Ursachen der Verarbeitungsschwierigkeiten von Zellwolle ... - Lenzing
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DEZENBER 1954 LENZINGER BERICHTE FOLGE 3<br />
daß es sich nicht um einen österreichischen Betrieb<br />
gehandelt hat.<br />
An einem Mittelflyer war zirka ein Drittel <strong>der</strong> vorhandenen<br />
Spindeln nicht mehr ganz in Ordnung. Wir<br />
mußten vielfach auch auf lockere Spindelbüchsen verweisen.<br />
Diese Spindeln schlugen nicht nur, son<strong>der</strong>n sie<br />
baumelten. Die beobachteten Flyerzüge liefen zum Teil<br />
so straff, wie es bei Zwirnmaschinen <strong>der</strong> Fall ist. Gerade<br />
dadurch wurden aber die Auswirkungen schlagen<strong>der</strong><br />
Spindeln beson<strong>der</strong>s vergrößert.<br />
Weiters waren hohlgelaufene Druckzylin<strong>der</strong> anFlyern<br />
und Ringspinnmaschinen festzustellen.<br />
Die Ringspinnmaschinen waren teils mit Kluftinger-,<br />
teils mit Pendelwalzenstreckwerken (Einriemchen) ausgestattet.<br />
An einer Maschine mit Kluftingerstreckwerk waren<br />
kurz vor unserem Besuch alle Laufriemchen erneuert<br />
worden. Die Spannfe<strong>der</strong>n für die Riemchen hatte man<br />
entfernt. Die noch harten Klebestellen <strong>der</strong> Le<strong>der</strong> hoben<br />
jeweils die nur 12 #g schweren Durchzugswälzchen aus.<br />
Meistens war eine dünne Stelle im Garn die Folge da<strong>von</strong>.<br />
Bei den eingesetzten Maschinen mit Le-Blanc-<br />
Roth-Streckwerken fiel auf, daß sehr viele Spannrollen<br />
<strong>der</strong> Laufriemchen standen, das heißt, die Le<strong>der</strong> wurden<br />
nicht mehr gezogen, son<strong>der</strong>n geschoben. Man konnte<br />
auch beobachten, daß an solchen Stellen <strong>der</strong> Vorverzug<br />
aufgehoben wurde und das Vorgarn locker einlief. Diese<br />
stehenden Röllchen fanden wir in einer Anzahl <strong>von</strong> 58<br />
bis 130 Stück pro b4aschine.<br />
Man wollte ,diesen Mangel unter Hinweis auf die<br />
Toenissenstreckwerke rechtfertigen, wollte aber übersehen,<br />
daß bei diesem Streckwerk die Putzwalze ein<br />
integrieren<strong>der</strong> Bestandteil ist. Sie hat dort die Aufgabe,<br />
den Umschlingungsgrad des Riemchens zu erhöhen.<br />
Auf Grund <strong>der</strong> Feststellung, daß auch neue Druckzylin<strong>der</strong><br />
nicht ganz einwandfrei waren, wurde auch die<br />
Zylin<strong>der</strong>macherei dieses Betriebes besichtigt.<br />
Obwohl eine neue Schleifmaschine vorhanden war,<br />
hatte sie Mängel. Bei <strong>der</strong> Umstellung auf verschiedene<br />
Hülsenformate ergaben sich immer Schwierigkeiten in<br />
bezug auf die Paralleleinstellung zur Schleifscheibe. Die<br />
Schleifdome wurden in <strong>der</strong> eigenen Werkstätte erzeugt<br />
und liefen beträchtlich unrund.<br />
Die Le<strong>der</strong>zylin<strong>der</strong> wurden auf einer Walzenmangel<br />
mit einseitig ausgelaufenem Lager behandelt. Bei unaufmerksamer<br />
Bedienung wurden die Zylin<strong>der</strong> konisch.<br />
Zu <strong>der</strong> <strong>von</strong> mir gemachten Feststellung, daß in den<br />
Maschinen Zylin<strong>der</strong> liefen, <strong>der</strong>en linke und rechte<br />
Hälfte Durchmesserschwankungen erkennen ließen, erklärte<br />
<strong>der</strong> Zylin<strong>der</strong>macher, daß entgegen <strong>der</strong> Vorschrift<br />
Hälften statt ganzer Paare getauscht werden.<br />
Die Gatterstangen an den Ringspinnmaschinen erfüllten<br />
nur noch einen Zweck, nämlich die Spinnerin am<br />
Aufstecken zu behin<strong>der</strong>n. Diese Stangen standen so tief,<br />
daß sich das Vorgarn beim Ablaufen vom oberen Rand<br />
5-6 cm am Spulenkörper abrollte. Ich bin mir darüber<br />
klar, daß Unzulänglichkeiten dieser Art fast in je<strong>der</strong><br />
Spinnerei anzutreffen sind, ausschlaggebend ist es aber,<br />
ob sie in einer Größenordnung <strong>von</strong> l-2O/o o<strong>der</strong> in<br />
einer solchen <strong>von</strong> 20-30°/o auf die Spindelzahl bezogen<br />
vorkommen, wie es hier <strong>der</strong> Fall war. In solchen Fällen<br />
bleibt es dem Zufall überlassen, wieviel kranke Stellen<br />
ein Vorgarn passieren kann. Von solchen Zufällen wird<br />
dann aber auch die Beschaffenheit des Garnes abhängen<br />
Dieser Betrieb hatte obendrein noch in den Spinnsälen<br />
Schwankungen <strong>der</strong> relativen Luftfeuchtigkeit<br />
bis zu 25O/o. Da man diesbezüglich ein etwas schlechtes<br />
Gewissen hatte, machte man uns den Vorwurf, daß <strong>der</strong><br />
schlechte Garnausfall allein auf die zu große Klimaempfindlichkeit<br />
unserer <strong>Zellwolle</strong> zurückzuführen sei.<br />
Ausgelaufene Getriebe und beschädigte Zahnrä<strong>der</strong><br />
möchte ich hier nicht unerwähnt lassen. Herr Dr. Ing.<br />
Köb erwähnte bereits seinerzeit in Innsbruck, daß <strong>der</strong>artige<br />
Getriebe zu periodischen Effekten führen können.<br />
Ich konnte mich vor kurzem überzeugen, daß durch<br />
die Uberholung einer Strecke, bei <strong>der</strong> die bisherigen<br />
Kammrä<strong>der</strong> des Verzugsgetriebes durch Rä<strong>der</strong> mit<br />
Schrägzahnung ersetzt wurden, eine Verbesserung <strong>der</strong><br />
Gleichmäßigkeit nach Uster um 40°/o gegen früher erreicht<br />
wurde.<br />
Defekte Zahnrä<strong>der</strong> können aber auch noch an<strong>der</strong>e<br />
Sorgen bereiten. Man hatte in einem Betrieb bei den<br />
Wickeleinzugsrä<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Karde die Splinte an den Wellenstummeln<br />
entfernt. Die Rä<strong>der</strong> erhielten dadurch zu<br />
viel Spielraum nach <strong>der</strong> Seite. Halb ausgebrochene<br />
Zähne kamen dadurch zeitweilig außer Eingriff, woraus<br />
zwangsläufig dünne Stellen und beachtliche Löcher im<br />
Vlies resultierten.<br />
Anschließend wird Ihnen unser Herr Ing. Zimnic an<br />
Hand <strong>von</strong> Unterlagen die Auswirkungen häufig anzutreffen<strong>der</strong><br />
Mängel vorführen.<br />
Ich bin am Ende meiner Ausführungen angelangt.<br />
Wenn ich damit meinen Bericht abschließe und Ihnen<br />
für Ihre freundliche Aufmerksamkeit danke, dann kann<br />
ich mich des Gefühls nicht erwehren, daß ich Ihnen<br />
eigentlich nichts wirklich Neues erzählt habe, son<strong>der</strong>n<br />
lauter alltägliche, selbstverständliche Dinge, die sowieso<br />
je<strong>der</strong> unter uns so genau kennt, daß sie ihn kaum<br />
noch sehr interessieren konnten. Wozu also habe ich<br />
Ihnen das alles erzählt? Um das zu begründen, möchte<br />
ich meine Zuflucht zu einem Vergleich nehmen:<br />
Jeden Tag lesen wir in <strong>der</strong> Zeitung <strong>von</strong> Verkehrsunfällen.<br />
Jedesmal werden uns genau alle Einzelheiten<br />
geschil<strong>der</strong>t, wie und aus welchen <strong>Ursachen</strong> es zu diesem<br />
o<strong>der</strong> jenem Unfall kam und was alles dabei passiert ist.<br />
Manchmal setzt man uns gar eine ganze Unfallstatistik<br />
vor mit erschreckenden Zahlen über die entstandenen<br />
Schäden an Gut und Leben. Auch in diesen Fällen sind<br />
die <strong>Ursachen</strong> fast immer sehr alltäglich und selbstverständlich,<br />
genau wie in unseren Betrieben: kleine Unachtsamkeiten,<br />
die in <strong>der</strong> menschlichen Unzulänglichkeit<br />
begründet sind, aber bisweilen auch grobe Fahrlässigkeit;<br />
kleine o<strong>der</strong> auch größere technische Mängel: nicht<br />
selten aber auch eine kaum vorherzusehende tückische<br />
Verkettung verschiedener Faktoren. Die Folgen sind<br />
manchmal <strong>von</strong> glücklicherweise geringer Bedeutung,<br />
dann haben wir eben wie<strong>der</strong> einmal Glück gehabt;<br />
manchmal aber, lei<strong>der</strong>, ziehen kleine <strong>Ursachen</strong> große<br />
Wirkungen nach sich. Das alles lesen wir immer und<br />
immer wie<strong>der</strong>, ohne uns groß darüber aufzuregen.<br />
Darf ich Ihnen nun bitte zum Abschied noch die Frage<br />
mitgeben: Genügt es für den, <strong>der</strong> einen Wagen lenkt,<br />
die <strong>Ursachen</strong> <strong>von</strong> Verkehrsunfällen lediglich zu wissen,<br />
ohne daß er aus diesem Wissen auch die nötigen<br />
Schlußfolgerungen zieht und dementsprechend den Wagen<br />
steuert? O<strong>der</strong> genügt es, wenn man nur jene Umstände<br />
beachtet, die zu schweren Katastrophen Anlaß<br />
geben können, und sich über alles übrige hinwegsetzt?<br />
Diese Fragen darf ich Ihnen, bitte, ganz allgemein<br />
stellen, und nicht nur Ihnen allein, unsere sehr verehrten<br />
Gäste! Denn wir alle, Sie und auch wir, wollen<br />
schließlich dasselbe: Unfälle verhüten.<br />
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