Pharmakologie
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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />
Zeittafel<br />
<strong>Pharmakologie</strong><br />
Die Reizleitung an der Nervenfaser<br />
Animation Die Reizleitung an der Nervenfaser<br />
Die Ionenverteilung außerhalb und innerhalb der Zelle ist unterschiedlich. Im Ruhezustand<br />
ist die Natrium-Konzentration im extrazellulären Raum deutlich höher als im<br />
Zellinneren. Umgekehrt verhält es sich mit der Konzentration der Kalium-Ionen. Im<br />
Zellinneren ist die Kalium-Konzentration ungefähr 30mal höher als außerhalb der<br />
Zelle. Die ungleiche Ionenverteilung erzeugt eine Potentialdifferenz. Mißt man die<br />
elektrischen Potentiale innerhalb und außerhalb der Zelle, ergibt sich eine Spannung<br />
von –90 mV. Dies wird als Ruhemembranpotential bezeichnet.<br />
intrazellulär<br />
extrazellulär<br />
• Kalium-Ionen<br />
• Natrium-Ionen<br />
In der ruhenden Zelle bildet die Zellmembran eine Barriere und erhält so die ungleiche<br />
Ionenverteilung. Durch einen Reiz, beispielsweise einem Schmerzreiz, kommt es<br />
zu einer Konformationsänderung, die eine Öffnung der Ionenkanäle bewirkt. Durch<br />
Öffnen eines Ionenkanals, wie hier eines Natrium-Kanals, wird die Membran durchlässig.<br />
Natrium-Ionen strömen in das Zellinnere und laden es positiv auf. Es kommt<br />
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zu einer Abnahme des Membranpotentials, die als Depolarisation bezeichnet wird.<br />
Die folgende Öffnung der Kalium-Kanäle wirkt der Depolarisation entgegen. Durch<br />
den Ausstrom positiver Ladungen in Form der Kalium-Ionen kommt es rasch zu einer<br />
Repolarisation des Membranpotentials. Der Einstrom der Natrium-Ionen und der<br />
Ausstrom der Kalium-Ionen wird durch die Tätigkeit der Na-K-ATPase ausgeglichen.<br />
Sie stellt die ursprüngliche Ionenverteilung durch einen energieverbrauchenden<br />
Transport entgegen der Ionenkonzentration wieder her.<br />
Die Ausbreitung der Depolarisation<br />
Die Ausbreitung einer Depolarisation entlang erregbarer Zellmembranen erfolgt bei<br />
myelinisierten und bei nichtmyelinisierten Nervenfasern auf verschiedene Weise.<br />
Die Depolarisation der Zellmembran einer nichtmyelinisierten Nervenfaser löst eine<br />
Öffnung der folgenden Natrium-Kanäle aus. So breitet sich die Depolarisation kontinuierlich<br />
entlang der Zellmembran aus. Die Leitungsgeschwindigkeit beträgt zwischen<br />
0,5 und 2 m/s.<br />
Die Weiterleitung einer Erregung an myelinisierten Nervenfasern findet nur über die<br />
Ranvier´schen Schnürringe statt. Die Erregung springt von Schnürring zu Schnürring,<br />
so dass die Erregung wesentlich schneller fortgeleitet wird. Die Leitungsgeschwindigkeit<br />
erreicht dabei zwischen 12 und 30 m/s.<br />
Die Struktur der Lokalanästhetika<br />
Alle Lokalanästhetika besitzen eine gemeinsame Grundstruktur. Sie setzen sich aus<br />
einem lipophilen aromatischen Rest, einer hydrophilen Aminogruppe und einer Zwischenkette<br />
zusammen.<br />
Animation: Die Struktur der Lokalanästhetika<br />
Alle Lokalanästhetika besitzen eine gemeinsame Grundstruktur, die hier am Beispiel<br />
des Articains demonstriert werden soll.<br />
Das Molekül besteht aus:<br />
• einem lipophilen aromatischen Rest, in diesem Fall einem Thiophenring<br />
• einer Zwischenkette und<br />
• einer hydrophilen Aminogruppe.<br />
Die Zwischenkette ist der Angriffspunkt für Enzyme, die den Abbau des Moleküls beschleunigen.<br />
Nach der Art der Zwischenkette unterscheidet man zwei Hauptgruppen<br />
der Lokalanästhetika. Nämlich die Präparate vom Estertyp und vom Amidtyp. Die<br />
älteren Substanzen, wie z.B. das Procain, sind Ester. Moderne Substanzen, wie Articain,<br />
sind Amide.<br />
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Das Verhalten der Lokalanästhetika wird stark vom pH-Wert beeinflusst.<br />
Animation: Einfluß des pH-Wertes<br />
In saurem Milieu kommt es zur Anlagerung eines Protons an die Aminogruppe. Diese<br />
wird hierdurch hydrophil. In dieser Form kann das Lokalanästhetikum in einer wässrigen<br />
Lösung aufbereitet werden.<br />
In alkalischem Milieu wird das Proton abgestoßen. Das Molekül wird lipophil. In dieser<br />
lipophilen Form kann das Lokalanästhetikum durch die Lipidphase der Membran<br />
in das Cytoplama der Nervenzelle eindringen.<br />
Der pH-Wert, bei dem das Lokalanästhetikum zu 50% als hydrophiles Kation und zu<br />
50% als lipophile Base vorliegt, wird als pKa-Wert bezeichnet. Je höher der pKa-Wert<br />
einer Substanz, umso niedriger ist der Anteil an lipophilem Wirkstoff beim Vorliegen<br />
eines physiologischen pH-Wertes.<br />
Der pKa-Wert von Articain liegt bei 7,8.<br />
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Wirkung der Lokalanästhetika<br />
Lokalanästhetika blockieren reversibel und örtlich begrenzt die Entstehung und Fortleitung<br />
von Aktionspotentialen an Axonen. Hierdurch wir die Informationsübermittlung<br />
vom Ort der Schmerzentstehung an das ZNS gehemmt. Somit wird die Schmerzempfindung<br />
vorübergehend unterdrückt (Animation zur Wirkweise der Lokalanästhetika).<br />
Dabei verschwinden die Empfindungen in einer bestimmten Reihenfolge. Die Wirkung<br />
auf verschiedene Typen von Nervenzellen ist unterschiedlich. In entzündlich<br />
verändertem Gewebe lässt die Wirkung der Lokalanästhetika nach.<br />
Animation: Der Wirkmechanismus der Lokalanästhetika<br />
Nach der Injektion wird die saure Lokalanästhetikalösung durch die Pufferkapazität<br />
des Gewebes neutralisiert. Zwischen Kation und Base stellt sich ein Gleichgewicht<br />
ein. Nur die lipophile Base kann durch die Lipidphase der Membran in das Zellinnere<br />
eindringen.<br />
Im Zellinneren stellt sich durch die Anlagerung von Protonen wieder ein Gleichgewicht<br />
zwischen Kation und Base ein. Durch Bindung innerhalb der Ionenkanäle blokkiert<br />
das Lokalanästhetikum die Konformationsänderung der Natrium-Kanäle. Erst<br />
bei höheren Konzentrationen werden auch die Kalium-Kanäle blockiert.<br />
Das Ausbleiben der Konformationsänderung verhindert die Öffnung der Ionenkanäle<br />
und somit die Entstehung oder Weiterleitung eines Aktionspotentials. Der Schmerzreiz<br />
wird nicht an das Gehirn weitergeleitet.<br />
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Reihenfolge der Wirkungen<br />
Bei der Einwirkung eines Lokalanästhetikums verschwinden die Empfindungen in<br />
folgender Reihenfolge:<br />
• Schmerz<br />
• Temperaturempfinden<br />
• Berührung<br />
• Druck<br />
Wenn die lokalanästhetische Wirkung nachlässt, kehren die Empfindungen in umgekehrter<br />
Reihenfolge zurück. Die Schmerzempfindung bleibt also am längsten ausgeschaltet.<br />
Ansprechbarkeit verschiedener Nervenzellen<br />
Die Blockade der Entstehung und Fortleitung von Aktionspotentialen durch Lokalanästhetika<br />
kann prinzipiell an allen Typen von Nervenzellenerfolgen (so z.B. auch am<br />
Erregungsleitungssystem des Herzens). Die Ansprechbarkeit der verschiedenen Typen<br />
von Nervenzellen auf die erregungsblockierende Wirkung von Lokalanästhetika<br />
ist jedoch unterschiedlich. So wird die Erregungsleitung in den dünnen, nichtmyelinisierten,<br />
sensiblen Nervenzellen (Durchmesser 0,4 bis 1,2 µm) bereits bei geringeren<br />
Konzentrationen an Lokalanästhetika unterbrochen als die Erregungsleitung in den<br />
dickeren, myelinisierten, motorischen Nervenzellen (Durchmesser 12 bis 20 µm)<br />
Geringere Wirkung der Lokalanästhetika in entzündlich verändertem Gewebe<br />
Entzündetes Gewebe weist einen niedrigeren pH-Wert auf als normales Gewebe.<br />
Das im Rahmen der Entzündungsreaktion entstehende Ödem führt zu verlängerten<br />
Diffusionswegen und zum Sauerstoffmangel. Der Sauerstoffmangel hat eine gesteigerte<br />
anaerobe Glykolyse und damit die vermehrte Bildung von Laktat zur Folge.<br />
Diese Laktatazidose mit erniedrigtem pH-Wert bedingt einen erniedrigten Anteil der<br />
lipophilen Form des Lokalanästhetikums im Gewebe. Somit wird die Penetrationsfähigkeit<br />
des Lokalanästhetikums in die Nervenzellen und damit auch seine Wirksamkeit<br />
herabgesetzt.<br />
Auch eine versehentliche intravasale Injektion oder die Benutzung überlagerter Lösungen<br />
kann zu einer geringeren Wirkung führen. Weitere Gründe für ein Anästhesieversagen<br />
sind chronischer Alkoholgenuss, starkes Rauchen, anatomische Besonderheiten<br />
und die dauernde Einnahme von Schmerzmitteln.<br />
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Eigenschaften der Lokalanästhetika<br />
Auch alle heute eingesetzten Lokalanästhetika sind Weiterentwicklungen der natürlich<br />
vorkommenden Substanz Cocain. Ziele der Weiterentwicklung waren eine Reduktion<br />
der Toxizität und die Verbesserung der lokalen Wirksamkeit.<br />
Entscheidenden Einfluss auf Wirksamkeit und Verträglichkeit der verschiedenen<br />
Substanzen haben vor allem<br />
• die Lipidlöslichkeit und<br />
• das Ausmass der Proteinbindung.<br />
Die Lipidlöslichkeit wird als Verteilungskoeffizient in einer wässrigen Phase und einer<br />
Lösungsmittelphase gemessen. Hohe Lipidlöslichkeit führt zu stärkerer Wirksamkeit,<br />
steigert gleichzeitig aber auch die Toxizität der Substanz.<br />
Eine hohe Proteinbindung korreliert gleichfalls mit einer erhöhten Wirksamkeit, vermindert<br />
aber die Toxizität. Unerwünschte Wirkungen werden nur von freiem, ungebundenem<br />
Lokalanästhetikum ausgelöst. Nach dem Übertritt in den Blutkreislauf<br />
werden zunächst die Proteinbindungsstellen der Serumproteine abgesättigt. So bleibt<br />
bei einer hohen Proteinbindung nur ein geringer ungebundener Anteil des Lokalanästhetikums,<br />
um unerwünschte Wirkungen auf das ZNS und das kardiovaskuläre System<br />
auszulösen.<br />
Forderungen an moderne Lokalanästhetika<br />
An moderne Lokalanästhetika werden folgende Anforderungen gestellt:<br />
• Rasch einsetzende und ausreichend lange Wirkung<br />
• Geringe Toxizität<br />
• Gute Gewebeverträglichkeit<br />
• Keine schädlichen Nebenwirkungen<br />
• Chemische Stabilität<br />
• Gute Wasserlöslichkeit<br />
• Mischbarkeit mit vasokonstriktorisch wirksamen Mitteln (z.B. Epinephrin)<br />
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Physikalisch-chemische Parameter<br />
nach Borchard und Niesel, 1994, sowie Borchard 1995<br />
Substanz<br />
Relative<br />
Wirkstärke<br />
Relative<br />
Toxizität<br />
Verteilungskoeffizient <br />
Proteinbindung<br />
(%)<br />
Procain 1 1 2,0 / 0,02 5,8 9,0<br />
Mepivacain 4 2 19,3 / 0,8 78 7,8<br />
Lidocain 4 2 46,4 / 2,9 64 7,7<br />
Tetracain 10 10 123,3 / 4,1 75 8,5<br />
Articain 5 1,5 17,0 / 0,04 95 7,8<br />
Procain (z.B. Novocain®), ein Lokalanästhetikum vom Estertyp, wurde erstmals 1905<br />
von Einhom und Uhlfelder synthetisiert. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit und<br />
Löslichkeit, der geringen Toxizität, dem fehlenden Suchtpotential und der einfachen<br />
Synthese war es lange Zeit das Standardanästhetikum in der zahnärztlichen Praxis.<br />
Es weist nach über 90 Jahren und der Entwicklung vieler neuer Lokalanästhetika<br />
immer noch die geringste Toxizität aller Anästhetika auf.<br />
Schlechte Diffusionseigenschaften, eine lange Latenzzeit und kurze Wirkdauer führten<br />
allerdings dazu, dass Procain in der Zahnheilkunde heute nicht mehr verwendet<br />
wird.<br />
Mepivacain (z.B. Meaverin®) ist ein Lokalanästhetikum vom Amidtyp, das 1957<br />
erstmals synthetisiert wurde. Es hat wie Lidocain eine 4-fach stärkere Wirkung als<br />
Procain, die Wirkdauer ist länger. Vorteilhaft ist die nur sehr geringe oder fehlende<br />
vasodilatierende Wirkung.<br />
Verfügbare Konzentrationen in der zahnärztlichen Praxis sind 2- und 3%ige Lösungen.<br />
Lidocain (z.B. Xylocain®) wurde 1943 von Löfgren und Lundquist als erstes Lokalanästhetikum<br />
vom Amidtyp synthetisiert.<br />
Bei der Infiltrations- und Leitungsanästhesie hat Lidocain eine 4-fach stärkere Wirkung<br />
als das Procain. Die Wirkung tritt bereits 2 Minuten nach Injektion ein. Im Vergleich<br />
zum Procain ist die Wirkdauer deutlich länger, der Anästhesiebereich ist grö-<br />
pKa<br />
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ßer. Da die Anästhesiewirkung nur langsam abklingt, verläuft der postoperative<br />
Schmerz milder. Lidocain eignet sich auch als Oberflächenanästhetikum.<br />
Obwohl die relative Toxizität des Lidocains doppelt so hoch ist wie die des Procains,<br />
verringert sich die absolute Toxizität aufgrund der Möglichkeit der niedrigeren Dosierung<br />
erheblich.<br />
Die für zahnärztliche Zwecke übliche Handelsform ist eine 2%ige Lösung für die Infiltrations-<br />
und Leitungsanästhesie.<br />
Die fehlende oberflächenanästhetische Wirkung von Procain führte 1930 zur<br />
Entwicklung von Tetracain, wie Procain ein Lokalanästhetikum vom Estertyp.<br />
Tetracain ist aufgrund seiner ausgeprägten Lipophilie zehnmal stärker wirksam, aber<br />
auch zehnmal toxischer als Procain.<br />
Es wird heute nur noch als Oberflächenanästhetikum eingesetzt (z.B. Gingicain®)<br />
Articain (z.B. Ultracain®) ist ein Lokalanästhetikum vom Amidtyp. Es wurde von<br />
Hoechst entwickelt und kam 1976 auf den Markt. Heute ist es das Standardanästhetikum<br />
in der Zahnheilkunde. In seiner chemischen Struktur unterscheidet es sich von<br />
den anderen Amiden durch den Ersatz des Benzolringes durch einen Thiophenring.<br />
Articain weist eine niedrige Lipidlöslichkeit und eine hohe Proteinbindung auf. Hierdurch<br />
erreicht Articain eine 5-fach stärkere Wirksamkeit im Vergleich zu Procain.<br />
Gleichzeitig ist die Toxizität geringer als bei anderen Lokalanästhetika vom Amidtyp.<br />
Articain wird in der zahnärztlichen Praxis als 4%ige Lösung verwendet. Der vasokonstriktorisch<br />
wirksame Zusatz an Adrenalin kann im Vergleich zu anderen Substanzen<br />
auf die Hälfte reduziert werden, z.B. in Ultracain ® D-S mit einem Adrenalingehalt<br />
von 1:200.000.<br />
Abbau der Lokalanästhetika<br />
Lokalanästhetika vom Estertyp werden in der Blutbahn rasch durch die im Blutplasma<br />
enthaltene Cholinesterase gespalten. Die entstehenden Spaltprodukte sind lokalanästhetisch<br />
unwirksam. Der Abbau in der Leber spielt bei den Estern keine Rolle.<br />
Eine Ausnahme stellt das Cocain dar, das als Ester überwiegend in der Leber abgebaut<br />
wird.<br />
Die Amide Lidocain und Mepivacain werden in der Leber durch Monooxygenasen<br />
und Carboxylesterase abgebaut. Diese Metabolisierung führt zu einer längeren Halbwertszeit<br />
der Lokalanästhetika vom Amidtyp von 1 bis 3,6 Stunden.<br />
Eine Sonderstellung nimmt das Articain ein. Nach Blockade des Nervus mandibularis<br />
zeigt sich eine Serumeliminations-Halbwertszeit von 20 Minuten. Diese schnelle Entgiftungsgeschwindigkeit<br />
ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass das Amid Articain<br />
auch eine Estergruppe enthält, die eine Angriffsstelle für die Plasmaesterasen bildet.<br />
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Durch die Plasmaesterasen wird Articain zu der pharmakologisch unwirksamen Articaincarbonsäure<br />
abgebaut.<br />
Grenzdosierungen<br />
Präparat<br />
Ultracain ® D<br />
ohne Adrenalin<br />
mg / kg<br />
KG<br />
entspricht bei70 kg ca.<br />
ml Zylinderampullen Ampullen<br />
4 7 4 3,5<br />
Ultracain® D-S 7 12,5 7 6<br />
Ultracain® D-S<br />
forte<br />
7 12,5 7 6<br />
Zusätzliche Angaben zu Dosierung und Toxizität verschiedener Lokalanästhetika.<br />
Dosierung und Toxizität<br />
Wirksamkeit, Toxizität und Grenzdosen (nach Borchard, 1995)<br />
Substanz<br />
analgentische<br />
Toxizität<br />
Potenz<br />
Zulässige Grenzdosis (mg)<br />
Ohne Adrenalin Mit Adrenalin<br />
Procain 1 1 500 1000<br />
Prilocain 4 1,8 400 600<br />
Lidocain 4 2 300 500<br />
Mepivacain 4 2 300 500<br />
Articain 5 1,5 300 500<br />
Die Angaben zur analgetischen Potenz und zur Toxizität beziehen sich auf Procain<br />
als Referenzsubstanz (Wert für Procain jeweils 1).<br />
Die Höchstdosen gelten für eine ca. 70 kg schwere Normalperson. Bei deutlich abweichendem<br />
Gewicht sind entsprechende Korrekturen in den Höchstdosierungen<br />
vorzunehmen.<br />
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Vasokonstriktive Zusätze<br />
Im Gegensatz zu Cocain, das eine gefäßverengende Wirkung hat, wirken die synthetischen<br />
Lokalanästhetika gefäßerweiternd. Diese vasodilatierende Wirkung führt zu<br />
einer verstärkten Durchblutung und einem schnellen Abtransport des Wirkstoffs.<br />
Stolz gelang in den Hoechst-Laboratorien mit der Synthese von Adrenalin die Synthese<br />
des ersten Hormons überhaupt. Dieses konnte unter der Bezeichnung Suprarenin<br />
bereits 1905 im Kombination mit Procain für den Einsatz im zahnärztlichen Bereich<br />
angeboten werden.<br />
Durch den Zusatz von vasokonstriktorisch wirksamen Substanzen wie Adrenalin lässt<br />
sich der Abtransport des Lokalanästhetikums verzögern. Hierdurch erhöht sich die<br />
Wirkungsdauer, die Systemtoxizität wird reduziert. Damit wird - insbesondere wichtig<br />
bei längeren Eingriffen - durch den Adrenalinzusatz die zulässige Grenzdosis erhöht.<br />
Zusätzlich führt die vasokonstriktorische Substanz zu einem schwächer durchbluteten<br />
Operationsgebiet.<br />
Das Adrenalin selber hat keine anästhetische Wirkung.<br />
Eine Folge des Adrenalinzusatzes ist auch das nach Abklingen der Anästhesie<br />
verbleibende längere Taubheitsgefühl.<br />
Heutzutage steht Articain als 4%ige Lösung auch ohne Adrenalinzusatz zur Verfügung<br />
(Ultracain ® D ohne Adrenalin), das eine tiefe, aber kurze Anästhesie (10 bis<br />
15 Minuten) ohne lang anhaltendes Taubheitsgefühl ermöglicht.<br />
Noradrenalin soll wegen der Möglichkeit starker Blutdruckerhöhungen nicht mehr als<br />
vasokonstriktorischer Zusatz verwendet werden.<br />
Nebenwirkungen<br />
Nebenwirkungen sind bei der lokalen Anwendung von modernen Lokalanästhetika im<br />
zahnärztlichen Bereich selten.<br />
Systemische Nebenwirkungen können aufgrund einer allergischen Reaktion oder<br />
infolge eines zu hohen Blutspiegels des Lokalanästhetikums oder des vasokonstriktorisch<br />
wirksamen Zusatzes auftreten.<br />
Insbesondere nach versehentlicher intravasaler Injektion, aber auch nach zu hoher<br />
Dosierung können kardiale und zentralnervöse Störungen auftreten. Daher ist auf<br />
eine sorgfältige Aspirationskontrolle zu achten.<br />
Allergische Reaktionen und Hilfsstoffe<br />
Allergische Reaktionen auf Bestandteile der lokalanästhetischen Präparate sind selten.<br />
Lokalanästhetika vom Amidtyp haben eine geringere Allergierate, da sie keine<br />
allergen wirkende Paraaminogruppe enthalten, wie z.B. die Ester Procain oder Tetracain.<br />
Etwas häufiger sind Unverträglichkeitsreaktionen auf das in Mehrfachentnahmeflaschen<br />
notwendige Konservierungsmittel Methylparaben zurückzuführen, da dies ebenfalls<br />
eine potentiell allergene Paragruppe enthält.<br />
Dieses Risiko lässt sich durch Verwendung konservierungsmittelfreier Präparate vom<br />
Amidtyp oder die Verwendung von Zylinderampullen oder Brechampullen vermeiden.<br />
Adrenalin ist sehr sauerstoffempfindlich. Daher muss grundsätzlich allen adrenalin-<br />
oder noradrenalinhaltigen Lokalanästhetika der Zusatzstoff Sulfit (oder Disulfit) zur<br />
Stabilisierung des Adreanlin zugegeben werden. In seltene Fällen kann dieser Zusatz<br />
bei Sulfit-sensiblen Asthmatikern anfälle auslösen.<br />
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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />
Als allgemeine allergische Reaktionen können eine Urtikaria (Nesselsucht), eine allergische<br />
Dermatitis (Ekzem), Juckreiz, asthmatische Beschwerden und im Extremfall<br />
ein anaphylaktischer Schock auftreten.<br />
Systemische Nebenwirkungen<br />
Bei versehentlicher intravasaler Applikation oder einer Überdosierung können zentralnervöse<br />
und kardiale Nebenwirkungen auftreten.<br />
Früher musste bei Risiko-Patienten (beispielsweise mit arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz<br />
oder Diabetes mellitus) auf Adrenalinzusätze verzichtet werden. Dies war<br />
allerdings auf die damals noch gebräuchlichen, zu hohen Adrenalinkonzentrationen<br />
zurückzuführen (bis 1:25.000). Heute können Risiko-Patienten unproblematisch z.B.<br />
mit Ultracain®D-S behandelt werden (Adrenalinzusatz nur 1:200.000). Alternativ ist<br />
auch eine Behandlung mit dem adrenalinfreien Präparat Ultracain®D ohne Adrenalin<br />
möglich.<br />
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