt<br />

Herausgeber: Bischöfliches Schul<strong>am</strong>t, Mariannengasse 2, 9020 Klagenfurt<br />

Für den Inhalt verantwortlich: Dr. Birgit Leitner<br />

Redaktion: Mag. Rosemarie Rossmann<br />

Grafik <strong>und</strong> Layout: Dr. Birgit Leitner<br />

Fotos: <strong>KPHE</strong> Kärnten, Mag. Gerda Gstättner<br />

Druck: Druck- <strong>und</strong> Kopiezentrum, Bischöfliches Seelsorge<strong>am</strong>t, Tarviserstraße 30, 9020 Klagenfurt<br />

© <strong>Juni</strong> 2008<br />

2


BILDEN SIE SICH IHRE MEINUNG > BILDUNGSTAG<br />

INTERRELIGIÖSE UND INTERKONFESSIONELLE BILDUNG<br />

<strong>24.</strong> <strong>Juni</strong> 2008 . 14:30-17:00 uhr<br />

Bischöfliches Bildungshaus Stift St. Georgen <strong>am</strong> Längsee<br />

HERZLICHE EINLADUNG<br />

Ziel dieser Veranstaltung ist es, die aktuelle Situation des<br />

Religionsunterrichtes in seinen differenzierten Ausformungen wahr zu<br />

nehmen, den qualitätsvollen Beitrag des Religionsunterrichtes für die<br />

interkulturelle Bildung <strong>und</strong> Erziehung kennen zu lernen, Möglichkeiten des<br />

konstruktiven Umgangs mit den Herausforderungen <strong>und</strong> Ansprüchen in der<br />

sich wandelnden gesellschaftlichen Situation aufzuzeigen <strong>und</strong> gemeins<strong>am</strong><br />

Strategien für die Weiterarbeit zu diskutieren.<br />

Eingeladen sind ReligionslehrerInnen, PädagogInnen <strong>und</strong> Verantwortliche<br />

aus Schule <strong>und</strong> Kirche. Ich freue mich, wenn Sie sich die Zeit nehmen <strong>und</strong><br />

diese Tagung durch Ihre Teilnahme bereichern.<br />

Mit guten Wünschen <strong>und</strong> liebem Gruß<br />

Dr. Alois Schwarz<br />

Diözesanbischof<br />

3


Progr<strong>am</strong>m<br />

Begrüßung <strong>und</strong> Statement zur Perspektive der Katholischen Kirche<br />

Bischof Dr. Alois Schwarz<br />

Grußworte der Vertretungen des B<strong>und</strong>esministeriums für Unterricht, Kunst<br />

<strong>und</strong> Kultur, des Landesschulrates für Kärnten <strong>und</strong> des Amtes der Kärntner<br />

Landesregierung<br />

Statements von Superintendent Mag. Manfred Sauer aus der Sicht der<br />

Evangelischen Kirche <strong>und</strong> von Fachinspektor Esad Memic für die<br />

Isl<strong>am</strong>ischen Glaubensgemeinschaft in Österreich<br />

Qualitätssicherung im konfessionellen Religionsunterricht, Statement<br />

Dr. Birgit Leitner, Bischöfliches Schul<strong>am</strong>t der Diözese Gurk<br />

Der interreligiöse Dialog, Impulsreferat<br />

Mag. Hermann Josef Repplinger, Rektor des Theologischen Institutes<br />

Reflexion einer Bildungsveranstaltung zum interreligiösen Lernen<br />

Sr. Mag. Andreas Weißbacher<br />

Diskussion <strong>und</strong> Ausblick für die Weiterarbeit<br />

Wir bitten um kurze Rückmeldung, ob Ihnen eine Teilnahme möglich ist.<br />

schul<strong>am</strong>t@kath-kirche-kaernten.at oder 0463 57 770 1051<br />

4


INTERRELIGIÖSE UND INTERKONFESSIONELLE BILDUNG<br />

<strong>24.</strong> <strong>Juni</strong> 2008 . 14:30-17:00 uhr<br />

Bischöfliches Bildungshaus Stift St. Georgen <strong>am</strong> Längsee<br />

TeilnehmerInnen<br />

Bischof Dr. Alois Schwarz für die katholische Kirche<br />

Dompropst HR Dr. Colerus-Geldern, Bischofsvikar für Glaube, Bildung <strong>und</strong> Kultur<br />

MinR Dr. Anton Stifter, B<strong>und</strong>esministerium für Unterricht, Kunst <strong>und</strong> Kultur/ Kultus<strong>am</strong>t<br />

LH Dr. Jörg Haider (entsch.)<br />

LSR Dr. Claudia Egger (entsch.)<br />

LSR Vizepräsident Rudolf Altersberger<br />

LSR HR Dr. Irmgard Moser<br />

LSI Karl Maier, Landesschulinspektor (bis 16:00 Uhr)<br />

BSI Mag. Wilhelm Prainsack<br />

Mag. Beatrice Haidl, Amt der Kärntner Landesregierung (bis 16:00 Uhr)<br />

Superintendent Mag. Manfred Sauer für die evangelische Kirche (bis 16:00 Uhr)<br />

FI Mag. Johannes Spitzer, Fachinspektion evang. RU (entsch.)<br />

FI Maria Ebner, Dipl.-Päd., Fachinspektion evang. RU (bis 16:00 Uhr)<br />

Fachinspektor Esad Memic für isl<strong>am</strong>ischen RU<br />

Fachinspektor Branislav Djukaric für orthodoxen RU (entsch.)<br />

FI Mag. Anton Boschitz, Fachinspektion kath. RU<br />

FI Andrea Kerschbaumer, Fachinspektion kath. RU<br />

FI Dr. Birgit Leitner, Amtsleiterin Bischöfliches Schul<strong>am</strong>t<br />

KR Mag. Hermann Josef Repplinger, Direktor, Theologisches Institut Klagenfurt<br />

Sr. Mag. Andreas Weißbacher, Kontaktstelle für Weltreligionen, Missionsschwester vom Kostbaren<br />

Blut, Wernberg<br />

Prof. Mag. Gisela Baumann, kath. Religionslehrerin an der BAKIP<br />

Prof. Mag. Josef Lagler, kath. Religionslehrer BG/BRG St. Veit,<br />

Prof. Dr. Franz Leitner, kath. Religionslehrer <strong>am</strong> BG/BRG Mössingerstraße<br />

Prof. Mag. Hans Omann, kath. Religionslehrer BG Tanzenberg, BS Projektunterricht Religion<br />

Rettl Barbara, Dipl. -Päd. kath. Religionslehrerin VS 1 Villach, Projekt Ethik/Soziales Lernen<br />

Prof. Mag. Lieselotte Wolf, <strong>KPHE</strong> Rektorin<br />

Dr. Ludwig Trojan, <strong>KPHE</strong> Lehrgangskoordinator Theologie <strong>und</strong> Spiritualität<br />

Mag. Gerda Gstättner, <strong>KPHE</strong> Lehrgangskoordinatorin Fachdidaktik Religion<br />

Mag. Maria-Elisabeth Dohr, <strong>KPHE</strong> Lehrgangskoordinatorin (entsch.)<br />

Prof. Dr. Till Josef, Religionspädagoge PH Kärnten<br />

VOL Ilse Fina, Dipl.-Päd. Direktorin der VS 11/16 St. Ruprecht, Klagenfurt<br />

Dr. Gerald Salzmann, Institut für Bildung <strong>und</strong> Beratung/ Land Kärnten (bis 16:00 Uhr)<br />

Mag. Elisabeth Mattitsch, Kindergartenreferentin Caritas (entsch.)<br />

5


Thesen zum „Dialog“, zur <strong>interkonfessionelle</strong>n<br />

Begegnung <strong>und</strong> Zus<strong>am</strong>menarbeit <strong>und</strong> zum<br />

interreligiösen Dialog<br />

Hinführende, kritische <strong>und</strong> erschließende Gedanken<br />

von<br />

KR Mag. Hermann Josef Repplinger,<br />

Theologisches Institut Klagenfurt<br />

THESE 1:<br />

STARI MOST – die Brücke von Mostar, ein Symbol für den Dialog, sei er<br />

zwischenmenschlich, intrakonfessionell, interkonfessionell oder interreligiös<br />

„Alte“ Brücke von Mostar um 1930<br />

6


Behelfsbrücke nach der Zerstörung <strong>am</strong> 09. 11. 1993<br />

Die neue Brücke bei der offiziellen Wiedereröffnung <strong>am</strong> 23. Juli 2004,<br />

15. Juli 2005 in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen<br />

7


Bilder aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Stari_most<br />

„Symbol“ wird hier mit dem französischen Philosophen Paul Ricœur [1913-2005]<br />

verstanden als „das, was zu denken gibt“. Die Brücke von Mostar gibt zu denken, gibt<br />

nachzudenken auch über „Dialog“.<br />

Dazu einige Gedanken im Blick auf die ihnen vorliegenden (s/w) Bilder.<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

-<br />

Bild 1: die „alte Brücke“ von Mostar<br />

Die „alte Brücke“: ein Weg zwischen Ost <strong>und</strong> West <strong>und</strong> West <strong>und</strong> Ost, auch zur<br />

<strong>interkonfessionelle</strong>n Begegnung zwischen Christinnen <strong>und</strong> Christen verschiedener<br />

Konfessionen (römisch-katholisch/serbisch-orthodox) <strong>und</strong> auch zum interreligiösen<br />

Dialog zwischen Christinnen <strong>und</strong> Christen einerseits <strong>und</strong> Moslems <strong>und</strong> Juden<br />

andererseits. Dazwischen im Abgr<strong>und</strong> der Fluss Neretwa. Dialog als eine alltägliche<br />

Selbstverständlichkeit? Man verlässt sich darauf! Wie diese Brücke mit eigenen<br />

Füßen, so muss auch ein Dialog mit eigenen Gedanken <strong>und</strong> Worten „begangen“<br />

werden, diese Brücke ist nicht „befahrbar“. Wer sie begeht, erfährt sie erst im Gehen.<br />

So auch der Dialog.<br />

Diese Brücke wurde gebaut, weil sie not-wendig war: organisatorisch, administrativ,<br />

militärisch, wirtschaftlich, sozial, … In ähnlicher Weise ist auch der Dialog geb<strong>und</strong>en<br />

an eine not-wendige Ursprungssituation, einen realen Anlass, eine Problemstellung.<br />

Diese Brücke, die für die Ewigkeit gebaut zu sein scheint, „ein Meisterwerk der<br />

Ingenieurbaukunst“, die seit Generationen gehalten hat, ist jedoch dem sog. „Zahn<br />

der Zeit ausgesetzt“, bedurfte immer wieder der Sanierung, um erhalten zu bleiben.<br />

So auch der Dialog ein sprachliches Meisterwerk <strong>und</strong> kann sich „mit der Zeit“<br />

verbrauchen, zersetzten, auflösen.<br />

Bild 2: die zerstörte Brücke von Mostar<br />

Wie ein Dialog, so kann diese Brücke angegriffen <strong>und</strong> zerstört werden. Die Brücke<br />

von Mostar wurde durch den gezielten Beschuss der kroatischen Armee <strong>am</strong><br />

09.11.1993 zerstört. Der unüberbrückbare Abgr<strong>und</strong> springt auf <strong>und</strong> klafft wie eine<br />

offene W<strong>und</strong>e. Die Behelfsbrücke ist wie ein Verband, der die W<strong>und</strong>e offenbart. Ein<br />

Dialog kann zerstört werden von außen <strong>und</strong> von innen, wenn vergessen wird, dass er<br />

eine Brücke über dem gemeins<strong>am</strong>en Abgr<strong>und</strong> ist.<br />

Bild 3: die neue Brücke von Mostar<br />

Die alte Brücke, die 1556 bis 1566 vom osmanischen Architekten Mimar Hajrudin<br />

erbaut wurde, brauchte 10 Jahre für ihre Errichtung. Nach der Zerstörung ist auch<br />

die neue Brücke von Mostar auch innerhalb von etwa 10 Jahren wieder aufgebaut<br />

<strong>und</strong> <strong>am</strong> 23.07.2004 offiziell wieder eröffnet worden. Die über sie strömende<br />

Menschenmenge geht quer zu dem im Abgr<strong>und</strong> strömenden Fluss. Die dichte<br />

Menschenmenge lässt denken an den Stau <strong>und</strong> Druck, den die Jahre zuvor gebildet<br />

haben.<br />

Im Blick auf den Dialog stellt sich auch uns die Frage: Wo sind diese drängenden<br />

Fragen <strong>und</strong> Brennpunkte heute, die zur menschlichen Begegnung, zur<br />

intrakonfessionellen, <strong>interkonfessionelle</strong>n <strong>und</strong> interreligiösen Begegnung bewegen<br />

<strong>und</strong> drängen?<br />

Auch ein Dialog ist also von seiner Ursprungssituation verb<strong>und</strong>en mit einem<br />

beiderseits erkannten Handlungs- <strong>und</strong> Begegnungsbedarf, mit einem gemeins<strong>am</strong><br />

erfahrenen, erkannten <strong>und</strong> anerkannten Leidensdruck. Ein Dialog ist also von seinem<br />

Ursprung her kein Vergnügen, keine Behübschung, kein leichtfertiges<br />

Alltagsgeschwätz, sondern ein gemeins<strong>am</strong>es sich der Frage stellen, „mit der es ernst<br />

8


ist“, <strong>und</strong> zwar für alle <strong>am</strong> Dialog Teilnehmenden <strong>und</strong> Beteiligten. Im Dialog heißt es<br />

also: „Jetzt wird´s ernst“, worin der ethisch-moralische Anspruch, der zu jedem<br />

Dialog wesentlich gehört, <strong>und</strong> angemeldet ist.<br />

Im Blick auf die Brücke von Mostar in Geschichte <strong>und</strong> Gegenwart ist hier schon auch<br />

selbstkritisch <strong>und</strong> kritisch gegenüber anderen Weltanschauungen <strong>und</strong> Religionen zu<br />

fragen, ob dieses abendländische, von jüdisch-christlicher Tradition bestimmte<br />

Verständnis von Dialog in seinen vielschichtigen Dimensionen <strong>und</strong> Differenzierungen<br />

auch von anderen, nicht jüdisch-christlichen Religionen <strong>und</strong> Weltanschauungen in<br />

gleichem Sinne <strong>und</strong> in gleicher Absicht geteilt <strong>und</strong> mit vertreten werden kann. Deshalb<br />

müssten sich die Vertreter des abendländischen, jüdisch-christliche geprägten<br />

Dialogverständnisses davor hüten, diese Auffassung von Dialog unbedacht auf andere<br />

außereuropäische Kulturen <strong>und</strong> Religionstraditionen zu übertragen oder von diesen<br />

vordergründig mit vertreten zu lassen.<br />

Im Blick auf die Brücke von Mostar wird auch deutlich:<br />

jede zwischenmenschliche, intrakonfessionelle, <strong>interkonfessionelle</strong> Begegnung <strong>und</strong><br />

jeder interreligiöser Dialog braucht konkrete, tragende, verbindende <strong>und</strong> d<strong>am</strong>it<br />

verbindliche Rahmenbedingungen, Voraussetzungen, Wegweisungen, Richtungen,<br />

sonst hängt das Dialogbemühen <strong>und</strong> die <strong>interkonfessionelle</strong>, <strong>interkonfessionelle</strong> wie<br />

auch interreligiöse Zus<strong>am</strong>menarbeit z. B. in Schule <strong>und</strong> Bildungseinrichtungen formal<br />

<strong>und</strong> inhaltlich in der Luft oder schwebt über dem Abgr<strong>und</strong> der Orientierungs- <strong>und</strong><br />

Ausweglosigkeit. Zu diesen Rahmenbedingungen gehören zunächst die für die staatlich<br />

geschützte religiöse Erziehung <strong>und</strong> Bildung von Seiten des Staates Österreich<br />

gegebenen rechtlichen Regelungen <strong>und</strong> zwar als ausnahmslos für alle Konfessionen<br />

<strong>und</strong> anerkannten Religionsgemeinschaften verbindliche Rahmenrichtlinien <strong>und</strong><br />

Vereinbarungen. Sodann gehören dazu die von den christlichen Kirchen wie auch die<br />

von anderen Religionsgemeinschaften im Rahmen ihrer vom Staat ermöglichten<br />

Verantwortung zu gebenden, einzuhaltenden <strong>und</strong> im Blick auf eine friedens- <strong>und</strong><br />

demokratiefähige Zus<strong>am</strong>menarbeit maßgeblichen Richtlinien <strong>und</strong> orientierenden<br />

Vorgaben.<br />

THESE 2: Kritische Rückfrage: Dialog – was ist das?<br />

„Dialog“ scheint heute ein Allerwelts-, Mode- <strong>und</strong> Trendwort geworden zu sein,<br />

überfrachtet mit hohen Erwartungen, meistens jedoch endend in der Verlegenheit <strong>und</strong><br />

Ausweglosigkeit oder scheinbarem (eingebildeten) Einverständnis gegenüber den zu<br />

lösenden Problemstellungen, wie es Platon, der Meister philosophischer Dialoge schon<br />

in einem seiner Dialoge beschrieben hat:<br />

„… wir jedoch wähnten es vordem (= einst) zu wissen, jetzt aber befinden wir uns in<br />

auswegloser Ratlosigkeit. Lehre uns also zuerst dieses, d<strong>am</strong>it wir uns nicht einbilden<br />

zu verstehen, was ihr saget“ (Platon [427 – 347]: Sophistes, 244a, 365 v. Chr.); nicht<br />

von Ungefähr hat Martin Heidegger [1889 – 1976] diesen Text als Motiv für „Sein <strong>und</strong><br />

Zeit“, 1927, gewählt).<br />

„Dialog“ im Verständnis der abendländischen (philosophischen)<br />

Tradition ist im Gegensatz zum „Monolog“ allgemein eine mündliche oder schriftliche<br />

Gesprächsmethode, an der zwei oder mehrere Personen beteiligt sind, die in Rede <strong>und</strong><br />

Gegenrede nach dem „Sinn“ (lógos) suchen.<br />

Im Hintergr<strong>und</strong> steht also das Gegenteil von Sinn, Verständnis <strong>und</strong><br />

9


Gemeins<strong>am</strong>keit. Dazu zwei Beispiele, die gemeinhin unbedacht als Musterbeispiele<br />

<strong>und</strong> aus dem Zus<strong>am</strong>menhang herausgerissene Gustotückchen für einen „gelungenen“,<br />

konfliktfreien, idealen Dialogansatz gebraucht <strong>und</strong> präsentiert werden:<br />

Martin Bubers (1878-1965): „Dialogisches Denken als anthropologisches Prinzip des<br />

Menschen“ ist entstanden aus der frühkindlichen Erfahrung des Gegenteils: nach<br />

frühkindlich leidvoll miterlebten Scheitern der Ich-Du-Beziehung seiner Eltern in Wien<br />

kommt er im Alter von 4 Jahren zu den Großeltern nach Lemberg <strong>und</strong> wächst bei ihnen<br />

auf. 1<br />

Die Sehnsucht nach einer gelingenden Ich-Du-Beziehung, nach aufrichtiger<br />

Begegnung statt „Vergegnung“ ist Gr<strong>und</strong>motiv seines pädagogischen <strong>und</strong><br />

religionsphilosophischen Denkens <strong>und</strong> Sprechens.<br />

Friedrich Hölderlins (1770-1843) vielbemühtes Wort aus der „Friedensfeier“ (1801-<br />

1802): „seit ein Gespräch wir sind“ ist im Kontext mehr als nur eine romantische<br />

Vergewisserung einer idealisierenden Gesprächserfahrung. Im Kontext heißt es: “Viel<br />

hat von Morgen an, / Seit ein Gespräch wir sind <strong>und</strong> hören voneinander, / Erfahren der<br />

Mensch; bald sind wir aber Gesang“ reflektiert die Erfahrung der französischen<br />

Revolutionskriege <strong>und</strong> bezieht sich auf den mit dem Frieden von Lunéville (09.02.1801)<br />

verb<strong>und</strong>enen Hoffnungen. Die Erfahrungen, von denen Hölderlin spricht, meinen den<br />

Krieg <strong>und</strong> die Entzweiung. Die schon so langen Kriegserfahrungen „von Morgen an“,<br />

kommen zum Gespräch, Es wird ein Gespräch, das von der Hoffnung auf „Gesang“, auf<br />

Frieden, beseelt ist.<br />

Dies ist zu beachten, wenn wir von „Dialog“ sprechen, d<strong>am</strong>it wir d<strong>am</strong>it nicht dessen<br />

tatsächliche Ursprungssituation überspringen. Dialog ist immer der Versuch,<br />

gemeins<strong>am</strong> über dem Abgr<strong>und</strong> zwischen zwei oder mehreren Positionen eine für alle<br />

begehbare Brücke zu bauen, in der Hoffnung, dass sie trägt, auch wenn der Abgr<strong>und</strong><br />

dadurch nicht verschwindet. Wer im Dialog nicht den ernsten Anlass, die bedrängende<br />

Problemstellung als „Abgr<strong>und</strong>“ im Auge <strong>und</strong> im Sinn hat, vollführt unter dem Schein des<br />

Dialogischen einen Schleiertanz von schönen Worten <strong>und</strong> Ideen. Das Risiko des<br />

Dialoges miteinander eingehen heißt also auch: gemeins<strong>am</strong> die Verantwortung dafür<br />

übernehmen wollen, dass der Abgr<strong>und</strong> nicht größer wird <strong>und</strong> dass niemand in den<br />

Abgr<strong>und</strong> „fallen gelassen wird“. Einen Dialog muss man außerdem halten <strong>und</strong> bestehen<br />

mit einem aufrichtigen Würde- <strong>und</strong> Wertebewusstsein (= Berechtungsgefühl <strong>und</strong><br />

Berechtigungsbewusstsein) für sich <strong>und</strong> für den/die Anderen, um dem Verhängnis<br />

(Abgr<strong>und</strong>) von Übermut, Hochmut oder Kleinmut „freimütig“ zu begegnen (metà<br />

parräsías = mit Freimut, wovon die lukanische Apostelgeschichte nicht müde wird, zu<br />

sprechen).<br />

1 „Als knapp Vierjähriger k<strong>am</strong> er nach der Trennung der Eltern zu den väterlichen Großeltern, weit fort von<br />

Wien. Er lernte dort eine neue Sprache <strong>und</strong> Hebräisch, denn sein Großvater war nicht nur ein tüchtiger<br />

Geschäftsmann, der zwei Banken leitete, sondern er war außerdem ein großer Gelehrter; ein Vertreter der<br />

Haskala, der im ständigen Studium war <strong>und</strong> sich in der Welt des Geistes zu Hause fühlte. Er war ein »das<br />

Wort Liebender«, wie sein Enkel ihn später nannte.<br />

Dass er seiner Mutter nie wieder begegnete, bezeichnete er später mit »Vergegnen«, womit er das<br />

Verfehlen einer wirklichen Begegnung meinte, das ihn sein Leben lang beschäftigte“, in: „Begegnung <strong>und</strong><br />

»Vergegnung« prägten seine Lehre“; DIE ZEIT; Nr: 33, 05.08.2004, ZEIT ONLINE<br />

http://www.zeit.de/2004/33/Spielen_2fTratschke_33?page=1<br />

10


THESE 3: Unterscheidung als einheitsbildende Gr<strong>und</strong>lage des Dialoges<br />

Unterscheidung ist Gr<strong>und</strong>lage jedes Dialoges, der so genannt zu werden verdient.<br />

„Unterscheiden“ heißt jedoch nicht „trennen“. Dass umgangssprachlich <strong>und</strong> im<br />

entsprechenden Denken „Unterscheidung“ meistens als „Trennung missverstanden wird,<br />

weist auf das harmoniesüchtige 2 Missverständnis von Dialog, Denken <strong>und</strong> Leben<br />

insges<strong>am</strong>t hin.<br />

In der jüdisch-christlichen Tradition ist Unterscheidung jener lebensnotwendige<br />

schöpferische Vorgang, der wahrhaftige, lebendige <strong>und</strong> belebende Einheit schafft <strong>und</strong><br />

bildet. In neuzeitlicher Sprache bringt es dann Teilhard de Chardin [1881 – 1955] auf die<br />

Formel:<br />

„l' union différencie – la différence unifie” – das heißt übersetzt in teilhardschem Sinne:<br />

„Die schöpferische Einigung schafft schöpferische, differenzierte Unterscheidung“ <strong>und</strong><br />

„die schöpferische differenzierte Unterscheidung schafft schöpferische Einigung“. Das<br />

verweist auch – nicht nur formal – auf die christologische Formel des Konzils von<br />

Chalcedon (451) hin: „Jesus Christus – wahrer Gott <strong>und</strong> wahrer Mensch, unvermischt<br />

<strong>und</strong> ungetrennt – „der in zwei Naturen, unvermischt, ungewandelt, ungetrennt,<br />

ungesondert geoffenbart ist“<br />

Hier sei auch kurz hingewiesen u. a. auf zwei Sackgassen oder Einseitigkeiten, die<br />

jeden Dialog - auch <strong>und</strong> besonders in der <strong>interkonfessionelle</strong>r Begegnung <strong>und</strong> im<br />

interreligiösen Dialog – in eine Schieflage bringen, in der ein Dialog abrutschen, vergehen<br />

kann. Diese Sackgassen <strong>und</strong> Gefahren sind:<br />

- Dem anderen mehr geben wollen, als er haben will. ( Überlegenheitsgefälle;<br />

Vergewohltätigungs- oder Missionierungsgefahr unter dem Schein des Guten).<br />

- Mehr (haben) wollen als einer oder beide miteinander können oder einander geben<br />

können ( Unterlegenheitsgefahr; Ausbeutungsgefälle: vom anderen mehr wollen,<br />

als man selbst geben kann oder zu geben können meint; Gefahr der Begegnung <strong>und</strong><br />

des Dialogs mit religiösen, sozialen, ethnischen Minoritäten; aus der Unterlegenheit<br />

„Kapital“ schlagen wollen; den vermeintlich überlegeneren Partner unter Druck<br />

setzen oder vom ihm „unter der Hand“ ausgleichende Leistungen erwarten; dadurch<br />

wird Begegnung <strong>und</strong> Dialog instrumentalisiert <strong>und</strong> zu einem einseitigen Ver-<br />

Handeln).<br />

Dialog lebt also vom aufrichtigen Willen, von der lauteren Absicht (pura intentio) <strong>und</strong> von<br />

der Bereitschaft, sein eigenen Selbst- <strong>und</strong> Berechtigungsbewusstsein zu vertreten <strong>und</strong><br />

aufrecht zu halten gegenüber <strong>und</strong> mit dem anderen.<br />

Dialog ist also „Vertrauenssache“, in der sich die Teilnehmenden beiderseitig vertrauen<br />

lernen <strong>und</strong> miteinander etwas „trauen“ können, was keinem schadet oder keinen<br />

benachteiligt.<br />

THESE 4: Dialog der Religionen oder „interreligiöser Dialog“ <strong>und</strong> „Ökumene“<br />

Dialog der Religionen oder „interreligiöser Dialog“ ist die Bezeichnung<br />

für den beiderseits gesuchten, möglichst gleichberechtigten, jedenfalls respektvollen <strong>und</strong><br />

aufrichtig- kritischen Austausch von Meinungen in Begegnung <strong>und</strong> Zus<strong>am</strong>menarbeit von<br />

Angehörigen verschiedener Religionen.<br />

Dazu gehören die, teilweise in Österreich schon institutionalisierten Formen von:<br />

Christlich-Jüdischem Dialog,<br />

Christlich-Isl<strong>am</strong>ischem Dialog,<br />

Christlich-Hinduistischer Dialog,<br />

11


Christlich-Buddhistischem Dialog,<br />

Jüdisch-Isl<strong>am</strong>ischem Dialog,<br />

….<br />

Davon ist zu unterscheiden, was wir gemeinhin „Ökumene“ nennen <strong>und</strong> worunter die<br />

Begegnung <strong>und</strong> der Austausch sowie die differenzierte Anerkennung der verschiedenen<br />

christlichen Konfessionen verstanden wird.<br />

Hier ist zu Fragen, ob Hans Küngs Unterscheidung von innerer <strong>und</strong> äußerer Ökumene<br />

überzeugend oder nur „gut gemeint“ ist Die innerchristliche Begegnung <strong>und</strong> Bemühung<br />

um Einheit nennt Küng „innere Ökumene“, die Ausweitung christlicher Ökumene auf<br />

den nichtchristlichen Religionen des Judentums <strong>und</strong> des Isl<strong>am</strong>s nennt er „äußere<br />

Ökumene“ oder auch „abrah<strong>am</strong>itische Ökumene“, weil diese drei Religionen<br />

(Christentum, Judentum <strong>und</strong> Isl<strong>am</strong>) sind auf Abrah<strong>am</strong> beziehen <strong>und</strong> einen<br />

Monotheismus vertreten. Neuerdings gibt es dazu interreligiöse „Trialog“-Gruppen mit<br />

der Zielsetzung, Missverständnisse <strong>und</strong> Konflikte zwischen Christentum, Judentum <strong>und</strong><br />

Isl<strong>am</strong> auszuräumen.<br />

Bei aller gutwilligen Bereitschaft zum Dialog, besonders zum interreligiösen Dialog, ist<br />

vorerst von einer inhaltlichen Unterscheidung zwischen <strong>interkonfessionelle</strong>r Begegnung<br />

<strong>und</strong> interreligiösem Dialog auszugehen. „Ökumene“ wird deshalb ein zu profilierter <strong>und</strong><br />

zugleich auch begrenzter Hut bleiben, der nicht allen <strong>und</strong> allem übergestülpt werden<br />

kann.<br />

In Wikipedia (http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96kumene) können Sie dazu in dem<br />

Artikel „Ökumene“ (aktueller Stand 09.06.2008) lesen:<br />

»Der Sprachgebrauch, diese Beziehungen zu anderen Religionen mit dem Begriff<br />

"Ökumene" zu bezeichnen, hat sich jedoch weder in christlichen ökumenischen<br />

Organisationen (ÖRK, KEK) noch in den offiziellen Dokumenten einzelner christlicher<br />

Kirchen durchgesetzt. Der Ausdruck interreligiöser Dialog wird weithin als sachgemäßer<br />

empf<strong>und</strong>en.<br />

Hingegen ist der interreligiöse Dialog als Thema der (innerchristlichen) Ökumene<br />

präsent. Die Suche nach einem gemeins<strong>am</strong>en christlichen Profil gegenüber anderen<br />

Religionen war ja schon die treibende Kraft hinter der Weltmissionskonferenz von 1910<br />

<strong>und</strong> spielte seither ständig eine Rolle in der Ökumene. In der jüngeren Vergangenheit<br />

hat dieses Thema einen größeren Stellenwert bekommen, so etwa in der Charta<br />

oecumenica. Dort kommt auch die in den ökumenischen Organisationen vorherrschende<br />

Überzeugung zum Ausdruck, die christliche Haltung gegenüber anderen Religionen<br />

müsse von Dialogbereitschaft geprägt sein«.<br />

THESE 5: Der Einspruch Jürgen Moltmanns: „Durch Dialog ist noch niemand<br />

Christ geworden“.<br />

Im Oktober 2004 meldete sich der emeritierte Tübinger evangelische Theologieprofessor<br />

Jürgen Moltmann [* 1926] an die Adresse der christlichen Theologie <strong>und</strong> speziell auch<br />

der Religionspädagogik zu Wort <strong>und</strong> bezeichnete die zeitgenössische Tendenz der<br />

wissenschaftlichen Theologie <strong>und</strong> Religionspädagogik zur „reinen<br />

Kompetenzvermittlung“ als verheerend. Provozierend lautet seine Frage: „Welche<br />

Kompetenz kann ein Mensch in göttlichen Dingen erwerben? Wer kann Gott können?“.<br />

Moltmann weist darauf hin, dass innerchristlich die theologische Diskussion, das Ringen<br />

<strong>und</strong> verbindende Streiten, um Gott <strong>und</strong> über Gott, das von Erkenntnis <strong>und</strong> Interesse<br />

12


ewegte Fragen nach Gott inzwischen verdeckt worden sei von einer idealistischen<br />

Vorstellung von „religiösem Dialog“ über alles <strong>und</strong> nichts.<br />

Moltmann hält den Dialog notfallweise für wichtig, um „Feindbilder <strong>und</strong> Vorurteile“<br />

abzubauen <strong>und</strong> zum friedlichen Zus<strong>am</strong>menleben zu kommen. Da der „Dialog weder Ziel<br />

noch Ende“ habe, stabilisiere er den Status Quo. Durch diesen Dialog ist noch niemand<br />

Christ geworden. Über diese Kritik <strong>und</strong> Infragestellung des innerchristlichen<br />

Begegnung hinaus meint Moltmann, dass der interreligiöse Dialog ein „durch <strong>und</strong> durch<br />

konservatives Progr<strong>am</strong>m“ sei <strong>und</strong> er „könnte leicht – wie etwa die Idee der „versöhnten<br />

Verschiedenheit“ in der Ökumene – zur „Beruhigungspille“ werden. Nach Moltmann ist in<br />

einer „Koalition der Gutwilligen“ kein Dialog nötig, sondern an den extremistischen<br />

Rändern <strong>und</strong> fragt: „Wer sucht den Dialog mit isl<strong>am</strong>istischen Terroristen? Wer suchen<br />

den Dialog mit christlichen F<strong>und</strong><strong>am</strong>entalisten?“ Auch Moltmann betont den Dialog, als<br />

ein risikoreiches Bemühen „über dem Abgr<strong>und</strong>“, d<strong>am</strong>it er nicht noch größer, abgründiger<br />

wird <strong>und</strong> sich als heilloses Verhängnis auftut.<br />

Dieser Einspruch eines „zornigen Alten“, dessen N<strong>am</strong>e für eine „Theologie der Hoffnung“<br />

steht <strong>und</strong> bürgt, kann davor bewahren, sich in der <strong>interkonfessionelle</strong>n Begegnung wie<br />

auch in den interreligiösen Dialogveranstaltungen sich in Sicherheit zu wiegen – vor Gott<br />

<strong>und</strong> vor einander! Denn was haben denn <strong>interkonfessionelle</strong> Begegnungen wie auch<br />

interreligiöse Dialogveranstaltungen für einen Sinn, wenn es in ihnen <strong>und</strong> mit ihnen nicht<br />

im gemeins<strong>am</strong>en Gespräch in Denken <strong>und</strong> Handeln um Gott geht, der als „deus<br />

revelatus“ (in Jesus Christus „geoffenbarter Gott“ ) die Menschen sucht (vgl. „Gott sucht<br />

den Menschen“, Papst Johannes Paul II: „TERTIO MILLENNIO ADVENIENTE“, 1994, Nr.<br />

7) <strong>und</strong> der als „deus absconditus“ (als „verborgener Gott“) ein unergründlicher Abgr<strong>und</strong><br />

(abyssus) ist, der den Menschen zum „Dialog mit Gott“ herausfordert, wie es die<br />

christliche Interpretation von Ps 42,8 (abyssus abyssum invocat) vielfach versucht hat<br />

(vgl. A. Augustinus, J. Tauler, M. Luther, J. Bernhard, R. Guardini u. a. ).<br />

Zu diesem heilsnotwendigen Dialog mit Gott sagt das II. Vatikanische Konzil: „Zum<br />

Dialog mit Gott ist der Mensch schon von seinem Ursprung her aufgerufen: er existiert<br />

nämlich nur, weil er, von Gott aus Liebe geschaffen, immer aus Liebe erhalten wird; <strong>und</strong><br />

er lebt nicht voll gemäß der Wahrheit, wenn er diese Liebe nicht frei anerkennt <strong>und</strong> sich<br />

seinem Schöpfer anheim gibt“ (GS 19, vgl. auch: Katechismus der Katholischen Kirche<br />

[1992], Nr. 27). Für den Dialog heißt dies: Je mehr die (daran teilnehmenden) Menschen<br />

von positiver „Ehrfurcht“ <strong>und</strong> von positiver „Gottesfurcht“ (vgl. Jes 11,1-5) erfüllt sind, d.<br />

h., je mehr sie „furchtlos zu sich stehen“ <strong>und</strong> „furchtlos gegründet sind in Gott“, je mehr<br />

sie aufrichtiges Selbstvertrauen <strong>und</strong> aufrichtendes Gottesvertrauen leben, desto mehr<br />

können sie zu sich <strong>und</strong> zu den / dem Anderen stehen.<br />

Moltmann hat mit seinem „Einspruch“ wieder die schon so lange eingeschläferte oder<br />

ausgelassene Gottesfrage als „Gretchenfrage“ für das <strong>interkonfessionelle</strong> Gespräch <strong>und</strong><br />

den interreligiösen Dialog wachgerufen <strong>und</strong> ins Gespräch gebracht.<br />

THESE 6: Dialog <strong>und</strong> interreligiöser Dialog in biblisch-christlicher Perspektive<br />

Zus<strong>am</strong>menfassend nochmals:<br />

„Dialog“ ist zunächst ein philosophischer Begriff. Im engeren Sinne <strong>und</strong> nicht ein Disput<br />

(Streitgespräch) oder eine „Erörterung“ (Diskussion) oder eine gelehrte<br />

Auseinandersetzung (Disputation), auch keine „Verhandlung“ , sondern ein Dialog als<br />

Gespräch <strong>und</strong> Zwiegespräch besteht darin, dass beide Seiten der<br />

Gesprächsteilnehmenden anerkennen <strong>und</strong> aufrichtig anstreben, miteinander <strong>und</strong><br />

voneinander lernen zu können. D<strong>am</strong>it gehen sie bewusst <strong>und</strong> mit Absicht das Risiko der<br />

13


eigenen Änderung <strong>und</strong> Veränderung gewohnter Auffassungen ein.<br />

Exemplarisch <strong>und</strong> progr<strong>am</strong>matisch, wenn auch längst noch nicht in seiner Fülle<br />

eingelöst, jedenfalls aber immer noch missverständlich rezipiert <strong>und</strong> tradiert, bietet 1<br />

Kor 9,19-22 ein biblisch-christliches Modell für einen Dialog:<br />

Paulus reflektiert sein Selbstverständnis als Apostel <strong>und</strong> gibt sich <strong>und</strong> anderen auch<br />

Rechenschaft über sein Wirken:<br />

„Da ich also von niemand abhängig war, habe ich mich für alle zum Sklaven gemacht, um<br />

möglichst viele zu gewinnen.<br />

Den Juden bin ich ein Jude geworden, um Juden zu gewinnen; denen, die unter dem Gesetz<br />

stehen, bin ich, obgleich ich nicht unter dem Gesetz stehe, einer unter dem Gesetz geworden,<br />

um die zu gewinnen, die unter dem Gesetz stehen.<br />

Den Gesetzlosen war ich sozusagen ein Gesetzloser - nicht als ein Gesetzloser vor Gott,<br />

sondern geb<strong>und</strong>en an das Gesetz Christi -, um die Gesetzlosen zu gewinnen.<br />

Den Schwachen wurde ich ein Schwacher, um die Schwachen zu gewinnen. Allen bin ich alles<br />

geworden, um auf jeden Fall einige zu retten.<br />

Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an seiner Verheißung teilzuhaben.<br />

In jüdisch-christlichem, d. h. auch: im biblischen Sinne, ist interreligiöser Dialog als<br />

solcher qualifiziert dadurch,<br />

(1) dass die Teilnehmenden selbstständig <strong>und</strong> nicht voneinander abhängig sind (weder<br />

materiell, noch ideell, noch politisch, noch sozial, noch religiös, noch emotional, noch ..<br />

!),<br />

(2) dass der eine den Anderen als Anderen ernst nimmt,<br />

(3) dass die aufrichtige Anstrengung beiderseits erfahrbar, erkannt <strong>und</strong> anerkannt wird,<br />

das Verstehen des Anderen dadurch zu suchen, dass die je eigene Überzeugung in die<br />

Sprache des Anderen „übersetzt“ wird <strong>und</strong> umgekehrt,<br />

(4) dass es darum geht, den anderen als Anderen zu „retten“. Rettung meint hier nicht<br />

eine christliche Vereinnahmung oder Missionierung, sondern die aktive Obsorge, dass<br />

der andere als Anderer [vor Gott] bestehen kann <strong>und</strong> einen guten Standpunkt hat, von<br />

dem aus er sich <strong>und</strong> andere bewegen kann,<br />

(5) dass der je eigene Standpunkt der <strong>am</strong> Dialog Teilnehmenden durchsichtig <strong>und</strong> offen<br />

bekannt ist <strong>und</strong> wird, d. h., dass erkennbar ist, „um wessen willen“, dieser Standpunkt<br />

vertreten wird.<br />

Mit Bezug auf diese Quellen christlicher Tradition („ad fontes!“) betont das II.<br />

Vatikanische Konzil (1962-1965), dass die „Zeichen der Zeit“ Christinnen <strong>und</strong> Christen<br />

wie auch Angehörige anderer Religionen <strong>und</strong> Andersdenkende bewegen, im Blick auf<br />

die drängenden Fragen der „Zukunft der Welt“, im Blick auf die Sorge für den Frieden auf<br />

der Erde <strong>und</strong> für die soziale <strong>und</strong> wirtschaftliche Gerechtigkeit sowie die Hilfe in<br />

konkreten weltweiten Nöten zus<strong>am</strong>men zu gehen <strong>und</strong> zus<strong>am</strong>men zu arbeiten.<br />

Das II: Vatikanische Konzil sagt dazu in der Pastoralen Konstitution über die Kirche in<br />

der Welt von heute, dass die Christgläubigen wie auch Angehörige anderer Religionen<br />

<strong>und</strong> Andersdenkende „zum richtigen Aufbau dieser Welt, in der sie gemeins<strong>am</strong> leben,<br />

zus<strong>am</strong>menarbeiten müssen. Das kann gewiss nicht geschehen ohne einen aufrichtigen<br />

<strong>und</strong> klugen Dialog“ (GS 20) 3<br />

3 Mit dem II. Vatikanischen Konzil dürfen <strong>und</strong> müssen wir also immer wieder fragen: Was ist ein<br />

„aufrichtiger <strong>und</strong> kluger Dialog“ (GS 20) <strong>und</strong> wie ist dieser zu praktizieren? Der alltägliche<br />

Sprachgebrauch ist nämlich einem unbedachten Dialog-Verständnis ausgeliefert, suggeriert die<br />

14


Auffassung von einer „Einigung auf dem kleinsten gemeins<strong>am</strong>en Nenner“ <strong>und</strong> feiert diese kurzweilig als<br />

„nachhaltigen Erfolg“. Mit „Dialogbereitschaft“ wird gelegentlich die Erwartung verb<strong>und</strong>en, auf der<br />

Gr<strong>und</strong>lage einer „Nivellierung bis zur Bedeutungslosigkeit“ vor allem als „gleichberechtigt“ <strong>und</strong><br />

„kompromissfähig“ zu gelten (Beispiele dafür finden sich bei sog. Friedensverhandlungen,<br />

Wirtschaftsverhandlungen, Koalitionsverhandlungen <strong>und</strong> auch im innerkirchlichen Prozess „Dialog für<br />

Österreich“, innerbetrieblichen Personalentwicklungsgesprächen). Wer einen Dialog mit derartigen<br />

Erwartungen überfordert, treibt den Dialog d<strong>am</strong>it in eine unterfordernde, unverbindliche Beliebigkeit,<br />

Bedeutungslosigkeit <strong>und</strong> Langweiligkeit (in eine „schlechte Unendlichkeit“ – mit Hegel gesagt). Ein „Dialog“<br />

wird dadurch zu einem eigensüchtigen Instrument <strong>und</strong> verliert seine kritische Kraft. Dafür sollte die Zeit zu<br />

schade sein.<br />

4 Gemeinhin <strong>und</strong> unreflektiert wird angenommen <strong>und</strong> unkritisch behauptet, dass die „Erklärung über das<br />

Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ (= Nostra Aetate) des II. Vatikanischen Konzils<br />

[1962-1965] vom 28. Oktober 1965 den interreligiösen Dialog mit anderen Religionen auf eine bis dahin<br />

nicht gekannte Gr<strong>und</strong>lage gestellt habe. Abgesehen davon, dass die neueste Forschung (z. B.: Johann Ev.<br />

Hafner, Potsd<strong>am</strong>) den Religionsbegriff in „Nostra Aetate“ kritisch untersucht <strong>und</strong> diesen als diffus, <strong>und</strong><br />

deshalb problematisch <strong>und</strong> aporetisch aufgewiesen hat, ist die Antrittsenzyklika Papst Paul. VI., „Ecclesi<strong>am</strong><br />

su<strong>am</strong>“ (Rom, 06.08.1964), weitaus bahnbrechender <strong>und</strong> maßgeblicher für das, was ein Jahr später in<br />

„Nostra Aetate“ als Kompromisstext zus<strong>am</strong>mengefasst wurde.<br />

Der 3. Teil von „Ecclesi<strong>am</strong> su<strong>am</strong>“ behandelt ausführlich den Dialog <strong>und</strong> das Dialogverständnis der Römischkatholischen<br />

Kirche unter der Überschrift: „Der Dialog der Kirche“: „Noch eine dritte Haltung muss die<br />

katholische Kirche in dieser St<strong>und</strong>e der Weltgeschichte einnehmen. Diese Haltung ist gekennzeichnet<br />

durch das Bemühen um die Begegnung mit der Menschheit von heute“ (Nr. 58). Die Kirche hat sich von der<br />

Welt zu unterscheiden („Leben in der Welt, nicht von der Welt“, Nr. 61 ff.) <strong>und</strong> deshalb muss „Die Kirche<br />

[…] zu einem Dialog mit der Welt kommen, in der sie nun einmal lebt. Die Kirche macht sich selbst zum<br />

Wort, zur Botschaft, zum Dialog“ (Nr. 65). In dem Abschnitt „Die Religion als Dialog zwischen Gott <strong>und</strong><br />

Menschen“ (Nr. 70 ff.) weist Papst Paul VI. ausdrücklich auf den Dialog der Liebe Gottes hin, zum dem „das<br />

Kind eingeladen“ ist <strong>und</strong> in dem sich „der Mystiker erschöpft“.<br />

Als Gr<strong>und</strong>haltungen des göttlichen Heilsdialoges nennt Papst Paul VI.: aus freier Initiative, unabhängig vom<br />

Anderen, kein Zwang zum Dialog (keine Vergewohltätigung), allen möglich gemacht <strong>und</strong> für alle,<br />

naturgemäße Abstufungen <strong>und</strong> Entwicklungen, „Bestreben nach Korrektheit, Wertschätzung, Sympathie,<br />

Güte“ als „Form der Beziehung“ <strong>und</strong> als „innere Haltung“ (Nr. 71-80).<br />

Als Kennzeichen dieses heils<strong>am</strong>en Dialoges nennt Papst Paul VI in Nr. 81: 1. „vor allem Klarheit“, 2.<br />

„Sanftmut“ im Sinne von Mt 11,29 verb<strong>und</strong>en mit der Einladung zum Lernen <strong>und</strong> als optimale<br />

Lernatmosphäre; 3. beiderseitiges „Vertrauen“, 4. „pädagogische Klugheit“. Der Dialog dient der<br />

„Annäherung an die Wahrheit“ (Nr. 87 f.), mit Hinweis auf 1 Kor 9, 22 (!).<br />

Schließlich betrachtet Papst Paul VI. die unterschiedlichen „Partner des Dialogs“ (Nr. 94 ff.).<strong>und</strong> nennt als<br />

ersten Kreis „alle Menschen“ mit ihren unterschiedlichen religiösen <strong>und</strong> nichtreligiösen, teilweise auch<br />

diffusen <strong>und</strong> unbewussten Einstellungen, Interessen <strong>und</strong> Hoffnungen: Als zweiten Kreis folgen „die<br />

Gottgläubigen“ (Nr. 107 ff.)als „alle jene, die den einen höchsten Gott anbeten, den auch wir verehren“<br />

(Judentum, Isl<strong>am</strong>). Zum dritten Kreis gehören „die getrennten christlichen Brüder“ (Nr. 109 ff.). Ein<br />

abschließender (nicht eigens so genannter vierter Kreis) bildet „der Dialog in der Katholischen Kirche“ (Nr.<br />

113ff.). Diese Kultur des aufrichtigen Dialoges innerhalb des vierten Kreises, nämlich der Katholischen<br />

Kirche selbst, wirkt dann von sich aus wieder heils<strong>am</strong> <strong>und</strong> hilfreich in die anderen Kreise zurück <strong>und</strong><br />

bereitet für diese ein Klima der Glaubwürdigkeit <strong>und</strong> des Vertrauens. Auch hier gilt, was für jeden Dialog<br />

anthropologische Voraussetzung ist: wer bei sich <strong>und</strong> mit sich <strong>und</strong> anderen gut „zu Hause“ ist, kann auf<br />

andere, außerhalb des Hauses, frei, offen <strong>und</strong> aufrichtig zugehen.<br />

Im Kontext des innerkirchlichen „Prozesses“ „Dialog für Österreich“ hat Papst Johannes Paul II <strong>am</strong> 21. <strong>Juni</strong><br />

1998 in der Begegnung mit den österreichischen Bischöfen an „Ecclesi<strong>am</strong> su<strong>am</strong>“ angeknüpft <strong>und</strong> auf die<br />

inneren <strong>und</strong> äußeren Erfordernisse eines gelingenden Dialogs hingewiesen, d<strong>am</strong>it unter dem Schein des<br />

Dialogs nicht die Wahrheit zerredet werde <strong>und</strong> der hoffnungsvolle Dialog gefährdet wird (vgl.: Amtsblatt der<br />

Österreichischen Bischofskonferenz, Nr.. 23, 28. Juli 1998,S. 19 – 22). Papst Johannes Paul II. beschließt<br />

seine Worte mit dem Aufruf: „Gebt den Dialog nicht auf!“ (l. c. S. 22). Den über den intrakonfessionellen,<br />

<strong>interkonfessionelle</strong>n <strong>und</strong> interreligiösen weit hinausgehenden „Dialog mit den Nichtglaubenden“ hat das<br />

unter Papst Paul VI. <strong>am</strong> 08.04.1965 in Rom gegründete „Sekretariat für die Nichtglaubenden“ mit hilfreichen<br />

Informationen, Handreichungen <strong>und</strong> Ratschlägen untersucht <strong>und</strong> gefördert mit dem von seinem d<strong>am</strong>aligen<br />

Präsidenten Franz Kardinal König herausgegebenen „Dokument über den Dialog mit den Nichtglaubenden“<br />

15


4<br />

THESE 7: Wie kann auf der Gr<strong>und</strong>lage dieses kritischen Dialogverständnisses nun<br />

„interreligiöse <strong>und</strong> <strong>interkonfessionelle</strong> Bildung“ als gemeins<strong>am</strong>es Anliegen <strong>und</strong><br />

Projekt weitergeführt werden?<br />

Die Antwort auf diese Frage vorwegzunehmen, wäre angesichts der hier vers<strong>am</strong>melten<br />

Fach- <strong>und</strong> Gesprächskompetenz eine mehrfache Bevorm<strong>und</strong>ung. Das Progr<strong>am</strong>m sieht<br />

vor, in „Diskussion <strong>und</strong> Ausblick für die Weiterarbeit“, d.h. im Diskurs, in gemeins<strong>am</strong>er<br />

Erörterung <strong>und</strong> Erschließung, im aufmerks<strong>am</strong>en selbst- <strong>und</strong> fremdkritischen Hören<br />

aufeinander <strong>und</strong> miteinander sich „differenziert einig“ zu werden, wie die, ob es weitere<br />

gemeins<strong>am</strong>e Schritte geben soll <strong>und</strong> wie diese inhaltlich zu begehen sind. Deshalb<br />

habe ich mit der Leiterin des Bischöflichen Schul<strong>am</strong>tes, Frau Prof. Mag. Dr. Birgit<br />

Leitner, vereinbart, dass ich die Kernaussagen, Verständigungspunkte <strong>und</strong> Vorschläge<br />

der noch folgenden gemeins<strong>am</strong>en Diskussion schriftlich aufnehme, ihnen zum Schluss<br />

noch einmal zus<strong>am</strong>menfassend vortrage, sie um Ihre Zustimmung, Korrektur <strong>und</strong><br />

Ergänzung bitten werde, d<strong>am</strong>it diese dann in der von Ihnen angenommenen Form <strong>und</strong><br />

Aussage im Rahmen des Ergebnisprotokolls gemeins<strong>am</strong> mit diesen meinen 7 Thesen<br />

Ihnen schriftlich zugehen können.<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerks<strong>am</strong>keit <strong>und</strong> Hörgeduld <strong>und</strong> wünsche auch der<br />

nachfolgenden Referentin, Sr. Mag. Andreas Weißenbacher Ihre ungeteilte<br />

Aufmerks<strong>am</strong>keit.<br />

(Rom, 28.08.1969).<br />

In einer Audienz von Johannes Paul II. für die Teilnehmer an der Vollvers<strong>am</strong>mlung des Päpstlichen Rates<br />

für den interreligiösen Dialog <strong>am</strong> Freitag, 09.11.2001 weist Papst Johannes Paul II. im Blick auf das<br />

Thema der Vollvers<strong>am</strong>mlung auf die Notwendigkeit einer „Spiritualität des Dialogs“ aus christlicher Sicht<br />

hin, die ihren Gr<strong>und</strong> in der „Selbstentäußerung“ (kénosis) Jesu Christi hat (vgl. Phil 2,5-11):<br />

„Missverständnisse entstehen, Vorurteile können ein gegenseitiges Einvernehmen verhindern, <strong>und</strong> auch<br />

die als Zeichen der Fre<strong>und</strong>schaft gereichte Hand kann zurückgewiesen werden. Eine wahre Spiritualität<br />

des Dialogs muss solchen Situationen Rechnung tragen <strong>und</strong> auch angesichts starker Widerstände oder mit<br />

dem Ausblick auf ein dürftiges Ergebnis die Fortsetzung des Dialogs ausreichend motivieren“ (Nr. 5), in:<br />

http://www.vatican.va/holy_father/john_paul_ii/speeches/2001/november/documents/hf_jpii_spe_20011109_interreligious-dialogue_ge.html<br />

Schließlich sei im Blick auf die Problem- <strong>und</strong> Themenstellung dieses Bildungstages „Interreligiöse <strong>und</strong><br />

<strong>interkonfessionelle</strong> Bildung“ noch hingewiesen auf die Botschaft des Päpstlichen Rates für den<br />

Interreligiösen Dialog „Erziehung zum Dialog: Eine Pflicht für Christen <strong>und</strong> Muslime. Botschaft zum Ende<br />

des R<strong>am</strong>adan ´ID AL-FITR 1421 / 2000 A.D.“: „Erziehung zum Dialog bedeutet, die Hoffnung nähren, dass<br />

Konfliktsituationen durch persönliches <strong>und</strong> vereintes Engagement gelöst werde können. Erziehung zum<br />

Dialog ist nicht etwas nur für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche, sie ist auch für Erwachsene wichtig. Der wahre<br />

Dialog ist nämlich ein fortwährender Prozess.“ (Nr. 3), in:<br />

http://www.vatican.va/roman_curia/pontifical_councils/interelg/documents/rc_pc_interelg_doc_20001215_r<br />

<strong>am</strong>adan2001_ge.html<br />

16


Zus<strong>am</strong>menfassung <strong>und</strong> Dokumentation der Diskussionsschwerpunkte<br />

Leitfrage:<br />

Wie kann <strong>und</strong> soll das Projekt „interreligiöse <strong>und</strong> <strong>interkonfessionelle</strong> Bildung“ als<br />

gemeins<strong>am</strong>es Anliegen weitergeführt werden?<br />

FI Maria EBNER, Fachinspektorin für den evangelischen RU:<br />

(vor der Abreise [nach 16:00 h] für diese Dokumentation mitgeteilte Anfrage <strong>und</strong> Vorschlag]<br />

Modelle des konfessionell-kooperativen Religionsunterrichtes sollen auf Anwendbarkeit <strong>und</strong><br />

Umsetzung an geeigneten Schulstandorten in Kärnten geprüft werden. In diesem<br />

Zus<strong>am</strong>menhang verweist Frau FI Ebner auf das bewährte Projekt KOKORU in Wien, an dessen<br />

Konzeption, Durchführung <strong>und</strong> Weiterentwicklung sie selbst beteiligt ist. Sie ist bereit,<br />

entsprechende Modellversuche in Kärnten beratend zu begleiten.<br />

Statement von VOL Ilse FINA, Direktorin in der Klagenfurter Volksschule St. Ruprecht mit<br />

interkulturellem Schwerpunkt.<br />

a) RU allein ist für den interreligiösen Dialog viel zu wenig. Notwendig ist eine „Beschulung“ der<br />

LehrerInnen-Persönlichkeiten, die bereit <strong>und</strong> in der Lage sind, im Unterricht durchgehend eine<br />

differenzierte <strong>und</strong> differenzierende Werthaltung zu vertreten, die also in ihren Klassen das<br />

„unter einen Hut bringen“, was man das „Feuer der Bedürftigkeit nach Beziehung“ miteinander<br />

<strong>und</strong> füreinander nennt.<br />

Die RL sollten sich nicht darauf beschränken, „nur“ RL der SchülerInnen, sondern vielmehr<br />

auch noch RL für das Kollegium <strong>und</strong> die ges<strong>am</strong>te Schulgemeinschaft zu sein.<br />

b) Weiterführend ist zu sehen <strong>und</strong> zu fragen nach dem, was den interreligiösen Dialog in<br />

unserem Land bedroht. Nicht verleugnet werden dürfen radikale Strömungen <strong>und</strong> extremistische<br />

Gruppen (Hinweis auf Al-Qa´ida-Einflüsse).<br />

c) Dieser Weg des interreligiösen Dialogs als Bildungsprozess muss mit <strong>und</strong> bei den Kindern<br />

beginnen <strong>und</strong> mit ihnen weitergeführt werden. (Hinweis auf die dafür modellhafte VS St.<br />

Ruprecht, Klagenfurt).<br />

17


Statement von FI Esad MEMIC, Fachinspektor für isl<strong>am</strong>ischen RU<br />

Diese Integration <strong>und</strong> der interreligiöse Dialog werden ja schon längst auch von Seiten der<br />

muslimischen Einwohner in Kärnten wahr genommen <strong>und</strong> gelebt.<br />

Ein Problem gibt es unter <strong>und</strong> zwischen muslimischen Gruppen, die sich auf Gr<strong>und</strong> ethnischer<br />

Herkunft <strong>und</strong> Einstellungen voneinander abgrenzen. Es sind kleine, isolierte Gruppen, die<br />

ethnische Spannungen erzeugen z. B. bzgl. Kindererziehung <strong>und</strong> Ausbildung der Kinder.<br />

Statement von Dompropst HR Dr. Olaf COLERUS-GELDERN, Bischofsvikar für Glaube,<br />

Bildung <strong>und</strong> Kultur<br />

a) Im Blick auf die interreligiöse Zus<strong>am</strong>menarbeit in der Volksschule stellt sich gr<strong>und</strong>sätzlich die<br />

Frage, ob Religion wesentlich mit Bildung <strong>und</strong> Weltbild des Menschen zu tun hat in einem<br />

ständigen Reifungsprozess, der das Prinzipielle des Lebensstiles <strong>und</strong> der Lebenserfahrung<br />

betrifft.<br />

b) Was den interreligiösen Dialog angeht, so gilt es zu bedenken, dass im Sinne des während<br />

des II. Vatikanischen Konzils gegründeten „Sekretariates für die Nichtglaubenden“ auch der<br />

Dialog mit den „Nichtglaubenden“ zu suchen <strong>und</strong> zu führen ist. Die Fragen <strong>und</strong> Anfragen des<br />

suchenden, fragenden Nichtglaubenden (die man vereinfachend „Atheisten“ nennt) <strong>und</strong> seine<br />

Religionskritik haben etwas Kathartisches (Reinigendes) für den religiösen <strong>und</strong> interreligiösen<br />

Dialog. Der Nichtglaubende oder Atheist, wenn man - mit Bruno Kreisky gesprochen - unter<br />

einem Atheisten jenen humanistisch engagierten Menschen versteht, „dem die Gnade des<br />

Glaubens nicht zu teil geworden ist“, dieser Nichtglaubende vermisst in den etablierten<br />

Religionen oft das Humane. Diese Frage ist wichtig, da der Einsatz für das Humane ja zum<br />

selbstkritischen Bestand der sogenannten abrah<strong>am</strong>itischen Religionen gehört. Die Anfrage des<br />

Nichtglaubenden: „Tragen die Weltreligionen etwas (<strong>und</strong> wenn ja, was) zur Formung <strong>und</strong><br />

Förderung des Humanen bei?“ zielt also dahin, ob das persönliche Leben des Einzelnen wie<br />

auch das Zus<strong>am</strong>menleben in der Gemeinschaft <strong>und</strong> Gesellschaft durch die Religionen in Wort<br />

<strong>und</strong> Tat gefordert <strong>und</strong> gefördert wird.<br />

Hier schließen sich dann die elementaren Aufgaben eines sozialen <strong>und</strong> friedfertigen<br />

Zus<strong>am</strong>menlebens verschiedener Religionen <strong>und</strong> Weltanschauungen in der Volksschule mit der<br />

auf hohem Denkniveau ernst genommenen Anfrage des humanistisch überzeugten<br />

Nichtglaubenden zus<strong>am</strong>men. Für die Katharsis (Reinigung <strong>und</strong> Aufrichtigkeit) der<br />

monotheistischen Religionen ist die unbequeme Anfrage des Nichtglaubenden: „Wie haltest du<br />

es mit dem Menschwerden <strong>und</strong> Menschsein?“, notwendig.<br />

Prof. Mag. Lieselotte WOLF, Rektorin der <strong>KPHE</strong> Kärnten<br />

(bezogen auf das Statement von VOL Dir. Ilse FINA):<br />

Für das Schaffen von humanen Beziehungen ist vorrangig <strong>und</strong> notwendig die BEGEGNUNG,<br />

d<strong>am</strong>it dadurch Beziehung möglich, erfahren <strong>und</strong> eingeübt wird.<br />

„Dialog“ wird als Begriff heute so inflationär gebraucht <strong>und</strong> täuscht über die notwendige „Arbeit<br />

der Begegnung“ hinweg, weil in vielen Gesprächen nur „über“ etwas oder Menschen geredet<br />

wird. Es geht aber darum, nicht über die Studierenden, über die SchülerInnen, über die Eltern zu<br />

reden, sondern mit ihnen, in lebendiger Begegnung.<br />

In diesem Zus<strong>am</strong>menhang: Dank an Frau VOL FINA für die gute schulpraktische<br />

Zus<strong>am</strong>menarbeit der <strong>KPHE</strong> Kärnten mit der VS St. Ruprecht Klagenfurt, in den Schwerpunkten<br />

„Friedenserziehung“, „literarischer Unterricht“ <strong>und</strong> „Religionsunterricht im interreligiösen<br />

Bereich“.<br />

18


Schlusswort von S.E., Hwst. Herrn Diözesanbischof Dr. Alois SCHWARZ,<br />

(auch mit Bezug auf den Beitrag von Sr. Mag. Andreas Weißbacher: „Reflexion einer<br />

Bildungsveranstaltung zum Interreligiösen Lernen“ 5 ).<br />

All diese Versuche <strong>und</strong> Gedanken können nur Ergänzung zu dem sein, was wir als Christen <strong>und</strong><br />

als Muslime in unseren je eigenen Religionen glauben, leben <strong>und</strong> verkünden. Sonst werden wir<br />

eine „Einheits-Religion“, in der alle <strong>und</strong> alles nivelliert <strong>und</strong> auf den kleinsten gemeins<strong>am</strong>en<br />

Nenner gebracht werden. Wir haben jedoch besondere Wege. In den Schulen sollten also nicht<br />

ausschließlich <strong>interkonfessionelle</strong> oder interreligiöse Feiern angeboten <strong>und</strong> gehalten werden,<br />

sondern es sollen auch Gebetsfeiern in der eigenen religiösen Tradition <strong>und</strong> Form eingeübt<br />

werden <strong>und</strong> es sollte „<strong>am</strong> eigenen Tisch“ gebetet <strong>und</strong> beten gelernt werden. Auch unter der<br />

Rücksicht, dass in manchen Schulen die SchülerInnen mit christlicher Konfession in der<br />

Minderheit sind, ist es notwendig, dass diese einen freien <strong>und</strong> soliden Zugang zu ihren eigenen<br />

religiösen Traditionen, Ritualen <strong>und</strong> Lebensformen vermittelt erhalten <strong>und</strong> in ihrer eigenen<br />

Konfessionsgemeinschaft einübend praktizieren.<br />

Als für den katholischen Religionsunterricht in Kärnten verantwortlicher Diözesanbischof<br />

möchte ich also das ausdrücklich Christlich-Katholische vorrangig praktiziert wissen <strong>und</strong> das<br />

Interkonfessionelle <strong>und</strong> Interreligiöse als Ergänzung sehen.<br />

So können SchülerInnen verschiedener Konfessionen <strong>und</strong> Religionen ihre je eigene<br />

Gottverb<strong>und</strong>enheit leben <strong>und</strong> als solche miteinander teilen <strong>und</strong> anderen mitteilen.<br />

Der Graben, über den „die Brücke von Mostar“ führt, ist auch heute <strong>und</strong> in unserem Land noch<br />

tief <strong>und</strong> bedarf eines ständigen gemeins<strong>am</strong>en Bauens an einer tragfähigen situations- <strong>und</strong><br />

bewohnerbezogenen Brücke, über die verschiedene Konfessionen <strong>und</strong> Religionen miteinander<br />

<strong>und</strong> zueinander finden <strong>und</strong> sich als solche begegnen können.<br />

_________________<br />

Ausblick <strong>und</strong> Vorschläge für die Weiterarbeit<br />

1.<br />

Reflexion <strong>und</strong> intensiviere Positionierung zum Stellenwert des konfessionellen<br />

Religionsunterrichtes (MinR Dr. Anton Stifter).<br />

2.<br />

Überzeugende Argumentationslinie weiter führen <strong>und</strong> vertreten in der<br />

unverzichtbaren Wichtigkeit des konfessionellen Religionsunterrichtes für den<br />

Österreichischen Staat, die Gesellschaft, für Europa <strong>und</strong> die internationale<br />

Gemeinschaft (MinR Dr. Anton Stifter).<br />

3.<br />

Fort- <strong>und</strong> Weiterbildung zur <strong>interkonfessionelle</strong>n <strong>und</strong> interreligiösen Bildung für<br />

5 Vgl. http://www.kphe-kaernten.at/aktu/top_aktu.htm<br />

19


alle Lehrenden an den Schulen Kärntens, für Schulaufsicht, DirektorInnen <strong>und</strong><br />

Schulverantwortliche (Dir. VOL Ilse Fina).<br />

4.<br />

Mögliche Bedrohungen des guten Schulklimas <strong>und</strong> Gefährdungen des<br />

interreligiösen Lernens durch f<strong>und</strong><strong>am</strong>entalistische Interessensgruppen<br />

wahrnehmen <strong>und</strong> kritisch reflektierend beantworten (Dir. VOL Ilse Fina).<br />

5.<br />

Fortsetzung der Gespräche auf Ebene des Landesschulrates im Herbst 2008<br />

(Vizepräsident Rudolf Altersberger, LSI Karl Maier <strong>und</strong> BSI Mag. Wilhelm<br />

Prainsack).<br />

6.<br />

Fortsetzung der Gespräche im Kinderbildungsbereich im Herbst 2008 (Dr. Gerald<br />

Salzmann).<br />

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