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Konfessionelle Nachbarschaft: Ziemlich beste Freunde – ziemlich ...

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<strong>Konfessionelle</strong> <strong>Nachbarschaft</strong>: <strong>Ziemlich</strong> <strong>beste</strong> <strong>Freunde</strong> <strong>–</strong> <strong>ziemlich</strong> größte<br />

Feinde!?<br />

Einleitung<br />

Zugegebenermaßen erscheint aus heutiger Sicht gerade der Aspekt der Feindschaft<br />

zwischen den Konfessionen fehl am Platz. <strong>Konfessionelle</strong> <strong>Nachbarschaft</strong> findet in<br />

unserer Zeit friedliche Ausdrucksformen wie ökumenische Gemeindefeste und<br />

Gottesdienste oder die zeitlich begrenzte gemeinsame Nutzung einer Kirche im Zuge<br />

von Baumaßnahmen. Geht man aber wenige Jahrzehnte zurück, so stellt sich<br />

konfessionelle <strong>Nachbarschaft</strong> oft ganz anders dar. Gerade in Orten mit simultaner<br />

Benutzung von Kirchen legen Quellen beredtes Zeugnis ab von einer teilweise als<br />

feindlich zu charakterisierenden Stimmung zwischen den Konfessionen.<br />

In den nachfolgenden Ausführungen sollen anhand ausgewählter Quelle aus dem<br />

Archiv des Bistums Speyer und dem Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der<br />

Pfalz verschiedene Aspekte konfessioneller <strong>Nachbarschaft</strong> näher beleuchtet werden.<br />

Die Auswahl der Quellen beschränkt sich dabei auf das 20. Jahrhundert, um die<br />

Lesbarkeit zu gewährleisten. Es ist aber durchaus denkbar, dass die Schüler auch<br />

Quellen aus dem späten 19. Jahrhundert miteinbeziehen. Ein weiterer wichtiger<br />

Aspekt ist der konkrete lokale Bezug. Erklärtes Ziel des Geschichtswettbewerbs des<br />

Bundespräsidenten ist es Jugendliche zu animieren sich mit der Geschichte<br />

auseinander zu setzen, die vor der eigenen Haustür stattgefunden hat. Die<br />

vorgestellten Beispiele sollen erste Hinweise auf die Geschichte konfessioneller<br />

<strong>Nachbarschaft</strong> vor Ort geben und animieren -hoffentlich- dazu sich auf den Weg zu<br />

machen, tiefer in die Materie einzusteigen.<br />

1


Zu den Archiven<br />

I. Archiv des Bistums Speyer<br />

Mit der Säkularisation und dem Untergang des Heiligen Römischen Reiches 1806<br />

endete auch die Geschichte des Fürstbistums Speyer. Infolge des bayerischen<br />

Konkordats von 1817 wurde das Bistum Speyer in den Grenzen der bayerischen<br />

Pfalz wiedererrichtet. Damit verbunden war auch die Einrichtung eines Archivs. Der<br />

Schwerpunkt der Überlieferung im Bistumsarchiv liegt auf der Zeit seit der<br />

Wiedererrichtung des Bistums. Quellen aus der Zeit des Fürstbistums finden sich im<br />

Generallandesarchiv Karlsruhe, im Landesarchiv Speyer und im Bayerischen<br />

Hauptstaatarchiv München. Das Bistumsarchiv ist zuständig für alle Verwaltungsabteilungen,<br />

Dienststellen und Einrichtungen des Bischöflichen Ordinariats. Darüber<br />

hinaus betreut das Archiv die Pfarrarchive, die teilweise im Bistumsarchiv deponiert<br />

sind. Gerade für die Erforschung der lokalen Lebenswelt stellen die Pfarrarchive eine<br />

wichtige Quelle dar, denn in Ihnen spiegeln sich viele Aspekte des kirchlichen<br />

Lebens wider.<br />

Für die Zeit seit 1817/21 sind im wesentlichen drei wichtige Bestände zu nennen:<br />

Archiv des Domkapitels: Akten über den Dom; Statuten des Domkapitels;<br />

Personalangelegenheiten; Sitzungsprotokolle<br />

Bischöfliches Archiv: Akten der Speyerer Bischöfe; Visitationsberichte; Unterlagen zu<br />

den Bayerischen und Fuldaer Bischofskonferenzen; Dokumente zum Bayerischen<br />

Konkordat (1924) und zum Reichskonkordat (1933)<br />

Bischöfliches Ordinariat: Schriftgut Bistumsverwaltung in zwei Abteilungen: Älteres<br />

und Neueres Archiv<br />

Das Bistumsarchiv ist ein öffentliches Archiv und täglich zur Benutzung geöffnet.<br />

Ergänzend zu den Archivbeständen steht die Archivbibliothek, die eine reine<br />

2


Präsenzbibliothek ist, zur Verfügung. Weitere Informationen zum Bistumsarchiv<br />

finden Sie im Internet: cms.bistum-speyer.de/bistumsarchiv.<br />

II. Zentralarchiv der Evangelischen Kirche der Pfalz, Speyer<br />

Die Sprengel der beiden Kirchenarchive in Speyer sind nahezu deckungsgleich und<br />

umfassen das Gebiet der ehemaligen bayerischen Pfalz.<br />

Unser Zentralarchiv <strong>beste</strong>ht erst seit dem Jahr 1930. Nur wenige Pfarrämter machten<br />

damals von dem Angebot Gebrauch, Akten und Kirchenbücher an das Archiv nach<br />

Speyer abzugeben. Eine Unterbrechung erfuhr die Arbeit im landeskirchlichen Archiv<br />

während der NS-Zeit. Der Schwerpunkt lag auf der Erstellung der sog.<br />

Ariernachweise.<br />

Erst in den 1950er-Jahren, mit der Einstellung eines hauptamtlichen Archivars,<br />

begann der kontinuierliche Aufbau unseres Archivs.<br />

Wir als Zentralarchiv sind zuständig für die Übernahme der Unterlagen<br />

- der Oberbehörde (d. h. des Landeskirchenrates und seiner Abteilungen)<br />

- der Mittelbehörden (das sind die Dekanate)<br />

- der Pfarrämter (schätzungsweise 95 % aller Pfarrarchive sind in unserem Archiv<br />

gelagert.)<br />

- der landeskirchlichen Einrichtungen und Werke (Landesjugendpfarramt, Männerwerk<br />

usw.)<br />

Ergänzt wird dieses behördlich erwachsene Schriftgut durch nichtamtliches<br />

Schriftgut, dazu zählen Nachlässe, Sammlungen (Fotos, Pläne), Vereinsschriftgut.<br />

Die digitale Welt hat auch vor unserem Archiv nicht halt gemacht: In den im<br />

Archivportal www.zentralarchiv-speyer.findbuch.net eingestelIten<br />

Findbuchdatenbanken kann man bequem zu Hause vor dem Bildschirm<br />

recherchieren und bereits vor dem Archivbesuch Akten <strong>beste</strong>llen. Unsere<br />

Fotosammlung ist digitalisiert und kann ebenfalls im Internet eingesehen werden.<br />

Doch was nutzen diese modernen Recherchemöglichkeiten, wenn die Benutzenden<br />

im Archiv vor einer Akte aus dem 18. Jh. sitzen und die alte deutsche Schrift nicht<br />

lesen können. Hier versuchen wir Abhilfe zu schaffen mit dem Angebot unserer<br />

3


Paläographiekurse, die in unserem Archiv seit einigen Jahren stattfinden und bis jetzt<br />

immer ausgebucht sind. Auch für Kinder und Jugendliche <strong>beste</strong>ht das Angebot, an<br />

speziell für diese Altersgruppe ausgerichteten Kursen teilzunehmen.<br />

Für die Erforschung der Quellen zur konfessionellen <strong>Nachbarschaft</strong> (katholisch und<br />

evangelisch) ist es aus rein praktischen Erwägungen gut zu wissen, dass beide<br />

Archive in Speyer nur wenige Meter von einander entfernt ihren Standort haben.<br />

Wie das Bistumsarchiv ist auch das Zentralarchiv ein öffentliches Archiv. Weitere<br />

Informationen zu unserem Archiv wie z.B. Öffnungszeiten, Ansprechpartner und<br />

Telefonnummern können Sie unserer Website (www.zentralarchiv-speyer.de)<br />

entnehmen.<br />

Quellen zur konfessionellen <strong>Nachbarschaft</strong><br />

Die Ausgestaltung konfessioneller <strong>Nachbarschaft</strong> soll anhand von drei Schlaglichtern<br />

<strong>–</strong> dem simultanen Gebrauch von Kirchen, der Abhaltung von Fronleichnamsprozessionen<br />

und dem Bau der Friedenskirche St. Bernhard in Speyerexemplarisch<br />

beleuchtet werden. Die Auswahl der Quellen kann daher auch nur<br />

erste Mosaiksteine liefern, die durch weitere Quellen aus dem Bistumsarchiv,<br />

anderen Archiven und durch weitere Methoden, beispielsweise durch Interviews<br />

ergänzt werden müssen, um ein vollständigeres Bild zu erhalten.<br />

4


Schlaglicht I: Simultaneum<br />

Der gemeinsame Gebrauch eines Kirchengebäudes, einer Kultstätte (Friedhof) oder<br />

eines Kultgegenstand (Glocken) durch verschiedene Konfessionen <strong>–</strong> das<br />

Simultaneum <strong>–</strong> ist ein Phänomen, dass gerade in der Pfalz häufig anzutreffen ist.<br />

Auslösende Momente für die Entstehung der Simultaneen waren die französischen<br />

Reunionen und der Wechsel in der Konfession des kurpfälzischen Herrscherhauses,<br />

das die Gegenreformation in der Pfalz einleitete (ausführlich: Paul Warmbrunn,<br />

Simultaneen in der Pfalz, in: JB für westdeutsche LG 14/ 1998). Die Ausgestaltung<br />

des simultanen Gebrauchs sowie die besitzrechtlichen Regelungen sind vielfältig. Sie<br />

reichen von der genauen Festlegung der Gottesdienstzeiten, Regelung von<br />

Baulastfragen bis hin zur sichtbaren Aufteilung des Kirchenraumes durch eine<br />

Trennmauer, wie heute noch in der Stiftskirche in Neustadt. Geprägt ist der simultane<br />

Gebrauch der Kirchen häufig von einer „gewissen Spannung und Gereiztheit“, wie<br />

der protestantische Landeskirchenrat der Pfalz 1949 feststellt. Im Bestand Neueres<br />

Archiv 2/20 finden sich eine Reihe von Einzelfallakten, die das ganze Spektrum des<br />

konfessionellen Miteinanders in simultan genutzten Kirchen aufzeigen. Bereits die<br />

Verlegung einer Stromleitung ohne„Fühlungnahme“ mit den Protestanten, wie 1952<br />

in Billigheim geschehen, kann zur Verstimmung führen, die durch „Rücksprache mit<br />

der protestantischen Kirchenverwaltung leicht hätte vermieden werden können“, so<br />

das Bischöfliche Ordinariat. Die Abhaltung von Gottesdiensten, insbesondere die<br />

tatsächliche oder vermeintliche Nichtbeachtung der festgelegten Zeiten bietet<br />

regelmäßig Anlass zu Auseinandersetzungen. Im sogenannten Vorgangsrecht ist<br />

geregelt, welche Konfession am Sonntag zuerst Gottesdienst abhalten darf. Der<br />

katholische Pfarrer von Bruchmühlbach fand folgende pragmatische Lösung „In der<br />

Verhandlung schuf ein Argument, mit dem im vorigen Jahr mein Vorgänger schon<br />

einmal glücklich operierte den guten Ausgang. Wir erklärten, dass wir bei einem<br />

hartnäckigen Bestehen auf dem sogenannten Vorgangsrecht auf einem genauen<br />

Einhalten der Zeiten <strong>beste</strong>hen müssten. Somit wäre den Protestanten, die keine<br />

früheren Morgenstunden für den Gottesdienst lieben, der Zwang aufgelegt worden<br />

5


selbst an sehr hohen Feiertagen sehr früh zu schließen. Die jetzigen Abmachungen<br />

scheinen auf einer guten Basis zu stehen.“ Das gemeinsame Miteinander oder<br />

Gegeneinander lässt sich in der Gemeinde Rohrbach über mehrere Jahrhunderte<br />

verfolgen. Ständiger Konfliktpunkt sind die Gottesdienstzeiten und in der zweiten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts insbesondere die Frage nach dem Benutzungsrecht des<br />

Chores. Der konfessionelle Hader lässt sich anhand der Quellen im Bistumsarchiv<br />

vom frühen 19. Jahrhundert an verfolgen. 1949 klagt der protestantische<br />

Landeskirchenrat der Pfalz über folgende „Verstöße“ von Seiten der katholischen<br />

Gemeinde:<br />

die lärmende katholische Jugend im Pfarrgarten, häufig vor Beendigung des<br />

protestantischen Gottesdienstes<br />

Gewohnheit des katholischen Geistlichen sofort nach Beendigung des<br />

protestantischen Gottesdienstes mit dem Fahrrad die Kirche zu betreten<br />

Belassen des katholischen Kanzelbehangs während der Wochentage.<br />

Vorausgegangen war eine Beschwerde des katholischen Pfarrers wegen der<br />

Aufführung des Theaterstücks „Der Ackermann aus Böhmen“ in der Simultankirche.<br />

Das Bischöfliche Ordinariat sah sich daraufhin veranlasst beschwichtigend einzugreifen<br />

und die Einhaltung der Regelungen anzumahnen. Das Simultaneum in<br />

Rohrbach <strong>beste</strong>ht bis heute und es wäre sicherlich interessant vor Ort zu erfragen,<br />

wie das kirchliche Leben zweier Konfessionen unter dem Dach eines<br />

Kirchengebäudes funktioniert. Im Laufe der Zeit wurde eine Reihe von Simultaneen<br />

abgelöst, teilweise aber auch bewusst beibehalten wie in Rohrbach oder aber in der<br />

Stiftskirche in Neustadt. Diskutierte man 1968 noch über die Entfernung der<br />

Trennmauer in Neustadt, um ein sichtbares Zeichen für gelebte Ökumene zu setzen,<br />

ist bei den jüngsten Renovierungsmaßnahmen ganz klar, dass die Mauer bleibt.<br />

Ausgehend von der Frage wie sich konfessionelle <strong>Nachbarschaft</strong> heute in einem<br />

auch sichtbar getrennten sakralen Raum gestaltet, könnte die Geschichte des<br />

simultanen Gebrauchs verfolgt werden.<br />

Eine Simultankirche, in der die Mauer tatsächlich gefallen ist, ist die Otterberger<br />

Abteikirche. Dies geschah während einer größeren Renovierungsmaßnahme in den<br />

6


1970er Jahren. In den im Zentralarchiv aufbewahrten Akten sind vor allem auch die<br />

langwierigen Verhandlungen über die Entfernung der Trennmauer festgehalten. Die<br />

Kirche wird heute von beiden Konfessionen gemeinsam genutzt und es finden auch<br />

gemeinsame Veranstaltungen in der Kirche statt.<br />

Zum Schlaglicht „Simultaneum“ ist außerdem zu bemerken, dass inzwischen einige<br />

Veröffentlichungen vorliegen, z. B. in der Zeitschrift zum kirchlichen Bauwesen<br />

„Turmhahn“, oder die von Heinz Henke im Jahr 2008 erschienene Veröffentlichung:<br />

Wohngemeinschaften unter einem Dach.<br />

Schlaglicht II: Fronleichnamsprozession<br />

Anlass zu Irritationen bot auch das Abhalten der Fronleichnamsprozession. Seit dem<br />

späten 13. Jahrhundert feiert die katholische Kirche dieses Fest mit einem<br />

Gottesdienst und einer anschließenden Prozession. Durch das Tridentinische Konzil<br />

(1545-1563) wurde dieses Fest zu einer gegenreformatorischen Demonstration<br />

aufgewertet. In gemischt-konfessionellen Regionen war es nicht unüblich, dass<br />

protestantische Bauern an diesem Tag Mist auf den Feldern ausbrachten, was von<br />

den katholischen Bauern dann an Karfreitag in ähnlicher Weise beantwortet wurde.<br />

Noch im Jahr 1954 führte das Aufstellen von sogenannten Maien vor dem<br />

protestantischen Pfarrhaus und den Häusern einiger protestantischer Einwohner in<br />

Göllheim zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen dem katholischen und<br />

protestantischen Pfarrer wie ein Schriftwechsel im Bestand Neueres Archiv 7/5<br />

belegt. An besonderen Festen der jeweiligen Kirchengemeinde nehme man zwar<br />

herzlichen Anteil, so der protestantischen Pfarrer, anders verhalte es sich aber mit<br />

dem Fronleichnamsfest. Eine Teilnahme der Protestanten sei hier nicht möglich, „sie<br />

können sich nur den gesetzlichen Anordnungen entsprechend und darüber hinaus<br />

aus friedfertigem Geist darauf beschränken, den katholischen Feiertag nicht durch<br />

werktägliche Arbeiten in der Öffentlichkeit zu stören“. Der dezidiert gegen<br />

Nichtkatholiken gerichtete Charakter des Festes mache eine Teilnahme unmöglich.<br />

Zur Begründung zieht der den Text der Einführungsbulle von Urban IV. aus dem Jahr<br />

7


1264 und die Aussagen des Konzils von Trient heran. Im nachfolgenden Schriftwechsel<br />

weitet sich dann die Debatte auf die Frage aus, welche Konfession, denn für<br />

die Beschaffung von Glocken und die Unterhaltung des Glockenturms der politischen<br />

Gemeinde mehr geleistet habe. Zu einer persönlichen Aussprache zwischen den<br />

beiden Geistlichen kommt es nicht, man trägt den „Krieg“ auf der Kanzel aus. In den<br />

folgenden Jahren scheint die Fronleichnamsprozession keinen Anlass mehr zu<br />

Feindseligkeiten gegeben zu haben, zumindest findet sich in diesem Bestand kein<br />

Hinweis mehr darauf. Hier wäre es besonders spannend, einen Blick in die<br />

Überlieferung von protestantischer Seite zu werfen und in das Pfarrarchiv.<br />

Dass es auch ganz anders gehen kann, zeigt das Beispiel aus Hoof im Ostertal. Hier<br />

ist es in den später 50ger Jahren übliche Praxis, dass die protestantische Gemeinde<br />

aktiv an der Gestaltung der Prozession der Erstkommunikanten mitwirkt. Der<br />

protestantische Bläserzug gibt den Kindern Ehrengeleit, der evangelische<br />

Männergesangsverein wirkt ebenfalls mit. Daraus erwächst die Idee einer Beteilung<br />

der Protestanten bei der Fronleichnamsprozession. Das Bischöfliche Ordinariat<br />

erlaubt die Beteiligung probeweise und genehmigt diese Praxis auch in den<br />

darauffolgenden Jahren, weil die Sache mit gutem Erfolg verläuft. Wie sieht die<br />

Praxis dort heute aus <strong>–</strong> eine Frage, der man nachgehen könnte.<br />

Nach der Recherche in den einschlägigen Findbüchern im Zentralarchiv muss leider<br />

festgestellt werden, dass die Ausbeute sehr gering ist. Wenn es auch<br />

Auseinandersetzungen zwischen beiden Konfessionen gab, so fanden diese kaum<br />

Niederschlag in den Akten der jeweiligen Pfarrarchive.<br />

Schlaglicht III: Friedenskirche St. Bernhard/ Speyer<br />

<strong>Konfessionelle</strong> <strong>Nachbarschaft</strong> manifestiert sich auch über die Grenzen Deutschlands<br />

hinaus. Sichtbares Zeichen ist die Friedenskirche St. Bernhard in Speyer. Ideen- und<br />

Baugeschichte sind gut dokumentiert im Pfarrarchiv St. Bernhard, das im<br />

Bistumsarchiv verwahrt wird und in einem umfangreichen Chronikband im Bestand<br />

8


Archiv des Domkapitels. Inspiriert von der Europa-Begeisterung der frühen 50ger<br />

Jahre, entstand im Domkapitel die Idee, eine Kirche zu bauen, die als Baustein in der<br />

deutsch-französischen Aussöhnung gedacht war und zugleich „ragendes Denkmal“,<br />

so die Urkunde zur Grundsteinlegung, der europäischen Einheit sein sollte. Am<br />

Anfang stand jedoch zunächst nur die Idee, die Seelsorge im Innenstadtbereich von<br />

Speyer zu verbessern. Die wachsende Zahl der Katholiken machte eine weitere<br />

Kirche erforderlich. Zwei weitere Momente kamen bei den Überlegungen zum<br />

Neubau einer Kirche entscheidend hinzu: 800. Todestag von Bernhard von Clairvaux<br />

im Jahr 1953 (Verbindung zu Speyer: 1146 Aufruf zum Kreuzzug im Dom) und die<br />

Weihe des neuen Bischofs Isidor Markus Emanuel, der sich besonders der deutschfranzösischen<br />

Aussöhnung annahm. Von Bischof Isidor Markus Emanuel stammte<br />

dann die Idee die Feierlichkeiten des Bernhardsjubiläums und die deutschfranzösische<br />

Aussöhnung miteinander zu verknüpfen. In einem weiteren Schritt<br />

verknüpfte man diese Gedanken mit dem notwendigen Kirchenneubau. Die Idee<br />

wurde dem französischen Hohen Kommissar und Botschafter André François-Poncet<br />

übermittelt, der sofort seine Unterstützung zusagte. Mit dieser Unterstützung im<br />

Rücken konnte das Domkapitel dann erfolgreich bei Ministerpräsident Peter Altmeier<br />

für den Kirchenneubau werben. Um die Idee voranzutreiben wurde ein Festkomitee<br />

berufen, dem unter anderem Robert Schuman, Konrad Adenauer, Heinrich von<br />

Brentano und der Erzbischof von Paris angehörten. Zur Vorbereitung auf die<br />

Feierlichkeiten wurde unter anderem eine große Wallfahrt nach Frankreich<br />

organisiert, die auf privater Ebene zu mancherlei Kontakten führte. Am 23. August<br />

1953 fand dann die Grundsteinlegung statt. Einer der Höhepunkte war, neben der<br />

abendlichen Ansprache von Bundeskanzler Konrad Adenauer, die Übergabe einer<br />

Beihilfe der französischen Katholiken in Höhe von 200.000 DM bar in 100,- DM-<br />

Scheinen. Das umfangreiche Echo in der deutschen und französischen Presse ist<br />

eindrücklich im Pfarrarchiv St. Bernhard dokumentiert. Nach 13 Monaten Bauzeit<br />

konnte am 26. September 1956 die Weihe der Kirche erfolgen. Das so ambitioniert<br />

gestartete Projekt, geriet schon bald in Vergessenheit. Als Ort deutsch-französischer<br />

Aussöhnung konnte sich die Kirche in der öffentlichen Erinnerungskultur nie<br />

9


etablieren. 1982 wurde die Pfarrei aufgelöst, die Kirche Filiale des Domes und<br />

Begräbniskirche für das Speyerer Domkapitel. Letztlich ist die Geschichte der<br />

Friedenskirche eine Geschichte des „Nicht-Wirkens“, aber deswegen nicht weniger<br />

interessant.<br />

Kirchliche <strong>Nachbarschaft</strong> <strong>–</strong> nicht nur zwischen den Konfessionen<br />

Auch wenn die folgenden Ausführungen nicht direkt zum Thema „<strong>Konfessionelle</strong><br />

<strong>Nachbarschaft</strong>“ passen, so ist doch festzuhalten: Kirchliche <strong>Nachbarschaft</strong> findet<br />

nicht nur zwischen den Konfessionen statt.<br />

Gemeindepatenschaften<br />

In den 1950er-Jahren wurden Patenschaften für Gemeinden in der damaligen DDR<br />

in der Landeskirche Anhalt begründet. Aus diesen Patenschaften entwickelten sich<br />

im Laufe der Jahre Gemeindepartnerschaften und diese werden z. T. heute noch<br />

gepflegt. Aktenmaterial ist vor allem in Pfarrarchiven auf lokaler Ebene zu finden, in<br />

den Beständen des Diakonischen Werks und des Männerwerks.<br />

Weitere Gemeindepartnerschaften wurden zwischen Gemeinden der Pfälzischen<br />

Landeskirche und Gemeinden der Congregational Church of England geschlossen.<br />

Auch viele Fotos und Plakate vorhanden!<br />

Flüchtlinge und Heimatvertriebene nach dem 2. Weltkrieg<br />

Nicht immer und überall wurden Flüchtlinge mit offenen Armen aufgenommen. Die<br />

Flüchtlingsproblematik fand anfangs vor allem wegen der Beschlagnahme von<br />

Wohnraum in den pfälzischen Pfarrhäusern Niederschlag in den Akten.<br />

Bei der Beschaffung von Wohnraum half später das Siedlungswerk, weitere<br />

materielle Unterstützungen kamen vom Evangelischen Hilfswerk der Pfälzischen<br />

Landeskirche. Eine Eingliederung in die Gemeinden wollte man dadurch forcieren,<br />

indem Flüchtlinge in die Presbyterien berufen werden sollten. Diese sollten damit<br />

aktiv in der Gemeindearbeit beteiligt werden.<br />

10


Aus Feinden werden <strong>Freunde</strong>...<br />

Nicht auf lokaler Ebene, sondern auf regionaler bzw. internationaler Ebene fanden<br />

seit den 1950er Jahren Veranstaltungen des Männerwerks und des<br />

Landesjugendpfarramtes statt, um die Beziehungen zwischen den Ländern<br />

Frankreich und Deutschland zu verbessern. Das Männerwerk bot Veranstaltungen<br />

für französische, englische und deutsche Arbeitnehmer an. Das<br />

Landesjugendpfarramt förderte den Austausch und die Begegnungen Jugendlicher<br />

verschiedener Nationen.<br />

Auch von katholischer Seite wurden Partnerschaft aus internationaler Ebene,<br />

besonders nach Frankreich, gepflegt. Quellen hierzu finden sich insbesondere im<br />

Bestand Bischöfliches Jugendamt. Zum Einstieg eignet sich besonders die<br />

vierbändige Publikation Katholische Jugend im Bistum Speyer (Schriften des<br />

Diözesanarchivs, Band 31/I und 31/II).<br />

In diesem Rahmen können nur einige knappe Hinweise auf mögliche Themen<br />

gegeben werden. Als weiteres Thema wäre z. B. noch zu nennen: Die Einrichtung<br />

eines Griechenkindergartens in der Gemeinde Ludwigshafen-Hemshof.<br />

Christine Lauer, Zentralarchiv der evangelischen Kirche der Pfalz, Speyer<br />

Susanne Rieß-Stumm M.A., Landesarchiv Speyer<br />

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