27.04.2014 Aufrufe

Gemeinsame Justizvollzugsanstalt für Sachsen und Thüringen

Gemeinsame Justizvollzugsanstalt für Sachsen und Thüringen

Gemeinsame Justizvollzugsanstalt für Sachsen und Thüringen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

071. Sitzung des 5. Sächsischen Landtages, 13.03.2013<br />

REDE von MdL Klaus Bartl zum Antrag der Fraktion DIE LINKE in Drs 5/11205 „<strong>Gemeinsame</strong><br />

<strong>Justizvollzugsanstalt</strong> <strong>für</strong> <strong>Sachsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Thüringen</strong>“ mit Stellungnahme der Staatsregierung<br />

Es gilt das gesprochene Wort!<br />

Herr Präsident,<br />

meine sehr verehrten Damen <strong>und</strong> Herren Kollegen,<br />

voranstellen will ich <strong>für</strong> unsere Fraktion den ernstgemeinten Dank an den Staatsminister Dr.<br />

Martens, dass Sie auf die in unserem Antrag vom 1. Februar 2013 aufgeworfenen Fragen im<br />

Zusammenhang mit den Debatten über die gemeinsame <strong>Justizvollzugsanstalt</strong> <strong>für</strong> <strong>Sachsen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>Thüringen</strong> letztlich in Ihrer Stellungnahme vom 27. Februar 2013 bereitwillig <strong>und</strong> auch substanziell<br />

Auskunft gegeben haben.<br />

Die dabei zu Beginn vorgenommenen Leibesübungen in punkto Verweis auf den Kernbereich der<br />

exekutiven Eigenverantwortung nehmen wir hin, wenngleich sie unnötig waren, denn das, was Sie<br />

uns nicht sagen wollten, nämlich welchen Wortlaut die zwischen <strong>Sachsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Thüringen</strong><br />

geschlossenen Vereinbarungen haben, hatten wir überhaupt nicht erfragt. Wir erbaten zu Ziff. 1<br />

einen Bericht an den Landtag über den nach Bekanntgabe der Kabinettsentscheidung zur Wahl des<br />

Standortes der künftigen gemeinsamen <strong>Justizvollzugsanstalt</strong> in Zwickau-Pöhlau erreichten Stand<br />

der erforderlichen vertraglichen Vereinbarung mit dem Freistaat <strong>Thüringen</strong> sowie über noch<br />

anstehende "ausstehende Vereinbarungen".<br />

Und dass wir angesichts der immensen Bewegung, die sich in den letzten Jahren in der<br />

Strafvollzugslandschaft des Freistaates <strong>Sachsen</strong> vollzogen hat, begonnen bei der Schließung der<br />

JVA Plauen, Zittau, der JVA Chemnitz-Kaßberg, als Parlament ins Bild gesetzt sein wollten, wann,<br />

unter welchen entscheidenden Rahmenbedingungen, auf welcher verlässlichen Gr<strong>und</strong>lage <strong>und</strong> mit<br />

welcher Abredesicherheit nun <strong>für</strong> den gesamten Raum des Landesdirektionsbezirkes<br />

Chemnitz/Westsachsen wieder eine nutzbare Strafvollzugsanstalt entsteht, ist nun wahrlich<br />

angemessen.<br />

Wir wollten zudem mit diesem Antrag, respektive wollen dies noch immer, den diversen<br />

Gerüchten, <strong>Thüringen</strong> könnte sich vom Projekt noch verabschieden, ebenso noch zur Aufklärung<br />

verhelfen wie dem in den Medien recht intensiv reflektierten Widerspruchs, den die<br />

Rechnungshöfe von <strong>Thüringen</strong> <strong>und</strong> unseres eigenen Freistaates <strong>Sachsen</strong> hinsichtlich der<br />

Berechtigung <strong>und</strong> des größenmäßigen sowie ausstattungsmäßigen Zuschnitts der geplanten JVA<br />

erhoben haben.<br />

Nun zu einigen Ausführungen im Einzelnen:<br />

1.<br />

Sie berichten dem Landtag, sehr geehrter Herr Staatsminister, dass das, was bislang <strong>für</strong> die im<br />

Raum stehende Errichtung bzw. Planung des Baus einer gemeinsamen <strong>Justizvollzugsanstalt</strong> <strong>für</strong> den<br />

Freistaat <strong>Sachsen</strong> <strong>und</strong> den Freistaat <strong>Thüringen</strong> momentan noch auf der Basis sogenannter<br />

"Arbeitspapiere" beruht, die - so wörtlich zu Seite 3 Ihrer Stellungnahme:


"...zwar derzeit als Arbeitsgr<strong>und</strong>lage <strong>für</strong> die Erörterungen zwischen den Freistaaten<br />

<strong>Sachsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Thüringen</strong> anzusehen sind, die jedoch keine abschließenden <strong>und</strong><br />

bindenden Regelungen treffen."<br />

Da steht nun die Frage im Raum, ob dies bedeutet, dass alles noch weitestgehend unverbindlich ist<br />

<strong>und</strong> der Bock jederzeit wieder in diese oder jene Richtung umgestoßen werden kann.<br />

Das verw<strong>und</strong>ert natürlich ein wenig, da in der Stellungnahme zur Frage 4 davon die Rede ist, dass<br />

eine Inbetriebnahme der gemeinsamen <strong>Justizvollzugsanstalt</strong> bereits im Jahre 2017 angestrebt ist.<br />

Wir haben jetzt das Jahr 2013. Das wäre immerhin in 4 Jahren, sodass aus unserer Sicht allzu viel<br />

Zeit zu verbindlichen Vertragsabreden wohl kaum noch bleiben dürfte.<br />

2.<br />

Wir konstatieren, dass in der Stellungnahme zu Fragestellung 2. klipp <strong>und</strong> klar erklärt wird, dass<br />

mit dem Kabinettsbeschluss vom 5. Januar 2013 die Staatsregierungen von <strong>Sachsen</strong> <strong>und</strong> <strong>Thüringen</strong><br />

Einvernehmen über den Standort der gemeinsamen <strong>Justizvollzugsanstalt</strong> erzielt haben.<br />

Das bedeutet, anders kann man es nicht lesen, diese gemeinsame JVA wird nicht nur sicher auf<br />

sächsischem Territorium, sondern auf dem letztlich favorisierten Gr<strong>und</strong>stück Zwickau-Pöhlau<br />

errichtet werden. Vorausgesetzt natürlich, die Verhandlungen mit dem Eigentümer bzw.<br />

Bevollmächtigten der betreffenden Immobilie verlaufen erfolgreich.<br />

Abgesehen mal davon, dass betreffs der Standortentscheidung bzw. Vertragsverhandlungen auch<br />

Missdeutungen in die Öffentlichkeit geraten sind, schien uns der Weg, dass Kabinette beschließen,<br />

<strong>für</strong> welchen Standort sie eine dreistellige Millionen-Euro-Investition tätigen wollen <strong>und</strong> dies<br />

verkünden, bevor sie mit dem Gr<strong>und</strong>stückseigentümer handelseinig sind, schon etwas keck.<br />

Aber wir vertrauen da auf die Verhandlungskunst der Vertreter der Staatsregierung, respektive<br />

darauf, dass sich überzogene Begehrlichkeiten der Gr<strong>und</strong>stückseigentümer betreffs des<br />

auszuverhandelnden Kaufpreises, der ja laut Antwort auf Ziff. 3 in den bisherigen<br />

Kostenschätzungen <strong>für</strong> die Investition in die besagte JVA noch nicht beinhaltet ist, in Grenzen<br />

halten. Dies, wenngleich die Formulierung auf unsere Frage, welche zusätzlichen Kosten evtl.<br />

dadurch entstehen, dass die Flächeneigentümer noch laufende längerfristige Mietverträge ablösen<br />

müssen, respektive die Antwort auf die Frage zu Folgekosten schon ein wenig ausweichend<br />

erscheint.<br />

Immerhin antworten Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister, nach der Feststellung, dass nach<br />

bisherigen Kostenschätzungen die Gr<strong>und</strong>stückserwerbskosten nicht berücksichtigt wurden:<br />

"Die genaue Höhe der Erwerbskosten ist maßgeblich abhängig vom Ergebnis der<br />

Verhandlungen mit den Gr<strong>und</strong>stückseigentümern. Weitere ggf. zusätzliche mit einem<br />

Erwerb anfallende Kosten lassen sich derzeit nicht beziffern."<br />

Fazit des Tages: Nichts Genaues weiß man nicht. Oder eben nach dem Motto der früheren<br />

beliebten Sendereihe "Lass Dich überraschen"!<br />

Dass in punkto Orientierungs- <strong>und</strong> Planungsphase sowie sich anschließender Bauzeit von den<br />

Erfahrungswerten bei dem Bau der JVA Dresden ausgegangen wird, siehe Ihre Antwort zu<br />

Fragestellung 4, nehmen wir zur Kenntnis. Wir wären allerdings dankbar, wenn Sie uns, sehr


geehrter Herr Staatsminister, dann in Ihrer sicher beabsichtigten mündlichen Stellungnahme vor<br />

dem Parlament noch ein paar Worte mehr dazu sagen, auf welchen Erwägungen dieser<br />

Vergleichsansatz beruht <strong>und</strong> wie realistisch er ist.<br />

Etwas nähere Erläuterungen in Ihrer erbetenen mündlichen Stellungnahme dürfen wir auch<br />

hinsichtlich der Beantwortung unserer Frage 5 betreffend den voraussichtlichen Bedarf an<br />

Haftplätzen in der gemeinsamen JVA Zwickau erbitten. In Ihrer Stellungnahme heißt es, dass aus<br />

den dort auch dargestellten Gründen der hier aufzunehmenden Gefangenen aus den<br />

<strong>Justizvollzugsanstalt</strong>en Hohenleuben, Zeithain <strong>und</strong> der jetzigen JVA Zwickau ursprünglich von<br />

einem Bedarf auf der "sächsischen Hälfte" von 470 Haftplätzen ausgegangen worden war <strong>und</strong> dass<br />

dieses Haftplatzkontingent im Hinblick auf die am 28. Januar 2013 veröffentlichte Beratende<br />

Äußerung des Sächsischen Rechnungshofes um 100 Plätze reduziert worden ist.<br />

Wir gestehen, dass wir das schlicht nicht nachvollziehen können.<br />

Dass der Rückgang der demografischen Entwicklung der Bevölkerung mitnichten den parallelen<br />

Rückgang der Gefangenenzahl zur Folge hat, darüber hat uns doch das Leben in den letzten Jahren<br />

ganz eindeutig belehrt, inklusive dem Umstand, dass zunehmende Straffälligkeit im Seniorenalter<br />

nunmehr keine Seltenheit bzw. kein Ausnahmezustand mehr ist.<br />

Vielleicht bekommen wir einen kleinen Tipp, wie das denn laufen soll, wenn die Staatsregierung<br />

mit ihrer Entscheidung, in der Bedarfsberechnung betreffs Haftplätze, wie es so schön in der<br />

Antwort zu Frage 8 heißt, "in ihrer eigenen Prognose einen konservativeren Weg als der<br />

Sächsische Rechnungshof" zu gehen, Recht behält?<br />

Soll dann nochmals angebaut werden oder müssen die Thüringer einen Teil ihrer Landeskinder zu<br />

Hause lassen? Es wäre insgesamt schön <strong>und</strong> ggf. auch unterhaltsam, wenn Sie, sehr geehrter Herr<br />

Staatsminister, den w<strong>und</strong>erschönen letzten Satz der Stellungnahme vom 27. Februar, ganz am<br />

Ende also zu Frage 8:<br />

"Sollten sich die Erwartungen des Sächsischen Rechnungshofs weiterhin nicht<br />

bewahrheiten, kann von einer Option über eine Aufstockung von 100 Haftplätzen<br />

Gebrauch gemacht werden"<br />

im Hohen Hause etwas näher erläutern <strong>und</strong> verständlich machen könnten.<br />

Soweit wir zu der Fragestellung zu Ziff. 6 mit einem zugegebenermaßen kritischen Ansatz<br />

hinterfragte, weshalb <strong>für</strong> den Freistaat <strong>Sachsen</strong> bei Vollziehung des Projekts von insgesamt zur<br />

Verfügung stehenden 370 Haftplätzen lediglich 40 <strong>für</strong> den Offenen Vollzug eingeplant sind, hat uns<br />

die von Ihnen in der Antwort gelieferte Tabelle über die in den letzten Jahren errichteten<br />

Neubauten von <strong>Justizvollzugsanstalt</strong>en ähnlicher Größenordnung in anderen B<strong>und</strong>esländern<br />

respektive die Antwort zum dort vorgehaltenen Anteil von teils Null Prozent Haftplätze im offenen<br />

Vollzug ausgesprochen überrascht, um nicht zu sagen, verblüfft.<br />

Gerade, weil wir uns soeben in der Debatte um das künftige Sächsische Strafvollzugsgesetz<br />

befinden <strong>und</strong> in Bezug auf dessen modernistischen Umsatz überhaupt kein Streit besteht, kann<br />

hier <strong>Sachsen</strong> nicht doch etwas mutiger herangehen, vielleicht auch etwas optimistischer <strong>und</strong> auch<br />

überdenken, ob ein Anteil von 10,8 % der Haftplätze im offenen Vollzug <strong>für</strong> die Zukunft tatsächlich<br />

das Non plus Ultra sein kann?


Last but not least: Noch einige Anmerkungen zu Ihrer Antwort zu unserer Fragestellung zu Ziff. 7<br />

des Antrages: Mag sein, dass wir uns in der Fragestellung hier geirrt haben <strong>und</strong> nicht der<br />

Landesverband <strong>Sachsen</strong> des B<strong>und</strong>es der Strafvollzugsbediensteten Deutschland die Auffassung<br />

vertritt, das <strong>Justizvollzugsanstalt</strong>en mit einer Größenordnung, wie sie jetzt <strong>für</strong> Zwickau geplant ist,<br />

nicht oder nur schwer den Resozialisierungsauftrag mit hinreichender Individualität <strong>und</strong><br />

Effektivität erfüllen kann, sondern dass dies der B<strong>und</strong>esverband, respektive dessen Vorstand war.<br />

Die Frage bleibt im Raum, wie die Abwägung zwischen den Effektivitäts- <strong>und</strong> Synergieeffekten<br />

großer <strong>Justizvollzugsanstalt</strong> zum einen <strong>und</strong> dem als Gr<strong>und</strong>aufgabe des Vollzugs auch künftig<br />

geltenden Auftrag der individuellen Resozialisierung Gefangener zum anderen entsprochen<br />

werden kann.<br />

Wir zeigen uns hier jedoch keineswegs unbelehrbar bzw. überzeugungsstarr <strong>und</strong> wollen den<br />

Disput darüber, dass der mit der Größenordnung der geplanten JVA Zwickau verfolgte<br />

Haftplatzbestand dem generellen Trend in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland entspricht, nicht<br />

verschließen.<br />

Die Debatte über das Spannungsfeld zwischen höherer Differenzierungsvielfalt <strong>und</strong> geringeren<br />

Kosten auf der einen <strong>und</strong> möglichen Anonymisierungseffekten auf der anderen Seite führen wir<br />

aber auch künftig.<br />

Summa summarum: In der Erwartung noch ergänzender Erläuterungen in Ihrer persönlichen<br />

Stellungnahme vor dem Landtag, sehr geehrter Herr Staatsminister: Danke <strong>für</strong> die gegebenen<br />

Informationen über den Stand der Errichtung der gemeinsamen Landesvollzugsanstalt <strong>für</strong> <strong>Sachsen</strong><br />

<strong>und</strong> <strong>Thüringen</strong>, deren Notwendigkeit <strong>und</strong> Dringlichkeit wir unverändert gleich der Staatsregierung<br />

sehen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!