Die Prinzessin des Cachaça
Besuch bei Maria Izabel in Paraty. Sie produziert Cachaça (sprich: ka'ʃasa) aus Leidenschaft und das schmeckt man. Dieser Artikel ist in der April Ausgabe des Magazin´s "Drinks" von mir erschienen. http://www.drinks-magazin.com Erhältlich sind diese Zuckerrohr Spezialitäten bei mir im Onlineshop: http://www.michaelschrodt.de/deutsch/shop/cachaça/
Besuch bei Maria Izabel in Paraty. Sie produziert Cachaça (sprich: ka'ʃasa) aus Leidenschaft und das schmeckt man. Dieser Artikel ist in der April Ausgabe des Magazin´s "Drinks" von mir erschienen. http://www.drinks-magazin.com
Erhältlich sind diese Zuckerrohr Spezialitäten bei mir im Onlineshop: http://www.michaelschrodt.de/deutsch/shop/cachaça/
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INTERVIEW<br />
Maria Izabel aus Paraty<br />
<strong>Die</strong> <strong>Prinzessin</strong> <strong>des</strong> <strong>Cachaça</strong><br />
„Im Januar war ich in Brasilien unterwegs, um Expeditionssegelboote zu besichtigen.<br />
Durch den Tipp eines einheimischen Künstlers wurde ich auf Maria Izabel aufmerksam.<br />
Sie ist so etwas wie die <strong>Prinzessin</strong> <strong>des</strong> <strong>Cachaça</strong> in Paraty und geht immer barfuß – selbst<br />
auf noblen Dinnerpartys. Ein vor malerischer Kulisse am Wasser geführtes Interview mit<br />
einer Frau, die sich impulsiv und sanftmütig zugleich ihrer Leidenschaft widmet: dem<br />
<strong>Cachaça</strong>. Und die nur verarbeitet, was vor maximal 24 Stunden auf dem Grundstück<br />
geerntet wurde. Sonst würde der <strong>Cachaça</strong> im Hals kratzen, sagt sie.<br />
54 DRINKS
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Hier <strong>des</strong>tilliert Maria Izabel ihren <strong>Cachaça</strong>.<br />
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Eine blaue Flasche, bitte! Der Verkaufsraum<br />
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Frisch gezapft: Verkaufsraum mit Fass<br />
4<br />
Blick ins Lager<br />
1<br />
Maria Izabel wohnt einige Kilometer von<br />
Paraty im Bun<strong>des</strong>staat Rio de Janeiro entfernt.<br />
Direkt am Atlantik, mitten im Küstendschungel.<br />
Auf dem Grundstück weiden<br />
Pferde, alles ist sauber und gepfl egt. Vor dem Besuch sind mir schon<br />
einige Geschichten zu Ohren gekommen über diese außergewöhnliche<br />
Frau. So zum Beispiel, dass sie immer barfuß unterwegs ist, völlig<br />
ungeniert; egal, ob sie zum Einkaufen nach Paraty, in die Bank oder<br />
zu einer noblen Dinnerparty geht. Als ich Marias Grundstück erreiche,<br />
kommt sie mir auf einem schmalen Pfad aus dem Dschungel<br />
entgegen. Bekleidet mit einem Leinenhemd, die langen Haare zurück<br />
gebunden, natürlich barfuß. Eine ganz spezielle Aura umgibt diese<br />
Frau, etwas Geheimnisvolles, Resolutes und zugleich Sanftes hat sie<br />
an sich. Zum Interview lassen wir uns auf der Terrasse direkt am Wasser<br />
nieder. Einige Hunde und die Katze gesellen sich zu uns.<br />
Wie sind Sie zum <strong>Cachaça</strong> gekommen?<br />
Meine Familie hat schon früher <strong>Cachaça</strong> produziert. Leider wurde das<br />
um das Jahr 1935, also vor meiner Geburt aufgegeben. Ich wollte<br />
dann diese Tradition wieder beleben und hatte das große Glück, da<br />
ich ja bei null anfangen musste, auf das Wissen von alten Menschen<br />
zurückgreifen zu können. <strong>Die</strong>se Senioren haben die Produktion damals<br />
noch miterlebt und konnten mir viele Tipps geben. Hätte ich<br />
damals nicht mit der Produktion angefangen, wäre dieses Wissen<br />
verloren gegangen. <strong>Die</strong> Herstellung ist im Prinzip recht einfach. Aber<br />
guten <strong>Cachaça</strong> zu produzieren, erfordert ganz spezielles Wissen.<br />
Wie ging es dann weiter?<br />
Zunächst einmal habe ich sämtliche Zuckerrohrpfl anzen eigenhändig<br />
gesetzt. Dann kümmerte ich mich um die Destillerie. Zu der Zeit gab<br />
es hier noch keinen Strom, somit war ich gezwungen, das natürliche<br />
Gefälle <strong>des</strong> Gelän<strong>des</strong> zu nutzen. Eine Besonderheit ist, dass ich alle<br />
Stoffe, die die Fermentation einleiten, selbst von Hand herstelle. Also<br />
keine gekauften Hefen!<br />
2<br />
3<br />
4<br />
Sie kommen aus einer Familie, in der die Frauen immer starke<br />
Rollen innehatten. War das ein Problem für Sie?<br />
Nein. <strong>Die</strong> öffentliche Meinung hat mich noch nie interessiert, und ich<br />
war immer schon anders als die meisten Frauen hier. Anders zu sein,<br />
hat mir immer große Freude bereitet.<br />
DRINKS 55
CACHAÇA<br />
Der Staat will alles wissen: Maria Izabel beim Beschriften der Zollsiegel<br />
War denn die öffentliche Meinung gegen Sie?<br />
Ja, sehr stark sogar, da ich als Frau es gewagt hatte. <strong>Die</strong> Herstellung<br />
von <strong>Cachaça</strong> ist nämlich nach wie vor Männersache. Es wurde sehr<br />
viel Unsinn über von Frauen hergestellten <strong>Cachaça</strong> erzählt; „zu leicht,<br />
nicht stark genug, brennt nicht“. Ein Freund zum Beispiel hat mir<br />
anfangs den <strong>Cachaça</strong> nur aus Mitleid abgekauft. Es gab auch keine<br />
Straßen hier und ich musste den <strong>Cachaça</strong> mit dem eigenen Boot an<br />
den umliegenden Stränden verkaufen. Früher musste ich manchmal<br />
meine Produkte in Paraty in den Straßen und Bars selbst anbieten.<br />
Aus dieser Zeit stammt auch das Vorurteil, mein <strong>Cachaça</strong> sei zu leicht.<br />
An einen Vorfall erinnere ich mich noch sehr genau. Als ich in eine<br />
Bar hineinging, merkte ich, dass sich die Männer über meinen <strong>Cachaça</strong><br />
unterhielten. <strong>Die</strong> Meinung in der Bar war, dass ein guter <strong>Cachaça</strong><br />
brennen müsse, sowohl im Mund als auch, wenn man ihn anzündet.<br />
Also fragten mich die Männer: „Brennt Dein <strong>Cachaça</strong>?“ Selbstverständlich<br />
wusste ich, dass das so ist, aber ich habe mich ahnungslos<br />
gestellt. Sogleich wurde ein Glas mit meinem Produkt angezündet. Es<br />
gab ein ordentliches Feuer, denn mein <strong>Cachaça</strong> hat 44%.<br />
Wie kommt es, dass der <strong>Cachaça</strong> so hochprozentig ist und doch<br />
so mild?<br />
Das liegt an der speziellen Fermentation. Der Sauerstoff lässt ein Getränk<br />
im Hals brennen. Und das weiß ich durch mein Verfahren zu<br />
verhindern. Was da genau passiert, kann ich Ihnen nicht verraten.<br />
Wildnis, Natur pur: Das sehen Besucher von Maria Izabel, wenn sie aus dem<br />
Verkaufsraum hinausschauen.<br />
Altes Gemäuer, ein Korb hängt vom Dach herunter: Maria Izabels Destillerie<br />
Wie hoch ist ihre Jahresproduktion?<br />
Auf meinen 4,5 Hektar habe ich im Jahr 2013 zirka 8300 Liter produziert.<br />
Das schwankt aber von Jahr zu Jahr. <strong>Die</strong>ses Jahr wird der<br />
Ertrag etwas geringer ausfallen, da ich aufgrund der Fruchtfolge einige<br />
Felder ruhen lassen muss. Ich verwende im Gegensatz zu vielen<br />
Kollegen hier nur Zuckerrohr, das bei mir auf dem Land wächst. Das<br />
Problem bei Zukäufen ist, dass das geschnittene Zuckerrohr lange auf<br />
LKW durch die Gegend gefahren wird, was sich sehr negativ auf die<br />
Qualität auswirkt. Ich persönlich lehne das ab! Das ist genau das Problem,<br />
das ich vorhin schon erwähnt habe. In der Zeit vom Schnitt <strong>des</strong><br />
Zuckerrohrs bis zum Pressen und Fermentieren entstehen die Stoffe,<br />
die zum Teil verantwortlich sind für das unangenehme Kratzen. Bei<br />
mir wird das Zuckerrohr geerntet und sofort hier verarbeitet, somit<br />
habe ich das Problem nicht. Das Thema Qualität geht aber noch weiter.<br />
Von 500 Litern verwende ich gerade mal 80 Liter.<br />
Wie trinken Sie <strong>Cachaça</strong> am liebsten?<br />
Pur (sie lacht)... Ich trinke schon auch mal einen Caipirinha, aber am<br />
liebsten ist mir der <strong>Cachaça</strong> pur. Um ihn pur genießen zu können,<br />
muss er aber gut sein. Deswegen trinke ich nur meinen. (lacht)<br />
Was ist das für ein Fass?<br />
Das ist ein Fass aus Jequitiba. Bei mir werden zwei verschiedene Reife-„Linien“<br />
parallel gefahren. Derselbe Jahrgang wird entweder in einem<br />
Madeira- oder einem Jequitiba-Fass gereift. <strong>Die</strong> Charge aus letzterem<br />
hat keine Färbung, denn viele Menschen mögen diese nicht.<br />
Sie eignet sich durch die Klarheit auch sehr gut zum Mixen, da sie die<br />
Farbe <strong>des</strong> Drinks nicht verändert.<br />
56 DRINKS
CACHAÇA<br />
Was macht einen guten <strong>Cachaça</strong> aus?<br />
Er muss sein wie ein guter Mensch: stark, aber sanft.<br />
Wie lange kann der <strong>Cachaça</strong> reifen?<br />
Das hängt ganz stark davon ab, wie viel Alkohol im Grundprodukt<br />
ist. Je länger er im Fass ist, <strong>des</strong>to mehr Alkohol geht verloren. Beim<br />
Einfüllen hat der <strong>Cachaça</strong> bis zu 56 %. Beim Abfüllen muss er dann<br />
auf 44 % verdünnt werden.<br />
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Tranken die Menschen hier schon immer <strong>Cachaça</strong>?<br />
Nein, gerade die Highsociety hat mangels Bewusstsein viel auf ausländische<br />
Erzeugnisse gesetzt, Whisky und Wodka zum Beispiel. Bis<br />
dann irgendwann sich langsam ein Trend hin zu Produkten aus dem<br />
eigenen Land entwickelt hat. Jetzt haben wir sogar ein <strong>Cachaça</strong>-<br />
Festival.<br />
Was haben wir jetzt im Glas?<br />
Das ist ein „Reserva Especial“. Er wird nur aus Spitzenjahrgängen<br />
produziert. Aus einem 80-Liter-Fass entstehen zirka vier Liter Reserva<br />
Especial. 2013 war die letzte Produktion dieser Spezialität. Das Fass,<br />
aus dem diese Flasche kommt, war sehr alt und hat kaum abgefärbt.<br />
Sie wirken so ausgeglichen. Können Sie sich eigentlich auch aufregen?<br />
Es kommt immer wieder vor, dass Flaschen von mir gekauft werden<br />
und dann, wenn sie leer sind, mit irgendwelchem billigen Zeug befüllt<br />
werden. Einige Restaurants betreiben Gewinnmaximierung damit. Es<br />
kam auch schon vor, dass ich <strong>des</strong>halb in ganz noblen Lokalen eine<br />
Szene gemacht habe. Einmal sah ich zufällig durch das Fenster, wie<br />
meine Flaschen wieder befüllt wurden. Da bin ich in das Restaurant<br />
gegangen und habe lautstark protestiert – vor allen Gästen.<br />
Maria schmunzelt schelmisch, als sie das sagt. Es ist der Schlusssatz.<br />
Sie verabschiedet sich von mir mit einem festen, selbstbewussten<br />
Händedruck und verschwindet barfuß im Dschungel. Leicht benebelt<br />
und völlig fasziniert, trete ich den Rückweg nach Paraty an …<br />
ABFÜLLUNGEN<br />
Maria Izabel 1-jährig (klar)<br />
Maria Izabel 2-jährig (im Holzfass)<br />
Maria Izabel 3-jährig (im Holzfass)<br />
Maria Izabel 4-jährig (Reserva Especial)<br />
Michael Schrodt<br />
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Hinweis: Es kann sein, dass zum Beispiel ein 3-Jähriger nicht<br />
volle drei Jahre im Fass war.<br />
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