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Frank Braßel - Oxfam

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Rede auf der Allianz-Hauptversammlung, München, 7. Mai 2013<br />

<strong>Frank</strong> Braßel, <strong>Oxfam</strong> Deutschland e.V.<br />

- Es gilt das gesprochene Wort. -<br />

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre der Allianz, sehr geehrte Mitglieder<br />

des Vorstandes und des Aufsichtsrates,<br />

mein Name ist <strong>Frank</strong> Braßel, und ich spreche zu Ihnen im Namen der<br />

internationalen Entwicklungsorganisation <strong>Oxfam</strong>. Vor einem Jahr habe ich<br />

hier gesprochen, und zwar zum gleichen Thema: der führenden Beteiligung<br />

der Allianz an der Spekulation mit Nahrungsmitteln. Dieses Geschäft fördert<br />

das Hungerrisiko.<br />

Ich hatte im vergangenen Jahr nicht erwartet, erneut hier auftreten zu<br />

müssen. Ich hatte auf mehr Einsicht des Allianz-Vorstandes in die<br />

notwendige Risikovorsorge für arme Menschen in Entwicklungsländern<br />

gehofft. Heute möchte ich einige Fragen an den Allianz-Vorstand stellen,<br />

nicht nur aus der Sicht von <strong>Oxfam</strong>, sondern aus der Sicht wichtiger<br />

Vertreterinnen und Vertreter unserer Gesellschaft.<br />

„Die Absicherung gegen die Folgen schlechter Ernten gehört seit eh und je<br />

zur Landwirtschaft. Aber wann ist die Grenze zur Spekulation auf Kosten<br />

Hungernder überschritten?“ fragte Bundespräsident Gauck auf dem 50.<br />

Geburtstag der Welthungerhilfe. „Heute treibt überschüssige Liquidität an<br />

den globalen Märkten die Renditejagd selbst an den Märkten für<br />

Lebensmittel in immer gefährlicheres Terrain. Wenn dann schwankende<br />

Preise armen Menschen sprichwörtlich die Mittel zum Leben abschöpfen, ist<br />

Handeln nicht nur aus ethischer, sondern aus politischer und sozialer<br />

Notwendigkeit dringend geboten. … Ich finde es darum gut, wenn deutsche<br />

Banken Verantwortungsbewusstsein zeigen und entsprechend ausgelegte<br />

Fonds prüfen und hoffentlich zurückziehen.“<br />

Eine Reihe europäischer Banken hat dieses Verantwortungsbewusstsein<br />

gezeigt, die Allianz nicht. Dazu meine erste Frage: Können Sie, Herr<br />

Diekmann oder Herr Ralph, uns erklären, warum andere Geldinstitute diesen<br />

Schritt gemacht haben, die Allianz aber nicht? Welche Rolle spielen dabei<br />

die Erwartungen ihrer Investment-Kunden und die Einnahmen von<br />

mindestens 62 Millionen Euro allein aus der Verwaltung der entsprechenden<br />

Fonds?<br />

Die Deutsche Bank – hinter der Allianz die Nummer 2 im Geschäft mit dem<br />

Hunger – hat ausgerechnet auf der Grünen Woche klar gemacht, dass sie<br />

ihre vorherige Zusage, ihre Fonds wissenschaftlich prüfen und breit<br />

diskutieren zu lassen, nicht einhalten, sondern weiterhin auf Wetten mit<br />

Preisen von Nahrungsmitteln setzen wolle.


„Die Deutsche Bank hat die Zeichen der Zeit offenbar nicht erkannt“, sagte<br />

Landwirtschaftsministerin Aigner von der CSU. „Ich erwarte, dass ein klarer<br />

Trennstrich gezogen wird zwischen verantwortungsvollen Investitionen, die<br />

hilfreich sind im Kampf gegen den Hunger, und Transaktionen, die<br />

Preisschwankungen weltweit verstärken können. Wer angesichts von fast<br />

900 Millionen hungernden Menschen auf der Welt hier keinen Unterschied<br />

macht, lässt jegliches Gespür vermissen und handelt verantwortungslos“,<br />

sagte Aigner. „Reis und Weizen gehören nicht ins Casino. Mit der<br />

Existenzgrundlage von Milliarden Menschen spekuliert man nicht!“ ergänzte<br />

sie gestern prägnant in einem Interview mit dem Tagesspiegel.<br />

Meine zweite Frage an den Allianz-Vorstand: Warum haben Sie ganz<br />

bewusst und öffentlich die aggressive Politik der Deutschen Bank unterstützt,<br />

zu deren Ruf ein solches Zocker-Image passen mag?<br />

Wo die Selbstregulierung nicht funktioniert, muss der Staat einwirken. So<br />

sieht das auch Bundeskanzlerin Merkel: „Wir haben den Bürgerinnen und<br />

Bürgern versprochen – das dürfen wir nicht vergessen –, dass jeder<br />

Finanzplatz, jeder Finanzmarktakteur und jedes Finanzmarktprodukt einer<br />

Regulierung unterzogen werden soll. Davon sind wir weltweit noch weit<br />

entfernt.“<br />

Auf EU-Ebene ebenso wie in den USA gibt es Bemühungen, gegen die<br />

exzessive Spekulation vorzugehen. Es sind die Fakten, die zeigen, dass mit<br />

dem massiven Eintritt der großen Spekulationsfonds in den<br />

Nahrungsmittelsektor - wie die der Allianz-Tochter PIMCO – in den<br />

vergangenen zehn Jahren die Volatilität, die Verletzlichkeit der Preise und<br />

damit die Verletzlichkeit der armen Menschen enorm zugenommen haben.<br />

Viele Organisationen kleiner Produzenten, aber auch viele Verarbeiter, die<br />

sich an den Getreidebörsen versorgen, wie der Nudelhersteller Barilla oder<br />

die Bäckereikette Kamps haben auf die Verantwortung des Finanzsektors für<br />

das Preiskarussell hingewiesen.<br />

Schauen wir uns ein letztes Zitat an: „Nahrungsmittelpreise werden … von<br />

verschiedenen … Faktoren … beeinflusst, einschließlich schlechter<br />

Wetterverhältnisse, hoher Ölpreise…, makroökonomischen Entwicklungen<br />

sowie Spekulationsgeschäften der Finanzindustrie.“ Kein Zitat aus einer<br />

<strong>Oxfam</strong>-Studie, sondern aus einem Schreiben der EU-Kommission vom April.<br />

Die Kommission will sich damit aus ihrer Verantwortung für die verfehlte<br />

Biospritpolitik für den Hungerskandal rausreden, Die Allianz wiederum<br />

erwähnt gerne den Biosprit, aber nicht die Spekulation. So stellen sich die<br />

politisch und wirtschaftlich Mächtigen ihrer jeweiligen Verantwortung nicht –<br />

und ein Wandel im Interesse der Ärmsten der Armen wird erschwert.<br />

Von daher meine dritte und letzte Frage: Ist es der Allianz als Weltkonzern<br />

nicht peinlich, mit dem Makel des Hungertreibers verbunden zu sein, zumal<br />

ihre fortgesetzte Spekulation ihre eigenen Programme zur<br />

Ernährungssicherheit konterkariert?<br />

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und empfehle die Nicht-Entlastung<br />

des Vorstandes.

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