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Schmerztherapie - Deutsche Krebshilfe eV

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„in vivo‘‘ -- Das Magazin der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Krebshilfe</strong> vom 14.09.2010<br />

Expertengespräch zum Thema „<strong>Schmerztherapie</strong>‘‘<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Ich begrüße jetzt bei uns Prof. Rainer Sabatowski, Leiter des UniversitätsSchmerzCentrums der Karl<br />

Gustav Carus Universitätsklinik in Dresden. Ich freue mich, dass Sie zu uns gekommen sind.<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

Danke für die Einladung.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Was sind denn die häufigsten Ursachen für Krebsschmerzen?<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsschmerzCentrum Dresden:<br />

Die häufigsten Ursachen sind sicherlich in der Tumorerkrankung selbst zu sehen. Der Tumor ist zu<br />

80 Prozent selbst die Ursache für den Schmerz, aber wir haben noch weitere Ursachen. Zum Beispiel<br />

Schmerzen auf Grund von Therapien. Denken Sie sich eine Chemotherapie, denken Sie sich<br />

einen größeren operativen Eingriff. Darüber hinaus gibt es noch Schmerzen, die tumorassoziiert<br />

sind, so nennen wir das. Das heißt, das ist eine eigenständige Schmerzerkrankung, wie zum Beispiel<br />

die Gürtelrose, die aber in Kombination mit der Tumorerkrankung zum Beispiel bei Immundepressionen<br />

auftreten kann.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Welche Rolle spielt die Psyche dabei?<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsschmerzCentrum Dresden:<br />

Die Psyche spielt eine große Rolle, weil die Patienten natürlich Angst haben. Sie haben Angst vor<br />

den Schmerzen und Angst, wie es weiter geht. Deshalb muss das bei den Gesprächen mit den Patienten<br />

eigentlich immer adressiert werden, um mit ihnen arbeiten zu können und damit sie auch<br />

verstehen, was wir mit ihnen machen und warum wir diese Medikamente geben. Wir müssen mit<br />

ihnen auch über die Ziele diskutieren, die sie erreichen können, und schauen, welche realistisch<br />

sind.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Ein Ziel ist sicherlich, dem Patienten klar zu machen, du musst diesen Schmerz nicht aushalten.<br />

Denn Schmerz aushalten zu wollen, wäre sicherlich der falsche Weg.


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Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

Wenn ein Patient Schmerzen aushalten will, führt das in der Regel dazu, dass er sich permanent<br />

unwohl fühlt und dass er permanent an die Erkrankung erinnert wird. Das führt zu einer maximalen<br />

Einschränkung der Lebensqualität und damit wird es dem Patienten in der Regel sehr, sehr schlecht<br />

gehen. Das Ziel sollte also sein, den Schmerz zu reduzieren, auf ein vernünftiges Maß. Was wir<br />

nicht mit dem Patienten besprechen können oder was wir ihm nicht versprechen können, ist, dass<br />

er schmerzfrei wird. Das ist heutzutage häufig ein Problem, weil es natürlich schon Initiativen gibt,<br />

denken sie an schmerzfreies Krankenhaus, die solche Dinge unterschwellig implizieren. Das umzusetzen,<br />

ist ausgesprochen schwierig.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Wie sieht eigentlich die optimale <strong>Schmerztherapie</strong> aus?<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

Eine optimale <strong>Schmerztherapie</strong> sollte so sein, dass der Patient möglichst gut schmerzreduziert ist,<br />

möglichst wenig Nebenwirkungen von der <strong>Schmerztherapie</strong> hat, auch möglichst wenig in seiner<br />

Lebensqualität eingeschränkt ist und möglichst viel wieder an seinem normalen privaten, beruflichen<br />

und sozialen Leben teilnehmen kann.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Und warum werden eigentlich auch Antidepressiva eingesetzt?<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

Antidepressiva sind Medikamente, die in der <strong>Schmerztherapie</strong> eingesetzt werden, weil sie ein<br />

schmerzmodifizierendes System aktivieren können. Schmerz wird nicht nur von der Peripherie,<br />

vom Bein oder vom Arm in das zentrale Nervensystem gemeldet, sondern es gibt auch eine Meldung<br />

vom Schmerz, vom zentralen Nervensystem, die den nozizeptiven Input, den Schmerzinput,<br />

reduziert und da können Antidepressiva angreifen. Das muss man mit dem Patienten allerdings<br />

besprechen, denn wenn sie den Beipackzettel lesen, dann sehen sie erst mal Depressionen und<br />

sagen: Warum soll ich das nehmen? Ich habe doch gar keine Depressionen?<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Nun gibt es aber nicht nur die medikamentöse Therapie, sondern eben auch begleitende Maßnahmen.<br />

Zu welchen würden Sie raten? Welche machen Sinn?<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

Was viele von unseren Patienten bekommen, ist eine begleitende Psychotherapie. Wir haben an<br />

unserem Zentrum Psychoonkologen, auch am Krebscentrum sind Psychoonkologen, die mit den<br />

Patienten reden, die mit den Patienten versuchen, psychische Probleme, aber auch Probleme im<br />

sozialen Bereich, in der Interaktion mit Angehörigen zum Beispiel, zu adressieren und das Problem


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gemeinsam mit dem Patienten zu lösen. Ich denke, dass das sehr, sehr wichtig ist, denn viele Patienten<br />

haben zusätzlich Depressionen und Ängste, die alle dazu führen, dass der Schmerz intensiver<br />

wahrgenommen wird. Wenn wir das nicht mitbesprechen, dann haben wir ein Problem. Es gibt<br />

darüber hinaus noch andere alternative Maßnahmen, die von den Patienten zum Teil angefragt<br />

werden. Dazu gehört zum Beispiel die Akkupunktur. Das kann man sicherlich machen, jedoch ist<br />

die wissenschaftliche Evidenz dazu sehr widersprüchlich. Es ist nicht klar, wann man es machen<br />

kann, auch TENS, Transkutane Elektrische Nervenstimulation, ist sowas, was man machen kann.<br />

Wenn Patienten das wünschen, kann man das anbieten, allerdings nur als zusätzliche Maßnahmen.<br />

Es ersetzt keine medikamentöse <strong>Schmerztherapie</strong>.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Viele Patienten schrecken ja vor Opiaten zurück, weil sie denken: So etwas Starkes hört sich schon<br />

fast nach Lebensende an. Ist das eigentlich verkehrt?<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

Ich denke, dass es ungerechtfertigt ist, vor den Opioiden Angst zu haben. Das hat einen historischen<br />

Hintergrund. Opioide werden im OP zum Beispiel immer noch als Gifte bezeichnet und die<br />

Medikamente werden im Giftbuch eingetragen. Eine tiefverwurzelte Angst ist auf Seiten der Patienten,<br />

aber auch auf Seiten des medizinischen Personals vorhanden. Diese Angst ist nicht gerechtfertigt,<br />

wenn man diese Substanzen adäquat bei den Patienten einsetzt. Wir können Patienten über<br />

lange Zeit mit Opioiden behandeln und, wenn zum Beispiel bei einem Patienten eine Tumorerkrankung<br />

besteht und die Tumortherapie greift, dann können wir auch mit den Opiaten wieder rausgehen.<br />

Das ist überhaupt kein Problem.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Hätten Sie für unsere Zuschauer vielleicht noch einen abschließenden Rat?<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

Der abschließende Rat ist, dass, wenn Sie eine Tumorerkrankung haben und Schmerzen haben,<br />

warten Sie nicht so lange, sprechen Sie Ihren behandelnden Arzt an und fragen nach einer gezielten<br />

<strong>Schmerztherapie</strong>. Wenn Ihr Arzt diese selber nicht vorhalten kann, fragen Sie nach Spezialisten.<br />

Die sind dafür da und Sie bekommen auch in der Regel sehr schnell einen Termin.<br />

Annika de Buhr, Moderatorin:<br />

Professor Sabatowski, vielen Dank für die Information und, dass Sie bei uns waren.<br />

Prof. Dr. Rainer Sabatowski, UniversitätsSchmerzCentrum Dresden:<br />

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