27.04.2014 Aufrufe

Stadtführer Koblenz - Landeshauptarchiv Koblenz

Stadtführer Koblenz - Landeshauptarchiv Koblenz

Stadtführer Koblenz - Landeshauptarchiv Koblenz

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Stadtführer</strong> <strong>Koblenz</strong><br />

Auf den Spuren des Nationalsozialismus<br />

Stadtarchiv <strong>Koblenz</strong><br />

|<br />

<strong>Landeshauptarchiv</strong> <strong>Koblenz</strong>


INHALTSVERZEICHNIS<br />

STATIONEN<br />

1 Das Machtzentrum im Gau: Die NSDAP-Gauleitung 6<br />

2 „Goldfasane“ als Menschenführer: Die NSDAP-Kreisleitung 10<br />

3 Braunhemden und Schwarzer Orden: Die SA und SS in <strong>Koblenz</strong> 12<br />

4 Nachwuchs für den Führer: Die Hitlerjugend 16<br />

5 Arbeiter der Stirn und Faust geeint: Die DAF-Gauwaltung 19<br />

6 Hilfe nur den „Würdigen“: Das Amt für Volkswohlfahrt 21<br />

7 Ehrendienst am deutschen Volk: Der Reichsarbeitsdienst 23<br />

8 Eine Festung wird eingenommen: Der Ehrenbreitstein als Propagandaort 25<br />

9 Germanische Mythen vor kurfürstlichem Schloss: Die Thingstätte 27<br />

10 Aufmarsch des Militarismus: Das Deutsche Eck 29<br />

11 Für Sport und Propaganda: Die Hermann-Göring-Kampfbahn 31<br />

12 Die Stimme der Partei: Das „Nationalblatt“ 32<br />

13 Preußisches Machtzentrum am Rhein: Das Oberpräsidium der Rheinprovinz 34<br />

14 Braune Karrieren in staatlichen Diensten: Die preußische Regierung 36<br />

15 Kommunale „Selbstverwaltung“ unter brauner Regie: Das Rathaus 38<br />

16 Von Saalschlachten zu Trauerfeiern: Die Stadthalle 41<br />

17 Ordnungshüter als Handlanger des Terrors: Das Polizeipräsidium 43<br />

18 Das Zentrum des Terrors: Die Gestapo-Zentrale und das Karmelitergefängnis 45<br />

19 Aus Recht wird Unrecht: Die Gerichtsbarkeit 48<br />

20 Baudenkmal eines „Tausendjährigen Reiches“: Das Reichsbankgebäude 51<br />

21 Zerschlagung des politischen Gegners: Das Ebert-Haus der SPD 53<br />

22 Mit dem Zug in den Tod: Die Judendeportationen 55<br />

23 Der Einkauf als politische (Un-)Tat: Der Kaufhof (ehemals Tietz) 57<br />

24 Vom Mittelpunkt des jüdischen Lebens zum städtischen Amt: Die Synagoge 59<br />

25 Geschützt waren nur die Bäume: Der jüdische Friedhof 61<br />

26 Kruzifix und Hakenkreuz: Die beiden christlichen Kirchen 63<br />

27 Bekämpfung einer „Plage“: Die „Zigeuner“ 66<br />

28 Arbeiten für den Feind: Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene 68<br />

29 Trümmer und Not: Das Kriegsende 70<br />

30 Erinnern, Gedenken, Mahnen: Stätten in <strong>Koblenz</strong> 72<br />

GRUSSWORTE 4 STATIONEN 6 CHRONOLOGIE 76 „JUDENHÄUSER“ 78<br />

STOLPERSTEINE 78 NSDAP-ORTSGRUPPEN 79 LITERATURAUSWAHL 80<br />

INTERNET 83 BILDNACHWEIS 83 ARCHIV-INFORMATIONEN 84


GRUSSWORTE<br />

Das mahnende Gedenken an die Zeit des Nationalsozialismus<br />

ist der Stadt <strong>Koblenz</strong> seit vielen Jahren<br />

ein besonderes Anliegen. Der vorliegende <strong>Stadtführer</strong>,<br />

entstanden in bewährter Zusammenarbeit zwischen Stadtarchiv<br />

und <strong>Landeshauptarchiv</strong>, leistet dazu einen weiteren,<br />

wichtigen Beitrag. Lag in der Vergangenheit der Fokus auf<br />

den Opfern der nationalsozialistischen Diktatur und ihren<br />

vielfältigen Leiden, stehen jetzt die Orte des Geschehens<br />

und die Täter im Mittelpunkt von 30 Stationen.<br />

Für alle historisch Interessierten – ob Bürger oder<br />

Gäste unserer Stadt, Lehrende oder Studierende, Lehrer<br />

oder Schüler – bietet dieser <strong>Stadtführer</strong> fundierte, gut<br />

lesbare Informationen, die zeigen, dass sich die Ereignisse<br />

dieser zwölf Jahre nicht nur im fernen Berlin, sondern<br />

direkt vor der eigenen Haustür abspielten. Der <strong>Stadtführer</strong><br />

soll nicht nur einladen zu Stadtrundgängen, die individuell<br />

zusammengestellt werden können. Er will auch einladen<br />

zur wiederholten, persönlichen Auseinandersetzung mit<br />

einer Thematik, die auch nach Jahrzehnten nichts von<br />

ihrer Aktualität verloren hat.<br />

Prof. Dr. Joachim Hofmann-Göttig<br />

Oberbürgermeister der Stadt <strong>Koblenz</strong><br />

Detlef Knopp<br />

Kulturdezernent der Stadt <strong>Koblenz</strong><br />

4


Auch in <strong>Koblenz</strong> hat der Nationalsozialismus seine<br />

Spuren hinterlassen, in den Straßen, an den Gebäuden<br />

und auf den Plätzen der Stadt: Orte des Erinnerns, Orte<br />

des Schauderns, Orte des Gedenkens. Diesen Spuren nachzugehen,<br />

die Bürgerinnen und Bürger der Stadt, aber auch<br />

ihre zahlreichen Besucher an die originalen Schauplätze<br />

des Geschehens heranzuführen und dieses so nacherlebbar<br />

zu machen, ist Aufgabe dieses Bandes. Mehr als alles andere<br />

bedarf es hierzu einer gesicherten Quellengrundlage,<br />

um Mythos von Tatsache zu scheiden, Fiktion von Wahrheit.<br />

Es kommt daher nicht von ungefähr, dass sich zur<br />

Erarbeitung dieses <strong>Stadtführer</strong>s – wie schon in der Vergangenheit<br />

– die beiden Archive vor Ort zusammengefunden<br />

haben, in deren Magazinen die Quellen zur Geschichte<br />

der Stadt <strong>Koblenz</strong> in nationalsozialistischer Zeit verwahrt<br />

werden.<br />

Mein besonderer Dank gilt den beiden Autorinnen,<br />

Frau Dr. des. Petra Weiß vom Stadtarchiv <strong>Koblenz</strong> und<br />

Frau Dr. Beate Dorfey vom <strong>Landeshauptarchiv</strong> <strong>Koblenz</strong>,<br />

die mit großem Engagement und hoher Sachkenntnis die<br />

zahlreichen Quellen gesichtet und ausgewertet haben.<br />

Mein Dank gilt aber auch allen anderen Kolleginnen und<br />

Kollegen beider Häuser und befreundeter Institutionen<br />

und Experten für ihre Unterstützung und sachkundigen<br />

Rat sowie insbesondere Herrn Stefan Miller-Bergfriede<br />

vom Amt für Stadtvermessung und Bodenmanagement<br />

<strong>Koblenz</strong> für die gelungene Gestaltung.<br />

Dr. Elsbeth Andre<br />

Direktorin des <strong>Landeshauptarchiv</strong>s <strong>Koblenz</strong><br />

5


Das Zentrum des Terrors:<br />

Die Gestapo-Zentrale und das Karmelitergefängnis<br />

Im Vogelsang 1-3, Ecke Rheinstraße / Karmeliterstraße<br />

18<br />

Die Geheime Staatspolizei (Gestapo), am 26. April 1933 gegründet,<br />

gilt bis heute als der Inbegriff der politischen Polizei, einzig<br />

zur Bespitzelung von Gegnern des NS-Regimes, aber auch dessen<br />

Anhängern ins Leben gerufen. Zunächst dem preußischen Innenminister<br />

bzw. Ministerpräsidenten Hermann Göring unterstellt,<br />

übernahm der Reichsführer-SS Heinrich Himmler am 17. Juni 1936<br />

auf Weisung Hitlers das Amt des Chefs der Deutschen Polizei im<br />

Reichsministerium des Innern und leitete eine strikte Zentralisierung<br />

und Verschmelzung mit der SS ein: 1936 wurden Gestapo und<br />

Kriminalpolizei zur Sicherheitspolizei vereinigt, 1939 wurde durch<br />

die Zusammenlegung von Sicherheitspolizei und Sicherheitsdienst<br />

das Reichsicherheitshauptamt gegründet.<br />

Aktiver Widerstand gegen den Nationalsozialismus war jedoch<br />

gar nicht nötig, um ins Visier der Gestapo zu geraten: Defätismus<br />

– das systematische Nähren und Verbreiten von Mutlosigkeit<br />

und Resignation – war das am häufigsten zur Anzeige gebrachte<br />

Delikt. Spott über den Nationalsozialismus und seine Vertreter<br />

war ebenso strafbar. Wichtigstes Instrument der Gestapo war die<br />

Schutzhaft, die Inhaftierung von Gegnern für einen beliebigen<br />

Zeitraum ohne richterlichen Beschluss. Hierfür wurden ausreichend<br />

große Gefängnisse in unmittelbarer Nähe gebraucht, um<br />

die Regimegegner möglichst schnell und unauffällig verhaften und<br />

einsperren zu können.<br />

Die Gestapo übernahm in <strong>Koblenz</strong> nach dem Umzug der<br />

Reichsbank in die Neustadt im Januar 1937 deren altes Gebäude<br />

(ehemals Regierungsstraße 7-9, dann Im Vogelsang 1-3; der Eingang<br />

lag an der Nordseite). Noch im selben Monat wurde zur<br />

Erleichterung der Dienstgeschäfte unter der Regierungsstraße hindurch<br />

ein unterirdischer Verbindungsgang vom Keller der Gestapo<br />

zum Keller des Regierungsgebäudes geplant. Die Stadt erteilte am<br />

23. Februar die baupolizeiliche Genehmigung. Sowohl im Erd- als<br />

auch im Kellergeschoss lagen die ehemaligen Tresorräume, die des<br />

Kellergeschosses sollen als Haftzellen benutzt worden sein.<br />

45


In unmittelbarer Nachbarschaft, an der Ecke Karmeliterstraße<br />

/ Rheinstraße, lag das <strong>Koblenz</strong>er Stadtgefängnis „Karmelitergefängnis“<br />

in dem 1803 säkularisierten Karmeliterkloster.<br />

Bereits lange vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten als<br />

Gefängnis genutzt, wurde es schon kurze Zeit nach dem 30. Januar<br />

1933 mit in „Schutzhaft“ genommenen politischen Gegnern belegt.<br />

Anders als im Gestapo-Gefängnis bestand hier jedoch das Wachpersonal<br />

aus regulären Justizvollzugsbeamten. So kam es zwar<br />

nicht zu vergleichbaren Übergriffen, doch die bedrückende Enge<br />

und schlechte Ernährung sowie die Angst vor einer Verlegung in<br />

das Gestapo-Gefängnis quälten die Gefangenen.<br />

Insbesondere die ersten Jahre der nationalsozialistischen Herrschaft<br />

in <strong>Koblenz</strong> waren von der Verfolgung politischer, aber auch<br />

vor allem religiöser Gegner geprägt. Neben dem Vorwurf antinationalsozialistischer<br />

Propaganda warf man gerade den katholischen<br />

Priestern häufig homosexuelle Neigungen und Aktivitäten<br />

vor, um sie aus dem öffentlichen Leben entfernen zu können. Von<br />

der Stapoleitstelle Im Vogelsang aus wurden auch die Unterdrückung<br />

und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung gesteuert, wie<br />

auch die Verfolgung der Sinti und Roma, der Zeugen Jehovas und<br />

anderer gesellschaftlicher Gruppen, die außerhalb der propagierten<br />

„Volksgemeinschaft“ standen.<br />

Mit Ausbruch des Krieges richtete sich das Hauptaugenmerk<br />

der Beamten jedoch auf die zahlreichen Zwangsarbeiter sowie<br />

Gegner des „totalen Krieges“. Immer arbeitete die Gestapo eng<br />

mit den anderen polizeilichen Einrichtungen zusammen, dem<br />

Sicherheitsdienst der SS (SD) und der Kriminalpolizei, auch wenn<br />

es gerade zwischen Gestapo und SD immer wieder zu Kompetenzkonflikten<br />

und Auseinandersetzungen kam, die sich auch in den<br />

Akten niederschlugen. Da diese jedoch nicht nach außen drangen,<br />

entstand für die Bevölkerung der Eindruck, einem übermächtigen<br />

Gegner gegenüberzustehen, der alle Bereiche des Lebens kontrollierte<br />

und vor dem es kein Entrinnen gab.<br />

46


Besonders erstaunlich ist dabei bis heute der vergleichsweise<br />

geringe personelle Aufwand, um die Bevölkerung in Schach zu<br />

halten. Nur 62 Mitarbeiter, davon 39 im Außendienst, überwachten<br />

1937 die 871.624 Einwohner des Regierungsbezirks <strong>Koblenz</strong><br />

und legten über 100.000 Karteikarten an; für die Verfolgung der<br />

ca. 2.500 Juden des Regierungsbezirks genügten ganze vier Mitarbeiter.<br />

Erklärbar wird diese dünne Personaldecke nur durch den<br />

Umstand, dass sich die Gestapo auf eine bis heute unbekannte<br />

Zahl von Spitzeln und Denunzianten aus der Bevölkerung stützen<br />

konnte, ohne die sie ihr Werk nicht so erschreckend effektiv hätte<br />

verrichten können.<br />

Abb. 31: Südseite der Gestapo-Zentrale, März 1939 47

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!