Märchenschlösser und verwunschene Burgen - Kulturportal Hessen
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Zum Jahresthema<br />
<strong>Märchenschlösser</strong> <strong>und</strong> <strong>verwunschene</strong> <strong>Burgen</strong> – Orte der Romantik<br />
in der KulturRegion FrankfurtRheinMain<br />
Erbprinz Wilhelm von <strong>Hessen</strong>-Kassel ließ sich 1779–1781 in Hanau-Wilhelmsbad<br />
einen Ruinenturm als Lustschloss errichten. Von außen erscheint dieser<br />
Bau wie ein uraltes, verfallenes Gebäude, im inneren bot der Turm aber alle<br />
Annehmlichkeiten eines privaten Lustschlösschens des späten 18. Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />
Der Wilhelmsbader Turm war der erste Bau dieser Art in Mitteleuropa,<br />
die Idee hierzu stammte aus den Landschaftgärten Englands. Angeregt durch<br />
Ritter- <strong>und</strong> Schauerromane, die damals schwer in Mode waren, träumten<br />
sich Adel <strong>und</strong> gehobenes Bürgertum in vermeintlich heldenhafte, ritterliche<br />
Zeiten zurück, deren Tugenden vorbildhaft für die eigene Zeit sein sollten.<br />
Das späte 18. <strong>und</strong> das 19. Jahrh<strong>und</strong>ert waren geprägt vom Interesse an<br />
Mystischem <strong>und</strong> Geheimnisvollem, es entstand eine neue Faszination am<br />
Mittelalter mit seinen <strong>Burgen</strong> <strong>und</strong> Schlössern. Zugleich standen <strong>Burgen</strong> <strong>und</strong><br />
Ruinen für eine überw<strong>und</strong>ene Vergangenheit unsicherer, angeblich vom<br />
Faustrecht geprägter Zeiten. Insbesondere der Adel wandte sich der <strong>Burgen</strong>romantik<br />
zu <strong>und</strong> ließ <strong>Burgen</strong> in historistischem Stil neu bauen oder renovieren.<br />
Er verwies so in einem Zeitalter, das geprägt war von gesellschaftlichen,<br />
wirtschaftlichen <strong>und</strong> sozialen Umwälzungen, auf althergebrachte Herrschaftsrechte<br />
<strong>und</strong> seine Legitimation als führender Stand. <strong>Burgen</strong> galten als<br />
heroische Zeugen vergangener Zeitalter, an die man ideell anknüpfen wollte.<br />
So wurden vor allem die in ganz Europa berühmten <strong>Burgen</strong> am Mittelrhein<br />
zu frühen Touristenziele. Sie dienten als Inspiration für zahlreiche Neu- <strong>und</strong><br />
Umbauten auch in der Rhein-Main-Region. Beispiele hierfür sind der recht<br />
freie neugotische Wiederaufbau der Ruinen von Burg Klopp <strong>und</strong> des Mäuseturms<br />
in Bingen am Rhein oder die Burg Crass in Eltville, die in der Mitte<br />
des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts auf den verwilderten Resten des ältesten Gebäudes<br />
der Stadt als Schloss Rheinberg neu aufgebaut wurde. Der historistische<br />
Umbau des Schlosses Philippsruhe in Hanau in neubarockem Stil <strong>und</strong> das für<br />
„Kaiserin Friedrich“ im Tudorstil erbaute Schloss Friedrichshof in Kronberg<br />
stehen am Ende der Entwicklung <strong>und</strong> zeigen, dass nach dem Mittelalter auch<br />
Renaissance <strong>und</strong> Barock als bedeutende Geschichts- <strong>und</strong> Kunstepochen<br />
verherrlicht wurden.<br />
Vor allem die Ruinen übten in ihrem Verfall, der an die Vergänglichkeit alles<br />
Irdischen gemahnte, eine große Faszination aus. Burgruinen wie Eppstein<br />
oder Reifenberg dienten als Inspirationsquelle für Maler <strong>und</strong> Dichter. Andererseits<br />
wurden <strong>Burgen</strong> eben deswegen zu Objekten einer frühen Denkmalpflege<br />
wie z. B. die Kaiserpfalz Gelnhausen, um sie als Zeugen der Geschichte<br />
zu bewahren. Mit den Burginstandsetzungen des Historismus beginnt die<br />
Geschichte der Denkmalpflege.<br />
Und auch wenn wir heute weit davon entfernt sind, das Mittelalter romantisch<br />
zu verklären, faszinieren <strong>Burgen</strong> <strong>und</strong> Schlösser mit ihren dazugehörigen<br />
Mythen <strong>und</strong> Sagen noch immer. Es sind die historistischen <strong>Burgen</strong>schöpfungen<br />
der Romantik, welche das <strong>Burgen</strong>bild in unseren Köpfen bis heute maßgeblich<br />
geprägt haben. Es lebt fort in den Fantasyschlössern der Filmindustrie.<br />
Und wie im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert dient auch heute das Mittelalter im Angesicht<br />
gegenwärtiger Probleme <strong>und</strong> einer scheinbar alles beherrschenden Technik<br />
wieder der Rückprojektion von Sehnsüchten in eine vermeintlich bessere<br />
Vergangenheit. So ist das Thema <strong>Burgen</strong>romantik aktueller denn je.