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Schwerpunktthema: - Fraktion DIE LINKE im Sächsischen Landtag

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von<br />

<strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong><br />

Dokumente und Standpunkte<br />

Wer hat Sachsens<br />

Lehrer belogen?<br />

Nazis blockiert –<br />

was kommt<br />

nach dem<br />

13. Februar 2010<br />

in Dresden?<br />

Wer wohnt in der<br />

„Linde“ und warum?<br />

<strong>Schwerpunktthema</strong>:<br />

<strong>Schwerpunktthema</strong>:<br />

<strong>Schwerpunktthema</strong>:<br />

Disharmonien Disharmonien <strong>im</strong> <strong>im</strong> Schwarz-Gelben Schwarz-Gelben Streichkonzert<br />

Streichkonzert<br />

Warum schrumpfen<br />

Sachsens Kommunalhaushalte?<br />

Wen trifft Sachsens Sparwahn?<br />

Heft 2/2010<br />

Warum urteilt das Bundesverfassungsgericht<br />

über Hartz IV?<br />

Wer profi tiert<br />

vom Verkauf<br />

kommunaler<br />

Wohnungen?<br />

Wie<br />

veräppelt man die<br />

Feuerwehr?


Das Erste<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

dass diese Ausgabe des PVL zwischen Ostern<br />

und Pfingsten herauskommt, hat zwar<br />

nichts direkt mit dem Kirchenjahr zu tun,<br />

regt aber bei der Einst<strong>im</strong>mung auf den Inhalt<br />

durchaus an: Seitdem Herr Tillich Ministerpräsident<br />

ist, heißt es, „diesmal“ werde<br />

er sich nicht am Osterreiten beteiligen,<br />

weil er auswärts <strong>im</strong> Urlaub sei, aber wegen<br />

der nicht beherrschbaren Sicherheitsprobleme<br />

sei es ohnehin kaum möglich, dass<br />

sich Sachsens Regierungschef an einem<br />

solchen Ereignis beteilige, da seine Leibwächter<br />

ja nicht reiten könnten.<br />

Dafür ist die Bevölkerung, ob zu Pferde oder<br />

nicht, den Kürzungen der Regierung in der<br />

Kinder- und Jugendpolitik, bei der Betreuung<br />

alter und behinderter Menschen, Projekten<br />

für Suchtkranke und Initiativen zur<br />

Gleichstellung von Frauen und Männern<br />

schutzlos ausgesetzt.<br />

Daran wollen wir etwas ändern, denn wo die<br />

Bedrückung durch Sozialabbau zun<strong>im</strong>mt,<br />

muss der Gegendruck erhöht werden. Das<br />

beginnt mit Aufklärung: Auf mehreren<br />

Parlament von links (pvl) ist das Magazin der <strong>Fraktion</strong><br />

<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong>. Pvl erscheint sechs<br />

Mal <strong>im</strong> Jahr und ist kostenlos. Abo unter:<br />

Bernhard-von-Lindenau-Platz 1<br />

01067 Dresden<br />

Telefon: 0351/493 5800<br />

Telefax: 0351/493 5460<br />

E-Mail: linksfraktion@slt.sachsen.de<br />

http://www.linksfraktion-sachsen.de<br />

Seiten dieses PVL, angefangen mit der Titelseite,<br />

widmen wir uns dem Thema Sozialkürzungen.<br />

„Bewaffnet“ mit den darin<br />

enthaltenen Informationen lässt sich noch<br />

besser Meinung machen – für eine Korrektur<br />

der sozialen Schieflage schwarz-gelber<br />

Regierungspolitik.<br />

Auch die Gemeinden, Städte und Kreise<br />

sind in finanzieller Not. Ein „Schutzschirm<br />

für Kommunen“ gehört daher zu den Kernforderungen<br />

unserer <strong>Fraktion</strong>. Hier geht es<br />

nicht in erster Linie darum, den Kämmerern<br />

in den Verwaltungen eine Freude zu machen,<br />

sondern die Grundlagen der öffentlichen<br />

Daseinsvorsorge zu sichern. Auch<br />

dies ist Thema <strong>im</strong> PVL. Dazu gehören <strong>im</strong><br />

Regelfall auch Wohnungen. In Dresden wurden<br />

die städtischen Wohnungen komplett<br />

verkauft – wohin das geführt hat, versucht<br />

unser Rückblick zu beantworten.<br />

Was wir angesichts eines drohenden, europaweit<br />

größten Naziaufmarsches für angemessen<br />

halten, haben wir zusammen<br />

mit zwölftausend anderen Menschen am<br />

13. Februar dieses Jahres in Dresden gezeigt<br />

– mit dem Effekt, dass die Nazis nicht<br />

marschieren konnten. Ein historischer Tag,<br />

den wir mit einer Doppelseite aufarbeiten.<br />

Dass das Pfingstwunder den Nazis zuteil<br />

wird und sie der Geist ergreift, glaube ich<br />

zwar nicht – aber dass die Verantwortungsträger/innen<br />

an der Stadtspitze und in der<br />

Landesregierung künftig bereits <strong>im</strong> Vorfeld<br />

geistreicher agieren, wäre auch schon ein<br />

Fortschritt!<br />

In diesem Sinne wünsche ich eine anregende<br />

Lektüre – auch der spannenden Themen,<br />

die ich hier noch nicht verraten habe!<br />

Herzlichst, Ihr<br />

Marcel Braumann<br />

Impressum:<br />

V.i.S.d.P.: Marcel Braumann<br />

Redaktion: Elke Fahr<br />

Layout: Carola Müller<br />

Auflage: 15.000 Stück<br />

Druck: Druckhaus Dresden GmbH<br />

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt<br />

die Positionen der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> wieder.<br />

Diese Publikation dient der Information und darf in einem<br />

Wahlkampf nicht zur Parteienwerbung eingesetzt werden.<br />

Titel: Rund 4.000 Menschen protestierten am 10. März 2010<br />

am Rande der 9. Sitzung des 5. <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong>es vor<br />

dem Plenargebäude in Dresden gegen die Sparpläne der Regierung<br />

<strong>im</strong> Kinder-, Jugend- und Sozialbereich. Foto: efa<br />

Inhalt<br />

Das Erste 2<br />

Schl<strong>im</strong>mer geht‘s n<strong>im</strong>mer 3<br />

Jugend ist mehr wert 4–7<br />

Leben in der Linde 8–9<br />

Wohnungen, Strom und Gas –<br />

über kommunale Daseinsvorsorge<br />

am Beispiel Dresden 10<br />

Sachsens Kommunen droht<br />

Finanzkollaps 11<br />

Im Namen des Volkes –<br />

Was nicht passt,<br />

wird passend gemacht 12–13<br />

Sieben Jahre Agenda 2010:<br />

sieben verlorene Jahre 14<br />

Staatsregierung erpresst<br />

„Halbtagslehrer“ 15<br />

Schwarzbraun ist die Haselnuss, ... 16<br />

Feuerwehrrente in Sachsen:<br />

Versprochen – gebrochen 17<br />

Dresden, 13. Februar 2010:<br />

Sie kamen nicht durch! 18–19<br />

Parlamentarische <strong>LINKE</strong> Initiativen 20<br />

<strong>LINKE</strong> besuchen diakonische<br />

Einrichtungen in Herrnhut 20<br />

Kosten der Krise nicht auf Sachsens<br />

Bürgerinnen und Bürger abwälzen –<br />

Alternativen sind möglich! 21<br />

Serbska strona 22<br />

Ist weniger mehr –<br />

oder bald fast nichts? 23<br />

Das Letzte 24<br />

2 pvl 2/2010<br />

Foto: efa


Foto & Montage: efa<br />

Schl<strong>im</strong>mer geht’s n<strong>im</strong>mer<br />

Nach 100 Tagen schwarz-gelber Regierung<br />

stellte ich bereits <strong>im</strong> Januar fest, dass dem<br />

neuen Kabinett Tillich/Zastrow noch keine<br />

Kabinettstückchen gelungen seien. So<br />

schwach sei noch keine sächsische Regierung<br />

gestartet. Inzwischen hat diese Koalition,<br />

die von sich behauptete, ein „bürgerliches“<br />

Bündnis zu sein, schon mehrere<br />

Bruchlandungen hingelegt: Man kürzt ein<br />

Drittel bei der Jugendhilfe, mehr als jemals<br />

zuvor seit 1990, man setzt sich über Tarifvereinbarungen<br />

mit Lehrerinnen und Lehrern<br />

hinweg, man streicht ohne Skrupel dort<br />

am meisten, wo am wenigsten zu holen ist:<br />

bei Sozialprojekten und Ehrenamtlichen.<br />

Herr Zastrow findet sich und die FDP <strong>im</strong>mer<br />

noch so toll, dass er wegen ausbleibender<br />

Lobgesänge über seine Politik dazu<br />

übergegangen ist, pauschal die Medien zu<br />

besch<strong>im</strong>pfen und Verschwörungstheorien<br />

zu verbreiten. So aber kann man kein Land<br />

vernünftig regieren. Dass der FDP-Chef<br />

dazu nicht in der Lage ist, hat er ja wohl<br />

selbst geahnt und deshalb auf einen Platz<br />

am Kabinettstisch verzichtet. Dort aber ist<br />

die FDP nun mit einem stellvertretenden<br />

Ministerpräsidenten Morlok präsent, der<br />

jeden Tag neu unter Beweis stellt, dass die<br />

FDP unter „Leistungsträgern“ etwas anderes<br />

versteht als die meisten Menschen <strong>im</strong><br />

Land.<br />

Was den Bürgern in Sachsen in den vergangenen<br />

Wochen an Kürzungen nicht nur<br />

<strong>im</strong> Sozial- und Bildungsbereich zugemutet<br />

worden ist, soll weniger als ein Zehntel<br />

jener Grausamkeiten sein, die sich CDU<br />

und FDP für 2011/2012 vorgenommen haben.<br />

Dabei wird <strong>im</strong>mer so getan, als gehe<br />

es um notwendige Sparsamkeit wegen<br />

schwerer materieller Verluste in Folge einer<br />

pvl 2/2010<br />

Naturkatastrophe. Davon aber kann keine<br />

Rede sein – die Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

ist nicht vom H<strong>im</strong>mel gefallen, und die<br />

schwarz-gelben Rezepte zur angeblichen<br />

Schadensbegrenzung sind tatsächlich eine<br />

Verschl<strong>im</strong>mbesserung:<br />

Die schier unvorstellbaren Spekulationsverluste<br />

der Banken sind auch das Ergebnis einer<br />

Deregulierung der Finanzmärkte, zu der<br />

SPD und GRÜNE in ihrer Zeit in der Bundesregierung<br />

den Weg frei gemacht haben. In<br />

Sachsen wiederum waren es CDU-Politiker,<br />

allen voran der damalige Finanzminister<br />

und spätere Ministerpräsident Milbradt,<br />

die der Sachsen LB eine Geschäftspolitik<br />

verordnet haben, die am Ende in den Ruin<br />

auf Kosten der Steuerzahler geführt hat.<br />

2,75 Milliarden Euro Bürgschaften werden<br />

<strong>im</strong> Laufe der kommenden Jahre bedient<br />

werden müssen. Dies darf nicht zusätzlich<br />

den ohnehin schrumpfenden aktuellen Etat<br />

belasten.<br />

Deshalb wollen wir, dass die Kosten des<br />

Crashs der Landesbank durch langfristige<br />

Kredite abgefedert werden. Wer sich einer<br />

„Neuverschuldung null“ brüstet und zugleich<br />

seine finanzpolitischen Sünden aus<br />

laufenden, abnehmenden Haushaltsmitteln<br />

begleichen will, ist ein Heuchler! Das gilt<br />

auch für den jetzigen Ministerpräsidenten,<br />

der als Finanzminister am verfassungswidrigen<br />

Notverkauf der Landesbank am <strong>Landtag</strong><br />

vorbei federführend beteiligt gewesen<br />

ist, wie es Herr Tillich <strong>im</strong> letzten Jahr offiziell<br />

vom <strong>Sächsischen</strong> Verfassungsgerichtshof<br />

bescheinigt bekam.<br />

Über die dubiosen Praktiken des Parteien-Sponsoring<br />

bei Tillichs CDU haben<br />

die Verfassungsrichter bislang noch<br />

nicht geurteilt. Dass man allerdings einen<br />

Ministerpräsidenten in<br />

Sachsen für Fotos und<br />

Gespräche gegen hohe<br />

Geldzahlungen an dessen<br />

Partei mieten kann,<br />

beschädigt das Ansehen<br />

der Politik generell, denn<br />

schon der Anschein,<br />

dass ein Regierungschef<br />

käuflich sein könnte, ist<br />

verheerend.<br />

Die CDU kriegt selbst<br />

den Hals nicht voll genug,<br />

setzt aber woanders den<br />

Rotstift an und erhöht zugleich<br />

die Rückstellungen<br />

für Beamtenpensionen.<br />

Ganz abgesehen davon,<br />

dass der herkömmliche<br />

Beamtenstatus ohnehin<br />

hinterfragt werden muss<br />

und die <strong>LINKE</strong> dafür plädiert,<br />

dass alle Beschäftigten<br />

in die gesetzliche Rentenversicherung<br />

einzahlen, ist festzuhalten: Verglichen<br />

mit anderen Bundesländern hat Sachsen<br />

nur wenige Beamte. Deshalb gibt es gerade<br />

in Zeiten der Finanzkrise keinen vernünftigen<br />

Grund, mehr als 400 Millionen Euro in<br />

Pensionsrückstellungen zu stecken.<br />

Trotzdem: Auch wir wissen, dass dem Land<br />

künftig weniger Geld zur Verfügung stehen<br />

wird. Das hat z.B. mit unnötigen Steuergeschenken<br />

von Schwarz-Gelb an einzelne<br />

Interessengruppen zu tun, die Sachsen<br />

jährlich mehr als 120 Millionen Mindereinnahmen<br />

bringen, aber auch mit der Kostensteigerung<br />

be<strong>im</strong> Leipziger City-Tunnel oder<br />

bei der Waldschlösschenbrücke. Der Bevölkerungsrückgang<br />

und das Auslaufen des<br />

Solidarpakts sorgen objektiv für Bedingungen,<br />

die Einsparungen erforderlich machen.<br />

Dazu haben wir Vorschläge gemacht: z. B.<br />

Abschaffung der Landesdirektionen (früher<br />

Regierungspräsidien) und Fusion von<br />

Landesämtern in Sachsen, Thüringen und<br />

Sachsen-Anhalt.<br />

Es gibt also Sparpotenzial, das zugleich<br />

dem Bürokratieabbau dient. Stattdessen<br />

will die FDP Lehrern und Polizisten die Gehälter<br />

kürzen und aus der Tarifgemeinschaft<br />

der Länder aussteigen. Ein modernes und<br />

soziales Sachsen wird es also nur mit LINKS<br />

geben. Der Wahlkampf für den Wechsel hat<br />

begonnen!<br />

MdL Dr.<br />

André Hahn<br />

<strong>Fraktion</strong>svorsitzender<br />

3


Jugend ist mehr wert!<br />

Sachsens Staatsregierung hat ein Sparprogramm<br />

aufgelegt, nachdem bereits <strong>im</strong> laufenden<br />

Jahr 170 Mio. Euro und die folgenden<br />

beiden Jahre je 1,7 Mrd. Euro eingespart<br />

werden sollen. Dass vor dem Hintergrund<br />

wegbrechender Einnahmen gespart werden<br />

muss, steht außer Frage. Nur das WO und<br />

WIE ist mehr als strittig. Zumal Informationen<br />

dazu nur tröpfchenweise die einzelnen Ministerien<br />

verlassen.<br />

Bezeichnend jedoch ist, dass die ersten<br />

konkret vernehmbaren Sparvorgaben ausgerechnet<br />

den Kinder- und Jugendbereich<br />

treffen. In Folge dessen drohen unzählige<br />

Projekte und Initiativen der Verbände, Beratungsstellen,<br />

der Kinder- und Jugendhäuser<br />

<strong>im</strong> ganzen Land den Bach runterzugehen.<br />

Dagegen protestierten rund 4.000 junge<br />

Menschen, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen<br />

sowie zahlreiche Ehrenamtler aus verschiedenen<br />

Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe<br />

am 10. März vor dem <strong>Landtag</strong>. Und das völlig<br />

zu Recht, denn: Jugend ist mehr wert!<br />

„Der Freistaat fördert die Kinder- und Jugendarbeit<br />

mehr als andere Bundesländer. In Sachsen<br />

haben wir zum Teil sehr leistungsstarke<br />

Strukturen. Diese wollen wir festigen. Wir<br />

müssen von temporären Förderprogrammen<br />

Abstand nehmen. Für eine gute Arbeit braucht<br />

es Planungssicherheit durch eine stabile Finanzierung.<br />

Auch in der Zukunft sollen die<br />

Kommunen die Jugendpauschale bekommen,<br />

damit vor Ort Jugendclubs und Beratungsstellen<br />

betrieben werden können. Die landesweiten<br />

Träger der Jugendarbeit unterstützen wir<br />

weiterhin.“<br />

aus dem „Vertrag für Sachsen.<br />

Wissen, wo’s lang geht.“ Regierungsprogramm<br />

der CDU Sachsen 2009–2014“<br />

Soweit die CDU Sachsen vor der Wahl. Die<br />

Realität von heute sieht so aus: Mitte Februar<br />

erhielten die überörtlichen Jugendverbände<br />

die Nachricht, dass für sie – <strong>im</strong> laufenden<br />

Haushaltsjahr und entgegen aller Planungen<br />

– ganze 600.000 Euro weniger zur Verfügung<br />

stehen. Das bedeutet nichts anderes,<br />

als dass gezielt auf den Wegfall von Stellen<br />

hingearbeitet wird. Beispielsweise teilen<br />

sich bei der „Landesarbeitsgemeinschaft<br />

Mädchen und junge Frauen e.V.“ schon heute<br />

drei Mitarbeiterinnen die 1,8 Stellen. Die<br />

genannte Kürzungssumme entspricht <strong>im</strong> Übrigen<br />

fast exakt der Summe, die seit Beginn<br />

(…) „Die Einsparungen <strong>im</strong> Bereich<br />

der verbandlichen, offenen und mobilen<br />

Arbeit mit Kindern und Jugendlichen<br />

werden die hier tätigen Sozialpädagogen<br />

und Jugendmitarbeiter<br />

genauso demoralisieren wie die<br />

bisher erreichten Kinder und Jugendlichen.<br />

Wie ist der heranwachsenden<br />

Generation zu vermitteln, dass ausgerechnet<br />

bei Kindern und Jugendlichen<br />

der „Rotstift“ unverhältnismäßig<br />

angesetzt wird? (…)<br />

Tobias Bilz, Landesjugendpfarrer<br />

(…) „Wir rufen die Landespolitik auf,<br />

gerade in Krisenzeiten fachlich fundierte<br />

und transparent erarbeitete<br />

Entscheidungen zu treffen, die auch<br />

der örtlichen Ebene eine mittelfristige<br />

Planungssicherheit geben. Landkreise,<br />

Kommunen und Freie Träger<br />

haben bisher diese Prozesse engagiert<br />

gestaltet und haben es in keiner<br />

Weise verdient, dass ihnen mit<br />

Ignoranz und Geringschätzigkeit begegnet<br />

wird. Nicht nur der Inhalt der<br />

Entscheidungen – sondern vor allem<br />

die Art und Weise der Kommunikation<br />

stellt einen Vertrauensbruch dar<br />

und hat so bereits jetzt zur Demotivation<br />

tausender in diesen Arbeitsfeldern<br />

tätiger und engagierter<br />

Bürgerinnen und Bürger geführt. (…)<br />

T. Moritz, Th. Kadenbach /<br />

AG Jugendhilfeverbundsystem<br />

<strong>im</strong> Landkreis Bautzen<br />

Erst <strong>im</strong> vergangenen Herbst wurde<br />

die überörtliche Jugendhilfeplanung<br />

für 2010 bis 2014 aktualisiert und<br />

verabschiedet. Diese begründet den<br />

aktuellen Bedarf und konstatiert darüber<br />

hinaus einen Mehrbedarf in best<strong>im</strong>mten<br />

Bereichen der Jugendhilfe.<br />

Von Einsparpotenzialen ist hier<br />

genauso wenig die Rede wie <strong>im</strong><br />

3. <strong>Sächsischen</strong> Kinder- und Jugendbericht,<br />

der ebenfalls <strong>im</strong> letzten Jahr<br />

veröffentlicht wurde. Kinder und<br />

Jugendliche sind unsere Zukunft,<br />

in die es zu investieren lohnt. (…)<br />

Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten<br />

Sachsen e.V. (AGJF)<br />

(..) Nun ist auch klar, dass die Kürzungen<br />

nicht mehr nur durch Enthaltsamkeit<br />

<strong>im</strong> Bürobedarf oder durch<br />

die Zahlung von Gehältern jenseits<br />

von Gut und Böse zu kompensieren<br />

sind. Vereine und deren Angestellte<br />

blicken in eine düstere Zukunft,<br />

wenn sie denn überhaupt eine<br />

haben. Angebote an Kinder und<br />

Jugendliche werden sich aufgrund<br />

der ausbleibenden Förderung verteuern<br />

müssen, ein Schritt, den nicht<br />

alle jungen Menschen oder deren<br />

4 pvl 2/2010<br />

Fotos: efa


dieser Legislatur jeden Monat für zusätzlich<br />

geschaffene Posten in den Ministerien zu berappen<br />

ist. Aufs Jahr hochgerechnet macht<br />

das 7,4 Millionen Euro – und damit fast genauso<br />

viel, wie das Sozialministerium allein<br />

bei der Jugendhilfe einsparen muss.<br />

Der Kommunale Sozialverband hat aus verwaltungstechnischer<br />

Sicht das Beste daraus<br />

gemacht, die Einsparungen ohne jegliche<br />

Fachberatung gleichmäßig verteilt und den<br />

Trägern einfach nur noch 80 Prozent Personalkosten<br />

sowie 17 Prozent Sachkostenmittel<br />

zugeteilt. Der Rest soll nun über Eigenmittel<br />

erwirtschaftet werden. Der regierungstragenden<br />

CDU scheint vor lauter Sponsoringanfragen<br />

seitens der sächsischen Wirtschaft entgangen<br />

zu sein, dass Kinder und Jugendliche<br />

nicht über breite fi nanzielle Mittel verfügen,<br />

um den Kontakt mit dem Sozialpädagogen<br />

ihres Vertrauens oder der Jugendhaus-Mitarbeiterin<br />

vor Ort durch mitgebrachte Drittmittel<br />

gegenfi nanzieren zu können. Bei einigen<br />

Trägern führt diese Politik direkt und mittelfristig<br />

in die Insolvenz, aber vielleicht ist das<br />

der innovative jugendpolitische Ansatz, gewachsene<br />

Projekte und Strukturen kaputt zu<br />

sparen, anstatt die beschlossene Jugendhilfeplanung<br />

für Sachsen umzusetzen?<br />

Die <strong>im</strong> CDU-Regierungsprogramm beschriebene<br />

„Planungssicherheit durch eine stabile<br />

Finanzierung“ erleben wir gegenwärtig an der<br />

vor allem für die Kommunen und Landkreise<br />

überraschenden Kürzung der Jugendpauschale<br />

um 27 Prozent und damit von 14,30<br />

Euro auf 10,40 Euro je Jugendlichem unter<br />

27 Jahre. Und das mitten <strong>im</strong> laufenden Haushaltsjahr.<br />

Zum Vergleich: Die mehr als 4 Millionen<br />

Euro, mit denen hier auf Kosten der<br />

nächsten Generation Haushaltskonsolidierung<br />

betrieben wird, entsprechen einem Prozent<br />

der zusätzlichen 400 Millionen Euro, die<br />

der Freistaat zur Fertigstellung des Leipziger<br />

City-Tunnels mindestens noch wird aufwenden<br />

müssen ...<br />

Den Gebietskörperschaften fehlen je nach<br />

Größe zwischen 100.000 und 560.000 Euro<br />

<strong>im</strong> laufenden Haushalt und bis Mitte März<br />

pvl 2/2010<br />

hatten bereits zehn der 13 Gebietskörperschaften<br />

in Sachsen Widerspruch gegen den<br />

Bescheid zur Kürzung der Jugendpauschale<br />

eingelegt. Die örtlichen Kämmerer und Jugendamtsleiter<br />

haben nachgerechnet, wie<br />

sich die Kürzungen auf die Strukturen auswirken:<br />

In einem Landkreis ist von der Entlassung<br />

von 30 Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen<br />

die Rede, <strong>im</strong> Landkreis<br />

Meißen werden ab Juli statt 35 nur noch 23<br />

sozialpädagogische Fachkräfte in der Jugendarbeit<br />

tätig sein und der Landkreis Nordsachsen<br />

rechnet mit einer Reduzierung von 47 auf<br />

36 Fachstellen.<br />

Die schwarz-gelbe, fi skalisch gesteuerte Bildungs-<br />

und Sozialpolitik in Sachsen ist unausgegoren<br />

und weit weg von fachlichen<br />

Überlegungen. Der einzige Orientierungsrahmen<br />

der Staatsregierung heißt Sparen<br />

und Tillichs politischer Gestaltungswille erschöpft<br />

sich in den Varianten des Abbaus:<br />

Abbau von Personal, Abbau von Strukturen<br />

in der Jugend-, Sozial- und Gleichstellungsarbeit.<br />

Und auch wenn es ob dessen selbst in<br />

den Reihen der CDU vernehmbar grummelt,<br />

wird es wohl auch in dieser Frage be<strong>im</strong> sattsam<br />

bekannten „Kadavergehorsam“ bleiben.<br />

Als leuchtendes Beispiel dafür darf die Sozialministerin<br />

voranschreiten. Denn statt für<br />

ihr Ressort zu kämpfen und die Höhe der Einsparungen<br />

in ihrem Hause, dessen Ausgaben<br />

zu 90 Prozent Pfl ichtaufgaben sind, gegenüber<br />

dem Finanzminister infrage zu stellen,<br />

erklärte Ministerin Clauß per Zeitungsinterview:<br />

„Operationen tun <strong>im</strong>mer weh“. Ergänzend<br />

ließ Sozial-Staatssekretärin Andrea<br />

Fischer kurz darauf verlauten: „Keine Häkelkurse<br />

für Mädchen <strong>im</strong> ländlichen Raum“ und<br />

„Man kann gewisse bildungsferne Schichten<br />

einfach nicht mehr erreichen.“ Bei solchen<br />

Aussagen stellt sich die Frage nach der Qualifi<br />

kation, konkret, ob Frau Fischer als Juristin<br />

für das Amt der Staatssekretärin für Soziales<br />

tatsächlich geeignet ist.<br />

Blättert man in noch gar nicht so alten Regierungsdokumenten,<br />

dämmert es einem, wie<br />

das mit dem „Geschwätz von gestern“ in �<br />

Eltern mitgehen können. (…) Kinder<br />

und Jugendliche, aber auch pädagogische<br />

Fachkräfte sind die Adressaten<br />

der neuesten Kürzungen. Sie<br />

sollen nun einstehen für das Unvermögen<br />

von Banken und Unternehmen,<br />

aber auch das Kneifen von<br />

Politik, die sich keinen anderen Rat<br />

weiß, als dort zu kürzen, wo es, vermeintlich,<br />

am wenigsten zu spüren<br />

ist! (…)<br />

Kinder- und Jugendring Sachsen e.V.<br />

(…) Strukturen werden nachhaltig<br />

zerstört und die Beziehungsarbeit<br />

mit den Jugendlichen einfach gekippt.<br />

Und das in einer Situation, in<br />

der die rechtsextremistischen Kräfte<br />

insbesondere <strong>im</strong> ländlichen und<br />

kleinstädtischen Bereich jede Chance<br />

nutzen, Räume zu besetzen, radikale<br />

Lösungen anzubieten und sich<br />

<strong>im</strong> Ehrenamt breit machen. Wir können<br />

Rechtsextremismus nicht bekämpfen,<br />

wir können aber jegliche<br />

Form von Extremismus verhindern<br />

oder <strong>im</strong> Ke<strong>im</strong> ersticken – indem wir<br />

als verlässliche Ansprechpartner/<br />

innen mit Kindern und Jugendlichen<br />

in Kontakt sind, uns für sie interessieren<br />

und mit ihnen sprechen, Räume<br />

zum Probieren und Lernen bereit<br />

stellen, außerschulische Bildung<br />

anbieten und sie bei Problemen<br />

unterstützen. (…) Es braucht ein<br />

klares Bekenntnis der politischen<br />

Verantwortungsträger/innen <strong>im</strong><br />

Freistaat Sachsen, dass eine nachhaltige<br />

Kinder- und Jugendarbeit<br />

gewollt ist (…).<br />

Ulrike Worbs-Reichenbach,<br />

Vorsitzende KJR Meißen e.V.<br />

5


�<br />

Sachsen aussieht. Vor anderthalb Jahren<br />

bspw. bezog die Staatsregierung wie<br />

folgt Stellung zum 3. <strong>Sächsischen</strong> Kinderund<br />

Jugendbericht des Sozialministeriums:<br />

„Die Staatsregierung teilt die Einschätzung,<br />

dass insbesondere die Jugendarbeit in ländlichen<br />

Regionen vor dem Hintergrund der demografi<br />

schen Entwicklung wie auch nach der<br />

Verwaltungsreform vor besonderen Herausforderungen<br />

steht. Sie sieht die Notwendigkeit,<br />

die wechselseitige Bezugnahme von mit<br />

Kindern und Jugendlichen agierenden Institutionen<br />

zu stärken. Die Staatsregierung wird<br />

auch weiterhin die Förderung für die örtliche<br />

Ebene so gestalten, dass Planungssicherheit<br />

und ein geringer Verwaltungsaufwand beibehalten<br />

werden. Sie wird bei der Umsetzung<br />

der Förderstrategie das Augenmerk weiter<br />

auf die Entwicklung der Strukturqualität in<br />

der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit<br />

entsprechend der jugendhilfeplanerischen<br />

Bedarfslagen auf örtlicher Ebene legen.“<br />

Die Einschätzung der Vertreterinnen und<br />

Vertreter des <strong>Sächsischen</strong> Städte- und Gemeindetages<br />

und des Landkreistages zu<br />

den Einsparungen <strong>im</strong> aktuellen Haushalt<br />

hörten sich in den Beratungen des Landesjugendhilfeausschusses<br />

jedoch deutlich kritisch<br />

gegenüber der Staatsregierung und<br />

dem Sozialministerium an. Denn die Entscheidungsträger<br />

vor Ort wissen, wie notwendig<br />

fl ächendeckende Beratungs- und<br />

Betreuungsstrukturen in der Jugend- und<br />

Sozialarbeit sind und dass Prävention günstiger<br />

zu haben ist als Nachsorge!<br />

Gestaltende Politik für Kinder und Jugendliche<br />

fi ndet unter Ministerpräsident Tillich<br />

nur noch – und das auch nur ansatzweise –<br />

bei der Feuerwehr und <strong>im</strong> Sportverein statt.<br />

Den Rest erledigt der Finanzminister. Das<br />

mag für kleine Orte wie Panschwitz-Kuckau<br />

ausreichen, für Sachsen ist es ein sozialund<br />

vor allem bildungspolitisches Armutszeugnis.<br />

Schließlich ist allgemein bekannt,<br />

dass Bildung nur zu 25 Prozent in der Schule<br />

stattfi ndet und weitere Kompetenzen, Fähigkeiten<br />

und Fertigkeiten außerschulisch<br />

erworben werden, zum Beispiel <strong>im</strong> Kinder-<br />

und Jugendhaus am Nachmittag, auf<br />

Bildungsfahrten und Ferienfreizeiten und<br />

nicht zuletzt <strong>im</strong> Freiwilligen Sozialen Jahr<br />

in der Ökologie, <strong>im</strong> Kulturverein oder in der<br />

Sozialstation.<br />

Die <strong>im</strong>mer wieder ins Feld geführte Behauptung,<br />

die Folgen der Finanzkrise seien die<br />

Ursache für die Haushaltskonsolidierung, ist<br />

an den Haaren herbeigezogen. Das Loch in<br />

der sächsischen Staatskasse ist nicht zuletzt<br />

durch Mehrausgaben wie für die Dresdner<br />

Waldschlösschenbrücke von 25 Mio. Euro,<br />

durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz<br />

von Schwarz-Gelb bedingte Steuerausfälle<br />

in Höhe von ca. 114 Mio. Euro und vor<br />

allem für die Rückstellungen zum Auffangen<br />

der Landesbankhaftung in Höhe von 830<br />

Millionen Euro verursacht worden.<br />

Im letzten <strong>Sächsischen</strong> Kinder- und Jugendbericht<br />

kündigte die Staatsregierung an:<br />

„Bei der Fortschreibung der Planung für die<br />

Jahre 2010 bis 2014 werden die Herausforderungen<br />

der demografi schen Entwicklung<br />

sowie die Umsetzung der jugendpolitischen<br />

Handlungserfordernisse Schwerpunkt sein.<br />

Damit werden die Bildungsthematik insgesamt<br />

und die Stärkung außerschulischer Bildungsorte<br />

vorrangig berücksichtigt.“<br />

Wie ernst die CDU und die nunmehr mitregierende<br />

FDP Aussagen wie diese meinen,<br />

lässt sich aus der Abst<strong>im</strong>mung zu unserem<br />

gemeinsam mit der SPD ins März-Plenum<br />

eingereichten Antrag zur Rücknahme der<br />

Beschlüsse zur Haushaltskonsolidierung auf<br />

Kosten von Kindern und Jugendlichen ablesen.<br />

Schwarz-Gelb hat an diesem Tag die<br />

Möglichkeit vertan, den Kahlschlag <strong>im</strong> Sozialressort<br />

<strong>im</strong> laufenden Haushalt zu korrigieren<br />

und in Sachsens Zukunft zu investieren.<br />

MdL<br />

Annekatrin<br />

Klepsch<br />

Sprecherin für<br />

Kinder- und<br />

Jugendpolitik<br />

und Soziokultur<br />

(…) Es ist unverständlich und vor<br />

allem nachfolgenden Generationen<br />

gegenüber fahrlässig, mit welchem<br />

Aufwand die Sächsische Staatsregierung<br />

die Neuverschuldung verhindern<br />

und die Schuldentilgung<br />

vorantreiben will. Dies konterkariert<br />

geradezu die proklamierte Generationengerechtigkeit,<br />

weil wir damit<br />

unseren Kinder und Jugendlichen<br />

das Hineinwachsen in die Gesellschaft<br />

erschweren. Dies wiegt mindestens<br />

genauso schwer wie der<br />

Umgang mit fi nanziellen Hypotheken,<br />

die durch unsachgemäße Haushaltspolitik<br />

erzeugt wurden. (…)<br />

Landesverbandes<br />

Soziokultur Sachsen e. V.<br />

(…) Kinder und Jugendliche haben<br />

eine geringe Lobby. Sie sind<br />

keine Wähler. Sie gehören zu den<br />

Schwächsten und können sich<br />

nicht wehren. Bei Banken und in<br />

der Automobilindustrie sieht das<br />

anders aus. Dort war sofortige Hilfe<br />

möglich. (…) Die Kürzung wird sich<br />

rächen. Ausgaben durch Jugenddelinquenz<br />

werden steigen, rechtsextremistische<br />

Kräfte werden die<br />

leeren Stellen ausfüllen und mit ihrem<br />

vereinfachenden Weltbild und<br />

radikalen Lösungen junge Menschen<br />

erreichen. Ist das gewollt?<br />

Maria Vetter, Vorstandsvorsitzende<br />

KJR Erzgebirge e.V.<br />

(…) Gelingendes Aufwachsen von<br />

Kindern ist kein Selbstläufer! Auch<br />

in Sachsen sind <strong>im</strong>mer mehr junge<br />

Menschen von Armut und Ausgrenzung<br />

bedroht. Sie bedürfen dringend<br />

und nachhaltig der Förderung und<br />

Unterstützung, um sie zu befähigen,<br />

in der Zukunft ihr Leben eigenverantwortlich<br />

und gemeinschaftsfähig<br />

zu gestalten. (…) Kann es<br />

sich der Freistaat – auch unter dem<br />

Gesichtspunkt des demografi schen<br />

Wandels – leisten, durch kurzsichtige<br />

und in ihrem Umfang deutlich<br />

überzogene Sparmaßnahmen<br />

die Potentiale vieler junger Menschen<br />

ungenutzt zu lassen und<br />

ihre Zukunft zu gefährden? (…)<br />

Deutscher Kinderschutzbund<br />

Sachsen e.V.<br />

6 pvl 2/2010


CDU/FDP-Koalition wälzt Krisenfolgen<br />

auf die Schwächsten ab<br />

Bevölkerungsrückgang und Abnahme der<br />

Solidarpakt-Mittel verursachen sowieso<br />

schon schrumpfende Staatshaushalte in<br />

allen ostdeutschen Bundesländern. Hinzu<br />

kommen Einnahmeausfälle durch eine Finanz-<br />

und Wirtschaftskrise, die verantwortungslose<br />

Banker <strong>im</strong> Zusammenspiel mit<br />

neoliberaler Politik ausgelöst haben. Dennoch<br />

hat die schwarz-gelbe Sächsische<br />

Staatsregierung den Steuergeschenken für<br />

Besserverdienende zugest<strong>im</strong>mt, die dem<br />

Freistaat Mindereinnahmen von über 100<br />

Million Euro jährlich bescheren.<br />

Über die Frage, wer jetzt dafür die Zeche<br />

zahlen soll, gibt es <strong>im</strong> <strong>Landtag</strong> einen fundamentalen<br />

Unterschied zwischen CDU<br />

Name <strong>Fraktion</strong> Wohnort / Landkreis<br />

Bandmann, Volker CDU Görlitz / GR<br />

Bienst, Lothar CDU Rietschen / NOL<br />

Biesok, Carsten FDP Dresden / DD<br />

Bläsner, Norbert FDP Heidenau / PIR<br />

Breitenbuch, Georg-Ludwig von CDU Kohren-Sahlis / L<br />

Clauß, Christine Ursula CDU Leipzig / L<br />

Clemen, Robert CDU Leipzig / L<br />

Colditz, Thomas CDU Aue / ERZ<br />

Dietzschold, Hannelore CDU Wurzen / L<br />

Fiedler, Aline CDU Dresden /DD<br />

Firmenich, Iris CDU Frankenberg / FG<br />

Fischer, Sebastian CDU Priestewitz / MEI<br />

Flath, Steffen CDU Annaberg-Buchholz / ERZ<br />

Fritzsche, Oliver CDU Markkleeberg / L<br />

Gemkow, Sebastian CDU Leipzig / L<br />

Gillo, Dr. Martin CDU Dresden / DD<br />

Günther, Tino FDP Kurort Seiffen / ERZ<br />

Hähnel, Andreas CDU Chemnitz / C<br />

Hartmann, Christian CDU Langebrück / DD<br />

Hauschild, Mike FDP Bautzen / BZ<br />

Heidan, Frank CDU Plauen / V<br />

Heinz, Andreas CDU Pöhl / V<br />

Herbst, Torsten FDP Dresden / DD<br />

Hippold, Jan CDU L<strong>im</strong>bach-Oberfrohna / Z<br />

Hirche, Frank CDU Hoyerswerda / BZ<br />

Jonas, Anja FDP Markkleeberg / L<br />

Karabinski, Benjamin FDP Freiberg / FR<br />

Kienzle, Alfons CDU Reichenbach / V<br />

Kirmes, Svend-Gunnar CDU Leipzig / L<br />

Krasselt, Gernot CDU Oederan / FG<br />

Krauß, Alexander CDU Schneeberg / ERZ<br />

Kupfer, Frank CDU Oschatz / TDO<br />

Lehmann, Heinz CDU Neusalza-Spremberg / GR<br />

Liebhauser, Sven CDU Döbeln / FG<br />

pvl 2/2010<br />

und FDP auf der einen und der <strong>LINKE</strong>N, SPD<br />

und den Grünen auf der anderen Seite, wie<br />

die Abst<strong>im</strong>mung über den Gemeinschaftsantrag<br />

der <strong>Fraktion</strong>en <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> und SPD<br />

unter dem Titel„Keine Haushaltskonsolidierung<br />

auf Kosten von Kindern und Jugendlichen<br />

oder in anderen sozialen Bereichen“<br />

am 10. März 2010 gezeigt hat:<br />

Die Antragsteller von <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> und SPD<br />

und auch die Abgeordneten der <strong>Fraktion</strong><br />

BÜNDNIS 90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN st<strong>im</strong>mten diesem<br />

Antrag zu. Die Abgeordneten von<br />

CDU und FDP st<strong>im</strong>mten dagegen. Damit<br />

wurde der Antrag abgelehnt und der Weg<br />

für die vielfach Existenz bedrohenden Mittelkürzungen<br />

frei gemacht.<br />

Von den 58 CDU-<strong>Landtag</strong>sabgeordneten<br />

Sachsens haben 55 mit NEIN gest<strong>im</strong>mt,<br />

drei waren nicht anwesend. Von den 14<br />

FDP-<strong>Landtag</strong>sabgeordneten Sachsens<br />

haben 13 mit NEIN gest<strong>im</strong>mt, einer war<br />

nicht anwesend.<br />

Ergebnis der Abst<strong>im</strong>mung:<br />

Gesamtst<strong>im</strong>men: 123<br />

Für den Antrag zur Rücknahmen der Sozial-<br />

Kürzungen st<strong>im</strong>mten 50 Abgeordnete.<br />

Gegen den Antrag st<strong>im</strong>mten 69 Abgeordnete<br />

(s. Tabelle), vier Abgeordnete enthielten<br />

sich der St<strong>im</strong>me.<br />

Die Nein-Sager <strong>im</strong> Überblick<br />

(in alphabetischer Reihenfolge):<br />

Name <strong>Fraktion</strong> Wohnort / Landkreis<br />

Löffler, Jan CDU Neukirchen/Pleiße / Z<br />

Martens, Dr. Jürgen FDP Meerane / Z<br />

Meyer, Stephan CDU Oderwitz / GR<br />

Michel, Jens CDU Lohmen / PIR<br />

Mikwauschk, Aloysius CDU Räckelwitz / BZ<br />

Modschiedler, Martin CDU Dresden / DD<br />

Morlok, Sven FDP Leipzig / L<br />

Nicolaus, Kerstin CDU Hartmannsdorf / Z<br />

Otto, Gerald CDU Zwickau / Z<br />

Patt, Peter Wilhelm CDU Chemnitz / C<br />

Petzold, Jürgen CDU Auerbach / V<br />

Piwarz, Christian CDU Dresden / DD<br />

Pohle, Ronald CDU Leipzig / L<br />

Rohwer, Lars CDU Dresden / DD<br />

Rößler, Dr. Matthias CDU Dresden-Cossebaude / MEI<br />

Rost, Wolf-Dietrich CDU Leipzig /L<br />

Saborowski-Richter, Ines CDU Chemnitz / C<br />

Schmalfuß, Prof. Dr. Andreas FDP Chemnitz / C<br />

Schmidt, Thomas CDU Taura / FG<br />

Schneider, Prof. Dr. Günther CDU Grünhainichen / ERZ<br />

Schowtka, Peter CDU Wittichenau / BZ<br />

Schreiber, Patrick CDU Dresden / DD<br />

Schütz, Kristin FDP Görlitz / GR<br />

Seidel, Rolf CDU Leipzig / L<br />

Springer, Ines CDU Glauchau / Z<br />

Strempel, Karin CDU Meißen / MEI<br />

Tiefensee, Volker CDU Schönwölkau / TDO<br />

Tillich, Stanislaw CDU Panschwitz-Kuckau / BZ<br />

Tippelt, Nico FDP Glauchau / Z<br />

Wehner, Oliver CDU Heidenau / PIR<br />

Windisch, Uta CDU Burkhardtsdorf / ERZ<br />

Wissel, Patricia CDU Neukirch/Lausitz / BZ<br />

Wöller, Prof. Dr. Roland CDU Freital / PIR<br />

Zastrow, Holger FDP Dresden / DD<br />

7


Leben in der Linde<br />

„Sie können meinen Namen ruhig schreiben.<br />

Ich habe nichts zu verlieren“, sagt Mario,<br />

24, ohne Familie, ohne Job, ohne Obdach.<br />

Wie der hellwache junge Mann sein<br />

Leben refl ektiert, würde gut zwischen zwei<br />

Buchdeckel passen. Ein dickes Buch, von<br />

dem man froh ist, dass es nicht die eigene<br />

Geschichte erzählt: Als Zwilling geboren,<br />

zerbricht Marios Welt mit der Ehe der<br />

Eltern. Die Mutter zieht mit den Jungs weg,<br />

dem neuen Mann <strong>im</strong> neuen Haus bleiben<br />

die Kinder fremd. Im Alter von fünf Jahren<br />

beginnt ihre „He<strong>im</strong>karriere“, mit sieben<br />

werden sie getrennt. „Ich habe schon<br />

<strong>im</strong> He<strong>im</strong> Drogen genommen, da war ich<br />

13“, erinnert sich Mario. Den Hauptschulabschluss<br />

schafft er noch, die Dachdeckerlehre<br />

nicht mehr. Rausch best<strong>im</strong>mt sein Leben.<br />

Er haust mal hier, mal da – und jede<br />

versuchte Rückkehr nach Hause endet in<br />

Chaos und Gewalt. Er braucht Geld, heuert<br />

bei einer Drückerkolonne an, haut ab<br />

und steht irgendwann komplett abgebrannt<br />

<strong>im</strong> Leipziger Sozialamt. Dort kümmert man<br />

sich, macht Wohnung und Ausbildung klar.<br />

Es läuft gut - bis er wieder Mist baut. Zwei<br />

Mal U-Haft, dann stellt ihn der Richter vor<br />

die Wahl: Drogentherapie oder Knast. Er<br />

greift mit der Therapie nach seiner vielleicht<br />

letzten Chance. Ende 2009 schließt<br />

er die Therapie ab. Erfolgreich, wie er sagt.<br />

Jetzt will er arbeiten, alles soll anders werden.<br />

„Ich schaffe das!“, macht er sich Mut.<br />

Nach der Therapie gab es Mario eigentlich<br />

nicht. Wer hier keine Adresse oder wenigstens<br />

eine „Kundennummer“ be<strong>im</strong> Arbeitsamt<br />

hat, existiert nicht. Wo also hin?<br />

Steckbrief:<br />

Das Lindenhaus<br />

der Dresdner Tafel<br />

Statt ins Obdachlosenhe<strong>im</strong> schickte ihn<br />

das Dresdner Sozialamt zum Lindenhaus<br />

der Dresdner Tafel, einer wohl deutschlandweit<br />

einmaligen Anlaufstelle für wohnungslose<br />

Jugendliche. Glücksfall für Mario, denn<br />

„Hier wir einem geholfen – sofern man das<br />

will.“ Und Mario wollte. Das hat Manuela<br />

William, eine der ehrenamtlichen Helfer<br />

<strong>im</strong> Haus, schnell erkannt. Die 37-Jährige<br />

gelernte Anlagentechnikerin hat ihm zugehört,<br />

seine Papiere sortiert, Fehlendes beschafft,<br />

Adressen rausgesucht, mit ihm Bewerbungen<br />

geschrieben, rumtelefoniert<br />

und schließlich ein Vorstellungsgespräch<br />

rausgeholt, an dessen Ende die Zusage für<br />

einen Bauhelferjob stand.<br />

„Viele regen sich<br />

doch auf, dass die<br />

Jugend abrutscht.<br />

Aber wo bitte ist deren<br />

Perspektive?<br />

Wenn wir ihnen nicht<br />

helfen, wer dann?“,<br />

begründet Manuela<br />

William ihr Engagement.<br />

Als Mutter<br />

zweier Kinder, das<br />

jüngste behindert<br />

und der „Große“ auf<br />

der Schwelle zum Erwachsensein,<br />

weiß<br />

sie, dass es gerade<br />

für Heranwachsende<br />

schwer ist, falsche<br />

von echten Freunden<br />

zu unterscheiden<br />

und auf dem rechten<br />

Das Lindenhaus in Dresden ist ein ehrenamtliches<br />

soziales Projekt, das 18- bis<br />

25-jährigen Wohnungslosen <strong>im</strong> Winter Asyl<br />

bietet. Der Platz reicht für sieben männliche<br />

und vier weibliche Bewohner. Pro Saison<br />

nehmen durchschnittlich zwölf Jugendliche<br />

das Angebot an, <strong>im</strong> Schnitt bleiben sie<br />

für vier Wochen. Das Haus gehört der Stadt<br />

Dresden, der Tafelverein darf es mietfrei nutzen.<br />

Die Betriebskosten werden ebenso über<br />

Spenden bestritten wie Einrichtung, Verpfl egung<br />

und Werterhaltung. Einen vor anderthalb<br />

Jahren gefassten Beschluss zur Sanierung<br />

von Dach und Fenstern hat die Stadt<br />

<strong>im</strong> Frühjahr dieses Jahres wieder gekippt.<br />

Die Sanierung der Bäder, von denen eines behindertengerecht<br />

ist, verdankt die Tafel der<br />

Großspende eines lokalen Unternehmens,<br />

ebenso wie die moderne Küchenausstattung.<br />

Hotels wie Ibis und Arcandor sind Dauerspender<br />

und ermöglichen u. a., dass die Nutzer-Preise<br />

niedrig bleiben. So zahlen Bewohner<br />

pro Übernachtung 1 Euro und 50 Cent für<br />

ein Mittagessen.<br />

Weg zu bleiben. Obwohl selbst auf Hartz IV<br />

angewiesen, schiebt sie regelmäßig Freiwilligendienst<br />

in der „Linde“: „Mit Hartz IV<br />

glaubt man doch irgendwann selbst, dass<br />

man nichts kann, nichts ist und sich eigentlich<br />

auch gleich umbringen kann. Oder man<br />

macht was. Deshalb sind wir hier.“ Mit „wir“<br />

meint sie auch Anke Fischer, ebenfalls 37<br />

und Mutter zweier Kinder. Dass davon auch<br />

eines behindert ist, ist Zufall, dass die beiden<br />

Frauen sich <strong>im</strong> Lindenhaus trafen,<br />

nicht. Über die Arbeitsagentur hatte Anke<br />

Fischer zum Sozialen gefunden. Nachdem<br />

ihre „Maßnahme“ ausgelaufen war, wollte<br />

sie nicht einfach zurück ins Abwarten mit<br />

Alg II und kam zum Lindenhaus. Hier ist sie<br />

Manuela William (li.) und Anke Fischer kümmern<br />

sich ehrenamtlich um obdachlose Jugendliche.<br />

Das tägliche Mittagessen für Bedürftige,<br />

zumeist Hartz-Betroffene, aus dem Wohngebiet,<br />

kostet ebenfalls 1 Euro. In Zusammenarbeit<br />

mit der Volkssolidarität bietet<br />

das Lindenhaus darüber hinaus den Rentnern<br />

aus der Umgebung Mittagessen für<br />

2,50 Euro an, das pro Tag von rund 20,<br />

zumeist allein stehenden Männern und<br />

Frauen, angenommen wird. Die beiden<br />

Clubräume werden auch für Veranstaltungen<br />

vermietet, die Miete fl ießt in die<br />

Unterhaltung der „Linde“ zurück. Die Betriebsleitung<br />

liegt in den Händen von Erhard<br />

Nickel, der mit einer halbe Stelle<br />

bei der Dresdner Tafel angestellt ist. Der<br />

Hausbetrieb wird über Ehrenamtler abgesichert,<br />

die zumeist selbst bedürftig sind.<br />

efa<br />

Spenden für das Lindenhaus an:<br />

Dresdner Tafel e.V.<br />

Kennwort: Lindenhaus<br />

Ostsächsischen Sparkasse Dresden<br />

Konto: 3 120 002 002, BLZ: 850 503 00<br />

8 pvl 2/2010


Leben zeitweilig in der Linde: Felix, Mario und Nicole (v.l.)<br />

da, wenn mal einer reden will. Ansonsten<br />

klappert sie meist Ämter ab, spricht be<strong>im</strong><br />

Jugend-, Arbeits- oder Sozialamt vor – und<br />

sucht nach Wohnraum für die Lindenhäusler.<br />

Seit Dresden seinen kommunalen Wohnungsbestand<br />

an die GAGFAH verhökert<br />

hat, ist das allerdings ungleich schwerer<br />

geworden.<br />

Alkohol, Drogen und Gewalt sind <strong>im</strong> Lindenhaus<br />

tabu. Wer das nicht einsieht,<br />

muss gehen. Die Bewohner haben die Räume<br />

sauber zu halten und sich ins Hausleben<br />

einzubringen. Im Sommer gibt’s eigene<br />

Beete zur Pfl ege, der Grill <strong>im</strong> Garten ist<br />

Mitte vergangenen Jahres hatte die<br />

Dresdner Tafel mehrere Stellen aus dem<br />

Bundesprogramm „Kommunal-Kombi“ –<br />

davon drei für das Lindenhaus – beantragt<br />

und auch bewilligt bekommen. Im<br />

Januar sollte es losgehen; der Kommunal-Kombi<br />

hätte neun Hartz-IV-Betroffene<br />

für drei Jahre in Arbeit gebracht. Mit<br />

deren Arbeit wiederum hätten die wohnungslosen<br />

Jugendlichen vom Lindenhaus<br />

das ganze Jahr über Obdach und<br />

Ansprechpartner gehabt, müsste das<br />

Haus seine Bewohner keinen Tag vor<br />

die Tür setzen und hätte zudem endlich<br />

einen Sozialpädagoge einstellen können.<br />

Wie gesagt: Hätte. Mit dem Ende<br />

2009 verkündeten Aus der Ko-Finanzierung<br />

durch den Freistaat für Kommunal-Kombi-Stellen<br />

ist all das Schnee<br />

von gestern. Für die Folgen des Bewilligungsstopps<br />

müssen insbesondere<br />

pvl 2/2010<br />

Marke Eigenbau und demnächst soll auch<br />

der Kochkurs wiederbelebt werden. Kraftüberschuss<br />

kann <strong>im</strong> Keller-Sportraum abgebaut<br />

werden. „Wenn wir den Jugendlichen<br />

nahe bringen könnten, wie ein Alltag<br />

mit Ordnung, eigenem Zutun und Ehrlichkeit<br />

aussieht, hätten wir viel erreicht.<br />

Das haben die nie gelernt“, sagt Anke Fischer<br />

und verweist darauf, dass „wer gibt<br />

auch bekommt“. In der Linde kann das<br />

auch mal eine Umarmung sein. Dennoch<br />

werden die „Linden-Kinder“ nie zurückholen,<br />

um was man sie betrog. „Was Familie<br />

ist, das weiß ich nicht“, fasst Mario knapp<br />

zusammen. efa<br />

Aus für Kommunal-Kombi trifft die Schwächsten<br />

die Schwächsten der Gesellschaft aufkommen.<br />

Priorität hätten nun mal wettbewerbsfähige<br />

Arbeitsplätze auf dem<br />

ersten Arbeitsmarkt, begründete FDP-<br />

Wirtschaftsminister Morlok, warum er<br />

der Vorgabe aus dem CDU-Finanzministerium<br />

bedingungslos folgen konnte.<br />

efa<br />

übrigens …<br />

… musste das Lindenhaus über den Jahreswechsel<br />

geschlossen bleiben, weil<br />

der Hausbetrieb aufgrund der gestrichenen<br />

Kommunal-Kombi-Stellen nicht mehr<br />

abzusichern war. Hausbewohner Felix<br />

(21) musste deshalb für diese Zeit bei<br />

Bekannten um Obdach betteln. Um nicht<br />

zu verhungern, ging er Blut spenden und<br />

kaufte sich vom der Spender-Entschädigung<br />

was zu essen.<br />

Fotos: efa<br />

Von „Lindenstraße“<br />

zum Lindenhaus<br />

1998 tourte die Crew der „Lindenstraße“<br />

durch den Osten. Auf der Suche<br />

nach einer möglichst Aufsehen erregenden<br />

Werbeaktion geriet die Truppe an<br />

Dresdens Tafelchefi n Edith Franke. Die<br />

griff zu und verteilte die Soap-Darsteller<br />

erst mal in aller Herrgottsfrühe auf die<br />

Spenden-Sammeltouren quer durch die<br />

Stadt. Später postierte sie sie <strong>im</strong> großen<br />

Ausgabezelt, wo diesmal neben Lebensmitteln<br />

auch Autogramme übern<br />

Tresen gingen. Der Promi-Tafeltag zeigt<br />

Wirkung: „Was die Schauspieler hier erlebt<br />

hatten, hat sie berührt und sie boten<br />

an, etwas für Straßenkinder zu tun“,<br />

erinnert sich Edith Franke: „Da bin ich<br />

sofort los und habe nach einem passenden<br />

Haus gesucht.“ Das fand sie <strong>im</strong><br />

leer stehenden Kindergarten in der Mathildenstraße.<br />

Ein Jahr später wurde hier<br />

mithilfe der „Lindenstraße“ unter dem<br />

Namen „Lindenstraße-Haus“ ein Obdachlosenasyl<br />

für Jugendliche eröffnet:<br />

mit drei Angestellten, drei ABM-Kräften<br />

und vielen ehrenamtlich Helfern.<br />

Drei Jahre lang bezahlte die „Lindenstraße“<br />

die Arbeitskräfte, dann musste<br />

sich das Haus auf eigene Füße stellen.<br />

Und dem „Lindenstraße-Haus“ kam<br />

aus Markenschutzgründen die „Straße“<br />

abhanden. Einzig das Straßenschild <strong>im</strong><br />

Obergeschoss erinnert noch an alte Zeiten.<br />

Das Haus ganz umbenennen, wollte<br />

damals keiner, längst hatte sich die<br />

„Linde“ etabliert. Dabei war genau das<br />

am Anfang gar nicht so sicher. Bevor<br />

der Umbau des mitten <strong>im</strong> Wohngebiet<br />

liegenden Hauses begann, hatten Franke<br />

und Co. die künftigen Nachbarn eingeladen,<br />

um das Projekt vorzustellen.<br />

„Sodom und Gomorrha!“, fasst Edith<br />

Franke die Erinnerung an jenen Abend<br />

zusammen: „Alle Schandtaten dieser<br />

Welt wurde der verdorbenen Jugend<br />

dieses Landes zugeschrieben. Ablehnung:<br />

Hundert Prozent!“<br />

Das ist lange her. Wenn die „Linde“<br />

heute zum Sommerfest einlädt, ist das<br />

Haus rappelvoll. Dann drehen auch Bewohner<br />

von jetzt und einst die Würste<br />

auf dem Grill und umsorgen die Gäste.<br />

Sehr beliebt sind auch die Linden-Kinderfeste<br />

und die mit der Volkssolidarität<br />

organisierten Veranstaltungen. Wenn es<br />

<strong>im</strong> Lindenhaus klingelt, kann das heute<br />

auch ein Bewohner aus der Nachbarschaft<br />

sein, der Kleidung bringt, oder<br />

Bücher oder vielleicht etwas Obst. Kürzer<br />

kann der Weg vom Spender zum<br />

Empfänger nicht sein. efa<br />

9


Wohnungen, Strom und Gas – über kommunale<br />

Daseinsvorsorge am Beispiel Dresden<br />

Im März 2006 hat Dresden seine Wohnungsgesellschaft<br />

WOBA verkauft und sich<br />

damit schuldenfrei gemacht.<br />

Die bejubelte Schuldenfreiheit war mit<br />

47.000 Wohnungen, 3.810.000 Quadratmeter<br />

Stadtfl äche und der Verunsicherung<br />

zehntausender Mieterinnen und Mieter sowie<br />

hunderter Beschäftigter der WOBA<br />

Dresden erkauft worden.<br />

Im Ringen um den Verkauf, an dem auch<br />

die damalige Stadtfraktion der <strong>LINKE</strong>N zerbrach,<br />

wurde <strong>im</strong>mer behauptet, öffentliches<br />

Eigentum sei bei Gütern der Daseinsvorsorge<br />

<strong>im</strong> Allgemeinen und bei Wohnungsbeständen<br />

<strong>im</strong> Besonderen nicht mehr oder zumindest<br />

nicht mehr <strong>im</strong> bisherigen Umfang<br />

erforderlich. Soziale Wohlfahrt könne auch<br />

gesichert werden, wenn diese sich weitgehend<br />

<strong>im</strong> Privateigentum, insbesondere<br />

auch <strong>im</strong> Besitz von Kapitalfonds befi nden.<br />

Die Schuldenfreiheit der öffentlichen Hand<br />

sei ein Wert an sich, nein gar ein „sozialpolitischer<br />

Imperativ “ und: Dresden schuldenfrei<br />

zu machen sei ein wichtiges Signal<br />

für ganz Deutschland.<br />

Wie sieht es nun heute in Dresden mit dem<br />

ehemaligen Bestand der WOBA Wohnungen<br />

aus? Anfang des Jahres berichteten mehrere<br />

Zeitungen über die Bilanz des börsennotierten<br />

Gagfah-Konzerns, an den der gesamte<br />

kommunale Wohnungsbestand verkauft<br />

worden war. Der Konzern könne aus dem<br />

Gleichgewicht geraten, weil Großaktionär<br />

Fortress zu hohe Renditen erwartet,<br />

hieß es da. Und<br />

tatsächlich<br />

führt bereits der alte Firmenname des Woba-Käufers<br />

in die Irre: Gagfah steht für „Gemeinnützige<br />

Aktiengesellschaft für Angestellten-He<strong>im</strong>stätten“.<br />

Gemeinnützig ist das<br />

Unternehmen aber schon längst nicht mehr.<br />

Die Gagfah ist inzwischen Deutschlands<br />

größter börsennotierter Immobilienkonzern,<br />

herrscht über 170.000 Wohnungen und<br />

strebt vor allem eines an: Profi t. Die Sächsische<br />

Zeitung schreibt am 3. Januar: „In<br />

der Tat spart die Gagfah, wo sie nur kann.<br />

Mieter, die sich telefonisch an den Konzern<br />

wenden, landen in einem Call-Center. Heizkostenberechnung<br />

und Hausmeisterdienste<br />

haben Fremdfi rmen übernommen. In Dresden<br />

ist seit September 2008 nicht mehr die<br />

Gagfah für die Instandhaltung ihrer rund<br />

41.000 Wohnungen zuständig, sondern die<br />

Firma BO aus dem bayerischen Bad Aibling.<br />

Der Gewinn speist sich vor allem aus Mieten<br />

und Wohnungsverkäufen. 2008 kamen<br />

allein aus dem Dresdner Gagfah-Bestand<br />

78 Millionen Euro zusammen.“<br />

Der Totalverkauf der WOBA also hat erhebliche<br />

negative Auswirkungen. Die Stadt<br />

hat jegliche Einfl ussnahme auf Wohnungsangebot,<br />

Mietmarkt und Wohnkl<strong>im</strong>a verloren<br />

und muss sich bei der aktiven Gestaltung<br />

von Stadtentwicklung, Wohnumfeld<br />

und Stadtumbau stark einschränken. Die<br />

Mieten steigen, der Wohnungsleerstand<br />

sinkt, die Gagfah<br />

verkauft die<br />

„Filetstücke“<br />

„Filetstücke“<br />

und die die Unsicherheitsicherheit<br />

wächst.<br />

Dre<strong>im</strong>al verkauft: Wohnungen in der Dresdner Hauptstraße: von der WOBA zur Gagfah zur<br />

Werner Mössner Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH München<br />

Der Vorsitzende<br />

des hiesigenMietervereins<br />

sagt<br />

dazu: „So lange<br />

es in Dresden<br />

einen sehr hohen Leerstand gab, hatten<br />

die Mieter auf dem Markt das Sagen. Jetzt<br />

scheint sich die Situation zu ändern. Wir hatten<br />

<strong>im</strong> vergangenen Jahr so viele Neuaufnahmen<br />

wie schon seit zehn Jahren nicht mehr“.<br />

Seit 2005 stiegen die Kaltmieten bei Neuvermietungen<br />

in Dresden durchschnittlich um<br />

ca. 20 Prozent. Mit Ausnahme von Plattenbauwohnungen<br />

mit geringer Ausstattung in<br />

einfachen Lagen haben sich die Mieten jährlich<br />

um etwa vier Prozent erhöht. Am höchsten<br />

sind die Steigerungen mit 33 Prozent bei<br />

Wohnungen, die nach 1948 gebaut wurden<br />

und einen mittleren Wohnwert aufweisen.<br />

Wohnungen mit gutem Wohnwert stiegen um<br />

27 Prozent. Damit sind die Mieten allgemein<br />

in der Stadt bereits mit denen westlicher<br />

Großstädte wie Hannover vergleichbar.<br />

Für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> beweist die Entwicklung<br />

einmal mehr, dass öffentliche Güter, wie<br />

die Energie, die Wasserver- und -entsorgung,<br />

der öffentliche Nah- und Fernverkehr,<br />

ein Teil der Wohnungen, die medizinische<br />

Versorgung, das Gros der Kultur- und<br />

Bildungseinrichtungen entweder vor Privatisierung<br />

zu bewahren oder wieder zu<br />

vergesellschaften sind. Öffentliche Güter<br />

oder Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge<br />

müssen für alle Bürgerinnen und Bürger<br />

chancengleich zugänglich sein und bereitgestellt<br />

werden.<br />

Im Laufe der letzten Jahre hat sich sowohl die<br />

öffentliche Debatte als auch die praktische<br />

politische Haltung zum neoliberalen Angriff<br />

auf die Güter der öffentlichen Daseinsvorsorge<br />

geändert. Nicht nur in Dresden, auch in<br />

vielen deutschen Städten wurden erfolgreich<br />

Bürgerbegehren durchgeführt, so 2008 in<br />

Leipzig zu den Stadtwerken, ebenfalls 2008<br />

in Meißen zum Krankenhaus und 2007 in<br />

Freiburg zum Wohnungsbestand.<br />

Der Dresdener Weg der Privatisierung sämtlicher<br />

städtischer Wohnungen war ein Irrweg.<br />

2010 scheint man daraus gelernt zu<br />

haben: Im März dieses Jahres st<strong>im</strong>mte der<br />

Dresdner Stadtrat dem Kauf der Energieversorgungsgesellschaft<br />

GESO von der Baden-<br />

Württembergischen EnBW zu. Damit wird<br />

der Weg der Re-Kommunalisierung gegangen.<br />

Eine eigenständige kommunale Energiepolitik<br />

mit fairen Preisen für die Endverbraucher<br />

wird wieder möglich.<br />

Hans-Jürgen Muskulus<br />

Stadtrat <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> in Dresden<br />

10 pvl 2/2010<br />

Foto: CM


Sachsens Kommunen droht Finanzkollaps<br />

„Die Folgen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise<br />

werden 2010 in den Kommunen<br />

<strong>im</strong>mer stärker spürbar. Ein Teil der Städte<br />

steht vor dem Kollaps und droht handlungsunfähig<br />

zu werden. Dort ist die <strong>im</strong> Grundgesetz<br />

garantierte kommunale Selbstverwaltung<br />

in Gefahr“, so die Präsidentin des<br />

Deutschen Städtetages Petra Roth Anfang<br />

Februar in Berlin. Doch auch die kommunalen<br />

Spitzenverbände in Sachsen schlagen<br />

Alarm, befürchten sie doch schon in diesem<br />

Jahr ein Rekord-Defi zit von zwölf Milliarden<br />

Euro! Und auch in den kommenden drei Jahren<br />

ist aufgrund wegbrechender Einnahmen<br />

und explodierender Kommunalausgaben mit<br />

zweistelligen Milliardendefi ziten zu rechnen.<br />

Nach der mittelfristigen Finanzplanung<br />

Sachsens und der Abrechnung von 2009 gehen<br />

die kommunalen Einnahmen aus dem<br />

Finanzausgleich gegenüber dem laufenden<br />

Jahr um 600 Mio. Euro (2011) bzw. 870<br />

Mio. Euro (2012) zurück. Die Gesamteinnahmen<br />

werden <strong>im</strong> kommenden Jahr um rund<br />

1,7 Mrd. Euro zurückgehen. Das bisherige<br />

Haushaltsvolumen von rund 16,5 Mrd. Euro<br />

(2010) wird 2011 bis 2013 auf 14,7 Mrd. Euro<br />

sinken. Der Freistaat und die Städte und Gemeinden<br />

haben dann wesentlich weniger<br />

Geld zur Verfügung.<br />

Der Staat ist nach dem Grundgesetz (Art.<br />

28.2) und der Landesverfassung (Art. 87.1)<br />

verpfl ichtet, den Gemeinden, Städten und<br />

Landkreisen eine dauerhafte Erfüllung ihrer<br />

Selbstverwaltungsaufgaben zu ermöglichen.<br />

Schon deshalb muss sich die Staatsregierung<br />

auf Bundesebene für eine umfassende<br />

Gemeindefi nanzreform einsetzen. Die bestehende<br />

Unterfi nanzierung der kommunalen<br />

Haushalte muss dauerhaft beseitigt werden<br />

Ein Schutzschirm für Städte und Gemeinden,<br />

dafür steht <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>. Wir fordern, die<br />

Gewerbesteuer zu<br />

einer Gemeinde-<br />

wirtschaftssteuerweiterzuentwickeln,<br />

die alle<br />

unternehmerisch<br />

Tätigen einbezieht<br />

und die Last der<br />

bisherigen Gewerbesteuer<br />

auf mehrere<br />

Schultern verteilt.<br />

Zudem muss<br />

die Bemessungsgrundlageverbreitert<br />

werden, auch<br />

damit die Einnahmesituation<br />

der<br />

Gemeinden konjunkturunabhängiger<br />

wird. Für kleine<br />

Unternehmen und<br />

Existenzgründer fordern<br />

wir angemessene<br />

Freibeträge<br />

pvl 2/2010<br />

Die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> fordert<br />

von der Landesregierung,<br />

� bei den Verhandlungen zum<br />

Finanzausgleichsgesetz der<br />

Jahre 2011/2012 für eine aufgabenadäquate<br />

Finanzausstattung<br />

zu sorgen,<br />

� das angesammelte Vorsorgevermögen<br />

zu Gunsten der Kommunen<br />

aufzulösen, ohne die Mittel einer<br />

Zweckbindung zu unterwerfen,<br />

� in den Jahren 2011/2012 eine<br />

angemessene Investitionspauschale<br />

für alle Städte und Gemeinden<br />

zu gewähren und<br />

� die Folgekosten des Landesbank-Notverkaufs<br />

nicht aus dem<br />

laufenden Etat zu begleichen,<br />

sondern über Kredite abzufedern.<br />

und parallel dazu gehört die Gewerbesteuerumlage<br />

von den Gemeinden an den Bund<br />

abgeschafft. Allein das könnte die Kommunen<br />

schon <strong>im</strong> laufenden Jahr um rund 1 Mrd.<br />

Euro entlasten.<br />

Die Finanznot der Kommunen ist nicht nur<br />

konjunkturbedingt, sie ist auch die Folge einer<br />

Umverteilungspolitik von unten nach<br />

oben. Die Steuergesetzgebung der schwarzroten<br />

Bundesregierung, milliardenschwere<br />

Bürgschaften für die Rettung von Banken sowie<br />

die Steuergeschenke der schwarz–gelben<br />

Regierungen belasten die Kommunen<br />

und führen zu <strong>im</strong>mensen Einnahmeverlusten.<br />

Schluss damit! Die Kommunen brauchen<br />

jetzt Hilfe und Unterstützung! Sie brauchen<br />

ein Sofortprogramm, das gemeinsam<br />

mit den Kommunen und kommunalen Spitzenverbänden<br />

erarbeitet werden muss. Die<br />

strukturelle Unter-<br />

fi nanzierung vieler<br />

Städte, Gemeinden<br />

und Landkreise<br />

kann nur durch mittel-<br />

und langfristig<br />

wirksame Maßnahmen<br />

beseitigt<br />

werden.<br />

Wir haben schon<br />

<strong>im</strong> Dezember 2009<br />

einen Antrag für<br />

ein Kommunalfinanzkonzept<br />

in den<br />

<strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong><br />

eingebracht.<br />

Die Koalition sah<br />

jedoch keinen<br />

Handlungsbedarf<br />

und lehnte ihn ab.<br />

Wir lassen aber<br />

nicht locker und<br />

werden weitere<br />

Vorschläge zum Schutz unserer Kommunen<br />

unterbreiten. Wir werden den Protest gegen<br />

die, die Kommunen belastenden, bundes-<br />

und landespolitische Entscheidungen organisieren,<br />

Alternativen entwickeln und mit<br />

den Bürgerinnen und Bürgern über die Ursachen<br />

der kommunalen Finanznot ins Gespräch<br />

kommen.<br />

Die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> will die kommunalpolitische<br />

Arbeit vor Ort unterstützen und<br />

stärken.<br />

Deshalb haben wir auf unserer Hompage<br />

(www.linksfraktion-sachsen.de) unter<br />

dem Stichwort „Kommunalservice“ all<br />

unsere kommunalpolitischen Initiativen<br />

eingestellt. Zum Thema „Schutzschirm<br />

für Kommunen“ können Musteranträge<br />

heruntergeladen werden.<br />

In den nächsten Wochen sind wir bei weiteren<br />

Aktionen dabei, so unter anderem am<br />

5. Juni 2010 bei der Aktionskonferenz „Kommunen<br />

in Not“ <strong>im</strong> Dresdner Volkshaus. Dort<br />

werden wir über <strong>LINKE</strong> Aktivitäten wie z.B<br />

zum „Schutzschirm für Kommunen“ informieren.<br />

Ziel ist, die Handlungsfähigkeit der<br />

Kommunen wiederherzustellen und für die<br />

Zukunft zu sichern. Die Mobilisierung der<br />

Bürgerinnen und Bürger ist dafür unverzichtbar.<br />

Die Zeit drängt!<br />

MdL<br />

Marion Junge<br />

Sprecherin für<br />

Kommunalpolitik<br />

11<br />

© Siegfried Fries / PIXELIO


Im Namen des Volkes – Was nicht pas<br />

Interview mit MdL Dr. Dietmar Pellmann zur Gerichtsfestigkeit vo<br />

Hartz IV beschäftigt die Gerichte. Ende<br />

2007 erklärte das Bundesverfassungsgericht<br />

(BVG) die Zusammenarbeit zwischen<br />

Arbeitsagentur und Kommunen für verfassungswidrig.<br />

Anfang dieses Jahres ergingen<br />

Urteile zur Regelleistung, zur Bezahlung von<br />

Klassenfahrten für Schulkinder aus Hartz-IV-<br />

Familien, zum Kleidergeld und zu anderem<br />

mehr. Pvl spach dazu mit dem Sozialexperten<br />

der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong><br />

<strong>Landtag</strong>, Dr. Dietmar Pellmann.<br />

pvl: Herr Dr. Pellmann, mutieren die Hartz-<br />

Gesetze und hier vor allem die Regelungen<br />

zu Hartz IV jetzt zur ABM für die deutsche<br />

Gerichtsbarkeit?<br />

Dr. Dietmar Pellmann: Ich bin mir ziemlich<br />

sicher, dass viele Richterinnen und<br />

Richter, vor allem die an den Sozialgerichten,<br />

den Begriff „Hartz IV“ schon lange nicht<br />

mehr hören können, weil sie völlig überlastet<br />

sind. Wer angenommen hatte, dass die<br />

Klagefl ut langsam abebben müsste, wurde<br />

von der Gerichtspraxis korrigiert. So betrug<br />

die Zeitspanne vom Einreichen bis zur Entscheidung<br />

von Klagen bei den sächsischen<br />

Sozialgerichten <strong>im</strong> vergangenen Jahr durchschnittlich<br />

13,5 Monate – <strong>im</strong>merhin 1,4 Monate<br />

mehr als 2008. Allein 56 Prozent und<br />

damit weit mehr als die Hälfte der insgesamt<br />

mehr als 33.000 Klagen bei den sächsischen<br />

Sozialgerichten betrafen „Hartz-<br />

IV-Fälle“; bei Eilverfahren waren es sogar<br />

fast vier Fünftel. Und: Sozialrichter rechnen<br />

auch für die absehbare Zukunft nicht damit,<br />

das sich die Lage entspannt. Dies bestätigt<br />

unsere Einschätzung: Hartz IV ist gescheitert<br />

und nicht reformierbar. Es liegt beileibe<br />

nicht nur an Webfehlern in den Gesetzestexten,<br />

wie „gutgläubige“ Hartz-IV-Befürworter<br />

bis heute behaupten.<br />

pvl: Die Boulevardpresse jubelte kürzlich „So<br />

macht Tillich Hartz IV neu!“ und meinte damit<br />

die Ideen des sächsischen Ministerpräsidenten<br />

zur höchstrichterlich angewiesenen<br />

und bis zum Jahresende zu realisierenden<br />

Neuordnung der ARGEN. Wie beurteilen Sie<br />

Stanislaw Tillichs Vorschläge zur „Reform der<br />

Reform“?<br />

Dr. Dietmar Pellmann: Nach vorn orientierte<br />

Vorschläge oder gar neue Ideen des<br />

sächsischen Ministerpräsidenten kann ich<br />

wahrlich nicht ausmachen. Selbst eine von<br />

den Koalitionsfraktionen beantragte Aktuelle<br />

Debatte zum Thema, die auf der <strong>Landtag</strong>ssitzung<br />

am 31. März dieses Jahres zur<br />

Feierstunde für die heroischen Leistungen<br />

von Herrn Tillich gedacht war, ändert daran<br />

überhaupt nichts. Die einzige Botschaft des<br />

Ministerpräsidenten war nämlich, einen Beitrag<br />

zur Abwendung des Chaos geleistet zu<br />

haben, denn für die von Hartz-IV-Betroffenen<br />

ändere sich letztlich gar nichts. Wir haben<br />

während dieser Aktuellen Debatte deshalb<br />

erneut deutlich gemacht: Es ist schon<br />

schl<strong>im</strong>m genug, wenn Gerichte ständig das<br />

Regierungshandeln korrigieren müssen. Anstatt<br />

aber nun wenigstens dem Geist des<br />

Bundesverfassungsgerichts vom 20. Dezember<br />

2007 zu folgen und wirkliche Veränderungen<br />

zu vollziehen, soll nunmehr das Grundgesetz<br />

an den von den Karlsruher Richtern<br />

gerügten Zustand angepasst werden. Leider<br />

hat sich die SPD auf diesen als Kompromiss<br />

gepriesenen Kuhhandel eingelassen und gar<br />

noch eine Erweiterung der Zahl der optierenden<br />

Kommunen auf einen Anteil bis zu 25<br />

Prozent eingelassen. So entsteht ein bundesweiter<br />

Flickenteppich der unterschiedlichen<br />

Hartz-IV-Träger. Bislang weitgehend<br />

unbeachtet wird damit ein bisheriges Verfassungstabu<br />

gebrochen, das Durchgriffsverbot<br />

des Bundes auf die Kommunen unter<br />

Ausschaltung der Länderebene.<br />

Wir von der <strong>LINKE</strong>N bleiben dabei, dass die<br />

Betreuung und mögliche Vermittlung von Arbeitslosen<br />

aus einer Hand zu erfolgen hat,<br />

auch damit die Trennung von Arbeitslosen<br />

erster und zweiter Klasse überwunden wird.<br />

Die nun beschlossene Änderung des Grundgesetzes<br />

ist nicht zielführend, <strong>im</strong> Gegenteil,<br />

sie zementiert den gegenwärtig unbefriedigenden<br />

und diskr<strong>im</strong>inierenden Zustand.<br />

Wenn das Licht ausgeht – Stromabschaltungen in Sachsen<br />

Im Jahr 2009 wurde Privathaushalten der drei kreisfreien<br />

Städte in Sachsen 9.900 Mal der Strom abgedreht, weil diese<br />

ihre Rechnungen nicht bezahlen konnten. 2008 waren es<br />

9.700 Fälle. Das geht aus der Antwort auf die Kleine Anfrage<br />

(Drucksache 5/989) von Dr. Dietmar Pellmann zu „Stromabschaltungen<br />

bei Privathaushalten in Sachsen“ ebenso hervor,<br />

wie die Tatsache, dass die Staatsregierung über keinerlei Daten<br />

zu Stromabschaltungen bei den Haushalten in den Landkreisen<br />

verfügt. Es scheint, als interessiere sich die Landesregierung<br />

nur für das Schicksal von Großstädtern, nicht aber<br />

pvl: Das BVG hat in seiner Entscheidung zu<br />

Jahresbeginn die Hartz-IV-Regelleistungen<br />

in ihrer aktuellen Form für nicht rechtens erklärt,<br />

eine genaue und interpretationsfreie<br />

Anleitung zum Handeln aber fehlt. Das bewog<br />

so manchen Unions- und FDP-Politiker,<br />

gar über eine Absenkung selbiger nachzudenken.<br />

Wie bewertet <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> das Urteil selbst<br />

und die Möglichkeiten seiner Auslegung?<br />

Dr. Dietmar Pellmann: Als Nichtjurist ist<br />

es sicher schwierig, jedes Detail des Urteils<br />

vom 9. Februar dieses Jahres in seiner ganzen<br />

Verästelung zu bewerten. Vielleicht ergeben<br />

sich gerade deshalb so unterschiedliche<br />

für das der Menschen, die auf dem Dorf in einer dunklen und<br />

kalten Wohnung hausen müssen. Hinter dem also nur höchst<br />

bruchstückhaften Zahlenmaterial verbergen sich die Schicksale<br />

Zehntausender Menschen. Die Versorgung mit Strom<br />

gehört in unserer Zeit jedoch zur Existenzgrundlage, die niemandem<br />

verwehrt werden darf. Insofern sind die „Abschalt-<br />

Zahlen“ Ausdruck größter sozialer Not. Auch die Landespolitik<br />

trägt Verantwortung dafür, dass alle Menschen in Sachsen<br />

ohne existenzielle Einschränkungen auf einem zivilisierten<br />

Mindeststandard leben können.<br />

12 pvl 2/2010


st, wird passend gemacht<br />

n Hartz IV und zu spätrömischer Dekadenz<br />

Interpretationsvarianten – sowohl Hoffnungen<br />

der Betroffenen auf Besserung ihrer Lebenslage<br />

als auch Versuche, die bisherigen<br />

Regelleistungen möglichst nach unten zu<br />

drücken. Aus meiner Sicht haben die Karlsruher<br />

Richter jedoch zumindest zwei Grundsätze<br />

formuliert: Die Regelleistungen müssen<br />

ein menschenwürdiges Leben und eine<br />

gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen<br />

Leben ermöglichen. Und ihre Zusammensetzung<br />

muss nachvollziehbar sein. Ob<br />

diese Prämissen angesichts der gegenwärtigen<br />

Mehrheitsverhältnisse <strong>im</strong> Bundestag<br />

zu einer von Sozial- und Wohlfahrtsverbänden,<br />

Gewerkschaften und der <strong>LINKE</strong>N<br />

pvl 2/2010<br />

geforderten spürbaren Anhebung der Hartz-<br />

IV-Sätze führen werden, bleibt abzuwarten.<br />

Skepsis ist mehr als angesagt. Daher dürfte<br />

schon jetzt feststehen: Das BVG in Karlsruhe<br />

wird sich wohl nicht letztmalig mit Hartz<br />

IV befasst haben.<br />

Fakt ist, dass das unsägliche Konstrukt der<br />

Bedarfsgemeinschaften abgeschafft gehört,<br />

damit mehr soziale Gerechtigkeit einziehen<br />

kann und insbesondere die Diskr<strong>im</strong>inierung<br />

von Frauen beseitigt wird, die mit<br />

der Bedarfsgemeinschaft in nicht hinnehmbarer<br />

Weise entmündigt und fi nanziell abhängig<br />

gemacht werden. Und Fakt ist auch,<br />

Bettelarm bis zum Tod – 2.000 Bestattungen zahlte Sozialamt<br />

Im Jahr 2009 haben die Sozialämter der sächsischen Landkreise<br />

und kreisfreien Städte für mehr als 2.000 Verstorbene<br />

die Bestattungskosten übernommen, weil deren Angehörige<br />

– sofern überhaupt vorhanden – diese nicht<br />

bezahlen konnten. Obwohl nicht von allen Kommunen Daten<br />

gemeldet wurden und sich selbst Dresden als Landeshauptstadt<br />

nicht in der Lage sah, entsprechende Daten zu<br />

übermitteln, sind diese Zahlen ernüchternd, belegen sie<br />

doch, in welch erschreckendem Maße die Zahl der Ärmsten<br />

der Armen hierzulande anwächst. Es ist eine Schande für<br />

dass das gegenwärtig weitgehend willkürlich<br />

festgelegte soziokulturelle Existenzmin<strong>im</strong>um<br />

eine gleichberechtigte Teilnahme am<br />

öffentlichen Leben für die Bezieher von Arbeitslosengeld<br />

II oder von Sozialgeld unmöglich<br />

macht und überdies in keiner Weise armutsfest<br />

ist. Für <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> steht daher fest,<br />

dass der Eckregelsatz für Langzeitarbeitslose<br />

deutlich angehoben werden muss. Um<br />

das Lohnabstandsgebot zu gewährleisten,<br />

ist die mittelfristige Einführung eines gesetzlichen<br />

Mindestlohnes in Höhe von zehn<br />

Euro dringend geboten. Und natürlich muss<br />

es einen eigenen Regelsatz für Kinder geben,<br />

wobei eine Kindergrundsicherung wohl der<br />

beste Weg wäre.<br />

pvl: Der Winter hat sich nunmehr endlich verzogen<br />

und wird somit Guido Westerwelle keine<br />

Möglichkeit mehr geben, ALG-II-Empfänger<br />

zum Schneeschippen heranzuziehen. Dafür<br />

steht die Badesaison bevor. Droht nun die Arbeitspfl<br />

icht zur Sittenwacht am Baggersee?<br />

Oder anders gefragt: Wie groß ist die Gefahr<br />

für Hartz-IV-Familien, in spätrömische Dekadenz<br />

zu verfallen?<br />

Dr. Dietmar Pellmann: An den von wenig<br />

Allgemeinbildung zeugenden historischen<br />

Vergleichen mit spätrömischer Dekadenz,<br />

wie sie Herrn Westerwelle missraten sind,<br />

möchte ich mich überhaupt nicht beteiligen.<br />

Hinter dem Ganzen steckt allerdings<br />

Methode. Menschen, die gern arbeiten würden,<br />

aber wegen objektiver Gegebenheiten<br />

oft für lange Zeit von Existenz sichernder Erwerbstätigkeit<br />

ausgeschlossen sind, werden<br />

durch derartige Sprüche noch weiter an<br />

den Rand der Gesellschaft gedrängt, sollen<br />

erniedrigt und ihrer Würde beraubt werden.<br />

Nichts anderes stellen die bereits seit der<br />

Einführung von Hartz IV geltenden gesetzlichen<br />

Best<strong>im</strong>mungen dar, nach denen Kriterien<br />

für Zumutbarkeit von Arbeit nicht mehr<br />

gelten und jede Tätigkeit angenommen werden<br />

muss, weil anderenfalls drakonische<br />

Sanktionen drohen. Auch Schneeschippen<br />

<strong>im</strong> öffentlichen Raum ist notwendig, sollte<br />

aber dann von Beschäftigten mit Arbeitsverträgen<br />

und Löhnen, von denen man ohne<br />

Sozialhilfezuschuss leben kann, ausgeführt<br />

werden. Eines geht aber nicht, dass für „niedere“<br />

Arbeiten automatisch und ausschließlich<br />

Hartz-IV-Abhängige verpfl ichtet werden.<br />

ein reiches Land, dass es Menschen gibt, die selbst nicht<br />

in der Lage sind, fi nanziell für ihr Begräbnis vorzusorgen.<br />

Angesichts der <strong>im</strong>mer mehr werdenden Menschen, die auf<br />

Hartz IV angewiesen und fi nanziell nicht fürs Alter vorsorgen<br />

können, dürfte die Zahl derer, die auch be<strong>im</strong> Tod auf<br />

Sozialhilfe angewiesen sind, weiter ansteigen. Im Vergleich<br />

der sächsischen Landkreise und kreisfreien Städte hatte<br />

Leipzig <strong>im</strong> Jahr 2009 die meisten Sozialbegräbnisse zu<br />

schultern, hier wurden 335 Verstorbene mit fi nanzieller Hilfe<br />

der Sozialämter beerdigt.<br />

13


Vor sieben Jahren verkündete der damalige<br />

SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder den<br />

rot-grünen „Fahrplan“ zur Reformierung des<br />

bundesrepublikanischen Arbeitsmarktes.<br />

Er nannte ihn „Agenda 2010“. Jetzt haben<br />

wir „2010“ – und den Salat.<br />

Mit der Agenda 2010 begann der Paradigmenwechsel:<br />

weg vom Sozialstaatsprinzip,<br />

hin zum neoliberalen Prinzip der beschleunigten<br />

Verteilung von unten nach oben. Wie<br />

sich das konkret auf die Bürgerinnen und<br />

Bürger Sachsens auswirkte, hat Dr. Dietmar<br />

Pellmann in der Studie „Sieben verlorene<br />

Jahre – Eine Bilanz der Umsetzung der Agenda<br />

2010 für Sachsen“ zusammengefasst.<br />

Die Agenda 2010 und vor allem Hartz IV haben<br />

dazu geführt, dass es <strong>im</strong>mer mehr arme<br />

Familien gibt. Über 800.000 Menschen gelten<br />

<strong>im</strong> Freistaat als arm. Es ist nicht übertrieben,<br />

für Sachsen von einer aktuellen Armutsquote<br />

von 20 Prozent zu sprechen;<br />

bei Kindern nähert sie sich der 30-Prozent-<br />

Schwelle und bei Alleinerziehenden liegt sie<br />

gar über 40 Prozent.<br />

Die Zahl derer, die Arbeit haben, ging in Sachsen<br />

seit 1989 um mehr als eine halbe Million<br />

zurück. Daran änderten die kurzen Erholungsphasen<br />

zwischen 2006 und 2008 nichts. Zwischen<br />

2003 und 2008 sank die Zahl der sozialversicherungspflichtig<br />

Beschäftigten in<br />

Sachsen um 30.000. Der Rückgang der offi -<br />

ziell registrierten Arbeitslosen ist vor allem<br />

seit 2003 auf zahlreiche Veränderungen bei<br />

ihrer statistischen Erfassung zurückzuführen.<br />

Die aktuelle Zahl der Arbeitslosen liegt nicht<br />

– wie offi ziell angegeben – bei 292.000, sondern<br />

bei etwa 450.000, sofern auf Vollzeitbeschäftigte<br />

umgerechnet wird.<br />

Dr. Dietmar Pellmann, Sozialexperteexperte<br />

der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong><br />

<strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong> hat die Zeit<br />

zwischen Schröders Verkündung und und<br />

heute für für Sachsen analysiert und<br />

resümiert:<br />

Sieben Jahre Agenda 2010:<br />

sieben verlorene Jahre<br />

In Sachsen arbeiten <strong>im</strong> Vergleich zu allen<br />

anderen Bundesländern die zahlenmäßig<br />

meisten Menschen in Mini-Jobs, Midi-Jobs<br />

und in Teilzeit. Gegenwärtig gibt es in Sachsen<br />

etwa eine Viertelmillion Minijobber,<br />

auch die Zahl der Teilzeitbeschäftigten verharrt<br />

mit 211.000 auf hohem Niveau. Sachsen<br />

ist zudem Spitzenreiter be<strong>im</strong> Anteil der<br />

Beschäftigten <strong>im</strong> Niedriglohnsektor. 2008<br />

lag die bundesweite Grenze zum Niedriglohn<br />

bei 9,17 Euro Stundenlohn. Unter dieser<br />

Schwelle lagen damit mehr als 40 Prozent<br />

der Beschäftigten in Ostdeutschland,<br />

während es in den alten Bundesländern<br />

etwa 20 Prozent waren.<br />

Durch arbeitsmarktpolitische Maßnahmen,<br />

wie ABM, Ein-Euro-Jobs oder Kurzarbeiterregelung,<br />

wurde die Arbeitslosenstatistik<br />

erheblich verfälscht. Aktuell dürfte dies<br />

einem Arbeitsvermögen von etwa 70.000<br />

Menschen entsprechen, wenn ABM<br />

nicht mit berücksichtigt werden.Nicht<br />

einbezogen werden auch die 2008<br />

tätigen 43.000 Leiharbeiter.<br />

Die Absicht, mit Hartz IV die Zahl der Langzeitarbeitslosen<br />

spürbar zu senken, ist in<br />

Sachsen gescheitert. Aktuell sind mehr<br />

als 500.000 Menschen auf Arbeitslosengeld<br />

II oder Sozialgeld angewiesen und damit<br />

ebenso viele wie be<strong>im</strong> Start von Hartz<br />

IV. Hinzu kommen allerdings noch etwa<br />

100.000, die aufgrund des Einkommens<br />

Die Broschüre erhalten Sie über:<br />

� <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

<strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong><br />

Bernhard-von-Lindenau-Platz 1<br />

01067 Dresden<br />

oder telefonisch unter<br />

� (0351) 4935833<br />

oder als Download unter<br />

� www.linksfraktion-sachsen.de<br />

ihrer Partner oder bei unter<br />

25-Jährigen der Eltern erst gar keinen Leistungsanspruch<br />

haben.<br />

Fazit: Wenn schwarz-gelbe Koalitionen in<br />

Dresden und Berlin davon reden, dass sich<br />

Arbeit lohnen muss, sollten sie endlich die<br />

Initiativen der <strong>LINKE</strong>N auf Landes- und<br />

Bundesebene für einen fl ächendeckenden<br />

gesetzlichen Mindestlohn unterstützen,<br />

denn nichts trägt so sehr zur zunehmenden<br />

Armut in Sachsen bei wie das zu niedrige<br />

Lohnniveau!<br />

Die Sächsische Staatsregierung, die unter<br />

den Ministerpräsidenten Milbradt und<br />

Tillich die Agenda 2010 in der Umsetzung<br />

eher noch verschärft hat, darf den realen<br />

sozialen Niedergang nicht länger ignorieren.<br />

Statt wie Wirtschaftsminister Morlok<br />

von einer Zukunft als Geberland zu träumen,<br />

sollte das Kabinett Tillich lieber ein<br />

Armutsbekämpfungskonzept vorlegen.<br />

Darauf werden wir drängen, bestärkt von<br />

den Ergebnissen der Studie, deren Lektüre<br />

wir auch den Regierungsmitgliedern<br />

ans Herz legen.<br />

MdL Dr.<br />

Dietmar Pellmann<br />

Sprecher für<br />

Sozialpolitik<br />

14 pvl 2/2010<br />

© Andre Dollan, Matthias Balzer / PIXELIO


Staatsregierung erpresst „Halbtagslehrer“<br />

Sachsens Pädagogen sind stocksauer.<br />

Gut 3.000 von ihnen machten ihrem Ärger<br />

Ende März vorm Finanzministerium Luft,<br />

tags drauf kamen noch mal fast 1.000 zum<br />

<strong>Landtag</strong>, um klar zu machen, dass sie nicht<br />

gewillt sind, sich von der Staatsregierung<br />

erpressen zu lassen.<br />

Hintergrund des Konflikts ist der zwischen<br />

den Lehrergewerkschaften und dem Freistaat<br />

ausgehandelte Bezirkstarifvertrag<br />

zur Teilzeit von 2005. Die Schülerzahlen<br />

waren drastisch gesunken, Lehrerentlassungen<br />

drohten. Dies zu vermeiden, wurde<br />

ein Teilzeitkompromiss geschlossen<br />

und die wöchentliche Unterrichtsstundenzahl<br />

von 26 auf 22 gesenkt. Was für die betroffenen<br />

ca. 13.600 Pädagogen freilich<br />

mit deutlichen Gehaltseinbußen verbunden<br />

war. Im Sommer dieses Jahres läuft<br />

die Vereinbarung aus. Gibt es keinen neuen<br />

Vertrag, kehren die Lehrerinnen und<br />

Lehrer automatisch zur Vollbeschäftigung<br />

zurück. Doch genau das will Kultusminister<br />

Wöller nicht und drängt darauf, die Teilzeitregelung<br />

zu verlängern. Verweigerern<br />

droht er mit Kündigung. Dabei ginge es<br />

ihm nicht darum, überflüssige Stellen abzubauen,<br />

sondern einen Stellenzuwachs zu<br />

verhindern, so Wöller, der schon <strong>im</strong> Herbst<br />

dieses Jahres eine „Lehrerschwemme“ mit<br />

ca. 2.000 überflüssigen Pädagogen heraufziehen<br />

sieht.<br />

Ich kann Herrn Wöllers Angst vor zu viel<br />

Lehrerinnen und Lehrern aus mehreren<br />

Gründen nicht nachvollziehen. So hat eine<br />

Befragung ergeben, dass fast die Hälfte<br />

der Betroffenen freiwillig be<strong>im</strong> Teilzeitmodell<br />

bleiben würde. Warum n<strong>im</strong>mt die<br />

Staatsregierung dieses Angebot nicht an?<br />

Auch zweifele ich den als Drohkulisse aufgebauten<br />

Lehrerüberschuss an. Im Gegenteil.<br />

An machen Grundschulen herrscht<br />

schon heute ein eklatanter Lehrermangel.<br />

Beispiel gefällig? Die Paul-Robeson-Grundschule<br />

in Leipzig. Hier mussten zwei erste<br />

Klassen über Monate hinweg zu einer zusammengelegt<br />

werden. In manchen Fächern<br />

werden keine Zensuren mehr erteilt,<br />

weil der Unterrichtsausfall zu groß ist. Förder-<br />

und Integrationsstunden entfallen, der<br />

Ergänzungsbereich ist gestrichen. Und die<br />

Schülerzahlen steigen wieder! Leipzig wird<br />

<strong>im</strong> Bezirk Mitte sogar eine neue Grundschule<br />

bauen müssen, weil hier so viele<br />

Kinder geboren werden, dass die vorhandenen<br />

Grundschulen die Kinder gar nicht<br />

nicht mehr alle aufnehmen können.<br />

Mit Kündigung zu drohen wird bei den Lehrerinnen<br />

und Lehrern noch aus einem anderen<br />

Grund nicht fruchten. Die wissen<br />

schließlich am besten, dass sie seit Jahren<br />

zwar weniger Geld bekommen, dafür aber<br />

längst mehr arbeiten. Im Schulbereich sind<br />

zunehmend mehr zusätzliche Aufgaben<br />

zu erfüllen. Auch hier eine Beispiel: Die<br />

pvl 2/2010<br />

Sachsens Lehrerinnen und Lehrer protestieren in Dresden gegen Zwangsteilzeit<br />

Kultusministerkonferenz hat Kompetenztests<br />

beschlossen, gegen die ja <strong>im</strong> Grunde<br />

nichts einzuwenden ist. Im Freistaat aber<br />

werden diese Tests an die Schulen und somit<br />

an die Lehrer delegiert, was wiederum<br />

nicht verwundert, da man Lehrer hier wohl<br />

nur als Stundenhalter begreift. Die Korrektur<br />

eines solchen Kompetenztests dauert<br />

45 Minuten und länger. Mancher Lehrer<br />

hat zwei Klassen, die den Test zu schreiben<br />

haben. Es lässt sich leicht ausrechnen, wie<br />

viel zusätzliche Arbeit das bedeutet. Ohne<br />

Ausgleich, versteht sich. Andere Bundesländer<br />

gewähren dafür Anrechnungsstunden<br />

...<br />

Bei der St<strong>im</strong>mungsmache gegen die um ihr<br />

Recht kämpfende Lehrerschaft zückt der<br />

Kultusminister nun sogar die Missgunstkeule<br />

und verweist darauf, dass die Lehrer<br />

in diesem Jahr ja bereits zusätzliche Lohnerhöhungen<br />

bekommen hätten (und somit<br />

wohl einfach nur den Hals nicht voll bekämen…)<br />

Da bleibt mir ja die Spucke weg!<br />

Denn wirklich wahr ist, dass die Lehrer<br />

nach 20 Jahren (!) endlich eine Ost-West-<br />

Angleichung erhalten haben.<br />

Alles in allem droht die Staatsregeierung<br />

mit ihrem Wortbruch gegenüber der Lehrerschaft<br />

be<strong>im</strong> Thema Teilzeit das Vertrauen<br />

in die Bildungspolitik endgültig zu<br />

verspielen. Auch deshalb haben die <strong>Fraktion</strong>en<br />

von <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>, SPD und BÜND-<br />

NIS90/<strong>DIE</strong> GRÜNEN Ende März unter dem<br />

Titel „Nachhaltige Sicherung des Bildungsstandortes<br />

Sachsen – Konsequenzen aus<br />

den Sondierungsgesprächen der Tarifpartner“<br />

einen gemeinsamen Antrag in den<br />

<strong>Sächsischen</strong> <strong>Landtag</strong> eingebracht, der freilich<br />

mit den St<strong>im</strong>men der schwarz-gelben<br />

Regierungskoalition nicht beschlossen<br />

wurde.<br />

Von der CDU war das nicht anderes zu erwarten<br />

gewesen, was jedoch die FDP betrifft,<br />

so wurde deren Janusköpfigkeit<br />

genau bei dieser Frage mehr als offensichtlich.<br />

Während der Lehrer-Kundgebung<br />

vorm <strong>Landtag</strong> zitierte GEW-Vizelandeschefin<br />

Uschi Kruse u. a. aus einem Brief, den<br />

die Sachsen-FDP <strong>im</strong> Wahlkampf an Gewerkschaften<br />

und Verbänden geschrieben<br />

hatte. Wer hier aufmerksam zuhörte, kam<br />

nicht umhin, einen klassischen blau-gelben<br />

Wahlbetrug zu konstatieren.<br />

übrigens…<br />

… prüft die Staatsregierung <strong>im</strong> Konflikt um<br />

die Teilzeitregelung für Sachsens Lehrer Medienberichten<br />

zufolge derzeit eine Kompromissvariante,<br />

nach der der Freistaat die<br />

fehlenden Rentenanteile, die durch die geringere<br />

Arbeitszeit entstanden sind, übernehmen<br />

könnte.<br />

MdL<br />

Cornelia Falken<br />

Sprecherin für<br />

Bildungspolitik<br />

15<br />

Foto: efa


Schwarzbraun ist die<br />

Haselnuss, …<br />

Einstmals hatte die Stahlhelmfraktion Namen<br />

und Gesicht. Wie kein anderer stand<br />

Alfred Dregger für den rechten Flügel der<br />

CDU. 1976 mobilisierte er die Wähler mit<br />

dem Slogan „Freiheit statt Sozialismus“.<br />

Die CDU/CSU schrammte damals knapp<br />

an der absoluten Mehrheit vorbei. Ob vehemente<br />

Befürwortung der Berufsverbote, ob<br />

Einsatz für inhaftierte NS-Kriegsverbrecher<br />

oder seine Polemik gegen die Ausstellung<br />

über Verbrechen der Wehrmacht <strong>im</strong> Osten:<br />

Stets machte Dregger deutlich, dass rechts<br />

von ihm nur die Wand war. Zum Lohn für<br />

die klare Orientierung und den Erfolg wurde<br />

er langjähriger Vorsitzender der CDU/<br />

CSU-Bundestagsfraktion. Sein Nachfolger<br />

<strong>im</strong> Geiste und <strong>im</strong> Wahlkreis Fulda wurde<br />

Martin Hohmann – dessen Schicksal ist<br />

bekannt: Wegen skandalöser Äußerungen<br />

wurde er aus der CDU ausgeschlossen.<br />

In Sachsen hatte die CDU Volker Sch<strong>im</strong>pff,<br />

der es <strong>im</strong>merhin zum Vize-Landesvorsitzenden<br />

brachte, seinen eigenen Parteifreunden<br />

zum Schluss aber nur noch peinlich<br />

war. Und die CDU hatte Henry Nitzsche.<br />

Nachdem dieser jedoch zu hart nach<br />

Rechts gefahren war, trennte er sich und<br />

gründete sein eigenes Grüppchen. Der Namen<br />

könnten noch einige genannt werden,<br />

doch wo jeder Chef sein will, arbeitet letztlich<br />

niemand mehr am Ziel. All dies scheint<br />

sich zu ändern, seit Steffen Flath die Führung<br />

der CDU-<strong>Fraktion</strong> <strong>im</strong> <strong>Landtag</strong> übernahm<br />

und eine Reihe „junger Wölfe“ etliche<br />

der alten CDU-Abgeordneten verdrängt<br />

hat. Das einstmals fraktionsübergreifende<br />

Abkommen zum Umgang mit der NPD wurde<br />

aufgekündigt, der Ton wird rauer. Man<br />

versucht, die NPD zu verdrängen, indem<br />

man selbst weiter nach rechts rückt. Warum<br />

soll das, was vor mehr als 30 Jahren bei<br />

Alfred Dregger geklappt hat, heute nicht<br />

mehr funktionieren?<br />

Und so wird in Sachsen an der Neuauflage<br />

der Stahlhelm-<strong>Fraktion</strong> gebastelt. Dirk<br />

Reelfs war in der Ministerzeit von Steffen<br />

Flath dessen Pressesprecher. Heute<br />

spricht er für die CDU-<strong>Fraktion</strong>. Und er<br />

spricht mit allen. Auch mit jenen, zu deren<br />

wesentlichen Merkmalen - so der Verfassungsschutz<br />

- die „Verungl<strong>im</strong>pfung demokratischer<br />

Institutionen“ sowie die „Relativierung<br />

nationalsozialistischer Verbrechen,<br />

verbunden mit antisemitischen Äußerungen“,<br />

gehören. Konkret gab Reelfs der „National-Zeitung“<br />

des ehemaligen DVU-Vorsitzenden<br />

Gerhard Frey ein Interview und<br />

begründete dies mit dem Hinweis, für ihn<br />

sei die Pressefreiheit ein besonders hohes<br />

Gut. Ärger wird er deswegen wohl nicht bekommen.<br />

Jemand wie Reelfs hat langjährige<br />

Berufserfahrung und wird ein Interview<br />

mit solch politischer Tragweite wohl kaum<br />

ohne den Segen seines Chefs geben…<br />

Die Aufregung hatte sich kaum gelegt,<br />

schon folgte die nächste Provokation. Als<br />

Sachverständige bei der <strong>Landtag</strong>s-Anhörung<br />

zur Schaffung eines Gender-Kompetenz-Zentrums<br />

hatte die CDU die Publizistin<br />

und Soziologin Gabriele Kuby benannt. Diese<br />

hat zwar nur ein Jahr in ihrem Beruf als<br />

Soziologin gearbeitet und kann auch keine<br />

fachwissenschaftlichen Publikationen<br />

vorweisen, dafür aber sieht sie überall, wo<br />

es um die Gleichberechtigung von Mann<br />

und Frau geht, die Zerstörer der Familie<br />

am Werke. Im Gender Mainstreaming sieht<br />

sie gar den Versuch, „die Geschlechts-<br />

identität von Mann und Frau aufzulösen“.<br />

Ziel ist laut Kuby ein „sexueller Totalitarismus“,<br />

der bereits <strong>im</strong> Kindergarten ansetzt.<br />

Letztlich, so klagt sie <strong>im</strong> Interview<br />

mit der rechtsaußen angesiedelten „Jungen<br />

Freiheit“, sei Gender Mainstreaming<br />

der letzte Schritt vor der Straflosigkeit der<br />

Pädophilie.<br />

Nach all dem überrascht es nicht, dass<br />

Frau Kuby extrem homophob eingestellt<br />

ist. Sie weitet ihren Angriff auf alle aus, die<br />

Homosexualität nicht als widernatürlich<br />

ansehen. Selbst US-Präsident Barak Obama<br />

wird bei ihr zum „Homo-Aktivisten“.<br />

Warum? Er hatte sich <strong>im</strong> Juni letzten Jahres<br />

für gleiche Rechte für alle ausgesprochen<br />

und versprochen, Homosexuelle „vor<br />

Drangsalierung zu schützen“, damit sie „ihr<br />

Leben mit Würde und Respekt“ leben können.<br />

Die NPD verwies in der <strong>Landtag</strong>sdebatte<br />

zum Thema Gender Mainstreaming<br />

mehrfach zust<strong>im</strong>mend auf die Positionen<br />

von Frau Kuby.<br />

Bleibt der CDU-Abgeordnete Jan Hippold<br />

als Beteiligter bei der Schaffung einer neuen<br />

Stahlhelm-<strong>Fraktion</strong> zu nennen. In L<strong>im</strong>bach-Oberfrohna,<br />

wo er auch CDU-Vorsitzender<br />

ist, mehren sich die Übergriffe von<br />

Neonazis, wie die Antwort der Staatsregierung<br />

auf meine diesbezügliche Kleine Anfrage<br />

offenbart. Grund genug, ein lokales<br />

Bürgerbündnis zu gründen! Aber was ist<br />

das für ein Bündnis, das hinter verschlossenen<br />

Türen tagt? Eines, in dem zudem<br />

anfangs auch der NPD-Stadtrat mitarbeiten<br />

durfte? Mit einigem Wohlwollen könnte<br />

man das noch der möglicherweise politischen<br />

Unbedarftheit der einladenden<br />

CDU zuschreiben. Nachdem jedoch auf Antrag<br />

der CDU neben der NPD auch <strong>DIE</strong> LIN-<br />

KE ausgeschlossen und als „nichtdemokratische<br />

Partei“ charakterisiert worden war,<br />

wurde die neue Stufe des Rechtsrucks der<br />

sächsischen CDU offenbar.<br />

Übrigens: Wäre Jan Hippold konsequent,<br />

müsste er nun seine eigene Partei aus dem<br />

Bündnis ausschließen, schließlich hatte<br />

diese in den vergangenen Jahren in Regierungsverantwortung<br />

etliche Verfassungsbrüche<br />

zu verantworten. Wer aber ein Brett<br />

vorm Stahlhelm hat, dem muss die Wahrnahme<br />

der Realität wohl verwehrt bleiben.<br />

MdL<br />

Kerstin Köditz<br />

Sprecherin für<br />

antifaschistische<br />

Politik<br />

16 pvl 2/2010<br />

© Angelina Ströbel / PIXELIO


Feuerwehrrente in Sachsen:<br />

Versprochen – gebrochen<br />

Ministerpräsident Tillich und die Sachsen-<br />

CDU haben <strong>im</strong> Wahlkampf auch um die<br />

St<strong>im</strong>men der 48.000 Kameradinnen und Kameraden<br />

der Freiwilligen Feuerwehren gebuhlt<br />

und sich dabei weit aus dem Fenster<br />

gelehnt. Zu weit, wie wir – und vor allem die<br />

Feuerwehrleute <strong>im</strong> Lande – heute wissen.<br />

Die vollmundig versprochene Feuerwehrrente<br />

kommt nicht. Seit Monaten verrenken<br />

sich die Christdemokraten, um diesen<br />

Wahlbetrug zu überplappern. Als Begründung,<br />

dass der CDU-Wahlkampfschlager<br />

nun leider doch nicht zum Ohrwurm werden<br />

kann, muss die Tatsache herhalten, dass<br />

die Freiwilligen Feuerwehren <strong>im</strong> Verantwortungsbereich<br />

der Kommunen liegen. Das ist<br />

in der Sache zwar richtig, dürfte aber auch<br />

2009 schon bekannt gewesen sein. Jetzt soll<br />

also die versprochene Rente den Kommunen<br />

übergeholfen werden. Das ist dreist und<br />

markiert zudem den Grad der Missachtung<br />

der Menschen, die sich <strong>im</strong> Ehrenamt in den<br />

sächsischen Feuerwehren engagieren. Besonders<br />

schäbig ist dies auch vor dem bekannten<br />

Hintergrund, dass Sachsens Kommunen<br />

fast durchgehend in erheblichen<br />

finanziellen Schwierigkeiten stecken und<br />

alle Mühe haben, ihre Haushalte genehmigungsreif<br />

zu bekommen.<br />

Und so hat sich die Staatsregierung die Umsetzung<br />

ihrer Idee von der – übrigens in der<br />

Sache sehr wünschenswerten – Rente für Angehörige<br />

der Freiwilligen Feuerwehren vorgestellt:<br />

Im Rahmen einer „organisierten Rabatt-<br />

aktion“ können die Kommunen eine Riester<br />

geförderte Rentenversicherung für ihre Feuerwehrleute<br />

abschließen. Wenn sie können.<br />

Dieses Prozedere ist ganz weit weg von dem,<br />

was Ministerpräsident Tillich <strong>im</strong> Wahlkampf<br />

angekündigt und in seinem 19-Punkte-Plan<br />

für Sachsen festgehalten hatte: die konkrete<br />

Unterstützung bei der Altersversorgung für<br />

die Feuerwehrleute Sachsens.<br />

Um nun von ihrer Mogelpackung abzulenken,<br />

verweist die Staatsregierung gern auf<br />

die vielen anderen Verbesserungen, die sie<br />

den Feuerwehren angedeihen lassen möchte.<br />

So soll das Eintrittsalter zur Jugendfeuerwehr<br />

auf acht und später auf sechs Jahre<br />

gesenkt werden. Über die Kosten für die<br />

Ausrüstung für den Nachwuchs und für deren<br />

Betreuung, günstigstenfalls durch Fachpersonal,<br />

war bislang allerdings nicht die<br />

Rede, und ich frage mich, ob die Kameradinnen<br />

und Kameraden zwischen ihren Einsätzen<br />

die Ausbildung der Jüngsten noch mit<br />

abdecken sollen.<br />

In Aus- und Weiterbildung soll auch investiert<br />

werden, Berufsfeuerwehrleute könnten<br />

künftig als Dozenten zur Verfügung stehen.<br />

Die Ausbildung würde dann vor Ort<br />

pvl 2/2010<br />

erfolgen, die Räume und alles, was es sonst<br />

noch so braucht, sollen natürlich die Kommunen<br />

stellen. Mit den Betroffenen hat darüber<br />

offenbar noch keiner geredet und ich<br />

befürchte, dass die Kommunen gar nicht in<br />

der Lage sein werden, zusätzliche Kosten zu<br />

schultern. Schon heute reicht deren Geld<br />

nicht, um alle Wehren mit der notwendigen<br />

Einsatzausrüstung auszustatten. Und da<br />

sind die Krisen-Einsparzahlen für dieses und<br />

die kommenden Jahre in dem Bereich noch<br />

nicht mal bekannt!<br />

Aber <strong>im</strong>merhin bleibt auch etwas, wie es<br />

war: Die Jubiläumsprämien für lange Zugehörigkeit<br />

bleiben ein symbolischer Akt und<br />

taugen kaum zur wirklichen Anerkennung<br />

für langjähriges Engagement in den Freiwilligen<br />

Feuerwehren. 100 bis 300 Euro soll es<br />

geben, wobei es die letztgenannte Summe<br />

nach 40 Jahren bei der Feuerwehr gibt. Das,<br />

so finde ich, ist ein ganz schlechter Witz.<br />

Vielleicht sollte man die Feuerwehr privatisieren<br />

oder sie von Unternehmen sponsern<br />

lassen. Im Gegenzug dürften die Gönner<br />

dann be<strong>im</strong> Feuerwehrfest zusammen<br />

mit dem Wehrleiter aufs Foto. Bei größeren<br />

Summen würden sie sogar <strong>im</strong> Grußwort des<br />

Bürgermeisters erwähnt … Spaß beiseite:<br />

Sachsen hat alles Mögliche, nur kein wirkliches<br />

Konzept für seine Freiwilligen Feuerwehren.<br />

Warum z.B. macht sich die Staatsregierung<br />

in der Länderkammer nicht dafür<br />

stark, dass die Mitglieder der Jugendfeuerwehr<br />

ihren Zivildienst bei der Freiwilligen<br />

Feuerwehr oder zumindest bei einer Berufsfeuerwehr<br />

ableisten können? Warum dürfen<br />

Feuerwehrmitglieder denn kein freiwilliges<br />

Jahr bei der Feuerwehr leisten? Und wenn<br />

schon die Feuerwehrrente floppt, warum<br />

schaut Sachsen nicht mal zum Nachbarland<br />

Thüringen, wo es per Gesetz eine kapitalfinanzierte<br />

Lösung gibt, bei der Kommunen<br />

und Land die Finanzierung je zur Hälfte<br />

schultern? Das wäre zumindest ehrlicher gewesen,<br />

als all das, was Schwarz-Gelb derzeit<br />

mit den Feuerwehrleuten veranstaltet.<br />

Der Staatsregierung und der Koalition fehlt<br />

der Wille, die Situation zu verändern. Das<br />

einzige was ihnen einfällt – und das nicht<br />

nur bei der Feuerwehr – ist die Verlagerung<br />

ihrer finanziellen Probleme auf die Kommunen.<br />

Und das ist nicht nur zu wenig, es<br />

ist unseriös. Wir von der <strong>LINKE</strong>N erwarten,<br />

dass die Landesregierung ihre Verantwortung<br />

nicht bei den Kommunen ablädt.<br />

Wir fordern die schwarz-gelbe Landesregierung<br />

auf, ihr Wahlversprechen so einzulösen,<br />

dass es die Finanzmisere der kommunalen<br />

Haushalte berücksichtigt. Es nützt niemandem<br />

mehr, wenn per Imagekampagne „Helden<br />

gesucht“ werden, die man dann <strong>im</strong> Regen<br />

stehen lässt.<br />

MdL<br />

Rico Gebhardt<br />

Sprecher für<br />

Innenpolitik<br />

17


Dresden, 13.2.2010: Sie kamen nicht durch!<br />

„No pasaran!“ lautete am 13. Februar der<br />

Slogan der Blockierenden. Und sie kamen<br />

nicht durch. Jene Neonazis, die es bis zum<br />

Sammelplatz vorm Bahnhof Neustadt geschafft<br />

hatten, kamen nicht einen Meter<br />

weiter. Entnervt gaben sie kurz vor 17 Uhr<br />

auf und beendeten ihre Kundgebung. Das,<br />

was zum größten Aufmarsch der Naziszene<br />

in Europa werden sollte, war zum riesigen<br />

Misserfolg geworden. Es war gleichzeitig<br />

der Erfolg jener rund 12.000 Antifaschistinnen<br />

und Antifaschisten, die stundenlang<br />

bei eisiger Kälte friedlich alle möglichen<br />

Marschrouten blockiert hatten.<br />

Es handelt sich um einen Erfolg, der gar<br />

nicht hoch genug eingeschätzt werden<br />

kann. Und es ist zugleich ein Erfolg, auf<br />

dem wir uns nicht ausruhen dürfen. Bereits<br />

am Abend des 13. Februar kam es zu<br />

ersten Übergriffen von Neonazis in Pirna<br />

und in Gera. In Leipzig und in Bautzen führten<br />

sie „Spontan“-Demonstrationen durch.<br />

Die Wut über ihr Dresdner Desaster ist riesig<br />

in der Szene. Man konnte das auch am<br />

5. März in Chemnitz spüren, wo deutlich mehr<br />

Neonazis als in den Vorjahren zum Jahrestag<br />

der Bombardierung der Stadt angereist waren<br />

und NPD-Landesorgansiationsleiter Maik<br />

Scheffler unverhohlen drohte, wenn man<br />

aufgehalten würde, werde man sich sein Demonstrationsrecht<br />

erkämpfen.<br />

Der Geschichtsrevisionismus ist – gerade<br />

in diesem Jahr – zentrales Thema aller Strömungen<br />

der Neonazis. Anlässe zu Demonstrationen<br />

gibt es noch viele. Und ein Dresden<br />

macht noch keinen Sommer.<br />

Nach 2010 kommt 2011 und damit der<br />

nächste Versuch einer Großdemonstration<br />

in Dresden. Die Diskussionen dazu laufen<br />

bei den Neonazis bereits auf Hochtouren.<br />

Noch einen solchen Misserfolg kann und<br />

will man sich nicht leisten. Eine Strategiedebatte<br />

ist angekündigt. So schlägt Christian<br />

Worch, Nazi-Führer aus Hamburg, vor, <strong>im</strong><br />

kommenden Jahr einen Sternmarsch durchzuführen,<br />

da mehrere Marschkolonnen<br />

schlechter blockiert werden könnten. Andere,<br />

und hier vor allem aus dem Spektrum<br />

der „Autonomen Nationalisten“, setzen darauf,<br />

sich die Demonstration zu erkämpfen.<br />

Entsprechende „Ausbruchsversuche“ aus<br />

den am Platz gehaltenen Neonazis hatte es<br />

bereits in diesem Jahr in Dresden gegeben.<br />

Noch ist offen, wie die Pläne der Nazis<br />

für den nächsten 13. Februar aussehen<br />

MdL<br />

Kerstin Köditz<br />

Sprecherin für<br />

antifaschistische<br />

Politik<br />

Ermittlungsverfahren gegen die Anständigen?<br />

Die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong><br />

<strong>Landtag</strong> hielt am 13. Februar 2010 gemeinsam<br />

mit den <strong>LINKE</strong>N <strong>Landtag</strong>sfraktionen<br />

aus Thüringen und Hessen sowie <strong>LINKE</strong>N<br />

Bundestagsabgeordneten nahe des Neustädter<br />

Bahnhofs in Dresden und damit in<br />

Sicht- und Hörweite der geplanten Sammelstelle<br />

der Nazis eine öffentliche <strong>Fraktion</strong>ssitzung<br />

unter freiem H<strong>im</strong>mel ab.<br />

Der 13. Februar 2010 ist Geschichte – und<br />

wird in selbige eingehen als der Tag, an<br />

dem die Nazis in Dresden erstmals nicht<br />

marschieren konnten, weil sich ihnen zehntausende<br />

couragierte Bürgerinnen und Bürger<br />

friedlich entgegenstellen. Was dem<br />

nun jedoch folgt, ist ein bizarr anmutendes<br />

Nachspiel zum Aufstand der Anständigen.<br />

Die Dresdener Staatsanwaltschaft hat<br />

mehrere Ermittlungsverfahren gegen Politiker<br />

der <strong>LINKE</strong>N eingeleitet. Einzig der Vorsitzende<br />

der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> <strong>Sächsischen</strong><br />

<strong>Landtag</strong>, Dr. André Hahn, aber<br />

erhielt ein Schreiben, in dem ihm zum einen<br />

die „federführende Beteiligung an den<br />

Protestaktionen gegen den geplanten Nazi-<br />

werden. Für uns aber wird wichtig sein, unter<br />

Beibehaltung des bisherigen friedlichen<br />

Aktionskonsenses das erfolgreiche Bündnis<br />

von 2009 weiterzuentwickeln. Die Aktionskonferenz<br />

in Jena Ende Mai wird eine<br />

erste Gelegenheit dazu bieten.<br />

Noch wichtiger aber wird es sein, die inhaltliche<br />

Arbeit zu verstärken. Das Ziel der Neonazis<br />

ist eine Revision der Geschichte. Unser<br />

Ziel kann deshalb nur sein, alle Versuche<br />

eines Geschichtsrevisionismus abzuwehren.<br />

Wenn das Bündnis auch dazu tragfähig<br />

ist, erst dann haben wir wirklich nachhaltige<br />

Arbeit geleistet. Dann können wir überzeugt<br />

sagen: No pasaran! Sie werden nicht<br />

durchkommen!<br />

Aufmarsch am 13. Februar in Dresden“ bescheinigt<br />

und zum anderen angeboten wird,<br />

von der Erhebung einer öffentlichen Klage<br />

abzusehen und das Verfahren einzustellen,<br />

sofern er bis zum 1. April 500 Euro<br />

an den Verein „Aktion Zivilcourage Pirna“<br />

entrichtet.<br />

Der 1. April ist vorbei, Dr. Hahn hat nicht<br />

gezahlt, nun drohen die Aufhebung der<br />

Immunität und ein Strafverfahren. Dazu<br />

gab Dr. Hahn folgende Erklärung ab<br />

(auszugsweise):<br />

18 pvl 2/2010


„Ich bin der festen Überzeugung, dass<br />

weder die vielen tausend friedlichen Demonstranten,<br />

die sich am 13. Februar den<br />

Nazis entgegenstellten, noch ich persönlich<br />

etwas Unrechtes getan haben. Es war<br />

richtig und es war notwendig, sich gegen<br />

den geplanten Nazi-Aufmarsch in Dresden<br />

mit friedlichen Mitteln zur Wehr zu setzen.<br />

Dieses zivilgesellschaftliche Engagement<br />

darf nicht kr<strong>im</strong>inalisiert werden. Aus<br />

diesem Grund kann und werde ich auf die<br />

Offerte der Staatsanwaltschaft nicht eingehen.<br />

(…) Gerade weil ich als Abgeordneter<br />

noch unter besonderem Schutz der<br />

Immunität stehe, erkläre ich mich mit der<br />

großen Mehrheit jener friedlichen Gegendemonstranten<br />

solidarisch, die über einen<br />

solchen Schutz nicht verfügen. (…)<br />

Seitens der Staatsanwaltschaft wird mir<br />

nach § 21 Versammlungsgesetz die Sprengung<br />

einer Versammlung vorgeworfen. Ich<br />

bin begeistert darüber, wozu ich anscheinend<br />

<strong>im</strong> Stande bin. Für mich allerdings<br />

ist klar: Dass die Nazis am 13. Februar in<br />

Dresden nicht marschieren konnten, war<br />

das Verdienst vieler tausend Menschen,<br />

die sich dem entgegengestellt haben. Wir<br />

als <strong>LINKE</strong> haben uns daran beteiligt, und<br />

Überm Tellerrand:<br />

Nazis auch in Duisburg und Lübeck gestoppt<br />

Mehr als 10.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich<br />

am 27. März in Duisburg gegen Nazis gestellt und klar<br />

gemacht, dass sie deren Aufmärsche und Rassismus<br />

nicht dulden. Die Demo und die Nazi-Blockade verliefen<br />

gewaltfrei und friedlich, auch vom zivilen Ungehorsam<br />

einzelner Menschenblockaden ging keine Eskalation<br />

aus. Dennoch kesselte die Polizei hier mehrfach<br />

Anti-Nazi Demonstranten ein und verletzt einige von ihnen.<br />

Auch in Lübeck verhinderten ca. 3.000 Menschen<br />

erstmals seit Jahren wieder einen Naziaufmarsch in ihrer<br />

Stadt. Hier wie auch in Duisburg beteiligte sich <strong>DIE</strong><br />

<strong>LINKE</strong> am Bündnis gegen den braunen Aufmarsch.<br />

pvl 2/2010<br />

Fotos: efa<br />

ich bin stolz darauf! Ich bin bekanntermaßen<br />

kein Jurist, aber ich weiß, dass das<br />

Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland<br />

neben der Versammlungsfreiheit<br />

nicht nur ein Grundrecht auf Meinungs-<br />

und Gewissensfreiheit kennt, sondern <strong>im</strong><br />

Artikel 20 auch ein Grundrecht auf Widerstand<br />

gegen Bestrebungen, die auf die Beseitigung<br />

der rechtsstaatlich-demokratischen<br />

Ordnung gerichtet sind. Genau<br />

dieses Recht nehme ich für mich und für<br />

die vielen tausenden friedlichen Protestierer<br />

in Anspruch. (…)<br />

Ganz bewusst haben wir uns – quasi als<br />

Puffer – zwischen der Polizeikette und<br />

den zu diesem frühen Zeitpunkt bereits<br />

anwesenden schätzungsweise dreitausend<br />

Menschen postiert, um durch unseren<br />

speziellen Status als Parlamentarier<br />

gegebenenfalls als Vermittler zu den Einsatzkräften<br />

agieren zu können. Dies wurde<br />

von der Polizei auch dankbar angenommen,<br />

und selbst der Polizeipräsident des<br />

Freistaates Sachsen hat ja später erklärt,<br />

dass von den Blockaden keinerlei Gewalt<br />

ausgegangen sei. Insofern ist es für mich<br />

auch nicht akzeptabel, dass mir und meinen<br />

Kollegen gegenüber ausweislich des<br />

mir zugesandten Schreibens<br />

der Vorwurf der<br />

„Sprengung einer Ver-<br />

sammlung“ erhoben<br />

wird. (…)<br />

In dem an mich gerichteten<br />

Schreiben ist<br />

die Rede davon, dass<br />

der geplante JLO-Aufzug<br />

(Junge Landsmanschaft<br />

Ostdeutschland,<br />

d. Red.) vereitelt wurde,<br />

weil wir der mehrfachen<br />

Aufforderung der Polizei<br />

zum Auseinandergehen<br />

nicht Folge geleistet hätten.<br />

Ja, natürlich wollten<br />

wir, dass die Nazis nicht<br />

einfach durch die Stadt marschieren können,<br />

aber Fakt ist: Es gab zu keinem Zeitpunkt<br />

eine Aufforderung der Polizei, den<br />

Ort der Spontandemonstration zu räumen.<br />

(…)<br />

Manch anderer mag sich vielleicht geschmeichelt<br />

fühlen, wenn er von der<br />

Staatsanwaltschaft als „Organisator und<br />

Kopf der Blockaden“ eingestuft wird. Wir<br />

als <strong>Fraktion</strong> der <strong>LINKE</strong>N und auch ich<br />

persönlich haben uns <strong>im</strong>mer als Teil eines<br />

parteiübergreifenden Bündnisse begriffen.<br />

Wir hatten und wollten keine Führungsrolle,<br />

aber natürlich sind wir bereit,<br />

die politische Mitverantwortung dafür zu<br />

übernehmen, dass die Nazis am 13. Februar<br />

2010 in Dresden nicht marschieren<br />

konnten. (…)<br />

Weder in Berlin noch in Köln, weder in<br />

Leipzig noch in Jena sind friedliche Demonstranten<br />

verfolgt und letztlich vor Gericht<br />

gestellt worden. Sachsen hätte hier<br />

ein unrühmliches Alleinstellungsmerkmal.<br />

Der Jenaer Oberbürgermeister hat sich <strong>im</strong><br />

Übrigen höchstpersönlich an den Protestaktionen<br />

in Dresden beteiligt, wofür ich<br />

sehr dankbar bin. Wenn nun dieses zivilgesellschaftliche<br />

Engagement, das nicht<br />

zuletzt auch der sächsische Ministerpräsident<br />

in seiner Regierungserklärung eingefordert<br />

hat, kr<strong>im</strong>inalisiert werden soll,<br />

dann ist dies nicht hinnehmbar! (...) Proteste<br />

gegen Nazi-Veranstaltungen müssen<br />

gerade in Deutschland legit<strong>im</strong> sein,<br />

und sie sind leider nach wie vor dringend<br />

notwendig.“<br />

(vollständige Erklärung unter:<br />

www.andre-hahn.eu)<br />

Heraus zum 1. Mai:<br />

In Zwickau gegen Nazis!<br />

Die NPD will am 1. Mai 2010 in Zwickau<br />

aufmarschieren. Aufmarsch<br />

und Kundgebung gelten als zentrale<br />

Mai-Veranstaltung der NPD Sachsen.<br />

Der Verband der Verfolgten des<br />

Nazireg<strong>im</strong>es – Bund der Antifaschisten<br />

Zwickau, der DGB, das parteiübergreifende<br />

Zwickauer Bündnis<br />

für Demokratie und Toleranz und<br />

<strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> rufen auf, sich am 1. Mai<br />

der geplanten NPD-Demonstration<br />

entgegenzustellen und den Nazis zu<br />

zeigen, dass hier weder Platz für ihre<br />

Aufmärsche noch für ihre Ideologie<br />

ist. „Die Ereignisse von Dresden<br />

und Chemnitz sollten alle Bürgerinnen<br />

und Bürger dazu ermutigen,<br />

sich den Rechtsextremen entgegenzustellen,<br />

um ein klares Zeichen für<br />

Demokratie und Toleranz zu setzen“,<br />

so der Aufruf. Treffpunkt am 1. Mai<br />

ist um 9:30 Uhr der Hauptmarkt in<br />

Zwickau.<br />

19


Parlamentarische <strong>LINKE</strong> Initiativen<br />

Februar / März 2010<br />

Gesetzentwürfe<br />

Drs 5/1865 Gesetz zur Anpassung des<br />

sächsischen Landesrechts an das Lebenspartnerschaftsrecht<br />

des Bundes<br />

Drs 5/1878 Gesetz zum Schutz der parlamentarischen<br />

Demokratie <strong>im</strong> Freistaat<br />

Sachsen vor Amtsmissbrauch durch Mitglieder<br />

der Staatsregierung<br />

Große Anfrage<br />

Drs 5/1306 5 Jahre Hartz IV und die Situation<br />

in Sachsen<br />

Dringlicher Antrag<br />

Drs 5/1644 Sofortiger Verarbeitungs- und<br />

Verwertungsstopp und unverzügliche Vernichtung<br />

der auf Grundlage der durch das<br />

Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur<br />

sogenannten Vorratsdatenspeicherung vom<br />

2. März 2010 für nichtig erklärten Vorschriften<br />

der Strafprozessordnung und des Telekommunikationsgesetzes<br />

erhobenen Daten<br />

Anträge<br />

Drs 5/1194 Unverzügliche Initiative der<br />

Staatsregierung zur Schaffung einer verfassungskonformen<br />

Rechtsgrundlage zur Un-<br />

terbindung rechtsextremer Versammlungen<br />

und Aufzüge in Sachsen!<br />

Drs 5/1239 Keine Behinderung und Kr<strong>im</strong>inalisierung<br />

friedlichen zivilgesellschaftlichen<br />

Engagements gegen den Naziaufmarsch<br />

am 13. Februar in Dresden<br />

Drs 5/1305 Lehramtsausbildung an der<br />

TU Dresden fortführen!<br />

Drs 5/1348 Sicherung der jährlichen Kontrolle<br />

sämtlicher Altenpflege- und Behindertenhe<strong>im</strong>e<br />

durch die He<strong>im</strong>aufsicht der Landesdirektionen<br />

Drs 5/1349 Umsetzung des <strong>Sächsischen</strong><br />

Bildungsplanes in Kindertagesstätten<br />

Drs 5/1350 Auflage eines Basisinfrastrukturfonds<br />

des Bundes zur Förderung der Sanierung<br />

kommunaler Brücken<br />

Drs 5/1351 Auftrag für die Erarbeitung<br />

einer Studie zu den gesundheitlichen Auswirkungen<br />

des Fluglärms auf die <strong>im</strong> Umfeld<br />

des Flughafens Leipzig-Halle lebenden Anwohnerinnen<br />

und Anwohner<br />

Drs 5/1434 Schutzschirm für sächsische<br />

Kommunen in finanzieller Not<br />

Drs 5/1435 Aufrechterhaltung flächendeckender<br />

Strukturen des Katastrophen-<br />

schutzes in Sachsen (Katastrophenschutz-<br />

Konzept Sachsen)<br />

Drs 5/1517 Gemeinsamer Antrag von<br />

<strong>LINKE</strong> & SPD: Keine Haushaltskonsolidierung<br />

auf Kosten von Kindern und Jugendlichen<br />

oder in anderen sozialen Bereichen<br />

Drs 5/1518 Initiativen der Staatsregierung<br />

auf Bundesebene zur Umsetzung der<br />

Hartz-IV-Urteile des Bundesverfassungsgerichts<br />

vom 20. Dezember 2007 und vom 9.<br />

Februar 2010<br />

Drs 5/1611 Einführung einer Positivliste<br />

für Medikamente bis Ende 2010<br />

Drs 5/1612 Geschlechtersensible Berufsorientierung<br />

Drs 5/1866 Gemeinsamer Antrag von<br />

<strong>LINKE</strong> & GRÜNE & SPD<br />

Nachhaltige Sicherung des Bildungsstandortes<br />

Sachsen – Konsequenzen aus den<br />

Sondierungsgesprächen der Tarifpartner<br />

Drs 5/1948 Auf nationales Stipendienprogramm<br />

verzichten – BAföG-Förderung für<br />

Studierende ausbauen<br />

Drs 5/1954 Langfristige Perspektive für die<br />

Theater und Orchester <strong>im</strong> Freistaat Sachsen<br />

Drs = Drucksache<br />

<strong>LINKE</strong> besuchen diakonische Einrichtungen in Herrnhut<br />

Am 24.März 2010 besuchte die <strong>Landtag</strong>sabgeordnete<br />

der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> Heiderose<br />

Gläß gemeinsam mit Janet Jähne<br />

und Jens Thöricht von der Linksfraktion <strong>im</strong><br />

Kreistag Görlitz die Förderschule für geistig<br />

behinderte Kinder und Jugendliche sowie<br />

Der Geschäftsführer der Diakonie Herrnhut Stephan Wilinski (2.v.re.) zeigt<br />

den Besuchern von der <strong>LINKE</strong>N das Außengelände der Förderschule.<br />

3.v.li: MdL Heiderose Gläss<br />

das stationäre Hospiz in Herrnhut. Begleitet<br />

wurden die <strong>LINKE</strong>N Politiker und Politikerinnen<br />

von Marlies Trodler vom Gesundheits-<br />

und Sozialausschuss des Kreistages<br />

und von Gregor Janik, dem Sprecher der<br />

Landesarbeitsgemeinschaft Religion und<br />

Weltanschauung in<br />

der Partei <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong>.<br />

Foto: J. Thöricht<br />

Der Geschäftsführer<br />

der Diakonie Herrnhut<br />

Stephan Wilinski und<br />

Diakon Volker Krolzik<br />

begrüßt die kleine Delegation<br />

und führten<br />

sie durch die Einrichtungen.<br />

In der Förderschule,<br />

die 80 Kindern<br />

und Jugendlichen Platz<br />

bietet, werden zunehmend<br />

auch verhaltensauffälligeSchüler<br />

und Schülerinnen<br />

betreut. Nach den Erläuterungen<br />

zur Förderschule<br />

gibt es dort<br />

keinen Unterrichtsausfall<br />

und 15 verschiedene<br />

Möglichkeiten,<br />

die Lernfächer zu kombinieren. Zudem beschäftigt<br />

die Bildungseinrichtung einen eigenen<br />

Physiotherapeuten. Im angegliederten<br />

Wohnbereich werden die Jugendlichen<br />

auf ein selbstständiges Leben vorbereitet.<br />

Ein durch die Diakonie aufgebautes Netzwerk<br />

soll die Bewohner bei ihrer Integration<br />

in die Gesellschaft und die Arbeitswelt<br />

begleiten.<br />

Im Hospiz „Siloah“ informierte uns die Leiterin<br />

Gundula Seyfried über das Haus, das<br />

zwölf Plätze für schwerstkranke Menschen<br />

vorhält. „Sterben gehört zum Leben. Und<br />

wir sind Geburtshelfer in eine andere Welt“,<br />

so Seyfried. Dass das Hospiz auch ein Ort<br />

des Lebens ist, merkten wir an der Fröhlichkeit,<br />

die das Haus durchzog, und in dem uns<br />

in der stationären wie ambulanten Betreuung<br />

viele ehrenamtliche Helfer begegneten.<br />

Das Hospiz baut wie die Förderschule auf<br />

christliche Werte, steht aber ausdrücklich<br />

auch Menschen anderen Glaubens offen.<br />

Für MdL Heiderose Gläß und ihre Mitstreiter<br />

war der Besuch in Herrnhut aufschlussreich<br />

und interessant. „Ich denke auch, dass unser<br />

Besuch in den christlichen Einrichtungen<br />

dem Abbau von Vorbehalten dienlich<br />

sein kann“, so Gläss. J.T./efa<br />

20 pvl 2/2010


Ende März zog sich die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong><br />

zur Klausur nach Pirna zurück. Zwei Tage berieten<br />

die 29 Abgeordneten der seit sechs<br />

pvl 2/2010<br />

Monaten bestehenden <strong>Fraktion</strong> über Arbeitstrukturen,<br />

politisch-inhaltliche Schwerpunkte<br />

und Strategien zu deren Durchsetzung.<br />

Am Ende der arbeitsreichen Tagung wurde die<br />

„Pirnaer Erklärung“ verabschiedet, die der<br />

<strong>Fraktion</strong> den Weg der kommenden Jahre weist.<br />

Kosten der Krise nicht auf Sachsens<br />

Bürgerinnen und Bürger abwälzen –<br />

Alternativen sind möglich!<br />

Die Menschen in Sachsen haben nicht<br />

durch unmäßige Spekulation eine Finanz-<br />

und Wirtschaftskrise ausgelöst. Sie haben<br />

auch nicht durch gesetzgeberische Privilegien<br />

für Besserverdienende und einzelne<br />

Lobby-Gruppen für Mindereinnahmen <strong>im</strong><br />

sächsischen Landeshaushalt von jährlich<br />

mehr als hundert Millionen Euro gesorgt.<br />

Sie haben ebenfalls nicht die Sächsische<br />

Landesbank in den Sand gesetzt und damit<br />

einen Gesamtschaden von über drei Milliarden<br />

Euro (verlorenes Eigenkapital, Bürgschaftsabsicherung)<br />

verschuldet.<br />

Das waren Banker, die sich die von SPD<br />

und GRÜNEN ermöglichte Deregulierung<br />

der Finanzmärkte zunutze gemacht haben.<br />

Das waren die schwarz-gelben Koalitionen<br />

auf Bundesebene und in Sachsen. Und das<br />

war die von der CDU geführte sächsische<br />

Staatsregierung, der damals schon der heutige<br />

Ministerpräsident Tillich angehörte.<br />

Deshalb lehnt es <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> ab, dass die<br />

sozialen und kulturellen Belange der sächsischen<br />

Bevölkerung sowie das hohe Gut<br />

der Bildung für die Bezahlung dieser Krisenkosten<br />

geopfert werden. Wir werden<br />

uns zugleich der drohenden finanziellen<br />

Handlungsunfähigkeit der Kommunen entgegenstellen,<br />

denn in den Kreisen, Städten<br />

und Gemeinden entscheidet sich die Sicherung<br />

der alltäglichen Daseinsvorsorge.<br />

Die sozialen Standards sind für uns ein zentraler<br />

Schonbereich – wer wie Schwarz-<br />

Gelb sagt, es gebe keinen Schonbereich,<br />

legt damit nur Zeugnis von der eigenen Konzeptionslosigkeit<br />

ab. Wir fordern, dass insbesondere<br />

die Kosten des Landesbank-<br />

Notverkaufs nicht aus dem laufenden Etat<br />

beglichen werden, sondern über Kredite<br />

langfristig abgefedert werden. Einen Kahlschlag<br />

bei den in Sachsen für die Lebensqualität<br />

maßgeblichen Faktoren darf es<br />

nicht geben!<br />

Aus Sicht von Partei und <strong>Fraktion</strong> der LIN-<br />

KEN in Sachsen stehen in dieser Wahlperiode<br />

bis 2014 folgende Projekte <strong>im</strong> Mittelpunkt<br />

<strong>LINKE</strong>R Landespolitik: Entwicklung<br />

eines „Programms 100.000 Existenz sichernde<br />

Arbeitsplätze“, ein „Konzept<br />

„Sachsen ohne Armut“, ein umwelt- und<br />

energiepolitischer „Aufbruch in ein sozialökologisches<br />

Sachsen“, ein „Plan<br />

demokratisches Sachsen“ zum Ausbau<br />

der direkten Demokratie und ein kultur-<br />

und bildungspolitischer Ansatz „Bildung,<br />

Kunst, Kultur für alle“.<br />

Schwarz-Gelb hat sich bisher auch auf Landesebene<br />

als unfähig erwiesen, Werte zu<br />

setzen, an denen sich eine solidarische Gesellschaft<br />

auf Dauer orientieren kann. Wir<br />

werden, parallel zur Kritik an schwarz-gelber<br />

Regierungspolitik, ein integriertes Landesentwicklungs-<br />

und Wirtschaftskonzept<br />

erarbeiten, das eine klare <strong>LINKE</strong> Alternative<br />

für Sachsens Zukunft darstellt.<br />

1 2 3 4 5<br />

21<br />

Fotos: efa


serbska strona<br />

Zachować,<br />

štož je<br />

zachowanja<br />

hódne<br />

Za Serbow bě to wulke wudobyće, zo so w<br />

lěće 1952 Serbski ludowy ansambl załoži, a<br />

wopokaza so tež bórze jako prawe, zo so w<br />

lěće 1948 załožene Serbske ludowe dźiwadło<br />

w samsnym lěće ze statnym jewišćom sta.<br />

(Pozdźišo bu serbske dźiwadło z Budysk<strong>im</strong><br />

měšćansk<strong>im</strong> dźiwadłom do Němskoserbskeho<br />

ludoweho dźiwadła zjednoćene.)<br />

Lěto 1952 běše přełamk w serbskich<br />

dźiwadłowych stawiznach, ale tež po wšej<br />

Europje jasny signal: Serbske dźiwadło<br />

je so po lětstotku lajskeho dźiwadźelenja<br />

zběhnyło na nowu, powołansku – a statnje<br />

spěchowanu – runinu.<br />

Wšo běžeše přez lětdźesatki, jónu mjenje,<br />

jónu bole wuspěšnje, hač do lěta 1990.<br />

Zamołwići akterojo němskeje jednoty<br />

njewědźachu sej praweje rady ze serbsk<strong>im</strong><br />

ludom a jeho zarjadnišćemi a z tym, kak je<br />

zaručeć a kak serbsku kulturu a rěč hajić<br />

a spěchwać. Z tym je přišło wotwiwanje<br />

někotrych – kaž Domu za serbske ludowe<br />

wuměłstwo abo Centralneje rěčneje šule<br />

– a přetworjenje tamnych, kaž Ludoweho<br />

nakładnistwa Domowina, Serbskeho ludoweho<br />

ansambla a Němsko-serbskeho ludoweho<br />

dźiwadła z rukow stata do nowych<br />

rukow rozdźělneje formy kaž drustwa abo<br />

swójskeho zawoda wokrjesa. Nade wšěm<br />

steji Załožba za serbski lud, kotraž ma so<br />

skoro lětnje z pjenjezami za institucije a<br />

projekty bědźić.<br />

Lutowanja substancu pomjeńšuja, nic jeno,<br />

zo so z personalom lutuje a zo so pjenjezy<br />

za nadawki wobmjezuja, ně, a to wosebje, zo<br />

so poprawny zmysł załoženja potrjechenych<br />

zarjadnišćow podrywa a zo so škody profilej<br />

a koncepcijam načinja. Tute wuwiće so<br />

pokročuje, najbóle widźomnje pola serbskeju<br />

jewišćow: pola Serbskeho ludoweho ansambla<br />

a pola Němsko-serbskeho ludoweho<br />

dźiwadła.Dobra rada zda so być droha a<br />

rozumne namjety bywaju dźeń a mjeńše.<br />

Wulka studija za spěchowanje serbskeje<br />

rěče a kultury wozjewi jako jednu móžnosć:<br />

redukowanje zarjadnišćow a dospołne<br />

změny profila domow. Druha warianta by<br />

była fuzija wobeju jewišców. Někotři wupraja<br />

so za „sensibelnu integraciju Serbskeho<br />

ludoweho ansambla do Němsko-serbskeho<br />

ludoweho dziwadla“, ličo z tym, zo takle<br />

wobeńdu nastaće małuškeho orchestra<br />

a małuškeho chóra, spóznajo pak, zo<br />

„njehodźi so bohaty repertoire Serbskeho<br />

ludoweho ansambla hižo pokročować a<br />

scyła hižo dale njewuwiwać“<br />

Serbski ludowy ansambl ma lětnje něhdźe<br />

sto předstajenjow we Łužicy a sto zwonka<br />

njeje w tukraju a wukraju. Je hotowy turnejowy<br />

ansambl. A ma tuž wšě ćeže tajkeho<br />

domu nabrěmjenjene.<br />

Nichtó prawje njewě, hač so předwidźana<br />

fuzija z nadawkami wobeju domow znjese,<br />

mnozy sej jeno přeja, zo „móhłoj z toho wobaj<br />

partneraj wumělsce wužitk měć“. Kak so<br />

to scyła hodźi, wostanje wulke hódančko,<br />

č<strong>im</strong> bóle, hdyž někak 40 z dotalnych 107<br />

městnow šmórnu a hdyž by z tym najwjetši<br />

dźěl dotalneho repertoira wotpadnył. Mocy,<br />

kotrež so raznje přećiwo wotstronjenju<br />

samostatnosće wobeju ansamblow wupraja<br />

a před stratami wuměłstwoweje substancy<br />

warnuja, su drje snadne. Symjo po<br />

wšěm kraju rozsypaneje mysle, zo maja<br />

wšitcy lutować, saha tež do kulturneho pola.<br />

Zwjazk serbskich wuměłcow je so pak jasnje<br />

za dalše wobstaće serbskich zarjadnišcow<br />

wuprajił, a runje tak jasnje su so zastupjerjo<br />

etniskich mjeńšinow w Lěwicy přećiwo<br />

kóždemužkuli zlikwidowanju institucije abo<br />

dźělneho zarjadnišća wuprajili. Zo su reformy<br />

trěbne a móžne, to runje přiwisnicy<br />

dalewobstaća ansambla najjasnišo zwuraznjeja,<br />

ale reformy nic na kóšty serbskeho<br />

wuměłstwa, kultury a rěče, nic cyłkownje a<br />

nic w jednotliwym.<br />

Solidarita ze Serbsk<strong>im</strong> ludowym ansamblom<br />

je dźeń a šěrša, a bywaju to fachowcy,<br />

kotřiž ćežko wažace argumenty do debaty<br />

dadźa. „Chór je nošer rěče a njeparujomny<br />

wobstatk kulturneho zarjadnišća“, měni<br />

Zwjazk serbskich spěwarskich towarstwow.<br />

Spěwny cyłk je po jeho měnjenju najwažniši<br />

wobstatk ansambla a bjez njeho njemóhła<br />

so serbšćina na jewišću prezentować. Druha<br />

stronka z tym zwisuje. SLA je so po tradiciji<br />

sobu wo to postarał, zo dostawaja ludowi<br />

wuměłcy na wsach fundowany nawod.<br />

W najhubjeńš<strong>im</strong> padźe po předwidźanym<br />

přetwarje wuměłcy ansambl wopušća a<br />

serbske lajske chóry zhubja nawodow.<br />

„Tuž njeje jenož ansambl wot skrótšenjow<br />

potrjecheny, ale tež naše čłonske cyłki“,<br />

podšmórny Zwjazk serbskich spěwarskich<br />

towarstwow. Tež tomu so wobaraja.<br />

Lěwica je wote wšeho spočatka wobstaća<br />

Swobodneho stata Sakska na tym wobstała,<br />

zo so Serbja na tym wobdźěluja, swójske<br />

naležnosće sobu zrjadować. Kulturna a<br />

kubłanska awtonomija je była a wostanje<br />

jeje zaměr. Strukturnu debatu měli Serbja a<br />

Němcy hromadźe, nic preciwo sebi wjesć, a<br />

nic za zawrjenymi durčkami.<br />

Lěwica žada sej nowy model financowanja<br />

spěchowanja serbskeje rěče a kultury, zo<br />

móhli unikatne serbske kulturne zarjadnišća<br />

dale wobstać a so bjez lubeje pjenježneje<br />

nuzy w trěbnej měrje reformować.<br />

Štož so tuchwilu w Serbach stawa, hrozy pak<br />

wšej Sakskej. Dźiwadłowu krajinu spytaja<br />

pod płašćiku přetwara wottwarjeć. Lěwica<br />

w Saksk<strong>im</strong> krajnym sejmje je tuž namjet<br />

předpołožiła k zachowanju dźiwadłow,<br />

něhdy pycha kraja a regionow, dźensa dźen<br />

a bóle syrotka w kulturnej krajinje.<br />

Hajko Kozel<br />

Zapósłanc Sakskeho krajneho sejma<br />

Rěčnik za europsku, měrowu a mjeńšinowu<br />

politiku<br />

22 pvl 2/2010<br />

Foto: Heinz Brauer


Ist weniger mehr –<br />

oder bald fast nichts?<br />

Im Zusammenhang mit der Diskussion um<br />

eine große Studie zur Förderung der sorbischen<br />

Sprache und Kultur, die den Sorben<br />

unlängst in die Hand gedrückt worden<br />

ist, steht die Struktur der sorbischen Institutionen<br />

auf dem Prüfstand. Das aber hat,<br />

wie so vieles zurzeit <strong>im</strong> Lande, auch etwas<br />

mit Sparzwängen zu tun. Und so n<strong>im</strong>mt es<br />

nicht wunder, dass diejenigen, die derzeit<br />

Vorschläge möglicher struktureller Veränderungen<br />

machen, versuchen, gewissermaßen<br />

zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen:<br />

der Finanznot abzuhelfen und zugleich positive<br />

Effekte für das künstlerische Schaffen<br />

zu befördern. So könne beispielsweise „eine<br />

sensible Integration des Sorbischen National-Ensembles<br />

in das Deutsch-sorbische<br />

Volkstheater“, so die Hoffnung, „für beide<br />

Partner künstlerisch Nutzen“ bringen.<br />

Ob dem tatsächlich so sein würde, ist offen.<br />

Wer über die Zukunft sorbischer Institutionen<br />

nachdenkt, sollte ihre Geschichte kennen:<br />

Das Sorbische National-Ensemble beispielsweise<br />

existiert seit 1952, ein professionelles<br />

sorbisches Theater seit 1948, später fusionierte<br />

es mit dem Bautzener Stadttheater<br />

zu einer gemeinsamen deutsch-sorbischen<br />

pvl 2/2010<br />

Bühne. Die deutsche Einheit <strong>im</strong> Jahr 1990<br />

bescherte den sorbischen Institutionen bereits<br />

spürbare Einschnitte: Das Haus für sorbische<br />

Volkskunst wurde ebenso wie die zentrale<br />

Sprachschule abgewickelt, die anderen<br />

Einrichtungen erhielten einen neuen – unterschiedlichen<br />

– Trägerstatus. Über allen aber<br />

steht die Stiftung für das sorbische Volk, die<br />

sich jährlich mit der Verteilung der Gelder<br />

zwischen den einzelnen Institutionen und<br />

Projekten zu plagen hat.<br />

Nicht erst vor dem Hintergrund des geplanten<br />

Personalabbaus be<strong>im</strong> Sorbischen National-Ensemble<br />

um 40 der 107 Stellen fordern<br />

<strong>LINKE</strong>, ein neues Modell der Finanzierung<br />

der Förderung sorbischer Sprache und Kultur<br />

zu fi nden, das der Tatsache gerecht wird,<br />

dass jede sorbische Institution ein Unikat<br />

darstellt. Es ist zudem sinnvoll zu bedenken,<br />

was der eigentlich Zweck ihrer Gründung war,<br />

der nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden<br />

darf. Nicht zuletzt steht die Forderung<br />

nach sorbischer Kultur- und Bildungsautonomie<br />

weiter auf der Tagesordnung.<br />

Da der Theater-Landschaft in ganz Sachsen<br />

Einschnitte drohen, weshalb die <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong><br />

Demonstration in Bautzen für den Erhalt des Sorbischen National-Ensembles.<br />

Sorbische Seite<br />

<strong>LINKE</strong> einen ihrem Erhalt dienenden Antrag<br />

in den <strong>Landtag</strong> eingebracht hat, hat die aktuelle<br />

Diskussion <strong>im</strong> Sorbenland eine gewisse<br />

Vorbildfunktion für ganz Sachsen.<br />

Konkret geht es be<strong>im</strong> Sorbischen National-<br />

Ensemble u. a. darum, ob die Laien-Ensembles<br />

in den Dörfern auch künftig professionelle<br />

Unterstützung erhalten – der Bund<br />

sorbischer Gesangsvereine befürchtet durch<br />

die Kürzungen Ausfälle auf diesem Feld. Ganz<br />

zu schweigen davon, ob sich das reiche Repertoire<br />

des Sorbischen National-Ensembles<br />

bewahren und weiterentwickeln lässt, was<br />

nicht nur Kritiker der geplanten Umstrukturierung<br />

bezweifeln.<br />

MdL<br />

Heiko Kosel<br />

Sprecher für<br />

Minderheitenpolitik<br />

Foto: Heinz Brauer<br />

23


Waagerecht: 1. Möglichkeit der Geldbeschaffung,<br />

der sich die CDU als Partei in NRW und<br />

Sachsen bediente und ihren Ministerpräsidenten<br />

Rüttgers und Tillich damit den Vorwurf der<br />

Käufl ichkeit einhandelte, 9. Großmutter, 10.<br />

Vorname des Sprechers für Haushalts- und<br />

Finanzpolitik der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Sächs.<br />

<strong>Landtag</strong> (Scheel), 12. Schwur vor Gericht, 13.<br />

Abk.: Tabelle, 15. Vorname des dän. Filmhelden<br />

Olsen (Ove Sprogøe; †2004), 18. latein.:<br />

dasselbe, gleichfalls, 19. Kurz- bzw. Spitzname<br />

des Sprechers für Sozialpolitik der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong><br />

<strong>LINKE</strong> <strong>im</strong> Sächs. <strong>Landtag</strong> (Dr. Dietmar), 20. dt.<br />

Autor (Hermann) „Die Aula“, 22. starkes Verlangen,<br />

Sucht, 25. japan. Regisseur (1903–1963),<br />

26. Abk.: Airports Council International, 28. eh.<br />

Sächs. Geldinstitut, das vom Ex-Landeschef<br />

Milbradt (CDU) mitgegründet wurde, auf dem<br />

int. Markt Milliarden verzockte und Ende 2007<br />

notverkauft wurde und dem Freistaat Sachsen<br />

eine 2,75 Mrd. schwere Bürgschaft einbrachte,<br />

29. dt. Opernkomponist; †1983 „Die Zaubergeige“,<br />

31. in der Schifffahrt weithin sichtbarer<br />

Orientierungspunkt, in Sachsen auch Synonym<br />

für die jahrelange punktuell ausgerichtete Wirtschaftsförderung,<br />

die nach Ansicht der <strong>LINKE</strong>N<br />

die regionale Entwicklung in der Fläche sträflich<br />

vernachlässigte<br />

Senkrecht: 2. Vorname Picassos (†1973),<br />

3. Geruchsorgan, 4. Sauerstoffverbindung e.<br />

Metalls, 5. Stadt in Südäthiopien, 6. Initialen<br />

Mandelas, 7. schwed. Film-Schauspielerin<br />

(Greta; 1905–1990) „Ninotschka“, 8. e. Baltikumbewohner,<br />

11. Sachsens Ministerpräsident<br />

(CDU), der der <strong>Landtag</strong>sdebatte um Kürzungen<br />

<strong>im</strong> Jugend- und Sozialbereich fernbleiben wollte,<br />

jedoch per Antrag der <strong>LINKE</strong>N zur Teilnahme<br />

gezwungen wurde, 14. beliebte DDR-Kinderzeitschrift,<br />

16. Hauptstadt der Steiermark/<br />

Österr., 17. Abk.: Nationalpreisträger, 18.<br />

e. Comic-Hauptfi gur in Hegens Mosaik, 20.<br />

Sprecher für Europa-, Friedens- und Minderheitenpolitik<br />

der <strong>Fraktion</strong> <strong>DIE</strong> <strong>LINKE</strong> <strong>im</strong><br />

Sächs. <strong>Landtag</strong> (Heiko), 21. sumerischer u.<br />

akkadischer Licht- und Feuergott, 23. griech.<br />

Volksstamm in der Antike, 24. einh. schwarzer<br />

Krähenvogel, 26. Abk.: Adreocorticotropes<br />

Hormon (Hirnanhangdrüsenhormon), 27. Ob-<br />

Zufl uss, 30. chem. Zeichen: Germanium.<br />

Foto: S. Kunze<br />

Da man bei der Politik von Schwarz-Gelb zunehmend<br />

besser beraten ist, ein Orakel zu befragen<br />

als das jeweils zuständige Fachressort, erhöht sich<br />

die Arbeitsbelastung für die als lebende Omen umherlaufenden<br />

schwarzen Katzen zurzeit erheblich.<br />

Um sich von der Bearbeitung zunehmend eingehenden<br />

Zukunftsfragen zu erholen, hat sich Katze<br />

Lucy (Foto: S. K.) zur verdienten wie farblich angemessenen<br />

Siesta zurückgezogen. Es sei ihr gegönnt.<br />

Lange wird sie nicht pausieren können…<br />

pvl 2/2010

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