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Psychische EH beim Überbringen von Todesnachrichten

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Frank Lasogga<br />

<strong>Psychische</strong> Erste Hilfe<br />

Beim <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong><br />

1. Einführung<br />

Eine der unangenehmsten Tätigkeiten für da<strong>von</strong> betroffene Berufe ist das <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Todesnachrichten</strong>. Trotz jahrelanger Erfahrung berichten viele Personen, dass sie diese Aufgabe als<br />

sehr belastend erleben und sich nicht an sie gewöhnt haben und wohl auch nicht gewöhnen werden.<br />

Außerdem sei man trotz jahrelanger Erfahrung immer noch unsicher, wie man sich gegenüber<br />

den Empfängern verhalten solle.<br />

Für die Empfänger stellt diese Nachricht eine zentrale Situation in ihrem Leben dar. Wird diese<br />

Nachricht unangemessen überbracht, kann es neben der Belastung durch den Inhalt der Nachricht<br />

noch zu einer zusätzlichen Traumatisierung durch das Verhalten der Überbringer kommen.<br />

Für alle Beteiligten wäre somit ein konkreter Regelsatz hilfreich, wie sie mit der Situation umgehen<br />

sollten.<br />

2. Forschungsstand<br />

Empirische Forschungen darüber, wie <strong>Todesnachrichten</strong> "optimal" überbracht werden können, liegen<br />

kaum vor. Zwar haben eine ganze Reihe <strong>von</strong> Organisationen Hinweise erstellt, aber hierbei<br />

handelt es sich letztendlich nur um die teilweise recht persönlich geprägten Ansichten der einzelnen<br />

Autoren. Auch wenn diese durch jahrelange Erfahrung erworben worden sind, bleiben sie doch<br />

letztendlich subjektiv; Erfahrung ist bekanntlich trügerisch.<br />

Um nun empirisch abgesicherte Erkenntnisse zu erhalten, welche Verhaltensweisen angemessen<br />

und unangemessen sind, wurde aufgrund <strong>von</strong> Vor-Interviews mit Experten ein halbstrukturierter<br />

Interviewleitfaden entwickelt, anhand dessen im Rahmen des Projekts "<strong>Psychische</strong> Erste Hilfe"<br />

mehr als 200 Überbringer <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> befragt wurden. Dabei handelt es sich um<br />

Personen, die häufig eine Todesnachricht überbringen müssen wie Polizeibeamte, Personen aus<br />

dem medizinischen Bereich, also Ärzte und Krankenhauspersonal, um Geistliche und Personal in<br />

Altenheimen.<br />

Interviewleitfaden<br />

Der Interviewleitfaden enthielt Fragen zu folgenden Themenbereichen:<br />

* Wie reagieren die Empfänger? Gibt es Unterschiede, wenn die Nachricht überraschend ist?<br />

* Welche Verhaltensweisen sind für die Empfänger psychisch gut? Welche Verhaltensweisen<br />

sind schädlich oder unnütz?<br />

* Was sagen Sie? Welche verbalen Verhaltensweisen günstig? Welche verbalen Verhaltensweisen<br />

sind ungünstig?<br />

* Welche nonverbalen Verhaltensweisen sind günstig? Welche nonverbalen Verhaltensweisen<br />

sind ungünstig?<br />

* Wie verhalten Sie sich gegenüber weiteren anwesenden Personen? Wie verhalten Sie sich ins<br />

besondere gegenüber Kindern?<br />

* Welche Verhaltensweisen (verbal, nonverbal) <strong>von</strong> Angehörigen, Anwesenden sind gut? Welche<br />

Verhaltensweisen (verbal, nonverbal) <strong>von</strong> Angehörigen, Anwesenden sind schädlich?<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 1


* Welche Personen bzw. Personengruppen sind besonders problematisch? Was machen Sie mit<br />

problematischen diesen Personen?<br />

* Wo gibt es Unterschiede bei Ihren Verhaltensweisen gegenüber jungen und alten Empfängern,<br />

gegenüber Männern und Frauen, wenn Ausländer beteiligt sind?<br />

* Was sind typische Fehler <strong>von</strong> Überbringern (eigene, <strong>von</strong> Kollegen?)<br />

* Was sind typische Fehler <strong>von</strong> Angehörigen, Anwesenden?<br />

* Wie sieht der ideale Überbringer aus?<br />

* Was raten Sie den Empfängern der Nachricht, wie sie mit der Situation weiterhin umgehen sollen?<br />

* Wie verarbeiten Sie selbst die berufliche Belastung?<br />

Bei der Thematik liegt es auf der Hand, auch die Empfänger <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> zu interviewen.<br />

Insgesamt wurden 47 Personen zu folgenden Themenbereichen Fragen gestellt:<br />

* Wer hat die Nachricht überbracht? Wie hat sich der Überbringer verhalten?<br />

* Was war ihre erste Reaktion? Was war ihr erster Gedanke?<br />

* Was hat der Überbringer gesagt? Was war daran gut? Was war nicht gut?<br />

* Wie hat sich der Überbringer nonverbal (Gestik, Mimik etc.) verhalten? Was war daran gut?<br />

Was war nicht gut?<br />

* Wie verhielt sich der Überbringer gegenüber eventuell weiteren anwesenden Personen? Was<br />

war daran gut? Was war nicht gut?<br />

* Wie haben Anwesende reagiert? Was war daran gut? Was war nicht gut?<br />

* Was hätten Sie sich in der Situation betreffs des Verhaltens anderer Personen gewünscht? Was<br />

haben Sie vermisst?<br />

Die vorliegende Literatur sowie Hinweise <strong>von</strong> Organisationen zum <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong><br />

wurden gesichtet. Außerdem wurden eine Reihe <strong>von</strong> Diskussionen mit Personen geführt,<br />

die häufig <strong>Todesnachrichten</strong> überbringen müssen.<br />

Aufgrund dieser Interviews, der Diskussionen und der Literatursichtung sollten ähnlich wie bei der<br />

<strong>Psychische</strong>n Ersten Hilfe bei Unfällen (Lasogga & Gasch, 2000) und bei Herzinfarkt (Gasch &<br />

Lasogga, 2000) Regeln zur <strong>Psychische</strong>n Ersten Hilfe <strong>beim</strong> <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> entwickelt<br />

werden.<br />

Die Ergebnisse sind im folgenden dargestellt. Dabei sind oft mehr Verhaltensweisen genannt als<br />

Personen, die befragt wurden. Dies liegt daran, dass mehrere Antworten zu den einzelnen Fragen<br />

gegeben werden konnten.<br />

3. Reaktion<br />

Generell ist festzustellen, dass die Reaktionen auf eine Todesnachricht sehr unterschiedlich ausfallen<br />

können. Darauf wird <strong>von</strong> einem Drittel der interviewten Überbringer explizit hingewiesen.<br />

Man kann sich somit nicht auf eine bestimmte Reaktion der Nachrichten-Empfänger einstellen,<br />

sondern muss mit vielfältigen Reaktionen rechnen (s. auch Wiegel, 1988). Die im folgenden aufgeführten<br />

Reaktionen können nicht nur bei verschiedenen Personen auftreten, sondern auch bei<br />

einer Person nahezu gleichzeitig oder nacheinander.<br />

Am häufigsten wurde <strong>von</strong> den Experten angeführt, dass die Empfänger sichtbar traurig sind und<br />

zu weinen beginnen (96 <strong>von</strong> 171). Dabei kann es kann auch zu regelrechten Wein- und Schreikrämpfen<br />

kommen.<br />

Entsetzen<br />

An zweiter Stelle wurde genannt, dass die Empfänger entsetzt, schockiert und teilweise traumatisiert<br />

(50 <strong>von</strong> 171) reagieren und fassungslos (22 <strong>von</strong> 171) seien. Dementsprechend haben auch 11<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 2


Empfänger gesagt, dass sie überhaupt nichts denken und sagen konnten; 6 mal wurde <strong>von</strong> den<br />

Empfängern das Wort "fassungslos" gewählt. 11 <strong>von</strong> ihnen gaben an, dass sie "bestürzt" waren und<br />

9 sprachen <strong>von</strong> einem "Schock" und dass sie sofort zu weinen begannen (8 <strong>von</strong> 47). Teilweise<br />

äußerten die Empfänger auch die Frage wie es "weitergehen sollte". Von Verzweiflung (18 <strong>von</strong> 171)<br />

und Hilflosigkeit (13 <strong>von</strong> 171) sprachen die Experten.<br />

Gefasst<br />

Aber auch gegenteilige Reaktionen sind zu verzeichnen: Manche Empfänger reagieren nüchtern,<br />

gefasst und gelassen (36 <strong>von</strong> 171). Dies bestätigen auch die Empfänger. 5 mal wurde <strong>von</strong> ihnen<br />

genannt, dass sie "gefasst" waren. Sie gingen sachlich einer Beschäftigung nach und stellten sofort<br />

Überlegungen betreffs technischer Aspekte an, beispielsweise das Abfassen der Todesanzeige oder<br />

des Beerdigungstermins.<br />

ungläubig<br />

Es wurde <strong>von</strong> den Experten auch berichtet, dass die Empfänger völlig ungläubig (11 <strong>von</strong> 171) reagierten<br />

und das Geschehen nicht begreifen konnten. Auch 16 der Empfänger gaben an, dass ihr<br />

erster Gedanke war: "Das kann doch nicht wahr sein" und dass sie das Gehörte nicht glauben wollten<br />

(Leugnung).<br />

Von den Überbringern wird auch nicht selten angegeben, dass ihrem Eindruck nach die Empfänger<br />

sich bemühen, ihre Fassung zu wahren (22 <strong>von</strong> 171). Diese Personen wollten anscheinend nicht<br />

vor einer fremden Person ihre Gefühle zeigen, gar zu weinen beginnen, oder sie befürchten, hysterisch<br />

zu schreien.<br />

apathisch<br />

Dieses scheinbar nüchterne Verhalten kann noch extremer auftreten. Einige Empfänger reagieren<br />

nach Ansicht der Überbringer ausgesprochen lethargisch und apathisch (16 <strong>von</strong> 171). Sie scheint<br />

die Todesmitteilung gleichgültig zu lassen. Diese Reaktion tritt auch auf, wenn die Nachricht überraschend<br />

mitgeteilt wurde (6 <strong>von</strong> 171). Dabei kann natürlich nicht gesagt werden, ob dies tatsächlich<br />

dem jeweiligen Gefühlszustand entsprach, oder sie nur auf den Überbringer einen derartigen<br />

Eindruck hinterlassen wollten. Es ist auch möglich, dass sie aufgrund eines Schockzustandes auf<br />

den Betrachter so wirkten, als würde ihnen diese Nachricht nichts ausmachen und dass dann verspätet<br />

eine um so heftigere Reaktion auftrat.<br />

23mal wurde genannt, dass die Empfänger erleichtert reagieren. Auch bei den Empfängern wurde<br />

2mal das Wort "erleichtert" gewählt. In diesen Fällen ging meist eine schwere Krankheit mit viel<br />

Leid voraus.<br />

Aggressiv<br />

Die Überbringer müssen aber auch damit rechnen, dass die Empfänger aggressiv und wütend reagieren<br />

und hysterisch zu schreien beginnen (21 <strong>von</strong> 171). Diese Aggression kann sich dann auch<br />

durchaus gegen den Überbringer richten. Immerhin wurde ein derartiger Wutausbruch auch <strong>von</strong> 2<br />

Empfängern bestätigt. Dass dies nicht häufiger <strong>von</strong> den Empfängern genannt wurde, kann auch<br />

damit zusammen hängen, dass eine derartige Reaktion im Nachhinein eher als peinlich empfunden<br />

und verschwiegen wird. Den Überbringern kann empfohlen werden, bei einem derartigen Verhalten<br />

ruhig zu bleiben und aggressives Verhalten weitgehend zu ignorieren. Die Aggression stellt lediglich<br />

eine Form der Erregungsabfuhr dar ebenso wie Weinen. Diese Form der Erregungsabfuhr kann<br />

sich auch gegen den Überbringer richten. Die Überbringer können sich in den meisten Fällen<br />

berechtigt sagen: "Ich bin nicht gemeint."<br />

Aktionismus<br />

Einige Empfänger reagieren mit einer anderen Form der Erregungsabfuhr, nämlich mit übersteigertem<br />

Aktionismus oder Redefluss (4 <strong>von</strong> 171). Sie möchten dem Überbringer alles mögliche über<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 3


den Toten erzählen, sofort etwas unternehmen und manchmal sofort alle notwendigen Formalitäten<br />

erledigen. Genau die gegenteilige Reaktion kann aber auch auftreten: Die Experten sprachen <strong>von</strong><br />

Sprachlosigkeit (8 <strong>von</strong> 171) und körperlicher Verkrampfung (8 <strong>von</strong> 171).<br />

Überraschend<br />

Einen Faktor hinsichtlich der Reaktion <strong>von</strong> Empfängern stellt natürlich die Tatsache dar, ob die<br />

Nachricht für die Betroffenen überraschend ist oder nicht. Generell kann gesagt werden, dass die<br />

Reaktionen eher heftiger (42 <strong>von</strong> 171) ausfallen, je überraschender die Nachricht ist, beispielsweise<br />

wenn der Tote das Opfer eines Verkehrsunfalls wurde. Hier ist generell mit stärkeren Reaktionen<br />

und Emotionen bis zur völligen Fassungslosigkeit zu rechnen(22 <strong>von</strong> 171). Auch andere<br />

Emotionsausbrüche (z.B. heftiges Weinen) sind stärker (10 <strong>von</strong> 171). Zu einem völligen<br />

Zusammenbruch kommt es aber auch bei einer überraschenden Nachricht nur selten (3 <strong>von</strong> 171).<br />

Person des Empfängers<br />

Von den Überbringern wird allerdings auch betont, dass letztendlich die Reaktion der Betroffenen<br />

mehr <strong>von</strong> Persönlichkeitsvariablen abhängt als vom Überraschungseffekt (35 <strong>von</strong> 171). Daher verwundert<br />

es auch nicht, wenn 11mal angeführt wird, dass kein Unterschied besteht, wenn die<br />

Nachricht überraschend kommt oder nicht. Ein Teil der Empfänger hat schließlich auch bereits mit<br />

der schlimmen Nachricht gerechnet oder zumindest etwas geahnt (14 <strong>von</strong> 171), weil beispielsweise<br />

sonst der Ehemann immer zu einer bestimmten Zeit heim kam. Nach einer längeren schweren<br />

Krankheit kann eher mit ruhigeren Reaktionen gerechnet werden als wenn die Nachricht völlig<br />

unerwartet kam.<br />

4. Vor dem <strong>Überbringen</strong><br />

Die Überbringer <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> sollten sich nicht nur auf sehr unterschiedliche Reaktionen<br />

einstellen, sondern auch vor dem <strong>Überbringen</strong> einige Fragen betreffs des Toten und der<br />

Angehörigen abklären. Dies ermöglicht eine adäquatere Umgangsweise in der entsprechenden<br />

Situation. So werden <strong>von</strong> den Empfängern häufig eine ganze Reihe <strong>von</strong> Fragen gestellt. Um diese<br />

Fragen beantworten zu können, sollte der Überbringer die notwendigen Informationen parat haben<br />

und folgende Fragen vorab klären:<br />

Betreffs des Toten<br />

* Wann ist der Tod eingetreten?<br />

* Wo ist der Tod eingetreten?<br />

* Wie ist der Tod eingetreten?<br />

* Wer hat den Toten zuletzt gesprochen?<br />

* Wohin wurde der Tote gebracht?<br />

* Wie ist der Zustand des Leichnams?<br />

* Ist es möglich den Toten zu sehen?<br />

* Muss der Tote identifiziert werden?<br />

* Welche weiteren Information über die<br />

Lebenssituation des Toten liegen vor?<br />

* Welche Polizeidienststelle bearbeitet den<br />

Todesfall? (Name und Durchwahl des Sachbearbeiters<br />

notieren)<br />

Betreffs der Angehörigen<br />

* Welche Informationen über die Angehörigen<br />

liegen vor?<br />

* Gab es eine Vermisstenanzeige durch die<br />

Angehörigen?<br />

* Wussten die Angehörigen <strong>von</strong> einer langen<br />

Erkrankung (Krebs, Aids etc.)?<br />

Nicht telefonisch<br />

Eine Todesnachricht sollte nicht telefonisch überbracht werden. Eine telefonische Benachrichtigung<br />

wird <strong>von</strong> den Empfängern als sehr unangenehm empfunden. Immerhin gaben 14 <strong>von</strong> ihnen<br />

an, dass ihnen die Todesnachricht telefonisch übermittelt wurde. Von den Überbringern wurde dies<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 4


interessanterweise wesentlich seltener (4mal) als Fehler angeführt. Dies könnte darauf hindeuten,<br />

dass einigen Überbringern nicht bewusst ist, wie unangenehm für die Empfänger die telefonische<br />

Benachrichtigung ist. Dafür spricht auch das Ergebnis der Interviews, dass immerhin 14mal das<br />

telefonische <strong>Überbringen</strong> als typischer Fehler angeführt wurde. Es könnte also so sein, dass man<br />

bei Kollegen diesen Fehler registriert oder <strong>von</strong> Betroffenen dies gehört hat, diejenigen, die diesen<br />

Fehler begehen, aber dies selbst nicht als Fehler registrieren.<br />

Angemessen ist es hingegen, die Nachricht im gewohnten Umfeld zu überbringen und auf eine<br />

ruhige Atmosphäre zu achten (47 <strong>von</strong> 171). Dies bedeutet also, dass die Überbringer zu dem<br />

Empfänger gehen, und nicht die Empfänger zu sich bestellt werden sollten, wenn nicht andere<br />

Umstände dem entgegenstehen.<br />

Zeit nehmen<br />

Eine sehr wichtige Konsequenz aus den Befragungsergebnisse betrifft die Zeitplanung. Auf die<br />

Frage, was für die Betroffenen psychisch gut sei, gaben die Überbringer sehr häufig an: sich Zeit<br />

nehmen (79 <strong>von</strong> 171). Als typischer Fehler wurde allerdings am häufigsten Zeitdruck genannt. Es<br />

ist also dringend notwendig, genügend Zeit einzuplanen. Angemessen erscheinen hier mindestens<br />

30 Minuten, es muss aber auch damit gerechnet werden, dass der Besuch 2 - 3 Stunden dauern<br />

kann.<br />

5. Das <strong>Überbringen</strong><br />

angemessenes Verhalten<br />

Dass der Überbringer sich mit Namen vorstellen sollte, wird 23mal explizit angegeben. Im<br />

Anschluss an den Namen sollte die dienstliche Funktion des Überbringers genannt und die Bitte<br />

geäußert werden, in die Wohnung eintreten zu dürfen. Eine Todesnachricht sollte nicht zwischen<br />

Tür und Angel überbracht werden.<br />

Einfühlsam<br />

Generell wurde sehr häufig genannt, dass einfühlsames Verhalten sehr wichtig sei (55 <strong>von</strong> 171).<br />

Dies ist sicherlich richtig. Das Problem liegt jedoch darin, dass unter einfühlsamem Verhalten<br />

etwas völlig Gegensätzliches verstanden werden kann. Daher ist es wichtig, dieses Verhalten weiter<br />

zu spezifizieren. Hierzu wird empfohlen, den Empfänger langsam auf die Nachricht vorzubereiten<br />

(13 <strong>von</strong> 171). Als Fehler wird angesehen, mit der Tür ins Haus zu fallen (7mal). Dazu gehört,<br />

zu schnell mit der Todesnachricht rausrücken, beispielsweise noch in der Tür oder auf dem Flur,<br />

oder die Unfallerklärung vor der Todesnachricht mitzuteilen.<br />

Hinsichtlich der Sprache sollte man auf die Wortwahl achten (keine Fremdwörter, Fachbegriffe; nicht:<br />

"der Leichnam", sondern: "Ihr Mann"), in einfachen Sätzen, ruhig und sachlich sprechen (71 <strong>von</strong><br />

171). Von den Betroffenen wird als hilfreich empfunden, wenn der Tod klar angesprochen wird.<br />

Aktives Zuhören<br />

Nach der eigentlichen Mitteilung ist insbesondere das Zuhören <strong>von</strong> Bedeutung (26 <strong>von</strong> 171). Viele<br />

Experten halten es für richtig, die Betroffenen sprechen zu lassen und selbst eher zu schweigen. Es<br />

wird argumentiert, dass die Angehörigen Zeit benötigten, das Gehörte zu begreifen. Sie können<br />

zunächst nicht viele Informationen in dieser Situation aufnehmen. Dementsprechend wird auch<br />

Empathie, also einfühlendes Verstehen als positiv angeführt (15 <strong>von</strong> 171). Dabei sollten die<br />

Gefühle und Gedanken der Betroffenen mit eigenen Worten noch einmal zusammengefasst werden.<br />

Auch <strong>von</strong> den Empfängern wird dieser Punkt an zweiter Stelle bei den angemessenen Verhaltensweisen<br />

genannt.<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 5


Körperkontakt<br />

Während des Zuhörens sollte Blickkontakt mit den Empfängern gehalten werden, dies wird 43mal<br />

genannt. Körperkontakt wie Hand halten oder in den wird Arm nehmen <strong>von</strong> vielen Experten als<br />

positiv angesehen (88 <strong>von</strong> 171). Von einigen wird dabei aber auch betont, dass damit vorsichtig<br />

umgegangen werden sollte. Hinsichtlich des Körperkontakts zeigen sich auch Unterschiede in der<br />

Meinung der Experten. Immerhin wird 31mal genannt, dass körperliche Nähe und insbesondere<br />

Schulterklopfen nicht angemessen sei. Aufgrund dieser Ergebnisse kann hinsichtlich des<br />

Körperkontakts keine eindeutige Empfehlung gegeben werden. Wenn man den Eindruck hat, dies<br />

wird vom Empfänger als angenehm empfunden und er sucht <strong>von</strong> sich aus Körperkontakt, so kann<br />

der Empfänger durchaus in den Arm genommen werden, aber Körperkontakt sollte nicht aufgezwungen<br />

werden.<br />

Falsch ist es sicherlich nicht, wenn man die Empfänger bittet sich hinzusetzen (11 <strong>von</strong> 171). Dies<br />

sollte nach Meinung einiger Experten erfolgen für den Fall, dass es zu einem Zusammenbruch<br />

kommt. Ein derartiger Zusammenbruch tritt jedoch seltener als angenommen auf. Das Hinsetzen<br />

erscheint also eher indiziert, wenn die Nachricht völlig überraschend kommt.<br />

Fragen beantworten<br />

Insgesamt wird ruhiges und sachliches Verhalten <strong>von</strong> beiden Seiten als positiv angesehen. Dies<br />

wird <strong>von</strong> den Experten 21mal angeführt. Auch wird erwähnt, dass man ruhig auftreten und<br />

Sicherheit ausstrahlen sollte (35 <strong>von</strong> 171), wobei die Forderung insbesondere angesichts einiger<br />

besonders dramatischer Fälle leichter gestellt ist als sie befolgt werden kann. Fragen sollten offen<br />

beantwortet und Erklärungen gegeben werden (23 <strong>von</strong> 171). Deshalb ist es notwendig, möglichst<br />

viele Informationen über den Toten sich vorab zu besorgen.<br />

Anteilnahme<br />

Positiv allerdings nicht so häufig (19 <strong>von</strong> 171) wird das Zeigen <strong>von</strong> Anteilnahme gesehen. Dies<br />

bestätigen die Empfänger. Allerdings meinen auch eine ganze Reihe <strong>von</strong> Experten, dass eigene<br />

Gefühle zurückgehalten und nicht in deutlichem Ausmaß gezeigt werden sollten (32 <strong>von</strong> 171).<br />

Wenn die Betroffenen hingegen starke Emotionen wie Weinen zeigen, so sollten diese nach<br />

Meinung der Experten akzeptiert und nicht versucht werden, diese einzuschränken oder zu bremsen<br />

(24 <strong>von</strong> 171). Als positiv wird <strong>von</strong> den Experten auch noch genannt: konkrete Hilfen anbieten<br />

(24 <strong>von</strong> 171), Echtheit und Ehrlichkeit (6mal). Wiegel hält es auch für hilfreich, wenn gesagt werden<br />

kann, dass der Tote wenig habe leiden müssen.<br />

unangemessenes Verhalten<br />

Auf die Frage, was im Umgang mit den Betroffenen falsch sei, gaben die Experten folgende<br />

Anworten:<br />

Floskeln<br />

Am häufigsten wurde angeführt, dass Floskeln und oberflächliche Trostworte falsch seien (89 <strong>von</strong><br />

171). Insbesondere wurde hier der Satz "Es tut mir leid" wiederholt angeführt. Derartige Sätze sind<br />

sicherlich oft gut gemeint, haben aber eher eine gegenteilige Wirkung. Die Betroffenen empfinden<br />

sie als hohl, lediglich ohne echte Empfindung dahergesagt und als Allerweltsplattitüde. In einer<br />

derartigen Situation ist dies nicht angemessen.<br />

Drumherumreden<br />

Überhaupt scheint es angesichts der Situation schwer zu fallen, die richtigen Worte zu finden. Diese<br />

Schwierigkeit kann sich nicht nur in Floskeln und oberflächlichen Trostworten niederschlagen,<br />

sondern auch in anderen Verhaltensweisen wie Drumherumreden oder beschönigen. Ein derartiges<br />

Verhalten wird immerhin 50mal als unangemessen angeführt. Ein anderes Verhalten, das auch aus<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 6


Hilflosigkeit entstehen kann, ist: zu viel reden und zu viele Fragen. Dies wird 52mal als unangemessen<br />

angeführt.<br />

Das Gegenteil der oben angeführten Verhaltensweise "sich Zeit nehmen" wird 71mal als schädliche,<br />

unangemessene Verhaltensweise genannt, nämlich Eile und Hektik. Insbesondere wird hier<br />

auch noch motorische Unruhe angeführt (44 <strong>von</strong> 171). Auch <strong>von</strong> den Empfängern wird an erster<br />

Stelle hektisches Verhalten als unangenehm benannt.<br />

Umfeld<br />

Ein unangemessenes Umfeld wird 34mal als Fehler angeführt. Neben einem angemessenem<br />

Umfeld ist auch eine ausgewogene räumliche Nähe und Distanz <strong>von</strong> Bedeutung. Der Überbringer<br />

darf dem Empfänger nicht "zu nahe treten" (im wörtlichen Sinne), denn damit dringt er in die "intime<br />

Zone" des Empfängers ein. Auch ein zu großer Abstand wird <strong>von</strong> Menschen in dieser Situation<br />

als unangenehm empfunden. Diese öffentliche Zone mit großem Abstand ist für eine Begegnung<br />

in der Öffentlichkeit angemessen; sie beginnt etwa bei einer Entfernung <strong>von</strong> 3,50m. Angemessen<br />

ist die persönliche oder die sozial-konsultative Zone. Der Abstand zum Empfänger sollte also zwischen<br />

ein und drei Metern liegen. Viele Überbringer wählen intuitiv diesen Abstand, aber zu große<br />

räumliche Distanz wird immerhin 23mal als unangemessenes Verhalten genannt und zu große<br />

räumliche Nähe 19mal. Diese Punkte wären sicherlich nicht benannt worden, wenn sie nicht auch<br />

beobachtet worden wären.<br />

Zu routiniert<br />

Als schädlich wird auch distanziertes Verhalten angesehen (17 <strong>von</strong> 171) sowie Routine (11mal),<br />

womit zu routiniertes Verhalten gemeint ist und nicht eine Routine, die sich positiv niederschlägt.<br />

Diese positive Routine würde angemessenes Verhalten zur Folge haben. Routine im negativen<br />

Sinne kann sich in Desinteresse (12mal) und Gefühlskälte (11mal) niederschlagen. Derartige<br />

Verhaltensweisen können wohl schon als grobe Kunstfehler angesehen werden.<br />

Lachen<br />

Als unangemessen wird noch Lachen und fehlende Ernsthaftigkeit angeführt (19 <strong>von</strong> 171). Dies<br />

lässt bei der Thematik erstaunen, immerhin muss es aber offensichtlich beobachtet worden sein.<br />

Das Lachen kann eine Übersprungshandlung darstellen. Sogar bei Beerdigungen ist ein derartiges<br />

Verhalten zu beobachten. Trotzdem ist es natürlich in derartigen Situationen unangemessen, und<br />

die meisten Beobachter sind da<strong>von</strong> peinlich berührt. Auch eine forsche Haltung (13mal) wird als<br />

Fehler benannt.<br />

Allein lassen<br />

Ebenfalls 13mal wird genannt, es sei falsch, die Betroffenen allein zu lassen. Es sollte dafür gesorgt<br />

werden, dass jemand bei den Empfängern bleibt. Seltener werden die negativ bewerteten Angaben<br />

gemacht: "Ratschläge geben" oder "eigene ähnliche Erlebnisse darstellen". Dies muss allerdings<br />

nicht bedeuten, dass dieses Verhalten als weniger negativ angesehen wird, sondern kann auch<br />

lediglich ein Indikator dafür sein, dass es nicht so häufig auftritt.<br />

Typische Fehler<br />

Die Experten wurden auch danach befragt, was für typische Fehler bei dem <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong><br />

<strong>Todesnachrichten</strong> auftreten. Dabei sollte es sich um Fehler handeln, die häufig auftreten und die<br />

man bei Kollegen beobachtet oder auch bei sich selbst.<br />

Mangelnde Zeit<br />

Als typischer Fehler wurde an erster Stelle ein Punkt genannt, dessen Gegenteil unter wünschenswerten<br />

Verhaltensweisen auch an erster Stelle stand: Zeitdruck (66 <strong>von</strong> 171). Mangelnde Zeit<br />

scheint also eindeutig das größte Problem <strong>beim</strong> <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> zu sein.<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 7


Oberflächlichkeit<br />

An zweiter Stelle fiel der Begriff Oberflächlichkeit, mit den Gedanken nicht bei der Sache sein (49<br />

<strong>von</strong> 171). In diesem Zusammenhang ist auch der Punkt Gefühlskälte, zu routiniertes Verhalten zu<br />

sehen (42 <strong>von</strong> 171). Wie ersichtlich führt Routine also keinesfalls immer zu einer Verbesserung des<br />

Verhaltens, sondern kann auch zu einer Verschlechterung führen. Sicherlich ist es verständlich,<br />

wenn sich nach vielen Jahren eine gewisse Routine einstellt. Diese sollte jedoch keinesfalls dazu<br />

führen, dass der Eindruck <strong>von</strong> Oberflächlichkeit und gar Gefühlskälte entsteht.<br />

Zu viel Gefühl<br />

Doch auch das Gegenteil <strong>von</strong> Gefühlskälte wird genannt, nämlich zu viel Emotion (21 <strong>von</strong> 171).<br />

Möglicherweise tritt dies Verhalten auf, wenn eine besonders drastische Todesnachricht wie beispielsweise<br />

der Tod eines Kindes zu überbringen ist. Insgesamt gesehen ist es ein schmaler Grat,<br />

auf dem Gefühl und Mitgefühl gezeigt werden kann. Auf der einen Seite soll nicht der Eindruck<br />

<strong>von</strong> Gefühlskälte entstehen und dass routiniert soeben die fünfhundertste Todesnachricht überbracht<br />

wird. Auf der anderen Seite wird auch zu viel Emotion als ungünstig angesehen. Ein mittleres<br />

Ausmaß erscheint angemessen, also schon einfühlendes Verstehen, aber nicht mitleiden.<br />

Weiterhin wird noch eine unangemessene Wortwahl (33 <strong>von</strong> 171) als typischer Fehler genannt<br />

sowie Unsicherheit und Berührungsängste (19 <strong>von</strong> 171). Die telefonische Benachrichtigung wird<br />

immerhin noch 13mal angeführt und tritt demnach nicht so selten auf, wie man vielleicht meinen könnte.<br />

Erwähnt wurde auch noch: zu viel Anwesende, Gespräch auf dem Flur und verbale Verharmlosung.<br />

6. Anwesende, Angehörige<br />

Die Überbringer <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> werden teilweise damit konfrontiert, dass weitere Personen<br />

anwesend sind. Das Verhältnis dieser Personen zu den Empfängern ist oft nicht sofort ersichtlich.<br />

Es kann sich um enge Angehörige, die Kinder, oder oberflächliche Bekannte handeln. Problematisch<br />

ist, wie mit diesem Personenkreis umgegangen werden soll. Die schlechteste Möglichkeit<br />

ist sicherlich, die Personen zu ignorieren. Andererseits wäre es anmaßend und vom Empfänger<br />

nicht gewollt, die Anwesenden wegzuschicken. Aber auch sie in das Geschehen zu integrieren ist<br />

nicht unproblematisch. Dementsprechend variieren die Angaben hinsichtlich des Umgangs mit<br />

weiteren anwesenden Personen beträchtlich; bei dieser Interviewfrage trat eine sehr große Varianz<br />

auf. Die Angaben reichen <strong>von</strong>: "vom Gespräch ausschließen" bis "ins Gespräch einbeziehen", <strong>von</strong><br />

"neutral" bis "wegschicken".<br />

Verhältnis klären<br />

Eine ganze Reihe <strong>von</strong> Experten wollte ihre Entscheidung da<strong>von</strong> abhängig machen, wie die weiteren<br />

Anwesenden zum Empfänger der Nachricht stünden. So wurde 21mal genannt, dass sie<br />

zunächst einmal versuchen würden, das Verhältnis zum Betroffenen klären. 10mal wurde genannt,<br />

dass man das Thema mit den Betroffenen klären und ihren Wünschen folgen wollten.<br />

Ins Gespräch einbeziehen<br />

Dass sie anwesende Personen in das Gespräch einbeziehen, sagten 44 <strong>von</strong> 171 Befragten. Noch<br />

häufiger wurde sogar die Empfehlung gegeben, diese Personen ins Gespräch einzubeziehen<br />

(58mal). Anscheinend gelingt es nicht immer, andere Anwesende einzubeziehen, auch wenn dieses<br />

Verhalten als richtig angesehen wird. Allerdings halten nicht sämtliche Experten es für angemessen,<br />

Anwesende in das Gespräch einzubeziehen. So wurde 19mal genannt, dass möglichst keine<br />

anderen Personen anwesend sein und man diese wegschicken sollte. Eine Mischform wurde 12mal<br />

angeführt, nämlich die anderen Anwesenden im Raum belassen, aber nur mit dem direkt Betroffenen<br />

das Gespräch führen. 17mal meinten die Experten, dass man anschließend die anderen<br />

Anwesenden bitten sollte, sich um die direkt Betroffenen zu kümmern.<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 8


Beruhigende Wirkung<br />

Allein schon, dass jemand überhaupt anwesend ist, wird <strong>von</strong> einigen Experten als positiv angesehen<br />

(9 <strong>von</strong> 171). Hierbei ist allerdings hinsichtlich des Verhältnisses zum direkt Betroffenen und<br />

des Verhaltens der Anwesenden zu spezifizieren. Danach befragt, welche Verhaltensweisen konkret<br />

<strong>von</strong> Angehörigen gut sind, wurde genannt: das Zeigen <strong>von</strong> Mitgefühl und Anteilnahme (58mal). Es<br />

sei für die Betroffenen in dieser Situation einfach angenehm, wenn sie spürten, dass sie nicht allein<br />

sind und jemand sie mit ihren Gefühlen annimmt und daran anteilnimmt. Weitere Formulierungen<br />

betreffs angemessenen Verhaltens <strong>von</strong> Anwesenden waren: die Betroffenen zu unterstützen und<br />

Beistand zu zeigen (51<strong>von</strong> 171). Konkret kann sich dies zeigen durch in den Arm nehmen (37 <strong>von</strong><br />

171) oder auch durch organisatorische Hilfen (14). Eher selten wurde als positiv angesehen, wenn<br />

die Anwesenden ruhig und gefasst bleiben (12mal).<br />

Fehler <strong>von</strong> Angehörigen<br />

allein lassen<br />

Das Verhalten <strong>von</strong> weiteren anwesenden Personen muss jedoch nicht in jedem Fall positiv sein,<br />

einige Personen verhalten sich anscheinend ausgesprochen unangemessen. So wurde als falsch<br />

angesehen, wenn die direkt Betroffenen <strong>von</strong> den Anwesenden allein gelassen werden und diese<br />

nicht bei ihnen bleiben (26mal). Nach typischen Fehlern <strong>von</strong> Anwesenden befragt, führten die<br />

Experten auf: Gefühllosigkeit (16 <strong>von</strong> 171). Daraus ist zu schließen, dass dieses Verhalten gar nicht<br />

so selten vorkommt, wird es doch immerhin <strong>von</strong> ca. 10% der Experten als typischer Fehler benannt.<br />

Allerdings könnte hinter einer zur Schau getragenen Gefühllosigkeit auch in einigen Fällen stehen,<br />

dass die Trauer überspielt wird, was auch 6mal <strong>von</strong> den Experten genannt wird. Doch auch das<br />

Gegenteil kommt vor: So wird auch 10mal gespielte Anteilnahme genannt.<br />

Überreagieren, Vorwürfe<br />

Die Bandbreite <strong>von</strong> unangemessenen Verhaltensweisen ist nach Ansicht der Experten recht groß.<br />

So führen die Experten auch noch an, es sei falsch, wenn die Anwesenden sich hysterisch verhalten<br />

und überreagieren (36 <strong>von</strong> 171). Auch ein weiteres Verhalten <strong>von</strong> Anwesenden stimmt sehr<br />

nachdenklich und kommt anscheinend erstaunlich häufig vor; dies ist der Punkt: Vorwürfe machen<br />

und Schuldzuweisungen aussprechen (31 <strong>von</strong> 171). 24mal wurde sogar genannt, dass dies sogar ein<br />

typischer Fehler <strong>von</strong> Anwesenden sei. Dazu passt auch noch der Punkt: Beleidigungen, Beschimpfungen.<br />

Dies wird immerhin 7mal als typischer Fehler angeführt.<br />

Gleichgültigkeit<br />

Eine etwas harmlosere Variante ist noch Gleichgültigkeit. Immerhin wird ein derartiges Verhalten<br />

noch 19mal <strong>von</strong> Experten benannt. Insgesamt scheinen eine nicht geringe Anzahl <strong>von</strong> Anwesenden<br />

nicht gerade zimperlich mit den Betroffenen umzugehen. Dabei ist dies der unangemessenste<br />

Zeitpunkt für Vorwürfe. Selbst wenn die Personen recht hätten, wären Vorwürfe direkt nach dem<br />

<strong>Überbringen</strong> der Todesnachricht nicht angemessen. Als Fehler <strong>von</strong> Anwesenden wird auch noch<br />

aufgeführt: Beschönigen und Verharmlosen (16 <strong>von</strong> 171), Hilfe aufdrängen (7mal), Streit (6mal)<br />

und viel reden (5mal).<br />

7. Spezielle Gruppen<br />

Schwierige Personen<br />

Der Personenkreis, dem eine Todesnachricht überbracht werden muss, ist sehr groß und sehr unterschiedlich.<br />

Innerhalb dieses Personenkreises dürfte es Personen geben, die weniger problematisch,<br />

und Personen, die besonders problematisch hinsichtlich des Umgangs sind.<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 9


Eltern verstorbener Kinder<br />

Die Bandbreite, der Personen, die als besonders schwierig angesehen wird, ist hoch. Spitzenreiter<br />

ist eindeutig mit 44 Nennungen: Eltern verstorbener Kinder. Dies deckt sich mit den Befunden <strong>von</strong><br />

Wiegel. Bei ihrer Befragung <strong>von</strong> 80 Polizeibeamten, welche Situationen besonders belastend seien,<br />

wurde dies an erster Stelle genannt.<br />

Alleinstehende<br />

An zweiter Stelle stehen labile Personen (29 <strong>von</strong> 171) gleich gefolgt <strong>von</strong> dem Personenkreis:<br />

Alleinstehende (28mal), wozu häufig auch alte Personen gehören. Kinder und Jugendliche wurden<br />

9mal genannt und Ausländer 12mal. Dies dürfte auf das z.T. kulturell anders geprägte Verhalten<br />

dieses Personenkreises <strong>beim</strong> <strong>Überbringen</strong> einer Todesnachricht zurückzuführen sein, das sich beispielsweise<br />

in sehr lautem Klagen und Weinen äußern kann. Allgemein wurde gesagt, dass<br />

Personen eher problematisch sind, wenn sie dem Toten nahe standen (23mal). Seltener wurde noch<br />

angeführt: Überreagierende, Depressive, Aggressive, Unvorbereitete, Menschen mit Schuldgefühl<br />

oder einer Vorwurfshaltung.<br />

Umgang mit problematischen Personen<br />

Hinsichtlich des Umgangs mit diesem besonders problematischen Personenkreis wurde am häufigsten<br />

genannt: "Professionelle Hilfe hinzuziehen" bzw. "an Experten verweisen" (41 <strong>von</strong> 171). Es<br />

wäre also zu überlegen, ob nicht gleich ein professioneller Helfer wie Psychologe oder Notfallseelsorger<br />

in derartigen Fällen mitzunehmen ist. Zumindest sollten die Überbringer in diesen Fällen<br />

(wie auch generell) die Adresse eines professionellen Helfers bereit haben und diese hinterlassen.<br />

Recht häufig wurde auch noch angeführt: sich besonders viel Zeit nehmen (29mal) und eine vertraute<br />

Person oder auch einen Kollegen mit einbeziehen (19mal). Als Methode zur Beruhigung<br />

wurde das "Gespräch" genannt, wobei damit des öfteren vermerkt wurde, dass man diese Personen<br />

einfach reden lassen sollte (15mal). Recht selten wurden Medikamente genannt (6mal), hauptsächlich<br />

<strong>von</strong> den interviewten Medizinern.<br />

Kinder<br />

Hinsichtlich des Umgangs mit Kindern wurde am häufigsten genannt, dass man eher die Nachricht<br />

durch die Eltern oder nahestehende Personen überbringen lassen sollte als selbst diese Nachricht<br />

zu überbringen (34mal). Ansonsten gehen die Empfehlungen betreffs des Umgangs sehr auseinander.<br />

Sie reichen <strong>von</strong> wegschicken (17 <strong>von</strong> 171) und ablenken (4mal) bis zur Feststellung, dass ältere<br />

Kinder unterstützend wirken (9mal). Als positiv wird auch noch genannt: Körperkontakt, in den<br />

Arm nehmen (6mal) und typische Kinderfragen in Ruhe beantworten (4mal). Eine Erklärung für<br />

diese starke Varianz liegt einerseits darin, dass die Meinungen über den angemessenen Umgang mit<br />

Kindern stark divergieren. Andererseits spielt natürlich auch das Alter und die Entwicklung der<br />

Kinder eine sehr starke Rolle hinsichtlich des angemessenen Umgangs mit ihnen. Hierauf wird<br />

auch 28mal <strong>von</strong> den Experten explizit hingewiesen.<br />

Alter, Geschlecht<br />

Alters- und Geschlechtsunterschiede <strong>beim</strong> <strong>Überbringen</strong> können generell eher vernachlässigt werden,<br />

dies ist der Haupttenor der Befragungsergebnisse. So wird am häufigsten genannt, dass man<br />

sich nicht unterschiedlich gegenüber alten und jungen Empfängern verhält (81 <strong>von</strong> 171). Immerhin<br />

wurde aber auch 14mal angeführt, dass man Älteren eher mit mehr Einfühlungsvermögen begegnet,<br />

aber bei Jüngeren mehr Mitleid verspürt (10mal), was allerdings auch dazu führen kann, dass<br />

man als Überbringer stärker gehemmt ist. Etwa ebensoviel Experten (77 <strong>von</strong> 171) gaben an, dass<br />

sie keine Unterschiede zwischen Frauen und Männern machen. 23mal wurde angeführt, dass<br />

Frauen eher sensibler reagieren und 10mal, dass Männer die Trauer eher nicht zeigen.<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 10


Ausländer<br />

Bei Ausländern kann sich ein Problem aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse ergeben.<br />

Dementsprechend wird 73mal angeführt, dass man um so mehr Gesten einsetzt oder einen Dolmetscher<br />

hinzuziehen sollte. Dieser Einschätzung kann ohne weiteres zugestimmt werden. Gestik und<br />

Mimik tragen wesentlich zum Verständnis einer Botschaft bei. Auch wenn die Sprache nur unvollständig<br />

verstanden wird, kann eine verstärkte Gestik und Mimik dazu beitragen, die Botschaft zu<br />

verstehen. Auf keinen Fall sollte Gestik und Mimik im Umgang mit Ausländern eingeschränkt werden.<br />

Dass je nach Kultur kulturelle oder religiöse Besonderheiten beachtet werden sollten, wird<br />

19mal erwähnt. Es wird aber auch die Meinung vertreten, keine Unterschiede im Verhalten zu zeigen<br />

(38mal).<br />

8. Berufliche Belastung<br />

Diejenigen Personen, die häufig eine Todesnachricht überbringen müssen, sind einer starken beruflichen<br />

Belastung ausgesetzt. Einige Aussagen <strong>von</strong> Experten besagen, dass man sich nie an das<br />

<strong>Überbringen</strong> einer Todesnachricht gewöhnt. Aus diesem Grund scheint es erforderlich, angemessen<br />

mit der dieser Belastung umzugehen. Zur Aufarbeitung des Geschehens wird an erster Stelle<br />

das Gespräch (84mal) angeführt. Dies erfolgt mit Freunden, Partnern oder Kollegen. An zweiter<br />

Stelle folgt mit deutlichem Abstand der Sport mit 17 Nennungen.<br />

44mal wurde aber auch genannt, dass die berufliche Belastung keine Probleme bereite und das<br />

<strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> einfach zum beruflichen Alltag hinzugehöre. Etwas skeptisch<br />

sich selbst gegenüber wurde allerdings 13mal erwähnt, dass man die Belastung wohl verdränge.<br />

Dementsprechend wurde auch 5mal genannt, dass man mit diesem Problem eigentlich schlecht<br />

umgehe. Ansonsten wurde noch angeführt: weinen, beten und Supervision (je 5mal).<br />

9. Diskussion und ergänzende Überlegungen<br />

Die Empfänger<br />

Für die Empfänger stellt das Erhalten einer Todesnachricht eine einmalige und sehr belastende<br />

Situation in ihrem Leben dar. Ein gemeinsamer Lebensabschnitt mit der verstorbenen Person ist<br />

beendet. Die Überbringer sollten sich der Bedeutung dieser Situation bewusst sein und sich dementsprechend<br />

verhalten. Dass die Reaktion auf eine Todesnachricht so unterschiedlich ausfällt, ist<br />

nicht weiter erstaunlich. Eine ganze Anzahl <strong>von</strong> Faktoren trägt dazu bei: Die Beziehung zu dem<br />

Toten ist unterschiedlich gewesen. Nicht immer war die Beziehung gut, manchmal wird sogar eine<br />

gewisse Genugtuung über den Tod empfunden. Auch die Persönlichkeit der Empfänger unterscheidet<br />

sich stark. So werden auch in dieser Situation gewohnte Verhaltensweisen aktiviert. Eine<br />

Person, die sich immer stark kontrolliert, wird auch in dieser Situation eher dazu neigen, sich zu<br />

kontrollieren. Eine Person, die immer ihre Gefühle nach außen trägt, wird auch in dieser Situation<br />

eher zu Weinen beginnen oder sogar einen Weinkrampf bekommen. Es spielt also nicht allein eine<br />

Rolle, ob eine Todesnachricht überraschend überbracht wird, auch wenn in dieser Situation eher<br />

mit starken Reaktionen zu rechnen ist als wenn ein Tod nach einer schweren Krankheit erfolgt.<br />

Doch sollte unter keinen Umständen eine überraschende Todesnachricht telefonisch überbracht<br />

werden.<br />

Die Überbringer<br />

Das größte Problem bei dem <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> stellt die Zeit dar. Eile und Hektik,<br />

die aufgrund des Zeitdrucks zustande kommen, sind bei einem derartig gravierenden Ereignis völlig<br />

unangemessen. Dies wird <strong>von</strong> beiden betroffenen Parteien, den Überbringern und den<br />

Empfängern so gesehen. Dass dies trotzdem der am häufigsten vorkommende Fehler darstellt,<br />

stimmt sehr nachdenklich. Sicherlich sind auf der einen Seite enge Dienstpläne eine Ursache die-<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 11


ses Dilemmas. Auf der anderen Seite wurde aber auch wiederholt in den Interviews angeführt, dass<br />

der Hinweis auf mangelnde Zeit auch nur vorgeschoben sein kann. Dahinter steckt z.T. die eigene<br />

Hilflosigkeit, wie mit den Empfängern angemessen umzugehen ist. Dass es zu einer gewissen<br />

Routine führt, wenn man jahrelang <strong>Todesnachrichten</strong> überbringen muss, ist einerseits verständlich.<br />

Möglicherweise hat man auch schon drastischere <strong>Todesnachrichten</strong> überbringen müssen als den<br />

Tod eines über 80 Jahre alten Mannes. Andererseits sollte diese Routine jedoch keinesfalls zu<br />

Oberflächlichkeit führen, sondern zu angemessenem Umgang mit den Empfängern. Es stimmt<br />

doch sehr bedenklich, dass ca. 1/3 der Befragten Experten Oberflächlichkeit als typischen Fehler<br />

ansehen und sogar häufig <strong>von</strong> Gefühlskälte gesprochen wird. Derartige Personen sind für das <strong>Überbringen</strong><br />

nicht geeignet.<br />

Spezielle Situationen<br />

Betreffs des Umgangs mit weiteren anwesenden Personen sollten letztendlich die Hauptbetroffenen<br />

entscheiden, ob diese dabeibleiben sollten. Daher ist diese Frage kurz zu klären. Sollte die<br />

Anwesenheit gewünscht werden, können die Anwesenden in das Gespräch einbezogen werden.<br />

Wenn allerdings die Anwesenden beginnen, dem Empfänger Vorwürfe zu machen oder ihn zu<br />

beleidigen, so sollten die Überbringer dies freundlich aber bestimmt unterbinden. Die Anwesenheit<br />

weiterer Personen kann, wenn sie sich angemessen verhalten, positiv gesehen werden. So bleiben<br />

auch die Empfänger <strong>beim</strong> Verlassen nicht allein zurück.<br />

Bei Kindern wünschen sich viele Eltern, Abschied <strong>von</strong> dem Kind zu nehmen. Sie möchten das<br />

Kind noch einmal in den Arm nehmen oder einfach einige Zeit bei dem Kind verweilen. Dieses<br />

Abschiednehmen kann dabei helfen, mit dem Tod des Kindes fertig zu werden (s. Helmerichs<br />

1997). Wenn es irgendwie möglich ist, sollte dem Wunsch der Eltern statt gegeben werden ("Wir<br />

lassen Sie jetzt mit Ihrem Kind ein wenig allein, damit Sie <strong>von</strong> ihm Abschied nehmen können. Wir<br />

bleiben im Nebenraum."). Spuren einer versuchten Reanimation sollten vorher beseitigt werden.<br />

Organisatorische Aspekte<br />

Wenn die Möglichkeit besteht, sollte die Nachricht nicht alleine überbracht werden, sondern im<br />

Zweierteam. Dabei ist eine vorherige Abstimmung erforderlich, wer die Führung übernimmt, wer<br />

sich um Kinder kümmert etc. Da sich oftmals erst später noch Fragen ergeben, die im ersten Schock<br />

nicht aufkamen, sollte <strong>beim</strong> Abschied eine Visitenkarte hinterlassen werden, ggf. auch eine Liste<br />

mit Hilfsadressen, beispielsweise eines Notfallpsychologen oder einer Selbsthilfegruppe. Wenn<br />

keine Adresse hinterlassen wird, so kann dies zur Folge haben, wie einige Interviewte berichteten,<br />

dass sie sehr viel herumtelefonieren und unnütz Wege zurücklegen mussten, um Begleitumstände<br />

des Todes zu erfahren.<br />

Supervision<br />

Die eigene berufliche Belastung durch das <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong> wird sehr unterschiedlich<br />

wahrgenommen. Wenn etwa ein Viertel der Befragten meinte, dass ihnen das <strong>Überbringen</strong><br />

keinerlei Probleme bereite, so könnte dies auch bedeuten, dass diese Personen abgestumpft<br />

sind, oberflächlich oder sogar mit Gefühlskälte reagieren, was immerhin als typischer Fehler<br />

genannt wird. Allein schon deshalb sollten Personen, die häufig eine Todesnachricht überbringen,<br />

eine Supervisionsgruppe besuchen. Hier kann das eigene Verhalten auch unter dem Aspekt:<br />

Umgang mit dem Empfänger reflektiert werden. Natürlich sollten in einer derartigen<br />

Supervisionsgruppe auch die eigenen Belastungen aufgearbeitet werden. Das <strong>Überbringen</strong> einer<br />

Todesnachricht ist eben keine Aufgabe wie viele andere, sondern stellt eine besondere Situation<br />

dar, in der es unabdingbar ist, sich angemessen zu verhalten. Wenn nicht über das eigene Verhalten<br />

reflektiert wird und die berufliche Belastung aufgearbeitet wird, hat das für den Überbringer und<br />

Empfänger sehr unangenehme Konsequenzen.<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 12


Regeln<br />

Vorher<br />

* Holen Sie vor dem <strong>Überbringen</strong> möglichst<br />

viele Informationen über den Toten und die<br />

Angehörigen ein, um Fragen beantworten zu<br />

können.<br />

* <strong>Überbringen</strong> Sie die Nachricht in deren gewohnter<br />

Umgebung.<br />

* Planen Sie 1 - 2 Stunden Zeit ein.<br />

* Rechnen Sie mit vielfältigen Reaktionen<br />

<strong>beim</strong> Opfer, beispielsweise: Weinen,<br />

Fassungslosigkeit, Verzweiflung, Versteinerung,<br />

Apathie, Schock, Aggressionen,<br />

Gelassenheit, Bemühen Fassung zu bewahren,<br />

nicht wahr haben wollen.<br />

* Die Reaktion fällt häufig stärker aus, wenn<br />

die Nachricht überraschend ist.<br />

* Rechnen Sie mit besonders problematischen<br />

Reaktionen bei Eltern verstorbener Kinder<br />

und bei alleinstehenden Personen. Planen Sie<br />

in diesen Fällen besonders viel Zeit ein.<br />

Ziehen Sie ggf. zusätzlich professionelle<br />

Hilfe hinzu (Telefonnummern parat haben).<br />

Das <strong>Überbringen</strong><br />

1. Stellen Sie sich mit Namen vor. Nennen Sie<br />

anschließend die Institution, <strong>von</strong> der Sie<br />

kommen. ("Guten Tag, mein Name ist<br />

Müller, das ist mein Kollege, Herr Schulz.<br />

Wir kommen <strong>von</strong> ...")<br />

2. Vergewissern Sie sich, ob Sie es mit der richtigen<br />

Person zu tun haben. ("Sind Sie Frau<br />

Meier, die Ehefrau <strong>von</strong> Bernd Meier?")<br />

3. Bitten Sie darum, eintreten zu dürfen. ("Wir<br />

müssen Sie in einer dringenden persönlichen<br />

Angelegenheit sprechen. Dürfen wir eintreten?")<br />

4. Bereiten Sie den Empfänger kurz auf die<br />

Nachricht vor. ("Wir müssen Ihnen eine traurige<br />

Nachricht überbringen.").<br />

5. Klären Sie das Verhältnis <strong>von</strong> weiteren<br />

anwesenden Personen zum direkt Betroffenen.<br />

Fragen Sie den Empfänger, ob<br />

weitere Anwesende dabei bleiben sollten.<br />

("Möchten Sie, dass Ihre Tochter im Raum<br />

bleibt? Mein Kollege könnte mit ihr rausgehen.")<br />

6. Benutzen Sie einfache, kurze Sätze. ("Ihr<br />

Mann hatte einen schweren Unfall.)<br />

7. Sprechen Sie eindeutig <strong>von</strong> "Tod", "verstorben"<br />

ohne drumherumzureden. ("Er ist noch<br />

an der Unfallstelle gestorben.")<br />

8. Sagen Sie nicht: "der Leichnam", sondern<br />

"Ihr Mann, Ihre Frau, Ihr Kind".<br />

9. Geben Sie dem Empfänger Zeit, das Gehörte<br />

zu verarbeiten.<br />

10. Hören Sie dem Empfänger zu (Empathie),<br />

reden Sie selbst eher wenig. ("Ihr Mann hat<br />

Ihnen sehr viel bedeutet.")<br />

11. Wenn Sie Anteilnahme verspüren, zeigen<br />

Sie dies. ("Ich weiß auch nicht, was ich<br />

Ihnen jetzt sagen soll.")<br />

12. Beantworten Sie offen Fragen.<br />

13. Halten Sie Blickkontakt.<br />

14. Wenn Sie den Eindruck haben, dass dem<br />

Empfänger Körperkontakt angenehm ist,<br />

halten Sie die Hand oder nehmen ihn in den<br />

Arm.<br />

15. Beachten Sie bei Ausländern kulturelle oder<br />

religiöse Besonderheiten. Ziehen Sie ggf.<br />

einen Dolmetscher hinzu.<br />

16. Falls anwesende Personen dem direkt Betroffenen<br />

Vorwürfe machen, unterbinden<br />

Sie dies.<br />

17. Lassen Sie die Empfänger nicht allein zurück.<br />

("Es ist jetzt nicht gut, allein zu bleiben.<br />

Soll ich jemanden für Sie anrufen?")<br />

18. Hinterlassen Sie eine Visitenkarte oder<br />

Kontaktadresse.<br />

19. Sprechen Sie mit Kollegen, Freunden, Partnern<br />

oder über die berufliche Belastung.<br />

Schließen Sie sich zu Supervisionsgruppen<br />

zusammen.<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 13


Fehler<br />

* Übermittlung der Todesnachricht per<br />

Telefon<br />

* Floskeln oder oberflächliche Trostworte.<br />

("Es wird schon wieder werden" oder "Es<br />

tut mir leid" oder "Sie sind ja noch jung und<br />

können noch mehr Kinder bekommen.")<br />

* Fremdwörter verwenden ("Die Reanimation<br />

hatte keinen Erfolg.")<br />

Literatur<br />

Gasch, B. & Lasogga, F., <strong>Psychische</strong> Erste Hilfe bei Herzinfarktpatienten. Rettungsdienst - Zeitschrift für Präklinische<br />

Notfallmedizin. 4, S. 21-25; 1999<br />

Gasch, B. & Lasogga, F. , <strong>Psychische</strong> Erste Hilfe bei Herzinfarktpatienten. Rettungsdienst - Zeitschrift für Präklinische<br />

Notfallmedizin. 5, S. 10-13; 1999<br />

Helmerichs, J., Erfahrungen des Rettungsdienst-Personals mit dem Notfalleinsatz "Plötzlicher Säuglingstod"<br />

Lasogga, F. & Gasch, B., <strong>Psychische</strong> Erste Hilfe bei Unfällen, 2. Aufl., Stumpf & Kossendey, Edewecht, 2000<br />

Lasogga, Frank, <strong>Psychische</strong> Erste Hilfe <strong>beim</strong> <strong>Überbringen</strong> <strong>von</strong> <strong>Todesnachrichten</strong>, Rettungsdienst - Zeitschrift für Präklinische<br />

Notfallmedizin, 4, S. 29-33; 5, S. 30-34; 2001<br />

Wiegel, E.-M., Bedrückende Last: eine Todesnachricht überbringen, Deutsche Polizei, Heft 2, 1988<br />

Univ.-Prof. Dr. Franz Lasogga<br />

Institut f. Psychologie, Universität Dortmund<br />

Erweiterung zum Kongressband Psyche und Berg 2001 14

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