Begleitmaterial Dirty Rich - Dschungel Wien
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DIRTY RICH<br />
Begleitinformationen zur Vorstellung<br />
werk89<br />
SCHAUSPIEL MIT TANZ UND MUSIK / 80 MINUTEN / EMPFOHLEN AB 14 JAHREN<br />
Begleitinformationen erstellt von: Julia Perschon<br />
ANSPRECHPERSON für Informationen, Anmeldung und Kartenreservierung<br />
Pädagogische Einrichtung, Kulturvermittlung / Mag. Sabine Forstner-Widter<br />
MO. - FR. 09:00 - 17:00 / FON +43.1.522 07 20 -18 / FAX +43.1.522 07 20 -30 /<br />
S.FORSTNER@DSCHUNGELWIEN.AT / WWW.DSCHUNGELWIEN.AT
INHALTSVERZEICHNIS<br />
1. VORBEMERKUNG 3<br />
2. ZUM THEATERSTÜCK DIRTY RICH 4<br />
2.1. ECKDATEN 4<br />
2.2. INHALTSANGABE 5<br />
2.3. CHARAKTERISIERUNG RICH 6<br />
2.4. ZUM KONZEPT 6<br />
2.5. ZUR INSZENIERUNGSWEISE 7<br />
2.6. KONTEXT UND SPRACHE DES STÜCKTEXTES 7<br />
3. AUSZÜGE AUS DEM STÜCK UND ÜBUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT 9<br />
3.1. MONOLOG RICH 9<br />
3.2. TAGEBUCHEINTRAG ERIC HARRIS 10<br />
3.3. DIALOG ZWISCHEN DEN DREI BRÜDERN RICH, EDDY UND GEORGIE 11<br />
4. INTERVIEW MIT REGISSEUR MICHAEL PÖLLMANN UND CHOREOGRAFIN<br />
BÄRBEL STREHLAU<br />
15<br />
5. HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZUM THEMA SCHOOL SHOOTING 17<br />
5.1. BEGRIFFSBESTIMMUNG 17<br />
5.2. DAS PHÄNOMEN – ZAHLEN UND FAKTEN 18<br />
5.3. DIE TÄTER 19<br />
5.4. DAS SOZIALE UMFELD UND GESELLSCHAFTLICHE ASPEKTE 22<br />
5.5. FALLBEISPIELE 24<br />
5.6. DISKUSSION ZUR MEDIENWIRKUNG 28<br />
5.7. PRÄVENTION AN SCHULEN 30<br />
5.8. PROJEKTIDEEN UND DISKUSSIONSANREGUNGEN ZUM THEMA SCHOOL<br />
SHOOTING<br />
31<br />
6. THEMENFELDER UND ANREGUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT 33<br />
6.1. THEMENFELD 1: MACHT UND GEWALT 33<br />
6.2. THEMENFELD 2: NARZISSMUS 34<br />
6.3. THEMENFELD 3: VERTRAUEN UND ANERKENNUNG 35<br />
7. TEAM 37<br />
8. ANHANG 39<br />
8.1. QUELLEN ZUM THEMA SCHOOL SHOOTING 37<br />
8.2. INTERNETLINKS – PROJEKTE UND BERATUNGSSTELLEN 42<br />
9. KONTAKT 42<br />
2
1. VORBEMERKUNG<br />
Sehr geehrte Pädagoginnen und Pädagogen!<br />
Die öffentliche Diskussion über das Phänomen „School Shooting“ entflammt jedes<br />
Mal aufs Neue wenn sich wieder eine solch schreckliche Tat ereignet. Soll das<br />
Waffengesetz verschärft, gewalthaltige Computerspiele verboten oder gar mehr<br />
Überwachungskameras in den Schulen installiert werden? Oder soll vielleicht doch<br />
unsere Gesellschaft und das innere Erleben der Täter genauer beleuchtet werden?<br />
Hierbei scheiden sich die Geister. Das Gewaltprävention in den Schulen dabei ein<br />
wesentliches Thema ist, darin besteht jedoch kein Zweifel.<br />
werk89 bringt mit DIRTY RICH ein Stück auf die Bühne, dass sich auf spannende und<br />
zeitgenössische Weise dem Thema Schulamoklauf nähert und gleichzeitig einen<br />
modernen Zugang zu dem Shakespeare Drama „<strong>Rich</strong>ard III“ eröffnet. Neben<br />
Schauspiel holt die Inszenierung die Jugendlichen mit Elementen wie Tanz und<br />
Musik ab und regt unter anderem zur Diskussion über Themen wie Gewalt, sozialer<br />
Ausgrenzung und die Suche nach Anerkennung und Akzeptanz an.<br />
Diese Materialmappe richtet sich an Lehrer und Lehrerinnen, die mit ihren<br />
Schülerinnen und Schülern eine Vorstellung von DIRTY RICH besuchen und diese<br />
vor- oder nachbereiten möchten. Das Material bietet Ihnen zu Beginn einen<br />
Überblick über Inhalt, Inszenierung, Konzept und Sprache des Stückes. Die<br />
anschließenden Auszüge aus dem Stücktext mit theaterpädagogischen Übungen<br />
sollen dazu anregen den SchülerInnen ein Gefühl für die verwendete Sprache zu<br />
geben. Neben ausführlichen Hintergrundinformationen zum Thema School Shooting<br />
finden Sie die wichtigsten Themenfelder sowie Arbeitsanregungen und Übungen für<br />
den Unterricht. Im Anhang finden sie weitere Hinweise zur weiteren Beschäftigung<br />
mit dem Thema.<br />
Wenn Sie Fragen zum theaterpädagogischen <strong>Begleitmaterial</strong> oder zur Inszenierung<br />
DIRTY RICH haben oder wenn Sie uns Ihre Kritik und Anmerkungen mitteilen<br />
möchten, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen.<br />
Wir wünschen Ihnen und Ihren SchülerInnen einen spannenden Theaterbesuch und<br />
anregende Diskussionen!<br />
Ihr werk89<br />
3
2. ZUM THEATERSTÜCK DIRTY RICH<br />
2.1. ECKDATEN<br />
DIRTY RICH<br />
Schauspiel mit Tanz und Musik<br />
in Deutsch und modernem Englisch („Jugendslang“)<br />
wird produziert von<br />
werk89 – Theater- und Kunstverein<br />
Regie: Michael Pöllmann<br />
Choreografie: Bärbel Strehlau<br />
Schauspiel: Maria Spanring<br />
Jakob Beubler<br />
Florian Kaufmann<br />
Dramaturgieassistenz: Julia Perschon<br />
Produktion: Anna Müller-Funk, Julia Wiggers<br />
Bühne und Kostüm: Agnes Burghardt<br />
Lichtdesgin: Claus Zweythurm<br />
Text: Tom Lanoye und Luk Perceval,<br />
Eric Harris, Dylan Klebold<br />
KooperationspartnerInnen: Weiße Feder<br />
FördergeberInnen: BMUKK, MA7, dict.cc<br />
Uraufführung<br />
Dauer: 80 Minuten, keine Pause<br />
Spieltermine im DSCHUNGEL WIEN – Theaterhaus für junges Publikum:<br />
Premiere: 21.2.2011 19:30<br />
Weitere Termine: 21.2.2011 10:30 19:30<br />
22.2.2011 10:30 19:30<br />
23.2.2011 10:30 19:30<br />
4
2.2. INHALTSANGABE<br />
Personen<br />
<strong>Rich</strong><br />
Eddy<br />
Georgie<br />
Anna<br />
Buckingham<br />
Inhalt<br />
In DIRTY RICH, einer Inszenierung in der Sprechtheater und Tanz rasant ineinander<br />
überwechseln und sich ergänzen, wird der Stoff von Shakespeares „<strong>Rich</strong>ard III" der<br />
Thematik des „School Shootings" gegenübergestellt. Mit der Geschichte von <strong>Rich</strong>ard<br />
III wird gleichzeitig die Geschichte eines jugendlichen Amokläufers erzählt und es<br />
wird versucht einen Einblick in das innere Erleben und die Psychologie eines School<br />
Shooters zu geben.<br />
Als Theatertext werden Auszüge aus der spannenden und modernen<br />
Textbearbeitung des „<strong>Rich</strong>ard III“ von Tom Lanoye und Luk Perceval mit dem Titel<br />
<strong>Dirty</strong> <strong>Rich</strong> Modderfocker der Dritte verwendet. Immer wieder ergänzt durch<br />
Passagen aus Tagebucheinträgen der School Shooter von Columbine Eric Harris und<br />
Dylan Klebold. Das Stück setzt sich inhaltlich mit Themen wie Gewalt und<br />
Aggression, Narzissmus, Streben nach Macht, sozialer Ausgrenzung und der Suche<br />
nach Anerkennung und Liebe auseinander.<br />
Alle Schlachten sind gekämpft. <strong>Rich</strong>s Bruder Eddy ist „The King“ und eigentlich<br />
könnte eine friedliche Zeit beginnen. Doch <strong>Rich</strong> beschließt die Rolle des „bad guy“<br />
einzunehmen und weiterzukämpfen. Er ist ein Außenseiter: hässlich, ungelenk und<br />
glücklos bei Frauen. Er fühlt sich von der Natur und seinem Umfeld betrogen. Um<br />
das zu ändern, um Macht und Ruhm zu erlangen, beginnt er eine mörderische<br />
Intrige zu spinnen, voller Lügen, Skrupel- und Rücksichtslosigkeit. Er startet einen<br />
innerfamiliären Feldzug voller Wut und Hass, der einem von langer Hand<br />
vorbereiteten, detailliert geplanten, nicht enden wollenden Amoklauf<br />
gleichkommt. Zunächst ermordet er auf sadistische Weise seinen Bruder Georgie,<br />
der im Turm eingesperrt ist. Danach treibt er seinen kranken Bruder Eddy the King<br />
in den Tod. Durch die verzweifelte Suche nach Anerkennung und das rücksichtslose<br />
Streben nach Macht wird eine Spirale der Gewalt in Gang gesetzt, die ihren<br />
Ursprung in der erlebten Ausgrenzung hat. Immer auf der Suche nach Gegnern,<br />
führt <strong>Rich</strong> sich selbst ad absurdum und steht irgendwann nur noch sich selbst<br />
gegenüber.<br />
Ohne erhobenen Zeigefinger vermittelt DIRTY RICH durchaus auch auf<br />
unterhaltsame Weise Hintergründe, zeigt Zusammenhänge auf und regt zum<br />
Nachdenken an.<br />
5
2.3. CHARAKTERISIERUNG RICH<br />
<strong>Rich</strong> empfindet sich als hässlich und körperlich entstellt und wie er sagt „falsch<br />
ausgerüstet“ für das Leben. Er hat kein Glück bei Frauen, fühlt sich von Natur aus<br />
benachteiligt und von der Gesellschaft und den Menschen betrogen. Um dieses<br />
Gefühl der Unterlegenheit zu kompensieren entwirft er ein überhöhtes<br />
gottähnliches Selbstbild und erhebt sich über jegliche Moral und Regeln. Er<br />
versucht die alleinige Macht und Kontrolle zu erlangen. In ihm brodelt Wut und<br />
Hass. Er selbst demütigt und verspottet andere und zeigt kein Gefühl der Empathie,<br />
doch auch er muss Ablehnung und Beschimpfungen ertragen. Wie auch viele der<br />
jugendlichen Schulamokläufer empfindet er tief im Inneren eine große Einsamkeit<br />
und sehnt sich nach Liebe, Akzeptanz und Freundschaft. Doch für ihn steht die<br />
Erhöhung seines Status im Vordergrund. Er gibt sich häufig hochmütig und arrogant,<br />
obwohl er sich eigentlich beschämt und klein fühlt, er will „ganz oben“ und stark<br />
sein, obwohl er sich im Grunde schwach fühlt. Deshalb ist er ständig mit<br />
denjenigen beschäftigt, die ihn aufgrund seines Rangs oder ihrer größeren Autorität<br />
seine Kleinheit und Ohnmacht spüren lassen können. Diese Eigenschaft verbindet<br />
ihn mit Eric Harris, einem der School Shooter von Columbine. Eine weitere<br />
Gemeinsamkeit sind seine Verstellungskünste. <strong>Rich</strong> lügt und betrügt und versucht<br />
seinen Eindruck auf andere zu steuern. Er will sich überlegen fühlen und demütigt<br />
dadurch seine Opfer. Ja er empfindet ein gewisse sadistische Lust und Vergnügen<br />
am Töten. Seine Zerstörungswut gibt ihm einen „Kick“ und kennt keine Grenzen.<br />
Er zeigt keinerlei Anstalten Verantwortung für das eigene Verhalten zu übernehmen<br />
und empfindet sich - ähnlich jugendlichen Schulamokläufern - als ständiges Opfer<br />
und Sündenbock.<br />
2.4. ZUM KONZEPT<br />
Die Verknüpfung mit dem Thema „School Shooting“ will das Shakespeare Werk<br />
„<strong>Rich</strong>ard III“ den SchülerInnen auf eine moderne, spannende Weise anhand eines<br />
brisanten Themas unserer heutigen Gesellschaft nahe bringen. Shakespeares<br />
Königsdrama „<strong>Rich</strong>ard III.“ zeigt den Aufstieg und Fall eines machthungrigen jungen<br />
Mannes, der durch sein rücksichtsloses Streben nach vollkommener Macht eine<br />
ganze Gesellschaft und am Ende sich selbst, zu Grunde richtet. Dabei zeichnen ihn<br />
vor allem sein hohes Maß an Fremdaggression und sein Narzissmus aus. Dies zeigt<br />
eine deutliche Ähnlichkeit mit den typischen Täterprofilen von „School Shootern“,<br />
wie z. B. das Kompensieren persönlicher Kränkungen in Gewalttätigkeit und<br />
Selbstüberhöhung. Denn viele der Amoktäter fühlen sich in ihrem Umfeld isoliert<br />
und von diesem gekränkt. Sie wollen sich durch ihre Tat an „den Verantwortlichen“<br />
rächen und haben dabei auch das Gefühl der Berechtigung. Bei einem Amoklauf<br />
potenziert sich dabei das Gefühl von Grandiosität und Überlegenheit und wird<br />
kurzfristig zum „ultimativen Kick“, da der „School Shooter“ zum „Herrn über Leben<br />
oder Tod“, also zu „Gott“ wird. Wenn jedoch der Täter aus seinem Blutrausch<br />
erwacht, muss er erkennen, dass seine „ultimative Macht“ schon wieder zu Ende<br />
ist, und vielleicht auch nie wirklich existiert hat. Da bei einem Amoklauf jedoch<br />
eine Umkehr nicht möglich ist, stellt der Suizid oft, wie z.B. in Erfurt oder in<br />
Winnenden, die einzige Lösung dar.<br />
6
Die theatrale Beschäftigung mit „School Shooting“ ist gerade in einer Zeit der<br />
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unsicherheit von extremer Wichtigkeit.<br />
Denn die Auseinandersetzung mit diesem Phänomen hat gezeigt, dass vor allem<br />
Jugendliche aus dem Mittelstand, die keine Zukunftsperspektive sehen, zu Gewalt<br />
und in der Konsequenz auch zu „School Shooting“ neigen.<br />
Dieses Stück will ein umfassendes Bild der Beweggründe und Nöte jugendlicher<br />
Amokläufer zeichnen und gleichzeitig auf ernstzunehmende und unserer Zielgruppe<br />
entsprechende Weise, zur Diskussion anregen.<br />
Da ein intensiver Austausch zwischen Thema und Publikum nur mit einer<br />
überschaubaren Anzahl von Jugendlichen realisierbar ist, ergibt sich eine<br />
ZuschauerInnenzahl von max. 65 Personen. Die Thematik und die Inszenierung<br />
richten sich an Jugendliche ab 14.<br />
Das Konzept von „<strong>Dirty</strong> <strong>Rich</strong>" wurde mit dem ersten Preis des OFFSPRING.contest<br />
2010 ausgezeichnet.<br />
2.5. ZUR INSZENIERUNGSWEISE<br />
Die Inszenierung bertrachtet Jugendliche als mündige und ernstzunehmende<br />
TheaterbesucherInnen, denen auf der Suche nach ihrer Sicht der Welt in der<br />
szenischen Umsetzung entgegenkommen wird. In der Handlung des Dramas „<strong>Dirty</strong><br />
<strong>Rich</strong>“ wird daher ein „jugendlich-rotziger“ Spielstil mit poetischen Spielsituationen<br />
verbunden.<br />
Eine klare Bühnensituation ist nicht gegeben, da die SpielerInnen, in und um die<br />
ZuschauerInnen unter Verwendung von Elementen des zeitgenössischen<br />
Tanztheaters, sowie des Hip-Hop und Street-Dance agieren werden. Szenen mit<br />
brutalem oder kämpferischem Inhalt werden beispielweise mit Hilfe poetischchoreographischer<br />
Bilder umgesetzt. Auch werden die Rollen des Stückes immer<br />
wieder unter den AkteurInnen gewechselt, um so eine möglichst vielseitige<br />
Auseinandersetzung zwischen dem Stoff des „<strong>Rich</strong>ard III.“ und der Thematik des<br />
Amoklaufes zu gewährleisten.<br />
Weiter werden mit Hilfe von musikalischen Einflüssen verschiedener<br />
Jugendkulturen Textpassagen aus dem konventionellen Sprachgebrauch<br />
herausgenommen und ihnen somit eine neue – den Jugendlichen bekannte –<br />
Ästhetik verliehen.<br />
Um die Aktualität und Unmittelbarkeit der Thematik zu veranschaulichen, wird die<br />
Distanz zwischen DarstellerInnen und RezipientInnen auf ein Minimum reduziert.<br />
2.6. KONTEXT UND SPRACHE DES STÜCKTEXTES<br />
Schlachten! ist ein Theaterstück des belgischen Autors Tom Lanoye und des<br />
belgischen Regisseurs Luk Perceval nach den Rosenkriegen von William<br />
Shakespeare. Es fasst die acht Königsdramen Shakespeares zu einem umfangreichen<br />
Werk mit den Teilen <strong>Rich</strong>ard Deuxième, Heinrich 4, Der Fünfte Heinrich,<br />
Margaretha di Napoli, Eddy the King und <strong>Dirty</strong> <strong>Rich</strong> Modderfocker der Dritte<br />
zusammen. Die flämische Originalversion Ten Oorlog (Zum Krieg) wurde 1997 in<br />
Gent uraufgeführt, die deutschsprachige als zwölfstündiger Theatermarathon 1999<br />
bei den Salzburger Festspielen.<br />
7
Das vorliegende Stück DIRTY RICH arbeitet mit Auszügen aus Eddy the King,<br />
konzentriert sich aber in erster Linie auf den Text <strong>Dirty</strong> <strong>Rich</strong> Modderfocker der<br />
Dritte. Da die Absicht des vorliegenden Stückes ist, den Stoff des „<strong>Rich</strong>ard III.“ für<br />
eine jugendliche Zielgruppe aufzuarbeiten, erscheint die Bearbeitung von Tom<br />
Lanoye und Luk Perceval besonders geeignet, da sie in ihrer Sprachästhetik genau<br />
den Nerv der jungen Generation trifft und somit eine Verbindung zwischen<br />
moderner Jugendkultur und zeitgenössischem Theater bildet.<br />
Diese Fassung zeichnet sich besonders dadurch aus, dass sie die Sprache<br />
Shakespeares‘ mit modernem Englisch und Deutsch auf unkonventionelle Weise<br />
vermischt, was sich bereits im Titel <strong>Dirty</strong> <strong>Rich</strong> Modderfocker der Dritte<br />
widerspiegelt.<br />
Sie verbindet die Handlung Shakespeares mit einer an den Filmregisseur Quentin<br />
Tarantino erinnernden Sprachästhetik (moderner „Slang“ versus klassischem Reim<br />
und Rhythmus) und bildet damit den Brückenschlag zwischen klassischem und<br />
zeitgenössischem Theater.<br />
8
3. AUSZÜGE AUS DEM STÜCK UND ÜBUNGEN FÜR DEN<br />
UNTERRICHT<br />
3.1. MONOLOG RICH<br />
Me, grob gestrickt und immer schlecht gekleidet,<br />
Mir mangelt Minnens federfüßger Schritt,<br />
Um vor den geilen Hennen zu stolzieren.<br />
Ich bin so hässlich, dass, wo ich vorbeihink,<br />
Die hasserfüllten Hunde grässlich heuln!<br />
Die schlaffen Zeiten mögen meinethalben<br />
Ihm Friedenssingsang plärrn, I kill my time<br />
Mit Starren at my shadow in the sun<br />
Und meiner Schreckgestalt ein selig Lied zu pfeifen.<br />
If I’m no good to entertain this period<br />
Of peace and decency as lover-boy,<br />
I plan to entertain it as the bad guy.<br />
Aus gossip, lies und Alkoholvisionen,<br />
Aus List und Laster webte ich ein Netz,<br />
Das my beloved Buddys - George und Eddy<br />
Schon bald zu heated hate entflammen muss.<br />
And if Big Eddy is as loyal and just<br />
As I am falsch, durchtrieben und gerissen,<br />
Sitzt unser kleiner George noch heut im Turm<br />
Nach my black magic voodoo Horoskop!<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vorbereitung)<br />
Übung: Chorisches Spiel<br />
1. Vorbereitung für die Chorsprechübung: Der gesamte Text wird jedem/jeder<br />
ausgeteilt. Die SchülerInnen sollen den Text mit eigenen Worten<br />
wiedergeben (in Prosasätzen und ohne englische Wörter).<br />
2. Individuelles stilles bzw. halblautes übendes Lesen (Rhythmus,<br />
Artikulation…) ev. auch außerhalb der Klasse, dann wieder im Plenum<br />
zusammenkommen.<br />
3. Der gesamte Text wird von einer Person vor der Klasse vorgetragen.<br />
4. Oder der gesamte Text wird von allen gemeinsam gelesen. Man könnte auch<br />
ausprobieren den Text „entfremdet“ zu lesen z.B. leise oder laut.<br />
9
5. Oder der Text wird abwechselnd Zeile für Zeile von einer Person und die<br />
nächste Zeile von allen gemeinsam gelesen.<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vorbereitung)<br />
Übung: inhaltliche Textarbeit<br />
1. Die SchülerInnen beschreiben die Hauptfigur des <strong>Rich</strong> in eigenen Worten.<br />
2. Welche Handlungen erwarten die SchülerInnen im Laufe des Stückes von der<br />
Hauptfigur aufgrund des gezeichneten Selbstbildes?<br />
3.2. TAGEBUCHEINTRAG ERIC HARRIS<br />
(Eric Harris, einer der School Shooter von Columbine, zit. nach Langman,<br />
2009, S. 25)<br />
„Wenn wir die Technik der Zeitbomben endlich beherrschen, werden wir Hunderte<br />
davon an Häusern, Straßen, Brücken, öffentlichen Gebäuden und Tankstellen<br />
anbringen, überall, wo sie großen Schaden und Chaos hervorrufen … Es wird wie bei<br />
den Krawallen in Los Angeles, dem Bombenanschlag in Oklahoma, dem zweiten<br />
Weltkrieg, Vietnam sein … alles zusammen. Vielleicht zetteln wir sogar erst einen<br />
kleinen Aufstand oder eine Revolution an, um mal die Sache hier aufzumischen, so<br />
gut wir können … Wenn ich und V. durch irgendein Scheißglück überleben sollten,<br />
hauen wir auf irgendeine Insel ab oder vielleicht nach Mexiko, Neuseeland oder<br />
irgendwohin, wo die Amerikaner uns nicht kriegen können. Wenn es einen solchen<br />
Ort nicht gibt, dann entführen wir mit einer Riesenmenge Bomben ein Flugzeug und<br />
greifen damit New York an, mit uns drin, und wir schießen los, während wir nach<br />
unten sausen. Einfach irgendwas, um so viel Zerstörung wie möglich anzurichten.“<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vorbereitung)<br />
Übung: inhaltliche Textarbeit in Gruppen<br />
1. Da es sich in der vorliegenden Passage um emotional stark aufgeladene<br />
Äußerungen handelt, schlagen wir Ihnen zuerst eine formale Textanalyse mit<br />
den SchülerInnen vor: Wortschatz analysieren, Wortfelder identifizieren –<br />
z.B. Verben und Nomen sammeln, oder nach negativen Worten auflisten.<br />
2. Dann in Diskussionen (Kleingruppen) auf Hintergründe mutmaßen. Wie ein<br />
Gerichtssachverständige/r, der/die eine Aussage, einen Text analysiert und<br />
auf psychische Befindlichkeiten rückschließt.<br />
10
3.3. DIALOG ZWISCHEN DEN DREI BRÜDERN RICH, EDDY UND<br />
GEORGIE<br />
Dieser Textauszug bildet die erste Szene des Stückes. Eddy ernennt sich zum<br />
König und teilt seinen Brüdern Georgie und <strong>Rich</strong> ihre Positionen als Herzöge<br />
zu. <strong>Rich</strong> fühlt sich ausgegrenzt und ungerecht behandelt.<br />
Eddy<br />
Hey Boys!<br />
How do I look? Not bad, gebts zu: I’m hot!<br />
Keine bitch, die mir jetzt noch wiederstehen kann!<br />
They’ll drop for me – wie Fliegen nach nem Furz von Schorsch.<br />
Hey <strong>Rich</strong>, dear dude: du bist jetzt Herzog Gloster,<br />
Georgie ist Clarence und Ich myself: the King.<br />
<strong>Rich</strong><br />
Ho – Ho! Ho! Ho!<br />
Gimme a break, boys, stop busting my balls;<br />
Don’t fok with me, the two of you, okay?<br />
Warum bin es ausgerechnet wieder ich,<br />
Der jetzt den Titel Gloster kriegt?<br />
Let it be him! Ich bin viel lieber Clarence.<br />
Ist doch egal! A duke is a duke.<br />
Eddy<br />
<strong>Rich</strong><br />
Ah es ist egal? Let him be Gloster then.<br />
Georgie<br />
And why the fok should I be Gloster? – He<br />
Made me the duke of Clarence – und ich hab<br />
Mich da schon voll total drauf eingestellt!<br />
<strong>Rich</strong><br />
Man, don’t take it personal, okay!<br />
‘s geht nicht um dich. A matter of Prinzip:<br />
Why is it always someone else who tells me<br />
What I must do, decides what I must be?<br />
Eddy<br />
11
Aber was zur Hölle is wrong with fokking Gloster?<br />
<strong>Rich</strong><br />
Okay: the King…<br />
Ist das ein fokking name as well? The King?<br />
Eddy<br />
Now wait a minute, Boy, don’t fok with me!<br />
Don’t fokking bust my balls! You’re out of line here –<br />
Don’t fokking fok with me! The King is King!<br />
It’s not a name! The fokking King is King.<br />
Don’t fok with me! The King is not a name!<br />
Georgie<br />
Warum erzählst du uns nicht was falsch ist mit Gloster?<br />
<strong>Rich</strong><br />
Ich weiß nicht… Gloster … ist doch was für Waschlappen!<br />
Eddy<br />
Can you the fok believe this? „Was für Waschlappen!“<br />
Can you the fok believe this? “Was für Waschlappen!”<br />
Georgie<br />
Hey… Hey!<br />
What do you mean, man? Ich wär ein Waschlappen?<br />
Hey schau mich an! Schau mich an wenn I’m talking.<br />
You little prick! I am a Weichei?<br />
Is that what we are saying here? A …?<br />
<strong>Rich</strong><br />
Hell, no – all that I’m saying is: why me?<br />
Georgie<br />
Why you? Why you? Because it is for Weicheier!<br />
That’s why! Wer Gloster heißt ist ein Waschlappen!<br />
<strong>Rich</strong><br />
You see? That’s what I mean. Wer Gloster heißt…<br />
Look, Schorsch…<br />
12
Georgie<br />
Nenn mich nicht Schorsch! Ich heiße Georgie – George von mir aus –<br />
But never niemals nie im Leben Schorsch!<br />
Eddy<br />
Shut up. The two of you. Just shut the fok up! (Pause)<br />
Ein bisschen mehr Respekt ist angesagt, ja?<br />
We haven’t started yet, and bang! The shit<br />
Has hit the fan – das kotzt mich einfach an!<br />
Du <strong>Rich</strong>, wirst Gloster, George wird Clarence, basta!<br />
…<br />
<strong>Rich</strong><br />
Eddy<br />
Stop it man, okay?<br />
It’s just a fokking name – a name, that’s all,<br />
So shut the fok up! Hier spricht jetzt Old Eddy,<br />
your one and only King. Don’t have the guts<br />
to bust my balls! I’ll make you eat your nuts!<br />
Und wem das hier nicht passt, soll sich verpissen!<br />
It’s my way, or the highway.<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vorbereitung)<br />
Übung:<br />
1. Ein/e Schüler/in soll den Text vorlesen oder Sie, als Lehrperson, lesen den<br />
Text einmal der Klasse vor.<br />
2. Teilen Sie die drei Brüder – <strong>Rich</strong>, Georgie und Eddy – auf drei SchülerInnen<br />
auf und lassen Sie den Text so den anderen SchülerInnen mit den verteilten<br />
Rollen laut vorlesen. Fragen Sie drei SchülerInnen danach kurz, wie sie sich<br />
jeweils in der Rolle, die sie gesprochen haben, gefühlt haben.<br />
Anmerkung: Da der Text ohne sprechtechnische Vorübungen nur schwer zu<br />
lesen ist, bietet es sich an ihn eventuell als Lesehausübung von den<br />
SchülerInnen vorbereiten zu lassen, bzw. in der Klasse allein und oder in<br />
Dreier-Gruppen üben.<br />
13
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vorbereitung)<br />
Übung: Das Königsspiel<br />
Es wird ein König, eine Königin bestimmt, die sich auf einen Sessel setzt. Er zeigt<br />
nun auf eine Person, die er/sie zu seinem/ihrem Diener/ zu seiner/ihrer Dienerin<br />
bestimmt. Der König/ die Königin erteilt dieser Person sämtliche Aufgaben, die zur<br />
Zufriedenheit der/des Königin/Königs erfüllt werden müssen.<br />
Wenn die/der König/in mit den erteilten Befehlen nicht zufrieden ist, schnippt<br />
sie/er mit den Fingern, und der/die Diener/in wird sofort durch eine/n neue/n<br />
ersetzt, die er/sie erwählt.<br />
Die Spieler/innen beobachten einander äußerst genau. Das Spiel ist ein Wettstreit,<br />
welche/r Diener/in am längsten bleibt.<br />
Dieses Spiel führt bereits in ein Thema des Stückes ein. Es geht um Unter- und<br />
Überlegenheit, die Ausübung von Kontrolle und wie man sich in der jeweiligen<br />
Position fühlt.<br />
14
4. INTERVIEW MIT REGISSEUR MICHAEL PÖLLMANN UND<br />
CHOREOGRAFIN BÄRBEL STREHLAU<br />
Wie seid ihr auf die Idee gekommen das Thema Schulamoklauf mit dem Text<br />
von „<strong>Rich</strong>ard III“ zu verbinden?<br />
Michael Pöllmann: Als ich vor einiger Zeit die Fassung des <strong>Rich</strong>ard III von Tom<br />
Lanoye und Luc Perceval las war der Amoklauf von Winnenden in den Medien<br />
präsent, durch die „unfreiwillige“ Beschäftigung mit der Thematik des School<br />
Shootings aufgrund der fast täglichen Berichterstattung, wurde ich auf das Thema<br />
aufmerksam und begann mich für die Amokläufer zu interessieren, ich fragte mich<br />
was ihre Geschichten sind, was passiert ist, bevor es zu diesen verheerenden<br />
Ausbrüchen an Gewalt kam. Je weiter ich in die Materie eindrang, desto mehr<br />
Gemeinsamkeiten entdeckte ich zwischen School Shootern und <strong>Rich</strong>: das Gefühl von<br />
der Welt betrogen worden zu sein, das Gefühl der Berechtigung und auch die<br />
Ohnmacht nachdem sie den Höhepunkt der Macht erreicht haben. Damit zeigt sich<br />
für mich auch wie aktuell klassische Stoffe v.a. die von Shakespeare nach wie vor<br />
sind. Insofern ging es mir wohl auch darum, mit dem Vorurteil, klassische Stoffe<br />
seien nicht mehr relevant und leicht angestaubt aufzuräumen.<br />
Warum das Thema "School Shooting"?<br />
Michael Pöllmann: Was mir stark bei der Berichterstattung von „School Shootings“<br />
aufgefallen ist, war, dass die Täter oftmals auf Freaks oder gefühllose Monster<br />
reduziert wurden. Bei meiner Beschäftigung mit dem Thema z.B. bei der Lektüre<br />
von Tagebüchern oder anderen Texten, die von späteren Amokläufern geschrieben<br />
wurden, merkte ich allerdings zunehmend, dass die Charaktere wesentlich<br />
ambivalenter sind als sie auf den ersten Blick scheinen, womit ich keinesfalls<br />
Amoklauf gutheißen oder verniedlichen will. Im Gegenteil, ein Monster oder Freak<br />
wird nicht nach demselben moralischen Code beurteilt wie ein/e „normale/r<br />
Jugendliche/r“. Daher meine ich, dass es wichtig ist zu sehen, dass diese School<br />
Shooter irgendwann auch ganz normale Jugendliche gewesen sind. Dass nicht<br />
Monster Monströses tun, sondern relativ „normale“ Jugendliche. Und ich finde es<br />
wichtig sich zu fragen, wieso ein Jugendlicher eines Tages in der Schule steht und<br />
seine MitschülerInnen und LehrerInnen umbringt.<br />
Bärbel Strehlau: Diese "School Shootings" in unserer heutigen hochzivilisierten,<br />
kulturellen, geistig-gebildeten Gesellschaft stellen für mich etwas sehr Abartiges<br />
und Erschreckendes dar. Da tickt was in unserer Gesellschaft nicht richtig. Dies zu<br />
untersuchen und zu thematisieren finde ich überaus wichtig. Nicht zuletzt, da sich<br />
dieser Thematik soviele andere Themen anschließen wie: Aufmerksamkeit<br />
gegenüber Mitmenschen und Anderem, Fremden. Was heißt Achtung und<br />
respektvoller Umgang mit Meinungen, Sorgen und Nöten meines Gegenübers? In<br />
der Familie, der Nachbarschaft und im Klassenverband? Auch Konkurrenz,<br />
Leistungsorientierung, Machtstreben, Krieg im Großen wie im Kleinen, das<br />
Abhandenkommen von Vertrauen und Liebensfähigkeit, aufkommende<br />
Orientierungslosigkeit im Leben, gerade im Leben von jungen Menschen.<br />
15
Was möchtet ihr dem Publikum mit diesem Stück vermitteln?<br />
Michael Pöllmann: Natürlich hat man die Hoffnung, wenn man ein Jugendstück zu<br />
solch einem Thema inszeniert, dass man etwas bewirkt, das man Jugendliche zum<br />
Nachdenken bewegt und dass die Beschäftigung mit dem Thema dazu führt, dass<br />
sich die fürchterlichen Ereignisse von Columbine, Erfurt, Winnenden etc. nicht<br />
wiederholen. Daher halte ich es für wichtig zu vermitteln, dass jeder Amoklauf<br />
eine Vorgeschichte hat, nicht nur in der Schule, sondern in der Familie, im Umgang<br />
mit Gewalt generell, aber auch im Umgang von Jugendlichen untereinander.<br />
Bärbel Strehlau: Sich über "Werte" Gedanken zu machen. Was ist mir das "Tun" und<br />
"Denken" des Anderen wert? Darauf zu achten, es zu beachten.<br />
Welche Mittel der Inszenierung wählt ihr und warum? Welche Rolle spielen Tanz<br />
und Musik?<br />
Michael Pöllmann: Gerade bei diesem Thema fand ich, dass Tanz und<br />
Sprechtheater einander wunderbar ergänzen. Insofern hat es mich auch gefreut,<br />
dass Bärbel spontan von dem Konzept begeistert war. Ich denke, dass wir mit dem<br />
Tanz Nuancen herausarbeiten können, die im Text untergehen würden und<br />
umgekehrt im Sprechtheater Dinge auf den Punkt bringen können, bei denen sich<br />
der Tanz schwer täte.<br />
Bärbel Strehlau: Sprechtheater, in Kombination von Tanz, Bewegung und Musik.<br />
Diese Elemente durchdringen und ergänzen sich. Wo Sprache aufhört, wo Dinge und<br />
Situationen wie Schmerz, Sterben und Tod, Sehnsucht, Angst und Unsagbares sich<br />
dem Verbalen entziehen, dort „sprechen“ Musik und das Choreographische auf<br />
einer anderen Ebene. Auf einer Ebene, die mehr mit den Sinnen als mit dem<br />
Verstand erfassbar ist. Das choreographische Element auch als Kontrapunkt zum<br />
Text. Um Dinge und Situationen zu verstärken, begreifbar zu machen. In der<br />
choreographischen Arbeit fließen tänzerische Elemente aus der Jugendkultur ein,<br />
wie u.a. Hip Hop und mischen sich mit Elementen aus dem zeitgenössischen Tanz,<br />
mit Bollywood oder historischen Tänzen mit Kampfkunstelementen.<br />
16
5. HINTERGRUNDINFORMATIONEN ZUM THEMA SCHOOL<br />
SHOOTING<br />
5.1. BEGRIFFSBESTIMMUNG<br />
In Deutschland hat sich der Kriminologe und Experte für Schulamokläufe Frank<br />
Robertz als einer der Ersten mit schweren zielgerichteten Gewalttaten an Schulen<br />
befasst. In Ermangelung einer klar definierten Begriffsabgrenzung innerhalb der<br />
deutschen Wissenschaft, hat er den Begriff des „School Shooting“ eingeführt (vgl.<br />
Robertz, 2004, S.17.). Entwickelt hat sich dieser Begriff im angloamerikanischen<br />
Bereich. Nach Taten an Schulen wie Jonesboro in Arkansas oder Littleton in<br />
Colorado, setzte er sich in den späten 1990er Jahren sowohl in den Medien, als<br />
auch im wissenschaftlichen Bereich als Fachterminus durch.<br />
School Shootings (engl.: Schul-Schießereien) bezeichnen Tötungen oder<br />
Tötungsversuche durch Jugendliche an Schulen, die mit einem direkten und<br />
zielgerichteten Bezug zur jeweiligen Schule begangen werden. Dieser Bezug wird<br />
entweder in der Wahl mehrerer Opfer deutlich oder in dem demonstrativen<br />
Tötungsversuch einer einzelnen Person, insofern sie aufgrund ihrer Funktion an der<br />
Schule als potentielles Opfer ausgewählt wurde. „Amokläufe bzw. Massenmorde an<br />
Schulen“ und „schwere zielgerichtete Gewalttaten an Schulen“ stellen geläufige<br />
Umschreibungen des Begriffes dar. Massenmedien sprechen aufgrund der<br />
tiefgreifenden Konsequenzen solcher Taten oft reißerisch von einem<br />
„Schulmassaker“ oder gar von einem „Blutbad“.<br />
Notwendige Kriterien, welche auf die Besonderheiten dieser Handlungen verweisen<br />
(vgl. Robertz, 2004, S.20):<br />
• Es handelt sich bei den Tätern immer um mindestens einen Jugendlichen der<br />
entweder ein Schüler/Student, ehemaliger Schüler/ Student ist, oder<br />
negative Assoziationen bezüglich Bildungseinrichtungen besitzt.<br />
• Die Handlungen in einem Geschehen zielen alle auf die Tötung anderer<br />
Personen und im Anschluss an die Tat, kann oder muss der Suizid der<br />
eigenen Person das letzte/eigentliche Ziel sein.<br />
• In der Regel zeichnen sich die Taten besonders durch die Nutzung von<br />
Schusswaffen aus, wobei das Ziel möglichst hohe Opferzahlen sind.<br />
• Es besteht eine direkte Fokussierung auf Opfertypen, die überwiegend im<br />
Bezug zur Schule stehen und es muss sich immer um mehrere Opfer<br />
handeln, die nicht wegen ihrer Person, sondern auf Grund ihrer Funktion<br />
als Lehrer, Schüler oder Schulleiter ausgewählt werden.<br />
Nicht einbezogen werden Handlungen, deren Motiv in Bandenkriminalität,<br />
Drogen oder Streitigkeiten zwischen einzelnen Schülern liegt.<br />
• School Shootings sind in der Regel – im Gegensatz zu klassischen Amokläufen<br />
– geplant und nicht als ein rein impulsiver Gewaltakt zu verstehen<br />
17
5.2. DAS PHÄNOMEN – ZAHLEN UND FAKTEN<br />
Da im wissenschaftlichen Diskurs kein Einvernehmen darüber besteht, welche<br />
Charakteristika zu einem „School Shooting“ gehören, gibt es bisweilen starke<br />
Unterschiede in den Häufigkeitsangaben. Die Mehrheit der Forscher konzentriert<br />
sich ausschließlich auf Taten, die von Jugendlichen in der frühen oder mittleren<br />
Adoleszenz an Grundschulen oder weiterführenden Schulen verübt wurden. Jedoch<br />
müssen Amokläufe durch Studenten, wie die Fälle an der Virginia Tech University<br />
(2007) oder der Universität von Chicago (2008) in eine umfassende Erhebung<br />
einbezogen werden. Mit 89% liegt der überwiegende Anteil der Täter bei<br />
Jugendlichen im Alter von 12-27 Jahren. Somit handelt es sich bei den<br />
Schulamokläufen primär um ein Jugendgewaltphänomen.<br />
School Shootings sind ein historisch junges Phänomen. Es zeigt sich, dass<br />
Schulamokläufe in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren nur äußerst selten<br />
auftreten. In den 1980er Jahren kommt es zu einer leichten Zunahme, wobei im<br />
Jahre 1989 und 1990 kein Fall zu verzeichnen ist. Im Laufe der 1990 Jahre kommt<br />
es dann zu einem verhältnismäßig starken Anstieg der Taten. Ab dem Jahr 1994<br />
sind in jedem der darauffolgenden Jahre mindestens zwei Fälle zu registrieren. Den<br />
vorläufigen Höhepunkt stellt das Jahr 1999 dar: In diesen zwölf Monaten kommt es<br />
zu sieben Amoktaten an Schulen, zu denen der bis zu dem damaligen Zeitpunkt<br />
wohl berühmteste Vorfall an der Columbine High School am 20.April 1999 gehört.<br />
Mit der gestiegenen Fallanzahl in den 1990 Jahren nahm gleichzeitig die öffentliche<br />
Aufmerksamkeit für das Phänomen „School Shooting“ zu. Im Folgejahr 2000 sinkt<br />
die Anzahl der schulassoziierten Amokläufe wieder: Es kommt zu zwei Fällen.<br />
Danach schwanken die Fallzahlen, halten sich jedoch konstant bei jährlich<br />
mindestens drei Fälle (vgl. Böckler, 2010, S. 25ff).<br />
Betrachtet man einige prominente Fälle, so steigt auch die Zahl der Opfer<br />
tendenziell an. Während an der Columbine High School noch insgesamt 15 Opfer<br />
beklagt wurden, waren es in Erfurt 2002 bereits 17 und an der Virginia Tech<br />
University (USA) 2007 schon 33. Rund um die Medienberichterstattung lassen sich<br />
Nachahmungstaten nachweisen. Stets gab es zahllose Androhungen, die nicht<br />
umgesetzt wurden, zumeist unter deutlicher Bezugnahme auf das vorausgegangene<br />
School Shooting.<br />
Es lässt sich ein tendenzieller Anstieg des Phänomens verzeichnen, jedoch kommen<br />
Schulamokläufe verglichen mit anderen Gewaltphänomenen weltweit nach wie vor<br />
relativ selten vor.<br />
In der geografischen Verbreitung von Schulamokläufen wird ersichtlich, dass bis<br />
dato in den USA mit Abstand die meisten Taten aufgetreten sind. Bis Ende 2008<br />
sind es in den Vereinigten Staaten 64 Fälle (71% aller Taten), während in allen<br />
anderen Ländern zusammen nicht einmal die Hälfte dieses Wertes erreicht wird:<br />
Außerhalb der USA lassen sich insgesamt 26 Amokläufe (29 % aller erfassten Fälle)<br />
feststellen. In der Zusammenschau ist bemerkenswert, dass Schulamokläufe erst ab<br />
Ende der 1990er Jahre außerhalb der USA regelmäßig in Erscheinung treten.<br />
Weiters fällt auf, dass Schulamokläufe vordergründig in hochentwickelten und<br />
reichen Industrienationen stattfinden, wie z.B. USA und Kanada. In der Regel<br />
ereignen sich diese Fälle nicht an Schulen in Armutsgegenden, sondern an Schulen<br />
in ländlichen und suburbanen Gegenden, die zu einem Großteil von Kindern aus<br />
weißen Mittelschichtsfamilien besucht werden.<br />
18
Bei fast allen verzeichneten Fällen handelt es sich um männliche Jugendliche. Eine<br />
der Hintergründe für diese Entwicklung scheint darin zu liegen, dass Jungen schon<br />
von Kindheit an erheblich größere Schwierigkeiten bei der Identifizierung und<br />
Gestaltung ihrer Geschlechtsrolle haben als Mädchen. Eines der wenigen Mädchen<br />
bei School Shootings war Brenda Spencer, die im Jänner 1979, von ihrer Wohnung<br />
aus auf den gegenüberliegenden Schuldcampus schoss und dabei den Rektor, den<br />
Hausmeister, neun Schüler und einen Polizeibeamten verletzte. Auf die polizeiliche<br />
Frage, weshalb sie das getan habe, antwortete sie: „I don´t like Mondays. This<br />
livens up my day.“ (Ich mag Montage nicht. Dies bringt ein bisschen Leben in den<br />
Tag.)<br />
5.3. DIE TÄTER<br />
Es lassen sich keine eindeutigen Eigenschaften oder Merkmale festmachen, die<br />
einen Menschen eindeutig als School Shooter ausweisen. Dabei muss auch<br />
berücksichtigt werden, dass gewalttätiges Verhalten generell nicht auf isolierten<br />
Persönlichkeitsmerkmalen beruht, sondern das Ergebnis zahlreicher<br />
zusammenwirkender Faktoren ist. Dennoch können aufbauend auf dem heutigen<br />
Forschungsstand und dem genauen Vergleich von Einzelfallanalysen Risikofaktoren<br />
und Problemlagen identifiziert und einige häufig auftretende Merkmale<br />
jugendlicher School Shooter skizziert werden. Die verschiedenen Erklärungsansätze<br />
weisen aufgrund der jeweils spezifischen disziplinären Perspektive äußerst<br />
divergente Reichweiten auf. Im Folgenden sollen einige Punkte aus<br />
unterschiedlichen Ansätzen dargestellt werden.<br />
Zur Lebensphase Jugend<br />
Schulamokläufer sind Heranwachsende. Die Phase der Adoleszenz (vom 10. Bis zum<br />
25. Lebensjahr) ist in der Regel eine krisenhafte Entwicklung, die heute unter<br />
besonderen Bedingungen verläuft.<br />
Die Entwicklungspsychologie stellt heraus, dass Jugendliche oft ein besonders hohes<br />
Bedürfnis haben verstanden zu werden. Besondere Bedeutung erhalten bei einer<br />
Loslösung von der Familie vor allem Beziehungen zu Gleichaltrigen. Sie können<br />
erheblich zur Orientierung, Stabilisierung und emotionalen Geborgenheit beitragen.<br />
Zentral für den Bindungsaufbau gerade bei Jugendlichen ist die Entfaltung von<br />
Bindung durch Anerkennung. Es geht um funktionsfähige emotionale Beziehungen,<br />
die das Gefühl des Eingebundenseins vermitteln. Diese fehlen den jugendlichen<br />
Schulamokläufern meist und das Erlebnis der Anerkennung bleibt ihnen oft versagt.<br />
Amokläufer neigen daher dazu, diese Defizite durch kompensatorische<br />
Machtphantasien und schließlich durch die Tat als eine Art symbolische<br />
Wiedergewinnung von Kontrolle zu überspielen.<br />
Der Wunsch nach Anerkennung ist oft eng mit der Suche nach einer eigenen<br />
Geschlechterrolle und Identität verbunden. Erschwerend sind dabei<br />
entwicklungsbedingte Wachstumssprünge, bei denen sich<br />
Geschlechtscharakteristika, motorische und intellektuelle Fähigkeiten entwicklen,<br />
was wiederum Auswirkungen auf das Selbstvertrauen, das Selbstbild und die<br />
Stimmung Jugendlicher hat und zu einem sich verändernden Erleben von<br />
Beziehungen führt. Das Ergebnis der vielen Veränderungen sind zumeist<br />
hochemotionale Ansichten, die mit einer übersteigerten Bewertung von Ereignissen<br />
und Umständen einhergehen. Charakteristisch sind ebenfalls Neigungen zu<br />
19
impulsiven und gefährlichen Verhaltensweisen. Gerade Jugendliche mit einer<br />
geringen Auswahl an erprobten Problemlösungsstrategien geraten mitunter in<br />
schwierige Situationen, in denen sie Gewalt als einzigen Ausweg ansehen. Diese<br />
Problematik kann sich durch die Wechselwirkung der skizzierten Verhaltensweisen<br />
noch verschärfen. Will ein Jugendlicher etwa dringend die Beachtung einer Gruppe<br />
Gleichaltriger gewinnen, weil er sich von seinen Eltern unverstanden fühlt, dann<br />
können fehlende Problemlösungsstrategien und eine Neigung zu impulisivgefährlichen<br />
Handlungsweisen zu einem Verhalten führen, das Erwachsene<br />
bestenfalls als irrational bezeichnen würden. Selbstverständlich wurden neben dem<br />
Faktor der Jugendlichkeit in Studien weitere Erkenntnisse über School Shooter<br />
gesammelt.<br />
Bei den Tätern handelt es sich um Jugendliche, die (vgl. Robertz, 2004, S. 31)<br />
• keine schwerwiegenden psychischen Störungen haben, wohl aber in der<br />
Regel depressive Symptome zeigen, die bis hin zu Selbstmordversuchen<br />
führen können.<br />
• häufig introvertierte Einzelgänger sind oder zumindest in ihrer subjektiven<br />
Sichtweise keine funktionsfähigen sozialen Strukturen aufweisen.<br />
• lange vor der Durchführung ihre Tat planen.<br />
• kurz vor der Tat Andeutungen oder Drohungen zur Umsetzung ihrer Tat<br />
machen.<br />
• direkt vor der Tat oft schwere persönliche Niederlagen und Schädigungen<br />
ihrer sozialen Beziehungen erleiden, die sie als sehr schwerwiegend<br />
wahrnehmen und die oft als Auslöser zur Realisierung ihrer Tatplanung<br />
betrachet werden können.<br />
Wir wollen diese Merkmale nun genauer betrachten.<br />
Psychopathologische Erklärungen<br />
In neueren Publikationen wird die Psychologie der jungen Amokläufer in den<br />
Vordergrund gerückt und es herrscht Konsens, dass die subjektive Logik der Täter<br />
ernster genommen werden soll. Bei den schwerwiegenden Handlungen, die<br />
jugendliche Amokläufer an Schulen begehen, liegt es nahe zu prüfen, ob psychische<br />
Erkrankungen bei ihrer Tat eine Rolle gespielt haben. Zu dem Thema, ob die Täter<br />
„nur“ psychisch auffällig sind oder an eindeutigen psychischen Krankheiten und<br />
Störungen leiden, gehen die Meinungen jedoch auseinander. Einig sind die<br />
ForscherInnen sich in dem Punkt, dass Depression einen gemeinsamen Faktor bei<br />
jugendlichen Amokläufern darstellt.<br />
Robertz ist der Ansicht, dass bei School Shootern nicht von schweren psychischen<br />
Krankheiten ausgegangen werden kann, jedoch zeigen sich<br />
Verhaltensauffälligkeiten, die etwa mit depressiven Symptomen und einer<br />
intensiven Phantasietätigkeit umschrieben werden können. Diese Phantasiewelt der<br />
jugendlichen School Shooter ist in der Regel von intensiven und destruktiven<br />
Inhalten erfüllt. Ausgeprägte Gewaltphantasien spielen hierbei eine wichtige Rolle<br />
(vgl. Robertz, 2004, S. 31f).<br />
Peter Langman kommt hingegen zu der Schlussfolgerung, dass jugendliche<br />
Amokläufer an Schulen psychisch krank sind (vgl. Langman, 2009). Allgemein wurde<br />
20
nach neueren Studien festgestellt, dass die Täterpersönlichkeiten wohl in weitaus<br />
höherem Maß psychopathologisch auffällig sind als bisher angenommen.<br />
Einzelgänger?<br />
Das Bild von Schulamokläufern als isolierte Schüler, die keinen Kontakt zu ihrer<br />
Schule hatten, trifft nicht ganz zu. Viele haben im Unterricht engagiert<br />
mitgearbeitet, an Aktivitäten außerhalb des Lehrplans teilgenommen und ein reges<br />
Sozialleben gehabt. Oft fällt es den jugendlichen Tätern jedoch schwer, durch<br />
unterschiedliche psychopathologisch relevante Erlebnisse oder Bedingungen, die<br />
sie in ihrem Lebenslauf gesammelt haben, ihren Platz im sozialen Gefüge zu finden.<br />
Dies hat manchmal einen Rückzug aus der sozialen Gemeinschaft zur Folge.<br />
Oberflächlich betrachtet erscheinen Beziehungen zu anderen Menschen zwar<br />
mitunter als normal, sie erweisen sich jedoch zumindest aus der Sicht des<br />
betroffenen Jugendlichen als nicht belastbar, nicht funktionsfähig und bringen<br />
nicht die notwendige emotionale Befriedigung. Gelingt es doch Freundschaften<br />
aufzubauen, so sind die Bezugspersonen in der Regel selbst soziale Außenseiter. Als<br />
Konsequenz verstärkt sich die subjektiv gefühlte Isolation, das Ungeliebtsein. Bei<br />
einer großen Prozentzahl der School Shooter wurde in Studien das Gefühl<br />
vorgefunden, von anderen schikaniert oder verletzt zu werden. Wichtig ist<br />
allgemein die subjektive Sichtweise der Jugendlichen und nicht die „objektive“<br />
Isolierung.<br />
Tatplanung<br />
Bei School Shootings handelt es sich nicht etwa um impulsive, plötzliche<br />
Gewalttaten, sondern die jugendlichen Täter planen ihre Tat vor der Durchführung<br />
über einen langen Zeitraum hinweg, oftmals sehr detailliert. Bei den beiden<br />
Schützen an der Columbine High School fanden sich sogar mehr als zwei Jahre vor<br />
ihrer Tat Überlegungen, die in ihre spätere Tatumsetzung eingingen. Besonders<br />
wichtig aus der Sicht der Interventions- und Präventionsmöglichkeiten ist auch die<br />
Tatsache, dass School Shooter ihre Taten nicht nur vorbereiten, sondern auch im<br />
Vorfeld konkrete Informationen „durchsickern“ lassen. Dieses Phänomen<br />
bezeichnet man neudeutsch mittlerweile als „Leaking“. Ein derartiges „Leaking“<br />
kann als schriftliche oder mündliche Drohung bzw. als direkt geäußerter Tathinweis<br />
auftreten. Es kann jedoch auch indirekt über Aufsätze, Zeichnungen, Gedichte oder<br />
Videoaufzeichnungen erfolgen. Ein starkes Interesse an Waffen und<br />
vorangegangenen schwerwiegenden Gewalttaten oder ein demonstratives<br />
paramilitärisches Gebaren über das fortwährende Tragen von Tarnkleidung kann<br />
die Leaking-Hinweise in einzelnen Fällen noch unterstreichen. Hervorzuheben ist<br />
bei der Tatdurchführung, dass die meisten Täter sich am Ende selbst töten oder<br />
dies zumindest planen.<br />
Macht und Männlichkeit<br />
Augenfällig haben bis jetzt fast ausschließlich junge männliche Täter derartige<br />
Taten begangen. Das vermeintlich starke Geschlecht zeigt erhebliche Schwächen,<br />
mit einer lang gestreckten, offenen und sozial unstrukturierten Jugendphase<br />
produktiv umzugehen. In die Lücke an sicheren Verhaltensmustern stößt der<br />
kommerzielle Medienmarkt. Er liefert eine Art Billig- und Schrottversion von<br />
Männlichkeit, bietet primitive Phantasien, die sich immer wieder in der Ausübung<br />
21
von körperlicher Gewalt erschöpfen. Durch Gewalttaten erleben sich die jungen<br />
Männer oft als handlungsfähig und mächtig. Der Tötungsakt, der oft eine große Zahl<br />
vom Menschen tötet, soll hier oft im Grunde also die Männlichkeit und Macht des<br />
Täters demonstrieren. Aus Sicht des Täters wird oft (medienwirksame) Rache an<br />
der Gesellschaft genommen, damit sie seine Grandiosität endlich anerkennt und ihn<br />
als gefährlich und männlich akzeptiert. Die nicht gefundene Rolle als Mann in der<br />
Gesellschaft und der fehlenden Akzeptanz als männlich (beim anderen Geschlecht<br />
wie auch bei den männlichen Gleichaltrigen) sticht in diesen Taten augenfällig<br />
hervor (vgl. Bannenberg, 2010, S. 69). Des Weiteren spielen abweichende<br />
männliche sexuelle Phantasien und starke Kontaktprobleme mit Mädchen eine<br />
wichtige Rolle. Bei allen Tätern findet sich durchgehend eine enorme Faszination<br />
für Waffen aller Art. Neben Waffen faszinieren militärische Themen, Uniformen,<br />
letztlich die Idee der Machtdemonstration.<br />
5.4. DAS SOZIALE UMFELD UND GESELLSCHAFTLICHE ASPEKTE<br />
Familiärer Kontext<br />
Die jugendlichen Täter entstammen vorwiegend weißen Mittelschichtsfamilien aus<br />
ländlichen oder suburbanen Gegenden. Auf den ersten Blick erscheinen diese<br />
Familien „auffällig unauffällig“. Die Beziehungen innerhalb der Familie eines<br />
Schulamokläufers werden jedoch oft als problematisch und dysfunktional<br />
beschrieben. Die Jugendlichen fühlen sich in ihren Familien oftmals nicht<br />
geborgen, wobei sie in Einzelfällen körperliche Misshandlungen oder sexuellen<br />
Missbrauch erleiden mussten. Die familiäre Atmosphäre ist oft von elterlichem<br />
Desinteresse und von emotionaler Gleichgültigkeit geprägt. Des Weiteren lässt sich<br />
eine intensive Auseinandersetzung um Macht und Kontrolle zwischen Eltern und<br />
ihren Kindern identifizieren.<br />
Eine der wichtigsten positiven Erfahrungen, über die jugendliche Amokläufer oft<br />
nicht verfügen, ist die einer emotionalen Bindung an andere Menschen. Sichere<br />
Bindungen werden vor allem durch feinfühlige, einfühlsame und kooperative<br />
Umgangsformen der Bezugspersonen gefördert. Kinder benötigen Stabilität doch<br />
die familiären Bedingungen zum Aufbau guter Bindungen sind heute nicht günstig.<br />
Anerkennung, durch die sich eine stabile Identität festigen könnte, kommt häufig<br />
zu kurz. Im gesellschaftlichen Leben, besonders in kapitalistischen<br />
Wirtschaftsstrukturen, wird nicht auf Bindung, sondern auf Konkurrenz und<br />
Rivalität gesetzt. Zerstörerisch wirkt sich unter anderem die Tatsache aus, dass das<br />
gesellschaftliche Miteinander heute zunehmend im Sinne der kapitalistischen<br />
Ökonomie gestaltet wird. Es geht weniger um den ganzen Menschen an sich, als um<br />
die Erlangung von Vorteil und das Ziehen eines Nutzens aus einer Beziehung. Es<br />
geht eher um Funktionalität als um eine Bindung, die Menschen psychologisch<br />
brauchen.<br />
Aus präventiver Sicht als besonders wichtig erweisen sich jedoch die gute<br />
Einbindung in die soziale Gemeinschaft sowie das ausgewogene Verhältnis von<br />
selbst ausgeübter und von außen aufgezwungener Kontrolle.<br />
22
Schule und Peer-Group<br />
Die Schulleistungen der späteren Täter werden in einer Mehrzahl der Fälle als<br />
normal bis überdurchschnittlich eingestuft. Meistens nehmen sie auch aktiv an<br />
innerschulischen Aktivitäten teil. Hervorgehoben wird in einigen Studien, dass<br />
gerade in der Phase der Adoleszenz der persönliche Erfolg und der Wert des<br />
eigenen Lebens nicht an schulischen Leistungen oder Fähigkeiten gemessen wird,<br />
sondern vielmehr anhand der eigenen Popularität bei den Gleichaltrigen, die im<br />
Autonomiestreben und der Ablösung vom Elternhaus zum Maß aller Dinge werden.<br />
Akzeptanz der Gleichaltrigengruppe, die Jugendlichen Amokläufern oft verwehrt<br />
blieb, stellt ein zentrales Ziel Jugendlicher in allen westlichen<br />
Industriegesellschaften dar. Der Blick auf die soziale Integration der späteren Täter<br />
innerhalb der Schülerschaft offenbart einige Auffälligkeiten. Zwar ist nur ein<br />
äußerst geringer Anteil dieser im Vorfeld als kriminell, ungehorsam gegen<br />
schulische Autoritäten oder gewalttätig gegenüber Mitschülern aufgefallen, jedoch<br />
wird der Täter oftmals als unreifer und introvertierter Einzelgänger mit<br />
mangelhaften sozialen Kompetenzen und kaum nahestehenden Freunden<br />
beschrieben. Diesem Befund muss man jedoch vorsichtig begegnen, da einige<br />
Jugendliche im Vorfeld ihrer Tat durchaus „gut“ in Cliquen eingebunden gewesen<br />
waren. Der Zusammenhalt dieser Cliquen lässt sich primär durch zwei<br />
Gemeinsamkeiten charakterisieren. Ihre Mitglieder werden von dem Großteil der<br />
Jugendlichen in Schule oder Freizeit abgelehnt und sie teilen häufig ein<br />
gemeinsames Interesse für eine rigide, exzentrische und nihilistische<br />
Weltanschauung (vgl. Böckler, 2010, S. 59). Oft fühlten sich die Täter auch im<br />
Vorfeld eines Aktes schikaniert, verfolgt, bedroht oder verletzt. Ob sie jedoch<br />
wirklich die Opfer von Bullying und Mobbing waren bleibt fraglich. In manchen<br />
Fällen waren sie vielmehr diejenigen, die gemobbt haben.<br />
Der Kampf um Status und Anerkennung ist auch ein wesentliches Thema. Die<br />
Hierarchie im Sozialsystem einer amerikanischen High School gründet sich meistens<br />
weniger auf die intellektuellen Begabungen und Leistungen der Jugendlichen,<br />
sondern vor allem auf oberflächliche Werte bzw. Eigenschaften – wie z.B.<br />
körperliche Attraktivität, Sportlichkeit, Kleidungsstil oder dem Besitz bestimmter<br />
Statussymbole. Die Institution Schule spielt in ihrer Funktion der Statuszuweisung,<br />
indem sie beispielsweise über Notengebung und Versetzungen sowohl die<br />
gegenwartsbezogene als auch die zukünftige soziale Positionierung von<br />
Jugendlichen mitbestimmt, eine tragende Rolle. Zum anderen fungiert Schule als<br />
soziales System, das wesentlich durch die gegenwartsbezogenen Bedingungen des<br />
Aufwachsens gekennzeichnet ist, was sich u.a. in den Kommunikationsbeziehungen<br />
unter den Schülern widerspiegelt.<br />
Allgemein kann man sagen, dass Interaktionserfahrungen in Schule und<br />
Gleichaltrigengruppe für die jugendlichen Täter oft als besonders stressend,<br />
frustrierend und feindselig erlebt werden.<br />
Gesellschaftliche Aspekte<br />
Da es sich bei Schulamokläufen eben nicht nur um die Taten von psychisch kranken<br />
Jugendlichen handelt, sondern auch um ein soziales Phänomen, gilt es auch einen<br />
kurzen Blick auf gesamtgesellschaftliche Entwicklungen zu machen, die solche<br />
Taten begünstigen. Auch die Gesellschaft trägt hierbei eine Verantwortung. Die<br />
zunehmenden sozialen Spannungen sowie die Hohlheit und Leere einer<br />
ökonomisierten Kultur schaffen ebenfalls den Nährboden für solche Taten. Man<br />
23
sollte sich auch um die gesellschaftlichen Warnsignale kümmern, d.h. um die<br />
Anzeichen für gesellschaftliche und politische Fehlentwicklungen, die das Klima<br />
schaffen, in dem solche Taten entstehen können. Als wichtigste Indikatoren für<br />
drohende Katastrophen könnten u.a. dienen: „ die wachsende Polarisierung<br />
zwischen Reichtum und Armut; die Vereinzelung der arbeitenden Menschen und die<br />
Unterdrückung ihrer Klassenidentität, die Glorifizierung von Militarismus und Krieg,<br />
das Fehlen jeder ernsthaften gesellschaftlichen Stellungnahmen und politischer<br />
Debatten, der abstoßende Zustand der Massenkultur, die Anbetung der<br />
Aktienbörse, die ungezügelte Verherrlichung des individuellen Aufstiegs und des<br />
persönlichen Reichtums, die Herabsetzung der Ideale des gesellschaftlichen<br />
Fortschritts und der Gleichheit“ (North, 1999).<br />
Natürlich sind die nach jedem Schulamoklauf auftretenden Diskussionen über eine<br />
Verschärfung des Jugendschutzgesetzes, das auch Gewalt-Computerspiele<br />
eindämmen soll, sowie die freiwillige Selbstkontrolle der Fernsehanstalten wichtig.<br />
Ebenso wie die Überlegungen, wann ein junger Mensch mit Waffen umgehen dürfen<br />
sollte. Doch sollten wir der herrschenden Sprachlosigkeit in unserer Gesellschaft,<br />
dem Mangel an Nähe und Zuneigung bis hin zur Verwahrlosung entgegenwirken,<br />
indem wir versuchen mehr miteinander zu reden - Lehrer mit Schülern, Lehrer mit<br />
Eltern und Eltern mit Kindern (vgl. Gerstenberg, 2002).<br />
Ein zentrales Element der Taten, welches von einem Großteil der Öffentlichkeit<br />
bislang ignoriert wurde und sich gerade seit dem Ende der 1990 Jahren deutlich<br />
gezeigt hat, ist die Verknüpfung der Tat mit expliziten Botschaften an die<br />
Gesellschaft – sei es über ihre Kleidung (bspw. T-Shirts mit der Aufschrift<br />
„Humanity is overrated“ – Pekka Eric Auvinen oder „Natural Selection“ – Eric<br />
Harris) oder über die vor der Tat angekündigten Selbstdarstellungen der Täter, die<br />
sie beispielsweise über das Internet publik machen. Auch wenn diese Gedanken<br />
meist völlig unangemessen sind, kommen sie doch manchmal einem politisch<br />
gemeinten Protest recht nahe: „Also man muss seinem Leben einen Sinn geben,<br />
und das mache ich nicht indem ich einem überbezahlten Chef in den Arsch krieche<br />
oder mich von Faschisten verarschen lasse die mir erzählen wollen wir leben in<br />
einer Volksherrschaft. (…) WERDET ENDLICH WACH – GEHT AUF DIE STRASSE – DAS<br />
HAT IN DEUTSCHLAND SCHON EINMAL FUNKTIONIERT! (…) ich will meinen Teil zur<br />
Revolution der Ausgestoßenen beitragen!“ (Sebastian B., Amokläufer von<br />
Emstetten, 2006 zit. nach Waldrich, 2007, S.88).<br />
5.5. FALLBEISPIELE<br />
Littleton (Colorado), Columbine High School, 1999<br />
“It will be like the LA riots, the Oklahoma bombing, WWII, Vietnam, duke and doom<br />
all mixed together. Maybe we will even start a little rebellion or revolution to fuck<br />
things up as much as we can. I want to leave a lasting impression on the world.”<br />
(Tagebucheintrag von Eric Harris, 1998).<br />
Die Jugendlichen Eric Harris (18 Jahre) und Dylan Klebold (17 Jahre) hatten lange<br />
auf diese Tat gewartet und sie akribisch vorbereitet. Gegen elf Uhr am Vormittag<br />
des 20. Aprils 1999 betreten sie schwer bewaffnet mit Jagdgewehren, halbautomatischen<br />
Pistolen und selbstgebastelten Bomben das Gebäude der Columbine<br />
High School. Zunächst suchen sie die Cafeteria der Schule auf und platzieren<br />
unbemerkt zwei ihrer eigens angefertigten Bomben, die zu einem Zeitpunkt<br />
24
detonieren sollten, zu dem sich gewöhnlich die meisten Menschen in der Cafeteria<br />
aufhalten. Anschließend verlassen die Jungen das Schulgebäude und warten im<br />
Auto auf die Explosion der Sprengkörper, die jedoch nicht eintritt. Daraufhin<br />
entschließen sie sich, mit ihren restlichen Waffen den geplanten Anschlag zu<br />
forcieren. Mit langen schwarzen Trenchcoats bekleidet durchqueren sie ihre High<br />
School und töten dabei zwölf ihrer Mitschüler und eine Lehrkraft. Außerdem<br />
werden durch die von ihnen abgegebene Schüsse und die Detonationen<br />
verschiedener handgefertigter Bomben 23 weitere Menschen verletzt. Auf die Frage<br />
einiger entsetzter Mädchen, warum sie so etwas Schreckliches täten, entgegneten<br />
sie: „ We´ve always wanted to do this. This is payback. We´ve dreamed about<br />
doing this for four years. This is for all the shit you put us through. This is what you<br />
deserve.“Eigentlich hatten Harris und Klebold es auf weit mehr Opfer abgesehen,<br />
wie ihren prädeliktischen Tagebucheinträgen zu entnehmen ist. Etwa eine Stunde<br />
nach Beginn der Tat beschließen sie jedoch keine weiteren Menschen mehr zu<br />
attackieren und begehen gemeinschaftlich Selbstmord. Noch am selben Tag eilten<br />
400 bis 500 Reporter zur Columbine High School, um Näheres über die Tat in<br />
Erfahrung zu bringen und direkt vor Ort zu berichten. Der Amoklauf der Schüler<br />
Harris und Klebold war „das öffentliche Ereignis“, welches im Jahr 1999 in der<br />
amerikanischen Medienlandschaft die größte Resonanz erfuhr. Columbine hat eine<br />
solche Präsenz erfahren, dass es ein starkes Nachahmungsverhalten ausgelöst hat.<br />
Zur Psychologie der beiden Täter<br />
Eric Harris (vgl. Langman,2009 S. 54-93)<br />
Eric kam mit zwei körperlichen Missbildungen zur Welt, die ihm eine gute<br />
Beziehung zu seinem Körper erschwerten. Durch seine Aneignung der Nazi-<br />
Ideologie, konnte er sich trotz seiner körperlichen Einschränkung überlegen fühlen<br />
und legte ein gewisses Machoverhalten an den Tag. Er war auch von Schusswaffen<br />
fasziniert, die ihm ein Gefühl persönlicher Macht gaben. Neben dem Töten<br />
„minderwertiger“ Menschen fantasierte er in seinen Tagebucheinträgen über die<br />
Ausrottung der ganzen Menschheit und offenbart eine intensive und große<br />
Zerstörungslust. Laut Langman (vgl. 2009, S. 72) hatte Eric mehrere<br />
Persönlichkeitsstörungen. Eine Persönlichkeitsstörung kann man als einen Komplex<br />
von Eigenschaften betrachten, die so extrem oder dogmatisch werden, dass sie<br />
ernste Probleme verursachen. Erics Persönlichkeit enthielt narzisstische,<br />
paranoide, antisoziale und sadistische Elemente. Sein paranoides Verhalten zeigt<br />
sich h in seinem extremen Bedürfnis nach Autonomie und Kontrolle sowie seine<br />
extreme Sensibilität, wenn es um den eigenen Status geht. Er erklärte, dass er<br />
gegen jeden rebelliert, der ihm sagt, was er zu tun hatte und gab sich den<br />
Spitznamen „Reb“. Die Tatsache, dass andere ihn beeinflussten, erschütterte sein<br />
Selbstwertgefühl. Er fühlte sich benachteiligt und glaubte, dass andere Menschen<br />
nur durch Manipulationen zum Erfolg gekommen sind. Ein wichtiges Thema für Eric<br />
war „Coolness“. Weil er sich selbst als cool ansah, konnte er andere nicht ertragen,<br />
die wiederum sich selbst für cool hielten. Durch seine Paranoia nahm er Macht- und<br />
Rangfragen extrem sensibel wahr. Er wollte seine fragile Identität um jeden Preis<br />
schützen. Des Weiteren lehnte Eric in seinem Tagebuch alle tradfitionellen Werte<br />
als bedeutungslos und „falsch“ ab. Er zeigte sich als „antisozial“, indem er nicht<br />
nach den Regeln der Gesellschaft lebte, Moral missachtete und es ihm an Empathie<br />
mangelte. Er beging im Vorfeld des Amoklaufs zahlreiche Straftaten wie z.B.<br />
Diebstahl. Weiters hatte Eric die Fähigkeit, seinen Eindruck auf andere zu steuern.<br />
25
Er log gewohnheitsmäßig und hinterließ dabei sogar einen positiven Eindruck. Eric<br />
hatte auch ein stark überhöhtes Selbstbild. Erics Streben nach Größe und<br />
Gottgleichheit wird in diesem Eintrag besonders deutlich: „Ich fühle mich wie Gott,<br />
und ich wünschte, ich wäre Gott, dann wäre jeder OFFIZIELL unter mir. Ich weiß<br />
sowieso, dass ich über jedem in dieser verblödeten Welt stehe, was die universelle<br />
Intelligenz anbetrifft.“ An einer anderen Stelle schrieb er: „Ich bin das Gesetz“.<br />
Dieses vermeintliche Überlegenheitsgefühl sind jedoch nur die Fassade eines<br />
kompensatorischen Narzissten. In anderen Stellen offenbarte er seine<br />
Verletzlichkeit, seine massiven Selbstzweifel und seinen Wunsch nach<br />
Anerkennung: „Alle machen sich lustig darüber, wie ich aussehe und wie<br />
schwächlich ich bin (...) Das ist, wo viel von meinem Hass herkommt. Die Tatsache,<br />
dass ich so gut wie kein Selbstbewusstsein habe, vor allem in Bezug auf Mädchen<br />
und Aussehen und so.“ Sein Tagebuch schließt er nach all der Prahlerei und blinden<br />
Wut mit Klagen und Wimmern. Er entwickelte ein explosives Gemisch aus<br />
Unterlegenheit und Überlegenheit. Eric sah überall eine Bedrohung seines<br />
Selbstbildes. Bei Erics sadistischer Seite geht es um Macht über andere und darum<br />
eine innere Leere durch das Gefühl von Macht zu kompensieren. Er zeigte eine<br />
feindselige Einstellung gegenüber Gruppen, die er unter sich sah, wie<br />
Afroamerikaner, Homosexuelle oder Frauen. Er bezieht des weiteren Lust aus der<br />
Ausübung von Macht über andere. Augenzeugen berichteten, dass er die<br />
Anschlagsopfer verhöhnte und lachte. Er war voller Wut und Hass auf die Welt und<br />
die Menschen.<br />
Dylan Klebold (vgl. Langman,2009 S. 96-130)<br />
Eric Harris war arrogant und streitlustig. Dylan hingegen wurde häufig als still,<br />
krankhaft schüchtern und friedliebend beschrieben. Er litt an starken<br />
Minderwertigkeitsgefühlen und extremer Angst vor Zurückweisung und Ablehnung.<br />
Während Erics Aufzeichnungen voll Herablassung und blutrünstiger Wut sind, so<br />
schreibt Dylan von Einsamkeit, Depressionen, Grübeleien und Verliebtheit. Eric<br />
zeichnete Waffen, Hakenkreuze und Soldaten; Dylan zeichnete Herzen. Dylan hatte<br />
ständig Probleme Freunde zu finden, von Freundinnen ganz zu schweigen. Er war<br />
sich seiner sozialen Schwierigkeiten schmerzlich bewusst. Er sehnte sich nach<br />
Akzeptanz, aber er hatte das Gefühl, sie nie zu erreichen. Er sehnte sich nach<br />
Freundschaft und Vertrautheit, konnte aber keine emotional befriedigenden<br />
Beziehungen eingehen. Er sehnte sich phasenweise verzweifelt nach Liebe, aber er<br />
war unfähig, die Mädchen anzusprechen, für die er etwas empfand. Er formuliert in<br />
seinem Tagebuch oft seinen Neid auf das, was er als das größere Glück, den<br />
größeren Lebenserfolg der MitschülerInnen empfindet. Sie lebten das Leben, das er<br />
auch gerne geführt hätte. Dylans Einsamkeit und sein Gefühl der Unterlegenheit<br />
führten zu schweren Depressionen und Selbstmordgedanken. „Ich bin der Gott der<br />
Traurigkeit. Ich werde nie aufhören nachzudenken. Der Lost Highway wird niemals<br />
enden, die Musik in meinem Kopf wird niemals aufhören… Das ist alles Teil der<br />
Existenz. Die Hölle hat keine Grenzen.“ (Dylan Klebold, 1997). In seinen Grübeleien<br />
verlor er sich oft in dem Gefühl, von allen verlassen und gehasst zu werden, als ob<br />
die Welt sich gegen ihn verschworen hatte. „Zombies“ war Dylans Begriff für alle<br />
Menschen, auf die er herabsah, das heißt für jeden außer Eric und ihn selbst. Er<br />
schien zu glauben, dass die Gesellschaft ihn einfangen wollte. Er litt an extremer<br />
Selbstentfremdung und stellt sich in seinen Aufzeichnungen als jemanden dar, der<br />
von seiner eigenen Identität abgelöst ist und sein eigenes Menschsein verleugnet.<br />
Er wurde mit den Anforderungen des Lebens nicht fertig und zog sich aus der<br />
26
Wirklichkeit in eine Phantasiewelt zurück. Er schuf sich eine Welt, in der er<br />
manchmal gottähnlich und manchmal sogar ein Gott war, um seinen tiefen Schmerz<br />
darüber, dass er sich als Außenseiter und inadäquat fühlte, zu verdrängen. Dylan<br />
hatte ständig Angst im Stich gelassen zu werden und stand deshalb in ungewöhnlich<br />
starker Abhängigkeit zu anderen. Dylans Tagebuch enthält eine Eintragung, die von<br />
seiner Verlustangst handelt, in dem Moment, als sein damaliger bester Freund<br />
(noch nicht Eric Harris), begann seine Zeit mit einem Mädchen zu verbringen:<br />
„Wenn irgendjemand wüsste wie traurig ich bin ... ich meine, wir waren ein TEAM.<br />
Als er & ich noch Freunde waren, da hatte ich endlich jemanden gefunden, der<br />
genauso war wie ich: der mich mochte die gleichen Interessen hatte ... jetzt, da er<br />
„weitergezogen“ ist, bin ich so einsam ohne einen Freund.“ Als Dylan sich aufgrund<br />
der Freundin im Stich gelassen fühlte übertrug er seine Zuneigung auf Eric und<br />
begann sich zunehmend mit ihm zu identifizieren. Eric war narzisstisch, Dylan war<br />
unsicher und abhängig. Eric brauchte die Rolle des Führers, die seiner Eigenliebe<br />
entsprach. Dylan hatte die Vorstellung, dass die Rache an der Gesellschaft ihn<br />
befreien und in die Lage versetzen wird, „in einem zeitlosen Raum reinen Glücks<br />
(zu) existieren“. Er stellt eine Verbindung zwischen Tod und Freiheit her. Der<br />
Zusammenbruch seiner mentalen Gesundheit, verbunden mit der fortgesetzten<br />
Frustration und Depression aufgrund seiner Unfähigkeit, ein normales Leben zu<br />
führen, waren wohl die treibenden Kräfte für seine Beteiligung an der Gewalttat.<br />
Der Hauptgrund war jedoch wahrscheinlich seine kompromisslose Selbstaufgabe<br />
zugunsten von Eric. Eric gab Dylan den Spitznamen „voDKa“ (Dylans Initialen in<br />
Großbuchstaben).<br />
Winnenden (Deutschland), Albertville-Realschule, 2009<br />
Tim Kretschmer (17) stürmte laut Polizei am 11. März 2009 gegen 9.30 Uhr in einem<br />
dunklen Tarnanzug bekleidet und mit einer Pistole in die Albertville-Realschule in<br />
Winnenden, rund 20 Kilometer nordöstlich von Stuttgart. Mit Kopfschüssen tötete<br />
er acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen. Auffällig ist, dass primär<br />
Mädchen getötet wurden. Auf der Flucht vor der Polizei erschoss er vor einem<br />
psychiatrischen Krankenhaus einen Passanten. Danach zwang er einen Autofahrer,<br />
ihn mitzunehmen. Auf der Fahrt geriet das Auto in einer Autobahnauffahrt im 30<br />
Kilometer von Winnenden entfernten Wendlingen auf den Randstreifen und blieb<br />
dort stecken. Der Täter flüchtete zu Fuß, der Fahrer meldete sich bei einer nahen<br />
Kontrollstelle der Polizei. In Wendlingen flüchtete der Täter in ein Autohaus in<br />
einem Gewerbegebiet, wo er einen Verkäufer und einen Kunden erschoss. Wieder<br />
vor dem Gebäude schoss er auf mehrere ankommende Streifenwagen und verletzte<br />
dabei zwei Beamte schwer. Er selbst wurde am Bein getroffen und tötete sich<br />
schließlich selbst mit einem Kopfschuss. Elf Menschen, einige von ihnen schwer<br />
verletzt, wurden in Krankenhäuser eingeliefert.<br />
Die Tatwaffe, eine Neun-Millimeter-Pistole, hatte der Jugendliche offenbar aus<br />
dem Schlafzimmer seines Vaters entwendet, der als Mitglied eines Schützenvereins<br />
legal 15 Schusswaffen besaß. 14 davon befanden sich in einem Tresor, eine<br />
weitere ungesichert im Schlafzimmer. Auch Munition in dreistelliger Zahl soll der<br />
17-Jährige im Elternhaus an sich gebracht haben. Ingesamt 100 Schuss feuerte er in<br />
der Schule und im Verlauf seiner Flucht daraus ab.<br />
Ein Jugendlicher aus dem Ort beschrieb Tim Kretschmer als ruhig und äußerst<br />
zurückhaltend. Tim K. hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Hier ein kurzer<br />
Auszug: „Ich wollte mich umbringen. Selbstmorde unter Teenagern gab es schon<br />
immer. In dem Alter hat man ja auch ‘ne Menge Probleme, kommt mit anderen<br />
27
nicht zurecht, hat Liebeskummer, verkracht sich mit den Eltern, findet Schule<br />
scheiße…. das Übliche halt. Tja, nur früher hat man das (wenn man sich überhaupt<br />
getraut hat) alleine und im Stillen erledigt. Seit Fernsehen und Zeitungen aber so<br />
geil über Amokläufe in den USA berichteten, ist die Amokwelle voll über den<br />
großen Teich geschwappt. Ist auch irgendwie geiler, wenn man andere mit in den<br />
Tod zieht und nicht alleine abtritt, damit kann man gut die eigene Feigheit<br />
kaschieren, und man darf damit rechnen, dass die Bullen einen abknallen, bzw.<br />
wenn man erst im Blutrausch ist und andere erschossen hat, lässt sich die Waffe<br />
auch viel einfacher gegen sich selbst richten. Außerdem hat das Ganze den Vorteil,<br />
dass man wenigstens am Ende seiner Loser-Existenz mal im Fernsehen und in der<br />
Zeitung ist“. In seinem Abschiedsbrief nahm er auch vorweg, dass sich nach der Tat<br />
PolitikerInnen und Medien wieder auf die Themen von Waffengesetzverschärfung<br />
und das Verbot von Killerspielen konzentrieren werden und bezeichnet das als<br />
„Bockmist“.<br />
Laut einem psychologischen Gutachten litt Tim Kretschmer unter einer<br />
masochistischen Persönlichkeitsstörung und hatte schon Monate vor der Tat<br />
Tötungsfantasien. Der an Depressionen erkrankte Schüler machte 2008 den<br />
Abschluss an der Albertville-Realschule. Eine Therapie brach er ab.<br />
5.6. DISKUSSION ZUR MEDIENWIRKUNG<br />
Neuen Medien wird im Anschluss an schwere Gewalttaten von Jugendlichen<br />
regelmäßig und fast reflexartig eine Mitverantwortung zugeschrieben. Oft wird mit<br />
dieser Zuweisung in der Presseberichterstattung und Politik schnell ein Schuldiger<br />
identifiziert und von sehr viel schwerer zu fassenden Problemen abgelenkt. Im<br />
Falle von School Shootings handelt es sich hierbei vor allem um die Rollen von<br />
bestimmten Musikstilen, Internetseiten und gerade in den letzten Jahren um<br />
sogenannte Killerspiele (gewalthaltige Computerspiele). Deshalb ist es wichtig<br />
wissenschaftliche Erkenntnisse in den Bereichen Film, Musik, Internet und<br />
Computerspiele genauer zu betrachten. Gemeinsames Ergebnis ist, dass der<br />
Konsum von Mediengewalt nie unweigerlich zu gewalttätigem Verhalten führt, denn<br />
in den komplexen Entstehungsbedingungen von Gewalttaten kann Mediengewalt nur<br />
einen von vielen Faktoren bilden. Für eine effektive Analyse von<br />
Medienwirkungsstudien müssen des Weiteren vielfältige Aspekte berücksichtigt<br />
werden. Medienart, Mediendarstellung und Art des Medienkonsums, ebenso wie<br />
Persönlichkeit, Gemütszustand und soziale Situation des Betrachters verändern die<br />
Ergebnisse hinsichtlich der Wirkung von gewalthaltigen Medien auf ihre<br />
Konsumenten.<br />
Filme<br />
Auf dem derzeitigen Stand des Wissens muss davon ausgegangen werden, dass sich<br />
gewalthaltige Fernseh- und Filminhalte vor allem bei jüngeren männlichen<br />
Vielnutzern aggressionssteigernd auswirken können, v.a. wenn diese in ihren<br />
Familien und in der Schule viel reale Gewalt erleben und realistisch anmutende<br />
bzw. heroisch dargebotene Medieninhalte konsumieren. Auch die Ähnlichkeit des<br />
Filmhelden mit dem Betrachter, die filmische Belohnung für Gewalthandlungen und<br />
das Verzichten auf die Darstellungen der Gewaltkonsequenzen für Opfer spielen<br />
wichtige Rollen.<br />
28
Von Eric Harris und Dylan Klebold wird gesagt, dass sie fast alle Dialoge aus dem<br />
Film Natural Born Killers auswendig kannten. Die Buchstabenfolge NBK, die<br />
Initialen des Films, wurden zum Codenamen für den Angriff auf ihre Schule.<br />
Dennoch ist die Betrachtung von filmischen Gewaltinhalten stets nur einer von<br />
zahlreichen Faktoren eines komplexen Ursachenbündels.<br />
Musik<br />
In der Medienwirkungsforschung wurden Zusammenhänge zwischen der Vorliebe für<br />
bestimmte Musikstile und den Ausprägungen von Risikoverhalten, Normabweichung,<br />
problematischen Verhältnissen zu den Eltern oder auch Selbstmordraten belegt.<br />
Besonders Musikstile wie Gangsta-Rap, Heavy Metal und Gothic werden zum Teil<br />
energisch kritisiert und als unterstützender Faktor für das Entstehen von School<br />
Shootings herangezogen. Allerdings muss hinterfragt werden, ob der jeweilige<br />
Musikstil ein bestimmtes Verhalten beeinflusst hat oder ob sich nicht umgekehrt<br />
vielmehr ein Jugendlicher zu einem bestimmten Musikstil hingezogen fühlt, weil ein<br />
Thema der Songtexte bzw. die Beschaffenheit der subkulturellen Elemente des<br />
jeweiligen Musikstils zu seiner Lebenslage passt. Nach dem School Shooting in<br />
Columbine geriet die an den Gothic-Stil angelehnte Band Marilyn Manson besonders<br />
stark in die Kritik und wurde aufgrund ihres unkonventionellen Verhaltens und<br />
gewalthaltiger Songtextpassagen zum Opfer einer Medienkampagne.<br />
Internet<br />
Webseiten, Weblogs, Online-Communities und Streaming werden inzwischen von<br />
School Shootern im Vorfeld ihrer Taten oft zur intensiven Selbstdarstellung genutzt.<br />
Obwohl regelmäßig versucht wird die Selbstdarstellung der jugendlichen Täter zu<br />
sperren, dienen diese Materialen unglücklicherweise beständig neuen potenziell<br />
gefährdeten Jugendlichen als Anregung zur Weiterentwicklung ihrer eigenen Ideen<br />
(Nachahmungstäter). Dennoch ist es oft nicht unproblematisch, die Authentizität<br />
von solchen Webseiten festzustellen. Beispielsweise stellten sich die Webseiten des<br />
Täters von Erfurt im Nachhinein als eine Fälschung heraus, da sie gar nicht von ihm<br />
stammten. Neben den auffälligen Selbstdarstellungen von Gewalttätern, birgt das<br />
Internet auch andere Problemfelder. Hierzu zählt der Zugang zu Materialien,<br />
welchen Jugendlichen ansonsten kaum ausgesetzt wären wie z.B. Anleitungen zur<br />
Umsetzung gewalttätiger Handlungen, wie Pläne zum Bau von Rohrbomben,<br />
Darstellungen realer Gewalttaten in sogenannten „Snuff Movies“ oder<br />
volksverhetzende Propaganda von extremistischen Gruppierungen. Jugendliche, die<br />
aktiv und nicht versehentlich nach gewalthaltigen Inhalten suchen, werden in der<br />
Forschung als gefährdet eingeschätzt. Oft lässt sich eine Beziehung herstellen<br />
zwischen ihrer Nutzung gewalthaltiger Seiten und ihrer Entfremdung von Familie,<br />
Schule und Gleichaltrigen. Die Jugendlichen sprechen demnach auf jene Seiten an,<br />
weil sie auf diese Weise gewalthaltige Phantasien ausdrücken und ausschmücken<br />
können. Verbote und Kontrollen erweisen sich praktisch und pädagogisch<br />
weitgehend als unwirksam. Wichtig ist stets die Wahrnehmung und Umsetzung der<br />
Notwendigkeit, in Familien und Schulen präventiv medienpädagogisch, d.h. an<br />
einer Stärkung der Medienkompetenz und -verantwortung zu arbeiten.<br />
29
„Killerspiele“<br />
In Zusammenhang mit der Wirkung von Mediengewalt wird besonders intensiv der<br />
Einfluss gewalthaltiger Computerspiele diskutiert. Hier wird vor allem im<br />
Gegensatz zu Fernsehen, Internet und Musik das aktive Handeln als wichtig<br />
angesehen. Spätestens im Anschluss an das School Shooting am Erfurter<br />
Gutenberg-Gymnasium 2002 wurde die öffentliche Kritik an Gewaltspielen<br />
unüberhörbar. Damals sorgte das Computerspiel „Counter-Strike“, für einige<br />
Aufregung, als bekannt wurde, dass Robert S. dieses Spiel intensiv genutzt hatte.<br />
Tatsächlich bot die Vorgehensweise des jungen Mannes zahlreiche Parallelen zu den<br />
Inhalten des Spiels. Die Diskussion scheint sich auf sogenannte „Ego-Shooter“ zu<br />
konzentrieren, in denen der Blickwinkel des Spielenden dem Blickwinkel der<br />
Spielfigur entspricht, es wird also in einer Art Ich-Perspektive gespielt. Bei vielen<br />
Ego-Shootern fühlt man sich geradezu in einen real gedrehten Film hineinversetzt.<br />
In einigen Studien kam man zu positiven Ergebnissen in Bezug auf die mögliche<br />
Steigerung aggressiver Gedanken. Deutlichere Ergebnisse finden sich bei<br />
Untersuchungen, die einen Zusammenhang zwischen gewalthaltigen<br />
Computerspielen und einer Reduzierung prosozialer Verhaltensweisen gemessen<br />
haben. Insgesamt zeigen die Studienergebnisse in Bezug auf die generelle<br />
Beeinflussung von Probanden durch gewalthaltige Computerspielen relative<br />
schwache Ausprägungen. Allerdings ist auch bei Computerspielen sehr deutlich<br />
darauf hinzuweisen, dass zahlreiche Einflussfaktoren die Wirkung solcher Spiele<br />
verstärken können. So sprechen etwa einige Befunde dafür, dass feindselige oder<br />
aggressive Persönlichkeitsmerkmale, ein fehlendes stabiles Wertesystem und ein<br />
geringes Selbstwertgefühl negative Effekte begünstigen können und dass umgekehrt<br />
ein intaktes soziales Umfeld als Schutzfaktor vor negativen Auswirkungen<br />
betrachtet wird.<br />
5.7. PRÄVENTION AN SCHULEN<br />
Fünf Grundprinzipen für schulische Prävention (vgl. Robertz, 2007, S. 133ff):<br />
1. Entwicklung der Qualität von Lehrer-Schüler Beziehungen<br />
Partnerschaftlichen und diskursiven Interaktionsstil entwickeln, ein Klima von<br />
Verständnis, Offenheit, Wärme schaffen, bei gleichzeitiger konsequenter<br />
Grenzsetzung<br />
2. Ermöglichung von sozialem Lernen<br />
Handlungsmuster für den Umgang mit Frustrationen, Gefühlen,<br />
Meinungsverschiedenheiten und Konflikten können durch eine Förderung der<br />
Sozialkompetenz erlernt werden. Dazu gehört die Förderung von Kommunikations-<br />
und Konfliktfähigkeit, konstruktiven Konfliktbewältigungsstrategien, der sozialen<br />
Wahrnehmung, Empathie, Perspektivenübernahme und Impulskontrolle.<br />
30
3. Schaffung eines gemeinsamen Grundwerte- und Normensystems<br />
Bemühen um einen schulischen Grundkonsens sozialer Werthaltungen und<br />
Verhaltensnormen. Alle am Schulleben beteiligte Akteure in die Gestaltung und<br />
Entwicklung einbeziehen und somit auch die SchülerInnenmitverantwortung<br />
fördern.<br />
4. Vermittlung eines positiven Leistungs- und Selbstkonzeptes<br />
Ermöglichung von Erfolgen für alle SchülerInnen durch die Betonung individueller<br />
Lernfortschritte und Unterstützung beim Aufbau eines positiven Selbstkonzepts von<br />
Selbstvertrauen und Selbstachtung.<br />
5. Ermöglichung von sozialer Identität<br />
Möglichkeiten für den Aufbau und die Pflege von Gruppenbeziehungen zur<br />
Verfügung stellen und emotionale Bindungen an Gemeinschaften und gemeinsame<br />
Ziele fördern.<br />
Mit außerschulischen Institutionen und Helfersystemen, wie etwa dem Jugendamt,<br />
der Schulpsychologie, freien Trägern der Jugendhilfe und gegebenfalls Auch<br />
Therapeuten und Polizei sollten Umgangs- und Verfahrensregelungen in Hinblick auf<br />
Kooperationsnotwendigkeiten vereinbart werden. Eine vertrauensvolle Kooperation<br />
mit Eltern ist ebenfalls wichtig.<br />
Der Umgang mit Gewalt in der Schule ist ein wichtiges Thema. Deshalb startete die<br />
österreichische Bildungsministerin Claudia Schmied 2008 die Initiative „ Gemeinsam<br />
gegen Gewalt“. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten arbeitet das<br />
Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur daran, Schülerinnen und<br />
Schülern, Eltern und Lehrerinnen und Lehrern konkrete und wirksame<br />
Hilfestellungen zur Prävention, aber auch Intervention zur Verfügung zu stellen.<br />
Die Produktion DIRTY RICH hat daher eine inhaltliche Kooperation mit diesem<br />
Projekt. Die Initiative "Gemeinsam gegen Gewalt" hat ein sichtbares Zeichen:<br />
Die "Weiße Feder". Den Kontakt finden Sie im Anhang der vorliegenden Mappe.<br />
5.8. PROJEKTIDEEN UND DISKUSSIONSANREGUNGEN ZUM THEMA<br />
„SCHOOL SHOOTING“<br />
Diese kurzen Vorschläge können für Sie als Projektideen oder<br />
Diskussionsanregungen dienen. Einige davon weisen auch in <strong>Rich</strong>tung<br />
Gewaltprävention.<br />
• Was fällt den SchülerInnen zum Thema „Amoklauf an Schulen“ ein? Was<br />
assoziieren sie mit dem Begriff „School Shooting“? Welche Gründe werden<br />
von Medien und Politik angeführt? Was glauben die SchülerInnen könnte im<br />
Inneren der Täter vorgehen?<br />
• Welche Medien mit denen sich die SchülerInnen in der Freizeit beschäftigen<br />
haben ihrer Meinung nach gewalthaltige Inhalte? Wie sehen diese konkret<br />
aus? Was empfinden die SchülerInnen beim Konsumieren derselben?<br />
• Medienberichterstattung, Wortwahl, Schlagzeilen, Emotionalisierung von<br />
„School Shootings“ analysieren<br />
31
• Gestaltung der Geschlechterrollen (bes. der männlichen) – Möglichkeiten,<br />
Gefährdungen etc.<br />
• Medial vermittelte Männlichkeitsangebote (sammeln, analysieren,<br />
reflektieren, diskutieren)<br />
• Persönlichen Bindungsaufbau reflektieren, welche Möglichkeiten und<br />
Probleme ergeben sich für Jugendliche in diesem Zusammenhang?<br />
• Jugendliche zwischen selbstausgeübter Freiheit und äußerer Kontrolle<br />
(Selbstreflexion, Erfahrungsaustausch …)<br />
• Anerkennungsrituale, Wertordnungen innerhalb verschiedener Peer-Groups<br />
thematisieren (eigene Klasse, Freizeitgruppen, Freundschaftsgruppen …)<br />
• Polarisierungsquellen, Reibungsflächen – Austausch von Erfahrungen mit<br />
gesellschaftlichen Bereichen, die Vereinzelung, Solidaritätsverluste,<br />
Spannungen verursachen oder aufbauen<br />
32
6. THEMENFELDER UND ANREGUNGEN FÜR DEN UNTERRICHT<br />
Im Folgenden sollen drei Themen aus DIRTY RICH bearbeitet werden. Durch die<br />
gezielte Aufarbeitung haben die SchülerInnen die Möglichkeit über das Gesehene zu<br />
reflektieren bzw. schon im Vorfeld eigene Erfahrungen zu besprechen,<br />
auszutauschen und auszuprobieren. Sie finden zunächst zu jedem Thema eine<br />
Kurzinformation. Die jeweiligen Arbeitsanregungen dienen der aktiven und<br />
interaktiven Auseinandersetzung mit den zu behandelnden Themen durch das<br />
Medium Theater. Diese Themen sind im vorliegenden Stück vordergründig Macht<br />
und Gewalt, Narzissmus, Anerkennung und Vertrauen.<br />
6.1. THEMENFELD 1: MACHT UND GEWALT<br />
Jeder Mensch trägt Aggressionspotenziale in sich. Sie sind natürlich und gehören<br />
zum<br />
menschlichen Wesen. Beunruhigend sind die schleichend wachsende „ganz<br />
alltägliche<br />
Gewaltbereitschaft“, das fehlende Mitgefühl und die sinkende Hemmschwelle. Das<br />
Ziel soll letztlich sein, Gewalt in der Schule nicht als etwas Unvermeidliches zu<br />
betrachten, sondern zu verringern. Wichtig ist hierbei nicht nur die<br />
Auseinandersetzung mit körperlichen Übergriffen zwischen Jugendlichen, sondern<br />
die wachsende psychische und verbale Gewalt (Pöbeleien, Beschimpfungen,<br />
Drohungen). Ein wichtiges Motiv für Gewaltanwendung ist die Ausübung von Macht<br />
und Kontrolle. Wenn Gewalt und Macht im Spiel sind herrscht ein Ungleichgewicht<br />
der Kräfte oft verbunden mit einem Gefühl der Überlegenheit beim „Täter“ und<br />
dem der Unterlegenheit beim „Opfer“. Bei jugendlichen Amokläufern wie auch im<br />
Stück DIRTY RICH spielt die Ausübung und das Gefühl von Macht, das Erhöhen des<br />
eigenen Status, das Anwenden von Gewalt, die Erniedrigung und Demütigung von<br />
Menschen eine große Rolle.<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vor- und Nachbereitung)<br />
Übung:<br />
1. Räumen Sie mit ihren SchülerInnen Tische und Stühle beiseite und bilden Sie<br />
mit den SchülerInnen einen Kreis. Zunächst soll reihum zum Thema „Gewalt“<br />
assoziiert werden: Einer fängt an und sagt irgendein Wort, das ihm zu<br />
Gewalt einfällt. Dann ist sein Nachbar dran usw. Es soll mehrere Runden<br />
assoziiert werden. Wem nichts einfällt, kann Worte wiederholen (den Fluss<br />
nicht unterbrechen).<br />
Assoziationsübungen machen den Kopf frei und holen alles hervor, was einem<br />
spontan zu einem Thema einfällt.<br />
2. Anschließend bekommen die SchülerInnen die Aufgabe das Klassenklima<br />
anhand eines fiktiven Wetterthermometers einzuschätzen. Jeder sagt<br />
reihum, welche Temperatur seiner/ihrer Meinung nach in der Klasse<br />
vorherrscht (Anmerkung: unter 15 Grad herrscht ein eher feindseliges und<br />
33
kaltes Klima – bei Minusgraden ist es ganz arg; über 25 Grad ist eine warme<br />
und herzliche Atmosphäre vorherrschend)<br />
Durch diese Übung bekommen Sie und die SchülerInnen untereinander ein Bild<br />
davon, wie das Klima in der Klasse von jeder einzelnen Person eingeschätzt wird.<br />
3. Teilen Sie die Klasse in zwei Gruppen. Die TeilnehmerInnen der einen Hälfte<br />
gehen reihum in die Mitte des Raumes und nehmen eine Geste ein. Sie<br />
gefrieren (Freeze) in ihrer Haltung. Der/die nächste Person, die in die Mitte<br />
geht stellt sich zur ersten Person in Bezug. Sobald die gesamte Gruppe in der<br />
Mitte steht beginnt die erste Person, die in die Mitte ging einen Satz zu<br />
sprechen, der/die ihm in dieser Haltung in den Sinn kommt.<br />
Die SchülerInnen der anderen Gruppe können das Bild beschreiben, welches<br />
die Gruppe in der Mitte des Raumes zusammengestellt hat. Danach können<br />
die Gruppen tauschen.<br />
Die eine Gruppe kann ein Standbild mit dem Titel „Macht“, die andere mit<br />
dem Titel „Gewalt“ bauen.<br />
Das Bauen von Standbildern dient zur Sichtbarmachung verschiedener Themen.<br />
Indem die SchülerInnen Standbilder bauen, suchen sie sich die prägnantesten<br />
Positionen heraus und lernen zu fokussieren und zu kooperieren.<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vor- und Nachbereitung)<br />
Übung:<br />
Räumen Sie Tische und Stühle an die Seite und teilen Sie Ihre SchülerInnen in zwei<br />
Reihen, bei denen Sie sich in Paaren gegenüber stehen. Die Reihen stehen sich<br />
soweit wie möglich entfernt gegenüber. Jeder hat seinen Partner A bzw. B<br />
gegenüber. Auf ein Signal geht die Reihe A gemeinsam los. Der Partner der<br />
stehenden Reihe B ruft STOPP, wenn A nach seinem Gefühl nah genug ist bzw.<br />
nicht näher kommen soll. Spürt einen Moment lang nach, ob ihr eventuell zu früh<br />
oder zu spät STOPP gesagt habt. Ohne zwischendurch miteinander zu sprechen,<br />
wiederholt jede Reihe mehrmals diese Übung.<br />
Durch diese Übung lernen die SchülerInnen grenzen wahrzunehmen und Grenzen zu<br />
setzen.<br />
6.2. THEMENFELD 2: NARZISSMUS<br />
Der Begriff Narzissmus bezieht sich auf die griechische Sage von Narziss. Narziss<br />
war ein Junge, der sich in sein Spiegelbild in einem Wassertümpel verliebte. Die<br />
Sage handelt nicht von jemanden der sich in sich selbst verliebt, sondern von<br />
jemanden, der sich in ein Bild von sich selbst verliebt. <strong>Rich</strong>ard III wie auch<br />
jugendliche Amokläufer z.B. Eric Harris zeigen einen sogenannten<br />
„kompensatorischen Narzissmus“. Sie fühlen sich derart ungenügend, dass sie ein<br />
großartiges Selbstbild entwerfen, um so ihre Mängel zu kompensieren. Sie<br />
präsentieren der Welt eine narzisstische Fassade, um die Leere oder Schwäche, die<br />
sie in sich fühlen zu verbergen.<br />
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Im Falle des jungen Amokläufers Eric Harris entlädt sich das explosive Gemisch aus<br />
dem Gefühl großer Überlegenheit mit einem tiefen Gefühl der Unterlegenheit, dem<br />
Mangel an Anerkennung, Liebe und Geborgenheit. <strong>Rich</strong>ard III zeigt in seinem<br />
Mordzug eine Fassade von Überlegenheit, seine Worte sind von kaltblütiger<br />
„Coolness“ und doch verfällt er in Momenten des Stückes in Wimmern und Klagen<br />
und offenbart seine als unzulänglich empfundenen Kern.<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vor- und Nachbereitung)<br />
Übung:<br />
Hochstatus: gerade Körperhaltung, sicherer Gang, Blick horizontal oder höher<br />
Tiefstatus: gebückte Haltung bis kniehend, unsicherer Gang, flüchtend, gesenkter<br />
Blick<br />
1. Lassen Sie Ihre SchülerInnen nacheinander Hoch- und Tiefstatus einnehmen<br />
und entsprechend durch den Raum gehen. Zunächst ist jeder bei sich, dann<br />
werden die anderen wahrgenommen und schließlich kommt Blickkontakt<br />
hinzu (Hochstatus: starren, Tiefstatus: gleich wieder weggucken).<br />
2. Teilen Sie dann die Gruppe und lassen Sie eine Hälfte im Hochstatus und eine<br />
Hälfte im Tiefstatus durch den Raum gehen. Begegnungen finden statt.<br />
Durch diese Übung lernen die SchülerInnen das Spiel mit dem Status, die<br />
Gefühlszustände von Unter- und Überlegenheit kennen, und was diese jeweils<br />
bewirken.<br />
6.3. THEMENFELD 3: VERTRAUEN UND ANERKENNUNG<br />
Wichtig für den Aufbau von Bindungen bei Jugendlichen ist das Gefühl der<br />
Anerkennung. „Erkannt“ zu werden, bedeutet für das Individuum die Erfahrung in<br />
seinem eigentlichen Wesen verstanden, angenommen und gut geheißen zu sein. Es<br />
geht um emotionale Beziehungen, die das Gefühl des Eingebundenseins vermitteln.<br />
<strong>Rich</strong> fühlt sich als Außenseiter, nicht akzeptiert und angenommen. Auch<br />
jugendlichen Amokläufern bleibt vor ihrer Tat das Erlebnis der Akzeptanz und<br />
Anerkennung meist versagt.<br />
Theaterpädagogischer Impuls (zur Vor- und Nachbereitung)<br />
Übung: „Der Gordische Knoten“<br />
1. Räumen Sie mit ihren SchülerInnen Tische und Stühle beiseite und schaffen<br />
sie möglichst viel Platz in der Mitte des Raumes. Dann bekommen die<br />
SchülerInnen die Anweisung mit geschlossenen Augen aufeinander zuzugehen<br />
und die Hände zu verknoten.<br />
2. Wenn alle SchülerInnen sich an den Händen verknotet haben bekommen sie<br />
die Anweisung den Knoten zu entwirren ohne gegenseitig die Hände<br />
loszulassen.<br />
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Durch diese Übung kann Vertrauen und Gemeinschaftssinn verstärkt werden.<br />
Gemeinsam findet man eine Lösung, indem man aufeinander eingeht und<br />
aufmerksam den anderen gegenüber ist.<br />
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7. TEAM<br />
Jakob Beubler: Schauspiel<br />
1980 in Graz geboren, Schauspielstudium an der Universität für Musik und<br />
Darstellende Kunst Graz. Engagements am Schauspielhaus Graz, Ensemble<br />
Theater am Petersplatz in <strong>Wien</strong> sowie im Gerhard Hauptmann Theater Zittau. Er<br />
war Sprach- und Schauspiel Coach am Tanztzheater Görlitz. Zuletzt zu sehen<br />
u.a. als Torvard Helmer in „Nora“ H. Ibsen im Schuberttheater <strong>Wien</strong>, Robbie in<br />
„Shoppen und Ficken“ von M. Ravenhill im Off-Theater-<strong>Wien</strong>. Jakob Beubler lebt<br />
und arbeitet derzeit als freier Schauspieler in <strong>Wien</strong>.<br />
Florian Kaufmann: Schauspiel<br />
1981 in Graz geboren, Schauspielstudium an der Universität für Musik und<br />
Darstellende Kunst Graz. Engagements am Schauspielhaus Graz, Sommertheater<br />
Ludwigsburg, Theater Melone Innsbruck, Württembergische Landesbühne<br />
Esslingen. Zudem wirkte er in verschiedenen Filmproduktionen mit.<br />
Maria Spanring: Schauspiel<br />
1982 in Kirchdorf a. d. Krems geboren, Schauspielstudium in Salzburg und Zürich.<br />
Engagements in Österreich, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und der<br />
Schweiz auf, u.a. in „Romeo und Julia“ (2009, Julia), „Ente, Tod und Tulpe“<br />
(2008, Ente), „Zu wissen dort drüben ist Land“ (2006), „norway.today“ (2003,<br />
Julie). Zudem wirkte sie in verschiedenen Filmproduktionen mit. Maria Spanring<br />
lebt und arbeitet in <strong>Wien</strong>.<br />
Michael Pöllmann: Idee & Regie<br />
1982 in Burglengenfeld geboren, Schauspielstudium an der Akademie der<br />
Darstellenden Künste (AdK) Ulm und am Konservatorium <strong>Wien</strong>. Engagements am<br />
DSCHUNGEL WIEN, den Festspielen Reichenau, den Luisenburg Festspielen und<br />
dem Kosmos Theater Bregenz. Er spielte in mehreren Spiel- und Kurzfilmen.<br />
Seine Regieerfahrungen sammelte er als Regieassistent am Volkstheater <strong>Wien</strong>,<br />
am Theater Regensburg und beim Szene-Bunte-Wähne Festival. Michael Pöllmann<br />
lebt und arbeitet seit 2004 in <strong>Wien</strong>.<br />
Bärbel Strehlau: Choreographie<br />
1969 in Berlin geboren, Tanzausbildung an der „Staatlichen Ballettschule Berlin".<br />
Nach der Wende gründete sie das Freie Tanztheater Berlin. 1992 – 96<br />
Choreographie-Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch<br />
Berlin. Engagements. am Staatstheater Cottbus, G. Hauptmann Theater Zittau,<br />
Theater Vorpommern/Greifswald, Landesbühnen Bruchsal, Theater<br />
Plauen/Zwickau. Seit 2002 arbeitet sie als freie Choreografin in Berlin, Görlitz<br />
und seit 2008 in <strong>Wien</strong>.<br />
Agnes Burghardt: Bühne & Ausstattung<br />
1984 in Dachau bei München geboren, ist Studentin der Theater-, Film- und<br />
Medienwissenschaft an der Universität <strong>Wien</strong>. Seit 2007 arbeitet sie außerdem als<br />
Kostümassistentin für Film, TV und Theater u.a. in <strong>Wien</strong>, München und Berlin.<br />
Zuletzt war sie tätig als Assistentin von Thomas Unthan (Kostüm) und Helga Utz<br />
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(Regie, Konzept) für die freie <strong>Wien</strong>er Gruppe „OPER UNTERWEGS“. Agnes<br />
Burghardt lebt und arbeitet seit 2005 in <strong>Wien</strong>.<br />
Julia Perschon: Dramaturgieassistenz<br />
1981 in Baden (NÖ) geboren, schloss ihr Studium der Soziologie an der<br />
Universität <strong>Wien</strong> im Jahr 2008 ab. Erfahrungen im Bereich der Dramaturgie<br />
sammelte sie als Kulturreferentin der ÖH Universität <strong>Wien</strong>, in div. Filmprojekten<br />
und als Projektleiterin der Dramaturgiestelle der ASSITEJ <strong>Wien</strong>. Seit 2008<br />
arbeitete sie im Bereich Produktion und Publikumsservice im DSCHUNGEL WIEN.<br />
Letztes Dramaturgieprojekt „Das ist dein Ding!“ (Inszenierung DSCHUNGEL WIEN<br />
& <strong>Wien</strong>er Festwochen, 2010). Julia Perschon lebt seit 2000 in <strong>Wien</strong>.<br />
Anna Müller-Funk: Produktion<br />
geboren 1983 in München, studierte von 2003 – 2007 in Großbritannien Volks- und<br />
Betriebswirtschaft sowie Politikwissenschaften. 2008 Produktionsassistenz<br />
STELLA08 - Darstellender.Kunst.Preis für junges Publikum; 2009 Produktionsleitung<br />
STELLA08 - Darstellender.Kunst.Preis für junges Publikum und Projekt- und<br />
Produktionsleitung für<br />
verschiedene Theater- und Kulturprojekte. Seit 2009 wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte.<br />
Julia Wiggers: Produktionsassistenz<br />
1985 in Hof (Bayern) geboren, schloss ihr Studium der Theater-, Film- und<br />
Medienwissenschaft an der Universität <strong>Wien</strong> im Jahr 2010 ab. Ihre ersten<br />
Erfahrungen machte sie bereits während der Schulzeit am Hofer Theater, wo sie<br />
auch als Regieassistentin tätig war. Nach Praktika in Bremen und Ludwigsburg,<br />
assistierte sie zuletzt bei der Produktion "Adrenalin" und dem Research "Schuhe"<br />
unter der Regie von Claudia Bühlmann. Julia Wiggers lebt seit 2005 in <strong>Wien</strong>.<br />
Claus Zweythurm: Lichtdesign<br />
1971 in Linz geboren, absolvierte er seine Ausbildung zum<br />
Veranstaltungstechniker im Posthof Linz. Erfahrungen im Bereich Produktion<br />
sammelte er bei div. Filmprojekten („Oberwasser“, „Sonntagsfahrt“,<br />
„Weltwechsel“). Er absolviert gerade den Zertifikatskurs „Kulturmanagement“<br />
des Instituts für Kulturkonzepte in <strong>Wien</strong>. Claus Zweythurm lebt und arbeitet seit<br />
2006 in <strong>Wien</strong>.<br />
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8. ANHANG<br />
8.1. Quellen zum Thema School Shooting<br />
Literaturhinweise<br />
Bannenberg, Britta: Amok: Ursachen erkennen – Warnsignale verstehen –<br />
Katastrophen verhindern, Gütersloher Verl.-Haus, Gütersloh: 2010<br />
Böckler, Nils/Seeger, Thorsten: Schulamokläufer: eine Analyse medialer Täter-<br />
Eigendarstellungen und deren Aneignung durch jugendliche Rezipienten, Juventa,<br />
Weinheim und München: 2010<br />
Hoffmann, Jens/ Wondrak, Isabel (Hg.): Amok und zielgerichtete Gewalt an<br />
Schulen, Verlag für Polizeiwissenschaften, Frankfurt: 2007<br />
Langman, Peter: Amok im Kopf: warum Schüler töten, aus dem Amerikan. Von<br />
Andreas Nohl, Beltz, Weinheim: 2009<br />
Pollmann, Elsa: Tatort Schule. Wenn Jugendliche Amok laufen, Tectum, Marburg:<br />
2008<br />
Robertz, Frank/Wickenhäuser, Ruben: Der Riss in der Tafel. Amoklauf und schwere<br />
Gewalt in der Schule, Springer, Heidelberg: 2007<br />
Waldrich, Hans-Peter: In Blinder Wut: warum junge Menschen Amok laufen,<br />
Papyrossa, Köln: 2007<br />
Internetlinks<br />
www.acolumbinesite.com (eine Seite über das Columbine School Shooting, 1999<br />
mit Tagebucheinträgen von Eric Harris und Dylan Klebold)<br />
North, David: Das Massaker an der Columbine High School: Amerikanische Pastorale<br />
amerikanische Berserker, 1999: http://www.wsws.org/de/1999/apr1999/colua28.shtml<br />
Schüler als Mörder: Was Amokläufer antreibt. Ein Interview mit dem US<br />
Psychologen Peter Langman, SPIEGEL online, 2009:<br />
http://www.spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,654042,00.html<br />
Amoklauf an Schulen: Die Konstruktion des Tötens. Ein Interview mit dem<br />
deutschen Kriminologen Frank Robertz, 2007: http://www.n-tv.de/792964.html<br />
Abschiedsbrief von Tim Kretschmer (School Shooting Winnenden):<br />
http://w-ww.frankfurter-magazin.de/?p=1538<br />
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Filme<br />
Bowling for Columbine, Dokumentarfilm von Micheal Moore, 2002<br />
Elephant, Spielfilm von Gus Van Sant, 2003<br />
Pressetimme<br />
Wider die Sprachlosigkeit<br />
Eine Kommunikationsgesellschaft, die keine ist - von Nina Gerstenberg<br />
(Berliner Morgenpost 4. Mai 2002)<br />
Wer oder was ist Schuld?», fragen sich Politiker und Kirchenleute, Pädagogen, Eltern und<br />
Schüler seit dem Amoklauf in Erfurt. Schuld daran, dass in unserer Gesellschaft ein bis<br />
dahin unauffälliger junger Mann aus scheinbar geordneten Verhältnissen in seinem Hass so<br />
versinken kann, dass er durch den Mord an Unschuldigen glaubt, einmal bekannt zu<br />
werden. Oder vielleicht auch nur beachtet oder wahrgenommen zu werden.<br />
Auch mehr als eine Woche nach dem schrecklichen Ereignis ist noch zu wenig bekannt über<br />
die Psychologie des Täters, sein Leben, seine Familie, um endgültige Schlüsse über Motiv,<br />
Hergang, Planung ziehen zu können. Sicherlich weiß man, dass das Durchfallen und später<br />
der Schulverweis den Jungen schwer gedemütigt haben müssen. Dazu kamen, so die<br />
Experten, die Wirkung von Computer-Spielen mit gewalttätigem Inhalt und das Hören<br />
brutaler Heavy-Metal-Musik. Doch weder Versagen in der Schule, noch der Konsum von PC-<br />
Spielen machen in der Regel aus einem Jungen einen Mörder.<br />
Natürlich sind die jetzt entfachten Diskussionen über eine Verschärfung des<br />
Jugendschutzgesetzes, das auch Gewalt-Computerspiele eindämmen soll, sowie die<br />
freiwillige Selbstkontrolle der Fernsehanstalten wichtig. Ebenso wie die Überlegungen,<br />
wann ein junger Mensch mit Waffen umgehen dürfen sollte. Doch sollten wir - solange der<br />
Schrecken von Erfurt noch in unseren Gliedern sitzt - nicht vor allem darüber nachdenken,<br />
wie Robert S. zum Mörder werden konnte, ohne dass es einer gemerkt hat? Nicht seine<br />
Eltern oder sein Bruder, nicht seine Mitschüler oder Lehrer?<br />
Worüber sprachen die Eltern, die getrennt sind, aber im selben Haus leben, mit ihrem Sohn<br />
beim Abendbrot? Wie kommt es, dass weder der Direktor, noch die Lehrer eines als<br />
überdurchschnittlich geltenden Gymnasiums den Kontakt zu den Eltern suchten, als sie die<br />
nachlassenden Leistungen des Schülers bemerkten? Sollte nicht zumindest spätestens bei<br />
einem Schulverweis das Elterngespräch selbstverständlich sein? Kommunikationslosigkeit -<br />
dieses Wort drängt sich nach dieser Tat geradezu auf. Der Amoklauf war bisher in seiner<br />
Schrecklichkeit einzigartig, der Mangel an Kommunikation ist es nicht.<br />
Vor Sprachlosigkeit in unserer Gesellschaft, einem Mangel an Nähe und Zuneigung bis hin<br />
zur Verwahrlosung, gerade auch der emotionalen, warnen Psychologen seit Jahren. In<br />
Zeiten, in denen jedes dritte Kind eine Trennung oder Scheidung verarbeiten muss, und in<br />
denen gleichzeitig Schwimmbäder, Schulstationen und Jugendhilfeeinrichtungen<br />
weggespart werden, bleiben viele Heranwachsende sich selbst überlassen, vereinsamen.<br />
Ansprechpartner fehlen.<br />
Laut der Deutschen Gesellschaft für Psychotherapie leidet mittlerweile jedes dritte<br />
Schulkind unter Ängsten, die, etwa in Form von Panik, bis ins Erwachsenenalter hinein<br />
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anhalten können. Besonders gefährdet seien Trennungskinder und gerade bei sehr ruhigen<br />
Kindern werde die Krankheit leicht übersehen.<br />
Doch wer soll die Ängste erkennen, wer dem Kind helfen sie zu verarbeiten, wer es stark<br />
machen für den Leistungsdruck in Schule und Arbeitsalltag? Längst arbeiten viele Mütter<br />
mit oder tragen ohnehin die alleinige Verantwortung für die Familie, ohne, wie in<br />
Schweden oder Frankreich, auf eine gut ausgebaute Infrastruktur mit<br />
Hausaufgabenbetreuung und Versorgung zurückgreifen zu können. Gleichzeitig pendeln<br />
immer mehr Väter zwischen Arbeitsplatz und Wohnort, die globalisierte Gesellschaft<br />
fordert mobile, jederzeit erreichbare Arbeitskräfte. In unserer Spaß- und<br />
Konsumgesellschaft, in der zwei Urlaubsreisen, Elektronik und Zweitwagen<br />
selbstverständlich sind, ist Zeit Mangelware geworden. Und kostbare Zeit für Kinder, in der<br />
man ja arbeiten oder sich vergnügen könnte, nehmen sich Eltern leider immer seltener.<br />
Wie schlecht deutsche Eltern, aber auch Lehrer, in punkto Kommunikation mit dem<br />
Nachwuchs abschneiden, zeigte jüngst erst die Begleitstudie zum Pisa-Bildungsvergleich,<br />
die hierzulande,vielleicht nicht ganz zufällig, kaum beachtet wurde. Nur 40 Prozent der<br />
deutschen Eltern reden demnach regelmäßig mit ihren 15-jährigen Kindern über ihre<br />
schulischen Leistungen, in den Niederlanden sind es dagegen knapp 70 Prozent, in Italien<br />
gar 86 Prozent. Muße für Gespräche über Bücher, Filme oder Fernsehen mehrmals<br />
wöchentlich gibt es hier nur in 16 Prozent der Familien, in Japan oder Großbritannien<br />
findet dagegen jede dritte Familie Zeit dafür. Wen wundert es da, dass die meisten Eltern<br />
auch von den Computerspielen ihrer Kinder keine Ahnung haben. Ebenso schlecht<br />
schneiden die deutschen Lehrer nach dem Urteil ihrer Schüler ab, diese vermissen vor<br />
allem Interesse an ihren Leistungen und Hilfe beim Lernen.<br />
Wenig Interesse am Schüler, keine Gespräche über seinen Alltag. Ein Drittel der Eltern<br />
bezeichnete sich in einer Studie der Uni Bielefeld als überfordert. Auf die zunehmend<br />
distanzierten Eltern-Kind-Beziehungen sowie die schlechte soziale Lage vieler Familien<br />
führen Bildungsexperten zum Beispiel auch die steigende Zahl von Schulschwänzern<br />
zurück. Längst fordern Pädagogen den «Elternführerschein», in dem Mütter und Väter die<br />
Grundlagen der Kommunikation mit dem Nachwuchs lernen.<br />
Mindestens ebenso gestresste Lehrer, die die nicht im Elternhaus vollzogene Erziehung<br />
nachholen sollen, plädieren für die Ganztagsschule, um so wenigstens zwischen dem<br />
Lernstoff Zeit für Gespräche zu haben.<br />
Nachdenken über Erfurt heißt auch Nachdenken über die bundesdeutsche Gesellschaft zu<br />
Beginn des 21. Jahrhunderts. Doch mit einigen Gesetzesänderungen und lauten Rufen nach<br />
einem Wertewandel ist es nicht getan. Wer ein zweites Erfurt verhindern will, sollte<br />
erstens davor zurückschrecken, die sozialen Auffangbecken für Kinder und Jugendliche<br />
weiter zu reduzieren - denn das hieße, ihnen die oft einzigen Ansprechpartner zu nehmen.<br />
Zweitens sollten wir alle wieder mehr miteinander reden - Lehrer mit Schülern, Lehrer mit<br />
Eltern und Eltern mit Kindern.<br />
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8.2. Internetlinks – Projekte und Beratungsstellen<br />
Projekt „Die Weiße Feder – Gemeinsam für Fairness und gegen Gewalt“ des<br />
BMUKK: http://www.gemeinsam-gegen-gewalt.at<br />
Projekt „fairplayer – Gegen Gewalt an Schulen und für soziale Kompetenz“:<br />
http://www.fairplayer.de<br />
Projekt MACHT|SCHULE|THEATER: http://www.machtschuletheater.at<br />
Projekt NETWASS – Networks Against School Shootings der Freien Universität Berlin:<br />
http://www.ewi-psy.fu-berlin.de/v/netwass<br />
Projekt „Faire Schule“ des bm:ukk: www.fairnessaward.at<br />
Schulpsychologische Bildungsberatung:<br />
www.schulpsychologie.at<br />
Opfer- und Täterhilfe: www.neustart.at<br />
Männerberatung: www.maenner.at<br />
Rat auf Draht (Telefonhilfe für Kinder und Jugendliche): Tel.: 147,<br />
http://www.rataufdraht.at<br />
9. KONTAKT<br />
werk89 - Theater- und Kunstverein<br />
Custozzagasse 6/7<br />
1030-<strong>Wien</strong><br />
werk89@gmail.com<br />
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