Vulvakarzinom (Patientengeschichte) - Deutsche Krebshilfe eV
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„in vivo‘‘ -- Das Magazin der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Krebshilfe</strong> vom 19.08.2011<br />
<strong>Patientengeschichte</strong> „<strong>Vulvakarzinom</strong>‘‘<br />
Annika de Buhr, Moderatorin:<br />
Jahrzehntelang leidet Gisela H. unter extremen Beschwerden im Genitalbereich. Als die heute 55-<br />
jährige Künstlerin dann 2005, nach einer jahrelangen Arzt-Odyssee, mit der Diagnose <strong>Vulvakarzinom</strong><br />
konfrontiert wird, kann sie es im ersten Moment gar nicht fassen. Sie drängt auf eine schnelle<br />
OP, denn eines will sie ganz sicher nicht: Sie will sich nicht von der Angst, krebskrank zu sein, beherrschen<br />
lassen sondern, sie will das Leben genießen. Und schon wenige Wochen nach der OP<br />
startet sie neu durch und freut sich gemeinsam mit ihrem Mann über ihre wiedergewonnene Lebensqualität.<br />
Sprecherin:<br />
Ein ganz normaler Morgen bei Gisela H.: den Tag besprechen, Ehemann Bernd verabschieden und<br />
dann die alltäglichen Dinge erledigen. Die 55-jährige Malerin ist viel beschäftigt. Ausstellungen,<br />
Kurse mit Schulklassen, diverse Projekte. Die Diagnose Krebs ereilte sie, anders als bei den meisten<br />
Tumor-Patienten, nicht aus heiterem Himmel.<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Bei mir war es eher umgekehrt, dass ich eben ein langes Leiden erlebte, keiner wusste wie. Ich<br />
fühlte mich auch nirgendwo wirklich aufgehoben und durch die Diagnose, die schlimm war, hab ich<br />
dann erfahren, so jetzt ist was und jetzt kümmert man sich und jetzt weißt man, was man tun kann<br />
und dann war ich ganz froh.<br />
Sprecherin:<br />
20 Jahre lang gehörte das teils unerträgliche Jucken und Brennen im Genitalbereich zum Leben der<br />
Mutter zweier erwachsener Kinder. Weder ihr Dermatologe noch ihr Frauenarzt konnten herausfinden,<br />
was ihr fehlte. In den fünf Jahren vor der Diagnose <strong>Vulvakarzinom</strong>, hörten die Beschwerden gar<br />
nicht mehr auf. Selbst in der Düsseldorfer Universitätsklinik für Dermatologie war man zunächst<br />
ratlos. Ein ganzes Jahr suchten die Ärzte vergeblich. Doch Gisela H. wollte sich mit ihrem Zustand<br />
nicht abfinden.<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Ich bin hartnäckig geblieben, aber irgendwann ist auch der Leidensdruck bei Dauergeschichten, die<br />
immer wieder kommen, so groß, dass man es satt hat. Dann habe ich denen gesagt: „Jetzt schneidet<br />
einfach den Kram weg und dann ist es erledigt.‘‘ „Nein, das wäre Körperverletzung.‘‘, hieß es.<br />
Jeder Pickel wird sofort weggeschnitten, alle Hautärzte sind ganz wild drauf, finde ich.
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Sprecherin:<br />
In der Düsseldorfer Universitätsklinik für Gynäkologie wurde das Karzinom schließlich entdeckt.<br />
Nach zwei erfolgreichen Operationen im Jahr 2005 hat die Künstlerin die Erkrankung heute längst<br />
hinter sich gelassen.<br />
Jarmila M., Freundin<br />
Du bist ja ganz nass. Grüß dich!<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Na, so ein Wetter. Gestern war es so wunderbar.<br />
Sprecherin:<br />
Besuch bei Jarmila M.. Die Freundin hat sich beim Wandern schwer verletzt und muss ein paar Wochen<br />
im Rollstuhl verbringen. Mit der gebürtigen Tschechin hat Gisela H. so gut wie nie über ihre<br />
Erkrankung gesprochen.<br />
Jarmila M., Freundin<br />
Es ist bewundernswert, dass keiner von uns, ich meine auch enge Freunde, davon was erfahren<br />
haben. Ich glaube, das lag vielleicht auch an diesem Frust, dass man hilflos ist und dass man sich<br />
selbst helfen muss am Schluss, dass man doch mit dieser Krankheit irgendwie alleine ist. Und ich<br />
glaube das passte eigentlich auf ihren Charakter, dass sie alles mit sich selbst austrägt.<br />
Sprecherin:<br />
Selbst in dem Moment, als die Diagnose Krebs feststand, zeigte Gisela H. keine große Angst vor der<br />
Krankheit.<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Ich finde es ist ein Unterschied -- man weiß genau es geht um diese Stelle -- als wenn ich die Nachricht<br />
erhalte, ich hab ein Lungenkarzinom. Irgendwo was, wo ich nichts fühle, ich hab gar nichts<br />
gemerkt und da ist was. Das finde ich unheimlich. Aber ich wusste das, ich konnte das, ich hab es<br />
ja gesehen, ich kannte das. Und das fand ich für mich erst mal beruhigend.<br />
Sprecherin:<br />
Das Karzinom wurde rasch entfernt. Eine zweite Operation folgte, in der auch die Lymphknoten in<br />
der Leiste nach Krebszellen untersucht wurden. Zum Glück ohne Befund. In der Anfangszeit wurde<br />
die 55-Jähige sehr engmaschig kontrolliert. Nun muss sie nur noch einmal jährlich zur Nachsorge in<br />
die Frauenklinik der Universität Düsseldorf. Dort war es Professor Monika Hampel, die die Malerin<br />
betreute.
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Prof. Monika Hampel, Universitätsklinikum Düsseldorf:<br />
Keine dicken Beine bekommen, keine Funktionalitätsstörungen in den Beinen?<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Nein, überhaupt nicht.<br />
Prof. Monika Hampel, Universitätsklinikum Düsseldorf:<br />
Oder irgendwie Beschwerden beim Wasserlassen oder so?<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Nein, alles gut.<br />
Prof. Monika Hampel, Universitätsklinikum Düsseldorf:<br />
Alles gut.<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Das Elend ist vorbei.<br />
Prof. Monika Hampel, Universitätsklinikum Düsseldorf:<br />
Gut.<br />
Sprecherin:<br />
Professor Wolfgang Janni, Direktor der Gynäkologie, sieht jährlich etwa 35 Patientinnen mit der<br />
Erstdiagnose <strong>Vulvakarzinom</strong>. Leider kommen viele Frauen oft sehr spät.<br />
Prof. Dr. Wolfgang Janni, Universitätsklinikum Düsseldorf:<br />
Das ist in einem Bereich, wo man nicht so gerne genau hinschaut. Wo die Patienten von sich aus<br />
natürlich ungern darüber sprechen und das beschreiben. Und das ist noch dazu an einer Stelle, wo<br />
die Hautveränderung schwer zu erkennen ist. Das ist im Gesichtsbereich, im Rumpfbereich, viel<br />
einfacher. Der Genitalbereich sieht nun mal schon anders aus und deswegen ist auch eine Hautveränderung<br />
deutlich schwieriger zu diagnostizieren.<br />
Sprecherin:<br />
Gisela H. kam rechtzeitig. Das hat ihr möglicherweise das Leben gerettet.<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Ja, das ist so völlig von mir abgefallen. Jetzt ist es sechs Jahre her. Ich würde mich sehr wundern<br />
und sie haben es mir auch gerade bestätigt, ich glaube ich bin damit durch.
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Sprecherin:<br />
Ihre Arbeit als Malerin wurde durch die Erkrankung nicht direkt beeinflusst, sagt Gisela H.. Weder<br />
zu der Zeit der Diagnose, noch in den Jahren davor oder danach. Erst rückblickend stellt die heute<br />
55-jährige Rheinländerin fest, dass die langjährige Belastung auch in ihr als Künstlerin Spuren<br />
hinterlassen hat.<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Ja, einfach diese Erfahrung mit dem eigenen Leib, die sich da Drumherum drehen, dass diese auch<br />
im Zentrum wirkt. Dass es sich darum gedreht hat, dass es da jetzt irgendwie eine Lösung geben<br />
muss, dass da vielleicht was raus muss, weg muss, rein muss. Auf jeden Fall ist der Blick, der Fokus,<br />
darauf gelegt. So scheint mir das. Hier bei den Dreien ganz deutlich, da weniger.<br />
Sprecherin:<br />
Heute beschäftigt sich die Künstlerin viel mehr mit Landschaften als mit Körpern. Viel härter als<br />
Gisela H. selbst traf die Diagnose Krebs ihren Ehemann, Bernd S. Er versuchte, sich Informationen<br />
über die Erkrankung im Internet zu besorgen, doch was er dort fand, beruhigte ihn nicht und so<br />
bangte er um seine Frau.<br />
Bernd S., Ehemann:<br />
Es wurde dann auch überprüft, ob es Metastasen gab oder ob andere Dinge befallen waren. Das<br />
war ja alles Gott sei Dank nicht der Fall. Aber der Film geht dann schon ab. Also es hat mich auch so<br />
getroffen, ich weiß es noch ganz genau, als ich dann im Büro stand, zu mir kam und ja wirklich,<br />
nicht den Tränen nahe war, sondern einfach eine Runde geheult habe. Das war anderseits aber<br />
auch wieder befreiend.<br />
Sprecherin:<br />
Als seine Frau operiert wurde, kümmerte sich Bernd S. rund um die Uhr um sie. Täglich besuchte er<br />
sie mehrmals im Klinikum. Letztlich hatten die Krebsdiagnose und die überstandene Krankheit<br />
auch eine positive Wirkung auf die Beziehung des Ehepaares. Fast 40 Jahre sind die Malerin und<br />
der Grafiker nun schon ein Paar.<br />
Gisela H., Krebs-Patientin:<br />
Das hat mich einfach immer begleitet und das hat natürlich auch die Partnerschaft belastet irgendwie,<br />
dann mal mehr oder weniger. Und das war dann mit einem Schlag weg. Dem kann ich nur zustimmen<br />
oder wie ich selber auch schon gesagt hab. Und solche Extremsituationen bringen einen<br />
ja auch näher wieder zusammen.<br />
Sprecherin:<br />
Für die beiden Jazzliebhaber beginnt gerade ein neuer Lebensabschnitt. Zu zweit genießen sie nun<br />
die Zeit, in der die Kinder erwachsen sind.