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Kriminalistik-SKRIPT

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SKR-<strong>SKRIPT</strong>: Strafrecht / Einsatzlehre / <strong>Kriminalistik</strong><br />

ren, damit dieser nicht gegen das Abschalten des Gerätes<br />

einschreiten oder den Apparat später wieder in Gang setzen<br />

konnte. Ein anderes, gleich wirksames Mittel, das einen<br />

geringeren Eingriff dargestellt hätte, war nicht ersichtlich.<br />

Somit war das Einsperren des D zur Abwehr des Angriffs<br />

erforderlich.<br />

c) Eine Einschränkung des Notwehrrechts, die im allgemeinen<br />

Verbot des Rechtsmißbrauchs und dem normativen<br />

Merkmal des „Gebotenseins“ gesehen wird (s. dazu Wessels/Beulke,<br />

AT, Rdn. 342 ff. m. w. N.), kommt nicht in<br />

Betracht.<br />

d) Schließlich ist als subjektives Rechtfertigungselement<br />

ein Verteidigungswille erforderlich (ganz h. M.; vgl. nur<br />

Schönke/Schröder-Lenckner, § 34 Rdn. 63 m. w. N.). M<br />

handelte, um F gegen die Körperverletzung des D zu<br />

verteidigen, und hatte somit Verteidigungswillen. Die Nothilfe<br />

wurde F von M auch nicht aufgedrängt.<br />

e) Die Voraussetzungen des § 32 StGB liegen somit vor, so<br />

daß M wegen Notwehr nicht rechtswidrig handelte.<br />

3. Ergebnis: Eine Strafbarkeit des M wegen einer Freiheitsberaubung<br />

gemäß § 239 Abs. 1 StGB entfällt.<br />

III. M könnte sich durch das Einschließen des D in einem<br />

Ärztezimmer wegen einer Nötigung gemäß § 240 StGB<br />

strafbar gemacht haben.<br />

1. Sofern man den Tatbestand des § 240 Abs. 1 StGB als<br />

erfüllt ansieht, indem man das Einschließen des D in einem<br />

Ärztezimmer als Nötigungshandlung in Form der Gewalt<br />

qualifiziert (s. dazu, daß im Verschließen einer Tür zwecks<br />

Einsperrens infolge der körperlichen Behinderung Gewalt<br />

i. S. v. § 240 StGB gesehen wird, RGSt 13, 49; 27, 406; 73,<br />

345; BGH GA 1965, 57; Schönke/Schröder-Eser, Vorbem.<br />

§§ 234 ff. Rdn. 13) mit dem Nötigungserfolg, daß dieser<br />

den Raum nicht mehr verlassen kann, gilt für die Rechtswidrigkeit<br />

das zuvor unter II. 2. Gesagte entsprechend.<br />

2. Ergebnis: Eine Strafbarkeit des M wegen einer Nötigung<br />

gemäß § 240 StGB entfällt ebenfalls.<br />

IV. M könnte sich, indem er das Beatmungsgerät nach dem<br />

Ausschalten nicht wieder in Gang setzte, wegen einer<br />

unterlassenen Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB strafbar<br />

gemacht haben.<br />

1. a) Das setzt zunächst das Vorliegen eines Unglücksfalls<br />

voraus. Unglücksfälle i. S. d. § 323c StGB sind plötzlich<br />

eintretende Ereignisse, die erhebliche Gefahren für Menschen<br />

oder Sachen hervorrufen oder hervorzurufen drohen<br />

(RG DR 1942, 1223; BGHSt 6, 147). Nicht jede Krankheit<br />

bzw. Erkrankung ist als ein Unglücksfall anzusehen; im<br />

Rahmen einer Erkrankung kann aber eine plötzliche und<br />

sich rasch verschlimmernde Wendung eintreten, die ein<br />

Unglücksfall ist (Schönke/Schröder-Cramer, § 323c Rdn. 6<br />

m. w. N.). Die Krankheit der F verschlimmerte sich jedoch<br />

über einen längeren Zeitraum, und auch die Atemlähmung<br />

trat allmählich, nicht plötzlich ein. Das spricht gegen das<br />

Vorliegen eines Unglücksfalls.<br />

b) Zudem ist hier die künstliche Beatmung keine erforderliche<br />

Hilfeleistung. Zwar schließt die Tatsache, daß der Tod<br />

des Verletzten nicht abgewendet werden kann, die Erforderlichkeit<br />

einer Hilfeleistung nicht unbedingt aus (BGH<br />

JR 1956, 347 m. Anm. Maurach; Schönke/Schröder-Cramer,<br />

§ 323c Rdn. 14). Es kann jedoch im Hinblick auf den<br />

Hilfezweck nur auf eine sinnvolle Lebensverlängerung<br />

ankommen. Hier hätte M durch das Einschalten des Beatmungsgerätes<br />

gegen den Willen der F aber lediglich sinnlos<br />

ihr Sterben verlängert.<br />

2. Ergebnis: Eine Strafbarkeit des M wegen einer unterlassenen<br />

Hilfeleistung gemäß § 323 c StGB scheidet aus.<br />

V. Ergebnis<br />

M bleibt straflos.<br />

Prüfungsklausur mit Lösung<br />

in den Fächern Einsatzlehre/<br />

<strong>Kriminalistik</strong>*<br />

Von Kriminaloberrat Thomas Gutsfeld und<br />

Polizeidirektor Hartmut Reikow, Fachhochschule<br />

für öffentliche Verwaltung NRW, Abt. Dortmund<br />

Im einzelnen:<br />

Zu 1: Aufklärung<br />

Die Polizei wird anonym über den Sachverhalt informiert.<br />

Auch wenn der Anrufer schon Einzelheiten über das<br />

beabsichtigte Vorgehen der 20 männlichen Jugendlichen<br />

und über ihre Ausrüstung mitteilt, fehlen der Polizei doch<br />

weitere wesentliche Informationen, um den Übergriffen<br />

begegnen zu können bzw. sie schon im Vorfeld zu unterbinden.<br />

Es besteht ein Informationsdefizit, so daß es einer<br />

starken Aufklärung bedarf, also „der zielgerichteten Fest-<br />

* Fortsetzung zu KR-<strong>SKRIPT</strong> 4/99, S. 282.<br />

stellung polizeilich bedeutsamer Umstände und Tatsachen,<br />

deren Kenntnis zur Durchführung präventiver und repressiver<br />

polizeilicher Aufgaben erforderlich ist“.<br />

Da der Anrufer bezüglich der Zeit nur von „heute abend“<br />

gesprochen hat, ist der Zeitpunkt der „Aktion“ höchst<br />

ungewiß. Aufgrund dieses Umstandes muß mit der Aufklärung<br />

sofort begonnen werden.<br />

Um von der Gruppe nicht sofort erkannt zu werden,<br />

bietet sich neben einer offenen auch eine verdeckte<br />

Aufklärung an. Ein überraschendes Einschreiten kann<br />

insofern schon vor Erreichen des Objekts gut vorbereitet<br />

und für die Störergruppe nicht vorhersehbar veranlaßt<br />

werden.<br />

Da nicht bekannt ist, aus welchem Stadtteil die Störergruppe<br />

kommt, ob sie geschlossen zu Fuß oder getrennt mit<br />

Fahrzeugen zum Objekt gelangt, ist die Aufklärung schwerpunktmäßig<br />

im Bereich des Objekts, aber auch abgesetzt<br />

davon im Ortsbereich Gremmendorf und auf den Straßen,<br />

die zum Objekt führen, zu betreiben.<br />

Als Aufklärungskräfte (offen bzw. verdeckt) bieten sich<br />

die ET-Kräfte mit Zivil-Fustkw und auch Kräfte aus dem<br />

Wach- und Wechseldienst an. Es ist davon auszugehen, daß<br />

es sich um erfahrene Mitarbeiter handelt, denen Einsätze<br />

dieser Art nicht unbekannt sind.<br />

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