Werkbeschreibung Edin Numankadic
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<strong>Edin</strong> Numankadić<br />
Der Zyklus „Schriftzüge“ („Zapisi“)<br />
Der Existentialismus der Kunst von <strong>Edin</strong> Numankadić datiert noch aus der Zeit<br />
seiner frühesten künstlerischen Anfänge am Beginn der 1970-er Jahre. Wenn<br />
man den Menschen <strong>Edin</strong> Numankadić nicht kennt, entsteht in der Konfrontation<br />
mit seiner früheren Malerei - da es sich um gemalte gegenstandlose Bilder<br />
handelt – der irreführende Eindruck, es handle sich um abstrakte Malerei.<br />
Sein Anliegen war nur sekundär die Form. Sein Interesse galt nicht dem<br />
Experiment, dem Erforschen oder Erfinden. Seit jeher interessierten ihn die<br />
rätselhaften metaphysischen Zusammenhänge des Seins, jene existenziellen<br />
Fragen der menschlichen und seiner eigenen Existenz, auf die es noch keine<br />
gewissen Antworten gibt. In seinen Bildern versuchte er stets, seine inneren<br />
Erfahrungen und Erkenntnisse auf die Bildoberfläche zu übertragen und sie dort<br />
in einer einen Raum eröffnenden Vorstellung von Zeit und Form zu verdeutlichen<br />
(Abbildungen im Buch KRIEG.KUNST.KRISE, das als Grundlage der Ausstellung<br />
dient.).<br />
Der Krieg und das Erlebnis der Belagerung seiner Stadt Sarajevo veränderten<br />
Numankadićs Arbeitsweise – aber nur formal. In diesen Jahren entstehen seine<br />
„Schachteln“, Werke, die jedes für sich eine Sammlung seiner Erinnerungen,<br />
Assoziationen, Kommentare, seiner Sorgen sind. In einer Schachtel oder einem<br />
Köfferchen zusammengestellt stellen sie Versuche einer Beantwortung, einer<br />
Erklärung der jetzt durch den Krieg neu aufgeworfenen Fragen über Sinn und<br />
Unsinn, Gut und Böse, über Gott und die gottverlassene Welt dar. Und wenn es<br />
sich bei seinen früheren Malereien ebenfalls um existenzielle Themen gehandelt<br />
hatte, ging er jetzt belastet durch die Ungewissheit seiner Lebensumstände auf<br />
eine konkrete gegenständliche Weise an sie heran. Diese aus seinen<br />
Erinnerungsstücken zusammengesetzten Objekte erzählen oder kommentieren,<br />
fragen oder antworten. In sie integriert er auch noch die Schrift als das Medium<br />
der stillen Kommunikation, indem er philosophische Weisheiten als Zitate aus der<br />
Literatur in eine Vielzahl der Schachteln hineinschreibt. Sie gelten ihm als<br />
mögliche Antworten auf die ihn jetzt ständig plagenden Fragen.<br />
Auf eine gewisse Art können seine Schachteln, die er auch nach dem Krieg nicht<br />
aufhört zu machen, als Hommage an Lebenserinnerungen gesehen werden.
Die Schriften, die bei den Schachteln auftauchen und die auf ihnen noch gut<br />
lesbar sind, verlieren in der Zeit nach der Beendigung des Krieges, als<br />
Numankadić wieder zu malen beginnt und seinen neuen Bildern ähnliche<br />
Schriften hinzufügt, an Lesbarkeit. Sie erinnern an eine Schrift und man<br />
versucht, sie zu dechiffrieren, was aber in der Regel nicht gelingt. In den Akt des<br />
Malens integriert er jetzt auch den Akt des Schreibens, womit sich diese<br />
unleserlichen Schriftbilder ergeben. Ihre Unleserlichkeit ist die Absicht des<br />
Malers, weil er auf diese Weise versucht, seine Kriegserinnerungen und seine<br />
damit zusammenhängenden, vernichtenden Erkenntnisse über sich und die<br />
anderen abzulegen und zu verdrängen, sich davon zu befreien. Wenn er sie<br />
manchmal zerstört, dann aus Groll und Enttäuschung. Vieles bleibt aber<br />
irgendwo im Unterbewusstsein und kommt wie diese unklaren Schriften an die<br />
Oberfläche. Alles liegt dann herum - das Zerstörte neben dem ungewissen<br />
Ganzen und alles wirft von neuem Fragen ohne Antworten.<br />
Der Zyklus „Schriftzüge“ besteht aus einer Vielzahl an ähnlichen in Acryl<br />
gemalten und geschriebenen Bildern, die man als ein permanent im Entstehen<br />
befindliches Werk ansehen kann. Ein „Work in progress“ der innerlichen<br />
Befreiung.<br />
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