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Gottesdienst zum Ende der Predigtreihe über die Seligpreisungen ...

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<strong>Gottes<strong>die</strong>nst</strong> <strong>zum</strong> <strong>Ende</strong> <strong>der</strong> <strong>Predigtreihe</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Seligpreisungen</strong><br />

21.8.2005 im Paul-Gerhardt-Haus <strong>über</strong> Mt 5,9<br />

Gott war vor aller Zeit<br />

Gott will auch jetzt mitten unter uns sein<br />

Gott wird da sein in allen kommenden Zeiten<br />

Gnade und Friede sei mit Euch<br />

Liebe Gemeinde,<br />

ja, ich habe mich geärgert <strong>über</strong> <strong>die</strong> Worte vom Kölner Erzbischof Meißner! Herablassend<br />

bekundete er:<br />

Die Evangelischen sind ja gar keine Kirche.<br />

Das ökumenische Abendmahl können <strong>die</strong> Katholischen nicht mit uns feiern, weil wir das,<br />

was da passiert, ja nicht richtig verstehen.<br />

Und Gemeinschaft kann es erst geben, wenn wir Evangelischen zur katholischen Kirche<br />

zurückgekehrt sind.<br />

Noch mehr ärgerte mich das: ein paar Tage später stand ein Leserbrief in <strong>der</strong> Zeitung – als<br />

Reaktion auf <strong>die</strong>ses Interview mit dem Erzbischof. Und darin war zu lesen: Den Kirchen<br />

stände es gut an, nicht <strong>der</strong>artig zu reden. Den Kirchen! Aus <strong>der</strong> Wut <strong>über</strong> Worte eines<br />

Kölner Katholiken wird pauschal Kirchenkritik und wir bekommen <strong>die</strong> Schelte gleich mit<br />

ab.<br />

So wie <strong>die</strong> Plakate anlässlich des Weltjugendtages, <strong>die</strong> lauten „Spart euch <strong>die</strong> Kirche!“<br />

Eines hängt in de Mendener Str., können Sie sich mal anschauen...<br />

Aber Sie hätten letzte Woche auch zu einer sehr originellen Veranstaltung gehen können,<br />

<strong>der</strong> Kirchenaustrittsparty unter dem Motto „Heidenspaß“.<br />

Da sollen Leute aus <strong>der</strong> evangelischen Kirche anlässlich des Weltjugendtages <strong>der</strong><br />

katholischen Kirche austreten?<br />

Ich kann nur den Kopf schütteln – ja, und manchmal koche ich vor Wut, wenn ich all das<br />

Schöne und Sinnvolle sehe, was doch in unserer Gemeinde passiert!<br />

Nun beschäftigen wir uns aber in <strong>die</strong>sem Sommer mit den <strong>Seligpreisungen</strong> und in mein<br />

Schimpfen dringen <strong>die</strong> Worte: Selig sind <strong>die</strong> Friedfertigen...<br />

Ich frage mich: Klangen meine Worte eben friedfertig? Bin ich friedfertig? In den Augen<br />

meiner Mitmenschen? Und viel wichtiger: In den Augen Gottes? Würde ich damit ein „Kind<br />

Gottes“ heißen?<br />

Nach den <strong>Seligpreisungen</strong> zu den Geistlich Armen, den Leidtragenden, den Sanftmütigen,<br />

den nach Gerechtigkeit Strebenden, den Barmherzigen werden nun also heute <strong>zum</strong><br />

Abschluss <strong>die</strong> Friedfertigen gewürdigt.<br />

„Frieden“ - in <strong>der</strong> Bibel „Schalom“, unbeschreiblich schöner Zustand von Ruhe, Glück,<br />

Zufriedenheit des einzelnen und <strong>der</strong> ganzen Gemeinschaft, aber auch gerechte Verteilung<br />

<strong>der</strong> Güter.<br />

„Frieden ist mehr als <strong>die</strong> Abwesenheit von Krieg“ - einer <strong>der</strong> wahren Sätze <strong>der</strong><br />

Friedensbewegung in den 80er Jahren. Die Psalmen sagen es so: Gott will, dass sich eines<br />

Tages „Gerechtigkeit und Frieden küssen“. Denn Gerechtigkeit ohne Frieden und Frieden<br />

ohne Gerechtigkeit kann es nicht geben; sie gehören zusammen, im Zusammenleben <strong>der</strong><br />

Völker, in einer Gesellschaft, in <strong>der</strong> Familie.


Die Bibel weiß noch mehr Entscheidendes: <strong>die</strong> Quelle des Friedens ist Gott. Gott allein.<br />

Aber. Wir haben den Frieden weiterzugeben - inmitten einer oft unfriedlichen Welt, einer<br />

kriegsverliebten, einer gewaltbereiten, hasserfüllten.<br />

Friedliche Umwälzungen sind in erschrecken<strong>der</strong> Min<strong>der</strong>heit gegen<strong>über</strong> <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong><br />

geführten o<strong>der</strong> geplanten Kriege. Und doch sind sie uns eindrücklich in Erinnerung: Wie<br />

beeindruckend friedlich geschah <strong>die</strong> Verän<strong>der</strong>ung in Südafrika!<br />

War das früher vorstellbar: statt des eisernen Vorhangs gibt es Richtung Osten nun EU-<br />

Grenzen?<br />

Und ganz ehrlich: wer hätte wirklich gedacht, dass <strong>die</strong> innerdeutsche Mauer fällt?<br />

Gebete, Mut, Hoffnung - was für eine großartige Kraft liegt in ihnen - hin <strong>zum</strong> Frieden!<br />

Frieden, den gibt es nicht einfach so, <strong>der</strong> passiert nicht, <strong>der</strong> findet sich nicht irgendwie... Wir<br />

Menschen sind es, <strong>die</strong> den Frieden Gottes weitergeben.<br />

Friedfertig sollen wir sein, <strong>über</strong>setzt Luther. Als Grundhaltung im Leben, an<strong>der</strong>en<br />

gegen<strong>über</strong>. Fried-fertig. Klingt eigentlich merkwürdig. Absurd <strong>die</strong> Vorstellung: man könnte<br />

mit dem Frieden fertig sein. Viel besser gefällt mir <strong>der</strong> Gedanke: Den Frieden fertigen... wie<br />

ein Handwerker, eine Künstlerin etwas Wertvolles bearbeiten, mit Liebe, Erfahrung,<br />

Disziplin, Ausdauer.<br />

In den an<strong>der</strong>en Übersetzungen, <strong>die</strong> auf dem Predigtzettel abgedruckt sind, wird das<br />

deutlicher:<br />

Frieden stiften – da klingt <strong>die</strong> Großzügigkeit an, <strong>die</strong> innere Größe, <strong>die</strong> Friedenshandeln<br />

braucht.<br />

Frieden machen heißt es im griechischen Urtext, ja, Handeln, nicht nur klug reden!<br />

Frieden schaffen... in dem Wort höre ich <strong>die</strong> Mühe, <strong>die</strong> es manchmal kostet, auf <strong>der</strong><br />

friedlichen Linie zu bleiben.<br />

Aber vielleicht ist es auch viel leichter als wir vermuten?<br />

Die katholische Kirche hat einen schönen Ritus, um das Frieden-schaffen einzuüben: Den<br />

Friedensgruß; in jedem <strong>Gottes<strong>die</strong>nst</strong> reichen <strong>die</strong> Menschen sich einan<strong>der</strong> <strong>die</strong> Hand, <strong>die</strong>, <strong>die</strong><br />

vielleicht ganz fremd bislang nebeneinan<strong>der</strong> saßen, <strong>die</strong>, sie eigentlich nichts miteinan<strong>der</strong> zu<br />

tun haben wollen, <strong>die</strong>, <strong>die</strong> unsicher waren, ob sie den Nebensitzer beim Reinkommen<br />

begrüßen sollten... es gibt einen Zeitpunkt, sich <strong>die</strong> Hände zu reichen, in <strong>die</strong> Augen zu<br />

schauen und sich Frieden – Schalom zu wünschen. Ich möchte Sie ermutigen, <strong>die</strong>sen<br />

Friedensgruß heute auch einmal auszuprobieren.<br />

Gottes Kin<strong>der</strong> heißen <strong>die</strong> Friedfertigen – Gott wird sie als seine Söhne und Töchter<br />

annehmen.<br />

In unser Predigtvorgespräch am Mittwoch schlich sich bei <strong>die</strong>ser Aussicht ein hässlicher<br />

Gedanke hinein.<br />

Bedeutet das: Nur <strong>die</strong> Friedfertigen gehören zu Gott? Hängt dann doch von unserem<br />

Handeln o<strong>der</strong> Nichthandeln ab, ob Gott uns annimmt? Und was ist mit all dem<br />

Unfriedfertigen in unserer menschlichen Natur?<br />

In <strong>der</strong> Taufe verdeutlichen wir, dass ein Mensch zu Gott gehört, von Gott bedingungslos<br />

angenommen ist, als Mensch, nicht als Engel, als Übermensch, son<strong>der</strong>n mit seinen/ihren<br />

menschlichen Begrenzungen. Das ist ur-evangelisches Gedankengut, Fundament unseres<br />

Glaubens, dass wir nicht durch Werke vor Gott gerecht werden und gut dastehen. Selig<br />

macht das, froh, richtig froh, tief drinnen.<br />

Aber: Die Gottesliebe ist verschmolzen mit <strong>der</strong> Menschenliebe; Gottes Liebe zu jedem von<br />

uns bedeutet auch, dass <strong>der</strong> o<strong>der</strong> <strong>die</strong> neben mir genauso von Gott geliebt ist, kostbar ist,<br />

wertvoll. Ich habe Verantwortung zu <strong>über</strong>nehmen für mein Handeln, ich habe einen Auftrag:<br />

Nächstenliebe. Reichlich weiter zu geben, was ich geschenkt bekam. Dazu gehört <strong>die</strong>


Barmherzigkeit, <strong>der</strong> Sanftmut, <strong>der</strong> Frieden.<br />

Um auf den Anfang zurückzukommen: Also darf ich nicht <strong>über</strong> einen Vertreter <strong>der</strong><br />

katholischen Amtslehre schimpfen? Wegdrücken, was mich ärgert? Schlucken? Freundlich<br />

lächeln? Immer <strong>die</strong> Hand reichen und nicht auf den Tisch hauen?<br />

Wenn ich mir Jesus anschaue... nein, so hat <strong>der</strong> nicht gelebt.<br />

Unterschiedliche Meinungen müssen gelten dürfen, ohne dass das gleich als Unfrieden gilt<br />

und vor lauter Angst um <strong>die</strong> Harmonie unterdrückt wird. Das wäre dann kein Frieden.<br />

Ich stelle es mir so vor: Ich gehe in ein Konzert, sitze dort erwartungsvoll, freue mich auf<br />

traumhaft schöne Musik – und was passiert als erstes? Die Musiker stimmen ihre<br />

Instrumente, es klingt erstmal gruselig. Erst dann kommt das erhoffte Schöne.<br />

So ist es mit dem Frieden in Familie, Gemeinde und Gesellschaft. Je<strong>der</strong> muss seine Stimme<br />

ertönen lassen, will gehört werden, soll gehört werden in seiner Meinung, Überzeugung,<br />

Haltung. Und dann müssen wir uns hören, zuhören und aufeinan<strong>der</strong> abstimmen. Wenn alle<br />

schweigen und sich nicht zu Gehör bringen, kann es am <strong>Ende</strong> auch keine Musik geben.<br />

Dann wird das furchtbar stillschweigende Familienleben schwer zu ertragen sein und in <strong>der</strong><br />

Gesellschaft geht keiner mehr zur Wahl. Misstöne und Wutschreie gehören <strong>zum</strong> Abstimmen<br />

mit dazu. Auch im weltweiten ökumenischen Stimmkonzert. Aber vielleicht gelingt auch<br />

dort einmal, was hier vor Ort manchmal schon so schön klingt.<br />

Und <strong>der</strong> Friede Gottes, höher als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in<br />

Christus Jesus. Amen.<br />

Almut Matting-Fucks

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