Press PLAY - DAC 2011
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Sonderveranstaltungen<br />
36 Hellmut-Weese-Gedächtnisvorlesung im Rahmen der Eröffnungsveranstaltung<br />
Samstag, 14. Mai <strong>2011</strong> Saal 2<br />
Anästhesiologie – Von der Narkose zum Schwerpunktfach in der<br />
Medizin – eine Vision?<br />
Vortrag: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Klaus van Ackern<br />
Die Anästhesiologie hat die operative Medizin wie kaum ein anderes<br />
medizinisches Spezialfach beeinflusst. Der grundlegende Beitrag der<br />
Anästhesiologie bestand in der Überwindung der Schmerzgrenze, die<br />
jahrhundertelang die Entwicklung der Chirurgie empfindlich eingeeingt<br />
hatte. Mit Beseitigung des Schmerzes wurde zugleich der chirurgische<br />
Eingriff vom Patienten erstmals toleriert. Dennoch blieben den chirurgischen Fachgebieten trotz aller<br />
Fortschritte in der operativen Anästhesie Grenzen gesetzt.<br />
So überlebten zwar viele Patienten bereits zu Beginn des 20. Jahrunderts komplexe gefäßchirurgische<br />
Eingriffe verstarben aber Tage später postoperativ. Das Bemühen die Homöostase im Organismus<br />
aufrecht zu erhalten, gelang damals während der Operation schon einigermaßen zufriedenstellend,<br />
war postoperativ aber un zureichend, um den Patienten vor den Folgen ihrer Störung zu<br />
schützen: Der Patient starb also nicht mehr an der Operation selbst, sondern an deren Folgen. Mit<br />
Einführung der Intensivmedizin, an der unser Fach ganz wesentlich Anteil hatte, wrude erstmals die<br />
Stabilisierung gestörter Organfunk tionen ermöglicht. Dennoch stieß auch die Intensivmedizin an ihre<br />
Grenzen, da sie Organdysfunktionen lediglich symptomatisch, supportiv therapierte. Diese Grenzen<br />
erfordern neue Wege, postoperative Organdysfunktionen nicht nur effektiver zu therapieren,<br />
sondern idealweise erst gar nicht entstehen zu lassen. Dieses Wunschziel, den Organismus gegenüber<br />
Noxen (Trauma, Ischämie, Hypoxie, etc.) resistent zu machen, hat die Forschung in den letzten<br />
Dekaden in unserem Fachgebiet auf dem Gebiet der Organprotektion ernorm beflügelt. Neben den<br />
bereits intensiv beforschten zellulären Mechanismen der Anästhetika-induzierten Organprotektion,<br />
ist es auch die Erforschung der psycho-neuro-endokrino-immunologischen Stressantwort, die neue<br />
therapeutische und erstmals präventive Ansätze liefert.<br />
Nur durch die Identifikation endogener-protektiver Mechanismen wird es gelingen, innovative pharmakologische<br />
Interventionen zu entwickeln, deren Anwendung im Vorfeld einer Operation den Risikopatienten<br />
gegenüber dem operativen Trauma in eine verbesserte Ausgangslage versetzten. Eine<br />
künftige Forschung in unserem Fach wird sich also mit der Protektion des Patienten beschäftigen.<br />
Die wiederholte Überwindung von Grenzen in unserem Fachgebiet wurde so und wird auch in<br />
Zukunft weiterhin zu einem Motor der Entwicklung in der operativen Medizin. Die auf der zellulären<br />
Ebene aufgezeigte universellen Gültigkeit der organprotektiven Prinzipien wird dabei die Überschreitung<br />
der Grenzen auch zu andern Fachgebieten in der Medizin erwarten lassen.