An Tagen wie diesen
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Predigt von Pfarrer Peter Brändle<br />
im Rahmen der Limburg-Predigtreihe 2013<br />
„Lieblingslieder“<br />
„<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>“ – Die Toten Hosen<br />
Liebe Gemeinde,<br />
So könnte es bleiben, wenn’s so nur immer wär, ganz gleich wann Sie zum letzten Mal „<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong><br />
<strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, wünsch ich mir Unendlichkeit“ nicht nur gesungen, sondern <strong>diesen</strong> Wunsch auch<br />
gefühlt/ erlebt haben, ob beim Skifahren bei blauem Himmel im strahlenden Sonnenschein, oder an<br />
einem lauen Sommerabend bei gutem Wein mit netten Menschen, oder als sich zwei Augenpaare<br />
und zwei Herzen getroffen haben und auf einmal beieinander zuhause waren, ganz gleich wann<br />
und wo - ich hoffe sehr, dass wir ihn alle kennen, <strong>diesen</strong> Wunsch, die Zeit anzuhalten.<br />
Hören wir es uns erst mal an das Lied, das die Toten Hosen im letzten Jahr <strong>wie</strong>der ganz<br />
nach vorne in die Charts gebracht hat:<br />
„<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>“ einspielen<br />
Ich wart seit Wochen, auf <strong>diesen</strong> Tag<br />
und tanz vor Freude, über den Asphalt<br />
Als wär's ein Rhythmus, als gäb's ein Lied<br />
Das mich immer weiter, durch die Straßen zieht<br />
Komm dir entgegen, dich abzuholen, <strong>wie</strong> ausgemacht<br />
Zu der selben Uhrzeit, am selben Treffpunkt, <strong>wie</strong> letztes mal<br />
Durch das Gedränge, der Menschenmenge<br />
Bahnen wir uns den altbekannten Weg<br />
Entlang der Gassen, zu den Rheinterrassen<br />
Über die Brücken, bis hin zu der Musik<br />
Wo alles laut ist, wo alle drauf sind, um durchzudreh'n<br />
Wo die <strong>An</strong>deren warten, um mit uns zu starten, und abzugeh'n<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, wünscht man sich Unendlichkeit<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, haben wir noch ewig Zeit<br />
Wünsch ich mir Unendlichkeit<br />
Das hier ist ewig,ewig für heute<br />
Wir steh'n nicht still, für eine ganze Nacht<br />
Komm ich trag dich,durch die Leute<br />
Hab keine <strong>An</strong>gst, ich gebe auf dich Acht<br />
Wir lassen uns treiben, tauchen unter, schwimmen mit dem Strom<br />
Dreh'n unsere Kreise, kommen nicht mehr runter, sind schwerelos<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, wünscht man sich Unendlichkeit<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, haben wir noch ewig Zeit<br />
In dieser Nacht der Nächte, die uns so viel verspricht<br />
Erleben wir das Beste, kein Ende ist in Sicht<br />
Kein Ende in Sicht
Kein Ende in Sicht<br />
Kein Ende in Sicht<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, wünscht man sich Unendlichkeit<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, haben wir noch ewig Zeit<br />
In dieser Nacht der Nächte, die uns so viel verspricht<br />
Erleben wir das Beste, kein Ende ist in Sicht<br />
Erleben wir das Beste, und kein Ende ist in Sicht<br />
Kein Ende in Sicht…<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, wünsch ich mir Unendlichkeit…<br />
Denn er ist ja nicht erst seit Campinos Sommerhit aus dem letzten Jahr so etwas <strong>wie</strong> ein<br />
Menschheitstraum.<br />
Immerhin lässt Johann Wolfgang von Goethe seinen Faust, der für en nach Sinn und Erfüllung<br />
suchenden Menschen steht sagen: „Ich wird zum Augenblicke sagen, verweile doch , du bist so<br />
schön.“<br />
Und auch im Neuen Testament gibt es eine Szene, in der dieser Wunsch ganz deutlich<br />
ausgesprochen wird. Als Jesus mit Petrus Jakobus und Johannes auf einen Berg steigt , sie auf<br />
einmal in geheimnisvollem Licht Elia und Mose sehen und dem Himmel nicht nur geographisch<br />
ziemlich nahe sind.<br />
In den Worten des Petrus da heißt „an <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong> wünsch ich mir Unendlichkeit“ dann:<br />
Hier ist gut sein, komm lass uns drei Hütten bauen.<br />
Solche Momente sind ganz besondere Geschenke. Ja ich will sagen Geschenke des Himmels.<br />
Momente , in denen der Himmel und die Erde, meine Zeit und die Ewigkeit sich berühren. Oder um<br />
es mit Joseph Eichendorff dem Dichter der Romantik zuj sagen: „Es war als hätt der Himmel die<br />
Erde still geküsst, dass sie im Blütenschimmer von ihm nun träumen müsst.“<br />
Zurück zu den Toten Hosen.<br />
„das hier ist ewig, ewig für heute, singt Campino.<br />
Und obwohl er sich zu widersprechen scheint. Er hat so recht. .<br />
Denn es gibt in unserem heute und obwohl die Zeit manchmal sehr unbarmherzig weiterläuft<br />
Erlebnisse und Erfahrungen, in denen die Zeit eben doch still steht. Weil ich etwas erlebe und<br />
erfahre, was unvergänglich ist, weil sich da die Ewigkeit zeigt mitten in der Vergänglichkeit und<br />
dem immer weiter laufenden Sekundenzeiger eine lange Nase macht. .<br />
Ich weiß nicht <strong>wie</strong>’s ihnen geht liebe Taufeltern, aber als unsere älteste Tochter geboren wurde<br />
und ich sei auf dem Arm hatte und sie mich zum ersten Mal angeschaut hat, da hatte ich das<br />
Gefühl, das war so ein Moment, so ein Augenblick, den mir niemand, gar niemand mehr<br />
nehmen kann. .<br />
Wie gut, solche Augenblicke - wo die Ewigkeit sich zeigt und der Vergänglichkeit eine lange Nase<br />
macht.<br />
Zurück zu Petrus auf dem Berg der Verklärung:<br />
„Hier ist gut sein, lasst uns Hütten bauen!“ Petrus will festhalten. Verständlich irgend<strong>wie</strong>.- Und doch<br />
so falsch. <strong>An</strong>statt mit offenen Händen und offenen Augen und offenem Herzen diese ganz<br />
besondere Zeit zu genießen, will er zupacken. . Die Begegnung mit der Ewigkeit in eine Hütte<br />
einsperren.<br />
Mit diesem Versuch scheitert er kläglich.<br />
Und damit werden auch wir immer <strong>wie</strong>der kläglich scheitern.<br />
Denn wir sind nun einmal ganz und gar irdische, erdverbundene und damit er Vergänglichkeit und<br />
der Unvollkommenheit ausgelieferte Menschenkinder. Und wenn wir ihr halt dann doch ab und zu<br />
begegnen der Ewigkeit und der Vollkommenheit, dann gilt es der Versuchung zu widerrstehen, sie<br />
festhalten zu wollen.
Gerade das macht ja den Wert dieser besonderen Momente und Augenblicke aus, dass wir sie<br />
eben nicht festhalten und konservieren können.<br />
Und dass diese ganz besonderen Momente oder auch Abende oder gar Nächte in unserem Leben<br />
oft ganz spontan und vollkommen unerwartet entstehen ist ein weiterer Hinweis darauf, dass die<br />
wesentlichen Dinge weder mach- noch planbar sind, sondern eben Geschenke. Geschenke des<br />
Himmels, die es anzunehmen gilt, dann wenn sei uns in die Hände oder ins Herz fallen.<br />
Da dann nicht immer ganz vernünftig sein, da dann nicht immer sofort an Morgen denken, da<br />
dann nicht fragen, was denken jetzt die anderen, auch das gört dazu „an <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>“.<br />
Noch ein Schritt weiter:<br />
„<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong> wünsch ich mir Unendlichkeit.“<br />
Implizit singen die Toten Hosen damit ja auch von den anderen <strong>Tagen</strong>. Von den ganz normalen,<br />
wenig spektakulären Alltagstagen, die auch dazugehören zu unserem Leben. .<br />
Und es gibt ja sogar die Tage, an denen sich Menschen alles andere als Unendlichkeit wünschen.<br />
Wer <strong>wie</strong> ich des Öfteren mit alten und kranken Menschen zu tun hat, der kennt ihn <strong>diesen</strong> Satz: „O<br />
Herr Pfarrer, wenn ich no sterba dürft“- wenn ich nur sterben dürfte.<br />
Oder in die gleiche Richtung nur weniger existentiell: Wenn nur dies oder jenes schon vorbei<br />
wäre, wenn nur schon <strong>wie</strong>der Freitag wär, wenn ich nur das schon hinter mir hätte.- .<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> diesem wünscht man sich Vergänglichkeit .<br />
Und für manche Menschen ist dieses Leben sogar so unerträglich, dass sie keinen anderen Weg<br />
mehr sehen als es zu beenden. Weil das nichts mehr ist, was hält, weil da keine Kraft mehr ist<br />
um ieses leben zu stemmen.<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong> wünscht man sich Vergänglichkeit und an anderen Unendlichkeit –<br />
zuweilen ein und derselbe Mensch in ein und demselben Leben<br />
Aber in welchem Verhältnis stehen sie zueinander diese und jene Tage, was haben sie<br />
miteinander zu tun?<br />
.<br />
Noch einmal zu Jesus und Petrus auf dem Berg der verklärung:<br />
Jesus geht da ja hoch mit seinen Freunden. Er schenkt ihnen <strong>diesen</strong> besonderen Moment, diese<br />
Berührung zwischen Himmel und Erde. Doch als Petrus festhalten will, da ist es ziemlich schnell<br />
aus mit er Herrlichkeit. Mose und Elia als Boten der Ewigkeit sind weg. So schnell kann Petrus gar<br />
nichtb gucken. Aber einer ist da und bleibt da. Jesus.<br />
Er beliebt und geht mit herunter vom Berg. Auch mitten hinein in den grauen Alltag.<br />
Auch heute<br />
Da ist vielleicht die Kirchengemeinde, die nach einem Projekt <strong>wie</strong> Kreuz und Quer auf Wolke 7<br />
schwebt und dann trotz mancher neuer Impulse auch <strong>wie</strong>der manch grauen Alltag erlebt.<br />
Jesus ist da und bleibt.<br />
Das sind zwei Menschen, die sich gefunden haben und sich immer <strong>wie</strong>der neu finden und neben<br />
gemeinsamen Höhenflügen halt doch auch mit manchem Alltagsproblem fertig werden müssen<br />
Jesus ist da und bleibt<br />
Da ist der chronisch Kranke, der zunächst Linderung erfahrt durch die neue Therapie und dann doch<br />
einen Rückschlag erleidet.<br />
Jesus ist da und bleibt.<br />
Da bin ich, der ich nach meinen Höhenflügen manchmal ganz schön hart lande auf dem Boden der<br />
Realität z.B. wenn mir meine Kinder sagen, <strong>wie</strong> peinlich ich bin .<br />
Jesus ist da und bleibt.<br />
Liebe Gemeinde, weil sich in ihm der ewige Gott entschieden hat, sich mitten in die Endlichkeit und<br />
Vergänglichkeit hineinzubegeben, deshalb sind wir gerade darin von einem ewigen Licht begleitet.
Und dieses Licht ist da, s selbst wenn ich am Ende bin. Oder nochmal Campino: Für seine<br />
Gegenwart in meinem Leben gilt – „kein Ende in Sicht.“ Nicht mal ganz am Ende.<br />
<strong>An</strong> <strong>Tagen</strong> <strong>wie</strong> <strong>diesen</strong>, wünsch ich mir Unendlichkeit.<br />
Ja, Liebe Gemeinde, aus vollem Herzen will ich das immer <strong>wie</strong>der singen. Und d diese Momente<br />
annehmen mit offenem Herzen und offenen Händen.<br />
Und gerade weil nicht ich dem Himmel nahe kommen muss, sondern der Himmel mir nahe<br />
gekommen ist und zwar in meinen Höhen und meinen Tiefen, deshalb kann ich sie ganz und gar<br />
genießen, diese Momente der Verzückung und Verklärung und sie dann auch <strong>wie</strong>der loslassen und<br />
mich meinem Leben stellen, auch meiner Vergänglichkeit.<br />
Sogar dem alt und älter werden, sogar dem Bild in meinem Lebensspiegel, das mir mal besser und<br />
mal schlechter gefällt. Mit Jesus an meiner Seite darf ich der <strong>An</strong>gst vor der Vergänglichkeit wirklich eine<br />
lange Nase machen und sogar manchmal über mein Spiegelbild lachen. Amen.