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Pharmakologie

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Zeittafel<br />

<strong>Pharmakologie</strong><br />

Die Reizleitung an der Nervenfaser<br />

Animation Die Reizleitung an der Nervenfaser<br />

Die Ionenverteilung außerhalb und innerhalb der Zelle ist unterschiedlich. Im Ruhezustand<br />

ist die Natrium-Konzentration im extrazellulären Raum deutlich höher als im<br />

Zellinneren. Umgekehrt verhält es sich mit der Konzentration der Kalium-Ionen. Im<br />

Zellinneren ist die Kalium-Konzentration ungefähr 30mal höher als außerhalb der<br />

Zelle. Die ungleiche Ionenverteilung erzeugt eine Potentialdifferenz. Mißt man die<br />

elektrischen Potentiale innerhalb und außerhalb der Zelle, ergibt sich eine Spannung<br />

von –90 mV. Dies wird als Ruhemembranpotential bezeichnet.<br />

intrazellulär<br />

extrazellulär<br />

• Kalium-Ionen<br />

• Natrium-Ionen<br />

In der ruhenden Zelle bildet die Zellmembran eine Barriere und erhält so die ungleiche<br />

Ionenverteilung. Durch einen Reiz, beispielsweise einem Schmerzreiz, kommt es<br />

zu einer Konformationsänderung, die eine Öffnung der Ionenkanäle bewirkt. Durch<br />

Öffnen eines Ionenkanals, wie hier eines Natrium-Kanals, wird die Membran durchlässig.<br />

Natrium-Ionen strömen in das Zellinnere und laden es positiv auf. Es kommt<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

zu einer Abnahme des Membranpotentials, die als Depolarisation bezeichnet wird.<br />

Die folgende Öffnung der Kalium-Kanäle wirkt der Depolarisation entgegen. Durch<br />

den Ausstrom positiver Ladungen in Form der Kalium-Ionen kommt es rasch zu einer<br />

Repolarisation des Membranpotentials. Der Einstrom der Natrium-Ionen und der<br />

Ausstrom der Kalium-Ionen wird durch die Tätigkeit der Na-K-ATPase ausgeglichen.<br />

Sie stellt die ursprüngliche Ionenverteilung durch einen energieverbrauchenden<br />

Transport entgegen der Ionenkonzentration wieder her.<br />

Die Ausbreitung der Depolarisation<br />

Die Ausbreitung einer Depolarisation entlang erregbarer Zellmembranen erfolgt bei<br />

myelinisierten und bei nichtmyelinisierten Nervenfasern auf verschiedene Weise.<br />

Die Depolarisation der Zellmembran einer nichtmyelinisierten Nervenfaser löst eine<br />

Öffnung der folgenden Natrium-Kanäle aus. So breitet sich die Depolarisation kontinuierlich<br />

entlang der Zellmembran aus. Die Leitungsgeschwindigkeit beträgt zwischen<br />

0,5 und 2 m/s.<br />

Die Weiterleitung einer Erregung an myelinisierten Nervenfasern findet nur über die<br />

Ranvier´schen Schnürringe statt. Die Erregung springt von Schnürring zu Schnürring,<br />

so dass die Erregung wesentlich schneller fortgeleitet wird. Die Leitungsgeschwindigkeit<br />

erreicht dabei zwischen 12 und 30 m/s.<br />

Die Struktur der Lokalanästhetika<br />

Alle Lokalanästhetika besitzen eine gemeinsame Grundstruktur. Sie setzen sich aus<br />

einem lipophilen aromatischen Rest, einer hydrophilen Aminogruppe und einer Zwischenkette<br />

zusammen.<br />

Animation: Die Struktur der Lokalanästhetika<br />

Alle Lokalanästhetika besitzen eine gemeinsame Grundstruktur, die hier am Beispiel<br />

des Articains demonstriert werden soll.<br />

Das Molekül besteht aus:<br />

• einem lipophilen aromatischen Rest, in diesem Fall einem Thiophenring<br />

• einer Zwischenkette und<br />

• einer hydrophilen Aminogruppe.<br />

Die Zwischenkette ist der Angriffspunkt für Enzyme, die den Abbau des Moleküls beschleunigen.<br />

Nach der Art der Zwischenkette unterscheidet man zwei Hauptgruppen<br />

der Lokalanästhetika. Nämlich die Präparate vom Estertyp und vom Amidtyp. Die<br />

älteren Substanzen, wie z.B. das Procain, sind Ester. Moderne Substanzen, wie Articain,<br />

sind Amide.<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Das Verhalten der Lokalanästhetika wird stark vom pH-Wert beeinflusst.<br />

Animation: Einfluß des pH-Wertes<br />

In saurem Milieu kommt es zur Anlagerung eines Protons an die Aminogruppe. Diese<br />

wird hierdurch hydrophil. In dieser Form kann das Lokalanästhetikum in einer wässrigen<br />

Lösung aufbereitet werden.<br />

In alkalischem Milieu wird das Proton abgestoßen. Das Molekül wird lipophil. In dieser<br />

lipophilen Form kann das Lokalanästhetikum durch die Lipidphase der Membran<br />

in das Cytoplama der Nervenzelle eindringen.<br />

Der pH-Wert, bei dem das Lokalanästhetikum zu 50% als hydrophiles Kation und zu<br />

50% als lipophile Base vorliegt, wird als pKa-Wert bezeichnet. Je höher der pKa-Wert<br />

einer Substanz, umso niedriger ist der Anteil an lipophilem Wirkstoff beim Vorliegen<br />

eines physiologischen pH-Wertes.<br />

Der pKa-Wert von Articain liegt bei 7,8.<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Wirkung der Lokalanästhetika<br />

Lokalanästhetika blockieren reversibel und örtlich begrenzt die Entstehung und Fortleitung<br />

von Aktionspotentialen an Axonen. Hierdurch wir die Informationsübermittlung<br />

vom Ort der Schmerzentstehung an das ZNS gehemmt. Somit wird die Schmerzempfindung<br />

vorübergehend unterdrückt (Animation zur Wirkweise der Lokalanästhetika).<br />

Dabei verschwinden die Empfindungen in einer bestimmten Reihenfolge. Die Wirkung<br />

auf verschiedene Typen von Nervenzellen ist unterschiedlich. In entzündlich<br />

verändertem Gewebe lässt die Wirkung der Lokalanästhetika nach.<br />

Animation: Der Wirkmechanismus der Lokalanästhetika<br />

Nach der Injektion wird die saure Lokalanästhetikalösung durch die Pufferkapazität<br />

des Gewebes neutralisiert. Zwischen Kation und Base stellt sich ein Gleichgewicht<br />

ein. Nur die lipophile Base kann durch die Lipidphase der Membran in das Zellinnere<br />

eindringen.<br />

Im Zellinneren stellt sich durch die Anlagerung von Protonen wieder ein Gleichgewicht<br />

zwischen Kation und Base ein. Durch Bindung innerhalb der Ionenkanäle blokkiert<br />

das Lokalanästhetikum die Konformationsänderung der Natrium-Kanäle. Erst<br />

bei höheren Konzentrationen werden auch die Kalium-Kanäle blockiert.<br />

Das Ausbleiben der Konformationsänderung verhindert die Öffnung der Ionenkanäle<br />

und somit die Entstehung oder Weiterleitung eines Aktionspotentials. Der Schmerzreiz<br />

wird nicht an das Gehirn weitergeleitet.<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Reihenfolge der Wirkungen<br />

Bei der Einwirkung eines Lokalanästhetikums verschwinden die Empfindungen in<br />

folgender Reihenfolge:<br />

• Schmerz<br />

• Temperaturempfinden<br />

• Berührung<br />

• Druck<br />

Wenn die lokalanästhetische Wirkung nachlässt, kehren die Empfindungen in umgekehrter<br />

Reihenfolge zurück. Die Schmerzempfindung bleibt also am längsten ausgeschaltet.<br />

Ansprechbarkeit verschiedener Nervenzellen<br />

Die Blockade der Entstehung und Fortleitung von Aktionspotentialen durch Lokalanästhetika<br />

kann prinzipiell an allen Typen von Nervenzellenerfolgen (so z.B. auch am<br />

Erregungsleitungssystem des Herzens). Die Ansprechbarkeit der verschiedenen Typen<br />

von Nervenzellen auf die erregungsblockierende Wirkung von Lokalanästhetika<br />

ist jedoch unterschiedlich. So wird die Erregungsleitung in den dünnen, nichtmyelinisierten,<br />

sensiblen Nervenzellen (Durchmesser 0,4 bis 1,2 µm) bereits bei geringeren<br />

Konzentrationen an Lokalanästhetika unterbrochen als die Erregungsleitung in den<br />

dickeren, myelinisierten, motorischen Nervenzellen (Durchmesser 12 bis 20 µm)<br />

Geringere Wirkung der Lokalanästhetika in entzündlich verändertem Gewebe<br />

Entzündetes Gewebe weist einen niedrigeren pH-Wert auf als normales Gewebe.<br />

Das im Rahmen der Entzündungsreaktion entstehende Ödem führt zu verlängerten<br />

Diffusionswegen und zum Sauerstoffmangel. Der Sauerstoffmangel hat eine gesteigerte<br />

anaerobe Glykolyse und damit die vermehrte Bildung von Laktat zur Folge.<br />

Diese Laktatazidose mit erniedrigtem pH-Wert bedingt einen erniedrigten Anteil der<br />

lipophilen Form des Lokalanästhetikums im Gewebe. Somit wird die Penetrationsfähigkeit<br />

des Lokalanästhetikums in die Nervenzellen und damit auch seine Wirksamkeit<br />

herabgesetzt.<br />

Auch eine versehentliche intravasale Injektion oder die Benutzung überlagerter Lösungen<br />

kann zu einer geringeren Wirkung führen. Weitere Gründe für ein Anästhesieversagen<br />

sind chronischer Alkoholgenuss, starkes Rauchen, anatomische Besonderheiten<br />

und die dauernde Einnahme von Schmerzmitteln.<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Eigenschaften der Lokalanästhetika<br />

Auch alle heute eingesetzten Lokalanästhetika sind Weiterentwicklungen der natürlich<br />

vorkommenden Substanz Cocain. Ziele der Weiterentwicklung waren eine Reduktion<br />

der Toxizität und die Verbesserung der lokalen Wirksamkeit.<br />

Entscheidenden Einfluss auf Wirksamkeit und Verträglichkeit der verschiedenen<br />

Substanzen haben vor allem<br />

• die Lipidlöslichkeit und<br />

• das Ausmass der Proteinbindung.<br />

Die Lipidlöslichkeit wird als Verteilungskoeffizient in einer wässrigen Phase und einer<br />

Lösungsmittelphase gemessen. Hohe Lipidlöslichkeit führt zu stärkerer Wirksamkeit,<br />

steigert gleichzeitig aber auch die Toxizität der Substanz.<br />

Eine hohe Proteinbindung korreliert gleichfalls mit einer erhöhten Wirksamkeit, vermindert<br />

aber die Toxizität. Unerwünschte Wirkungen werden nur von freiem, ungebundenem<br />

Lokalanästhetikum ausgelöst. Nach dem Übertritt in den Blutkreislauf<br />

werden zunächst die Proteinbindungsstellen der Serumproteine abgesättigt. So bleibt<br />

bei einer hohen Proteinbindung nur ein geringer ungebundener Anteil des Lokalanästhetikums,<br />

um unerwünschte Wirkungen auf das ZNS und das kardiovaskuläre System<br />

auszulösen.<br />

Forderungen an moderne Lokalanästhetika<br />

An moderne Lokalanästhetika werden folgende Anforderungen gestellt:<br />

• Rasch einsetzende und ausreichend lange Wirkung<br />

• Geringe Toxizität<br />

• Gute Gewebeverträglichkeit<br />

• Keine schädlichen Nebenwirkungen<br />

• Chemische Stabilität<br />

• Gute Wasserlöslichkeit<br />

• Mischbarkeit mit vasokonstriktorisch wirksamen Mitteln (z.B. Epinephrin)<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Physikalisch-chemische Parameter<br />

nach Borchard und Niesel, 1994, sowie Borchard 1995<br />

Substanz<br />

Relative<br />

Wirkstärke<br />

Relative<br />

Toxizität<br />

Verteilungskoeffizient <br />

Proteinbindung<br />

(%)<br />

Procain 1 1 2,0 / 0,02 5,8 9,0<br />

Mepivacain 4 2 19,3 / 0,8 78 7,8<br />

Lidocain 4 2 46,4 / 2,9 64 7,7<br />

Tetracain 10 10 123,3 / 4,1 75 8,5<br />

Articain 5 1,5 17,0 / 0,04 95 7,8<br />

Procain (z.B. Novocain®), ein Lokalanästhetikum vom Estertyp, wurde erstmals 1905<br />

von Einhom und Uhlfelder synthetisiert. Aufgrund seiner guten Verträglichkeit und<br />

Löslichkeit, der geringen Toxizität, dem fehlenden Suchtpotential und der einfachen<br />

Synthese war es lange Zeit das Standardanästhetikum in der zahnärztlichen Praxis.<br />

Es weist nach über 90 Jahren und der Entwicklung vieler neuer Lokalanästhetika<br />

immer noch die geringste Toxizität aller Anästhetika auf.<br />

Schlechte Diffusionseigenschaften, eine lange Latenzzeit und kurze Wirkdauer führten<br />

allerdings dazu, dass Procain in der Zahnheilkunde heute nicht mehr verwendet<br />

wird.<br />

Mepivacain (z.B. Meaverin®) ist ein Lokalanästhetikum vom Amidtyp, das 1957<br />

erstmals synthetisiert wurde. Es hat wie Lidocain eine 4-fach stärkere Wirkung als<br />

Procain, die Wirkdauer ist länger. Vorteilhaft ist die nur sehr geringe oder fehlende<br />

vasodilatierende Wirkung.<br />

Verfügbare Konzentrationen in der zahnärztlichen Praxis sind 2- und 3%ige Lösungen.<br />

Lidocain (z.B. Xylocain®) wurde 1943 von Löfgren und Lundquist als erstes Lokalanästhetikum<br />

vom Amidtyp synthetisiert.<br />

Bei der Infiltrations- und Leitungsanästhesie hat Lidocain eine 4-fach stärkere Wirkung<br />

als das Procain. Die Wirkung tritt bereits 2 Minuten nach Injektion ein. Im Vergleich<br />

zum Procain ist die Wirkdauer deutlich länger, der Anästhesiebereich ist grö-<br />

pKa<br />

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ßer. Da die Anästhesiewirkung nur langsam abklingt, verläuft der postoperative<br />

Schmerz milder. Lidocain eignet sich auch als Oberflächenanästhetikum.<br />

Obwohl die relative Toxizität des Lidocains doppelt so hoch ist wie die des Procains,<br />

verringert sich die absolute Toxizität aufgrund der Möglichkeit der niedrigeren Dosierung<br />

erheblich.<br />

Die für zahnärztliche Zwecke übliche Handelsform ist eine 2%ige Lösung für die Infiltrations-<br />

und Leitungsanästhesie.<br />

Die fehlende oberflächenanästhetische Wirkung von Procain führte 1930 zur<br />

Entwicklung von Tetracain, wie Procain ein Lokalanästhetikum vom Estertyp.<br />

Tetracain ist aufgrund seiner ausgeprägten Lipophilie zehnmal stärker wirksam, aber<br />

auch zehnmal toxischer als Procain.<br />

Es wird heute nur noch als Oberflächenanästhetikum eingesetzt (z.B. Gingicain®)<br />

Articain (z.B. Ultracain®) ist ein Lokalanästhetikum vom Amidtyp. Es wurde von<br />

Hoechst entwickelt und kam 1976 auf den Markt. Heute ist es das Standardanästhetikum<br />

in der Zahnheilkunde. In seiner chemischen Struktur unterscheidet es sich von<br />

den anderen Amiden durch den Ersatz des Benzolringes durch einen Thiophenring.<br />

Articain weist eine niedrige Lipidlöslichkeit und eine hohe Proteinbindung auf. Hierdurch<br />

erreicht Articain eine 5-fach stärkere Wirksamkeit im Vergleich zu Procain.<br />

Gleichzeitig ist die Toxizität geringer als bei anderen Lokalanästhetika vom Amidtyp.<br />

Articain wird in der zahnärztlichen Praxis als 4%ige Lösung verwendet. Der vasokonstriktorisch<br />

wirksame Zusatz an Adrenalin kann im Vergleich zu anderen Substanzen<br />

auf die Hälfte reduziert werden, z.B. in Ultracain ® D-S mit einem Adrenalingehalt<br />

von 1:200.000.<br />

Abbau der Lokalanästhetika<br />

Lokalanästhetika vom Estertyp werden in der Blutbahn rasch durch die im Blutplasma<br />

enthaltene Cholinesterase gespalten. Die entstehenden Spaltprodukte sind lokalanästhetisch<br />

unwirksam. Der Abbau in der Leber spielt bei den Estern keine Rolle.<br />

Eine Ausnahme stellt das Cocain dar, das als Ester überwiegend in der Leber abgebaut<br />

wird.<br />

Die Amide Lidocain und Mepivacain werden in der Leber durch Monooxygenasen<br />

und Carboxylesterase abgebaut. Diese Metabolisierung führt zu einer längeren Halbwertszeit<br />

der Lokalanästhetika vom Amidtyp von 1 bis 3,6 Stunden.<br />

Eine Sonderstellung nimmt das Articain ein. Nach Blockade des Nervus mandibularis<br />

zeigt sich eine Serumeliminations-Halbwertszeit von 20 Minuten. Diese schnelle Entgiftungsgeschwindigkeit<br />

ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass das Amid Articain<br />

auch eine Estergruppe enthält, die eine Angriffsstelle für die Plasmaesterasen bildet.<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Durch die Plasmaesterasen wird Articain zu der pharmakologisch unwirksamen Articaincarbonsäure<br />

abgebaut.<br />

Grenzdosierungen<br />

Präparat<br />

Ultracain ® D<br />

ohne Adrenalin<br />

mg / kg<br />

KG<br />

entspricht bei70 kg ca.<br />

ml Zylinderampullen Ampullen<br />

4 7 4 3,5<br />

Ultracain® D-S 7 12,5 7 6<br />

Ultracain® D-S<br />

forte<br />

7 12,5 7 6<br />

Zusätzliche Angaben zu Dosierung und Toxizität verschiedener Lokalanästhetika.<br />

Dosierung und Toxizität<br />

Wirksamkeit, Toxizität und Grenzdosen (nach Borchard, 1995)<br />

Substanz<br />

analgentische<br />

Toxizität<br />

Potenz<br />

Zulässige Grenzdosis (mg)<br />

Ohne Adrenalin Mit Adrenalin<br />

Procain 1 1 500 1000<br />

Prilocain 4 1,8 400 600<br />

Lidocain 4 2 300 500<br />

Mepivacain 4 2 300 500<br />

Articain 5 1,5 300 500<br />

Die Angaben zur analgetischen Potenz und zur Toxizität beziehen sich auf Procain<br />

als Referenzsubstanz (Wert für Procain jeweils 1).<br />

Die Höchstdosen gelten für eine ca. 70 kg schwere Normalperson. Bei deutlich abweichendem<br />

Gewicht sind entsprechende Korrekturen in den Höchstdosierungen<br />

vorzunehmen.<br />

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Vasokonstriktive Zusätze<br />

Im Gegensatz zu Cocain, das eine gefäßverengende Wirkung hat, wirken die synthetischen<br />

Lokalanästhetika gefäßerweiternd. Diese vasodilatierende Wirkung führt zu<br />

einer verstärkten Durchblutung und einem schnellen Abtransport des Wirkstoffs.<br />

Stolz gelang in den Hoechst-Laboratorien mit der Synthese von Adrenalin die Synthese<br />

des ersten Hormons überhaupt. Dieses konnte unter der Bezeichnung Suprarenin<br />

bereits 1905 im Kombination mit Procain für den Einsatz im zahnärztlichen Bereich<br />

angeboten werden.<br />

Durch den Zusatz von vasokonstriktorisch wirksamen Substanzen wie Adrenalin lässt<br />

sich der Abtransport des Lokalanästhetikums verzögern. Hierdurch erhöht sich die<br />

Wirkungsdauer, die Systemtoxizität wird reduziert. Damit wird - insbesondere wichtig<br />

bei längeren Eingriffen - durch den Adrenalinzusatz die zulässige Grenzdosis erhöht.<br />

Zusätzlich führt die vasokonstriktorische Substanz zu einem schwächer durchbluteten<br />

Operationsgebiet.<br />

Das Adrenalin selber hat keine anästhetische Wirkung.<br />

Eine Folge des Adrenalinzusatzes ist auch das nach Abklingen der Anästhesie<br />

verbleibende längere Taubheitsgefühl.<br />

Heutzutage steht Articain als 4%ige Lösung auch ohne Adrenalinzusatz zur Verfügung<br />

(Ultracain ® D ohne Adrenalin), das eine tiefe, aber kurze Anästhesie (10 bis<br />

15 Minuten) ohne lang anhaltendes Taubheitsgefühl ermöglicht.<br />

Noradrenalin soll wegen der Möglichkeit starker Blutdruckerhöhungen nicht mehr als<br />

vasokonstriktorischer Zusatz verwendet werden.<br />

Nebenwirkungen<br />

Nebenwirkungen sind bei der lokalen Anwendung von modernen Lokalanästhetika im<br />

zahnärztlichen Bereich selten.<br />

Systemische Nebenwirkungen können aufgrund einer allergischen Reaktion oder<br />

infolge eines zu hohen Blutspiegels des Lokalanästhetikums oder des vasokonstriktorisch<br />

wirksamen Zusatzes auftreten.<br />

Insbesondere nach versehentlicher intravasaler Injektion, aber auch nach zu hoher<br />

Dosierung können kardiale und zentralnervöse Störungen auftreten. Daher ist auf<br />

eine sorgfältige Aspirationskontrolle zu achten.<br />

Allergische Reaktionen und Hilfsstoffe<br />

Allergische Reaktionen auf Bestandteile der lokalanästhetischen Präparate sind selten.<br />

Lokalanästhetika vom Amidtyp haben eine geringere Allergierate, da sie keine<br />

allergen wirkende Paraaminogruppe enthalten, wie z.B. die Ester Procain oder Tetracain.<br />

Etwas häufiger sind Unverträglichkeitsreaktionen auf das in Mehrfachentnahmeflaschen<br />

notwendige Konservierungsmittel Methylparaben zurückzuführen, da dies ebenfalls<br />

eine potentiell allergene Paragruppe enthält.<br />

Dieses Risiko lässt sich durch Verwendung konservierungsmittelfreier Präparate vom<br />

Amidtyp oder die Verwendung von Zylinderampullen oder Brechampullen vermeiden.<br />

Adrenalin ist sehr sauerstoffempfindlich. Daher muss grundsätzlich allen adrenalin-<br />

oder noradrenalinhaltigen Lokalanästhetika der Zusatzstoff Sulfit (oder Disulfit) zur<br />

Stabilisierung des Adreanlin zugegeben werden. In seltene Fällen kann dieser Zusatz<br />

bei Sulfit-sensiblen Asthmatikern anfälle auslösen.<br />

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Nach: „Lokalanästhesie in der Zahnheilkunde“, Georg-H. Nentwig 1. <strong>Pharmakologie</strong><br />

Als allgemeine allergische Reaktionen können eine Urtikaria (Nesselsucht), eine allergische<br />

Dermatitis (Ekzem), Juckreiz, asthmatische Beschwerden und im Extremfall<br />

ein anaphylaktischer Schock auftreten.<br />

Systemische Nebenwirkungen<br />

Bei versehentlicher intravasaler Applikation oder einer Überdosierung können zentralnervöse<br />

und kardiale Nebenwirkungen auftreten.<br />

Früher musste bei Risiko-Patienten (beispielsweise mit arterieller Hypertonie, Herzinsuffizienz<br />

oder Diabetes mellitus) auf Adrenalinzusätze verzichtet werden. Dies war<br />

allerdings auf die damals noch gebräuchlichen, zu hohen Adrenalinkonzentrationen<br />

zurückzuführen (bis 1:25.000). Heute können Risiko-Patienten unproblematisch z.B.<br />

mit Ultracain®D-S behandelt werden (Adrenalinzusatz nur 1:200.000). Alternativ ist<br />

auch eine Behandlung mit dem adrenalinfreien Präparat Ultracain®D ohne Adrenalin<br />

möglich.<br />

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