Er kann Geschäftsleuten Millionen aus der Tasche ... - felixhutt.com
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<strong>Er</strong> <strong>kann</strong> <strong>Geschäftsleuten</strong> <strong>Millionen</strong> <strong>aus</strong> <strong>der</strong> <strong>Tasche</strong><br />
zaubern. Und mit Firmen jonglieren, die es gar<br />
nicht gibt. <strong>Er</strong> überlebte Riesenpleiten und kürzlich<br />
sogar einen Flugzeugabsturz. Jetzt ist LaRs<br />
WindhoRsT wie<strong>der</strong> da. Wer weint, wer lacht?<br />
nEUEs voM<br />
TRixxER<br />
Text Sonja Banze und Felix hutt<br />
als es mal wie<strong>der</strong> eng wird in seinem<br />
Leben, ist Lars Windhorst nicht dabei:<br />
Es ist <strong>der</strong> 22. März 2004, es ist zehn Uhr<br />
morgens, zwei Polizisten stehen mit<br />
einem Durchsuchungsbefehl vor seiner<br />
Wohnung im Grunewald in Berlin. Eine<br />
friedliche, wohlhabende Gegend, mit<br />
großzügigen Villen auf <strong>aus</strong>gedehnten Grundstücken, Straßen<br />
mit alten Bäumen, in <strong>der</strong>en Ästen sich das Licht <strong>der</strong> Frühlingssonne<br />
bricht. Eine Gegend, wo tagsüber schöne junge Mütter<br />
mit Kind und Hund spazieren gehen o<strong>der</strong> im Geländewagen<br />
einkaufen fahren. Das H<strong>aus</strong> ist ein weißer Villenneubau,<br />
bodentiefe Fenster, graue Fensterläden, auf den Terrassen ordentlich<br />
geschnittene Buchsbaumkugeln in Terracottatöpfen, Überwachungskamera.<br />
Kein Name auf dem Klingelschild.<br />
Lars Windhorst bewohnt die ganze erste Etage, „alles<br />
äußerst gepflegt“, notieren die Beamten. Die H<strong>aus</strong>hälterin ist<br />
da, eine ältere Dame, ruft man sie heute an, sagt sie, sie arbeite<br />
da nicht mehr und wolle „mit dem ganzen Pack“ nichts mehr<br />
zu tun haben. Und eine Svetlana T. ist da, acht Jahre älter als<br />
Windhorst, geboren in Tscheljabinsk, einer Stadt irgendwo am<br />
Ural, gemeldet in Moskau. „Windhorsts Freundin“, schreiben<br />
die Beamten in ihren Durchsuchungsbericht und: „Frau T.<br />
spricht kein Deutsch und zog die Unterhaltung durch CNN<br />
einer Teilnahme an <strong>der</strong> Durchsuchung vor.“ Den Fernseher<br />
hat <strong>der</strong> Gerichtsvollzieher stehen lassen, <strong>der</strong> ein paar Monate<br />
vorher da war. Eineinhalb Stunden durchwühlen die Polizisten<br />
die Wohnung, sie finden einen einzigen Aktenordner und im<br />
Keller schließlich einen Karton mit Papieren, die auf Konten<br />
hinweisen. Die Reste des Windhorst-Imperiums.<br />
Lars Windhorst war damals gerade 27 und hatte schon<br />
zwei Leben hinter sich. Leben Nummer eins: das Wun<strong>der</strong>kind<br />
<strong>der</strong> deutschen Wirtschaft, <strong>der</strong> „Solche Leute braucht das<br />
Land“-Junge von Helmut Kohl. Leben Nummer zwei: <strong>der</strong><br />
New-Economy-Unternehmer, <strong>der</strong> am Ende eine spektakuläre<br />
80-<strong>Millionen</strong>-Euro-Pleite hinlegte. Jetzt ist er 31, jetzt lebt<br />
er Leben Nummer drei. Für einen schwerreichen Londoner<br />
Foto: hasskarl/images.de
Investor steigt er in Deutschland groß bei Unternehmen ein,<br />
zuletzt bei Air Berlin. Lars Windhorst ist einer, <strong>der</strong> überlebt.<br />
Die schlechte Presse, die Schulden, die Gerichtsprozesse. Und<br />
den Absturz seiner Challenger in Kasachstan am zweiten<br />
Weihnachtstag. Es ist nicht zu fassen: Wenn man an einem<br />
Donnerstag Ende Januar 2008 Lars Windhorst auf seinem<br />
Handy anruft, ist alles wie immer. Man hat eine Allison an <strong>der</strong><br />
Strippe, die einem erzählt, dass er gerade in einem Meeting<br />
sei, und man möge doch bitte eine Mail schicken. Nach wie<br />
vor wohnt er in <strong>der</strong> Wohnung im Grunewald. Überall in Berlin<br />
sieht man ihn, da, wo man sich halt so trifft, meist zusammen<br />
mit ein paar an<strong>der</strong>en, die <strong>aus</strong>sehen wie Geschäftsleute. Und<br />
seine Kreditkarten werden auch wie<strong>der</strong> genommen.<br />
neulich im Borchardt, neulich im Adlon,<br />
neulich im Grill Royal, neulich im China<br />
Club. Immer steht er da, sehr gerade und<br />
größer, als man ihn sich nach den Fotos<br />
vorstellt, aber gen<strong>aus</strong>o schmalbrüstig.<br />
Immer ist er sehr korrekt gekleidet, immer ist <strong>der</strong> oberste Knopf<br />
des Anzugs geschlossen, immer Krawatte, die Haare immer<br />
ganz exakt. <strong>Er</strong> hat nicht mehr diese P<strong>aus</strong>bäckchen, er spricht<br />
nicht mehr ganz so haspelig wie früher, aber je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> über<br />
ihn spricht, sagt dann doch irgendwann das Wort „Milchbubi“.<br />
Nie sieht man ihn laut lachen, allenfalls mal lächeln.<br />
Mit <strong>der</strong> Öffentlichkeit will Lars Windhorst nichts mehr<br />
zu tun haben; er gibt <strong>der</strong>zeit keine Interviews, auf die Anfrage<br />
kommt nur <strong>der</strong> dürre Satz zurück: „Lei<strong>der</strong> <strong>kann</strong> er Ihnen nicht<br />
zur Verfügung stehen, da es nach wie vor Firmenpolitik ist,<br />
sich nicht in <strong>der</strong> Öffentlichkeit zur Anlagestrategie und zum<br />
Beteiligungsportfolio sowie zu privaten Fragen über die Geschäftsführer<br />
zu äußern.“ Man hoffe auf Verständnis. Und von<br />
seinem Chef in London hört man, man habe kein Interesse an<br />
Geschichten nach dem Motto „Das Wun<strong>der</strong>kind, das Probleme<br />
hatte und jetzt wie<strong>der</strong> da ist“. Denn so einfach ist das nicht.<br />
Es gibt Banker, die nicht mit ihm reden, geschweige denn mit<br />
ihm gesehen werden, die nicht mal in seinem Adressbuch landen<br />
wollen. „Der würde bei keinem in <strong>der</strong> etablierten Geschäftswelt<br />
einen Termin kriegen, <strong>der</strong> Ruf ist miserabel“, sagt<br />
einer. Viele, die ihn früher großgemacht haben, wollen heute<br />
lieber nicht mehr genannt werden, sie alle stehen ein bisschen<br />
blamiert da. Und noch immer laufen die <strong>Er</strong>mittlungen <strong>der</strong><br />
Staatsanwälte gegen ihn wegen Betrugs. Eine Zeitbombe.<br />
Rahden, ein Kaff im Weserbergland, eine Stunde Autofahrt<br />
südlich von Hannover. Ein paar Bauernhöfe, ein paar<br />
bescheidene Einfamilienhäuser, ein paar T<strong>aus</strong>end Einwohner,<br />
rundherum Wiesen und Fel<strong>der</strong>, solide, Provinz. Lars Windhorst<br />
ist hier aufgewachsen. <strong>Er</strong> hat hier einen Vater, <strong>der</strong> Radiergummis<br />
verkauft, eine Mutter, die Kuchen backt. Am Ortsrand<br />
ein klotziges Gebäude mit Glasfassade: das Windhorst Center.<br />
600 Leute hätten hier arbeiten sollen. Heute steht <strong>der</strong> Bau leer,<br />
ein Monument des Scheiterns.<br />
„Wirtschaftswun<strong>der</strong>kind? Hahaha!“, Wilhelm Windhorst<br />
<strong>kann</strong> nur lachen, abfällig, als man ihn fragt, ob er stolz auf<br />
seinen Sohn sei. Der Mann steht da in seinem Laden, zwischen<br />
Schulheften, Leitz-Ordnern und Buntstiften, schlank, graue<br />
Haare, ordentlich rasiert, leise, zurückhaltend, einer, <strong>der</strong> seine<br />
Ruhe haben will. Über seinen Sohn will er nicht sprechen:<br />
„Wir haben keinen Kontakt“, sagt er. „<strong>Er</strong> ist erwachsen, er<br />
muss wissen, was er tut.“ Dann for<strong>der</strong>t er einen auf zu gehen.<br />
Ursula Windhorst ist zu H<strong>aus</strong>e, sie war Lehrerin, jetzt ist sie<br />
pensioniert. Eine kleine Frau mit kurzen dunklen Haaren und<br />
Birkenstocks, die sehr lieb wirkt, und man spürt, wie sie an<br />
ihrem Sohn hängt. Aber: Der Lars habe <strong>aus</strong>drücklich den<br />
Wunsch, dass die Eltern nichts öffentlich sagen, auch sie wolle<br />
sich nicht mehr äußern. Wie es ihm geht? „Fragen Sie ihn<br />
doch selbst, ich sage nichts mehr“, sagt sie. Die Familie wohnt<br />
ein bisschen außerhalb, in einem von diesen weiß verputzten,<br />
spitzgiebeligen Häusern, hohe Buchenhecke, Jägerzaun. In <strong>der</strong><br />
Garage steht ein blauer VW Polo. Lars Windhorst war Weihnachten<br />
hier.<br />
Es gab eine Zeit, da nahm <strong>der</strong> Vater stolz für seinen gerade<br />
16 Jahre alten Sohn 100 000 Mark Kredit als Startkapital auf, und<br />
die Mutter machte sich liebevoll Gedanken, er solle nicht so viel<br />
Pizza essen und mehr Sport treiben, und gab ihm jeden Morgen<br />
eine Banane mit ins Büro. Und das stand dann in den Zeitungen<br />
und Magazinen <strong>der</strong> Republik. Lars Windhorst, <strong>der</strong> Junge, <strong>der</strong><br />
mit 14 schon elektronische Bauteile <strong>aus</strong> China einführte, <strong>der</strong> die<br />
Schule abbrach, um Computer zusammenzubauen. Einer, <strong>der</strong><br />
mit nichts anfing und antrat, einen globalen Konzern aufzuziehen,<br />
„besessen von <strong>der</strong> Idee“, wie viele sagen, „eine große Firma<br />
zu haben“. Sein Büro in einem Container, vor <strong>der</strong> Tür dann bald<br />
Mit 17 wirbt Windhorst Manager<br />
von etablierten Unternehmen ab<br />
den 500er Mercedes mit Rudi, dem Fahrer. An <strong>der</strong> Wand eine<br />
Übersicht über 21 Firmen, alle von ihm gegründet, Rahden,<br />
Hongkong, London, Lissabon, Frankreich, Vietnam.<br />
Man erzählt sich in Rahden noch heute diese Geschichten.<br />
Wie Windhorst sich nach Düsseldorf fahren und seinen Kofferraum<br />
mit Festplatten vollladen ließ, die er dann mit 200 000<br />
Mark in bar bezahlte. Wie er einmal, als er fast zu spät zum<br />
ZDF nach Mainz gekommen wäre, seinen Fahrer auf <strong>der</strong> Autobahn<br />
anhalten ließ und einen Helikopter rief. Und wie er immer<br />
zu McDonald’s ging und mit T<strong>aus</strong>endmarkschein zahlte<br />
(er hasste Kleingeld). Wie er mit dem Heli nach Hannover flog,<br />
um Anzüge zu kaufen, und man ihm dann im Büro erklären<br />
musste, dass man den Boss-Sticker am Ärmel abmacht. Keine<br />
Freunde, keine Disco, keine Zeit. Die erste Freundin hat Windhorst<br />
mit 18, eine sieben Jahre ältere Hongkong-Chinesin. Mit<br />
17 wirbt er Manager von etablierten Unternehmen ab.<br />
Jemand bringt ihn mit Helmut Kohl zusammen. Im November<br />
1995 nimmt <strong>der</strong> Kanzler den Jungen mit auf seine<br />
Reise nach Asien, und es entsteht dann auf dem Mekong dieses<br />
Foto: Windhorst im vertrauten Gespräch mit einem sichtlich<br />
angetanen Kohl, beide in hellem Hemd und dunkler Hose.<br />
Noch heute hat je<strong>der</strong> das Bild vor Augen. 45 Teilnehmer, die<br />
meisten davon Dax-Vorstände, die Pierers und die Wössners,<br />
dazwischen Windhorst mit Samsonite-Aktenköfferchen und<br />
goldenen Manschettenknöpfen. „Die reden nicht mit mir“,<br />
jammert er, marschiert dann abends auf eine Runde von<br />
Fotos: jan riephoFF, guido harrari/laiF plus;<br />
text<strong>aus</strong>zug: oberlandesgericht koblenz, 9.11.2007<br />
Für UlRicH MaRseille, Besitzer einer <strong>der</strong> größten Klinik-<br />
ketten Deutschlands, geht’s um zehn <strong>Millionen</strong> Euro: „Herr Windhorst<br />
ist ein lupenreiner Betrüger. Schreiben Sie das ruhig“<br />
Auch dem südafrikanischen Investmentbanker RobeRt<br />
HeRsov schuldet Windhorst ein paar <strong>Millionen</strong>. Die soll er nun<br />
abarbeiten. Wie? Bei diesem Blick ist einiges möglich<br />
Bossen los und sagt: „Sie mögen mich nicht, stimmt’s? Ich bin<br />
Ihnen zu jung.“ Damit war er drin.<br />
Windhorst wird auf die Führungskräftetagungen <strong>der</strong><br />
Konzerne eingeladen. Als er beim DIHT in Bonn einen Vortrag<br />
hält, ist es proppevoll, und die Leute staunen, als <strong>der</strong> Junge<br />
am Pult ihnen erzählt, wie er nachts das Geld <strong>aus</strong> all seinen<br />
Firmen nach London transferiert und morgens wie<strong>der</strong> in<br />
seinem Weltimperium verteilt. Das ist absoluter Unsinn, aber<br />
das merkt keiner. Der Junge hat sich das Gehabe <strong>der</strong> Manager<br />
abgeguckt. <strong>Er</strong> beherrscht das Businessdeutsch, schnell eignet er<br />
sich über alle möglichen Bücher ein perfektes Englisch an und<br />
auch ein ganz passables Chinesisch. <strong>Er</strong> hat die Platin-Amex, ist<br />
VIP bei Cathay Pacific, und statt <strong>der</strong> Boss-Anzüge gibt es dann<br />
irgendwann Maßanzüge (erst <strong>aus</strong> Hongkong, weil billiger). <strong>Er</strong><br />
ist formvollendet bei offiziellen Anlässen, er hat immer gründlich<br />
die Wirtschaftspresse gelesen und <strong>kann</strong> mitreden.<br />
Sich selbst überschlagend redet er. Davon, wen er nicht<br />
alles kennt, zu wem er nicht alles Beziehungen hat, was er<br />
nicht alles für Geschäfte macht und was er nicht alles noch<br />
vorhat. Im H<strong>aus</strong> <strong>der</strong> deutschen Geschichte präsentiert er den<br />
Windhorst Tower, den er in Vietnam bauen will, 55 Stockwerke,<br />
224 Meter hoch, 65 000 Quadratmeter Bürofläche. Am<br />
Ende bleibt’s beim Bauzaun, auf dem Windhorst steht, aber<br />
das merkt niemand so richtig. „Ein absolutes Ausnahmetalent.<br />
Der redet sein Gegenüber glücklich. In dem Zustand ist man<br />
dann absolut begeistert, aber vergisst auch zu hinterfragen,<br />
ob das alles so stimmt“, sagt Ulrich Arlt, Anwalt einer <strong>der</strong><br />
Windhorst-Gläubiger. Aber Lars Windhorst ist wohl, das glauben<br />
noch heute die meisten, selbst völlig von dem überzeugt,<br />
was er da verkündet. Und alle geben sie ihm Geld, Siemens,<br />
die Deutsche Bank, Sal. Oppenheim und vor allem viele, viele<br />
vermögende Unternehmer, Jack White, ein paar Hollän<strong>der</strong>,<br />
Marokkaner, Araber, Amerikaner, die wohl, man <strong>kann</strong> es nicht<br />
an<strong>der</strong>s sagen, einen Narren an dem Jungen gefressen haben.<br />
Daran än<strong>der</strong>n auch die kritischen Zeitungsberichte<br />
nichts, die bald kommen. „Vergesst es, das ist alles Unsinn!“,<br />
sagt Windhorst seinen Leuten nur. Und immer wie<strong>der</strong> sein<br />
„Wir bauen das gemeinsam auf. Wir werden zigfache Millionäre“.<br />
Kündigt einer, weil er das alles nicht mehr glaubt, sagt<br />
Windhorst kaum Tschüs. „Kein Gefühl für Realitäten, keine<br />
Angst, keine Selbstzweifel. Der schüttelt sich, dann ist das<br />
Thema erledigt“, sagt ein ehemaliger enger Mitarbeiter. „Blitzschnell“<br />
habe Windhorst sich auf Situationen einstellen und<br />
Alternativen entwickeln können.<br />
es wird dann doch zwischendurch mal<br />
zwei Jahre still um ihn, es läuft nicht so<br />
gut, aber Ende 1998 ist er wie<strong>der</strong> da, will<br />
jetzt auch beim Internetboom mitverdienen.<br />
Seine Firma nennt er nun „AG“ und<br />
redet von Börsengang, den Florian Homm betreut, ein inzwischen<br />
selbst unter zweifelhaften Umständen abgetauchter<br />
Investmentbanker. Es waren wirklich alle dabei. Was kaum<br />
jemand weiß: Schon im August 2000 gibt es ein Gutachten, nach<br />
dem Windhorsts Firma Verlust macht und wenig Aussichten<br />
auf Gewinn hat. Das hin<strong>der</strong>t ihn nicht daran, sein Büro auf<br />
1600 Quadratmetern mit Dachterrasse am Potsdamer Platz 1<br />
einzumieten und zu eröffnen mit rotem Teppich und Fackeln<br />
und ganz Berlin, das sich vor <strong>der</strong> Fahrstuhltür versammelt,<br />
weil irgendwann das Gerücht umgeht, dass Michael Douglas<br />
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kommt. Der dann tatsächlich später da steht neben „Lars, my<br />
friend“. Auch er wird sein Geld nicht wie<strong>der</strong>kriegen. Windhorst<br />
sitzt fortan in einem Büro <strong>der</strong> Größe Bankchef. <strong>Er</strong> <strong>kann</strong> kaum<br />
noch die Gehälter zahlen, da jettet er auf <strong>der</strong> Suche nach dem<br />
rettenden Geschäft durch die Gegend, Kongo, Brunei, Burma,<br />
Hongkong. <strong>Er</strong> hat einen Butler, zwei Fahrer rund um die Uhr<br />
und legt Wert auf abgedunkelte Scheiben. Sein Lebensstil ist<br />
„teuer, neureich, aber stillos“, wie ein ehemaliger enger Mitarbeiter<br />
erzählt. Nie habe er unbedingt das bestellt, was ihm<br />
schmeckte, son<strong>der</strong>n eher das Teuerste auf <strong>der</strong> Karte. Auf Rat<br />
hört er nicht, weiß alles besser. „Wäre Windhorst bei seinem<br />
eigentlichen Geschäft geblieben, Computerzubehör <strong>aus</strong> Asien<br />
zu importieren und in Rahden umbauen zu lassen“, sagt <strong>der</strong><br />
Mitarbeiter, „dann wäre er heute ein gut verdienen<strong>der</strong> Mittelständler.<br />
Aber das war ihm alles nicht genug.“ Kurze Zeit<br />
später ist Schluss: Von Börsengang ist keine Rede mehr,<br />
Kredite <strong>kann</strong> er nicht mehr bedienen, Ende Mai 2003 legt er<br />
einen Offenbarungseid ab, Windhorst ist pleite. <strong>Er</strong> ist 26. Seine<br />
Karriere ist zu Ende. Könnte man meinen.<br />
Wer Windhorst dann bei den Gläubigerverhandlungen<br />
erlebt, wun<strong>der</strong>t sich,<br />
wie gleichgültig <strong>der</strong> junge Mann ist,<br />
„als ob ihn das alles gar nichts angeht“.<br />
<strong>Er</strong> sagt wenig, lässt seine Anwälte<br />
reden. Heute weiß man: <strong>Er</strong> wird glimpflich davonkommen.<br />
1,6 <strong>Millionen</strong> Euro zahlt er für die rund 80 <strong>Millionen</strong><br />
Euro Schulden, dann ist er schuldenfrei. „Krass“, findet selbst<br />
<strong>der</strong> Insolvenzverwalter. Heute weiß man: <strong>Er</strong> musste sich keine<br />
Sorgen machen, er hatte längst wie<strong>der</strong> eine neue Geldquelle:<br />
Robert Hersov, 47, gut <strong>aus</strong>sehen<strong>der</strong>, smarter Millionär <strong>aus</strong><br />
London, <strong>der</strong> das Bergbau-Vermögen seines Südafrika-Clans<br />
als Investmentbanker und mit Businessfliegern vermehrt hat.<br />
Auch ihm schuldet Windhorst ein paar <strong>Millionen</strong>. In den Fragebögen<br />
des Gerichtsvollziehers trägt er schon bald unter „Beruf“<br />
ein: Geschäftsführer, 5500 Euro Gehalt im Monat.<br />
Warum Hersov Windhorst einstellt als Deutschland-<br />
Statthalter seiner Beteiligungsfirma Vatas, dazu hat je<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />
Branche so seine Meinung: Der soll da seine Schulden abarbeiten,<br />
wenn irgendwas schieflaufe, sei Windhorst <strong>der</strong> ideale<br />
Sündenbock – am pl<strong>aus</strong>ibelsten ist wohl, dass einer wie Windhorst<br />
bei jedem Deal die nötige PR bringt, damit Fantasie<br />
erzeugt und Kurse treibt. Und ein bisschen was <strong>kann</strong> er wohl<br />
auch. <strong>Er</strong> gilt immer noch als guter Netzwerker, und im Ausland,<br />
vor allem in Asien, hat er nach wie vor einen guten Ruf.<br />
Die Investments, die Windhorst bislang abgewickelt hat, sind<br />
meist recht nahe liegend, sind immer riskant, laufen nicht<br />
immer ganz glatt und sind auch nicht immer ganz so lukrativ,<br />
wie es bisweilen klingt. Ob Windhorst selbstständig handelt<br />
o<strong>der</strong> einfach nur <strong>aus</strong>führt, was Hersov will, man weiß es nicht.<br />
„Vatas ist nicht Windhorst. Die Maschinerie läuft auch ohne<br />
ihn“, sagt einer <strong>aus</strong> dem Umfeld <strong>der</strong> Firma. Aber wer Windhorst<br />
reden hört, gewinnt den Eindruck: alles seins. „Hast du<br />
das gesehen? Guck mal, was wir gekauft haben. Das war ich“,<br />
hört, wer ihn nach einem Deal trifft. Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> mit ihm heute<br />
zu tun hat, sagt die Worte Eitelkeit und Großmannssucht; er<br />
halte sich für den Größten, und immer, schon beim Frühstück,<br />
würden Hun<strong>der</strong>te von <strong>Millionen</strong>, ja, Milliarden bewegt.<br />
Windhorst residiert jetzt wie<strong>der</strong> hoch oben, im 16. Stock<br />
an <strong>der</strong> Friedrichstraße in Berlin. Zwar im falschen Teil, da, wo<br />
1<br />
2<br />
4<br />
6<br />
WindHoRst oben: [1] Mit Kanzler Kohl auf Asienreise, [2] mit<br />
Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer, [3] mit Hannelore Kohl, [4]<br />
mit Verlegerin Friede Springer, [5] mit Ferfried Prinz von Hohenzollern,<br />
[6] mit Michael Douglas, [7] mit Königin Silvia von Schweden.<br />
WindHoRst Unten: Am 2. Weihnachtstag 2007 stürzte Lars Windhorst<br />
in Kasachstan ab. Kurz danach stieg er bei Air Berlin ein<br />
3<br />
5<br />
7<br />
Fotos: ullsteinbild, action press (2), dpa/picture-alliance,<br />
eventpress herrmann, seeger press, reuters<br />
sich auch Berlitz, Al Jazeera o<strong>der</strong> Opel die Miete leisten können,<br />
und in einem Gebäude, das mit seiner bronzefarben verspiegelten<br />
Fassade ein bisschen wie alter Ostblock wirkt. Aber<br />
er muss nur ein paar Minuten gehen, dann ist er im richtigen<br />
Fitnessklub, wo er natürlich Mitglied ist, und im Borchardt,<br />
einem <strong>der</strong> richtigen Restaurants <strong>der</strong> Stadt. In denen traf man<br />
Windhorst auch in den Zeiten, als er noch mit seinen Gläubigern<br />
verhandelte, manchmal mit ein paar Mädchen neben<br />
sich und Dom Pérignon auf dem Tisch. „Mensch, Lars, wie<br />
geht’s dir?“ – „Gut, siehst du doch.“ <strong>Er</strong> hatte immer viel Bargeld<br />
dabei, seine Kreditkarten nahm zwischenzeitlich niemand<br />
mehr. Heute schon. Seine russische Freundin, sehr blond, sehr<br />
dünn, gibt wie<strong>der</strong> sehr an mit ihm („Mein Mann macht <strong>Millionen</strong>“),<br />
im Borchardt lässt er sich wie<strong>der</strong> im Innenbereich<br />
platzieren, da, wo man gesehen wird, und bestellt teuerste<br />
Rotweine. Windhorst soll häufig in Südafrika sein zum Golfspielen,<br />
man erzählt sich, es mag stimmen o<strong>der</strong> nicht, von<br />
2000-Euro-Schuhen und Suiten für 25 000 Euro die Nacht und<br />
dass er meist in luxuriös <strong>aus</strong>gestatteten Privatjets fliege. Auch<br />
am zweiten Weihnachtsfeiertag or<strong>der</strong>t er extra <strong>aus</strong> Frankfurt<br />
eine Maschine nach Hannover, um von dort nach Hongkong<br />
zu fliegen, Geschäfte. Allein <strong>der</strong> Hinflug hätte 60 000 Euro<br />
gekostet. Die Maschine stürzt nach dem Zwischenstopp in<br />
Kasachstan ab, Windhorst wird <strong>aus</strong> dem brennenden Wrack<br />
geschleu<strong>der</strong>t, aber nicht allzu schwer verletzt.<br />
Kammergericht Berlin, Anfang Dezember.<br />
Ein paar Anwälte versammeln sich in Saal<br />
147, 12 Uhr, es wird ein kurzer Termin.<br />
Der Anwalt des Klägers spricht ein paar<br />
Minuten über redliche und unredliche<br />
Schuldner, zitiert ein paar Paragrafen – „Wir meinen, dass wir<br />
Ihnen hier nicht helfen können“, sagt <strong>der</strong> Richter schließlich,<br />
<strong>der</strong> Anwalt zuckt mit den Schultern und antwortet: „So, wie<br />
ich ihn kenne, wird mein Mandant sicher den Prozess weiter<br />
betreiben.“ Windhorsts Anwalt sagt keine zwei Sätze, nach<br />
einer Viertelstunde ist Schluss. Immer wie<strong>der</strong> gibt es auch im<br />
neuen Leben des Lars Windhorst solche Termine vor Gericht.<br />
Der Kläger ist Ulrich Marseille. <strong>Er</strong> ist einer <strong>der</strong> reichen<br />
Männer, die Windhorst Geld geliehen haben, zehn <strong>Millionen</strong><br />
Euro, so viel wie kein an<strong>der</strong>er. Marseille sitzt in seinem holzvertäfelten<br />
Arbeitszimmer in Hamburg. <strong>Er</strong> ist ruhig, freundlich,<br />
fast sanft, ganz ohne Schaum vorm Mund, und lächelt<br />
sogar, während er ein Papier <strong>aus</strong> <strong>der</strong> Akte Windhorst nach dem<br />
an<strong>der</strong>en in die Hand nimmt, Offenbarungseide, eidesstattliche<br />
Versicherungen, Briefe von Banken, laut liest er Passagen vor,<br />
schiebt ein „Das zeigt, was für ein kleiner Ganove das ist“ hinterher,<br />
auch das lächelnd. <strong>Er</strong> nage ja nicht am Hungertuch, aber<br />
einer wie Windhorst passt ihm nicht: Marseille ist 52, vor 20<br />
Jahren hat er angefangen, Altenpflegeheime aufzumachen,<br />
heute hat er eine <strong>der</strong> größten deutschen Klinikketten. „Ich habe<br />
mir alles selbst erarbeitet“, sagt er. Und: „Sie wollen doch so<br />
einen Strolch nicht davonkommen lassen. Ich ziehe das jetzt<br />
durch, und das weiß er auch.“ Und: „Herr Windhorst ist ein<br />
lupenreiner Betrüger. Schreiben Sie das ruhig.“<br />
„Hans-Hermann, ich brauche mal 20 <strong>Millionen</strong> Mark“,<br />
mit diesem Satz stand Lars Windhorst irgendwann Anfang<br />
2001 im Büro von Hans-Hermann Tiedje, einem <strong>der</strong> mächtigsten<br />
PR-Männer <strong>der</strong> Republik. Auch er hat früher für Windhorst<br />
gearbeitet, trifft man ihn heute, wie immer mit angerauchter<br />
Zigarre im Mundwinkel, hat er für Windhorst nur noch Worte<br />
wie „Krimineller“ übrig. <strong>Er</strong> müsse ein paar Sachen erledigen,<br />
„eine Kapitalerhöhung durchziehen“, sagt Windhorst, und<br />
Tiedje bringt ihn mit Marseille zusammen. So ging das damals<br />
zu. Man mag es kaum glauben, aber im März 2001, als viele<br />
Windhorst schon wie<strong>der</strong> skeptisch sahen, leiht Ulrich Marseille<br />
ihm das Geld. Im Gegenzug verspricht <strong>der</strong>, einen Käufer zu<br />
finden für Marseilles 3000 Plattenbauwohnungen in Halle.<br />
Fragt man ihn heute: Wie konnte er nur?, sagt Marseille: „Das<br />
war nicht so klar damals“, und er habe sich zu sehr beeindrucken<br />
lassen von diesem „Gesabbel“, diesem „Namedropping“.<br />
seine russische Freundin gibt<br />
wie<strong>der</strong> mit ihm an: „Mein Mann<br />
macht <strong>Millionen</strong>“<br />
Seine einzige Sicherheit ist ein Schreiben <strong>der</strong> Warburg Bank<br />
(die von Marseille <strong>der</strong>zeit in Luxemburg auf Schadenersatz<br />
verklagt wird), unterschrieben von einem Herrn (den Marseille<br />
auch gerade vor Gericht gezerrt hat), nach dem Windhorst in<br />
Kürze zehn <strong>Millionen</strong> Euro bekommen würde, wie sich später<br />
her<strong>aus</strong>stellte <strong>aus</strong> dem dann lei<strong>der</strong> beschlagnahmten Vermögen<br />
des nigerianischen Diktators Abacha, nicht wirklich eine<br />
sichere Sache. Marseille ist überzeugt, dass <strong>der</strong> Warburg-Mann<br />
mit Windhorst gemeinsame Sache machte, dass Windhorst<br />
damals schon längst wusste, wie pleite er war und dass er das<br />
Geld nicht würde zurückzahlen können.<br />
Ende 2003 erstattet Marseille Anzeige wegen Betrugs.<br />
Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Berlin, Aktenzeichen<br />
5 WI JS 1160/03, die Ordner füllen einen ganzen Raum, ein<br />
Staatsanwalt ist fast nur damit beschäftigt. Ob und wann mit<br />
einer Anklage zu rechnen ist, weiß die Behörde nicht, man sei<br />
mittendrin in <strong>der</strong> Auswertung. „Die Beweise liegen auf dem<br />
Tisch, aber die wollen nicht“, mutmaßt Marseille. „Die haben<br />
Beißhemmungen. O<strong>der</strong> irgendjemand hält seine schützende<br />
Hand darüber.“ Windhorsts Anwalt Michael Naschke geht<br />
dagegen „fest davon <strong>aus</strong>, dass das Verfahren über kurz o<strong>der</strong><br />
lang eingestellt wird. Die Unterlagen entlasten ihn. <strong>Er</strong> hat<br />
nichts zu befürchten“. Marseille und Windhorst sahen sich<br />
zuletzt vor ein paar Monaten im Oberlandesgericht Koblenz,<br />
das den Betrugsvorwurf in Teilen für begründet hält; sie haben<br />
sich nicht einmal gegrüßt. „Der soll mir jetzt einfach mal mein<br />
Geld zurückzahlen“, sagt Marseille, „dann ist gut.“<br />
Das jüngste Gerücht: Lars Windhorst habe einen <strong>der</strong> Top-<br />
PR-Berater engagiert, <strong>der</strong> sein Image aufpolieren solle. Es ist<br />
also nicht <strong>aus</strong>geschlossen, dass bald irgendwo ein Interview<br />
mit ihm erscheint, in dem er Dinge sagt wie „Es tut mir leid,<br />
dass ich viele enttäuscht habe“. O<strong>der</strong>: „Ich habe dazugelernt.“<br />
Es könnte mal wie<strong>der</strong> funktionieren.<br />
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