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Konturen eines neuen Modells von Religiosität. Veränderungen in ...

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widersprüchlichen Rhythmen des modernen Lebens. Die Vorstellung <strong>von</strong> e<strong>in</strong>er für alle<br />

gültigen Se<strong>in</strong>sweise widerspricht ihm grundlegend.<br />

Die strukturelle Ziellosigkeit der Veränderlichkeit lässt e<strong>in</strong> polyperspektivisch Weltbild<br />

entstehen, das e<strong>in</strong>e Umkehrung der traditionellen Vorstellung e<strong>in</strong>er das Ganze<br />

repräsentierenden Weltsicht bedeutet. Damit hat sich die moderne Gesellschaft nach<br />

Wolfgang Welsch „<strong>von</strong> allen Formen des Monismus, der Unifizierung und Totalisierung, <strong>von</strong><br />

der e<strong>in</strong>en verb<strong>in</strong>dlichen Utopie und den vielen versteckten Despotismen“ entfernt „und geht<br />

statt dessen zu e<strong>in</strong>em Dispositiv der Multiplizität, der Vielfalt und Konkurrenz der<br />

Paradigmen und der Koexistenz der Heterogenität über“ 2 . Die moderne Gesellschaft “beg<strong>in</strong>nt<br />

dort, wo das Ganze aufhört… Vor allem nützt sie das Ende des e<strong>in</strong>en und Ganzen positiv,<br />

<strong>in</strong>dem sie die zu Tage tretende Vielfalt <strong>in</strong> ihrer Legitimität und Eigenart zu sichern und zu<br />

entfalten sucht“ 3 .<br />

Ke<strong>in</strong> überzeitliches Pr<strong>in</strong>zip garantiert mehr, dass die Aufe<strong>in</strong>anderfolge der Gegenwarten<br />

e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Muster folgt. Für das moderne Bewusstse<strong>in</strong> ist jede Gegenwart möglicher<br />

Ausgangspunkt neuer Zukünfte, deren Realisierung wiederum den Ausgangspunkt weiterer<br />

Entwicklungen <strong>in</strong> unbekannte Richtung bedeutet. Reflexives modernes Bewusstse<strong>in</strong> rechnet<br />

mit der Vorläufigkeit se<strong>in</strong>er Ordnungsmuster und begründet se<strong>in</strong>e Selbsterhaltung durch<br />

flexible Selbststeuerung. In dem Masse, <strong>in</strong> dem ständige Veränderlichkeit zur kulturellen<br />

Grunderfahrung wird, wird die Berufung auf e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen Bezugspunkt, <strong>von</strong> dem her die<br />

Welt erklärt und gestaltetet werden könnte, e<strong>in</strong>e illegitime Vere<strong>in</strong>fachung, Demzufolge s<strong>in</strong>d<br />

<strong>in</strong> der herrschenden Kultur alle Denksysteme <strong>von</strong> Legitimitätsverlust bedroht, die für sich <strong>in</strong><br />

Anspruch nehmen, die Welt als E<strong>in</strong>heit zu begreifen.<br />

In den Arbeiten <strong>von</strong> T<strong>in</strong>guely kommt e<strong>in</strong> zentrales Merkmal heutiger Gesellschaften zur<br />

Darstellung, ihre <strong>in</strong>nere Dynamik, Beschleunigung, Veränderlichkeit, Wandelbarkeit.<br />

Zukunft ersche<strong>in</strong>t nur noch als Raum des Möglichen, sie ist offen und unbestimmt. In e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft, <strong>in</strong> der sich alles bewegt, ist immer alles auch anders möglich.<br />

In e<strong>in</strong>er Welt ständiger Bewegung lässt sich für immer weniger Menschen weder die<br />

Gesellschaft als Ganze noch das eigene Leben <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en überwölbenden Gesamts<strong>in</strong>n<br />

e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den. Es ist ihnen nicht mehr möglich, die Welt als Ganzheit <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Standpunkt aus<br />

zu begreifen.<br />

Der gesellschaftliche Modernisierungsprozess bedeutet für die meisten Menschen den Verlust<br />

e<strong>in</strong>er umfassenden S<strong>in</strong>nstiftung. Ke<strong>in</strong>e Weltanschauung kann mehr für sich <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen, e<strong>in</strong>en Gesamts<strong>in</strong>n und e<strong>in</strong>e Lebensordnung zu repräsentieren, die für alle Bereiche<br />

und alle Personen gleichermassen Gültigkeit besitzt. Es wird daher mehr und mehr zur<br />

Aufgabe jeder und jedes e<strong>in</strong>zelnen, <strong>in</strong> ständiger Kommunikation mit anderen für sich selbst<br />

e<strong>in</strong> Deutungsmuster für das eigene Leben zu entwerfen. Für den e<strong>in</strong>zelnen verschärft sich das<br />

Problem, wie er die Frage nach dem S<strong>in</strong>n des Lebens beantworten will.<br />

1. Religiöse Topographie <strong>in</strong> der Schweiz<br />

Die Profile religiösen Erlebens und Handelns der befragten Schweizer<strong>in</strong>nen und Schweizer<br />

lassen e<strong>in</strong> Stück religiöser Moderne <strong>von</strong> <strong>in</strong>nen her begreifbar machen. Mit der<br />

2 Welsch Wolfgang, Unsere postmoderne Moderne, We<strong>in</strong>heim 1987, 33<br />

3 Welsch, Postmoderne Moderne, 39<br />

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