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8.8 Windkraftanlagen *

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1<br />

<strong>8.8</strong> <strong>Windkraftanlagen</strong> *<br />

<strong>Windkraftanlagen</strong> (WKA) wandeln kinetische Energie der Luft in elektrische Energie um. Zur<br />

Vermeidung eines Staus muss die Luft hinter der Anlage mit einer endlichen Geschwindigkeit<br />

abströmen. Daher können WKA grundsätzlich nur einen Teil der kinetischen Energie der Luft<br />

in Nutzenergie umwandeln; der maximale Wirkungsgrad – weiter unten „Leistungsbeiwert“<br />

genannt – ist daher aus theoretischen Gründen kleiner als Eins.<br />

Wir wollen im Folgenden den theoretisch<br />

maximalen Leistungsbeiwert einer Windkraftanlage<br />

berechnen. Dazu benötigen wir nur den Impulssatz,<br />

die Kontinuitätsgl. und die Bernoulli-Gl.<br />

Die kurze Rechnung fasziniert besonders deshalb,<br />

weil Bauart und Typ der WKA nicht in die<br />

Rechnung eingehen, so dass das Ergebnis ganz<br />

allgemein gilt. Die Theorie, die A. Betz in den<br />

1920-ger Jahren entwickelte, ist die physikalische<br />

Grundlage für das Verständnis und die Berechnung<br />

aller WKA.<br />

Anders als bei der exakten Berechnung des maximalen nimmt der Strömungsquerschnitt zu.<br />

Wirkungsgrades von Wärmekraftmaschinen in Unterkapitel<br />

„14.4 Carnotscher Kreisprozess“ müssen wir hier vereinfachende Vorraussetzungen machen:<br />

• Die Luft ist inkompressibel: ρ = const. Diese Vorraussetzung ist nach Aufgabe 8.1 gut erfüllt.<br />

• Die Energieverluste durch den Strömungswiderstand F W (siehe Gl. (<strong>8.8</strong>–8) weiter unten) werden<br />

vernachlässigt. Das ist zulässig, da die Auftriebskräfte F A moderner Rotoren (siehe Gl. (<strong>8.8</strong>–11))<br />

über hundertmal größer sein können als die Strömungswiderstände.<br />

• Die Umströmung an der Rotorspitze von der Druckseite zur Saugseite vermindert den Auftrieb zum<br />

Rotorende hin. Betz konnte auch diesen Verlust nicht berücksichtigen.<br />

• Die Rotorblätter erhalten einen Drehimpuls. Wegen „actio = reactio“ hat auch die abströmende Luft<br />

einen Drehimpuls, den sog. „Nachlaufdrall“. Die Verwirbelungsverluste sind für kleine<br />

Schnelllaufzahlen λ < 4 (siehe Gl. (<strong>8.8</strong>–9)) erheblich, werden aber von Betz übergangen.<br />

Schmitz hat die Betzsche Theorie erweitert und die Rotationsverluste im Abwind berücksichtigt.<br />

• Die Luftströmung ist stationär. Daher müssen Windräder unendlich viele Rotorblätter haben; die<br />

Rotorblätter müssen also über den ganzen Strömungsquerschnitt „verschmiert“ sein.<br />

• Die Rechnung ist eindimensional, weil sich weit vor und weit hinter den Rotorblättern<br />

Windgeschwindigkeiten und –drücke quer zur Rotorachse nicht ändern.<br />

Die Luftmasse ∆ m , die eine Fläche A in der Zeit ∆ t mit der Windgeschwindigkeit v laminar<br />

und senkrecht durchströmt, beträgt<br />

∆ m = ρ A ∆s<br />

= ρ A v ∆t<br />

mit ρ = Luftdichte = 1 ,2<br />

Die kinetische Energie dieser Luftmasse beträgt<br />

∆m<br />

2 ρ 3<br />

∆E<br />

= v = A v ∆t<br />

2 2<br />

Abb. <strong>8.8</strong>–1 Wegen der Kontinuitätsgl.<br />

A =<br />

1 v1<br />

= A2<br />

v 2 A3<br />

v 3<br />

kg<br />

m<br />

3<br />

kg<br />

.... 1,3<br />

3<br />

m


Die Leistung des Windes, der durch die Fläche A strömt, lautet<br />

P<br />

Wind<br />

2<br />

ρ 3<br />

= A v<br />

(<strong>8.8</strong>–1)<br />

2<br />

Die Windleistung ist proportional zur dritten Potenz der Windgeschwindigkeit v.<br />

Die sog. „Rotorebene“ ist die Ebene, in der die Rotorblätter rotieren. In den weiteren<br />

Rechnungen haben die physikalischen Größen weit vor der Rotorebene, in der Rotorebene<br />

und weit hinter der Rotorebene die Indices 1 , 2, 3 (siehe Abb. <strong>8.8</strong>–1).<br />

Offensichtlich gibt der Wind die Leistung<br />

P<br />

WKA<br />

=<br />

P<br />

Wind ,1<br />

−<br />

P<br />

Wind ,3<br />

ρ<br />

=<br />

2<br />

3 3<br />

( A v − A v )<br />

1<br />

an die WKA ab. Mit der Kontinuitätsgl. für den Massenstrom m& der inkompressiblen Luft<br />

1<br />

∆m<br />

m& : = = ρ A1<br />

v1<br />

= ρ A3<br />

v3<br />

(<strong>8.8</strong>–2)<br />

∆ t<br />

ρ 2 2 m&<br />

2 2<br />

folgt P = A v ( v − v ) = ( v − v )<br />

WKA<br />

2<br />

1<br />

1<br />

1<br />

3<br />

2<br />

1<br />

3<br />

3<br />

3<br />

(<strong>8.8</strong>–3)<br />

Die erweiterte Bernoulli-Gl. berücksichtigt den Druckverlust ∆ p 1 3 in der Anlage (siehe<br />

Aufgabe 8–15). Sie lautet in unserem Fall:<br />

p<br />

1<br />

ρ<br />

+ v<br />

2<br />

2<br />

1<br />

=<br />

p<br />

3<br />

ρ<br />

+ v<br />

2<br />

2<br />

3<br />

+ ∆ p<br />

13<br />

Die statischen Drücke p 1, p3<br />

weit vor und weit hinter der Rotorebene sind gleich groß:<br />

p = p = . Daraus folgt:<br />

1 3 pAtmosphäre<br />

ρ<br />

2<br />

2 2<br />

( v − v ) = ∆ p13<br />

1<br />

13<br />

Beim Druchströmen der WKA ändert sich der Impuls der Luftmasse<br />

Impulsänderung<br />

=<br />

( v v )<br />

∆m −<br />

Die Zeitableitung des Impulses der strömenden Luft<br />

d<br />

dt<br />

Impuls<br />

1<br />

( v − v ) = m ( v − v )<br />

∆m<br />

= 1 3<br />

&<br />

∆ t<br />

3<br />

1<br />

3<br />

∆ m um<br />

ist laut Impulssatz gleich der horizontalen Kraft F auf die Rotorebene A 2 :<br />

ρ<br />

2<br />

2 2<br />

F m&<br />

( v − v ) = ∆ p = = ( v − v )<br />

1<br />

3<br />

13<br />

ρ<br />

⇒ m & = A ( v + v )<br />

2<br />

2<br />

1<br />

3<br />

A<br />

2<br />

↑<br />

Impulssatz<br />

1<br />

Nach Gl. (<strong>8.8</strong>–3) gibt der Wind folgende Leistung an die WKA ab:<br />

A<br />

2<br />

1<br />

3<br />

1 Die zwei Gln. m& = ρ/ 2 ⋅ A2 ( v1<br />

+ v 3)<br />

= ρ A2<br />

v 2 liefern die Windgeschwindigkeit in der Rotorebene:


P<br />

WKA<br />

2 2<br />

( v + v ) ( v − v )<br />

3<br />

ρ<br />

= A2<br />

1 3 1 3<br />

(<strong>8.8</strong>–5)<br />

4<br />

Division durch die Leistung PWind = ρ/ 2⋅<br />

A2<br />

v1<br />

des Windanteiles, der weit vor den Rotoren<br />

auf die Fläche A 2 der Rotorebene zuströmt, ergibt das Verhältnis der entnommenen Leistung<br />

zu der im Wind enthaltenen Leistung 2 . Dieses Verhältnis heißt „Leistungsbeiwert“ c P :<br />

2 2<br />

( v + v ) ( v − v )<br />

3<br />

⎛ v ⎞<br />

⎛ ⎞ ⎛<br />

2<br />

⎞<br />

⎜<br />

3 P<br />

⎟<br />

WKA 1 3 1 3 1 v<br />

= =<br />

= ⎜<br />

3<br />

+ ⎟ ⎜<br />

v 3<br />

c ⎟<br />

P :<br />

1<br />

1 −<br />

3<br />

2<br />

(<strong>8.8</strong>–6)<br />

⎝<br />

v1<br />

⎠<br />

PWind<br />

2 v<br />

2<br />

⎝<br />

v1<br />

⎠ ⎝ v1<br />

⎠<br />

1<br />

Wenn wir c P nach v 3 ableiten und die Ableitung gleich null setzen, so erhalten wir für<br />

v 3 = v 1 / 3 den maximalen Leistungsbeiwert, den sog. „Betzschen Leistungsbeiwert“<br />

max ⎛ 1 ⎞ 16<br />

c<br />

P<br />

= c P ⎜ ⎟ = ≈ 0,593<br />

(<strong>8.8</strong>–7)<br />

⎝ 3 ⎠ 27<br />

Theoretisch können maximal 59,3%<br />

der Windenergie in mechanische<br />

Energie umgewandelt werden. In der<br />

Praxis erreichen gute WKA bei<br />

günstiger Windgeschwindigkeit den<br />

Leistungsbeiwert c P ≈ 0, 5 , also fast<br />

85% des theoretischen Maximums.<br />

Die Betzsche Theorie gilt auch für Meeresströmungskraftwerke,<br />

bei denen sich die<br />

Rotoren unter Wasser drehen und das<br />

Wasser nicht durch Rohre geführt wird.<br />

Die Theorie gilt nicht für ummantelte<br />

Laufwasserkraftwerke, weil das Wasser hier<br />

durch Rohre strömt, so dass sich die<br />

Stromröhre seitlich nicht ausweiten kann<br />

wie in Abb. <strong>8.8</strong>–1. Laufwasserkraftwerke<br />

haben Wirkungsgrade bis 92%.<br />

Abb. <strong>8.8</strong>–2 Leistungsbeiwert als Funktion von v 3 / v1<br />

.<br />

Beispiel <strong>8.8</strong>−1 Leistung einer großen Windkraftanlage<br />

Eine große WKA in Küstennähe hat einen Rotorradius von r = 55 m und gibt bei einer<br />

Windgeschwindigkeit von v 1 = 12 m / s (Windstärke 6. Starker Wind; starke Äste werden bewegt)<br />

ihre Nennleistung P (installierte Leistung) ab.<br />

( v v )<br />

1<br />

v 2 = 1 + 3<br />

(<strong>8.8</strong>–4)<br />

2<br />

2 Wegen der Division durch A 2 wird die Energie der äußeren Randschichten, die weit vor den Rotoren auf die<br />

Querschnittsfläche A 2 zuströmen und kurz vor der Rotorfläche die Rotoren ungenutzt außen herum umfließen,<br />

in der Berechnung berücksichtigt.


a) Wie groß ist die Nennleistung P?<br />

4<br />

b) Wieviele Fußballfelder (mit je 68 m ⋅ 100 m ) benötigt eine Photovoltaikanlage (PVA) mit einem<br />

Wirkungsgrad von 18%, um im Jahr dieselbe elektrische Energie zu erzeugen wie die WKA?<br />

Hinweise: 1) Die Zahl<br />

z VL : =<br />

z VL der Volllaststunden einer Anlage wird wie folgt definiert:<br />

Pro Jahr gelieferte Energie<br />

Nennleistung<br />

Für WKA und Photovoltaikanlagen (PVA) gilt in Küstennähe in Norddeutschland:<br />

WKA<br />

PVA<br />

z = 2500 h z =<br />

VL VL<br />

850 h<br />

2) Rechne mit dem Leistungsbeiwert c P = 0, 5 und der Luftdichte ρ = 1,2 kg / m<br />

3<br />

.<br />

2<br />

2<br />

3) PVA benötigen etwa 2 m Land für 1 m Modulfläche.<br />

4) Bei wolkenlosem Himmel wird eine Sonnenleistung von 1 kW / m eingestrahlt.<br />

Lösung:<br />

ρ 2 3<br />

a) P = 0,5 ⋅ PWind<br />

= 0,5 ⋅ π r v1<br />

≈ 4,93 MW<br />

↑<br />

2<br />

Gl. (<strong>8.8</strong>−1)<br />

4,93 MW ⋅ 2500 h<br />

b) N =<br />

⋅ 2 ≈ 23, 7<br />

2 kW<br />

6800 m ⋅ 1 ⋅ 0,18 ⋅ 850 h<br />

2<br />

m<br />

2<br />

Im Prinzip gibt es zwei Arten von WKA: Widerstandsläufer (siehe Beispiel <strong>8.8</strong>–2) und<br />

Auftriebsläufer (siehe die Abb. <strong>8.8</strong>–4/5/6).<br />

Die sog. „Widerstandsläufer“ werden durch den aus Gl. (8.6–1) bekannten<br />

Strömungswiderstand F W<br />

angetrieben:<br />

ρ 2<br />

FW<br />

= c<br />

W<br />

A v<br />

(<strong>8.8</strong>–8)<br />

2<br />

mit c = dimensionsloser Widerstandsbeiwert A = angeströmte Stirnfläche<br />

W<br />

Das folgende Beispiel zeigt, dass die Leistungsbeiwerte der Widerstandsläufer unter 0,2<br />

liegen und daher deutlich kleiner sind als der theoretisch maximale Leistungsbeiwert 0,593.<br />

Widerstandsläufer spielen daher bei der Energieerzeugung nur eine untergeordnete Rolle.<br />

Beispiel <strong>8.8</strong>−2 Schalen-Anemometer<br />

Schalen-Anemometer (siehe Abb. <strong>8.8</strong>–3) rotieren aufgrund des Strömungswiderstandes. Sie<br />

werden gerne für die Messung der Windgeschwindigkeit eingesetzt.<br />

a) Berechne die Leistung P WKA des in Abb. <strong>8.8</strong>–3 dargestellten Schalen-Anemometers für die<br />

momentane Ausrichtung senkrecht zur Windrichtung.<br />

b) Zeige, dass der theoretisch maximale Leistungsbeiwert von Widerstandsläufern unter 0,2 liegt.<br />

Lösung:<br />

a) Nach Gl. (4.2–3) lautet die Leistung:<br />

= F ω l − F ω l =<br />

P W KA W 1 W 2<br />

ρ<br />

= A ω l<br />

2<br />

2<br />

2<br />

[ c ( v − ωl<br />

) − c ( v + ωl<br />

) ]<br />

W 1<br />

1<br />

W 2<br />

1


Mit der sog. „Schnelllaufzahl“<br />

1<br />

5<br />

Umfangsgeschwindigkeit ωl<br />

λ : =<br />

= (mit λ < 1 aus physikalischen Gründen) (<strong>8.8</strong>–9)<br />

Windgeschwindigkeit v<br />

ergibt sich der Leistungsbeiwert des Schalen-Anemometers in der gezeigten Stellung zu<br />

P<br />

2<br />

2<br />

[ c ( 1 − λ) − c ( + ) ]<br />

P<br />

c ( λ<br />

(<strong>8.8</strong>–10)<br />

WKA<br />

P<br />

λ)<br />

=<br />

= = λ<br />

1<br />

↑<br />

W 1<br />

W<br />

P<br />

↑<br />

2<br />

Gl. (<strong>8.8</strong>−6)<br />

Wind<br />

Gl. (<strong>8.8</strong>−1)<br />

c ist maximal für λ ≈ 0, 157 :<br />

c<br />

max<br />

P<br />

= c<br />

P (0,157) ≈ 0,074<br />

Wenn die Windgeschwindigkeit v 1 etwa 6,4 mal so groß<br />

ist wie die Umfangsgeschwindigkeit ω l , dann hat das<br />

Schalen-Anemometer einen maximalen Leistungsbeiwert<br />

von etwa 0,074.<br />

Beachte: Die Rechnung gilt nur für die in Abb. <strong>8.8</strong>−3 gezeigte<br />

Stellung. Im zeitlichen Mittel ist c P deutlich kleiner.<br />

b) Offene Halbkugeln mit der Öffnung gegen den Wind<br />

(siehe die obere Halbkugel in der Abb. <strong>8.8</strong>−3) haben mit<br />

c W = 1,33 den größten c W − Wert. Daher erhält man den<br />

theoretisch maximalen Leistungsbeiwert von<br />

Widerstandsläufern, wenn man c W 2 in Gl. (<strong>8.8</strong>–10) gleich<br />

null setzt:<br />

max<br />

P<br />

c ≈ 0,193 .<br />

Abb. <strong>8.8</strong>–3 Anemometer<br />

Zur Stromerzeugung werden nahezu ausschließlich die sog. „Auftriebsläufer“ mit<br />

horizontalen Drehachsen eingesetzt. Ihre Rotorblätter haben die Form von Flugzeug-<br />

Tragflügeln. Die Strömungsgeschwindigkeit ist über der stärker gewölbten Oberfläche größer<br />

als über der flachen Oberfläche. Die verschiedenen Strömungsgeschwindigkeiten verursachen<br />

laut Bernoulli-Gl. Druckunterschiede und somit einen Auftrieb (siehe die Abbn. 8.2−12 und<br />

<strong>8.8</strong>–4).<br />

Die Auftriebskraft hat die gleiche Form wie der Strömungswiderstand<br />

F<br />

A<br />

F W in Gl. (<strong>8.8</strong>–8):<br />

ρ 2<br />

= cA<br />

A⊥<br />

vA<br />

(<strong>8.8</strong>–11)<br />

2<br />

mit c A = dimensionsloser Auftriebsbeiwert v = Anströmgeschwindigkeit (siehe Abb. <strong>8.8</strong>–4)<br />

A = Profilfläche = Spannweite l ⋅ Profiltiefe t (siehe die Abbn. <strong>8.8</strong>–5/6)<br />

⊥<br />

Die Anströmgeschwindigkeit v A ist die Vektorsumme der Windgeschwindigkeit v 2 in der<br />

Rotorebene und der negativen Umlaufgeschwindigkeit der Rotoren (siehe Abb. <strong>8.8</strong>−4). Die<br />

Windkraft auf den Rotor ist die Vektorsumme der Auftriebskraft F A – sie steht senkrecht auf<br />

der Anströmgeschwindigkeit – und dem (hier vernachlässigten) Strömungswiderstand F W –<br />

er ist parallel zu v A . Die tangentiale Komponente von F A dreht das Windrad.<br />

Für die folgende Diskussion benötigen wir zwei Winkel (siehe Abb. <strong>8.8</strong>–5):<br />

A


• Der Anstellwinkel α ist der Winkel zwischen der Anströmgeschwindigkeit<br />

Profilsehne. α gibt die Richtung der Anströmung relativ zum Rotorblatt an.<br />

6<br />

v A und der<br />

• Der Blatteinstellwinkel ϑ ist der Winkel zwischen der Profilsehne und der Rotorebene.<br />

Auftriebsbeiwert und Auftriebskraft hängen stark vom Anstellwinkel α ab. Für α < 10 ° gilt<br />

näherungsweise (ohne Beweis)<br />

π<br />

c A ≈ 5,5 ⋅ α<br />

für α < 10 °<br />

(<strong>8.8</strong>–12)<br />

180°<br />

Bei zu hohen Anstellwinkeln reißt die Strömung über der gewölbten Oberfläche der<br />

Rotorblätter ab und der Auftrieb fällt um mehr als 10%.<br />

Es gibt zwei Konzepte, um die Leistung ab einer bestimmten Windgeschwindigkeit konstant<br />

zu halten und um die Windräder bei zu starkem Sturm vor Überlastung zu schützen:<br />

1) Stall-Regelung: Die Rotorblätter sind fest mit der Nabe verbunden; der Blatteinstellwinkel<br />

ϑ kann nicht geändert werden. Ein direkt ans Netz gekoppelter Asynchrongenerator hält die<br />

Drehzahl praktisch konstant. Mit steigender Windgeschwindigkeit nimmt der Anstellwinkel α<br />

automatisch zu. Bei zu hohen Anstellwinkeln reißt die Strömung über der gewölbten<br />

Oberfläche der Rotorblätter ab, so dass Auftrieb und Leistung beschränkt werden.<br />

Vorteile: Stall-Regelungen sind technisch einfach und billig zu realisieren.<br />

Nachteile: Beschränkte Regelungsmöglichkeiten. Bei Strömungsabriss fällt die Leistung um mehr als 10%.<br />

2) Pitch-Regelung: Der Blatteinstellwinkel ϑ kann mit Elektromotoren verstellt werden; dabei<br />

ändert sich auch der Anstellwinkel α. Oberhalb der Nennwindgeschwindigkeit – sie liegt je<br />

nach Anlage zwischen 12 m/ s und 16 m/ s – wird die Leistungsabgabe konstant gehalten,<br />

indem das Rotorblatt durch Vergrößerung des Winkels ϑ in den Wind gedreht wird.<br />

Vorteile: Die Leistung kann bei hohen Windgeschwindigkeiten konstant gehalten werden. Bei zu stürmischen<br />

Abb. <strong>8.8</strong>–4 Die Anströmgeschwindigkeit v A setzt sich aus<br />

der Windgeschwindigkeit v 2 in der Rotorebene und der negativen<br />

Umfangsgeschwindigkeit ω l (Fahrtwind)<br />

zusammen.<br />

Die Auftriebskraft steht senkrecht auf der Anströmgeschwindigkeit<br />

v A . Die tangentiale Komponente der Auftriebskraft<br />

dreht den Rotor.<br />

Abb. <strong>8.8</strong>–5 Der Anstellwinkel α gibt<br />

die Richtung der<br />

Anströmgeschwindigkeit v A an. Für<br />

α = 0 ist F A = 0 .<br />

Der Blatteinstellwinkel ϑ beschreibt die<br />

Ausrichtung der Rotorblätter. Die<br />

Änderung des Winkels ϑ ändert auch<br />

den Winkel α und die<br />

Leistungsaufnahme.


Winden (etwa<br />

v Wind ><br />

20 m/s .... 35 m / s<br />

7<br />

) lässt sich die<br />

Anlage zum Schutz vor mechanischer Überlastung<br />

abschalten, indem die Rotorblätter in Fahnenstellung (α = 0)<br />

gedreht werden.<br />

Nachteile: Hoher technischer und finanzieller Aufwand.<br />

Beim Einbau von Frequenzumrichtern, die die<br />

Frequenz von Wechselströmen ändern, können die<br />

Drehzahlen der Windräder variieren, so dass teuere<br />

und störungsanfällige Getriebe entfallen können;<br />

dann sind die Reibungsverluste gering und die<br />

Anlage kann bei relativ kleinen<br />

Windgeschwindigkeiten anfahren.<br />

Abb. <strong>8.8</strong>–6 Da sich die<br />

Umfangsgeschwindigkeit von der Nabe<br />

zur Rotorspitze erhöht, sind die<br />

Rotorblätter in sich verdreht (verwindet).<br />

Deshalb ist der Anstellwinkel α entlang<br />

eines Blattes nahezu konstant.<br />

Dieses Kapitel stammt aus dem Lehrbuch:<br />

Physik für Ingenieure und Naturwissenschaftler<br />

Band 1: Mechanik und Thermodynamik<br />

von Friedhelm Kuypers Wiley-VCH-Verlag<br />

450 Seiten, davon über 70 Seiten Lösungen von Aufgaben<br />

24,95 €

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