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Die ersten 100 Tage - Oliver Wyman

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Delta<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

<strong>Die</strong> Herausforderungen für einen neuen Vorstand


<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> Monate eines neuen Vorstands sind ausschlaggebend für seinen zukünftigen<br />

Erfolg. Deshalb ist die bewusste Gestaltung der <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong> von großer Bedeutung.<br />

In dieser Zeit werden die Entscheidungen und das Verhalten des neuen Vorstands von<br />

verschiedenen Interessengruppen – Mitarbeitern, Kunden, Anteilseignern, Investoren<br />

und Wettbewerbern – genau verfolgt und hinterfragt. Jede Handlung – und sei sie noch<br />

so unbedeutend – wird interpretiert und muss deshalb mit Bedacht ausgeführt werden.<br />

<strong>Die</strong>se <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong> stellen nicht nur eine einmalige Gelegenheit dar, sich zu positionieren.<br />

Sie bringen auch zahlreiche neue Herausforderungen mit sich. Ein unüberlegt<br />

handelnder CEO wird als voreilig, ein zu zögerlich handelnder als unentschlossen interpretiert<br />

werden. <strong>Die</strong> Menschen werden die neue Führungsperson schnell als gerecht<br />

oder willkürlich und, was noch ausschlaggebender ist, entweder als visionären Manager<br />

oder vorsichtigen Bürokraten einstufen.<br />

Abbildung 1: Leitfaden für die <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

WICHTIGSTE SCHRITTE<br />

Ausarbeitung eines Plans<br />

Durchführung einer Organisationsbewertung<br />

Auswahl des Rahmenkonzepts<br />

Erstellung einer Agenda<br />

Bewertung persönlicher<br />

Eigenschaften<br />

Einschätzung der persönlichen Fähigkeiten<br />

Berücksichtigung einer Insider- oder<br />

Outsider-Perspektive<br />

Befolgung der Richtlinien des Change-Leaderships<br />

Einbindung wichtiger<br />

Interessengruppen<br />

Einschätzung der Erwartungen<br />

der Interessengruppen<br />

Nutzung des Potenzials der Kommunikation<br />

Ausdehnung des<br />

Wirkungskreises<br />

Aufbau des Führungsteams<br />

Erweiterung des Top-Managements<br />

Antizipation von Risiken<br />

Vermeidung des Rettersyndroms<br />

Problematik charismatischer Führung verstehen<br />

Frühzeitige Nachfolgeplanung<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> Entscheidungen – insbesondere die Festlegung klarer Ziele, die Besetzung<br />

von Führungspositionen und die Formulierung und Kommunikation einer überzeugenden<br />

neuen Richtung – werden bestimmen, wie der Vorstand über Jahre hinweg wahrgenommen<br />

wird. Zudem lässt das hohe Tempo der Entscheidungsprozesse kaum Zeit,<br />

sich vollkommen in die neue Rolle einzufinden. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diese<br />

entscheidende Zeit systematisch anzugehen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

3


Unsere Erfahrung mit über <strong>100</strong> Vorständen führender<br />

internationaler Unternehmen zeigt, dass es wichtig<br />

ist, eine durchdachte Strategie zur Verwirklichung der<br />

neuen Ziele zu entwickeln, um die gezielte Steuerung<br />

des Übergangsprozesses zu ermöglichen. Um die<br />

<strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong> erfolgreich zu meistern, sind daher<br />

unserer Erfahrung nach fünf Schritte notwendig:<br />

1. Einen Plan ausarbeiten<br />

2. Persönliche Eigenschaften bewerten<br />

3. Wichtige Interessengruppen einbinden<br />

4. Den Wirkungskreis ausdehnen<br />

5. Risiken antizipieren<br />

1. Einen Plan ausarbeiten<br />

Auch wenn Mitarbeiter ein schnellstmögliches Handeln<br />

erwarten, sollte sich ein neuer Vorstand nicht zu<br />

überstürzten Entscheidungen drängen lassen.<br />

Henry Schacht, der für tiefgreifende Veränderungen in<br />

zwei sehr unterschiedlichen Konzernen – Cummins<br />

Engine Co. und Lucent Technologies – verantwortlich<br />

war, erklärt: „Halten Sie inne, bevor Sie etwas unternehmen.<br />

Gehen Sie keinen Schritt weiter. Denken Sie<br />

zuerst über die folgenden Fragen nach: Was versuchen<br />

Sie zu tun? Wie sieht die gegenwärtige<br />

Situation aus? Was geschieht gerade? Wo stehen Sie?<br />

Was müssen Sie als Erstes tun und warum? Vor dem<br />

Hintergrund Ihrer Erfahrung und der Methoden, die<br />

Sie im Laufe der Jahre angewendet haben, welche<br />

könnte hier am ehesten erfolgreich eingesetzt werden<br />

und warum? Was sind Ihre Prioritäten? Der Tag hat<br />

nur vierundzwanzig Stunden. Viele Dinge werden für<br />

längere Zeit liegen bleiben. Womit genau wollen Sie<br />

Ihre Zeit verbringen?“ 1<br />

Eine Organisationsanalyse deckt zu optimierende<br />

Unternehmensbereiche und -abläufe auf. Basierend<br />

auf dieser Bewertung kann ein Optimierungsplan<br />

erstellt werden, der Umsetzungsmaßnahmen und<br />

Messkriterien zur Erfolgskontrolle beinhaltet.<br />

Sowohl bei der Bewertung selbst als auch bei der Erstellung<br />

eines Optimierungsplans sollte der neue<br />

CEO den gesamten Vorstand und wichtige Meinungsbildner<br />

mit einbeziehen. <strong>Die</strong>s signalisiert die Bereitschaft,<br />

auf andere zu hören und der neuen Unternehmensvision<br />

ein profundes Verständnis der Herausforderungen<br />

und Chancen der Organisation zugrunde<br />

zu legen.<br />

Ein Rahmenkonzept auswählen<br />

Bei der Durchführung einer detaillierten Bewertung ist<br />

es hilfreich, die Organisationsleistung anhand eines<br />

Rahmenkonzepts wie dem „Kongruenzmodell der<br />

Organisationsleistung“ von Delta zu bewerten. Mit<br />

Hilfe des Kongruenzmodells ist eine genaue Darstellung<br />

der aktuellen Situation des Unternehmens<br />

und seiner Organisationsabläufe möglich. So können<br />

Schwachstellen erkannt und die erforderlichen<br />

Optimierungsmaßnahmen priorisiert werden.<br />

Im Sinne des Kongruenzmodells wird jedes<br />

Unternehmen als ein System verstanden, das<br />

Strategie in Leistung umsetzt. <strong>Die</strong>s geschieht durch<br />

die Interaktion von vier Grundelementen:<br />

• Abläufe: grundlegende und inhärente Aufgaben<br />

und Prozesse innerhalb des Unternehmens, die<br />

das Funktionieren der formellen Organisation<br />

gewährleisten<br />

In den <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong>n muss deshalb ein grundlegender<br />

Plan entwickelt werden, der die zukünftige<br />

Richtung des Unternehmens angibt und den Weg zur<br />

Verwirklichung der neuen Ziele genau festlegt.<br />

<strong>Die</strong> Organisation bewerten<br />

Nur durch eine genaue und systematische Analyse<br />

der Unternehmenssituation können sinnvolle Schritte<br />

und damit erste Entscheidungen des neuen Vorstandsmitglieds<br />

bestimmt werden. Einen wichtigen<br />

Beitrag leistet hier die Bewertung der Organisation.<br />

• Menschen: Merkmale und Fähigkeiten der<br />

Individuen, welche die Arbeit innerhalb des<br />

Unternehmens ausführen<br />

• Formelle Organisation: Strukturen, die Gruppen<br />

und Individuen bei der Ausführung der erforderlichen<br />

Tätigkeiten unterstützen<br />

• Informelle Organisation: Verhaltensnormen,<br />

Einfluss- und Kommunikationsmuster sowie die<br />

Unternehmenskultur insgesamt<br />

1. Quelle: David A. Nadler: "Champions of Change".<br />

Jossey-Bass Publishers, San Francisco (1998).<br />

4 <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta


Abbildung 2: Das Kongruenzmodell von <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta<br />

Input<br />

Informelle<br />

Organisation<br />

Output<br />

Umfeld<br />

Systeme<br />

Ressourcen<br />

Strategie<br />

Abläufe<br />

Formelle<br />

Organisation<br />

Einheiten<br />

Historie<br />

Menschen<br />

Individuen<br />

Der Zweck dieses Systems besteht darin, eine<br />

bestimme Strategie in entsprechende Outputs zu verwandeln.<br />

Der Grad, in dem jedes Elementepaar innerhalb<br />

des Systems Kongruenz beziehungsweise „Fit“<br />

aufweist, bestimmt die Fähigkeit der Organisation,<br />

ihre strategischen Ziele zu erreichen. <strong>Die</strong> primäre<br />

Aufgabe des Vorstands und des Führungsteams ist<br />

es, ein hohes Maß an „Fit“ innerhalb einer Organisation<br />

aufzubauen und aufrechtzuerhalten.<br />

Das Kongruenzmodell dient nicht nur als System<br />

zur Organisationsuntersuchung, sondern kann<br />

auch als Instrument für die Kontrolle des jeweiligen<br />

Fortschritts genutzt werden.<br />

Um eine maximale Wirkung zu erzielen, sollten folgende<br />

Punkte bei der Erstellung der Agenda berücksichtigt<br />

werden:<br />

• Sie sollte auf der Situationsbewertung basieren<br />

• Sie muss die Hauptinitiativen sowie deren<br />

Reihenfolge beinhalten<br />

• Sie sollte Erfolgsmessung und Kommunikation<br />

als wesentliche und permanente Teile des<br />

Gesamtplans enthalten<br />

• Sie sollte die neue Zielsetzung erläutern<br />

Eine Agenda erstellen<br />

Nach der Unternehmensbewertung auf Basis des<br />

Kongruenzmodells werden die zur Optimierung<br />

notwendigen Maßnahmen definiert. <strong>Die</strong>se sind<br />

Teil einer Agenda, die sowohl die neuen Ziele des<br />

Unternehmens, als auch die einzelnen Schritte und<br />

Umsetzungsmaßnahmen beinhaltet. Eine gut ausgearbeitete<br />

Agenda mobilisiert die Mitarbeiter für die<br />

Umsetzung und garantiert, dass die Aufmerksamkeit<br />

auf die Initiativen gerichtet bleibt, die den größten<br />

Einfluss auf die Organisationsleistung haben.<br />

• Das Führungsteam sollte bei der Erstellung und<br />

Überwachung der Agenda mit einbezogen werden<br />

<strong>Die</strong>se Agenda ist nicht nur als Leitfaden für den<br />

Vorstand, sondern auch für die Zusammenarbeit mit<br />

verschiedenen Interessenvertretern wichtig und dient<br />

als Grundlage und Orientierung für alle weiteren<br />

Entscheidungen und Aktionen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

5


Abbildung 3: Beispiel einer Agenda<br />

PERMANENTE MESSUNG UND GAP-ANALYSE<br />

INTERVENTIONEN<br />

Definition und<br />

Implementierung von<br />

Steuerungsmodellen<br />

Daten der<br />

Organisationsbewertung<br />

Führungsteam-<br />

Meetings zur<br />

Festlegung<br />

des Plans<br />

Maßnahmen<br />

zur<br />

Einleitung<br />

von<br />

Veränderung<br />

Einbindung der wichtigsten<br />

Führungskräfte<br />

Festlegung der Vision,<br />

Werte, Kultur<br />

und erforderlichen<br />

Führungsfähigkeiten<br />

Aufgliederung der Vision,<br />

Werte, Kultur und der<br />

erforderlichen<br />

Führungsfähigkeiten<br />

Operationalisierung<br />

auf lokaler,<br />

Geschäftsbereichsebene<br />

Verbesserung der<br />

Führungskompetenz<br />

Aufbau der erforderlichen<br />

Fähigkeiten<br />

Führungsrückmeldung<br />

Initiierung einzelner<br />

Interventionen<br />

Erfolg<br />

Geschäftliche<br />

Leistung<br />

Engagierte<br />

Mitarbeiter<br />

Emotionales<br />

Engagement<br />

Maßnahmen zur<br />

Unterstützung und<br />

Aufrechterhaltung<br />

von Veränderung<br />

Einführung neuer<br />

Erfolgsmaße<br />

Anpassung der<br />

Belohnungssysteme<br />

ANPASSUNG DER BELOHNUNGSSYSTEME<br />

2. Persönliche Eigenschaften bewerten<br />

Nach der Unternehmensbewertung und der<br />

Erstellung einer Agenda muss sich ein neuer<br />

CEO über die eigene Rolle klar werden und auch<br />

anderen Vorständen bestimmte Rollen zuweisen.<br />

Das erfordert eine ehrliche Selbsteinschätzung<br />

der persönlichen Eigenschaften und eine<br />

anschließende Beurteilung, wie diese am besten<br />

genutzt werden können.<br />

Persönliche Fähigkeiten einschätzen<br />

Im <strong>ersten</strong> Schritt geht es darum, die persönlichen<br />

Stärken und Schwächen zu bestimmen. Unsere<br />

Erfahrung zeigt, dass die folgenden Eigenschaften<br />

für neue Vorstände besonders wertvoll sind:<br />

• Sinn für Humor<br />

• Verständnis<br />

• Verbindlichkeit<br />

Zur umfassenden Bewertung der persönlichen<br />

Fähigkeiten ist nicht nur eine ehrliche Selbsteinschätzung<br />

nötig. Auch Informationen aus formellen<br />

und informellen Quellen wie Leistungsbeurteilungen,<br />

360-Grad-Feedback und persönliche<br />

Gespräche sollten mit einbezogen werden. Es gilt,<br />

Stärken abzurunden und weniger ausgeprägte<br />

Fähigkeiten zu fördern und zu ergänzen.<br />

• Emotionale Stärke und Blick für das Wesentliche<br />

• Ehrlichkeit und authentisches Verhalten<br />

6 <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta


Insider oder Outsider: Chancen<br />

und Herausforderungen<br />

Ein CEO, der bereits vor seinem Aufstieg zum<br />

Vorstandsvorsitzenden im Unternehmen tätig<br />

war, sieht sich mit anderen Chancen und Herausforderungen<br />

konfrontiert, als eine Führungskraft,<br />

die von außen kommt.<br />

Als „Insider“ haben neue Führungskräfte<br />

folgende Vorteile:<br />

• Sie kennen die Abläufe des Unternehmens<br />

• Sie kennen die Unternehmenskultur<br />

• Sie sind aufgrund Ihrer jahrelangen Tätigkeit eng<br />

mit dem Unternehmen verbunden<br />

Wer eine Vorstandsposition als Insider antritt, muss<br />

sich aber auch der großen Herausforderungen bewusst<br />

sein, die dieser Einstieg mit sich bringt: Einige<br />

Entscheidungen – vor allem personelle – werden aus<br />

persönlichen Gründen nicht einfach sein.<br />

Steve Ballmer, der bereits zwanzig Jahre bei Microsoft<br />

Corporation beschäftigt war, als er Vorstand<br />

wurde, räumte ein, dass eine Reihe von Personalentscheidungen<br />

sehr schwierig waren. „[Sie müssen<br />

sicherstellen,] dass Sie keine Menschen in Ihrem<br />

Umfeld behalten, die nichts leisten. Wenn diese<br />

bereits seit langem im Unternehmen sind, dann ist<br />

das schon ziemlich schwierig. Ich bin ein Typ, der<br />

sehr loyal ist…Ich möchte nicht, dass sie gehen.<br />

Sie sind meine Freunde. Sie gehören zur Familie.<br />

Aber manchmal muss man sich klar machen,<br />

dass es das Richtige ist [wenn sie die Firma verlassen]…<br />

es ist besser für sie, und es ist besser für das<br />

Unternehmen.“ 2<br />

Insider können sich außerdem gezwungen sehen,<br />

entgegen ihrer bisherigen Überzeugung und entgegen<br />

der Erwartungen der Kollegen handeln zu<br />

müssen. <strong>Die</strong> Umsetzung radikaler Maßnahmen wird<br />

dadurch erschwert. Vertrautheit mit persönlichen<br />

Umständen, Karrierehoffnungen, Träumen und<br />

Enttäuschungen der Mitarbeiter kann bei kritischen<br />

Entscheidungen zum Problem werden. Bei einem<br />

Einstieg als „Outsider“ bieten sich andere Chancen:<br />

2. Quelle: Rebecca Buckman: „Boss Talk: Keeping on Course in<br />

a Crisis”. Erschienen in: The Wall Street Journal (9. Juni 2000).<br />

• <strong>Die</strong> Ernennung eines Outsiders zum Vorstand<br />

signalisiert, dass das Unternehmen und seine<br />

Mitarbeiter sich auf Veränderung einstellen müssen.<br />

<strong>Die</strong> Beteiligten sind sich bewusst, dass sich<br />

etwas verändern wird<br />

• Auf Outsider wird während der <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

aufgrund ihres Neueinstiegs im Unternehmen<br />

weniger stark Druck ausgeübt, schnell zu handeln.<br />

Ihnen wird mehr Zeit zur Einarbeitung und<br />

Orientierung zugestanden<br />

Carly Fiorina kam von außen zu Hewlett-Packard,<br />

um die Unternehmensleitung zu übernehmen.<br />

Sie stellte fest, dass sich Mitarbeiter hinter dem<br />

„HP-Ansatz“, einer von den Firmengründern<br />

weitergegebenen Doktrin, versteckten.<br />

„Der HP-Ansatz wurde zu einer Methode, um sich<br />

Veränderungen und radikalen Ideen zu widersetzen“,<br />

sagte sie. „Als Outsider war es mir<br />

möglich, diesen Ansatz in Frage zu stellen.“ 3<br />

Gleichzeitig stehen Outsider großen Herausforderungen<br />

gegenüber:<br />

• Als Neueinsteiger müssen sich Outsider zunächst<br />

Respekt und Glaubwürdigkeit erarbeiten<br />

• Sie bringen zwar frischen Wind in das Unternehmen,<br />

die Mitarbeiter werden aber zunächst<br />

jeder Handlung und Entscheidung kritischer<br />

hinterfragen, als bei bereits bekannten Personen<br />

• Um sich zu einer zugänglichen Führungspersönlichkeit<br />

zu entwickeln und als solche wahrgenommen<br />

zu werden, müssen Outsider zu<br />

Beginn ihrer Amtszeit mehr auf andere zugehen<br />

als Personen, die bereits zuvor im Unternehmen<br />

tätig waren<br />

• Menschen innerhalb des neuen Unternehmens<br />

zu finden, denen Neueinsteiger vertrauen und<br />

auf die sie sich verlassen können, braucht Zeit.<br />

Outsider sollten dem allgemeinen Druck widerstehen<br />

und sich diese Zeit nehmen, statt übereilte<br />

Entscheidungen zu treffen<br />

3. Quelle: Anthony Effinger: „HP’s Straight Shooting CEO: Her<br />

Job is to Break the Bad Old Habits and Rekindle the Inventiveness<br />

That Made the Company Great”. Erschienen in:<br />

Bloomberg News (8. Januar 2000).<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

7


<strong>Die</strong> Richtlinien des Change Leaderships befolgen<br />

Jeder Veränderungsprozess – auch die Ernennung<br />

eines neuen Vorstands – löst ähnliche Reaktionen<br />

innerhalb eines Unternehmens aus:<br />

• Spekulationen über die zukünftige Konzernpolitik<br />

überschlagen sich: Wer wird eine Führungsposition<br />

erhalten? Welche Projekte wird der neue<br />

Vorstand auf wessen Kosten befürworten?<br />

• Mitarbeiter verhalten sich passiv, warten ab,<br />

was passiert und fürchten um die eigene<br />

Position. <strong>Die</strong> Stimmung im Unternehmen ist<br />

daher angespannt<br />

<strong>Die</strong>se Reaktionen führen zum Stillstand der<br />

Unternehmensentwicklung und blockieren<br />

geplante Veränderungen. Folgende Maßnahmen<br />

können dem Vorstand dabei helfen, diese<br />

Reaktionen zu vermeiden und Veränderungen<br />

erfolgreich umzusetzen.<br />

Angemessene Unterstützung sicherstellen<br />

Damit Veränderung tatsächlich stattfindet, müssen<br />

die wichtigsten Führungskräfte bei der Umsetzung<br />

aktiv eingebunden werden. Sie müssen außerdem<br />

voll und ganz hinter den neuen Zielen stehen und<br />

von der neuen Richtung überzeugt sein. <strong>Die</strong>se zwei<br />

zentralen Punkte werden aus folgenden Gründen<br />

selten berücksichtigt:<br />

• Der CEO ist überzeugt davon, jedes Problem<br />

allein lösen zu können<br />

• Damit Führungskräfte die neuen Ziele wirklich<br />

befürworten, müssen sie diese verstehen. <strong>Die</strong>ser<br />

Prozess braucht jedoch Zeit, die oft nicht eingeplant<br />

wird<br />

• Den Mitarbeitern werden Informationen, die<br />

die Unternehmenszukunft betreffen, vorgestellt,<br />

ohne sie aktiv in die Zukunftsplanung mit einzubeziehen.<br />

Sie werden in eine passive Rolle<br />

gedrängt, dürfen nicht mitentscheiden und<br />

sind daher nicht bereit, Veränderungen<br />

zu unterstützen<br />

Der Vorstand bezieht nach und nach eine wachsende<br />

Anzahl von Menschen in den Veränderungsprozess<br />

mit ein. Hierbei muss jede Gruppe die<br />

gleiche Zeit bekommen, um die Vision und die<br />

neuen Ziele zu verstehen. <strong>Die</strong> Rechtfertigung der<br />

neuen Richtung ist jedes Mal wieder nötig, was<br />

das Gefühl vermitteln kann, keinen Fortschritt zu<br />

erzielen. Es lohnt sich jedoch, Zeit zu investieren,<br />

denn nur durch diesen langwierigen Vermittlungsund<br />

Verstehensprozess ist gewährleistet, dass<br />

die Mitarbeiter in Zukunft aktiv zur Umsetzung<br />

der neuen Ziele und damit zum Erfolg des<br />

Unternehmens beitragen.<br />

Gültige Informationen zur Verfügung stellen<br />

Alle, die an wichtigen Entscheidungen beteiligt<br />

sind, müssen alle verfügbaren Informationen<br />

erhalten, um beurteilen zu können, welche<br />

Schritte wirklich nötig sind. <strong>Die</strong>s erfordert einen<br />

gezielten und sorgfältigen Informationsaustausch.<br />

Bisweilen wird das Top-Management über die<br />

Zurückhaltung oder Verbreitung von Informationen<br />

entscheiden müssen. Unsere Empfehlung lautet:<br />

Falls Zweifel in Bezug auf die Verteilung bestimmter<br />

Informationen bestehen, sollten die Informationen<br />

weitergegeben werden. Das Management<br />

erwirbt sich Vertrauen und Glaubwürdigkeit, wenn<br />

es Informationen preisgibt, bevor andere Quellen<br />

sie in Umlauf bringen – was voraussichtlich früher<br />

oder später der Fall sein wird. <strong>Die</strong> Besorgnis und<br />

Unsicherheit, die aufgrund der Verbreitung solcher<br />

Informationen entstehen, richten weniger Schaden<br />

an als die Angst und Verwirrung, die durch um sich<br />

greifende Gerüchte und Klatsch verursacht werden.<br />

Überlegte Entscheidungen treffen<br />

Für die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungen<br />

ist wichtig, dass der CEO das Top-Management<br />

aktiv bei der Entscheidungsfindung mit einbezieht.<br />

Möglichst viele Alternativen sollten in freien,<br />

offenen und sachkundigen Diskussionen besprochen<br />

werden – egal, ob es sich um strategische,<br />

strukturelle oder personelle Entscheidungen handelt.<br />

Es gilt, nicht nur die naheliegendste und einfachste<br />

Lösung in Betracht zu ziehen, sondern<br />

eine optimale Lösung zu finden, auch wenn<br />

dafür ein Mehraufwand an Zeit und Ressourcen<br />

notwendig ist.<br />

8 <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta


3. Wichtige Interessengruppen einbinden<br />

Der Vorstand muss Mitarbeiter, Führungskräfte<br />

und andere Stakeholder bei der Planung und<br />

Umsetzung der neuen Unternehmensziele<br />

mit einbinden. <strong>Die</strong> stetige und umfassende<br />

Kommunikation der neuen Ziele und Botschaften<br />

an jede Interessengruppe ist dabei sehr wichtig.<br />

Erwartungen der Interessengruppen einschätzen<br />

Jede Interessengruppe stellt unterschiedliche<br />

Erwartungen an einen neuen Vorstand. Eine der<br />

größten Herausforderungen ist, diesen vielfältigen<br />

und widersprüchlichen Erwartungen zu genügen<br />

und zu entscheiden, welche Ansprüche erfüllt<br />

werden können, und welche nicht.<br />

Zusätzlich zu dem Vorstandsteam, den Aktionären<br />

und den Mitarbeitern des Unternehmens stellen<br />

auch Banken und Kunden sowie soziale Interessengruppen<br />

wie Regierung, Aufsichtsbehörden,<br />

Gemeinden und die Gesellschaft allgemein<br />

Ansprüche an den neuen Vorstand.<br />

Während der <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong> ist die Unsicherheit<br />

all dieser Interessengruppen groß. <strong>Die</strong>s versuchen<br />

sie durch erhöhten Druck auf und Forderungen<br />

an den Vorstand zu kompensieren. Der neue CEO<br />

muss in dieser Zeit zwar alle Gruppen befriedigen,<br />

doch die folgenden drei müssen oberste Priorität<br />

haben:<br />

• Der Vorstand, der dem CEO direkt unterstellt ist<br />

• Das Führungsteam, das seine Interessen im<br />

Unternehmen vertreten und verbreiten wird<br />

• <strong>Die</strong> Mitarbeiter, die die neue Führungsperson<br />

kennenlernen wollen<br />

Da jede Interessengruppe Erwartungen an den<br />

neuen Vorstand stellt, muss auch für jede Gruppe<br />

genügend Zeit zum Austausch mit dem Vorstand<br />

und dem CEO eingeplant werden. Ein gutes Zeitmanagement<br />

ist nicht nur für ein erstes Treffen<br />

notwendig, sondern sollte über den gesamten<br />

Veränderungsprozess hinaus eingehalten werden.<br />

Regelmäßiger Kontakt zu den Interessengruppen<br />

ist dabei genauso wichtig wie die Bereitschaft, in<br />

gewissen Situationen spontan zu reagieren und<br />

jederzeit die Möglichkeit zur Diskussion und<br />

zum Austausch zu bieten.<br />

Das Potenzial der Kommunikation nutzen<br />

Nicht nur bei der Einbindung der Interessengruppen<br />

ist Kommunikation von großer Bedeutung.<br />

Sie ist das wichtigste Instrument für die<br />

Verbreitung der neuen Unternehmensvision<br />

und damit für eine erfolgreiche<br />

Veränderungsumsetzung.<br />

<strong>Die</strong> Grundlage erfolgreicher Kommunikation ist<br />

eine klar formulierte Vision. <strong>Die</strong> neuen Ziele und<br />

die damit zusammenhängenden Veränderungen<br />

sowie die Gründe dafür müssen von der Unternehmensleitung<br />

klar und verständlich formuliert<br />

werden. <strong>Die</strong> Vision muss auf allen Ebenen kommuniziert<br />

werden und sollte die Mitarbeiter nicht<br />

nur zu einem Dialog mit der Unternehmensleitung,<br />

sondern auch zu einem aktiven Beitrag zur Umsetzung<br />

der Vision anregen.<br />

Während der Verbreitung der Vision ist es wichtig,<br />

die konkreten Veränderungen, die ihre Umsetzung<br />

mit sich bringt, anzusprechen. Wie wird sich das<br />

Unternehmen unter der neuen Leitung verändern?<br />

Werden die Strukturen und Weisungsbeziehungen<br />

neu gestaltet werden? Wird die neue Strategie<br />

Menschen mit anderen Fähigkeiten und Hintergründen<br />

erforderlich machen? Werden sich<br />

Leistungsstandards und Belohnungssysteme<br />

ändern? Werden die alten Werte immer noch<br />

Gültigkeit besitzen?<br />

Das unternehmenseigene Kommunikationsteam<br />

unterstützt dabei, die Kommunikation dieser allgemein<br />

gültigen Vision auf die Ansprüche und den<br />

Informationsbedarf jeder interner und externer<br />

Interessengruppe anzupassen, um für jede Gruppe<br />

maßgeschneiderte Informatioenn bereitstellen<br />

zu können.<br />

Ein detailliert ausgearbeiteter Kommunikationsplan<br />

beinhaltet sowohl die Vision selbst, als auch die<br />

einzelnen gruppenspezifischen Kommunikationsschritte.<br />

Außerdem sollten zusätzliche Aktionen<br />

wie Informationsveranstaltungen, Reden, Intranetund<br />

Internetmeldungen sowie Pressemitteilungen<br />

eingeplant werden.<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

9


Den Rahmen der Kommunikationsmaßnahmen<br />

bilden ein realistischer Zeitplan, eine<br />

Ressourcenaufstellung sowie Feedbackund<br />

Evaluierungsprozesse.<br />

4. Den Wirkungskreis ausdehnen<br />

Nur ein effektives Führungsteam kann den<br />

Vorstand bei der erfolgreichen Umsetzung der<br />

Veränderungsagenda optimal unterstützen. Über<br />

dieses Team hinaus sollten jedoch auch die leitenden<br />

Manager niedrigerer Ebenen in diesen Prozess<br />

mit einbezogen werden.<br />

Das Führungsteam ausbauen<br />

Für den Erfolg eines Unternehmens muss das<br />

Führungsteam mit dem Vorstand partnerschaftlich<br />

zusammenarbeiten. Es muss die neue Vision, die<br />

Werte und Ziele sowie die Veränderungen, die eine<br />

Umorientierung des Unternehmens mit sich bringt,<br />

an die Mitarbeiter des Unternehmens auf allen<br />

Ebenen weitervermitteln.<br />

Nach dreimonatiger Amtszeit als Vorstand von<br />

J.C. Penney Co., äußerte Allen Questrom: „Ein<br />

Unternehmen wird nicht von einer einzigen Person<br />

geleitet. Es wird von Teams geführt. Meine Aufgabe<br />

ist es, die Ziele festzulegen und dafür zu sorgen,<br />

dass die Menschen sie verstehen und umsetzen.“ 4<br />

Zur Verantwortung des CEO gehört der Aufbau<br />

eines Teams, dessen Mitglieder sich fachlich<br />

und persönlich optimal ergänzen und dadurch<br />

bestens gerüstet sind für die vielfältigen Herausforderungen,<br />

welche die Unternehmensveränderung<br />

mit sich bringt.<br />

Bei der Zusammenstellung eines erfolgreichen<br />

Führungsteams sind einige Kriterien<br />

zu berücksichtigen:<br />

• Teamzusammensetzung: Ein neuer CEO wird<br />

zunächst einen Großteil oder sogar das gesamte<br />

Führungsteam übernehmen. Trotzdem muss<br />

überprüft werden, inwiefern die einzelnen<br />

Mitglieder und deren Kompetenzen für die<br />

Erreichung der neuen Ziele geeignet sind.<br />

Für diese Bewertung sollten die Führungskräfte<br />

des Personalbereichs zu Rate gezogen werden.<br />

Das Führungsteam sollte den CEO in seinen<br />

Kompetenzen und Fähigkeiten ergänzen und<br />

nicht seine beruflichen und persönlichen Eigenschaften<br />

spiegeln. Gegebenenfalls ist es nötig,<br />

sich von bisherigen Teammitgliedern zu trennen,<br />

wenn dies dem Fortkommen und damit dem<br />

zukünftigen Erfolg des Unternehmens dient.<br />

Als der neue Vorstand Charles Conaway der<br />

Herausforderung gegenüberstand, die Einzelhandelskette<br />

Kmart neu zu gestalten, war eine<br />

seiner <strong>ersten</strong> Handlungen die Einstellung eines<br />

neuen Leiters der Personalabteilung, der ihm<br />

dabei helfen sollte, leistungsstarkes Personal<br />

zusammenzustellen. „Wir haben eine Mischung<br />

aus neu und alt – auf diese Weise gibt es keine<br />

heiligen Kühe“, sagte er. „Wenn man die richtigen<br />

Personen an den richtigen Stellen einsetzt<br />

und ihnen Entscheidungskompetenz zubilligt,<br />

dann treffen sie in acht von zehn Fällen die<br />

richtige Entscheidung“. 5<br />

• Sichtbares Empowerment: <strong>Die</strong> Mitarbeiter müssen<br />

erkennen können, dass das Führungsteam<br />

auch in Abwesenheit des Vorstands wichtige<br />

Entscheidungen selbst fällen kann.<br />

Beispielsweise könnte das Team selbstständig<br />

periodische Betriebsbeurteilungen durchführen,<br />

ohne dass der CEO daran teilnimmt. Im Laufe<br />

der Zeit sollten Mitglieder des Führungsteams<br />

die Verantwortung für Teile großer Gruppenveranstaltungen,<br />

Kommunikationsbesprechungen<br />

und Ähnliches übernehmen.<br />

4. Quelle: Maria Halkias: „The Two Sides of Retail: Penny’s<br />

New CEO Leading Turnaround”. Erschienen in: The Dallas<br />

Morning News (29. Dezember 2000).<br />

5. Quelle: Karen Talaski: „Kmart CEO Embraces Rebuilding<br />

Job”. Erschienen in: The Detroit News (17. Oktober 2000).<br />

10 <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta


• Förderung des Einzelnen: Jedes Mitglied des<br />

Führungsteams sollte die Möglichkeit haben,<br />

Führungsfähigkeiten weiterzuentwickeln und<br />

Aufgaben zu übernehmen, die über die rein<br />

funktionalen Verantwortlichkeiten des<br />

jeweiligen Mitarbeiters hinausgehen.<br />

• Kollektives Lernen: Das Führungsteam kann als<br />

Instrument für Organisationslernen eingesetzt<br />

werden, indem die Mitglieder aktiv in Tätigkeiten<br />

einbezogen werden, die ihren externen Fokus<br />

schärfen. Ein Teil der Teambesprechungen sollte<br />

der Diskussion externer Ereignisse, der Befragung<br />

zu Erfolgen und Misserfolgen und der<br />

Identifizierung wichtiger zukünftiger Geschehnisse<br />

gewidmet werden. Zum Abschluss dieser<br />

Diskussion sollte das Team konkrete Möglichkeiten<br />

erörtern, wie das Gelernte auch über<br />

das Führungsteam hinaus weitergegeben<br />

werden kann.<br />

• Konzentration auf Teamergebnisse: <strong>Die</strong> Abstimmung<br />

bestimmter Belohnungssysteme auf<br />

kollektive statt individuelle Leistung kann das<br />

Team stärken und zusammenschweißen.<br />

• Durchführung von Einzelgesprächen zur<br />

Erörterung von Erwartungen: Jedes Mitglied des<br />

Führungsteams sollte regelmäßig die Gelegenheit<br />

bekommen, mit dem CEO über Hoffnungen,<br />

Bestrebungen und Ziele zu sprechen.<br />

Auch die Übereinstimmung dieser Erwartungen<br />

mit den Unternehmenszielen sowie die<br />

Erwartungen des CEOs an das Teammitglied<br />

sollten diskutiert werden.<br />

• Gestaltung der <strong>ersten</strong> Besprechung des<br />

Führungsteams als Kick-off-Veranstaltung:<br />

Das allererste Teammeeting nach der Ernennung<br />

eines neuen CEOs wird zu 80 Prozent den Ton<br />

aller weiteren Besprechungen angeben. <strong>Die</strong>ses<br />

erste Meeting zeigt, wie der neue CEO den Teamprozess<br />

in Zukunft gestalten will. Jedes Mitglied<br />

sollte die eigenen Ziele und gewünschten Ergebnisse<br />

klar darlegen, bevor das Thema allgemein<br />

diskutiert wird. Am Ende der Besprechung<br />

sollte der neue Vorstand die Teilnehmer um ein<br />

Feedback bitten und darin bestärken, E-Mails<br />

oder Sprachnachrichten zu schicken, um den<br />

Dialog in Gang zu halten.<br />

Erweiterung des Top-Managements:<br />

Wenn sich alle Mitarbeiter einer großen Organisation<br />

auf dem Parkplatz versammeln und alle<br />

leitenden Führungskräfte unter ihnen dazu aufgefordert<br />

werden würden, ihre Hand zu heben,<br />

würde sich in den meisten Fällen nur eine Handvoll<br />

Personen melden. Im Idealfall sollten in einer<br />

großen Organisation jedoch <strong>100</strong> oder 200 Personen<br />

ehrlich glauben: „Ich gehöre hier zur Führungsriege.<br />

Ich verstehe das, was hier geschieht. Ich bin mit an<br />

Bord. Es ist meine Aufgabe, Menschen zu führen,<br />

anstatt dazusitzen und mir Sorgen zu machen, ob<br />

ich das nächste Opfer sein werde.“<br />

Oft beschreiben gut verdienende Führungskräfte<br />

mit großer Personalverantwortung ihre Situation<br />

mit Formulierungen wie: „Sie tun uns das an“ oder<br />

„Sie verstehen einfach nicht“. Wir stellen diesen<br />

Führungskräften dann die Frage: „Wer sind ‚sie’?<br />

Gehören Sie nicht selbst zum Top-Management?“.<br />

Führungskräfte, die sich entmachtet fühlen, werden<br />

andere nicht erfolgreich führen können. <strong>Die</strong><br />

Aufgabe des Vorstands und des Führungsteams ist<br />

es, Führungskräfte in die Unternehmensleitung mit<br />

einzubeziehen, indem sie sowohl die Denkweise als<br />

auch die Aufgaben des Top-Managements auch auf<br />

niedrigere Ebenen des Unternehmens ausdehnen.<br />

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das<br />

Top-Management zu erweitern:<br />

• Zusammenstellung klar definierter Top-<br />

Management-Gruppen, die verschiedene Aspekte<br />

der Unternehmensveränderungen umsetzen und<br />

auch auf den niedrigeren Ebenen vorantreiben<br />

• Symbolische und reale Belohnungsmechanismen,<br />

die Führungsverhalten im Unternehmen honorieren<br />

und verstärken, sollten eingeführt werden<br />

• Aktive Beteiligung der einzelnen Gruppen und<br />

Mitglieder an der Gestaltung einer neuen Ordnung,<br />

der Entwicklung der Strategie, der Planung<br />

von Stellenbesetzungen und Kompetenzbedarf,<br />

der Bearbeitung organisationsübergreifender<br />

Themen sowie an der Budgetplanung<br />

• Intensive und regelmäßige Kommunikation mit<br />

den Top-Management-Gruppen<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

11


5. Risiken antizipieren<br />

Neben der Ausarbeitung eines Plans, der Bewertung<br />

persönlicher Eigenschaften, der Einbindung wichtiger<br />

Interessengruppen und der Ausdehnung des<br />

Wirkungskreises sollte ein neuer Vorstand auch<br />

die langfristigen Risiken bedenken, die eine solche<br />

Führungsaufgabe mit sich bringt.<br />

Das Rettersyndrom vermeiden<br />

Vorstände nehmen oftmals eine Rolle ein, die<br />

über die reine Aufgabe der Unternehmensführung<br />

hinausgeht. Viele Mitarbeiter sehen im Vorstand<br />

die persönliche Verkörperung des Unternehmens,<br />

seiner Werte, Glaubenssätze und Zukunft. <strong>Die</strong>s<br />

kann für die Umsetzung neuer Ziele förderlich sein,<br />

wird bei einer übertriebenen „Glorifizierung“ des<br />

CEOs jedoch zum Problem.<br />

Ein Vorstandsvorsitzender ist zwar für das Unternehmen<br />

verantwortlich, doch er kann sich nicht<br />

um jede Kleinigkeit selbst kümmern. Einer unserer<br />

Kunden auf Vorstandsebene erzählte uns in den<br />

<strong>Tage</strong>n vor der Bekanntgabe seiner Ernennung zum<br />

Vorstand: „Ich wache nachts auf und mache mir<br />

Sorgen über Dinge, über die ich mir vorher nie<br />

den Kopf zerbrochen habe“. Der Vorstand muss<br />

die Ansprüche der Mitarbeiter ernst nehmen,<br />

doch er muss sich auch bis zu einem gewissen<br />

Grad dem Druck dieser Ansprüche entziehen. <strong>Die</strong><br />

Hauptverantwortung liegt zwar beim Vorstand,<br />

doch er muss auch Verantwortung deligieren können.<br />

Ein CEO ist nicht ganz allein für den Erfolg<br />

eines Unternehmens verantwortlich.<br />

<strong>Die</strong> Problematik charismatischer<br />

Führung verstehen<br />

<strong>Die</strong> meisten Vorstände sind bestrebt, charismatische<br />

Manager zu werden – starke, visionäre<br />

Führungskräfte also, die viele Menschen für eine<br />

gemeinsame Richtung mobilisieren und motivieren<br />

können. Solche charismatischen Führungskräfte<br />

werden oft mit einer Reihe ungewollter Konsequenzen<br />

konfrontiert:<br />

• Unrealistische Erwartungen: Obwohl das<br />

öffentliche Bild einer Führungskraft heldenhafte<br />

Züge annehmen kann, ist die Person in<br />

der Realität immer noch ein Mensch, der Fehler<br />

machen kann.<br />

• Fehlgeleitete psychologische Reaktionen:<br />

Führungskräfte rufen oft eine Reaktion hervor,<br />

die in der Psychologie als „Übertragung“<br />

bezeichnet wird. Menschen übertragen ihre<br />

persönlichen Gefühle für Autoritätspersonen<br />

der Kindheit – zum Beispiel Eltern oder Lehrer<br />

– oft auf die jeweilige Führungsperson. Eine derartige<br />

Übertragung kann zwei Formen annehmen:<br />

Manche Menschen werden zu stark von<br />

der Führungsperson abhängig und sind ohne<br />

Zustimmung oder direkte Anordnungen handlungsunfähig,<br />

andere wiederum reagieren<br />

entgegengesetzt und lehnen die Macht der<br />

Autoritätsperson ohne erkennbaren Grund ab.<br />

• Unterdrückung abweichender Meinungen:<br />

Mitarbeiter, die nach Anerkennung von<br />

Führungspersonen streben, vermeiden die<br />

Überbringung schlechter Nachrichten oder die<br />

Äußerung gegensätzlicher Meinungen. <strong>Die</strong>ses<br />

„des Kaisers neue Kleider“-Phänomen beeinträchtigt<br />

die Chancen, als Führungsperson konstruktive<br />

Beiträge und informatives Feedback<br />

bezüglich geplanter Aktivitäten zu erhalten.<br />

• Wachsende Erwartungen: Auf einer Führungsperson,<br />

die ihre Mitarbeiter durch konsequent<br />

maximale Leistungen beeindruckt, lastet ein<br />

großer Druck. Um den stetig wachsenden<br />

Erwartungen der Mitarbeiter genügen zu können,<br />

müssen immer größere und beeindruckendere<br />

Leistungen erbracht werden.<br />

• Gefühle von Verrat: Charismatische Manager<br />

müssen Mitarbeiter davon überzeugen können,<br />

dass die vorgegebenen Ziele das Unternehmen<br />

weiterbringen werden, dass die Zukunft Fortschritt<br />

bringt. Sobald es jedoch Rückschläge und<br />

Mißerfolge gibt, fühlen sich Mitarbeiter verraten<br />

und vertrauen der Führungsperson nicht mehr.<br />

• Mangelnde Respektierung des Managements:<br />

Je größer der Personenkult um den neuen<br />

Vorstand ist, desto weniger werden andere<br />

Mitglieder des Führungsteams ernst genommen.<br />

Im Verlauf einer Arbeitssitzung mit<br />

einem Führungsteam beschwerten sich deren<br />

Mitglieder, dass sie sich wie Vermittler und nicht<br />

wie Manager fühlten. Nichts, was sie unternah-<br />

12 <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta


men, schien eine Wirkung zu zeigen, außer<br />

wenn die Menschen glaubten, die Anordnungen<br />

kämen direkt von dem Vorstand.<br />

• Übertriebene Reaktionen: Der Fokus der<br />

Aufmerksamkeit liegt auf dem neuen Vorstand.<br />

Selbst kleinste Gesten und Aussagen werden<br />

interpretiert. Das Risiko, durch Missinterpretationen<br />

oder übertriebene Interpretationen<br />

falsch verstanden zu werden, steigt, je stärker<br />

die Führungsperson zum charismatischen<br />

Manager stilisiert wird.<br />

Nachfolgeplanung frühzeitig angehen<br />

<strong>Die</strong> überlegte und strategische Planung der Führungsnachfolge<br />

ist eine der wichtigsten Aufgaben<br />

eines Vorstands. <strong>Die</strong>s bedeutet nicht, dass bereits<br />

unmittelbar in den <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong>n ein Kandidat<br />

ausgewählt und auf die zukünftige Aufgabe<br />

vorbereitet werden muss. Es gibt jedoch zwei<br />

gute Gründe, diesem Vorgang bereits frühzeitig<br />

Aufmerksamkeit zu widmen:<br />

• Eine rechtzeitige Nachfolgeplanung ermöglicht,<br />

kurzfristig Mitarbeiter für das Führungsteam<br />

auszuwählen<br />

• Strategisch kluge Nachfolgeplanung beugt<br />

unüberlegten Entscheidungen und übereilten<br />

Schritten vor und verhindert falsche<br />

Hoffnungen und Ablenkung der Mitarbeiter<br />

vom <strong>Tage</strong>sgeschäft durch Gerüchte und<br />

Konkurrenzkämpfe<br />

<strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong><br />

13


Zusammenfassung<br />

Besonders in den <strong>ersten</strong> <strong>100</strong> <strong>Tage</strong>n werden große Erwartungen an einen neuen<br />

Vorstand gestellt. <strong>Die</strong> Augen aller Interessenvertreter sind auf den CEO gerichtet,<br />

während dieser sich in die neue Rolle einfinden und die Voraussetzungen für die Zeit<br />

als Vorstand schaffen muss. <strong>Die</strong> Mitarbeiter verfolgen jeden Schritt und spekulieren<br />

bei jeder Entscheidung über die Folgen. <strong>Die</strong> Mitglieder des Führungsteams erwarten<br />

Entscheidungen, welche die Zukunft des Unternehmens definieren. Aktionäre versuchen,<br />

mehr über die neue Führungskraft zu erfahren.<br />

Unser wichtigster Ratschlag für diese Zeit lautet: „Quidquid agis, prudenter agas et<br />

respice finem“ – Was immer du tust, tue es mit kluger Vorsicht und bedenke das Ende.<br />

<strong>Die</strong>se Broschüre zeigt Schritt für Schritt, wie ein neuer Vorstand in den <strong>ersten</strong> <strong>100</strong><br />

<strong>Tage</strong>n seiner Amtszeit die Grundlage für die erfolgreiche Veränderungsumsetzung und<br />

damit für die Verwirklichung seiner Unternehmensvision schaffen kann. <strong>Die</strong> <strong>ersten</strong> <strong>100</strong><br />

<strong>Tage</strong> bieten die Chance, Mitarbeiter und Mitglieder des Führungsteams gleichermaßen<br />

von der neuen Vision zu überzeugen und dem Unternehmen eine neue, erfolgreiche<br />

Richtung zu geben.<br />

Weiterführende Literatur<br />

David A. Nadler: „Champions of Change. How CEOs and Their Companies are Mastering<br />

the Skills of Radical Change”. Jossey-Bass Publishers, San Francisco (1998).<br />

14 <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta


Über <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta<br />

<strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> ist eine internationale Managementberatung,<br />

die ausgeprägte Branchenspezialisierung mit hoher<br />

Methodenkompetenz bei Strategieentwicklung, Prozessdesign,<br />

Risikomanagement, Organisationsberatung und<br />

Führungskräfteentwicklung verbindet.<br />

Als Tochtergesellschaft von <strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> unterstützt <strong>Oliver</strong><br />

<strong>Wyman</strong> Delta Unternehmen bei der Planung und Umsetzung<br />

von strategischen Veränderungen und der Implementierung<br />

von Änderungen im Geschäftsmodell. Da eine strategische<br />

Änderung in Konzernen vor allem durch den Vorstand und den<br />

CEO getragen wird, definieren wir in enger Zusammenarbeit<br />

mit dem Vorstand und seinen direkten Führungskräften das<br />

Organisationsdesign und erarbeiten gemeinsam die erforderlichen<br />

Schritte zur Einführung des geplanten Geschäftsmodells.<br />

Unsere Arbeit erfolgt in kleinen, aus Beratern mit umfangreicher<br />

Management- und Beratungserfahrung bestehenden Teams,<br />

die den Umbau der Organisation im festgelegten Zeit- und<br />

Budgetrahmen und vor allem gemeinsam mit Mitarbeitern der<br />

Kundenorganisation in Projektteams umsetzen.<br />

Wir unterstützen Führungskräfte dabei, ihre Zielvorgaben<br />

wirkungsvoll zu realisieren, geben Ansätze zur Verbesserung der<br />

Leistungsfähigkeit von Top-Management-Teams und stellen<br />

sicher, dass Unternehmensbereiche ihre strategischen Ziele<br />

erreichen. Unsere bewährten Ansätze und Erfahrungen spiegeln<br />

sich in unserem einzigartigen Beratungsangebot wider:<br />

• Implementierungsplanung und Umsetzung von Strategien<br />

Um weitere Informationen über<br />

<strong>Oliver</strong> <strong>Wyman</strong> Delta zu erhalten,<br />

kontaktieren Sie uns bitte unter<br />

deltainfo@oliverwyman.com<br />

oder über die unten stehenden<br />

Telefonnummern.<br />

Besuchen Sie uns auch online unter<br />

www.oliverwyman.com/de<br />

USA<br />

+1 866 909 8239 (gebührenfrei)<br />

Boston<br />

New York<br />

Kanada<br />

Philadelphia<br />

San Francisco<br />

Montreal: +1 514 841 7959<br />

Ottawa: +1 613 760 2921<br />

Toronto: +1 416 868 2800<br />

Frankreich<br />

Paris: +33 1 70 75 01 20<br />

Deutschland<br />

+49 69 710 447 600<br />

• Planung und Steuerung von Unternehmensveränderungen<br />

• Organisationsdesign: Governance und Geschäftsmodell<br />

Frankfurt<br />

Hamburg<br />

München<br />

• Vorstand: CEO Effectiveness<br />

• Vorstand: strategische Entwicklung und Nachfolgeplanung<br />

• Strategische Kommunikation<br />

Spanien<br />

Madrid: +34 91 212 63 66<br />

Großbritannien<br />

London: +44 20 7333 8333<br />

• Top-Management: erfolgreiche Strategieumsetzung<br />

• Strukturierung und Änderung der Unternehmenskultur<br />

Bermuda<br />

+441 297 9737<br />

• Aufsichtsrat: Board Effectiveness<br />

• Quantitative Organisationskennzahlen<br />

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