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Ausgabe Oktober 2013 - Architektenkammer des Saarlandes

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Das Reizvolle unbequemer Denkmäler<br />

Der Tag <strong>des</strong> offenen Denkmals stand<br />

dieses Jahr unter dem Motto "Jenseits<br />

<strong>des</strong> Guten und Schönen: Unbequeme<br />

Denkmale?". Neben Gebäuden, die an Krieg<br />

und Unrecht erinnern, standen insbesondere<br />

die Gebäude der Nachkriegsmoderne im Fokus.<br />

Mit dem Stil- und Geschichtsbegriff der "Fünfzigerjahre"<br />

wird für gewöhnlich die Architektur<br />

der unmittelbaren Nachkriegszeit beziehungsweise<br />

<strong>des</strong> Wiederaufbaus von 1945 bis Anfang<br />

der Sechzigerjahre umrissen. Charakteristisch<br />

für diese Zeit ist eine Stilvielfalt, die von wiederaufgenommenen<br />

konservativen Strömungen<br />

mit einem historischen (regionalen) Bezug bis<br />

zur Architektur <strong>des</strong> Neuen Bauens und der darauf<br />

aufbauenden modernen Architektur der<br />

Dreißiger- und Vierzigerjahre reicht wie beispielsweise<br />

der in der Schweiz und in Skandinavien.<br />

Die Stilvielfalt dieser Epoche ist gekennzeichnet<br />

durch eine zurückhaltende, zartgliedrige<br />

Gestaltung der Fassaden, die durch eine<br />

gekonnte Anordnung von Fenstern, Balkonen<br />

oder Erkern erzielt wird. Sie besitzt eine Experimentierfreudigkeit<br />

hinsichtlich der Materialien,<br />

die sich in schlanken Konstruktionen,<br />

Flugdächern oder freischwingenden Betontreppen<br />

ausdrückt. Ebenso wichtig sind die Details<br />

der kunstvoll gestalteten Türen, Türgriffe, Mosaiken<br />

und Buntverglasungen.<br />

Gerade die saarländische Region hat ein<br />

reiches Erbe an Bauten dieser Epoche vorzuweisen.<br />

So charakteristisch sich aber das Erscheinungsbild<br />

der Architektur der Fünfzigerjahre<br />

an vielen Stellen etwa in der Lan<strong>des</strong>hauptstadt<br />

Saarbrücken heute darbietet, so<br />

unsicher scheint ihre Zukunft.<br />

Die Bauten der Nachkriegszeit befinden sich<br />

nach ihrem dreißig bis vierzig Jahre währenden<br />

Gebrauch mitten in der ersten Reparaturphase.<br />

Die vergleichsweise karge Ästhetik dieser<br />

Architektur ist durch Eingriffe infolge von Sanierungsmaßnahmen<br />

besonders gefährdet. Zu<br />

selten findet eine ausgewogene Berücksichti-<br />

gung gestalterischer und energetischer Kriterien<br />

statt. Allzu oft werden bauliche Veränderungen<br />

zur Verbesserung der Energieeffizienz<br />

allein auf die Dämmung der Fassade reduziert,<br />

was zu Ergebnissen führt, die städtebaulich<br />

und architektonisch unbefriedigend sind.<br />

Auch erfolgen klimafreundliche Baumaßnahmen<br />

immer noch zu selten auf Grundlage<br />

einer städtischen Gesamtenergiebilanz und einer<br />

umfassenden, integrativen Stadtentwicklungsplanung.<br />

So sollten vielmehr gerade auch<br />

angesichts <strong>des</strong> demografischen Wandels vielerorts<br />

Energiekonzepte entwickelt werden,<br />

deren Schwerpunkt auf einer Stabilisierung<br />

von Quartieren liegt und die verstärkt Aspekte<br />

von Umbau und Umnutzung konzeptionell und<br />

gestalterisch ausführend berücksichtigen.<br />

Da heute offensichtlich die Qualitäten und<br />

die Bedeutung <strong>des</strong> baulichen Erbes der Nachkriegszeit<br />

nicht mehr ausreichend im Bewusstsein<br />

verankert sind, sollte der öffentliche,<br />

politische und fachliche Diskurs über diese<br />

Epoche unbedingt stärker belebt werden. Insbesondere<br />

da es einen großen Bestand gibt,<br />

<strong>des</strong>sen Schutzwürdigkeit, wenngleich unausgesprochen,<br />

als Teil von städtebaulichen Ensembles<br />

eine bedeutende Rolle spielen könnte<br />

sowohl hinsichtlich der Vermittlung eines Verständnisses<br />

zeitgeschichtlicher Zusammenhänge<br />

als auch in der Sichtbarmachung baustilistischer<br />

Charakteristiken für Stadt und<br />

Region.<br />

Die kulturelle Herausforderung von Klimaschutz<br />

und Baukultur liegt darin, den baulichen<br />

Bestand neuen Anforderungen heutiger Zeiten<br />

anzupassen, ohne ihm die Identität zu nehmen.<br />

Die Aufgabe besteht darin, adäquate Lösungen<br />

und differenzierte Strategien zu entwickeln,<br />

die Historisches im Gegenwärtigen aufbewahren,<br />

reflektieren, ergänzend weiterentwickeln,<br />

aber auch in Frage stellen dürfen. Schließlich<br />

ist die gewachsene urbane Struktur sichtbarer<br />

Ausweis für die Entwicklung einer Stadt und<br />

Teil ihrer Identität.<br />

• Igor Torres,<br />

Vertrauensarchitekt der AKS<br />

Foto AKS<br />

DABregional | 10/13 33

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