Bericht vom Absolventenkongress - Dachverband der kritischen ...

Kritische Fragen beim Absolventenkongress nicht erwünscht
Veranstalter Staufenbiel erteilt Dachverbands-Mitarbeiter Hausverbot
Von Markus Dufner
Am liebsten ist dem Arbeitgeber der gläserne Jobaspirant. Aber was soll ein Bewerber über
seinen künftigen Brötchengeber wissen? Welche Produkte hat der in seinem Portfolio?
„Vom Mähdrescher zum Finanzprodukt“ – der knackige Titel einer Expertenrunde beim
Absolventenkongress in Köln hatte meine Neugier geweckt. Deshalb meldete ich mich kurz
entschlossen zum Kongress an. Einer der Podiumsgäste: Dr. Matthias Vehreschild, Leiter
Personalmarketing und Recruiting der Allianz.
Wie schon seit längerem bekannt, betreibt der Versicherungskonzern
Nahrungsmittelspekulation. An den Warenterminbörsen hat er mehr als 6,2 Milliarden Euro
Kapital in Agrarrohstoffen angelegt und ist damit der größte deutsche Investor in diesem
Bereich. Auf der Aktionärsversammlung im Mai haben Kritische Aktionäre Allianz-Chef
Diekmann darüber informiert, dass die Spekulation mit Agrarrohstoffen zu großen
Preisausschlägen führt und deswegen mehr Menschen in den Entwicklungsländern hungern
müssen. „Mit Essen spielt man nicht!“ (Oxfam) und andere Kampagnen von
Nichtregierungsorganisationen haben die Allianz nicht zu einem Ausstieg veranlasst.
Seien es die überzeugenden Fakten oder Imagegründe – die Commerzbank und einige
andere Banken haben in letzter Zeit angekündigt, Spekulationsgeschäfte mit
Grundnahrungsmitteln zu stoppen und Agrarrohstoffe aus ihren Fonds heraus zu nehmen.
Beim zweitägigen Absolventenkongress „Green Economy – Zukunft mit Verantwortung“ in
der Kölner Messe war die Allianz einer der größten Aussteller. Viele junge Frauen und
Männer, die meisten businesslike gekleidet, drängten sich am Stand. Die Gelegenheit, schon
mal ein Kurzinterview mit einem Allianz-Mitarbeiter zu führen und die Chancen für die eigene
Bewerbung zu testen.
Bei der Expertenrunde – straff moderiert von der Kölner Journalistin Sabine Olschner –
sollten Absolventen mit Interesse am Vertrieb angesprochen werden. Olschners
Eingangsfrage an die Berufseinsteiger: „Warum wollen Sie später im Vertrieb arbeiten?“ Die
Antworten kamen wie bestellt: „… weil ich dann meinen Teil zum Unternehmenserfolg mit
beitragen kann.“, „… weil Ergebnisse hier schnell messbar sind. Das motiviert.“ und „… weil
ich mich für ein Produkt einsetzen kann, für das ich mich begeistere.“
Aber welche Produkte sollen künftige Verkäufer an den Kunden bringen? Önal Öncebe,
General Manager Sales bei Tchibo, versprühte eine Mega-Begeisterung für das
Sammelsurium, das der ursprüngliche Kaffeehändler mittlerweile anbietet. Ob Bohnen,
Textilien, Handys oder x-beliebige andere Artikel – sie zu verkaufen, verlange ein hohes Maß
an „Sensitivität“, so Öncebe.
Jörg Füchtenhans, Regionaldirektor „Africa and Middle East“ des Landmaschinenherstellers
Claas, der ein Modell eines Mähdreschers vor sich gestellt hatte, machte deutlich, dass es
wesentliche Unterschiede beim Verkauf eines Päckchens Kaffee und seines komplexen
Produkts gibt. Ein Verkauf über den Online-Shop sei da nicht geeignet.
Dass es bei Versicherungen auf „Nähe zum und Begeisterung am Menschen“ ankommt,
erfuhren die Absolventen von Allianz-Mann Vehreschild. „Bei uns ist die Beratung sehr
wichtig.“ Tatsache ist, dass diese Empathie für den Versicherten („Hoffentlich Allianz
versichert“) bei der Regulierung von Schäden allzu oft fehlt.

Eine Dreiviertelstunde gelang es der Moderatorin („freie Journalistin mit Schwerpunkt
Karriere“) selten, den Firmenvertretern mehr als Allgemeinplätze zu entlocken. Als sie kurz
vor Ende der Veranstaltung die Absolventen noch nicht wieder einbezogen hatte, meldete ich
mich zu Wort: „Was soll ich tun, wenn ich als Vertriebler Probleme mit bestimmten
Finanzprodukten der Allianz habe? Zum Beispiel der Geldanlage in Fonds der
Nahrungsmittelspekulation?“ Solch komplizierte Finanzprodukte, so Vehreschilds Antwort,
werde ein Vertriebler am Anfang nicht verkaufen.
Als ich nach Ende der Expertenrunde von Vehreschild wissen wollte, warum die Allianz trotz
des Ausstiegs anderer Banken immer noch an den genannten Fonds festhalte, weigerte er
sich zu antworten. Moderatorin Olschner forderte mich auf, ihn in Ruhe zu lassen. Offenbar
war nun auch der Veranstalter Staufenbiel (Eigenwerbung: „der führende Anbieter von
Personalmarketing- und Recruiting-Lösungen für junge Akademiker in Deutschland“) auf das
störende Element seines Absolventenkongresses aufmerksam geworden. Ein erregter
Mitarbeiter fand mich am Allianz-Stand, an dem ich mich mit einer Absolventin unterhielt, und
forderte mich auf, den Kongress umgehend zu verlassen. „Ich erteile Ihnen hiermit
Hausverbot“, sagte der Mann und wich mir bis zum Ausgang nicht mehr von der Seite.
*) Der Autor ist Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und
Aktionäre e.V.
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Absolventenkongress Deutschland:*
Green Economy - Zukunft mit Verantwortung
Kölnmesse, Halle 8
Mittwoch, 28. November 2012
15:15-16:15 Expertenrunde
Vom Mähdrescher zum Finanzprodukt – Vielfalt im Vertrieb
Hörsaal 6
Dr. Matthias Vehreschild, Leiter Personalmarketing und Recruiting,
Allianz
Önal Öncebe, General Manager Sales, Tchibo
Jörg Füchtenhans, Kaufmännischer Leiter CLAAS Global Sales
GmbH und Regionaldirektor Africa and Middle East, CLAAS
Arne Baltissen, Segmentmanager Kommunen und Nicht-
Regierungsorganisationen, MACH
Moderation: Sabine Olschner, freie Journalistin mit Schwerpunkt
Karriere
Quelle: Internet-Seite des Veranstalters Staufenbiel: www.absolventenkongress.de/