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Nr. 42, Dezember 2011<br />
Internationaler<br />
<strong>Rechtsverkehr</strong><br />
2/2011<br />
Mitteilungsblatt<br />
der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> für <strong>Internationalen</strong> <strong>Rechtsverkehr</strong> im Deutschen AnwaltVerein<br />
Auszug aus der Gesamtausgabe<br />
Dieses PDF enthält lediglich eine Auswahl des aktuellen<br />
Mitteilungsblattes, das allen Mitgliedern zugesandt wird.<br />
Am Ende dieses Dokuments finden Sie eine Betrittserklärung.<br />
Europäisches Vertragsrecht als<br />
Option – der Anwendungsbereich,<br />
die Wahl und die Lücken des<br />
Optionalen Instruments<br />
Professor Dr. Martin Gebauer<br />
Seite 6<br />
Flucht vor dem deutschen<br />
AGB-Recht bei Inlandsverträgen<br />
Gedanken zu Art. 3 Abs. 3<br />
Rom-I-VO und § 1051 ZPO<br />
Rechtsanwalt Dr. Jörg Kondring<br />
Seite 28<br />
Neue schweizerische<br />
Zivilprozessordnung<br />
Rechtsanwalt Urs Bürgi<br />
Seite 37<br />
Aus der Arbeit der Arge<br />
Der „Fachanwalt für internationales<br />
Wirtschaftsrecht“: Eine Bedarfsanalyse<br />
Rechtsanwalt Dr. Jan Curschmann<br />
Seite 71
Nr. 42, Dezember 2011<br />
Internationaler<br />
<strong>Rechtsverkehr</strong><br />
2/2011<br />
Mitteilungsblatt<br />
der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> für <strong>Internationalen</strong> <strong>Rechtsverkehr</strong> im Deutschen AnwaltVerein
Inhalt<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Editorial<br />
Endspurt und Ausblick, Rechtsanwalt Dr. Michael Brauch .................................................................................................................. 4<br />
Einführung<br />
Vorwort, Rechtsanwältin Dr. Malaika Ahlers, Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen ............................................... 5<br />
Mitarbeit erbeten – Mithilfe erwünscht<br />
Rechtsanwältin Dr. Malaika Ahlers, Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen ................................................................ 5<br />
I. Fachteil<br />
1. Schwerpunktthema: Europäisches Kaufrecht<br />
a. Europäisches Vertragsrecht als Option – der Anwendungsbereich, die Wahl und die Lücken des<br />
Optionalen Instruments<br />
Professor Dr. Martin Gebauer .............................................................................................................................................................. 6<br />
b. Das optionale Kaufrecht – Eine Chance für Verbraucher und Unternehmer?<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen .................................................................................................................... 16<br />
c. Flucht vor dem deutschen AGB-Recht bei Inlandsverträgen<br />
Gedanken zu Art. 3 Abs. 3 Rom-I-VO und § 1051 ZPO<br />
Rechtsanwalt Dr. Jörg Kondring ....................................................................................................................................................... 28<br />
2. Andere Rechtsgebiete<br />
a. Neue schweizerische Zivilprozessordnung<br />
Rechtsanwalt Urs Bürgi ..................................................................................................................................................................... 37<br />
b. Durchsetzung von Ansprüchen in Norwegen<br />
Dr. Roland Mörsdorf .......................................................................................................................................................................... 48<br />
c. Die Gründung einer spanischen GmbH an einem Tag bzw. das neue spanische Kapitalgesellschaftsrecht<br />
Rechtsanwältin und Abogada inscrita Katharina Miller, LL.M. (Luxemburg) ............................................................................... 53<br />
d. Anstehende Änderungen der GMAA-Schiedsgerichtsordnung<br />
Rechtsanwalt Matthias Zillmer ......................................................................................................................................................... 57<br />
3. Länderberichte<br />
a. Länderbericht Frankreich<br />
Rechtsanwältin Beatrice Deshayes ..................................................................................................................................................... 60<br />
b. Länderbericht Niederlande<br />
Rechtsanwältin Hildegard Weidinger ................................................................................................................................................ 67<br />
c. Länderbericht Brasilien<br />
Rechtsanwalt Dr. Jan Curschmann .................................................................................................................................................... 69<br />
2 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Inhalt<br />
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
1. Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht<br />
Der „Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht“: Eine Bedarfsanalyse<br />
Rechtsanwalt Dr. Jan Curschmann .................................................................................................................................................... 71<br />
2. Veranstaltungsberichte<br />
a. 15. Deutsch-Französisches Seminar „Management rechtlicher Risiken im Unternehmen“<br />
in Düsseldorf, 6./7. Mai 2011<br />
Rechtsanwältin Andrea Hilgard ........................................................................................................................................................ 73<br />
b. Gemeinsames Seminar mit der Section of International Law (SIL) der ABA<br />
„2nd Annual Conference on Transatlantic Deals & Disputes“ in München, 19./20. Juni 2011<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Hanns-Christian Salger, LL.M. .................................................................................................................. 75<br />
c. Fachveranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss „Außergerichtliche Konfliktbeilegung“ / ARGE Syndikusanwälte<br />
„Privileges of In-House-Counsels“<br />
Rechtsanwalt Thomas Marx .............................................................................................................................................................. 76<br />
d. Fachveranstaltung in Zusammenarbeit mit der Association Internationale des Jeunes Avocats (AIJA)<br />
„Wichtige Klauseln in internationalen Handelsverträgen – Ein Praxis Workshop“<br />
Rechtsanwalt Dr. Thomas Miller ...................................................................................................................................................... 77<br />
e. Luncheon zum Thema „Menschenrechte“: Vorstellung der Arbeit von „Avocats sans frontières“<br />
Katrin Frank ...................................................................................................................................................................................... 78<br />
f. Ankündigung 16. Deutsch-Französisches Seminar am 11./12. Mai 2012 in Evian ................................................................... 79<br />
g. Veranstaltungsübersicht 2012 .......................................................................................................................................................... 80<br />
3. Vertiefender Beitrag aus dem Newsletter<br />
4. Referendariat<br />
Bestimmung des für die ausschließliche internationale Zuständigkeit maßgeblichen Sitzes einer Gesellschaft<br />
in einem EU-Mitgliedstaat<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen .................................................................................................................... 81<br />
Wahlstation im Gottesstaat<br />
Rechtsreferendarin Navideh Maleki .................................................................................................................................................. 83<br />
5. Neue Mitglieder ........................................................................................................................................................................................... 85<br />
6. Beitrittserklärung ......................................................................................................................................................................................... 86<br />
III. Aus der Arbeit aus dem DAV: hier internationales Berufsrecht<br />
1. Aufnahme von Rechtsanwälten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten,<br />
Stellungnahme des DAV durch den Berufsrechtsausschuss ................................................................................................................... 87<br />
2. Aufnahme von Rechtsanwälten aus Peru,<br />
Stellungnahme des DAV durch den Berufsrechtsausschuss ................................................................................................................... 89<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 3
Editorial<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Endspurt und Ausblick<br />
Dr. Michael Brauch, Rechtsanwalt in München<br />
Liebe Mitglieder der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong>,<br />
werte Kolleginnen und Kollegen,<br />
während Sie das Mitteilungsblatt 2/2011 erhalten werden ringsum<br />
die Weihnachtsmärkte wieder aufgebaut, offensichtlich<br />
neigt sich also auch dieses Jahr wieder dem Ende zu und es ist<br />
Zeit für einen Rückblick auf 2011 und einen Ausblick auf 2012.<br />
Nach den sehr erfolgreichen Veranstaltungen der ARGE vor<br />
der Sommerpause haben wir leider kurzfristig unsere für den<br />
11. November geplante Veranstaltung zur Euro-Krise mangels<br />
Beteiligung absagen müssen. Anscheinend sind in Anbetracht<br />
der sich zuspitzenden Situation um den Euro und der hiermit<br />
verbundenen Nachrichtenflut Alle so von diesem Thema übersättigt<br />
gewesen, dass sie trotz des interessanten Programms und<br />
der hochkarätigen Referenten nicht mehr an einer derartigen<br />
Veranstaltung teilnehmen wollten. Das deutsch-niederländische<br />
Symposium am 18./19. November in Köln hingegen war wie immer<br />
äußerst erfolgreich mit über 100 Teilnehmern.<br />
Für das Frühjahr 2012 planen wir in Zusammenarbeit mit dem<br />
Bar Council of England and Wales in Hamburg ein Seminar zu<br />
gesellschaftrechtlichen Themen insbesondere auch in prozessualer<br />
Hinsicht, das genaue Thema und der Termin werden rechtzeitig<br />
bekannt gegeben. Am 11./12. Mai 2012 findet sodann in<br />
Evian am Genfer See das 16. deutsch-französische Seminar statt<br />
zu dem Thema der Verantwortung der ausländischen Mutterfür<br />
ihre Tochtergesellschaft, jeweils in Deutschland und Frankreich<br />
in zivil-, arbeits- und strafrechtlicher Hinsicht. Das berufsrechtliche<br />
Thema dieser Veranstaltung wird sich mit Fragen des<br />
vom CCBE geplanten neuen Code of Conduct befassen.<br />
Beim DAT in München vom 14. – 16. Juni 2012, der unter dem<br />
Generalmotto „Die Kunst Anwalt zu sein – Kunst, Kultur und Anwaltschaft“<br />
steht, plant die ARGE zwei Veranstaltungen zu der<br />
Kunst der Anwälte unterschiedlicher Kulturen bei Vertragsverhandlungen<br />
und bei Plädoyers, sowie wie das traditionelle<br />
Luncheon mit einem Gastredner zum Thema Menschenrechte.<br />
Die Sprecher sind angefragt und werden ebenfalls in Kürze bekanntgegeben.<br />
Zu der Betreuung unserer ARGE innerhalb des DAV möchte<br />
ich nochmals darauf hinweisen, dass der internationale Bereich<br />
und unsere ARGE seit September diesen Jahres in der Geschäftsführung<br />
des DAV betreut werden von Herrn Kollegen<br />
Franz Peter Altemeier, mit dem wir bereits auf einen guten Beginn<br />
der Zusammenarbeit zurückblicken können und uns auf<br />
die weitere gute Zusammenarbeit freuen.<br />
Nunmehr wünsche ich Ihnen eine gute Lektüre des vorliegenden<br />
Mitteilungsblattes, welches wieder zahlreiche hochaktuelle<br />
und interessante Beiträge enthält insbesondere zu dem Schwerpunkt<br />
des Europäischen Vertragsrechts sowie zahlreiche weitere<br />
wissenschaftliche Beiträge, Länderberichte aus Frankreich, den<br />
Niederlanden sowie Brasilien und Berichte über die in diesem<br />
Jahr durchgeführten Veranstaltungen.<br />
Mit besten Grüßen aus München,<br />
Ihr<br />
Dr. Michael Brauch<br />
Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses<br />
der ARGE Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong><br />
4 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Einführung<br />
Vorwort<br />
Eigentlich hatten wir die Absicht, dieses Heft unserem Euro-<br />
Kongress „Die latente Krise des Euro – Herausforderungen an<br />
die Finanzmärkte, Regulierungsaufgaben der Staaten“ zu widmen,<br />
der für den 11. November in Berlin vorgesehen war. Leider<br />
ist dieser Kongress – trotz eines wirklich sehr hochkarätigen<br />
Kreises von Referenten – abgesagt worden, weil sich nur eine<br />
verschwindend geringe Zahl an Anwälten bereit fand, teilzunehmen.<br />
Über die Motive rätseln wir. Wir können nicht glauben,<br />
dass Anwälte tatsächlich nicht an grundlegenden politischen<br />
Themen interessiert sind, die für Europa als schicksalhaft<br />
gelten. Für Erläuterungen wären wir dankbar.<br />
Wir waren jedenfalls gezwungen, einen Plan „B“ aufzustellen,<br />
der wir anfangs in der Euphorie über den Euro-Kongress gar<br />
nicht vorgesehen hatten. Da kam uns allerdings die EU-Kommission<br />
ein wenig zu Hilfe. Denn jetzt liegt der Entwurf einer<br />
Verordnung über ein Gemeinsames Optionales Kaufrecht vor.<br />
Es wird uns sicherlich noch längere Zeit beschäftigen. So haben<br />
wir damit erst einen zarten Anfang gesetzt, sozusagen als Appetithappen.<br />
Auch zeichnet sich dieses Heft durch eine neue, thematische<br />
Gliederung aus: Neben der bereits im letzten Heft gewählten<br />
Grundsatzaufteilung in I. Fachteil und II. Aus der Arbeit der<br />
ARGE finden Sie in letzterem neben den gewohnten Berichten<br />
aus den Seminaren der ARGE Länderberichte – das ist neu und<br />
soll der vertiefenden Information aus unserer Schwerpunktthematik<br />
„Bilaterales“ gelten. Bei II. finden Sie ferner die Rubrik<br />
„Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht“. Dies wird<br />
uns, wie wir meinen noch lange Zeit beschäftigen. Daneben<br />
werden im Fachteil immer wieder Beiträge aus Zeitschriften<br />
in Form eines Zweitdrucks zu finden sein, weil wir sie für wesentlich<br />
und wichtig für die Tagespraxis erachten. Doch soll dies<br />
nicht bedeuten, dass wir nicht doch vor allem sehr daran interessiert<br />
sind, von Ihnen den einen oder anderen Beitrag zu erhalten.<br />
Denn das „Mitteilungsblatt“ soll eben – und dies in erster Linie<br />
– ein Organ der ARGE - von uns und für uns - sein. Auch für<br />
sonstige Anregungen sind wir dankbar.<br />
Berlin und Köln, Mitte November 2011<br />
Malaika Ahlers<br />
Fritz Graf von Westphalen<br />
Mitarbeit erbeten – Mithilfe erwünscht<br />
Sicherlich werden Sie jetzt – spätestens nach der Überschrift<br />
– sagen: „Nicht schon wieder...“ Denn immer wieder ergehen<br />
Appelle, sich doch hier oder dort zu engagieren, etwas zu tun,<br />
was nicht im Kontingent der „billable hours“ vermerkt ist. Die<br />
Redaktion des „Mitteilungsblattes“ weiß dies nur zu gut. Denn<br />
schließlich ist genau ein solcher Appell vor einigen Monaten an<br />
uns selbst adressiert worden. Die Geschäftsführung des DAV<br />
für den Bereich des „<strong>Internationalen</strong>“ hatte, wie Sie alle wissen,<br />
verschiedene neue Gesichter gesehen. Und es war auch dann<br />
deutlich geworden, dass die Geschäftsführung – im Gegensatz<br />
zu früheren Zeiten – nicht mehr für die Gestaltung des „Mitteilungsblattes“<br />
zuständig und verantwortlich sein dürfe. Wir<br />
mussten es also selbst in die Hand nehmen.<br />
In Dr. Philipp Wösthoff haben wir einen in höchstem Maß versierten<br />
Redakteur. Mit unglaublich viel Sachverstand und Engagement<br />
übernimmt er es, das „Mitteilungsblatt“ druckfertig zu<br />
machen, so dass sie – die Mitglieder – es als ein wichtiges Informationsorgan<br />
zwei Mal pro Jahr in Händen haben können. Das<br />
ist eine immense Arbeit. Doch ein solches Blatt lebt als internes<br />
Organ für die Mitglieder der ARGE auch und vor allem von den<br />
Informationen, Mitteilungen und auch Aufsätzen, welche die<br />
Mitglieder selbst beisteuern. Darum, genau darum geht es uns.<br />
Genau in diese Richtung zielt unsere Bitte, unser dringlicher<br />
Appell. Wir möchten Sie herzlich einladen, uns mit Beiträgen<br />
zu überschütten. Wir sind an allen sachlich fundierten und aktuellen<br />
Beiträgen interessiert, ob das Anmerkungen zu Entscheidungen<br />
deutscher oder auch ausländischer Gerichte sind, ob es<br />
gar Fachaufsätze sind – alles ist uns willkommen. Die Bandbreite<br />
der von uns im „Mitteilungsblatt“ anzusprechenden und auch<br />
angesprochenen Themen ist dabei – das wissen Sie aus Erfahrung<br />
– ja nicht auf das Privatrecht oder gar das Kollisionsrecht<br />
begrenzt. Nein, wir sind vielfältig, ob es sich um Beiträge zum<br />
Gesellschaftsrecht, zum Kapitalmarktrecht oder auch Europarecht<br />
handelt – alles findet unser Interesse. Und wenn wir von<br />
der Qualität überzeugt sind, dann findet dann auch der von Ihnen<br />
verfasste Beitrag sicherlich Eingang in das nächst verfügbare<br />
Heft des „Mitteilungsblattes“. Probieren Sie es einfach mal!<br />
Selbstverständlich sind wir auch offen, wenn Sie meinen, dass<br />
irgendwelche wichtigen Themen von Ihnen als Referent für eines<br />
der von uns veranstalteten Seminare angeboten werden sollten.<br />
Denn auch hier freuen wir uns immer wieder, wenn neue<br />
Kräfte nachwachsen, neue Gesichter sich auf das Podium wagen.<br />
Denn das ist ein wichtiges Zeichen für die Lebendigkeit unserer<br />
ARGE.<br />
Kurz: Wir freuen uns über jedes Zeichen der Mitarbeit!<br />
Köln und Berlin, Anfang November 2011<br />
Dr. Malaika Ahlers<br />
Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 5
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Fachanwalt für Internationales Wirtschaftrecht<br />
Der „Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht“:<br />
Eine Bedarfsanalyse<br />
von Rechtsanwalt Dr. Jan Curschmann, Hamburg*<br />
Besteht Bedarf für die Einführung einer Fachanwaltsbezeichnung<br />
„Internationales Wirtschaftsrecht“? Um diese Frage zu klären, hatte<br />
der GfA der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> für<br />
den 12. Oktober 2010 zu einem Workshop nach Frankfurt geladen.<br />
Das Interesse war beachtlich und das Ergebnis des Workshops eindeutig:<br />
die Teilnehmer waren sich einig, dass der GfA diese Initiative<br />
fortführen soll. Jetzt wird es darum gehen, auch die Mitglieder<br />
der gerade neu gewählten Satzungsversammlung zu überzeugen.<br />
Die Vorbereitungen werden noch einige Zeit dauern und Aufwand<br />
erforderlich machen: Mitglieder der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong>, die sich<br />
aufgerufen fühlen, sind zur Mitarbeit willkommen.<br />
A. Gründe für die Einführung einer Fachanwaltsbezeichnung<br />
„Internationales Wirtschaftsrecht“<br />
In der Satzungsversammlung wird heute nicht mehr oder allenfalls<br />
noch vereinzelt die Grundsatzfrage diskutiert, ob Fachanwaltsbezeichnungen<br />
überhaupt notwendig sind. Sie sind nach<br />
heutigem Verständnis aus dem Berufsrecht nicht mehr wegzudenken.<br />
Zwei wesentliche Aspekte werden angeführt: (a) Dem<br />
Mandanten, der den ausgewiesenen Fachmann sucht, soll diese<br />
Suche erleichtert werden. (b) Nur durch überragende Qualität<br />
und Spezialisierung kann die Anwaltschaft sich als alleinige<br />
Vertreterin in allen Rechtsangelegenheiten auf dem umkämpften<br />
Rechtsberatungsmarkt behaupten.<br />
Unter beiden Aspekten bestand nach einhelliger Auffassung der<br />
Teilnehmer des Workshops Bedarf für die Einführung der Fachanwaltsbezeichnung<br />
„Internationales Wirtschaftsrecht“. Die<br />
Mandatsarbeit mit Auslandsbezug betrifft ein in tatsächlicher<br />
Hinsicht abgrenzbares Fachgebiet, welches für große Teile der<br />
Bevölkerung von hoher Wichtigkeit ist. Es zeichnet sich durch<br />
tatsächliche und rechtliche Komplexität aus. Die mit der Einführung<br />
einer entsprechenden Fachanwaltsbezeichnung einhergehende<br />
und sichtbar werdende Spezialisierung führt zu einem<br />
Qualitätszuwachs und schärft das Profil des deutschen Anwaltes.<br />
Damit sind durchaus nicht nur diejenigen deutschen Anwälte<br />
gemeint, die in großen Sozietäten tätig sind: Diese Anwälte<br />
weisen ihre „internationale“ Qualifikation in der Regel durch<br />
den Erwerb eines LL.M. nach. Die neue Fachanwaltsbezeichnung<br />
wird vielmehr gerade die Wettbewerbsfähigkeit von Anwälten aus<br />
kleinen und mittelgroßen Kanzleien und solchen außerhalb der<br />
Großstädte stärken.<br />
Das Fachgebiet „Internationales Wirtschaftsrecht“ ist durch den<br />
geforderten Auslandsbezug eigenständig, gleichzeitig als Querschnittsmaterie<br />
aber auch breit aufgestellt. Wegen des Erfordernisses<br />
des Umganges mit dem Kollisionsrecht und fremden<br />
Rechtsordnungen, anderen Kulturen und anderen Sprachen ist<br />
das Fachgebiet schwierig und erfordert deshalb den Spezialisten.<br />
Der Allgemeinanwalt verfügt in der Regel über diese Kenntnisse<br />
ebenso wenig wie die auf ein Fachgebiet spezialisierten Kollegen.<br />
Ein Allgemeinanwalt wird ferner kaum jemals Gelegenheit<br />
haben, vor dem EuGH oder dem Gericht erster Instanz<br />
aufzutreten. Er wird weder vertiefte Kenntnisse im Europäischen<br />
Wettbewerbsrecht haben noch an internationalen Schiedsverfahren<br />
beteiligt sein. Das sind Fälle für Spezialisten, also den<br />
zukünftigen Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht.<br />
Themenvielfalt, Schwierigkeit und Komplexität der Rechtsmaterie<br />
werden eindrucksvoll durch die zahlreichen internationalrechtlichen<br />
Veröffentlichungen und Fachzeitschriften (RIW,<br />
GRUR International, IHR etc.) belegt.<br />
Die neue Fachanwaltsbezeichnung ist zum bereits existierenden<br />
„Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht“ deutlich<br />
abgegrenzt. Zwar werden nach § 14 i FAO für diesen Fachanwalt<br />
Nachweise über besondere Kenntnisse verlangt im u.a.<br />
„<strong>Internationalen</strong> Handelsrecht“ und „<strong>Internationalen</strong> Gesellschaftsrecht“<br />
– also Rechtsbereichen, die auch für den neu zu<br />
schaffenden „Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht“<br />
unerlässlich sind. Indes: als Querschnitts-Fachgebiet mit vielfältigen<br />
Rechtsbereichen sind die nachzuweisenden Kenntnisse<br />
des neuen Fachanwaltes deutlich anders gewichtet. Durch den im<br />
Vordergrund stehenden Auslandsbezug mit den hierfür erforderlichen<br />
besonderen Kenntnissen und Erfahrungen ergibt sich eine eindeutige<br />
und hinreichende Abgrenzung von anderen Fachanwaltschaften und<br />
insbesondere dem Fachanwalt für „Handels- und Gesellschaftsrecht“.<br />
Die hohe Bedeutung internationaler wirtschaftlicher Beziehungen<br />
deutscher Unternehmen gewährleistet eine breite Nachfrage<br />
nach internationalrechtlichen Beratungsleistungen. Deutschland<br />
ist eine Exportnation mit den sich daraus ergebenden vielfältigen<br />
internationalen Handelsbeziehungen. Für mittelständische<br />
Unternehmen ist es ebenso wie für Großunternehmen heutzutage<br />
selbstverständlich, Tochtergesellschaften oder jedenfalls<br />
Repräsentanzen im europäischen Ausland, vielfach auch auf<br />
anderen Kontinenten zu unterhalten. Viele Bürger haben Vermögen<br />
in anderen Ländern. Ehen zwischen Staatsangehörigen<br />
verschiedener Länder sind heute eine Selbstverständlichkeit, mit<br />
allen sich daraus ergebenden Fragen des Familiengüterrechtes<br />
und Erbrechtes.<br />
Die Einführung einer Fachanwaltsbezeichnung „Internationales<br />
Wirtschaftsrecht“ dient der Erhaltung und Ausweitung anwaltlicher<br />
Tätigkeitsfelder im Wettbewerb mit Dritten. Sie stärkt<br />
die Stellung deutscher Anwälte im Wettbewerb mit ausländischen<br />
Kollegen. Die Notwendigkeit dafür haben die im Jahre 2008 an-<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 71
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
gestoßene Initiative „Law made in Germany“ und ihre Hintergründe<br />
mehr als deutlich gezeigt. Das deutsche Recht und mit<br />
ihm die deutsche Anwaltschaft stehen im internationalen Wettbewerb.<br />
Es geht um die Teilhabe deutscher Anwälte am großen<br />
„Kuchen“ von Beratungsleistungen mit internationalem Bezug.<br />
Dafür kann nur hilfreich sein, wenn es zukünftig einen „bar approved<br />
specialist for international business law“ gibt.<br />
B. Rechtfertigung der vorgeschlagenen Bezeichnung<br />
Voraussetzung für neue Fachanwaltsbezeichnungen ist nach<br />
den Vorgaben der Satzungsversammlung, dass das betreffende<br />
Fachgebiet „hinreichend breit, schwierig und abgrenzbar“ ist.<br />
Die Bezeichnung „Fachanwalt für Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong>“<br />
als Ableitung aus dem Namen der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
erfüllt diese Kriterien nicht. Denn dafür müsste das Fachgebiet<br />
zumindest auch die Rechtsbereiche des internationalen Familienrechts,<br />
des gesamten Ausländerrechts einschließlich des Asylrechtes<br />
und Staatsangehörigkeitsrechtes und schließlich auch<br />
das Völkerrecht einschließen. Damit wäre das Fachgebiet zwar<br />
(äußerst) breit und schwierig, indes nicht hinreichend abgrenzbar<br />
und nicht fokussiert genug.<br />
Ebenfalls nicht in Betracht kommt ein „Fachanwalt für Internationales<br />
Handelsrecht“. In einer Exportnation, wie es Deutschland<br />
ist, muss jeder auf das Handelsrecht spezialisierte Anwalt<br />
mit den internationalen Bezügen seiner Arbeit vertraut sein. Er<br />
muss das einheitliche Kaufrecht kennen, die INCOTERMS und<br />
die UNIDROIT-Regeln, um nur die wichtigsten Rechtsgrundlagen<br />
zu nennen. Die Internationalität seiner Mandatsarbeit ist<br />
für den auf das Handelsrecht spezialisierten Rechtsanwalt nichts<br />
Besonderes, sondern die Regel. Dieses Spezialwissen ist von der<br />
bereits existierenden Fachanwaltsbezeichnung „Handels- und<br />
Gesellschaftsrecht“ abgedeckt.<br />
Die Fachanwaltsbezeichnung „Internationales Wirtschaftsrecht“<br />
erfüllt hingegen die eingangs genannten Anforderungen. Das<br />
Fachgebiet ist hinreichend breit, fraglos schwierig und durch seine<br />
Beziehung zu Wirtschaftsfragen mit Auslandsbezug abgrenzbar.<br />
C. Erwerb der besonderen theoretischen Kenntnisse,<br />
§ 4 FAO<br />
Nach den Vorstellungen des GfA ist der Besuch eines anwaltsspezifischen<br />
Lehrganges im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechts<br />
in der Regel Voraussetzung für den Erwerb der<br />
für die Fachanwaltsbezeichnung relevanten besonderen theoretischen<br />
Kenntnisse. Für die Gesamtdauer des Lehrganges ist von<br />
120 Zeitstunden auszugehen.<br />
Für den Fachbereich „Internationales Wirtschaftsrecht“ ist im<br />
Rahmen eines in die Fachanwaltsordnung (FAO) neu einzufügenden<br />
§ 14 n FAO der Nachweis von Kenntnissen in folgenden<br />
Bereichen vorzusehen, wobei die Verteilung der Zeitstunden<br />
noch festzulegen sein wird:<br />
1.) Kollisionsrecht (IPR);<br />
2.) Grundkenntnisse ausländischen nationalen Vertragsrechtes,<br />
insbesondere englischsprachiger Verträge nach Vorgaben<br />
des Common-law und Droit Continental<br />
3.) Internationales Handelsrecht, insbes. UN-Kaufrecht, IN-<br />
COTERMS, UNIDROIT-Grundregeln des internationalen<br />
Handelsverkehrs, Zollrecht und Grundzüge des grenzüberschreitenden<br />
Forderungseinzuges;<br />
4.) Ausländisches Gesellschaftsrecht, einschließlich Bezügen<br />
zum Steuerrecht;<br />
5.) Grundzüge des nationalen und ausländischen Wettbewerbsrechts,<br />
einschließlich des Kartellrechtes, des Beihilfeund<br />
Subventionsrechtes, des Rechtes über den unlauteren<br />
Wettbewerb und der Bezüge zum Markenrecht;<br />
6.) Internationales Arbeits- und Sozialrecht;<br />
7.) Internationales Insolvenzrecht;<br />
8.) Unternehmensbezogene Grundkenntnisse des internationalen<br />
Familiengüter- und Erbrechtes;<br />
9.) Grundkenntnisse des internationalen Kapitalmarkt- und<br />
Finanzrechtes;<br />
10.) Europäisches Verfahrensrecht, insbesondere Verwaltungsverfahren<br />
sowie Verfahren vor dem EuGH und dem Gericht<br />
Erster Instanz;<br />
11.) Ausländisches und internationales Zivilprozess- und<br />
Schiedsverfahrensrecht, insbes. ICC-Regeln, UNCITRAL-<br />
Regeln, IBA-Rules of taking of evidence.<br />
D. Erwerb der besonderen praktischen Erfahrungen, § 5 FAO<br />
Der Erwerb der für die jeweilige Fachanwaltsbezeichnung erforderlichen<br />
praktischen Erfahrungen setzt nach § 5 FAO voraus,<br />
dass der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor<br />
Antragstellung im betreffenden Fachgebiet als Rechtsanwalt<br />
eine bestimmte Mindestzahl von Fällen persönlich und weisungsfrei<br />
bearbeitet hat. Im Bereich des internationalen Wirtschaftsrechtes<br />
besteht wegen des Auslandsbezuges die Besonderheit,<br />
dass die Fälle vielfach rechtlich und tatsächlich komplex<br />
sind. Der Auslandsbezug bringt ferner mit sich, dass Verfahren<br />
vor (internationalen) Schiedsgerichten oder ausländischen (einschließlich<br />
EU) Gerichten, aber auch im Bereich der Mediation<br />
und im Bereich der Zwangsvollstreckung vor ausländischen<br />
Gerichten bei den Fallzahlen einzubeziehen sind. Es erscheint<br />
deshalb ausreichend, wenn der Antragsteller in den vergangenen<br />
drei Jahren vor Antragstellung 50 Fälle, davon mindestens<br />
10 rechtsförmliche Verfahren bearbeitet hat. Folgende Regelung<br />
befürwortet der GfA nach derzeitigem Beratungsstand:<br />
50 Fälle mit Auslandsbezug, davon mindestens 10 „rechtsförmliche<br />
Verfahren“ vor deutschen oder ausländischen (einschließlich EU)<br />
Gerichten, Schiedsgerichten, bei Mediationsverfahren oder vor<br />
Behörden. Verfahren der Zwangsvollstreckung vor ausländischen<br />
Gerichten gelten als rechtsförmliche Verfahren. Ein Auslandsbezug<br />
liegt insbesondere vor, wenn einer der Beteiligten im Ausland ansässig<br />
oder die Anwendung internationalen oder ausländischen Rechtes zu<br />
prüfen ist. Die Fälle müssen sich auf mindestens drei verschiedene<br />
Bereiche des § 14 n Nr. 2 bis 9 FAO beziehen, wobei mindestens je drei<br />
Fälle auf die Bereiche des § 14 n Nr. 2 und Nr. 3 entfallen müssen.<br />
72 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Veranstaltungsberichte | II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Veranstaltungsberichte<br />
15. Deutsch-Französisches Seminar<br />
„Management rechtlicher Risiken im Unternehmen“<br />
Düsseldorf – Meerbusch, 6./7. Mai 2011<br />
15. Deutsch-Französisches Seminar<br />
von Rechtsanwältin Andrea Hilgard, Königstein/Ts.*<br />
Zum 15. Mal hatten die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> Internationaler<br />
<strong>Rechtsverkehr</strong> im Deutschen Anwaltverein und die internationale<br />
Abteilung der „Association des Avocats Conseils<br />
d`Entreprises“ (ACE) unter der bewährten Federführung der<br />
Kollegen Dr. Michael Brauch, Bénédicte Quérenet-Hahn und<br />
Christian Connor zum Deutsch-Französischen Seminar eingeladen,<br />
das in diesem Jahr am 06. und 07. Mai in Düsseldorf -<br />
Meerbusch stattfand. Bei strahlendem Wetter mit beinahe schon<br />
sommerlich anmutenden Temperaturen fanden sich die zahlreichen<br />
Teilnehmer am Rhein ein, um im Wesentlichen – dem Titel<br />
der Veranstaltung folgend - der Frage nach dem Management<br />
rechtlicher Risiken in Unternehmen nachzugehen.<br />
Es saßen daher auf dem Podium nicht nur Anwälte, sondern<br />
auch Unternehmensjuristen, die täglich darüber befinden müssen,<br />
wie sie intern und durch externe Berater die rechtlichen<br />
Risiken für ihre Unternehmen steuern und begrenzen können.<br />
Hierbei wurde schnell klar, dass die Unternehmen im Gegensatz<br />
zu früher heute ein viel größeres Augenmerk auf die den einzelnen<br />
Aktivitäten der Unternehmen innewohnenden Risiken<br />
verwenden (müssen), um je nach Erkenntnis präventiv tätig zu<br />
werden, indem sie Kontrollsysteme zur Überwachung und Steuerung<br />
rechtlicher Risiken schaffen. Die Frage ist also, wie sie<br />
diese Risiken begrenzen können, idealerweise sogar verhindern,<br />
zumindest annähernd. Schließlich steht auch und vornehmlich<br />
die Reputation der Unternehmen auf dem Spiel. Dies erklärt die<br />
zunehmend zu beobachtende Tendenz von Unternehmen, sich<br />
eigenen Compliance-Regeln zu verpflichten, um die Einhaltung<br />
geltenden Rechts sowie interner Richtlinien und Grundsätze sicherzustellen.<br />
In diesem Zusammenhang kommt dem Faktor Zeit eine wesentliche<br />
Rolle zu: Die zunehmende Internationalisierung und<br />
die immer komplexer werdenden Gesetze (deren Einhaltung<br />
sich zunehmend schwierig gestaltet) erhöhen die Gefahr eines<br />
Rechtsverstoßes immens. Unternehmensinhaber und Geschäftsführer<br />
von Unternehmen sehen sich verstärkt in der Pflicht,<br />
dafür zu sorgen, dass geltendes Recht im Unternehmen eingehalten<br />
wird. Die Anforderungen können dabei nach Unternehmensgröße<br />
und Branche variieren. Die Unternehmen sind<br />
so gezwungen, wirksame Systeme zu erarbeiten, die nicht nur<br />
den aktuellen Risiken die Stirn bieten, sondern gleichermaßen<br />
vorausschauend auch etwaige zukünftige Risiken mit einbeziehen.<br />
Ein Ziel des Seminars war es daher, aufzuzeigen, welche<br />
Rolle einerseits dem Unternehmensjuristen bei der Beurteilung<br />
von Risiken seines Unternehmens und welche Rolle andererseits<br />
dem Anwalt als externem Berater in diesem Gefüge zukommt.<br />
So widmete sich der erste Teil des Seminars dem Management<br />
von Produktrisiken, von Umweltrisiken sowie von Gesundheits-<br />
und Sicherheitsrisiken für die Mitarbeiter. Aufgrund der<br />
anschaulichen, zum Teil auch bestürzenden Beispiele aus den<br />
genannten Bereichen waren sich Unternehmensjuristen und<br />
Anwälte einig, dass sich die Begrenzung der Risiken in zwei<br />
Etappen vollziehen müsse: In der Einschätzung und Bewertung<br />
der Risiken einerseits und in der Aufstellung wirksamer Präventionsmaßnahmen<br />
andererseits. Hierbei ist ein enges Zusammenwirken<br />
zwischen den „opérationnels“, Ingenieuren und Juristen<br />
innerhalb der Unternehmen gefragt, denn allein die umfassende<br />
Kenntnis aller betrieblichen Sachvorgänge versetzt sowohl den<br />
Unternehmensjuristen als auch den Anwalt in die Lage, dem<br />
Unternehmen geeignete Präventionsmaßnahmen zur Risikobegrenzung<br />
vorzuschlagen.<br />
Der zweite Teil des Seminars war dem Vertragsmanagement<br />
sowie der Steuerung von Rechtsstreitigkeiten im Unternehmen<br />
gewidmet. Bemerkenswert ist, welche ausgefeilten Profile einige<br />
Unternehmen aufgestellt haben, die sie den jeweiligen Verantwortlichen<br />
bei der Durchführung ihrer unternehmerischen<br />
Geschäfte an die Hand geben. Diese Profile erlauben eine umfassende<br />
Begleitung einer Aktivität bereits im Vorfeld eines Vertrages<br />
über den Vertragsschluss hinaus während dessen gesamter<br />
Laufzeit bis hin zu seiner Beendigung. Dies bewirkt eine<br />
kontinuierliche Kontrolle der Vertragsbeziehungen zwischen<br />
dem Unternehmen und seinen Vertragspartnern.<br />
Durch die Aufstellung dieser Profile und deren ständige Überprüfung<br />
mit gelegentlicher Anpassung können die Unternehmen<br />
ihre Bedürfnisse präzise definieren. Und hier kommt der<br />
Anwalt als externer Berater ins Spiel: Seine Inanspruchnahme<br />
ist vornehmlich bei größeren Geschäften gefragt, die er aufgrund<br />
seiner Spezialkenntnisse juristisch zuverlässig betreut, indem<br />
er von Anfang an in das Geschäft mit einbezogen ist, die<br />
Risiken aufzeigt, das Prozedere vorgibt, die Unternehmen vor<br />
allem auch vorausschauend berät und sie bei etwaigen Prozessen<br />
vertritt.<br />
Im letzten Teil des Seminars standen aktuelle Tendenzen bei<br />
der zivil- und strafrechtlichen Inanspruchnahme der Unternehmensleitung<br />
sowie ein immer wieder aktuelles berufsrechtliches<br />
Thema auf dem Programm, und zwar die Möglichkeit der Begrenzung<br />
der persönlichen Berufshaftung des Anwalts. In diesem<br />
Zusammenhang wurde insbesondere der Frage nachgegangen,<br />
wie Anwälte durch Vertrag oder Gestaltung der Rechtsform<br />
ihrer Kanzlei ihre persönliche Haftung begrenzen können.<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 73
II. Aus der Arbeit der ARGE | Veranstaltungsberichte<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
An dieser Stelle gebührt den engagierten Referenten großer<br />
Dank, namentlich Dr. Ulrich Hagel (Bombardier Transportation<br />
GmbH, Berlin), Kai Uwe Klichowski (SPX International<br />
eG, Garching), Susanne Margossian (United Pharmaceuticals,<br />
Paris), Alexandre Moustardier (Hugo Lepage, Paris), Pierre<br />
Thourel (Essilor International, Paris) und Evelyne de la Chesnaye<br />
(DuPont de Nemours, Paris) für den Unternehmensbereich<br />
sowie William Feugère (Campbell, Philippart, Laigo et Associés,<br />
Paris), Dr. Philipp Göz (Noerr LLP, München), Christophe<br />
Gronen (BMH Avocats, Paris), Mary-Daphné Fishelson (La Garanderie<br />
et Associés), Véronique Fröding (Gide, Paris), Dr. Johannes<br />
Grooterhorst (Grooterhorst & Partner Rechtsanwälte,<br />
Düsseldorf), Prof. Dr. Hans-Jürgen Hellwig (Hengeler Mueller,<br />
Frankfurt a. M.), Carsten Laschet und Prof. Dr. Friedrich<br />
Graf von Westphalen (Friedrich Graf von Westphalen & Partner,<br />
Köln) und Alexander Schemmel (Roxin Rechtsanwälte<br />
LLP, München) aus dem Bereich der Anwaltschaft. Dank auch<br />
der Erfahrungen und Beobachtungen des aufmerksamen Auditoriums<br />
entfachte sich eine äußerst lebhafte und ertragreiche<br />
Diskussion zu den behandelten Themen, wie sie dem Deutsch-<br />
Französischen Seminar eigen ist.<br />
Nach dem offiziellen Teil luden unsere treuen Freunde, die Eheleute<br />
Dr. Grooterhorst aus Düsseldorf, alle Seminarteilnehmer und<br />
deren Begleiter zu einem stimmungsvollen Cocktail zu sich nach<br />
Hause ein. Der Abend klang in geselliger Runde bei anregenden<br />
Gesprächen in einem hervorragenden Restaurant am Rhein aus.<br />
Wir freuen uns schon jetzt auf Sie beim 16. Deutsch-Französischen<br />
Seminar zu einem sicherlich spannenden und aktuellen<br />
Thema am 11. und 12. Mai 2012 im französischen Evian – also<br />
bitte gleich den Termin vormerken!<br />
* Rechtsanwältin<br />
Andrea Hilgard<br />
61462 Königstein/Ts.<br />
kanzlei@rahilgard.de<br />
74 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Veranstaltungsberichte | II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Gemeinsames Seminar mit der Section of International Law (SIL) der ABA<br />
„2nd Annual Conference on Transatlantic Deals & Disputes“, München, 19./20. Juni 2011<br />
Erfolgreiche zweite deutsch-amerikanische Seminartagung<br />
<br />
von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hanns-Christian Salger, LL.M., Frankfurt*<br />
Nach dem großen Erfolg des gemeinsamen von der DAV <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> und der ABA Section<br />
of International Law am 21. Juni 2010 in Frankfurt am Main veranstalteten<br />
Seminars “Transatlantics Deals & Disputs; How to avoid<br />
shipwrecks in U.S. – German Business“ fand am 20. Juni 2011<br />
in München die Folgeversanstaltung unter dem Titel „Successfully<br />
Navigating Hazardous Waters: The Second Annual Conference<br />
on Transatlantic Deals and Disputes“ statt. Die Teilnehmerzahl<br />
überschritt erneut die Einhundertergrenze. Neben zahlreichen bekannten<br />
Gesichtern auf deutscher wie amerikanischer Seite waren<br />
wiederum Teilnehmer nicht nur aus den USA und Deutschland,<br />
sondern auch aus Frankreich, Österreich, Tschechien, der Schweiz,<br />
den Niederlanden, Luxemburg und Belgien angereist. Das anspruchsvolle<br />
Tagungsprogramm gliederte sich nach einer vormittäglichen<br />
Plenarsitzung in die zwei im Programmtitel „Deals &<br />
Disputes“ anklingenden Tagungsstränge, den Transaction Track<br />
und den Dispute Resolution/Litigation Track. Im Transaction<br />
Track wurden unter dem Titel „The New Workforce – global and<br />
mobile“ unter der Moderation von Gabrielle M. Buckley auf arbeitsrechtliche<br />
Fragen im weitesten Sinne (Immigration, Privacy<br />
Regulation, discrimination, Social Media etc.) Antworten von zwei<br />
amerikanischen Anwälten (Philip M. Berkowitz, New York und<br />
Teri A. Simmons, Atlanta) sowie zwei deutschen Anwälten (Dr.<br />
Thomas Müller-Bonanni, Düsseldorf und Bettina Offer, Frankfurt)<br />
gesucht und gegeben. Das Data Protection und Privacy-Thema<br />
wurde am späteren Nachmittag in einer zweiten Veranstaltung<br />
unter Moderation von Wilhelm J. Ziegler aus Atlanta auch unter<br />
dem Gesichtspunkt der nationalen (vor allem U.S.) Sicherheitsvorkehrungen<br />
und ihrer Grenzen weiterverfolgt. Die amerikanische<br />
Sichtweise wurde dabei von Pamela Jones Harbour, Washington<br />
D.C., vertreten; die europäische von Dr. Ulrike Elteste, Frankfurt,<br />
Günther Leissler, Wien, und Dr. Christian Laux, Zürich.<br />
Zuvor war am frühen Nachmittag nach dem luncheon, das eine<br />
willkommene Gelegenheit zum Networking bot, im Transaction<br />
Track die Frage der Durchgriffshaftung oder in amerikanischer<br />
Sprachweise des sogenannten „Piercing of the Corporate Veil“ erörtert.<br />
Jürgen Ostertag aus New York stand dabei ebenfalls drei<br />
Rechtsanwälten aus den deutschsprachigen Ländern gegenüber,<br />
dem Verfasser aus Frankfurt, Bettina Knoetzl aus Wien und Dr.<br />
Katja Roth Pelanda aus Zürich. Bei der über das deutsche Verständnis<br />
der Durchgriffshaftung (von der Gesellschaft auf die Gesellschafter)<br />
hinausgehenden Diskussion, die auch die Haftung<br />
von directors, also Aufsichtsräten und Vorständen bzw. Geschäftsführern<br />
einschloss, zeigte sich, dass Rechtsdogmatik und Rechtspraxis<br />
nicht nur zwischen den beiden EU-Staaten, Deutschland<br />
und Österreich, sondern auch mit der Schweiz sehr ähnlich sind.<br />
Auch die aus einem von der deutschrechtlichen Gesellschaftsrechtslehre<br />
sehr unterschiedlichen Verständnis kommende amerikanische<br />
Rechtsprechung kommt allerdings in den meisten Fällen<br />
zu vergleichbaren Ergebnissen.<br />
In der verfahrensrechtlichen Abteilung wurde unter dem Titel<br />
„US. Discovery of German, Austrian and Swiss Parties and<br />
Non-Parties: A Square Peg in a Round Hole?“ der Dauerbrenner<br />
discovery in allen Aspekten unter dem Vorsitz von Birgit<br />
Kurtz aus New York von Eckard von Bodenhausen, Hamburg,<br />
Dr. Anke Meier, München, Dr. Christian Klausegger, Wien und<br />
Pierre-Yves Gunter, Genf sowie Torsten M. Kracht, Washington<br />
D.C., diskutiert und – dankenswerterweise häufig en detail beschrieben<br />
und erklärt. Wie so oft bei der Diskussion von discovery<br />
und insbesondere pre-trial discovery stand neben der Frage,<br />
nach dem Wie und Warum auch das wie kann ich es vermeiden<br />
im Zentrum.<br />
Nach der Mittagspause schloss sich in diesem Track ein von Florian<br />
Neumayr aus Wien moderiertes Kartellrechtsfragen betreffendes<br />
Seminar an, das von Dr. Friedrich-Wenzel Bulst, Brüssel,<br />
Thomas B. Paul, Düsseldorf, Megan E. Jones, Washington D.C.<br />
und Kylie Sturtz, Leuven, bestritten wurde.<br />
Den Abschluss machte ein neben den Rechtsanwälten Dr. Clemens<br />
Tobias Steins und Florian Bruder, auch von zwei Syndikus-Anwälten,<br />
Iris Mok, Intel Mobile Communications GmbH<br />
und Michael Tierney, Infineon Technologies AG alle aus München,<br />
bestrittenes patentrechtliches Seminar, in dem die interessierten<br />
Hörer in wichtige Aspekte patentrechtlicher Praxis von<br />
der Verfolgung von Patenrechtsverletzungen bis zum Auslizenzieren<br />
einschließlich Insolvenzrisiken u. s. w. eingeführt wurden.<br />
Das in jeder Hinsicht fachlich wie atmosphärisch bei herrlichem<br />
bayerischem Sommerwetter von allen Teilnehmern genossenes<br />
Seminar, fand seinen kulinarischen Abschluss im Restaurant<br />
Hunsinger. Es besteht die Erwartung, dass die deutsch-amerikanischen<br />
Seminare, wenn nicht jährlich, so doch biannually fortgesetzt<br />
werden. An Themen wird es sicherlich nicht mangeln.<br />
Gespannt darf man sein, ob der Titel wieder maritime Anleihe<br />
nimmt.<br />
* Rechtsanwalt/Attorney at Law (N.Y.)<br />
Prof. Dr. Hanns-Christian Salger, LL.M.<br />
Fachanwalt für Handels- und<br />
Gesellschaftsrecht<br />
sowie gewerblichen Rechtsschutz<br />
SALGER Rechtsanwälte<br />
60598 Frankfurt<br />
salger@salger.com<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 75
II. Aus der Arbeit der ARGE | Veranstaltungsberichte<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Fachveranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss<br />
„Außergerichtliche Konfliktbeilegung“ / ARGE Syndikusanwälte „Privileges of In-House-Counsels“<br />
Fachveranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Ausschuss<br />
„Außergerichtliche Konfliktbeilegung“ 1<br />
von Rechtsanwalt Thomas Marx, Brüssel*<br />
Das Beste kommt zum Schluss. Der Devise trug auch auf die<br />
zeitlich letzte Veranstaltung des Anwaltstages mit solider Teilnehmerzahl<br />
und einem berufspolitisch hochinteressanten Thema<br />
Rechnung. Der Ausschuss Alternative Konfliktbeilegung<br />
und die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong>en Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong><br />
und Syndikusanwälte versammelten am 4. Juni 2011 ein hochkarätiges<br />
Podium, um das Verhältnis von Syndikusanwälten und<br />
extern niedergelassenen Anwälten zu diskutieren. Den Hintergrund<br />
bildeten die EuGH-Entscheidung Akzo Nobel und der<br />
Syndikusbeschluss des Bundesgerichtshofs vom 7. Februar 2011.<br />
Überraschenderweise konnte Moderator Dr. Christian Duve am<br />
Ende vor allem Gemeinsamkeiten feststellen. Dass der EuGH<br />
bei Kartelluntersuchungen keine geschützten „blackboxes“<br />
habe zulassen wollen, sei für sich genommen richtig. Das Ziel,<br />
ermittlungsfreie Räume im Unternehmen zu erreichen, indem<br />
der EuGH das Anwaltsgeheimnis für den Unternehmensanwalt<br />
streiche, gehe an der Sache vorbei. Verfahrensrechtsexperte<br />
Prof. Dr. Burkhard Hess, Universität Heidelberg, stimmte der<br />
Analyse zu. Der EuGH sei die falsche die falsche Instanz, um<br />
Rolle und Rechte der Unternehmensanwälte zu regeln und forderte<br />
den Gesetzgeber auf, Klarheit zu schaffen.<br />
Der Syndikusanwalt sei kein Rechtsverhinderer, sondern Anwalt<br />
im Unternehmen und damit erster Ansprechpartner, wenn<br />
es um die Einhaltung des Rechts in der Wirtschaft gehe, so Siemens-Syndikusanwalt<br />
Dr. Ulrich Bauer. Die vom EuGH bemühte<br />
Unabhängigkeit tauge nicht als Abgrenzungskritierium.<br />
Unabhängigkeit sei letztlich eine Charakterfrage. Das Unternehmen<br />
als Mandant wolle vom Syndikusanwalt ebenso wie<br />
vom externen Anwalt eine klare Rechtsauskunft und keine Abnicker.<br />
Einen Anstellungsvertrag hätten auch viele externe Anwälte<br />
mit ihren Kanzleien.<br />
Auch Prof. Dr. Siegfried Elsing, der auf dem Panel die extern<br />
niedergelassene Anwaltschaft vertrat, kritisierte den Generalverdacht<br />
gegenüber Syndikusanwälten, den das Akzo-Urteil<br />
zum Ausdruck bringe. Strukturelle Unterschiede ließen sich al-<br />
lerdings nicht leugnen, sei es der Grad wirtschaftlicher Abhängigkeit,<br />
das Haftungsprivileg des Syndikusanwalts gegenüber<br />
dem Arbeitgeber oder die Nichtpostulationsfähigkeit gemäß §<br />
46 BRAO. Dr. Dietrich Rethorn, Chefsyndikusanwalt der Hessisch-Thüringischen<br />
Landesband, wies auf die Zweischneidigkeit<br />
des § 46 BRAO hin: „Historisch betrachtet ist das eine Konkurrenzschutzklausel.“<br />
Das Gefühl der Konkurrenz sei immer<br />
noch da. Dabei, so Rethorn, gäbe es sicher viele Mandate für externe<br />
Rechtsanwälte nicht, wenn nicht zuvor die Syndikusanwälte<br />
die rechtlichen Probleme eines Sachverhaltim Unternehmen<br />
herausarbeiten würden.<br />
Bauer verdeutlichte die Aufgabenverteilung zwischen Externen<br />
und Syndikusanwälten, Unternehmen bräuchten den Sachverstand<br />
des externen Anwaltspunktuell:„Wenn er für das Unternehmen<br />
mehr sein soll, muss er Syndikusanwalt werden.“<br />
Hesskonstatierte einen Umbruch im Leitbild des Anwalts und<br />
fragte, „§ 46 BRAO – Wozu brauchen wir den?“. In den Mittelpunkt<br />
der Diskussion, so Elsing, gehöreder Rechtsschutz des<br />
Mandanten und das damit verbundene Recht als Mandant, sich<br />
seinen Rechtsbeistand frei zu wählen. „Wir müssen betonen, wir<br />
sind Anwälte. An EuGH und BGH gerichtet, lautet die Frage:<br />
Rechtfertigen die Unterschiede zwischen extern niedergelassenen<br />
Anwälten und Syndikusanwälten eine unterschiedliche Behandlung?“.<br />
Eine Frage, mit der der nächste Anwaltstag beginnen könnte.<br />
* Rechtsanwalt<br />
Thomas Marx<br />
Geschäftsführer Deutscher Anwaltverein<br />
Abteilung EU-Angelegenheiten<br />
B-1040 Brüssel<br />
1<br />
Es handelt sich bei dem Beitrag um eine Zweitveröffentlichung des Beitrages des<br />
Autors aus dem AnwBl 2011, S. 643.<br />
76 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Veranstaltungsberichte | II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Fachveranstaltung in Zusammenarbeit mit der Association Internationale des Jeunes Avocats (AIJA)<br />
„Wichtige Klauseln in internationalen Handelsverträgen – Ein Praxis Workshop“<br />
ARGE, AIJA und wichtige Klauseln in <strong>Internationalen</strong><br />
Handelsverträgen<br />
von Rechtsanwalt Dr. Thomas Miller, Berlin*<br />
Die Symbiose ARGE, AIJA und wichtige Klauseln in <strong>Internationalen</strong><br />
Handelsverträgen mündete beim 62. Deutschen Anwaltstag<br />
in Straßburg in einem Praxis-Workshop. Die ARGE<br />
und die AIJA, Association Internationale des Jeunes Avocats, die<br />
sich als einzige weltweite Vereinigung junger Juristen versteht,<br />
kooperieren seit Mitte der 90er Jahre; eine Reihe von Seminaren<br />
wurden erfolgreich gemeinsam organisiert. Es besteht das<br />
Bestreben, diese Kooperation fortzusetzen, und zwar auch um<br />
AIJA-Mitglieder, die ihre aktive Tätigkeit dort mit Erreichen<br />
des 45. Lebensjahres beenden müssen, für die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong><br />
zu begeistern und zu gewinnen. Dies war in der Vergangenheit<br />
durchaus erfolgreich. Der 62. Deutsche Anwaltstag, der<br />
in Straßburg stattfand, also ein „internationaler“ war, bot in besonderem<br />
Maße die Gelegenheit zur Einbindung in die AIJA in<br />
das Programm des Anwaltstages.<br />
Thema (oder „Topic“) waren wichtige Klauseln in <strong>Internationalen</strong><br />
Handelsverträgen. Vorgestellt wurden diese von Christine<br />
Borfiga, Wragge & Co., Paris, Oliver Cleblad, Mannheimer<br />
Swartling, Frankfurt/Main und Dr. Hendrik Thies, Friedrich<br />
Graf von Westphalen & Partner, Freiburg, diskutiert wurden sie<br />
mit den rund 40 Teilnehmern.<br />
An einem informativen Beispiel der Cuckoo Clock International<br />
GmbH, ein namenhafter Hersteller von patentierten Kuckucksuhren,<br />
wurden die mit einer internationalen Tätigkeit einhergehenden<br />
möglichen Schwierigkeiten und Risiken aufgedeckt,<br />
beginnend mit einer wirksamen, praktikablen und vor allem<br />
interessengerechten Rechtswahlklausel. Aus der unbedarften<br />
Wahl des Rechts eines Drittstaates, nur weil sich beide Vertragsparteien<br />
nicht auf eines der nationalen Rechte einigen können,<br />
kann durchaus die „berühmte Wundertüte“ werden, mit für den<br />
Mandanten nur schwer abschätzbaren Risiken.<br />
Dies zeige bereits ein Vergleich des deutschen und französischen<br />
Rechts. So sind Gewährleistungsrechte, Schadensersatzhaftung,<br />
Verjährungsfrist im bürgerlichen Gesetzbuch einerseits und<br />
dem Code Civil andererseits zum Teil unterschiedlich geregelt,<br />
obwohl die beiden Rechtssysteme doch eng verbunden sind.<br />
Eindrucksvoll wurde die Problematik dargelegt bei der Kaufpreisabsicherung<br />
durch einen Eigentumsvorbehalt, bei garantie-<br />
bzw. schuldversprechensähnlichen Verpflichtungserklärungen<br />
(„Letter of Commitment“/Bankgarantie/-bürgschaft) oder<br />
einem Dokumentenakkreditiv („Letter of Credit“). Praxisübliche<br />
Standardvertragsbedingungen wie UCP 600, URDG 758,<br />
URC 522, ISP 1998 (abzurufen unter http://www.iccwbo.org/<br />
policy/banking/) und die Incoterms (International Commercial<br />
Terms), die von der <strong>Internationalen</strong> Handelskammer (International<br />
Chamber of Commerce – ICC) entwickelt wurden stellten<br />
die Referenten vor und erläuterten diese.<br />
Der Anspruch des Mandanten aus dem bestgestalteten Vertrag<br />
ist aber dann nicht werthaltig, wenn er tituliert nicht vollstreckt<br />
werden kann. Dies ist wiederum bei der Wahl des Gerichtsstandes<br />
zu berücksichtigen: Deutsche Titel können etwa in China,<br />
Korea, Jemen oder Saudi-Arabien – wenn überhaupt nur mit<br />
großen Problemen vollstreckt werden; in den USA variiert die<br />
Vollstreckbarkeit von Staat zu Staat. Auch das ist bei der Gestaltung<br />
der Verträge zu berücksichtigen. Vielfach wird sich deshalb<br />
der Abschluss einer Schiedsabrede empfehlen.<br />
An der als Workshop ausgelegten Veranstaltung beteiligten sich<br />
die rund 40 Teilnehmer aktiv an der Diskussion. Es war eine gelungene<br />
Veranstaltung.<br />
* Rechtsanwalt/Notar<br />
Dr. Thomas Miller<br />
HEUSSEN Rechtsanwaltsgesellschaft mbH<br />
10719 Berlin<br />
Thomas.miller@heussen-law.de<br />
Empfehlenswerter wäre dann schon z.B. das UN-Kaufrecht zu<br />
vereinbaren, das aber ggf. auch anzupassen ist. Es ist der Kautelarjurist<br />
gefragt, der bei seinen Klauseln die internationalen Besonderheiten<br />
zu berücksichtigen hat.<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 77
II. Aus der Arbeit der ARGE | Veranstaltungsberichte<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Luncheon zum Thema „Menschenrechte“: Vorstellung der Arbeit von „Avocats sans frontières“<br />
Luncheon zum Thema „Menschenrechte“:<br />
Vorstellung der Arbeit von Avocats sans frontières 1<br />
von Katrin Frank<br />
Ruanda, Kambodscha und Mali sind Beispiele für Länder, in<br />
denen der Zugang zum Recht für viele Menschen mit Unwägbarkeiten<br />
verbunden ist. Der Aufbau der Rechtsstaatlichkeit ist<br />
vordringlich. François Cantier, Präsident der französischen Vereinigung<br />
„Avocats sans Frontières France“, setzt sich gemeinsam<br />
mit Kolleginnen und Kollegen hierfür ein. Im Rahmen des traditionellen<br />
Luncheons lud ihn die <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> Internationaler<br />
<strong>Rechtsverkehr</strong> ein, über seinen Einsatz und das Engagement<br />
der französischen Anwaltschaft zu sprechen.<br />
Cantier zufolge sind Anwälte nicht nur Partner in der Sache,<br />
wenn es um Gerechtigkeit und Freiheit in Europa geht. Er betont,<br />
dass sich die Anwaltschaft gerade an solchen Orten engagieren<br />
muss, wo Kolleginnen und Kollegen bedroht und verfolgt<br />
werden. Auch gelte es Menschen Rechtsbeistand zu leisten, wenn<br />
er ihnen ansonsten verwehrt würde. So setzte sich „Avocats sans<br />
Frontières“ nach dem Genozid in Ruanda besonders vehement<br />
für die Aufklärung von Kriegsverbrechen ein. Die Organisation<br />
unterstützte die Arbeit vor Ort durch dringend benötigtes anwaltliches<br />
Know-how. „Allein das Engagement lokaler Kräfte<br />
wäre der Lage nicht gerecht geworden“, so Cantier.<br />
Damit sich die Kollegen optimal auf den Einsatz im Ausland<br />
vorbereiten können, bietet ihnen „Avocats sans Frontières“ Trainings-<br />
und Fortbildungsveranstaltungen an. Finanziert wird die<br />
Arbeit der Organisation durch Spenden von Kanzleien, Kammern,<br />
Stiftungen und Ländern.<br />
Das traditionelle Luncheon der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> Internationaler<br />
<strong>Rechtsverkehr</strong> war in diesem Jahr ein Appell an das deutsche<br />
Auditorium. Cantier rief die rund 70 Teilnehmer dazu auf,<br />
selbst Initiative zu ergreifen und sich in dem internationalen<br />
Netzwerk zu engagieren. Denn eine deutsche Sektion der seit<br />
1992 bestehenden Organisation gibt es bislang nicht.<br />
1<br />
Es handelt sich um eine Zweitveröffentlichung des Beitrages aus AnwBl 2011, S. 555.<br />
78 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
„Die Verantwortung der Mutter- für Ihre Tochtergesellschaft in Deutschland und Frankreich –<br />
zivil-, arbeits- und strafrechtliche Aspekte“<br />
16ème SEMINAIRE FRANCO / ALLEMAND 2012<br />
16. DEUTSCH-FRANZÖSISCHES SEMINAR 2012<br />
11 / 12 MAI 2012 – EVIAN<br />
Evian Resort<br />
Association des Avocats Conseils d‘Entreprises<br />
114/116, av. de Wagram – 75017 Paris<br />
Tel. 33 (0)1 47 66 30 07<br />
mc.midavaine@avocats-conseils.org<br />
www.avocats-conseils.org
II. Aus der Arbeit der ARGE | Veranstaltungsberichte<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Veranstaltungsübersicht 2012<br />
Frühjahr 2012<br />
11./12. Mai<br />
2012<br />
Deutsch-Englisches Seminar in<br />
Kooperation mit dem Bar Council of<br />
England and Wales<br />
Ort: Hamburg<br />
16. Deutsch-Französisches Seminar<br />
Ort: Evian (Frankreich)<br />
14. – 16. Mai<br />
2012<br />
N.N.<br />
Thema: „Die Verantwortung der ausländischen<br />
Mutter- für Ihre Tochtergesellschaft<br />
in Deutschland und Frankreich –<br />
zivil-, arbeits- und strafrechtliche Aspekte“<br />
(Arbeitstitel)<br />
63. Deutscher Anwaltstag<br />
Ort: München<br />
Die ARGE plant während des Deutschen<br />
Anwaltstages in München zwei Veranstaltungen<br />
zu der „Kunst des Anwalts in unterschiedlichen<br />
Kulturen“ bei Vertragsverhandlungen<br />
sowie bei Plädoyers ebenso<br />
wie das traditionelle Luncheon mit einem<br />
Gastredner zum Thema Menschenrechte.<br />
Die Sprecher sind angefragt.<br />
Gemeinsames Seminar mit der ARGE<br />
Handels- und Gesellschaftsrecht<br />
Ort: Warschau<br />
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
ich freue mich, Sie an dieser Stelle wieder begrüßen zu dürfen.<br />
Nachdem sich der neue Aufbau des Mitteilungsblattes<br />
bewährt hat, glänzt das Mitteilungsblatt nun wieder in einem<br />
leicht abgewandelten Gewand. Ich hoffe, Sie haben Spaß<br />
beim Lesen der interessanten Beiträge und Berichte.<br />
Ich darf mir erlauben, alle Leserinnen und Leser zu bitten, interessante<br />
Sachverhalte mit internationalem Bezug, Beiträge<br />
jeglicher Form, Aufsätze oder auch Urteile sowie Ideen für<br />
etwas Neues an die unten angegebene Adresse zu senden.<br />
Vorzugsweise sollten die zu veröffentlichen Beiträge in<br />
elektronischer Form als Word-Dokument zugeleitet werden.<br />
Zudem wäre es wünschenswert, wenn dem Beitrag ein Bild<br />
des Verfasser oder Bilder der jeweiligen Tagung beigefügt<br />
wären.<br />
Schriftleitung:<br />
schriftleitung-mitteilungsblatt@gmx.de<br />
Die im Mitteilungsblatt veröffentlichten Beiträge mit Verfasserangabe<br />
geben die Ansicht der Autoren wieder, nicht die<br />
des Herausgebers oder der Redaktion. Das Mitteilungsblatt<br />
erscheint in der Regel zweimal jährlich. Der Redaktionsschluss<br />
für das nächste Mitteilungsblatt ist am 31. Mai 2012.<br />
Für Hinweise, Verbesserungsvorschläge oder weitere Anregungen<br />
bin ich Ihnen dankbar.<br />
Dr. Philipp Wösthoff<br />
(Schriftleitung)<br />
80 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Vertiefender Beitrag aus dem Newsletter<br />
Rechtsanwalt Prof. Dr. Friedrich Graf von Westphalen, Köln<br />
Aus dem reichhaltigen Material, welches Monat für Monat im „Newsletter“ erscheint,<br />
habe ich mir vorgenommen, jeweils für das „Mitteilungsblatt“ eine wichtige Entscheidung herauszugreifen,<br />
die einer weitergehenden Kommentierung unterzogen werden soll.<br />
Bestimmung des für die ausschließliche internationale<br />
Zuständigkeit maßgeblichen Sitzes einer Gesellschaft in einem<br />
EU-Mitgliedsstaat<br />
Der BGH (NZG 2011, 1114) hat eine sehr wichtige Entscheidung<br />
gefällt, die sich u.a. mit der Anwendbarkeit von Art. 22 Nr. 2 Eu-<br />
GVVO befasst hat. Um den maßgeblichen Sitz einer Gesellschaft<br />
in einem EU-Mitgliedsstaat, einer „Limited“, mit ihrem tatsächlichen<br />
Sitz in Deutschland rankt sich eine Fülle von prozessualen<br />
und kollisionsrechtlichen, aber auch praktischen Fragen, die<br />
nachfolgend kurz, aber vertiefend apostrophiert werden sollen:<br />
1. Der Sachverhalt, der der Entscheidung des BGH vom<br />
12.7.2011 – II ZR 28/10 – zugrunde liegt, ist rasch erzählt. Die<br />
Gesellschaft ist eine nach dem Recht des Vereinigten Königsreichs<br />
gegründete „Private Limited Company“; sie hat ihren<br />
eingetragenen Sitz in England. Sie ist die persönlich haftende<br />
Gesellschafterin einer V-Ltd. & Co. KG, welche ihrerseits einen<br />
Sitz in Deutschland hat. Der Kläger besaß 99 von 200 Geschäftsanteilen<br />
an der „Limited“. In Abwesenheit des Klägers<br />
beschloss die Gesellschafterversammlung, ihn als „Direktor“<br />
abzuberufen. Die Klage richtet sich gegen die Wirksamkeit<br />
der gefassten Beschlüsse.<br />
1.1 Der Kläger klagt in Deutschland, weil hier der tatsächliche<br />
Sitz der Gesellschaft sei. Er trägt vor, dass die die Gesellschafterversammlung<br />
nicht ordnungsgemäß einberufen war und<br />
folglich auch keine Beschlussfähigkeit vorlag. Für derartige<br />
Streitigkeiten war im Gesellschaftsvertrag bestimmt, dass diese<br />
„den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland zugewiesen“<br />
werden, „sofern die Gesellschaft ihren tatsächlichen Verwaltungssitz<br />
in der Bundesrepublik Deutschland unterhält“.<br />
1.2 Doch genau diese Klausel hielt den „Härtetest“ eines Gerichtsverfahrens<br />
nicht stand.<br />
2. Ausgangspunkt für die Entscheidung des BGH war die Festlegung,<br />
dass hier für die Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeit<br />
Art. 22 Nr. 2 EuGVV zur Anwendung berufen<br />
ist. Danach ist die ausschließliche Zuständigkeit für Klagen,<br />
welche die Gültigkeit, die Nichtigkeit oder die Auflösung einer<br />
Gesellschaft oder juristischen Person oder die Gültigkeit<br />
der Beschlüsse ihrer Organe zum Gegenstand haben, den Gerichten<br />
des Mitgliedsstaats zugewiesen, in dessen Hoheitsgebiet<br />
die Gesellschaft oder die juristische Person ihren Sitz hat.<br />
Doch die unmittelbare Anknüpfung an die Norm von Art. 22<br />
Nr. 2 EuGVV führt hier nicht weiter, weil gemäß Art. 22 Nr. 2<br />
Satz 2 EuGVO die Vorschriften des IPR des Forumstaates zur<br />
Anwendung berufen sind, wenn es – wie hier – darum geht,<br />
festzustellen, wo der maßgebliche Sitz der Gesellschaft sich<br />
befindet, der über die Zuständigkeit eines Gerichts entscheidet.<br />
Dies führt dazu, dass die Kollisionsnorm des Forumstaates<br />
Anwendung findet, weil – und dies war hier unstrittig –<br />
ein Sachverhalt mit Auslandsbeziehung vorlag. Da die Klage<br />
in Deutschland erhoben war, musste also das angerufene LG<br />
Frankfurt und das OLG 1 sowie der BGH 2 darüber befinden,<br />
welches materielle Recht im Namen des Gesellschaftsstatuts<br />
Maß gibt.<br />
2.1 Sinn und Zweck der Regelung von Art. 22 Nr. 2 Satz 2 EuGV-<br />
VO ist es, die Entscheidung dem Gericht zuzuweisen, dessen<br />
materielles Recht zur Anwendung berufen ist 3 . Denn damit<br />
wird die Entscheidung an einem einzigen Gericht lokalisiert,<br />
so dass widersprechende Entscheidungen über die Gültigkeit<br />
von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung auf diese<br />
Weise verhindert werden 4 . Denn das wäre ersichtlich höchst<br />
problematisch 5 .<br />
2.2 Die besondere dogmatische Schwierigkeit der Entscheidung<br />
liegt nunmehr darin, dass das internationale Gesellschaftsrecht<br />
in Deutschland nicht kodifiziert ist 6 .<br />
2.2.1 Das internationale Gesellschaftsrecht – Gesellschaftsstatut – ist<br />
von dem Bestreben gekennzeichnet, die Rechtsverhältnisse einem<br />
einheitlichen Statut zu unterstellen. Dieses Gesellschaftsstatut<br />
entscheidet darüber, nach welchem nationalen Recht die<br />
Gesellschaft „entsteht, lebt und vergeht“ 7 . Die Bestimmung<br />
des Gesellschaftsstatuts vollzieht sich nunmehr nach zwei Anknüpfungstheorien,<br />
nämlich: zum einen nach der Sitztheorie<br />
– danach kommt es auf den tatsächlichen Sitz der Hauptverwaltung<br />
an – oder nach der Gründungstheorie – danach entscheidet<br />
als Anknüpfungsmerkmal der Gründungsort, der<br />
1<br />
OLG Frankfurt NZG 2010, 581 mit Anm. von Kindler, NZG 2010, 576ff.<br />
2<br />
BGH NZG 2011, 1114.<br />
3<br />
Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht, 8. Aufl., Art. 22 EuGVVO Rdnr. 33;<br />
Schindler NZG 2010, 576, 577.<br />
4<br />
EuGH NJW-RR 2009, 405 Rdnr. 20 – Hassett und Doherty; EuGH NZG 2011, 674 –<br />
Rdnr. 40; BVG/JP Morgan.<br />
5<br />
Kindler a.a.O.<br />
6<br />
Hierzu im Einzelnen Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht,<br />
7. Aufl., Rdnr. 5031 ff.<br />
7<br />
BGH NJW 1957, 1433, 1434.<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 81
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
sich regelmäßig aus den Gründungsdokumenten oder der<br />
Registrierung der Gesellschaft ableiten lässt. Die Sitztheorie<br />
geht davon aus, dass immer diejenige Rechtsordnung maßgebend<br />
sein soll, welche an dem Ort gilt, so der „Schwerpunkt“<br />
der aktuellen Tätigkeit der Gesellschaft, mithin: der tatsächliche<br />
Verwaltungssitz – sich befindet 8 . Demgegenüber liegt der<br />
„Vorteil“ der Gründungstheorie darin, dass das Gesellschaftsstatut<br />
vom Willen der Gründer bestimmt wird; die von ihnen<br />
vorgenommene Rechtswahl wird dann auch – für die weitere<br />
Dauer der Gesellschaft – anerkannt 9 .<br />
2.2.2 Bis zum Jahr 2002 galt im deutschen Recht die Sitztheorie<br />
kraft Gewohnheitsrecht nahezu uneingeschränkt 10 . Für die<br />
Zuständigkeit von Gerichten bei Streitigkeiten der Gesellschafter<br />
untereinander ergibt sich daraus, dass Gerichte für die<br />
Streitigkeiten nach Maßgabe der Gründungstheorie zuständig<br />
sind, wenn und soweit die Gesellschaften ihrem Hoheitsgebiet<br />
inkorporiert sind. Sofern aber die Gerichte der Sitztheorie folgen,<br />
kommt es auf den Sitz der Hauptverwaltung der Gesellschaft<br />
an. Wenn aber Streitigkeiten in Rede stehen, die Staaten<br />
betreffen, welche unterschiedliche Anknüpfungspunkte verwenden,<br />
führt dies zu einer Verdoppelung der Zuständigkeit 11 .<br />
2.3 Der BGH folgt zwar weiterhin der Sitztheorie 12 . Doch macht<br />
er hiervon dann eine Ausnahme 13 , wenn es sich um eine Auslandsgesellschaft<br />
handelt, die – wie hier – in einem Mitgliedsstaat<br />
der EU gegründet worden ist. Unter dieser Voraussetzung<br />
schließt sich dann der BGH der Gründungstheorie an 14 .<br />
Der tatsächliche Verwaltungssitz der Gesellschaft kommt<br />
dann nicht mehr in Betracht.<br />
2.3.1 Auslöser für diese Einschränkung der Sitztheorie ist die Rechtsprechung<br />
des EuGH in Sachen „Centros“ 15 , „Überseering“ 16<br />
sowie „Inspire Art“ 17 . Die Essenz dieser Entscheidung lässt<br />
sich dahin zusammenfassen, dass die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit<br />
nach Art. 49 a EUV Beschränkungen verbieten,<br />
die der Gründung von Agenturen, Niederlassungen oder<br />
Tochtergesellschaften durch Angehörige eines Mitgliedstaates<br />
gewidmet sind, welche im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates<br />
– sekundäre Niederlassungsfreiheit – ansässig<br />
sind 18 .<br />
2.3.2 Die Anwendung der Gründungstheorie auf Auslandsgesellschaften,<br />
welche in einem Mitgliedsstaat der EU gegründet<br />
worden sind, hängt – abgesehen von dem vorhandenen Registertatbestand<br />
– nicht davon ab, dass darüber hinaus ein<br />
realwirtschaftlicher Bezug zum Gründungsstaat (noch) vorhanden<br />
ist 19 . Denn nach der Rechtsprechung des EuGH ist<br />
eine wirksam gegründete Gesellschaft in einem anderen Vertragsstaat<br />
unabhängig davon anzuerkennen, wo der Ort des<br />
8<br />
BGH NJW 1967, 36.<br />
9<br />
Hausmann, a.a.O. Rdnr. 536.<br />
10<br />
BGH NJW 2003, 1607, 1608; BGH NJW 2002, 3539; BGH NJW 1992, 618; Palandt/<br />
Thorn, BGB, 70. Aufl., Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2; Erman/Hohloch, BGB, 13.<br />
Aufl., Anh. II zu Art. 12 EGBGB Rdnr. 2; Hausmann a.a.O. Rdnr. 5039 f.<br />
11<br />
Kropholler, a.a.O. Art. 22 EuGVVO Rdnr. 41; Kindler NZG 2010, 576, 577.<br />
12<br />
BGH NZG 2010, 712, 713; BGH NZG 2009, 68, 70.<br />
13<br />
BGH NZG 2003, 431, 432.<br />
14<br />
BGH NZG 2011, 273, 274; BGH NZG 2009, 68, 70.<br />
15<br />
EuGH NJW 1999, 2027.<br />
16<br />
EuGH NJW 2002, 3614.<br />
17<br />
EuGH NJW 2003, 3331.<br />
18<br />
Hierzu Wiedmann, in: Geber/Wiedmann, Zivilrecht unter Europäischem Einfluss,<br />
2. Aufl., Kap. 3 Rdnr. 90 ff.<br />
19<br />
BGH NZG 2005, 508, 509.<br />
tatsächlichen Verwaltungssitzes sich befindet 20 . Unter dieser<br />
Prämisse hatte der BGH in dieser Entscheidung auch das Erfordernis<br />
eines sogenannten „genuine link“ – als zusätzliches<br />
Erfordernis einer realwirtschaftlichen Präsenz im Herkunftsstaat<br />
– abgelehnt.<br />
2.3.3 Dieser Ansatz führt zu dem wünschenswerten Ergebnis, dass<br />
nämlich ein Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit<br />
und anwendbarem Recht besteht 21 .<br />
2.3.4 Allein der Umstand, dass eine in einem Mitgliedsstaat gegründete<br />
Gesellschaft deswegen in einen anderen Staat wegzieht, um<br />
auf diese Weise in den Genuss vorteilhafter Rechtsvorschriften<br />
zu kommen (inhärentes Problem der paritätischen Mitbestimmung),<br />
stellt – so der BGH – keinen Missbrauch der vom Aufnahmestaat<br />
zu beachtenden Niederlassungsfreiheit dar 22 .<br />
2.3.5 Das wirft die Frage auf, wie denn Scheinauslandsgesellschaften<br />
zu behandeln sind. Der BGH verneint dann die Zuständigkeit<br />
des Herkunftsstaates, wenn nach dessen Recht ein Sitz<br />
der Gesellschaft im Sinn von Art. 22 Nr. 2 EuGVVO nicht<br />
anzuerkennen ist. Dieser Fall kann dann etwa eintreten, wenn<br />
– so der BGH – die Gesellschaft ihren Sitz nicht in einen anderen<br />
Mitgliedstaat verlegen kann und im Fall des Wegzugs der<br />
Sitz dann kraft Gesetzes aufgehoben wird (Rdnr. 30).<br />
2.4 Im Hinblick auf die Anwendung von Art. 22 Abs. 2 Satz 2<br />
EuGVVO führt die Anwendung der Gründungstheorie ohne<br />
Weiteres dazu, dass auch damit die Zuständigkeit des Forums<br />
im Gründungsstaat bejaht wird 23 . Demzufolge bejaht der<br />
BGH folgerichtig auch grundsätzlich die Zuständigkeit der<br />
Gerichte des Herkunftsstaates (England). Lediglich dann soll<br />
eine Ausnahme gelten, wenn unter Berücksichtigung von Art.<br />
22 Nr. 2 EuGVVO folgendes sich ereignet: Der Herkunftsstaat<br />
folgt der Sitztheorie und stellt auf den tatsächlichen Verwaltungssitz<br />
im Aufnahmestaat ab (Rdnr. 30). Da aber das<br />
Vereinigte Königreich der Gründungstheorie folgt, besteht<br />
diese Ausnahme hier nicht.<br />
2.5 Es bleibt also dabei: Die ausschließliche internationale Zuständigkeit<br />
nach Art. 22 Nr. 2 EuGVVO bestimmt sich nach dem<br />
Gründungssitz der Gesellschaft in einem Mitgliedsstaat der<br />
EU; maßgebend ist insoweit die Gründungstheorie, so dass<br />
der nach den Regeln des Herkunftsstaates zu beurteilende Satzungssitz<br />
entscheidet. Die „europarechtliche Gründungstheorie“<br />
hat somit eine weitere Bestätigung erhalten 24 .<br />
3. Die praktischen Konsequenzen für die Gesellschafter einer<br />
„Limited“ sind gravierend: Sie müssen nämlich vor den englischen<br />
Gerichten ihre internen Streitigkeiten austragen. Das<br />
ist so kostspielig, dass damit die angeblichen Grünungsvorteile<br />
der „Limited“, wenn sie denn in Deutschland ihren tatsächlichen<br />
Verwaltungssitz hat, mehr als aufgehoben werden.<br />
Umgründung in eine GmbH ist daher angezeigt 25 . Der Tod<br />
der preiswerten „Limited“ ist daher eingeläutet; es sei denn, es<br />
handelt sich um eine Einmann-Gründung.<br />
20<br />
EuGH NJW 2002, 3614 – Überseering; EuGH NJW 2003, 3331 – Inspire Art.<br />
21<br />
Mankoswki, ZIP 2010, 802, 803.<br />
22<br />
EuGH NJW 1999, 2027 – Rdnr. 18, 19 – Centros; EuGH NJW 2003, 331 – Rdnr. 96,<br />
137 ff. – Inspire Art.<br />
23<br />
Kindler NZG 2010, 576, 577 f.<br />
24<br />
Hierzu auch Hausmann a.a.O. Rdnr. 560.<br />
25<br />
Kindler NZG 2010, 576, 578.<br />
82 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Referendariat<br />
Wahlstation im Gottesstaat<br />
von Rechtsreferendarin Navideh Maleki, Bonn*<br />
Der Gedanke, seine Wahlstation im Iran zu absolvieren, ist für<br />
manch einen undenkbar und selbst für eine gebürtige Iranerin<br />
keine Selbstverständlichkeit. Die Suche nach einer Kanzlei hat<br />
sich entgegen meiner Erwartung als sehr unkompliziert herausgestellt.<br />
Wohl dem, der Mitglied einer iranischen Großfamilie<br />
ist.<br />
Die Kanzlei liegt im Zentrum Maschads, einer Millionenstadt<br />
im Nordosten des Landes. Aufgrund der heiligen Goharshaad<br />
Moschee und dem dort beerdigten achten Imam Reza, ist die<br />
Stadt ein politisches und religiöses Machtzentrum. Die Kanzlei<br />
D. & M., die mehrere Anwälte beschäftigt, gehört zu den renommiertesten<br />
der Stadt. Mein Ausbilder selbst war 30 Jahre<br />
lang Richter und für einige Jahre Professor an der Universität<br />
zu Maschad. Ein Tätigkeitsschwerpunkt lässt sich nicht ausmachen.<br />
Die Rechtsgebiete sind übersichtlich zu kategorisieren<br />
in Handels-, Gesellschafts- und Steuerrecht sowie Besonderes<br />
Zivilrecht, z.B. Familien- und Immobiliarrecht. In der Kanzlei<br />
herrscht eine kollegiale, geradezu familiäre Atmosphäre. So<br />
werden Beratungsgespräche, nach dem Austausch der umfangreichen<br />
und obligatorischen Begrüßungs- und Höflichkeitsfloskeln,<br />
bei einer Tasse Tee und Gebäck geführt. Von einem vertraulichen<br />
Mandantengespräch kann aber keine Rede sein, denn<br />
die Türen bleiben grundsätzlich offen. Das führte bisweilen sogar<br />
zu lebhaften Diskussionen mit den im Vorderzimmer wartenden<br />
Mandanten. Da die Kanzleien in der Regel über keine<br />
Internetpräsenz verfügen und es auch keine juristischen Fachzeitschriften<br />
gibt, ist die Mund-zu-Mund -Propaganda das einzige<br />
Mittel, neue Mandanten anzuwerben.<br />
Für das weitere Verständnis der anwaltlichen Tätigkeit im Iran<br />
ist das Wissen um die politischen und gesellschaftlichen Strukturen<br />
unerlässlich. 1979 begründete Ayatollah Khomeini nach dem<br />
Sturz des Schah Reza Pahlavi auf Grundlage einer Volksabstimmung<br />
die Islamische Republik, in der eine islamische Regierung<br />
die legitime Herrschaft verkörpert, die durch die absolute Souveränität<br />
Gottes gegeben ist. Obwohl an der Volksabstimmung<br />
nicht nur ausschließlich Islamisten, sondern auch säkulare Nationalisten<br />
und linke Organisationen beteiligt waren und zunächst<br />
keine von Geistlichen geführte islamische Staatsform angestrebt<br />
wurde, wurde der Islam von den Klerikern dennoch politisiert<br />
und fand schließlich Einzug in die politische Machtherrschaft,<br />
die iranische Rechtsordnung und die zivile Gesellschaft. Folglich<br />
wurde in der Verfassung von 1979 auch die Überwachung<br />
der Gesetzgebung, die sich nun auf den Koran und die Sunna<br />
stützen, als zwingend erforderlich festgeschrieben. Für eine islamkonforme<br />
Gesetzgebung ist unter anderem der Wächterrat<br />
zuständig, ein zentrales Organ der Verfassung, bestehend aus islamischen<br />
Rechtsgelehrten. In Art. 4 der iranischen Verfassung<br />
ist das Prinzip verankert, dass die Gesamtheit aller zivil-, straf-,<br />
finanz-, und Wirtschaftsgesetze in Bezug auf Kultur, Militär,<br />
Politik und sonstiges auf Basis dieser islamischen Regeln erfolgen<br />
muss. Das iranische Rechtssystem verbindet daher Elemente<br />
des islamischen Rechts, der Scharia, und westlicher Rechtssysteme,<br />
basierend auf dem französischen und dem schweizerischen<br />
Recht. Ein wesentlicher Ausfluss der Scharia zeigt sich vor allem<br />
in der gesetzlichen Kleiderordnung für Frauen, nach der diese<br />
sich in der Öffentlichkeit nur mit einem Umhang und einem<br />
Kopftuch bewegen dürfen. Ferner zeigen sich insbesondere im<br />
Strafrecht weitere Einflüsse der islamischen Vorschriften. Ehebruch<br />
oder außereheliche Beziehungen werden strafrechtlich<br />
sanktioniert, wofür als Strafmaß die Todesstrafe bzw. Peitschenhiebe<br />
angesetzt werden. Im Familienrecht hat allein der Ehemann<br />
ein einseitiges Scheidungsrecht, wohingegen die Ehefrau<br />
nur unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Drogenabhängigkeit,<br />
Zeugungsunfähigkeit) das Scheidungsrecht zugesprochen<br />
bekommt. Liegen keine spezifischen Gründe vor und willigt der<br />
Ehemann nicht in die Scheidung ein, ist die Ehefrau genötigt,<br />
auf ihre Morgengabe zu verzichten, um dem Ehemann einen<br />
Anreiz bieten zu können, doch noch in die Scheidung einzuwilligen.<br />
Der Gerichtsaufbau ist dreigliedrig organisiert. Als Zivil- und<br />
Strafgericht erster Instanz fungiert der Common Court of First<br />
Instance, der mit einem Richter besetzt ist. Berufungen sind in<br />
der Regel an den mit drei Richtern besetzten Provincial Common<br />
Appeal Court zu richten. Oberstes Gericht ist der Supreme<br />
Court, der für Berufungen und Revisionen zuständig ist. Frauen<br />
dürfen nicht die Position eines Richters einnehmen, mit der<br />
unsachlichen Begründung, sie seien nicht imstande, von Emotionen<br />
losgelöste Entscheidungen zu treffen.<br />
Die Einreichung der Klageschrift, meist nur wenige Zeilen lang,<br />
erfolgt persönlich beim Gericht. Wenn alle Formalitäten erledigt<br />
sind, wird die Klage zugestellt. Eine Verteidigungsanzeige<br />
ist nicht erforderlich, ebenso wenig findet ein schriftliches Vorverfahren<br />
statt. Wenn das Gericht einen mündlichen Termin<br />
festgesetzt hat und die Parteien erschienen sind - ansonsten ergeht<br />
ein Versäumnisurteil -, erhalten die Parteien die Möglichkeit,<br />
auf die schriftliche Frage des Richters eine ebenfalls schriftliche<br />
Stellungnahme abzugeben. Dieser Austausch erstreckt sich<br />
so lange, bis niemand mehr etwas vorzutragen hat. Das Urteil<br />
ergeht dann ebenfalls in schriftlicher Form, meist nie länger als<br />
zwei Seiten, und wird den Parteien zugestellt. Die Anwälte versuchen<br />
grundsätzlich, es nicht zu Gerichtsverfahren kommen<br />
zu lassen, denn die lange Verfahrensdauer, zum Teil begründet<br />
durch die hohe Arbeitsbelastung der Gerichte, führen häufig<br />
zu wirtschaftlichen Existenzgefährdungen ihrer Mandanten.<br />
Leugnen lässt sich auch nicht das Problem der korrupten<br />
Richter, die ihre Entscheidungen aus sachfremden Erwägungen<br />
treffen. Eine Bestrafung kann mangels eines Straftatbestandes<br />
nicht erfolgen. Ebenso wenig findet eine Veröffentlichung von<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 83
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Rechtssprechungen statt, die zur Verhinderung von Amtsbeugung<br />
beitragen könnte. Das führt insgesamt zu einer unsicheren<br />
Rechtslage und vermindert das Vertrauen der Bevölkerung in<br />
das bestehende Rechtssystem. Eine negative Folge hat diese Tatsache<br />
auch auf die Anwaltsvergütung. Nach der Rechtsanwaltsvergütungsordnung<br />
kann der Anwalt die restlichen 50 % seines<br />
Honorars nur im Erfolgsfall der Klage verlangen.<br />
In Erwägung dieser Problematik verdienen die Anwälte im Iran<br />
meinen höchsten Respekt. Neben allen Widrigkeiten, die in diesem<br />
Erfahrungsbericht hervorscheinen, ist in höchstem Maße<br />
die Balance zu bewundern, die der Anwalt zwischen nationaler<br />
Gesetzesanwendung und der von dieser oftmals abweichenden<br />
persönlichen Anschauung zu finden gezwungen ist.<br />
* Rechtsreferendarin<br />
Navideh Maleki<br />
Landgericht Bonn<br />
n_maleki@gmx.de<br />
84 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Neue Mitglieder<br />
der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong><br />
Rechtsanwalt<br />
Bernd Jager<br />
St. Johanner Str. 41-43<br />
66111 Saarbrücken<br />
Rechtsanwalt<br />
Vincent Feurstein<br />
D & R Anwaltskanzlei<br />
Ernst-Reuter-Platz 14<br />
86150 Augsburg<br />
Rechtsanwalt<br />
Dr. Stephan Balthasar, LL.M. (Cambridge)<br />
Linklaters LLP<br />
Prinzregentenplatz 10<br />
81675 München<br />
Rechtsanwältin<br />
Susanne Müller-Flores<br />
Sophienstr. 92<br />
60487 Frankfurt<br />
Rechtsanwalt<br />
Uwe Bottermann, LL.M.<br />
Bottermann Khorrami LLP<br />
Dircksenstr. 48<br />
10178 Berlin<br />
Rechtsanwalt<br />
Stephan Korte, Attorney at Law<br />
Poststr. 22<br />
60329 Frankfurt<br />
Rechtsanwältin<br />
Anna Engelhard-Caldwell, J.D.<br />
Neuer Wall 80<br />
20354 Hamburg<br />
Rechtsanwalt<br />
Lothar Polanz<br />
9, rue Louis Guingot<br />
54500 VANDOEUVRE LES NANCY<br />
Frankreich<br />
Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11<br />
| 85
II. Aus der Arbeit der ARGE<br />
Nr. 42 | Dezember 2011<br />
Beitrittserklärung<br />
An den<br />
Deutschen Anwaltverein e. V.<br />
- ARGE Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> -<br />
Littenstraße 11<br />
10179 Berlin<br />
K a n z l e i s t e m p e l<br />
per Fax: 030 / 72 61 53 175<br />
Ich erkläre hiermit meinen Beitritt zur <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong><br />
im Deutschen Anwaltverein.<br />
(Name)<br />
(Vorname)<br />
(Kanzleiname)<br />
(Kanzleianschrift: Straße, PLZ, Ort)<br />
(Telefon)<br />
(Telefax)<br />
(E-Mail-Adresse)<br />
(Homepage-Domain)<br />
(Gerichtsfach) (Erstzulassungsdatum) (Geburtsdatum)<br />
(Fachanwaltschaften, max. 3)<br />
Mitglied im:<br />
Ich erkläre meinen Beitritt zum:<br />
(Name des örtlichen Anwaltsvereins*)<br />
(Name des örtlichen Anwaltsvereins*)<br />
(*Hinweis: Die Mitgliedschaft in einem dem DAV angeschlossenen örtlichen Anwaltverein ist für die Mitgliedschaft in einer <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> des DAV obligatorisch)<br />
Mit meiner Unterschrift erkenne ich die Geschäftsordnung der <strong>Arbeitsgemeinschaft</strong> für <strong>Internationalen</strong> <strong>Rechtsverkehr</strong> im Deutschen<br />
Anwaltverein an. Der Mitgliedsbeitrag beträgt 100,– € je Geschäftsjahr. Erfolgt der Beitritt erstmals nach dem 30.06., ermäßigt sich<br />
der Mitgliedsbeitrag für das Beitrittsjahr auf die Hälfte des Jahresbeitrages.<br />
Gleichzeitig ermächtige ich den Deutschen Anwaltverein e. V. widerruflich, den zu entrichtenden Jahresbeitrag bei Beginn des<br />
Kalenderjahres zu Lasten meines Kontos<br />
Nr. bLZ bei<br />
abweichender Kontoinhaber:<br />
mittels Lastschrift einzuziehen.<br />
(Ort) (Datum) (Unterschrift)<br />
86 | Mitteilungsblatt DAV Internationaler <strong>Rechtsverkehr</strong> 2/11
Im Auftrag von:<br />
DEUTSCHER ANWALTVEREIN<br />
Littenstraße 11<br />
D-10179 Berlin<br />
Tel.: +49 (0)30 72 61 52-127<br />
Fax.: +49 (0)30 72 61 52-195<br />
www.anwaltverein.de<br />
www.arge-inter.de<br />
Redaktion<br />
Dr. Phillipp Wösthoff<br />
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Titelbild: wikipedia<br />
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