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Schluss mit lauwarm

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<strong>Schluss</strong> <strong>mit</strong> <strong>lauwarm</strong><br />

Predigt zu Offenbarung 3, 14-22 von Pfarrer H.-J. Kopkow am 21. November 2012<br />

Eine Predigt unseres Vikars Leif Grahn wird vermutlich vielen in Erinnerung<br />

geblieben sein. Er hielt sie zu eben diesem Text aus der Offenbarung,<br />

wo es heißt: 15 Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt<br />

noch warm bist. Ach, dass du kalt oder warm wärest! 16 Weil du<br />

aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien<br />

aus meinem Munde.<br />

Ausspeien übersetzt Luther. Ausspucken würde man heute sagen.<br />

Und Vikar Grahn sagte es für viele Ohren eine Nuance zu drastisch,<br />

aber in der Sache korrekt: zum Kotzen.<br />

Wenn der Kaffee weder schön heiß noch als Eiskaffee schön kalt ist,<br />

dann ist er nichts Halbes und nichts Ganzes. Und so ähnlich lautet das<br />

Urteil über die Gemeinde der Stadt Laodicea: Bei euch ist alles eine<br />

wohltemperierte, <strong>lauwarm</strong>e, ungenießbare Pampe.<br />

Von dieser Gemeinde ging kein Feuer, keine Wärme aus. Und Frische<br />

gab es dort auch nicht. Kein sprudelndes Fragen und kein freimütiges<br />

Wagen. Stattdessen: Unentschiedenheit, Ausgewogenheit, Taktieren.<br />

Deshalb wurden die Bewohnerinnen und Bewohner von Laodicea so<br />

angegriffen. Wie kommt es, werden die sich gefragt haben, zu so einem<br />

göttlichen Urteil über uns?<br />

Laodicea und der Gemeinde ging es nämlich gut. Laodicea war ein internationales<br />

Bank- und Finanzzentrum, dessen Zuverlässigkeit sprichwörtlich<br />

war und wo viele bedeutende Leute ihr Geld gern angelegten.<br />

Man war in Laodicea stolz auf die Stoffe, die man herstellte. Ein Gewand,<br />

das aus den besonderen Stoffen genäht war, die dort hergestellt<br />

wurden, galt als das Beste vom Besten. Besonders berühmt war eine<br />

Augensalbe aus Laodicea, die schon vielen Menschen Besserung ihres<br />

Augenleidens beschert hatte.<br />

Laodicea war eine großartige Stadt. Alles schien in bester Ordnung zu<br />

sein. Er herrschte Frieden. Viele konnten sich an einem gesicherten<br />

Wohlstand erfreuen. Selbst für die Armen fiel etwas ab. Finanzielle<br />

Überschüsse aus Handel und Handwerk lockten Künstlerinnen und<br />

Künstler an. Die Stadt wurde auch zur Kulturmetropole. Und auch die<br />

christliche Gemeinde in Laodicea konnte <strong>mit</strong> sich zufrieden sein, weil<br />

sie trotz ihrer kurzen Geschichte bereits auf eine ruhmvolle Vergangenheit<br />

zurückblicken konnte.<br />

Ich vermute, sie haben, während ich von Laodicea sprach, ab und zu<br />

schon mal den Gedanken, dass das damals in Laodicea ja so ähnlich war,<br />

wie es heute bei uns in Braunschweig ist? Stimmt. Laodicea kann überall<br />

sein, auch bei uns. Deshalb ist es ratsam, sehr genau zu schauen, wie es<br />

<strong>mit</strong> Laodicea weiterging.<br />

Der Seher Johannes hält der Stadt im Auftrag Gottes einen Spiegel<br />

vor, der nicht einfach wiedergibt, wie man sich gerne sah, sondern gerade<br />

das in Frage stellte und kommentierte, worauf man in Laodicea so<br />

stolz war.<br />

17 Du sprichst: Ich bin reich und habe genug und brauche nichts!,<br />

und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und<br />

bloß. 18 Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert<br />

ist, da<strong>mit</strong> du reich werdest, und weiße Kleider, da<strong>mit</strong> du sie<br />

anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und<br />

Augensalbe, deine Augen zu salben, da<strong>mit</strong> du sehen mögest.<br />

Wo Laodicea auf seine Finanzkraft vertraute, wird ihr vom Seher im<br />

Namen Jesu entgegengehalten: Ich rate dir, dass du von mir Gold kaufst,<br />

für das du dann bekommst, was dich wirklich reich sein lässt.<br />

Wo Laodicea in der ganzen Welt seine Kleider anpries, wird ihr geraten:<br />

Kaufe bei mir deine Kleider, dass du nicht plötzlich nackt und bloßgestellt<br />

dastehst.<br />

Wo Laodicea auf die medizinische Heilkraft seiner Augensalbe setzte,<br />

heißt es: Kaufe bei mir deine Augensalbe, um deine Augen zu salben,<br />

da<strong>mit</strong> du richtig sehen kannst und den Durchblick bekommst.<br />

Verstörend ist das schon, wie sich der Seher Johannes da den Menschen<br />

der Stadt Laodicea in den Weg stellt.<br />

Und so werden sie in Laodicea von Johannes, der ja nur als Bote Gottes<br />

spricht, zurechtgewiesen, wenn es heißt:<br />

19 Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich.<br />

So sei nun eifrig und tue Buße!<br />

Obwohl in Laodicea wirtschaftlich und kulturell alles blüht und gedeiht,<br />

werden die Bewohner der Stadt aufgefordert: Besinnt euch, kehrt<br />

um!<br />

Ist das nun die Stimme eines Moralisten? Eines besserwisserischen<br />

Miesmachers? Natürlich, man kann diese Stimme so hören. Aber wenn


wir genauer auf die Stimme des Sehers Johannes hören, dann hören wir<br />

ein eher besorgte und bittende Stimme.<br />

Der Philosoph Walter Benjamin hat einmal gesagt: „Dass das Leben so<br />

weitergeht, wie es weitergeht - das ist die Katastrophe!“<br />

In diesem Sinne ist die Aufforderung „Tut Buße!“ gemeint. Die Menschen<br />

werden aufgefordert, umzukehren und umzudenken, eben Buße<br />

zu tun, da<strong>mit</strong> nicht alles so weitergeht, wie es weitergehen würde,<br />

wenn nichts passierte.<br />

Auf diese Weise entsteht ein Raum der Freiheit, der neue Möglichkeiten<br />

und neue Erfahrungen ermöglicht. Um genau diesen Freiraum geht<br />

es, wenn von Buße die Rede ist.<br />

Der Text stellt uns an dieser Stelle ein eindrückliches Bild vor Augen:<br />

Jesus steht vor der Tür. Und er klopft freundlich an und bittet um Einlass.<br />

Im Text heißt es: 20 Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an.<br />

Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu<br />

dem werde ich hineingehen und das Abendmahl <strong>mit</strong> ihm halten<br />

und er <strong>mit</strong> mir.<br />

Buße tun hat demnach weder <strong>mit</strong> der trüben Novemberstimmung zu<br />

tun noch da<strong>mit</strong>, in Sack und Asche zu gehen. Buße tun heißt: Mach die<br />

Türen deines Lebens, die Türen deines Lebenshauses auf und lass ihn<br />

ein, der da vor deiner Tür steht und anklopft.<br />

Christus vor der Tür, draußen. Er steht nicht im Haus der Kirche, gehört<br />

nicht zum selbstverständlichen Inventar der Kirche. Die Kirche hat<br />

ihn nicht selbstverständlich bei sich, sondern sie kann durchaus Christus-los<br />

sein. Sie kann ihn ausschließen.<br />

„Wie dass?“ fragen wir, fragten auch die Leute in Laodicea und anderswo.<br />

„Ganz einfach“, höre ich Christus sagen. „Manchmal seid ihr so<br />

sehr <strong>mit</strong> euch selbst beschäftigt, dass ich mir überflüssig vorkomme und<br />

mich aus euren Mauern herausstehle – dorthin, wo Menschen meine<br />

Nähe suchen, wo sie nach Wahrheit fragen, unbekümmert, unruhig, unvollendet,<br />

wo sich Menschen nicht einbilden, schon alles zu wissen, alles<br />

zu haben. Aber ich schreibe euch trotzdem nicht ab. Auch wenn ich<br />

mich kritisch an euch wende, wende ich mich doch noch an euch. Ich<br />

trete an eure Tür. Denn ich weiß: Die Fraglosigkeit, in der ihr euch zuweilen<br />

selbst genug seid, die euch manchmal wie ein Nebel umgibt, sie<br />

wird euch eines Tages zuwider sein. Und dann werdet ihr mein Klopfen<br />

hören. Ihr werdet meine Stimme hören wollen und hören. Und ihr<br />

werdet mich einladen: Komm herein, und lass uns bei Brot und Wein<br />

zusammen sitzen. Schon lange wollten wir <strong>mit</strong> dir über so vieles reden.<br />

Unser Abschnitt endet schließlich <strong>mit</strong> den Worten: 21 Wer überwindet,<br />

dem will ich geben, <strong>mit</strong> mir auf meinem Thron zu sitzen, wie<br />

auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe <strong>mit</strong> meinem Vater<br />

auf seinen Thron. 22 Wer Ohren hat, der höre, was der Geist<br />

den Gemeinden sagt!<br />

Stellt sich uns also abschließend nur noch die Frage, ob wir uns überwinden<br />

können, ihm wirklich zuzuhören. Und dann natürlich auch zu<br />

tun, was er uns sagt, was wir von ihm hören, da<strong>mit</strong> es eben nicht da<br />

rein und hier wieder raus geht, ohne dass es bei uns angekommen wäre.<br />

Wer Ohren hat, der höre in den Text hinein. Wer Ohren hat, der<br />

höre aus dem Text, was Gott ihm, ihm ganz persönlich sagt. Amen.

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