Abstimmungsvorlage für die Einführung von Tagesstrukturen

1 Ausgangslage
Seit rund sechs Jahrzehnten lässt sich ein ausgeprägter Wandel in den Familien- und Haushaltsstrukturen
beobachten. Neben der klassischen Familie – verheiratete Eltern mit Kind/-ern – ist die
Zahl der Alleinerziehenden, von Konkubinatspaaren mit Kindern und von so genannten Patchwork-Familien
ständig gewachsen. Eheschliessungen und Geburten erfolgen später als in früheren
Zeiten und Scheidungen sind viel häufiger. Der Trend zur Kinderlosigkeit steigt.
Das klassische Familienmodell mit dem Vater als berufstätigem Ernährer und der Mutter, die die
Verantwortung für den Haushalt und die Kinderbetreuung trägt, ist längst nicht mehr das meistgelebte.
Das sich wandelnde Rollenverständnis, die gute Ausbildung der jungen Frauen, aber
auch das knappe Einkommen führten dazu, dass über 75 Prozent der Mütter nach der Geburt
des ersten Kindes erwerbstätig bleiben. Sehr viele Frauen haben allerdings nur ein kleines Arbeitspensum.
Familienergänzende Tagesstrukturen tragen dazu bei, dass die jungen Familien mit Schulkindern
ihr Leben ihren Bedürfnissen entsprechend und in Übereinstimmung mit den Anforderungen des
gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umfelds führen können. Sie ermöglichen insbesondere
den Frauen, im Beruf zu bleiben. Damit erleichtern sie ihnen den Wiedereinstieg mit einem höheren
Arbeitspensum, wenn die Kinder grösser sind.
Die Gemeinden müssen auf den gesellschaftlichen Wandel reagieren, wenn sie für junge Familien
attraktiv bleiben wollen. Die Attraktivität des Wohnortes hängt für viele Familien mit Kindern
davon ab, ob sie in der Gemeinde familienfreundliche Voraussetzungen finden. Umgekehrt profitiert
das soziale, wirtschaftliche und kulturelle Leben in der Gemeinde von den Leistungen der
Familien.
Der Gemeinderat hat die Schaffung von umfassenden Tagesstrukturen in der Gemeinde, auch
in Übereinstimmung mit den gesellschaftspolitischen Zielen des Kantons Aargau, als eines seiner
vordringlichsten Ziele definiert. Mit der Unterstützung der gemeinderätlichen Anträge hat der
Einwohnerrat Obersiggenthal an der Sitzung vom 30. August 2012 die Bedeutung von Tagesstrukturen
für die Gemeinde bestätigt.
2 Was sind Tagesstrukturen?
Tagesstrukturen sind ein freiwilliges und kostenpflichtiges Betreuungsangebot für diejenigen Eltern,
die darauf angewiesen sind. Indem die Tagesstrukturen eine dem Alter und der Selbständigkeit
der Kinder angemessene Betreuung, Erziehung und Förderung ausserhalb des Unterrichts
bieten, unterstützen sie den Bildungsauftrag der Schule. Sie ergänzen also die Betreuung der
schulpflichtigen Kinder, ersetzen aber weder Familie noch Schule. Zudem erleichtern Tagesstrukturen
die Integration von fremdsprachigen Kindern und von Kindern, die wenig soziale Kontakte
mit Gleichaltrigen haben.
Gut ausgebaute Tagesstrukturen gewährleisten die Betreuung der Kinder über Mittag, in der unterrichtsfreien
Zeit vor und nach dem obligatorischen Schulunterricht sowie ganztags während
den Schulferien.
3 Nachfrage
Im Endausbau soll Obersiggenthal über 60 Tagesstruktur-Plätze verfügen. Diese Zahl hat eine
vom Gemeinderat eingesetzte Arbeitsgruppe, unter Einbezug einer externen Beratung, mittels
einer Bedarfserhebung sowie einer Nachfrageschätzung ermittelt. Unbedingt zu beachten ist,
dass es nicht um 60 Kinder geht, sondern um 60 Betreuungsplätze. Die Zahl der betreuten Kinder
ist höher als die Zahl der Plätze, weil die meisten Kinder die Tagesstrukturen nur an einzelnen Ta-
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