Weltweit im Einsatz für Menschen in Not - Paritätischer ...
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D20493 E<br />
02 | 2013<br />
<strong>Weltweit</strong> <strong>im</strong> <strong>E<strong>in</strong>satz</strong><br />
für <strong>Menschen</strong><strong>in</strong><strong>Not</strong><br />
Paritätische Mitgliedsorganisationen<br />
der Aktion Deutschland Hilft<br />
Nachrichten |Berichte|Reportagen
Inhalt<br />
Foto:ADH|Trappe<br />
Editorial 4<br />
Thema<br />
4<br />
Foto: Denise Z<strong>im</strong>mermann<br />
<strong>Weltweit</strong> <strong>im</strong> <strong>E<strong>in</strong>satz</strong> für <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> <strong>Not</strong><br />
Paritätische Mitgliedsorganisationen<br />
der Aktion Deutschland Hilft<br />
Helfen mit gebündelter Kraft 4<br />
„Das Bündnis stärkt alle“ 5<br />
„Wer Trümmeraufräumt, räumtauchse<strong>in</strong>e Seeleauf“ 7<br />
Schnelle Hilfe für Katastrophenopfer 8<br />
Wasser ist e<strong>in</strong> <strong>Menschen</strong>recht 10<br />
Statt Waffen e<strong>in</strong> Haus aus Lehm 12<br />
Mohammed kann wieder lachen 14<br />
Handicap International macht<br />
<strong>Menschen</strong> mit Beh<strong>in</strong>derung Mut 16<br />
Schneller <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>, langer Atem 17<br />
Jede Oma zählt 19<br />
Hilfe, die etwas verändert 20<br />
LandsAid: Erfolgreiche Arbeit<br />
braucht gute Vorbereitung 22<br />
Helden für Entwicklung 24<br />
Mit kle<strong>in</strong>en Beträgen Großes bewegen 25<br />
28<br />
Foto: Campact<br />
Verbandsrundschau<br />
Kle<strong>in</strong>e Beträge als große<br />
Unterstützung sozialen Engagements 27<br />
Speicher neuer Sprecher der NAK 27<br />
Wechsel <strong>in</strong>Niedersachsen 27<br />
„Sich von den Problemen der<br />
<strong>Menschen</strong> berühren lassen“ 27<br />
Sozialpolitik<br />
K<strong>in</strong>der haben mehr verdient als das BuT 30<br />
Hartz IV–e<strong>in</strong>e folgenschwere<br />
sozialstaatliche Verirrung 32<br />
Unabhängige Kommission für<br />
künftige Armutsberichte gefordert 32<br />
33<br />
Forum<br />
BündnisUmfairteilen –Reichtumbesteuern!<strong>in</strong>Aktion 33<br />
Memorandum: Besserer Schutz für Flüchtl<strong>in</strong>ge 33<br />
Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen 33<br />
ausgezeichnet 33<br />
hören &sehen 34<br />
Filmtipps |Impressum 35<br />
was·wann ·wo 36<br />
2 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Editorial<br />
Professor Dr.Rolf<br />
Rosenbrock,<br />
Vorsitzenderdes<br />
Paritätischen<br />
Gesamtverbands<br />
LiebeLeser<strong>in</strong>nenund Leser,<br />
Erdbeben <strong>in</strong> Haiti, Flut <strong>in</strong> Pakistan,<br />
Hunger <strong>in</strong> Ostafrika, Flüchtl<strong>in</strong>gsdrama<br />
<strong>im</strong> Sudan –derartige Nachrichten<br />
über das Leid von <strong>Menschen</strong> machen<br />
uns <strong>im</strong>mer wieder betroffen. Bei Natur-<br />
oder humanitären Katastrophen<br />
<strong>im</strong> Auslandleisten auch Mitgliedsorganisationen<br />
des Paritätischen unschätzbare<br />
Hilfe. Ihre Hilfsmaßnahmen reichen<br />
von der Soforthilfe über Maßnahmen<br />
der Rehabilitation bis zum<br />
Wiederaufbau.<br />
Humanitäre Auslandshilfe <strong>im</strong>Paritätischen<br />
ist eng verbunden mit der<br />
„Aktion Deutschland Hilft“, e<strong>in</strong>em<br />
Bündnis von derzeit zehn renommierten<br />
deutschen Hilfsorganisationen, zu<br />
derenGründungsmitgliedernauchder<br />
Gesamtverbanddes Paritätischenzählt.<br />
In denüber100 Projekten unsererMitgliedsorganisationen,die<br />
seit Bestehen<br />
der „Aktion Deutschland Hilft“ gefördert<br />
wurden, zeigt sich e<strong>in</strong> hohes Maß<br />
an Hilfsbereitschaft und Solidarität<br />
mit unverschuldet <strong>in</strong> <strong>Not</strong> geratenen<br />
<strong>Menschen</strong>.Grundlage dieses Handelns<br />
ist der humanitäre Imperativ, der sich<br />
als Recht aller <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> allen<br />
Ländern der Welt beschreiben lässt, <strong>in</strong><br />
<strong>Not</strong>lagen humanitäre Hilfe zuerhalten.<br />
Diese Hilfe ist nur durch die<br />
Unterstützung vieler Spender<strong>in</strong>nen<br />
und Spender möglich. Die <strong>in</strong>diesem<br />
Heft vorgestellten Projekte von paritä-<br />
tischenMitgliedsorganisationen belegen<br />
die große Vielfalt von Hilfsaktivitäten<br />
und e<strong>in</strong> beachtliches Engagement der<br />
Helfer<strong>in</strong>nen und Helfer. Ihnen allen<br />
gebühren Dank und Anerkennung.<br />
Ihre Hilfewäreoftmals ohne dieUnterstützung<br />
aus Mitteln der „Aktion<br />
Deutschland Hilft“ nicht möglich, die<br />
sich nichtnur fürden Paritätischenals<br />
Erfolgsmodell erwiesen hat.<br />
Kennzeichnend für dieses Bündnis<br />
ist, dass sich hier erstmals <strong>in</strong> Deutschland<br />
Hilfsorganisationen zusammengeschlossen<br />
haben, umbei schweren<br />
Katastrophen und Krisen <strong>im</strong>Ausland<br />
geme<strong>in</strong>samunter e<strong>in</strong>erKontonummer<br />
zu Spendenaufzurufen. Um möglichst<br />
wirksame und schnelle Hilfe leisten<br />
zu können, warund ist e<strong>in</strong>e Grundidee<br />
des Bündnisses, die langjährigen Erfahrungen<br />
der Bündnispartner zusammenzuführen<br />
und ihre Hilfe bestmöglich<br />
zu koord<strong>in</strong>ieren. Diese müssen nicht<br />
nur Mitglied <strong>im</strong> Paritätischen se<strong>in</strong>,<br />
sich kont<strong>in</strong>uierlich und professionell<br />
<strong>in</strong> der humanitären Auslandshilfe<br />
engagieren, sondern auch weitere Kriterien<br />
–wie etwa die E<strong>in</strong>haltung von<br />
nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Qualitätsstandards<br />
–erfüllen.<br />
Die Auslandsarbeit unserer Mitgliedsorganisationen<br />
ist aber auch <strong>in</strong> anderen<br />
Gegenden dieser Welt präsent. Zum<br />
Beispiel engagieren sich zahlreiche<br />
Mitgliedsorganisationen <strong>in</strong> der Entwicklungszusammenarbeit<br />
mit unterschiedlichen<br />
regionalen und sektoralen<br />
Schwerpunkten <strong>in</strong> Afrika, Asien<br />
und Late<strong>in</strong>amerika. Außerdem entwickelten<br />
sich <strong>in</strong>sbesondere seit Anfang<br />
der 1990er Jahre viele Projektpartnerschaften<br />
mit sozialen Initiativen und<br />
Organisationen <strong>in</strong> den Ländern Mittelund<br />
Osteuropas. Besondere Bedeutung<br />
kommt hier <strong>im</strong> Paritätischen der<br />
deutsch-polnischen Zusammenarbeit<br />
<strong>im</strong> sozialen Bereich zu.<br />
Bei humanitären Katastrophen ist es<br />
wichtig, schnell und professionell zu<br />
handeln, um Schl<strong>im</strong>meres zuvermeiden.<br />
Gleichzeitig ist die Bereitschaft<br />
vieler <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> Deutschland zu<br />
helfen groß. Der Paritätische und die<br />
Aktion Deutschland Hilft s<strong>in</strong>d dabei<br />
die Plattform, mit der ihre Hilfe vor<br />
Ort ankommt.<br />
Herzlich,<br />
Ihr Rolf Rosenbrock<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
3
Helfen mit gebündelter Kraft<br />
Der Paritätische iste<strong>in</strong>ewichtige Säule der Aktion Deutschland Hilft<br />
Zehn Organisationen der humanitären Auslandshilfe, darunter auch der Paritätische als<br />
Vertreter mehrerer Mitgliedsorganisationen, gründeten 2001 die Aktion Deutschland<br />
Hilft (ADH). Das geme<strong>in</strong>same Ziel des Bündnisses: Mit gebündelter Kraft weltweit den<br />
Opfern von Katastrophen und Krisen schnell und effektiv helfen.<br />
Thema<br />
Seit se<strong>in</strong>er Gründung hat das<br />
Bündnis mehr als 30 Spendenkampagnen<br />
realisiert, bei denen<br />
es <strong>in</strong>sgesamt über 230 Millionen Euro<br />
fürOpfer vonNatur-und humanitären<br />
Katastrophen gesammelt hat.<br />
Mitgliedsorganisationen s<strong>in</strong>d:<br />
action medeor<br />
ADRA Deutschland<br />
Arbeiter-Samariter-Bund<br />
Arbeiterwohlfahrt<br />
CARE Deutschland-Luxemburg<br />
Help –Hilfe zur Selbsthilfe<br />
Johanniter-Unfall-Hilfe<br />
Malteser International<br />
World Vision Deutschland und<br />
Der Paritätische Gesamtverband mit<br />
se<strong>in</strong>en Mitgliedsorganisationen:<br />
archenoVa–Initiativefür <strong>Menschen</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Not</strong><br />
Bundesverband Rettungshunde<br />
Freunde der Erziehungskunst<br />
Rudolf Ste<strong>in</strong>ers –Referat<br />
<strong>Not</strong>fallpädagogik<br />
Hammer Forum –Mediz<strong>in</strong>ische<br />
Hilfe für K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Krisengebieten<br />
Handicap International<br />
HelpAge Deutschland<br />
„Auf das Mite<strong>in</strong>ander von eigentlich<br />
unterschiedlichen Organisationen zu<br />
setzen, war anfangs e<strong>in</strong> ebenso hehrer<br />
wie gewagter Ansatz –heute ist Aktion<br />
Deutschland Hilft aus der humanitären<br />
Hilfe nicht mehr wegzudenken. Die<br />
schnelle geme<strong>in</strong>same <strong>Not</strong>hilfe hat sich<br />
etabliert und hoch bewährt.“<br />
Richardvon Weizsäcker, Schirmherr<br />
der Aktion Deutschland Hilft<br />
K<strong>in</strong>derhilfswerk Global-Care<br />
LandsAid –Vere<strong>in</strong> für<br />
Internationale Humanitäre Hilfe<br />
Solidaritätsdienst-<strong>in</strong>ternational<br />
Terra Tech Förderprojekte<br />
Gastmitglieder von ADH s<strong>in</strong>d:<br />
Islamic Relief Worldwide und<br />
Habitat for Humanity Deutschland<br />
Voraussetzung für die Mitgliedschaft<br />
ist unter anderem, dass die geme<strong>in</strong>nützige<br />
Organisation mit Sitz <strong>in</strong><br />
Deutschland seit mehr als fünf Jahren<br />
kont<strong>in</strong>uierlich <strong>in</strong> der humanitären<br />
Hilfe <strong>im</strong>Ausland tätig ist und die von<br />
derADH festgelegten Grundsätze,<strong>in</strong>sbesondere<br />
die Best<strong>im</strong>mungen zur<br />
Qualitätssicherung, anerkennt.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus muss die Organisation<br />
sich verpflichten, nationale und <strong>in</strong>ternationale<br />
Standards e<strong>in</strong>zuhalten,<br />
wie etwa die M<strong>in</strong>deststandards des<br />
Sphere-Projekts für zentrale Bereiche<br />
der humanitären Hilfe.<br />
Dem Paritätischen Gesamtverband<br />
kommt <strong>in</strong>nerhalbdes Bündnisses e<strong>in</strong>e<br />
besondere Rolle zu. Erist zwar selbst<br />
nichtoperativ<strong>in</strong>der Katastrophenhilfe<br />
tätig, vertritt <strong>in</strong> der ADH jedoch die<br />
Interessen mehrerer kle<strong>in</strong>erer Mitgliedsorganisationen,<br />
die sich <strong>in</strong>der humanitären<br />
Auslandshilfe<br />
engagieren.<br />
Der Verband fördert<br />
dieses Engagement<br />
vor allem durch die<br />
Unterstützung bei<br />
der Umsetzung von<br />
Projekten und den<br />
fachlichen Austausch<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Arbeitskreis<br />
für humanitäre<br />
Hilfe sowie <strong>in</strong> mehreren Arbeitskreisender<br />
Aktion Deutschland Hilft. Zudem<br />
werden die mit ADH-Mitteln f<strong>in</strong>anzierten<br />
Projekte se<strong>in</strong>er Mitgliedsorganisationen<br />
extern geprüft.<br />
Die Aktion Deutschland Hilft hat ihren<br />
Sitz <strong>in</strong>Bonn. Schirmherr ist der<br />
ehemalige Bundespräsident Richard<br />
von Weizsäcker, Vorsitzender des Kuratoriums<br />
der frühere Bundesaußenm<strong>in</strong>ister<br />
Frank-Walter Ste<strong>in</strong>meier.<br />
(www.aktion-deutschland-hilft.de)<br />
Foto:ADH|Lohnes<br />
Uwe Demuth,<br />
Referent für humanitäre Auslandshilfe<br />
be<strong>im</strong> Paritätischen Gesamtverband<br />
Lufthansa Cargoist e<strong>in</strong>ervon mehreren Kooperationspartnern<br />
der Aktion Deutschland Hilft.<br />
4 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
1999: Krieg <strong>im</strong> Kosovo. Tausende <strong>Menschen</strong> sterben,Hunderttausende s<strong>in</strong>d aufder<br />
Flucht. HumanitäreHilfe ist bitternötig.Viele Deutsche spenden.Doch nicht <strong>im</strong>mer<br />
entsprechen die bei den Hilfsorganisationen e<strong>in</strong>gehenden Summen deren tatsächlichen<br />
Hilfskapazitäten, er<strong>in</strong>nert sich Manuela Roßbach, damals<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong> von CARE Deutschland. Das ist der Auslöser<br />
für die Gründung des Bündnisses AktionDeutschland Hilft (ADH).<br />
Die Idee dah<strong>in</strong>ter: Hilfsorganisationen, die sich bislang eher als<br />
Konkurrenten empfunden haben, sammeln <strong>im</strong> Katastrophenfall<br />
geme<strong>in</strong>sam Spenden und teilen diese dann auf –entsprechend<br />
ihren jeweiligen Möglichkeiten, Hilfe zuleisten. Seit zwölf Jahren<br />
beweist die Aktion Deutschland Hilft nun schon: Das Konzept trägt.<br />
ManuelaRoßbach (53)<br />
istseit2005Geschäftsführer<strong>in</strong><br />
vonAktion<br />
Deutschland Hilft.<br />
Zuvor war die Sozialwissenschaftler<strong>in</strong><br />
sechs<br />
JahreGeschäftsführer<strong>in</strong><br />
derzum Bündnis gehörenden<br />
Hilfsorganisation<br />
CARE Deutschland-<br />
Luxemburg.<br />
Foto:Aktion<br />
Deutschland Hilft<br />
„Das Bündnis stärkt alle“<br />
Im Interview: Manuela Roßbach,<br />
Geschäftsführer<strong>in</strong>von Aktion Deutschland Hilft<br />
Frau Roßbach, Sie haben die Aktion<br />
Deutschland Hilft mitgegründet und s<strong>in</strong>d<br />
seit sieben Jahren deren Geschäftsführer<strong>in</strong>.<br />
Welche Katastrophen haben das<br />
Bündnis bisher ammeisten gefordert?<br />
Unsere Feuertaufe hatten wirgleiche<strong>in</strong><br />
Jahr nach derGründung unseresBündnisses<br />
mit der Elbeflut <strong>in</strong> Ostdeutschland<br />
–alsolange vordem verheerenden<br />
Tsunami 2004 <strong>in</strong> Südostasien und der<br />
Dreifach-Katastrophe 2011 <strong>in</strong> Japan, an<br />
dieviele <strong>Menschen</strong> sich sicher noch gut<br />
er<strong>in</strong>nern. Damals, <strong>im</strong> Sommer 2002,<br />
warschnell klar: Auch wenn dieAktion<br />
Deutschland Hilft e<strong>in</strong> Bündnis von Organisationen<br />
mit Schwerpunkt auf der<br />
humanitären Auslandshilfe ist, können<br />
wir ane<strong>in</strong>er Katastrophe <strong>im</strong>eigenen<br />
Land nicht vorbeisehen. Zumal ja auch<br />
mehrereMitgliedsorganisationen <strong>in</strong> der<br />
Lage waren, direkt zu helfen, wie etwa<br />
der Arbeiter-Samariter-Bund, arche<br />
noVa,ADRA und Help.<br />
Wie viel Geld für die Flutopfer g<strong>in</strong>g<br />
damals auf Ihrem Spendenkonto e<strong>in</strong>?<br />
Das waren fast 870.000 Euro. Verglichen<br />
mit dem, was wir <strong>in</strong>zwischen an<br />
Spenden e<strong>in</strong>nehmen, kl<strong>in</strong>gt das vielleicht<br />
nichtnachsehrviel. Aber fürdas<br />
ersteMal waresschon e<strong>in</strong>e beachtliche<br />
Summe, mit der unsere Mitgliedsorganisationen<br />
viele Hilfen für die Flutopfer<br />
f<strong>in</strong>anzieren konnten. Und wir als<br />
ADHkonnten <strong>in</strong> derFolge mitunseren<br />
Dankesschreiben andie Spender auch<br />
um weitere Spenden für künftige<br />
Hilfsaktionen werben. Inzwischen haben<br />
wir e<strong>in</strong>e beachtliche Zahl von<br />
Spendern,die nichtnur beiakutenKrisen,<br />
sondern regelmäßig Spenden<br />
überweisen und sagen: Setzt das Geld<br />
da e<strong>in</strong>, wo ihr esbraucht. Diese ungebundenen<br />
Mittel wachsen jedes Jahr.<br />
Daseröffnet IhnenauchGestaltungsspielräume<br />
über die direkte <strong>Not</strong>hilfe h<strong>in</strong>aus?<br />
Ja. Wir haben 2012 dadurch bereits<br />
zum zweiten Mal unseren Mitgliedsorganisationen<br />
e<strong>in</strong>e Million Euro für<br />
die Katastrophenvorsorge bereitstellen<br />
können –unter anderem für Projekte<br />
<strong>in</strong> Nord<strong>in</strong>dien, Nepal und Vietnam.<br />
Angesichts des Kl<strong>im</strong>awandels wird<br />
diese Vorsorge ja<strong>im</strong>mer wichtiger.<br />
Nach welchenKriterien wird dasSpendenaufkommen<br />
der Aktion Deutschland Hilft<br />
auf die Mitgliedsorganisationen verteilt?<br />
Wir haben e<strong>in</strong>en Verteilungsschlüssel<br />
ausgearbeitet, bei dem wir auf guten<br />
Erfahrungen des Disaster Emergency<br />
Comittees<strong>in</strong>Großbritannien aufgebaut<br />
haben, dasdortschon langeetabliert ist.<br />
Dieser Schlüssel richtet sich nach den<br />
Ausgaben für die <strong>Not</strong>- und Soforthilfe,<br />
diedie e<strong>in</strong>zelnenOrganisationen <strong>in</strong> den<br />
vergangenen Jahren <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />
Ländern getätigt haben. Bei der<br />
Auswahl dieser klassifizierten Länder<br />
legen wir Listen der Europäischen<br />
Kommission, der Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />
und des Auswärtigen Amts zugrunde.<br />
Dadurch haben wir die gleiche Basis<br />
für alle Organisationen.<br />
Undwie läufte<strong>in</strong> konkreter<strong>E<strong>in</strong>satz</strong>fallab?<br />
Sobald wir von e<strong>in</strong>er Katastrophe oder<br />
<strong>Not</strong>situation erfahren, fragen wir unsere<br />
Mitgliedsorganisationen, obsie bei<br />
Hilfse<strong>in</strong>sätzen vor Ort dabei s<strong>in</strong>d und<br />
welche Hilfe sie e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen können.<br />
Wir haben ja e<strong>in</strong>e 24-Stunden-Rufbereitschaft<br />
organisiert. Und natürlich<br />
versorgen wir die Organisationen mit<br />
denuns bereitsvorliegendenInformationen,<br />
gleichen Informationsstände mit<br />
ihnen abund klären, welche Koord<strong>in</strong>ierungsmaßnahmen<br />
erforderlichs<strong>in</strong>d. >><br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
5
Thema<br />
E<strong>in</strong> wichtiges Anliegen von ADH ist ja<br />
auch die Effizienz der Hilfe. Es macht<br />
schließlich ke<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, wenn sich an<br />
e<strong>in</strong>erStelledie Hilfsorganisationen auf<br />
den Füßen stehen und dr<strong>in</strong>gend benötigte<br />
Hilfe an anderen Orten fehlt.<br />
Gleichzeitig starten wir e<strong>in</strong>en Spendenaufruf.<br />
In den ersten zwei Wochen<br />
müssen die uns angeschlossenen<br />
Organisationen zu Spenden auf das<br />
ADH-Konto 102030 aufrufen. Sie können<br />
zwar auch ihr eigenes Konto nennen,<br />
aber das ADH-Konto hat <strong>in</strong> dieser<br />
Zeit absoluten Vorrang. Das ist die<br />
Spielregel. Und die Beteiligten wissen:<br />
Das Bündnis stärkt alle.<br />
Was war die größte Spendensumme, die<br />
Sie bei e<strong>in</strong>er Katastrophe zusammenbekommen<br />
haben?<br />
Daswar 2005.Insgesamt s<strong>in</strong>d 126Millionen<br />
Euro bei uns an Spenden für die<br />
Tsunami-Opfer <strong>in</strong> Südostasien e<strong>in</strong>gegangen.<br />
Davon zwischen Weihnachten<br />
2004 und März<br />
2005 alle<strong>in</strong>e 109<br />
„ADH und<br />
Paritätischer<br />
haben e<strong>in</strong><br />
wichtiges<br />
geme<strong>in</strong>sames<br />
Pr<strong>in</strong>zip:<br />
Wir stehen<br />
für Vielfalt<br />
und Toleranz“<br />
Millionen. Rund<br />
zehn Millionen<br />
s<strong>in</strong>d dann noch<br />
durch die Sat-1-<br />
Gala für ADH<br />
zusammengekommen.<br />
Sehr<br />
gute Ergebnisse<br />
hatten wir auch<br />
2010 mit 41Millionen<br />
und 2011<br />
mit knapp 36<br />
Millionen Euro, von denen 11,9 Millionen<br />
dem Spenderwillen entsprechend<br />
den <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong>Japan zugute kamen.<br />
Weitere 19,3 Millionen Euro waren für<br />
Hilfsprojekte <strong>in</strong>Afrika best<strong>im</strong>mt.<br />
Leider gibt es aber noch e<strong>in</strong>e Vielzahl<br />
vergessener Katastrophen wie beispielsweise<br />
<strong>im</strong> Kongo, <strong>in</strong> Äthiopien,<br />
Eritrea und Somalia, für die kaum<br />
Spenden e<strong>in</strong>gehen. Oft s<strong>in</strong>d die Ursachen<br />
Bürgerkriege oder politische Krisen,<br />
h<strong>in</strong>ter denen die Schicksale der<br />
<strong>Menschen</strong> dann leider eher verschw<strong>in</strong>den.<br />
Bei Erdbeben, Überschwemmungen<br />
oder Hurrikans ist ganz klar: Die<br />
Betroffenen s<strong>in</strong>d unschuldige Opfer.<br />
Aber wenn e<strong>in</strong> Bürgerkrieg oder terroristische<br />
Akte der Grund für die <strong>Not</strong><br />
der<strong>Menschen</strong>s<strong>in</strong>d, dievertriebenwerden<br />
oder aus Angst um ihr Leben fliehen,<br />
gehen viel weniger Spenden e<strong>in</strong>.<br />
Das zeigt sich jetzt auch wieder bei<br />
Syrien und Mali.<br />
Die <strong>Not</strong> dieser <strong>Menschen</strong> würden wir<br />
gernemehr<strong>in</strong>s Bewusstse<strong>in</strong>der Bevölkerung<br />
br<strong>in</strong>gen. Auf unserer Homepage<br />
weisen wir darum auf die vergessenen<br />
Katastrophen h<strong>in</strong> und schildern<br />
das Engagement unserer Mitgliedsorganisationen<br />
vor Ort. Aber umwirklich<br />
öffentliche Aufmerksamkeit zu<br />
erreichen, brauchen wir die Medien.<br />
Dokumentationen und Spendenaufrufe<br />
<strong>im</strong> Fernsehen spielen für Ihre Arbeit e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle. Sie s<strong>in</strong>d seit e<strong>in</strong>igerZeit<strong>im</strong><br />
Gespräch mit der ARD, die bislang aufgrund<br />
e<strong>in</strong>es Kooperationsvertrags mit<br />
dem Bündnis Entwicklung Hilft bei Katastrophen<br />
zwar dessen Kontonummer,<br />
nicht aber die der ADH veröffentlicht<br />
haben. Wie weit s<strong>in</strong>d Sie dagekommen?<br />
Dieser Kooperationsvertrag ist Ende<br />
2011 ausgelaufen. Die ARD hat angekündigt,<br />
dass sie bereit ist, für beide<br />
Bündnisse zu Spenden aufzurufen.<br />
Wir haben nun mit dem Bündnis Entwicklung<br />
Hilft die Voraussetzungen<br />
geschaffen, dass wir künftig gemeisam<br />
zuSpenden aufrufen können, die<br />
dann auch nach e<strong>in</strong>em realistischen<br />
Schlüssel aufgeteilt werden. Unser<br />
Motto ist: E<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaß an Aufwand<br />
und e<strong>in</strong> Max<strong>im</strong>um anEffizienz<br />
zugunsten der hilfebedürftigen <strong>Menschen</strong>.<br />
Wie viele Cent von e<strong>in</strong>em Spendeneuro<br />
an die ADH gehen denn an die Mitgliedsorganisationen?<br />
Das s<strong>in</strong>d genau 94Cent. E<strong>in</strong> Prozent<br />
der Spenden, die bei e<strong>in</strong>em <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>fall<br />
e<strong>in</strong>gehen, behalten wir für die Evaluierung<br />
der Projekte unserer Organisationen<br />
zurück, damit wir wissen, dass<br />
die Mittel auch vor Ort effizient e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden. Weitere fünf Prozent<br />
werden für die Spendenbearbeitung,<br />
die Quittierung, für Dankesbriefe, Informationsmaterial<br />
und Öffentlichkeitsarbeit<br />
verwendet.<br />
E<strong>in</strong>en Teil der Kosten für das Bonner<br />
Aktionsbüro wie etwa für Personal,<br />
Büromiete, F<strong>in</strong>anzverwaltung und<br />
Wirtschaftsprüfung tragen unsere<br />
Mitgliedsorganisationen. Der Rest<br />
wird durch ungebundene Mittel und<br />
sonstige E<strong>in</strong>nahmen wie Z<strong>in</strong>serträge<br />
gedeckt.<br />
In unserem jährlichen Geschäftsbericht<br />
machen wir all das transparent.<br />
Wir haben die Selbstverpflichtungserklärung<br />
der Initiative Transparente<br />
Zivilgesellschaft unterschrieben, <strong>in</strong>der<br />
wiruns dazu verpflichten, zehn präzise<br />
benannte,relevante Informationenüber<br />
unsere Organisation leicht auff<strong>in</strong>dbar<br />
der breiten Öffentlichkeit zugänglich<br />
zu machen. Von PricewaterhouseCoopers<br />
s<strong>in</strong>d wirfür diequalitativhochwertige<br />
Berichterstattung mit dem Transparenzpreis<br />
2012 ausgezeichnet worden.<br />
Und auch das Deutsche Zentral<strong>in</strong>stitut<br />
für soziale Fragen stuft uns als<br />
besonders förderungswürdig e<strong>in</strong>.<br />
Spenden sammeln und die Koord<strong>in</strong>ation<br />
von Hilfse<strong>in</strong>sätzen s<strong>in</strong>d aber nicht alles,<br />
was Sie zur Unterstützung der Mitgliedsorganisationen<br />
tun...<br />
Wirorganisieren auch Workshops, Sem<strong>in</strong>are<br />
und Tra<strong>in</strong><strong>in</strong>gs –vom Projekt-Management<br />
und Fundrais<strong>in</strong>g über Standardsder<br />
humanitärenHilfe biszu<strong>in</strong>terkulturellen<br />
Kompetenzen. Und wir haben<br />
mehrere Arbeitsgruppen, <strong>in</strong>denen<br />
sich die Fachleute aus dem Bündnis<br />
beispielsweise zuFragen der Projektarbeit,<br />
des Fundrais<strong>in</strong>gs, der Qualitätssicherungund<br />
Medienarbeit austauschen.<br />
Der Paritätische hat bei der ADH ja e<strong>in</strong>e<br />
besondere Rolle: Erist zwar selbst ke<strong>in</strong>e<br />
humanitäre Hilfsorganisation, vertritt<br />
aber mehrere Mitgliedsorganisationen,<br />
die <strong>in</strong> diesem Bereich sehr aktiv s<strong>in</strong>d. Hat<br />
sich dies aus Ihrer Sicht bewährt?<br />
Ja, sehr. Der Paritätische ist für uns e<strong>in</strong><br />
wichtiger Bündnispartner, der für e<strong>in</strong>e<br />
breite gesellschaftliche Verankerung<br />
steht und sich von Anfang an auch <strong>in</strong><br />
Fragen der Strategieentwicklung sehr<br />
engagiert hat. Außerdem haben ADH<br />
undParitätischer e<strong>in</strong>wichtiges geme<strong>in</strong>sames<br />
Pr<strong>in</strong>zip: Wir stehen für Vielfalt<br />
und Toleranz.<br />
DieFragenstellteUlrikeBauer<br />
6 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
„Wer Trümmer<br />
aufräumt,räumt auch<br />
se<strong>in</strong>e Seele auf“<br />
2011 <strong>im</strong> japanischen<br />
Yamamoto<br />
Foto: FulvioZanett<strong>in</strong>i|ADH<br />
ADRA stützt se<strong>in</strong>e<br />
weltweiten Hilfsprogramme<br />
aufe<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische Kräfte<br />
„Die Liste der Länder, <strong>in</strong>denen Elend und Armut herrschen, ist leider äußerst lang.“ Aus<br />
dieser nüchternen Feststellung erklärt sich das weltumspannende Netz der adventistischen<br />
Hilfsorganisation ADRA (Adventist Development and Relief Agency) mit Stationen <strong>in</strong> 125<br />
Ländern. Ebenso vielfältig und breit gefächert s<strong>in</strong>d die Projekte. ADRA Deutschland alle<strong>in</strong><br />
bestreitet jährlichrund60akute undlangfristigeHilfsprogramme–auch<strong>in</strong>Europa.<br />
E<strong>in</strong> Blick <strong>in</strong>den letzten Quartalsbericht<br />
für 2012 veranschaulicht,<br />
wie unterschiedlich die e<strong>in</strong>zelnen<br />
Projekte der deutschen ADRA-<br />
Sektions<strong>in</strong>d: Die1987gegründeteOrganisation<br />
mit Sitz <strong>im</strong>südhessischen Weiterstadt<br />
unterstützt Frauen <strong>in</strong> Kenia, die<br />
OpferweiblicherGenitalverstümmelung<br />
wurden, ebenso wie Frauen <strong>in</strong> Serbien,<br />
dievon häuslicher Gewalt betroffens<strong>in</strong>d.<br />
Sie baut e<strong>in</strong>e Backste<strong>in</strong>fabrik <strong>in</strong> Costa<br />
Rica, umArbeitsplätze zu schaffen, und<br />
vermittelt mongolischen Hirten praktisches<br />
Wissen für den Gemüseanbau.<br />
ADRA hat<strong>in</strong>St. Petersburg e<strong>in</strong>e Suppenküchee<strong>in</strong>gerichtetund<br />
betreibtKatastrophenvorsorge<br />
<strong>in</strong> Nepal.<br />
Woraus ergibt sich diese Bandbreite?<br />
„Die Programme entstehen <strong>in</strong> den Ländern,<br />
durch e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische Fachleute vor<br />
Ort“, erklärt He<strong>in</strong>z-Hartmut Wilfert,<br />
Pressesprecher von ADRA Deutschland.<br />
Im zweiten Schritt prüfen ADRA-Regionalbüros,obdie<br />
Vorschläge s<strong>in</strong>nvoll und<br />
durchführbar s<strong>in</strong>d. Anerkannte Projekte<br />
werden dann über die Zentrale <strong>in</strong>Wash<strong>in</strong>gton<br />
den ADRA-Zweigen <strong>in</strong> den sogenannten<br />
Geber-Ländern übermittelt.<br />
Umgekehrtist derWeg kurz:Entscheidet<br />
ADRA Deutschland etwa, <strong>in</strong>Thailand<br />
e<strong>in</strong> Berufsausbildungsprogramm für<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge aus Myanmar aufzulegen –<br />
wie2011geschehen –, wird dasVorhaben<br />
<strong>in</strong> direktem Kontakt mit der örtlichen<br />
ADRA-Organisation realisiert.<br />
„Ke<strong>in</strong> Geld für Regierungen“<br />
Von den Hilfsprogrammen sollen die<br />
betroffenen <strong>Menschen</strong> unmittelbar profitieren.<br />
„Wir prüfen auch, obe<strong>in</strong> Staat<br />
durchunseren <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>Geldspart,das er<br />
dann möglicherweisefür Rüstungsgüter<br />
ausgibt“, sagt der Pressesprecher. „Ke<strong>in</strong><br />
Geld für Regierungen“, lautet e<strong>in</strong>e AD-<br />
RA-Grundregel. E<strong>in</strong>e andere: Bei der<br />
Umsetzung der Projekte „so wenig Helfer<br />
aus Deutschland wie möglich e<strong>in</strong>zusetzen“.<br />
„Wir stützen uns auf e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische<br />
Kräfte“, betont He<strong>in</strong>z-Hartmut Wilfert.<br />
Partnerschaftliche Kooperation bildet<br />
die Grundlage für jedes Programm.<br />
„Wir wollen nicht dom<strong>in</strong>ieren“, soder<br />
ADRA-Pressesprecher. Und dieses Pr<strong>in</strong>zip<br />
komme an. „Gerade <strong>in</strong> schwierigen<br />
Gebieten wie Somalia s<strong>in</strong>d unsere Leute<br />
sehr geschätzt.“ADRAs christlicher H<strong>in</strong>tergrund<br />
seidabei <strong>in</strong> derRegel irrelevant.<br />
Während des Bürgerkriegs <strong>im</strong> ehemaligen<br />
Jugoslawien seien bisweilen 90 Prozent<br />
derHelferMusl<strong>im</strong>egewesen. >><br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
7
Thema<br />
Vorhandene Strukturen schnell<br />
wieder funktionstüchtig machen<br />
„Hilfe ohne Vorbehalte“, socharakterisiert<br />
ADRA se<strong>in</strong>e humanitären Aktionen.<br />
Dabeisollendie Betroffenennicht<br />
<strong>in</strong> derOpferrolleverharren,sie werden<br />
gezielt <strong>in</strong> die Hilfsaktivitäten e<strong>in</strong>gebunden.<br />
„Wer Trümmer aufräumt,<br />
räumt auch se<strong>in</strong>e Seele auf“, me<strong>in</strong>t<br />
He<strong>in</strong>z-Hartmut Wilfert. Dasheißt:Die<br />
Leute packen mit an, zum Beispiel bei<br />
der Versorgung nach e<strong>in</strong>em Erdbeben.<br />
„Dafür bekommen sie Geld“, erklärt<br />
der Pressesprecher. Mit dem Verdienst<br />
könnensie Lebensmittel <strong>in</strong> Geschäften<br />
oder Medikamente <strong>in</strong> der Apotheke<br />
<strong>im</strong> Ort kaufen. „Wir wollen Hilfsgüter<br />
nicht e<strong>in</strong>fach so verteilen. Wir bemühen<br />
uns, die zuvor vorhandenen gesellschaftlichen<br />
Strukturen möglichst<br />
schnell wieder funktionstüchtig zu<br />
machen“, sagt Wilfert.<br />
Hilfsgüter s<strong>in</strong>d<br />
wichtig, für<br />
ebenso wichtig<br />
hält ADRA es<br />
aber auch,<br />
die von<br />
Katastrophen<br />
betroffenen<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>in</strong>die<br />
Hilfaktivitäten<br />
e<strong>in</strong>zub<strong>in</strong>den.<br />
Foto:ADRA<br />
Hilfe für Japan war nicht unumstritten<br />
Dass auch reiche Industrienationen an<br />
ihre Grenzenstoßenkönnen, zeigtendie<br />
Folgen der Atom- und Flutkatastrophe<br />
<strong>im</strong> März 2011 <strong>in</strong> Japan. ADRA Deutschland<br />
unterstützte die dortige Schwesterorganisation<br />
mit Geld, nach „<strong>in</strong>tensiver<br />
Diskussion“, wie der Pressesprecher<br />
betont. Hilfen dieser Art seien<br />
damals <strong>in</strong> derÖffentlichkeit, derSpenderschaft<br />
und unter NGOs kritisch betrachtet<br />
worden. „Dass müssten die<br />
doch alle<strong>in</strong> schaffen, hieß es. Aber bei<br />
demAusmaßanSchäden musstenwir<br />
uns beteiligen“, ist Wilfert überzeugt.<br />
Auch <strong>in</strong> Europa sieht erADRA zunehmend<br />
gefordert. DieZahl derHilfsprogramme<br />
dort werdezunehmen, weil die<br />
Zahl derBedürftigen durch„e<strong>in</strong>e schleichende<br />
Verarmung“ wachse.„Da brennt<br />
Feuer <strong>im</strong>Kam<strong>in</strong>.“ Bernd Kle<strong>in</strong>er<br />
Kontakt<br />
ADRA Deutschland e.V.<br />
Robert-Bosch-Str. 10, 64331 Weiterstadt<br />
Tel.: 06151/8115-0<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@adra.de<br />
www.adra.de<br />
Schnelle Hilfe für Katastrophenopfer<br />
Im <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>: DieFirst Assistance SamaritanTeams desASB<br />
Erst Kampagnenmanager für e<strong>in</strong>e Friedensorganisation, dann ausgebildeter Rettungssanitäterbe<strong>im</strong>Arbeiter-Samariter-Bund(ASB)und<br />
jetztStudentder Mediz<strong>in</strong>: FelixFellmer<br />
ist jemand, der <strong>Menschen</strong> helfen will. Auch unter schwierigen Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Katastrophengebieten:<br />
Der28-Jährigeist freiwilligerHelfer<strong>in</strong>der schnellen<strong>E<strong>in</strong>satz</strong>gruppe desASB,<br />
demFirst Assistance SamaritanTeam(FAST).<br />
Als sich Felix Fellmer vor fünf<br />
Jahren bei FAST anmeldet, ist<br />
neben dem Wunsch zu helfen<br />
auch Interesse an fremden Ländern,<br />
<strong>Menschen</strong> und Kulturen <strong>im</strong>Spiel. Der<br />
erste <strong>E<strong>in</strong>satz</strong> führt ihn <strong>in</strong>s Erdbebengebiet<br />
der <strong>in</strong>donesischen Insel Sumatra.<br />
Se<strong>in</strong>eGefühle wechseln zwischen „e<strong>in</strong>er<br />
Art Freude, endlich anzuwenden, was<br />
man gelernt hat“ und der Betroffenheit<br />
ob des Schicksals der Betroffenen.<br />
E<strong>in</strong>e FAST-Gesundheitsstation kann<br />
etwa so viel leisten „wie e<strong>in</strong>e erweiterte<br />
Hausarztpraxis“, sagt Felix Fellmer.<br />
„Man kann viel machen.“ Aber eben<br />
nicht alles, weil eszum Beispiel ke<strong>in</strong>e<br />
Operationsmöglichkeiten gibt, best<strong>im</strong>mte<br />
Medikamente unerreichbar s<strong>in</strong>d, ja,<br />
nichte<strong>in</strong>malmasch<strong>in</strong>elle Rean<strong>im</strong>ation<br />
machbar ist. Daran hat Felix Fellmer,<br />
als Rettungssanitäter mit anderen Bed<strong>in</strong>gungen<br />
vertraut, sich erst e<strong>in</strong>mal<br />
gewöhnen müssen. Erbesucht zusätzliche<br />
Kurse und liest Bücher zum Thema<br />
„Humanitäre Hilfe“. Heute hat er<br />
ver<strong>in</strong>nerlicht, „dass wir zwar l<strong>im</strong>itierte<br />
Ressourcen haben, die jedoch möglichst<br />
vielen <strong>Menschen</strong> das Bestmögliche<br />
bieten“. Verme<strong>in</strong>tlich kle<strong>in</strong>e Erfolge,<br />
die unter bescheidenen Bed<strong>in</strong>gun-<br />
8 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
gen <strong>in</strong>mitten von <strong>Not</strong> und Bedürftigkeit<br />
gel<strong>in</strong>gen, s<strong>in</strong>d für die <strong>Menschen</strong>,<br />
die davon profitieren, e<strong>in</strong>e große Hilfe,<br />
mitunter sogar lebensrettend.<br />
Spezielle Anforderungen<br />
Jeder <strong>E<strong>in</strong>satz</strong> br<strong>in</strong>gt eigene spezielle<br />
Anforderungen mit sich. Auf Sumatra<br />
muss das FAST-Team von Felix Fellmer<br />
vor allem Atemwegserkrankungen behandeln,<br />
„verursachtdurch denZementstaub<br />
der e<strong>in</strong>gestürzten Häuser“. In e<strong>in</strong>emFlüchtl<strong>in</strong>gscamp<strong>im</strong>Irak,<br />
ebenfalls<br />
e<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>er <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>orte, haben die Helfer<strong>in</strong>nen<br />
und Helfer dagegen mit den<br />
Folgen von Kälte und schlechten hygienischen<br />
Verhältnissen zu kämpfen.<br />
Wie die <strong>Menschen</strong> ihr Schicksal bewältigen,<br />
bee<strong>in</strong>druckt Felix Fellmer bei beidenE<strong>in</strong>sätzen.„Die<strong>Menschen</strong><strong>in</strong>Sumatra<br />
gehen mit Krankheit und Tod ganz<br />
anders um als Europäer. Sie begreifen<br />
Leid deutlicher als Teil ihres Lebens.“<br />
Dennoch wissen sie mediz<strong>in</strong>ische Versorgung<br />
und die Hilfe der Freiwilligen<br />
nach e<strong>in</strong>em Unglück sehr zu schätzen.<br />
Das Leben selbst <strong>in</strong>die Hand nehmen<br />
Im Flüchtl<strong>in</strong>gscamp <strong>im</strong>Irak mit rund<br />
30.000 <strong>Menschen</strong> verfolgt derDeutsche,<br />
wie e<strong>in</strong>e „kle<strong>in</strong>e Wirtschaft“ entsteht:<br />
E<strong>in</strong>e Näherei macht auf, e<strong>in</strong>e Döner-<br />
Bude,e<strong>in</strong> Gemüsehandel unde<strong>in</strong> Schuhgeschäft.<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge arbeiten be<strong>im</strong><br />
Hausbau oder als Dolmetscher. „Die<br />
Leutes<strong>in</strong>dfroh, etwaszutun zu haben“,<br />
so Fellmer. Sie wollten nicht nur Hilfsempfänger<br />
se<strong>in</strong>, sondern ihr Leben, so<br />
gut esgeht, selbst <strong>in</strong> die Hand nehmen.<br />
Felix Fellmer untersucht <strong>im</strong> Flüchl<strong>in</strong>gscamp e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>esK<strong>in</strong>d.<br />
Foto: ASB<br />
An Arbeit mangelt esden FAST-Helfer<strong>in</strong>nen<br />
und-Helfernwährend ihrerE<strong>in</strong>sätze<br />
nicht. Daist es gut, wenn e<strong>in</strong>e<br />
Hand <strong>in</strong> die andere greift. „Wir s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>gespieltes Team“, betont Felix Fellmer.<br />
Schnell ist klar, wo Kooperation<br />
gefragt ist und woselbstständiges Handeln:„Da<br />
sagst du dir: Du weißt, waszu<br />
tun ist, und machst es.“ Wichtig ist dabei,<br />
dass die Team-Mitglieder sich gut<br />
kennen und verstehen. Daher üben die<br />
<strong>E<strong>in</strong>satz</strong>kräfte regelmäßig geme<strong>in</strong>sam.<br />
Über die gute Atmosphäre h<strong>in</strong>aus gefällt<br />
dem Mediz<strong>in</strong>studenten, dass die<br />
ASB-Freiwilligen an den <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>konzepten<br />
mitarbeiten können. „Wir tauschen<br />
uns viel aus“, erzählt der Mediz<strong>in</strong>student,<br />
der <strong>im</strong> Rahmen der FAST-<br />
Ausbildung als Dozent über Tr<strong>in</strong>kwasseraufbereitung<br />
referiert –e<strong>in</strong> Thema,<br />
bei dem sich auch die mediz<strong>in</strong>isch<br />
Helfenden auskennen müssen.<br />
Felix Fellmer, der seit e<strong>in</strong>em Jahr verheiratet<br />
ist,schätzt beiFASTneben der<br />
<strong>in</strong>tensiven Vorbereitung das Sicherheitsdenken.<br />
„Ich weiß, dass esbei jedem<br />
<strong>E<strong>in</strong>satz</strong> e<strong>in</strong>e Sicherheitsstrategie<br />
gibt. Das heißt, es gibt Pläne, wie wir<br />
<strong>in</strong> <strong>Not</strong>fällenund beidrohenden Gefahren<br />
reagieren können, um uns nicht<br />
selbst <strong>in</strong> Gefahr zu br<strong>in</strong>gen.“<br />
Bernd Kle<strong>in</strong>er<br />
Der Arbeiter-Samariter-Bund<br />
hat die First Assistance SamaritanTeams<br />
(FAST) alsschnelle<br />
<strong>E<strong>in</strong>satz</strong>gruppe <strong>im</strong> Rahmen se<strong>in</strong>er<br />
humanitären Hilfe aufgebaut. B<strong>in</strong>nen<br />
weniger Tage können die FASTler vor<br />
Ort se<strong>in</strong>, um Überlebenden von Naturkatastrophen<br />
oder Flüchtl<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> ihrer<br />
akuten <strong>Not</strong>hilfreich zurSeite zu stehen<br />
– mit basismediz<strong>in</strong>ischer Versorgung<br />
und Tr<strong>in</strong>kwasseraufbereitung.<br />
E<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong>satz</strong> dauert max<strong>im</strong>al sechs Wochen,dreiTeams<br />
wechseln sich ab.Jede<br />
Gruppe zählt fünf bis acht freiwillige<br />
Helfer<strong>in</strong>nenund Helfer ausden Reihen<br />
desASB.Die Teamserhaltene<strong>in</strong>e<strong>in</strong>tensive<br />
Ausbildung. Neben erforderlichen<br />
Fachkenntnissen zu Mediz<strong>in</strong> und<br />
Tr<strong>in</strong>kwasserversorgung gehören die<br />
Sicherheit <strong>im</strong> Auslandse<strong>in</strong>satz, Stressbewältigung,<br />
<strong>in</strong>terkulturelleKommunikation<br />
und grundlegende Aspekte der<br />
humanitären Hilfe zum Unterricht.<br />
DerASB kann derzeitmehrals 30 e<strong>in</strong>satzbereiteHelfer<strong>in</strong>nen<br />
undHelferzu<br />
FAST-E<strong>in</strong>sätzen entsenden. Er will se<strong>in</strong>e<br />
FAST-Teams weiter ausbauen.<br />
VonEnde Oktober bis Mitte Dezember<br />
2012 hat der ASB mehrere FAST-Teams<br />
<strong>in</strong> die nordirakisch-syrische Grenzregion<br />
entsandt, um mediz<strong>in</strong>ische <strong>Not</strong>hilfe<br />
für die syrischen Flüchtl<strong>in</strong>ge <strong>im</strong><br />
Camp Dormiz nahe derStadt Dohukzu<br />
leisten. Die Helfer haben e<strong>in</strong> <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>tagebuch<br />
geführt, das auf www.asb.de<br />
e<strong>in</strong>gesehen werden kann. Dort f<strong>in</strong>den<br />
Interessierte auch das Jahrbuch der<br />
ASB-Auslandshilfe, <strong>in</strong> dem der ASB<br />
ausführlich se<strong>in</strong>e vielfältigen Aktivitäten<br />
schildert.<br />
ASB-Bundesgeschäftsstelle<br />
Sülzburgstr. 140, 50937 Köln<br />
Tel.: 0221/47605-0<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@asb.de<br />
www.asb.de<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
9
Thema<br />
Sauberes Wasser istdie<br />
Lebensgrundlage schlechth<strong>in</strong>.<br />
Aber mehr als 700 Millionen<br />
<strong>Menschen</strong> weltweithaben<br />
ke<strong>in</strong>en Zugang dazu.<br />
arche noVa–Inititiative für<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>in</strong><strong>Not</strong> e.V.<br />
arbeitet seit mehr als 20Jahren<br />
dagegen an: DerVere<strong>in</strong>aus<br />
Dresden konnte bisherweit<br />
über e<strong>in</strong>e Million<strong>Menschen</strong><strong>in</strong><br />
mehr als 30Ländern mit<br />
Tr<strong>in</strong>kwasserversorgen.<br />
Wasser ist e<strong>in</strong><strong>Menschen</strong>recht<br />
Sie konnten e<strong>in</strong>fach nicht länger<br />
zusehen. Anfang der 1990er Jahre,<br />
der erste Irak-Krieg hat begonnen,<br />
das Drama n<strong>im</strong>mt se<strong>in</strong>en Lauf.<br />
Obwohl weit entfernt, kommt die <strong>Not</strong><br />
<strong>im</strong> sächsischen Dresden vielen <strong>Menschen</strong><br />
sehr nahe, darunter auch Aktiven<br />
der lokalen Friedensbewegung.<br />
Betroffen verfolgen sie, wie sich die<br />
Lage <strong>in</strong> Irak-Kurdistan zuspitzt, und<br />
beschließen zuhelfen. Aus den alten<br />
Beständen der Nationalen Volksarmee<br />
besorgensie sich Lastwagen, sammeln<br />
<strong>in</strong> der Stadt Spenden und fahren los,<br />
vollbepackt mit Hilfsgütern und guten<br />
Absichten.<br />
<strong>Weltweit</strong> <strong>im</strong> <strong>E<strong>in</strong>satz</strong><br />
E<strong>in</strong>spontaner <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>, derke<strong>in</strong>E<strong>in</strong>zelfall<br />
bleiben sollte. Aus dem kle<strong>in</strong>en<br />
Netzwerk mutiger Ehrenamtlicher ist<br />
arche noVa geworden, e<strong>in</strong>e professionelle<br />
und anerkannte Hilfsorganisation,<br />
getragen von zwölf Hauptamtlichen,die<br />
dieArbeitweltweitkoord<strong>in</strong>ieren,<br />
undvon vielen HundertenKräften<br />
vor Ort.<br />
Tausende Brunnen s<strong>in</strong>d seit der Gründung<br />
des Vere<strong>in</strong>s vor 21 Jahren gebohrt,<br />
Wassersysteme repariert, Sanitäranlagen<br />
aufgebaut und Hygieneschulungen<br />
durchgeführt worden.Dass<br />
und wie es dazu kam, h<strong>in</strong>g entscheidend<br />
mit den Erfahrungen zusammen,<br />
welche die Handvoll junger <strong>Not</strong>helfer<br />
bei ihren ersten E<strong>in</strong>sätzen machte.<br />
E<strong>in</strong>e Ziege ist s<strong>in</strong>nvoller als<br />
Milchpulver-Lieferungen<br />
Angekommen <strong>in</strong> Kurdistan, stellen sie<br />
fest:Deckenund warmeKleidungwerden<br />
dr<strong>in</strong>gend benötigt. Nur viele der<br />
Schuhe, die sie dabei haben, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
derrauen Landschaft nichtallebrauchbar.<br />
„Die Lektion lautete: Wir müssen<br />
uns vorab <strong>im</strong>mer genau darüber <strong>in</strong>formieren,<br />
was vor Ort gebraucht wird“,<br />
betont arche-noVa-Projektreferent<strong>in</strong><br />
Yvonne Stephan. E<strong>in</strong>e weitereE<strong>in</strong>sicht:<br />
Hilfe ist am wirkungsvollsten, wenn<br />
man mit den E<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ischen zusammenarbeitet.<br />
Dies gel<strong>in</strong>gt bereits be<strong>im</strong><br />
ersten <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>, als die <strong>Not</strong>helfer mit<br />
dem Ältestenrat des Dorfs darüber<br />
sprechen, wo das gespendete Geld e<strong>in</strong>gesetzt<br />
werden soll. Dort hören sie,<br />
dass e<strong>in</strong>e Ziegenherde e<strong>in</strong>e gute Investition<br />
wäre. Sie könne die Ernährungssituation<br />
der K<strong>in</strong>der viel nachhaltiger<br />
verbessern als die Verteilung von<br />
Milchpulver. „Auf lange Sicht s<strong>in</strong>d wir<br />
dazu übergegangen, <strong>im</strong>mer weniger<br />
Güter von hier aus <strong>in</strong>die Projektgebiete<br />
zu br<strong>in</strong>gen“,erklärt Yvonne Stephan,<br />
der Transportkosten wegen und weil<br />
man be<strong>im</strong> Ankauf <strong>in</strong>der Region die<br />
lokale Wirtschaft stärke.<br />
E<strong>in</strong>ige Jahre später erlebt das archenoVa-Team<br />
<strong>im</strong>Kosovo, was Kriegsführung<br />
gegen die Bevölkerung auch<br />
bedeutet: Viele Brunnen s<strong>in</strong>d defekt<br />
oder gar systematisch<br />
verseucht<br />
worden.<br />
„Dawurde uns<br />
klar, wie wichtigder<br />
Zugang<br />
zu sauberem<br />
archenoVa–<br />
Initiative für<br />
<strong>Menschen</strong><br />
<strong>in</strong> <strong>Not</strong>e.V.<br />
Wasser ist,damit<br />
die <strong>Menschen</strong><br />
<strong>Not</strong>situationen unbeschadet<br />
überstehen können“, erläutert Yvonne<br />
Stephan. „Seitdem zeigen wir auchpolitisch<br />
e<strong>in</strong>e klare L<strong>in</strong>ie: Wasser ist für<br />
uns e<strong>in</strong> <strong>Menschen</strong>recht.“<br />
Wasserversorgung <strong>im</strong> Kosovo saniert<br />
Für den Kosovo gel<strong>in</strong>gt es, e<strong>in</strong> erstes<br />
langfristig angelegtes Projekt zur Sanierung<br />
der Wasserversorgung zu<br />
stemmen. Das Wissen dafür müssen<br />
die Helfer nicht erst erwerben, esist<br />
schon da: E<strong>in</strong>ige der Mitarbeiter stu-<br />
10 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
arche noVa sorgt dafür, dass <strong>Menschen</strong> sauberes Wasser bekommen. Nach<br />
dem Erdbeben <strong>in</strong>Pakistan (Foto l<strong>in</strong>ks) ebenso wie <strong>im</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gslager <strong>in</strong>Sri<br />
Lanka (rechts). Im Nord-Irak nutzen die <strong>Menschen</strong> zum Filtern des Wassers<br />
dievon arche noVaaus Tonkrügenentwickelten Merkana (Mitte).<br />
Fotos: arche noVa–Initiative für <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> <strong>Not</strong>e.V.<br />
dieren <strong>in</strong> Dresden Wasserwirtschaft.<br />
E<strong>in</strong>e nächsteEtappevon archenoVaist<br />
die Elbeflut <strong>im</strong> Jahr 2002. Der Vere<strong>in</strong><br />
packt mit an, bekommt viele Spenden,<br />
bietet psychosoziale Beratung für die<br />
Flutopfer. „So wurden wir noch bekannter<br />
und konnten unsere Kapazitäten<br />
weiter ausbauen“, er<strong>in</strong>nert sich<br />
Yvonne Stephan.<br />
Aus Tonkrügen werden Wasserfilter<br />
Dieneuen Ressourcenwerdenbaldbenötigt.<br />
Über all die Jahre arbeitet der<br />
Vere<strong>in</strong> an Methoden, wie sich verschmutztes<br />
Wasser filtern lässt, Brunnen<br />
gere<strong>in</strong>igt, Pumpen <strong>in</strong>stalliert und<br />
Speicher angelegt werden. E<strong>in</strong> Ergebnis<br />
heißt Merkana und kommt <strong>im</strong><br />
Nord-Irak zum <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>. Die Wassertechniker<br />
nutzten bei der Entwicklung<br />
dieser haushaltstauglichen Filter landesübliche<br />
Tonkrüge, die der Erf<strong>in</strong>dung<br />
auch den Namen gaben. Reihenweise<br />
wurden die Behälter <strong>im</strong> Projektgebiet<br />
befüllt und zusammengesetzt<br />
und zwar von den E<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ischen.<br />
Wo <strong>im</strong>mer auf der Welt Katastrophen<br />
e<strong>in</strong>e Wasser-<strong>Not</strong> auslösen oder e<strong>in</strong>e<br />
grundlegende Unterversorgung herrscht,<br />
versucht arche noVa se<strong>in</strong>e Hilfe e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen,<br />
mal mit schnellen Aktionen,<br />
mal mit langfristigen Projekten. In Sri<br />
Lanka etwa entwickelt sich das Engagement<br />
nach dem Tsunami zu e<strong>in</strong>er<br />
langfristigen Aufbauarbeit: Von der<br />
<strong>Not</strong>hilfe an der Küste geht es über die<br />
Versorgung <strong>in</strong> den Flüchtl<strong>in</strong>gslagern<br />
des Bürgerkriegs bis zum Wiederaufbau<br />
der Dörfer. Und als das große<br />
Erdbeben Haiti zerstört, schafft die<br />
Hilfsorganisation Tr<strong>in</strong>kwasseraufbereitungsanlagen<br />
<strong>in</strong>s Land und errichtet<br />
neue Wassersysteme. Bis heute unterstützt<br />
arche noVa <strong>in</strong>dem Karibikstaat<br />
Wasserkomitees, die die neu aufgebauten<br />
Anlagen betreiben und warten.<br />
Auch die Projektleiter müssen <strong>im</strong>mer<br />
Neues dazulernen: Was <strong>in</strong>e<strong>in</strong>em Dorf<br />
funktioniert, kann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen<br />
unnütz se<strong>in</strong>. Und e<strong>in</strong> Brunnen, der <strong>in</strong><br />
der Trockenheit Ugandas segensreich<br />
ist,kann aufsalzhaltigemBoden <strong>in</strong> Myanmar<br />
ke<strong>in</strong>e Lösung se<strong>in</strong>. Grundsätzlich<br />
gilt es, auf die Gegebenheit vor Ort<br />
so flexibel wie möglich zu reagieren.<br />
Die <strong>Menschen</strong> s<strong>in</strong>d stolz<br />
auf ihren eigenen Brunnen<br />
Viele Zahnräder müssen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander<br />
greifen, damitalles gel<strong>in</strong>gt. „Wir erleben<br />
vielebewegende Momente“,sagtYvonne<br />
Stephan. „Zu den stärksten zählen die,<br />
wenn das erste Wasser aus e<strong>in</strong>em neu<br />
gebauten Brunnen geschöpft wird. Wie<br />
sich die<strong>Menschen</strong><strong>im</strong>Dorfdann freuen,<br />
wie stolz sie s<strong>in</strong>d, an ihrem eigenen<br />
Brunnen mitgearbeitet zu haben.“<br />
Das Thema Wasser spielt auch <strong>in</strong>den<br />
Bildungsprojekten des Vere<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>e<br />
wichtige Rolle. Da erfahren die Teilnehmer<strong>in</strong>nen<br />
und Teilnehmer aus<br />
Schulen oder beispielsweise Jugendclubs,<br />
dass alle<strong>in</strong>e der Anbau von Bohnen<br />
für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Tasse Kaffee 130<br />
Liter Wasser verschl<strong>in</strong>gt. „Damit zeigen<br />
wir auf, wie wir konsumieren und<br />
welche Alternativen es gibt“, berichtet<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong> Claudia Holbe. Das Interesse<br />
anBildungsangeboten zum Thema<br />
Wasser und Globales Lernen ist<br />
enorm. Fast 900 Projekttage hat arche<br />
noVa schon veranstaltet.<br />
Bernd Schüler<br />
Kontakt<br />
archenoVa<br />
Initiative für<strong>Menschen</strong> <strong>in</strong><strong>Not</strong> e.V.<br />
Weißeritzstraße3,01067 Dresden<br />
Tel. 0351/481984-0<br />
E-Mail <strong>in</strong>fo@arche-nova.org<br />
www.arche-nova.org<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
11
Thema<br />
StattWaffen<br />
e<strong>in</strong>Haus<br />
ausLehm<br />
Fotos: Freundeder Erziehungskunst Rudolf Ste<strong>in</strong>ers<br />
Das jüngste „K<strong>in</strong>d“<br />
der Freunde der<br />
ErziehungskunstRudolf<br />
Ste<strong>in</strong>ers ist ihre<br />
notfallpädagogische<br />
Abteilung. Seit 2006<br />
entsendet diese<br />
nach kriegerischen<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />
oder Naturkatastrophen<br />
meist <strong>in</strong>ternationale Teams,<br />
um psychisch<br />
traumatisiertenK<strong>in</strong>dern<br />
und Jugendlichen zuhelfen.<br />
Bernd Ruf be<strong>im</strong> Murmelspiel<br />
mitK<strong>in</strong>dern <strong>im</strong> kenianischen<br />
Flüchtl<strong>in</strong>gslagerKakuma<br />
Pistolen. Aus Lehm geformt. Fast<br />
jedes K<strong>in</strong>d <strong>im</strong> Flüchtl<strong>in</strong>gslager<br />
Kakuma <strong>im</strong> Nordwesten Kenias<br />
hataus demfeuchtenLehmboden e<strong>in</strong>e<br />
Spielzeug-Waffe geknetet. Denn Waffen<br />
haben ihr kurzes Leben entscheidend<br />
geprägt. Ihre Familien wurden<br />
aus dem Sudan, Somalia, Äthiopien<br />
oder demKongomit Waffengewalt vertrieben,<br />
vielfach wurden Angehörige<br />
vor ihren Augen ermordet. Nun sitzen<br />
die K<strong>in</strong>der umBernd Ruf und lernen,<br />
dielehmige Erde <strong>im</strong> Lagerspielerisch zu<br />
nutzen.Unter Anleitungdes Gründers<br />
der Abteilung <strong>Not</strong>fallpädagogik der<br />
Freunde der Erziehungskunst Rudolf<br />
Ste<strong>in</strong>ers gelangen dieJungenund Mäd-<br />
chen allmählichzuneuen Formen.Der<br />
neunjährigeChoka knetet zum Beispiel<br />
e<strong>in</strong> Haus, das ersich für se<strong>in</strong>e Familie<br />
wünscht –und damit e<strong>in</strong> Symbol für<br />
e<strong>in</strong>enOrt,andem er sich wieder sicher<br />
fühlen kann.<br />
Zutiefst erschüttert<br />
Vertreibung und Flucht wie sie Choka<br />
erlebt hat, aber auch Naturkatastrophen<br />
können das Selbst- und Weltverständnis<br />
von <strong>Menschen</strong> zutiefst erschüttern,<br />
vorallem wenn diesevöllige<br />
Hilflosigkeit erleben mussten. Zurück<br />
bleiben seelische Wunden: Traumata,<br />
die zu neurotischen und psychosomatischen<br />
Erkrankungen führen und an-<br />
haltende krankhafte Persönlichkeitsveränderung<br />
zurFolge haben können.Diese<br />
können jedoch häufigverh<strong>in</strong>dertwerden,<br />
wenn den <strong>Menschen</strong> wenige Wochen<br />
nach demtraumatisierenden Erlebnis bei<br />
dessen Verarbeitung geholfen wird.<br />
Globales Helfernetz <strong>im</strong>Aufbau<br />
„Unsere Teams s<strong>in</strong>d b<strong>in</strong>nen vier Wochen<br />
e<strong>in</strong>satzfähig“, sagt Malte Landgraff,<br />
Projektkoord<strong>in</strong>atorder <strong>Not</strong>fallpädagogik.<br />
InDeutschland kann er auf<br />
e<strong>in</strong>en Pool von 120 ehrenamtlich Helfenden<br />
zurückgreifen: Pädagog<strong>in</strong>nen<br />
und Pädagogen, therapeutische Fachkräfte<br />
sowie Ärzt<strong>in</strong>nen und Ärzte, alle<br />
mit Kenntnissen oder Erfahrungen <strong>in</strong><br />
12 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
Freunde der<br />
Erziehungskunst<br />
Rudolf Ste<strong>in</strong>ers e.V.<br />
Die Freunde der Erziehungskunst<br />
Rudolf Ste<strong>in</strong>ers s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>nütziger<br />
Vere<strong>in</strong>, der seit 1971 weltweit Initiativen<br />
e<strong>in</strong>es freien Bildungswesens<br />
und der Waldorfpädagogik fördert<br />
und berät. Als Träger von Freiwilligendiensten<br />
ermöglichen die „Freunde“<br />
seit über 17Jahren auch Sozialund<br />
Friedensdienste <strong>in</strong> aller Welt.<br />
Freunde der Erziehungskunst<br />
Rudolf Ste<strong>in</strong>ers e. V.<br />
Abteilung <strong>Not</strong>fallpädagogik<br />
Neisser Str. 10<br />
76139 Karlsruhe<br />
Tel.: 0721/354806-144<br />
E-Mail: notfallpaedagogik@<br />
freunde-waldorf.de<br />
www.freunde-waldorf.de/<br />
notfallpaedagogik<br />
der anthroposophischen Pädagogik und<br />
Mediz<strong>in</strong>. Über das weltweite Netz der<br />
Waldorf-Pädagogik gibt eshäufig auch<br />
Ansprechpartner<strong>in</strong>nen und -partner<br />
vor Ort oder zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> der Region.<br />
Malte Landgraff: „Wir s<strong>in</strong>d dabei, e<strong>in</strong><br />
globales Netz an <strong>Not</strong>fallpädagog<strong>in</strong>nen<br />
und Pädagogen aufzubauen.“<br />
Geme<strong>in</strong>sam<br />
mit der Hilfsorganisation<br />
LandsAid (siehe<br />
Bericht auf<br />
Seite 22dieser<br />
Ausgabe) schulte<br />
die notfallpädagogische<br />
Abteilung<br />
der „Freunde“ 2012 rund 280<br />
<strong>Not</strong>fallhelfer<strong>in</strong>nen und -helfer <strong>in</strong> Brasilien<br />
und Argent<strong>in</strong>ien.<br />
Das Konzept, das der notfallpädagogischen<br />
Krisen<strong>in</strong>tervention zugrunde<br />
liegt, hat Bernd Ruf erarbeitet. Der geschäftsführende<br />
Vorstand der Freunde<br />
der Erziehungskunst Rudolf Ste<strong>in</strong>ers<br />
komb<strong>in</strong>iert dar<strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ische und<br />
psychologischeErkenntnisse zu Trauma<br />
und Traumaverarbeitung mit der Waldorfpädagogik<br />
und deren pädagogischtherapeutischen<br />
Interventionsansätzen.<br />
FürjedeAltersgruppe,vom Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>d<br />
bis zum Jugendlichen, beschreibt<br />
er altersgemäße Therapiemethoden.<br />
Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>dern helfen zum Beispiel tägliche<br />
Rituale wie geme<strong>in</strong>same Mahlzeiten,<br />
um wieder Orientierung <strong>im</strong><br />
Leben zu f<strong>in</strong>den. Schulk<strong>in</strong>dern hilft<br />
So, wie auf dem Papier die<br />
Farben <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander fließen, löst<br />
sich die seelische Erstarrung<br />
plastisch-therapeutisches Gestalten<br />
mit Knetmasse oder Lehm, aber auch<br />
Mal- und Zeichentherapie.<br />
Nachdem das Schreckenserlebnis des<br />
Tsunami die elfjährige Triani völlig<br />
hatte verstummen lassen, gaben ihr<br />
die <strong>Not</strong>fallpädagogen Wasserfarben.<br />
So wie die Farben auf dem Papier begannen<br />
<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander zu fließen, sobegann<br />
sich auch die seelische Erstarrung<br />
des Mädchens zulösen, berichtet<br />
Malte Landgraff.<br />
Jugendlichen hilft erfahrungsgemäß<br />
besonders Erlebnispädagogik. Über<br />
e<strong>in</strong>Seilzubalancieren,stärktzum Beispiel<br />
das Selbstvertrauen; sich mit geschlossenen<br />
Augen <strong>in</strong> die Arme e<strong>in</strong>er<br />
Gruppe fallen zu lassen, hilft dabei,<br />
wieder Vertrauen zu anderen <strong>Menschen</strong><br />
aufzubauen.<br />
Sprachliche Hürden vermeiden<br />
Um weiter am weltweiten Netz der<br />
<strong>Not</strong>hilfe zu knüpfen, bilden die <strong>Not</strong>fallpädagog<strong>in</strong>nen<br />
und -pädagogen aus<br />
Deutschland <strong>in</strong>diesem Jahr e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische<br />
Kräfte <strong>in</strong> Kolumbien und Indien<br />
aus, Kenia soll folgen. Denn je näher<br />
die Helfer, desto rascher s<strong>in</strong>d sie <strong>im</strong><br />
<strong>Not</strong>fall vor Ort. Und: Es darf ke<strong>in</strong>e<br />
sprachlichen Hürden <strong>in</strong>der Arbeit mit<br />
traumatisierten <strong>Menschen</strong> geben.<br />
Um lokale Ansprechpartner zu f<strong>in</strong>den,<br />
setzt die notfallpädagogische Abteilung<br />
auch auf Kooperationen. Projektkoord<strong>in</strong>ator<br />
Malte Landgraff knüpfte<br />
schon Kontakte zu e<strong>in</strong>er syrischen<br />
Nichtregierungsorganisation, die <strong>im</strong><br />
Raum Damaskus mit K<strong>in</strong>dern und<br />
Jugendlichen arbeitet, und zu e<strong>in</strong>er<br />
deutschen Stiftung, die Projekte <strong>in</strong><br />
Syrien fördert. Sobald der Bürgerkrieg<br />
<strong>in</strong> diesem arabischen Land es zulässt,<br />
wird dieArbeitdortaufgenommen.Im<br />
kenianischen Flüchtl<strong>in</strong>gslager Kakuma<br />
s<strong>in</strong>d die Freunde der Erziehungskunst<br />
Rudolf Ste<strong>in</strong>ers offizieller operativerPartner<br />
desFlüchtl<strong>in</strong>gshilfswerks<br />
der Vere<strong>in</strong>ten Nationen<br />
(UNHCR).<br />
In den sieben Jahren<br />
ihres Bestehens hat<br />
ihre notfallpädagogische<br />
Abteilung bereits<br />
Tausenden von<br />
K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen<br />
geholfen, die<br />
Folgen vonTraumatazul<strong>in</strong>dern.Dabei<br />
werden die weltweiten E<strong>in</strong>sätze von<br />
gerade mal vier Festangestellten organisiert,<br />
die sich zwei Vollzeitstellen<br />
teilen: m<strong>in</strong><strong>im</strong>ale Kosten für max<strong>im</strong>ale<br />
Hilfe.<br />
Gisela Haberer<br />
Im Flüchtl<strong>in</strong>gslager Kakumawerdendie K<strong>in</strong>der<br />
angeregt, aus dem lehmigenBoden statt<br />
Waffen positive Symbole zugestalten.<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
13
Thema<br />
Mohammed kann wieder lachen<br />
Ergriffen von der <strong>Not</strong> der K<strong>in</strong>der <strong>im</strong> Golfkrieg gründeten Ärzte und Bürger <strong>im</strong> westfälischen<br />
Hamm 1991 das Hammer Forum. Heute engagieren sich für die Organisation<br />
mehr als 400 <strong>Menschen</strong>, umverletzten und schwerkranken K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Kriegs- und<br />
Krisengebieten dieser Welt e<strong>in</strong>e adäquate mediz<strong>in</strong>ische Versorgung zukommen zu<br />
lassen. E<strong>in</strong>es dieser K<strong>in</strong>der ist der dreie<strong>in</strong>halbjährige Mohammed, der zur Behandlung<br />
schl<strong>im</strong>mster Brandverletzungen aus dem Jemen nach Deutschland geflogen wurde.<br />
Mit dem kle<strong>in</strong>en F<strong>in</strong>ger angelt<br />
sich Mohammed den grünen<br />
Spielzeugtraktorund lässtihn<br />
die Parkhaus-Rampe h<strong>in</strong>untersausen.<br />
„Der ist schnell!“, ruft er begeistert.<br />
Sogar noch schneller als der rote<br />
Sportwagen,den „Opa“Dietrichh<strong>in</strong>terherflitzen<br />
lässt. Doch auch das spannendste<br />
Autorennen kann Mohammed<br />
plötzlich nicht mehr abhalten von e<strong>in</strong>er<br />
wichtigen Aufgabe: Se<strong>in</strong> Teddy, den er<br />
die ganze Zeit unterm Arm klemmen<br />
hatte, muss dr<strong>in</strong>gend zum „Verband<br />
wechseln“, wie der Dreie<strong>in</strong>halbjährige<br />
energisch feststellt. Und schon marschiert<br />
er mit se<strong>in</strong>em allerliebsten<br />
Plüschfreund zum Sofa,umihn zu verarzten.<br />
Mohammed weiß nur zugut,<br />
wie das geht. „Er spielt nach, was er<br />
selbst erlebt hat“, sagt Elisabeth Pabst.<br />
Zwei Monate lang haben sie und ihr<br />
Ehemann Dietrich täglich bis zu zehn<br />
Stunden <strong>im</strong>Offenbacher Kl<strong>in</strong>ikum an<br />
Mohammeds Bett gesessen: Ihm be<strong>im</strong><br />
Essen geholfen, mit ihm gespielt und<br />
Bilderbücher angeschaut.Arabischsprachige<br />
Mitpatienten halfen anfangs bei<br />
derVerständigung.Dochnachwenigen<br />
Wochen wardas schonnicht mehr nötig,<br />
weil Mohammed blitzschnell Deutsch<br />
lernte –erist e<strong>in</strong> sehr aufgeschlossener,<br />
fröhlicher undwissbegierigerJunge,der<br />
sich füralles um ihnherum <strong>in</strong>teressiert.<br />
Jetzt s<strong>in</strong>d es Elisabeth und Dietrich<br />
Pabst, die ab und zue<strong>in</strong> paar arabische<br />
Wörter erwähnen, die sie sich angeeignet<br />
haben – damit Mohammed se<strong>in</strong>e<br />
Muttersprache nicht ganz vergisst.<br />
„E<strong>in</strong>e schwere Entscheidung“<br />
„Das muss e<strong>in</strong>e sehr schwere Entscheidung<br />
für die Eltern gewesen se<strong>in</strong>, ihr<br />
krankes K<strong>in</strong>d ganz alle<strong>in</strong>e hierher zu<br />
lassen“, s<strong>in</strong>d die Eheleute aus dem unterfränkischen<br />
Alzenau überzeugt. Sie<br />
haben selbst fünf Enkel, und als sie<br />
über die Alzenauer Initiative „People <strong>in</strong><br />
Motion“ davon erfuhren, dass das HammerForum<br />
e<strong>in</strong>e Gastfamiliesuchte, um<br />
e<strong>in</strong>enkle<strong>in</strong>en Jungen ausdem Jemen<strong>in</strong><br />
Deutschland behandeln lassen zukönnen,<br />
sagten siespontan zu:„Wirs<strong>in</strong>dja<br />
durch die Enkel noch gut <strong>in</strong> Übung <strong>im</strong><br />
Umgang mit kle<strong>in</strong>en K<strong>in</strong>dern.“<br />
Nach allem, was die Pabsts über das<br />
Schicksal von Mohammed wissen, erlitt<br />
er die Brandverletzungen vor rund<br />
Seit derGründungdes Hammer Forums<br />
vor fast 22Jahren engagieren sich ehrenamtliche<br />
Teams <strong>in</strong>mehreren Krisenländern<br />
für die Verbesserung der mediz<strong>in</strong>ischen<br />
Infrastruktur <strong>in</strong>sbesondere für<br />
K<strong>in</strong>der: Sie br<strong>in</strong>gen beispielsweise ihr<br />
Know-how alsMediz<strong>in</strong>eroderPflegekräfte<br />
be<strong>im</strong> Aufbau von Gesundheitszentren,<br />
Geburtshäusern oder chirurgischen Abteilungen<br />
e<strong>in</strong>, besorgen mediz<strong>in</strong>ische<br />
Geräte und Medikamente. Sie schulen<br />
lokalesPersonal undverzichtenauf ihren<br />
Urlaub, um<strong>in</strong>Eritrea und Gu<strong>in</strong>ea, <strong>im</strong><br />
Jemen und Kongo selbst kranke K<strong>in</strong>der<br />
zu behandeln. In diesen Ländern unterstützt<br />
das Hammer Forum Gesundheitsstationen,<br />
<strong>in</strong> denen jährlich nicht nur<br />
rund 50.000 K<strong>in</strong>der basismediz<strong>in</strong>isch<br />
versorgt werden können, sondern viele<br />
auch durch Operationen vor dem Tod<br />
oder schweren Beh<strong>in</strong>derungen bewahrt<br />
werden. 2013 soll das Engagement auf<br />
Burk<strong>in</strong>a Faso, Sierra Leone und Süd-<br />
Sudan ausgeweitet werden.<br />
e<strong>in</strong>em dreiviertel Jahr. E<strong>in</strong> paar ältere<br />
K<strong>in</strong>der hatten wohl mit Papier gezündelt;<br />
die Flammen erfassten Mohammeds<br />
Kleidung.Mit schwersten Verbrennungen<br />
am Rücken und anden Armen<br />
wurde er <strong>in</strong>s Al-Thawra-Hospital von<br />
Taiz, der drittgrößten Stadt Jemens, e<strong>in</strong>geliefert.<br />
Alle F<strong>in</strong>ger der rechten Hand<br />
hatder Jungedurch denBrand verloren,<br />
an der l<strong>in</strong>ken Hand ist nur der kle<strong>in</strong>e<br />
F<strong>in</strong>ger unversehrt.R<strong>in</strong>gf<strong>in</strong>ger undDaumen<br />
s<strong>in</strong>d aber zum<strong>in</strong>dest größtenteils<br />
erhalten geblieben. Das ermöglicht es<br />
dem Dreie<strong>in</strong>halbjährigen <strong>in</strong>zwischen<br />
Hammer Forum: Hilfefür K<strong>in</strong>der<br />
Ist e<strong>in</strong>e erfolgreiche Behandlung schwerkranker<br />
K<strong>in</strong>der aufgrund mangelnder<br />
Voraussetzungen <strong>im</strong>He<strong>im</strong>atland nicht<br />
möglich, holt das Hammer Forum e.V.<br />
diese nach Europa. Dem geht, so Mitarbeiter<strong>in</strong><br />
Sabr<strong>in</strong>a Johanniemann, „e<strong>in</strong>e<br />
gründliche Abwägung voraus, was für<br />
das Wohl des K<strong>in</strong>des am besten ist“.<br />
Denn auch die mitunter monatelange<br />
Trennung ist für die K<strong>in</strong>der und ihre<br />
Familien e<strong>in</strong> harter Schritt. Für die<br />
Eltern Reise-, Unterkunfts- und Unterhaltskosten<br />
tragen zu müssen, würde<br />
jedoch die f<strong>in</strong>anziellen Möglichkeiten<br />
desVere<strong>in</strong>s sprengen. 1.700K<strong>in</strong>dern hat<br />
dieHilfsorganisation mitUnterstützung<br />
von Partnerkrankenhäusern und Gastfamilien<br />
bislang e<strong>in</strong>e Behandlung <strong>in</strong><br />
Europa ermöglicht.<br />
Hammer Forum e.V.<br />
Tel.: 02381/87172-0<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@hammer-forum.de<br />
www.hammer-forum.de<br />
14 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
Begeistert lässt<br />
Mohammed se<strong>in</strong> Auto<br />
dieParkhausrampe<br />
herunterflitzen. Trotz<br />
allem, was ererleiden<br />
musste,ist der<br />
Dreie<strong>in</strong>halbjährige<br />
e<strong>in</strong> fröhliches,<br />
aufgeschlossenesK<strong>in</strong>d –<br />
und sehr wissbegierig.<br />
Elisabeth und Dietrich<br />
Pabstfreuen sich<br />
über diegroßen<br />
Fortschritte, die<br />
der Junge macht.<br />
wieder allerhand zugreifen: den Löffel<br />
be<strong>im</strong> Essen, den dicken Buntstift zum<br />
Malen, Bauklötzeund Autos. VonTag zu<br />
Tagsetzt er se<strong>in</strong>el<strong>in</strong>ke Hand geschickter<br />
e<strong>in</strong>. Undauchse<strong>in</strong>e Hand-und Ellenbogengelenke<br />
werden <strong>im</strong>mer beweglicher.<br />
Begrenzte Möglichkeiten <strong>im</strong> Jemen<br />
Das alles ist nicht selbstverständlich.<br />
Schon die Tatsache, dass es <strong>in</strong> Taiz am<br />
Al-Thawra-Hospitalseit2003überhaupt<br />
e<strong>in</strong>e Spezialstation für <strong>Menschen</strong> mit<br />
Brandverletzungen gibt, ist dem Engagement<br />
des Hammer Forums zuverdanken.<br />
Doch die Behandlungsmöglichkeiten<br />
<strong>in</strong> dem armen, von politischen<br />
Unruhen erschütterten Land<br />
s<strong>in</strong>d äußerst dürftig. Um die schl<strong>im</strong>men<br />
Folgen der Verbrennungen für<br />
Mohammed bestmöglich zu begrenzen,<br />
beschloss das Hammer Forum,<br />
ihm die weitere mediz<strong>in</strong>ische Versorgung<br />
<strong>in</strong> Deutschland zu ermöglichen:<br />
<strong>im</strong> Zentrumfür Brandverletzungenam<br />
Kl<strong>in</strong>ikum Offenbach. „Als der Kle<strong>in</strong>e<br />
hier ankam, war se<strong>in</strong> rechter Unterarm<br />
gebeugt und ganz fest an den<br />
Oberarm herangezogen, sostarr war<br />
das Narbengewebe. Er konnte quasi<br />
nur das Schultergelenk bewegen“,<br />
erzählt Dietrich Pabst. „Mir s<strong>in</strong>d die<br />
Tränen gekommen, als Mohammed<br />
se<strong>in</strong>en Arm das erste Mal wieder strecken<br />
konnte“, sagt der68-Jährige. „Professor<br />
Menke und se<strong>in</strong> Team haben<br />
e<strong>in</strong>e tolle Arbeit geleistet.“<br />
Fördervere<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anziert Behandlung<br />
Mehrere Hauttransplantationen, Operationen<br />
und viele Stunden physiotherapeutischer<br />
und orthopädischer Behandlung<br />
waren nötig, umdiesen Erfolg<br />
zuerzielen. F<strong>in</strong>anziert wurde die<br />
Behandlung vom Fördervere<strong>in</strong> des<br />
Offenbacher Kl<strong>in</strong>ikums.<br />
Nach der Entlassung aus der Kl<strong>in</strong>ik ist<br />
Mohammed nun noch für e<strong>in</strong>ige Wochen<br />
beiden Pabstszuhause.InAlzenau<br />
haben sie zwei Physiotherapeut<strong>in</strong>nen<br />
gefunden,die unentgeltlichdie wichtige<br />
Anschlussbehandlung übernehmen.Die<br />
Bewegungs- und Dehnungsübungen,<br />
die sie mit Mohammed machen, s<strong>in</strong>d<br />
ebenso wie Massagen dr<strong>in</strong>gend nötig,<br />
um sicherzustellen, dass Muskeln und<br />
Sehnen nicht verhärten. „Wir hoffen,<br />
dass sich auch <strong>in</strong> Mohammeds He<strong>im</strong>at<br />
e<strong>in</strong>e Möglichkeit f<strong>in</strong>det, die physiotherapeutische<br />
und orthopädische Behandlung<br />
fortzusetzen“, sagt Elisabeth Pabst.<br />
„E<strong>in</strong> Kamel und e<strong>in</strong>e Kuh“<br />
Sobald es mediz<strong>in</strong>isch vertretbar ist<br />
undallenochwundenHautstellen verheilt<br />
s<strong>in</strong>d, soll Mohammed wieder zurück<br />
zu se<strong>in</strong>er Familie, der die Eheleute<br />
Pabst zwischenzeitlich über e<strong>in</strong>en<br />
Mittelsmann mit Internetanschluss<br />
Fotos schickten und berichteten, wie<br />
es ihremSohngeht. Dochsonst hatten<br />
sie ke<strong>in</strong>en Kontakt zu den Eltern. „Außer<br />
dass Mohammed noch e<strong>in</strong>en achtjährigen<br />
Bruder und e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>jährige<br />
Schwester hat, wissen wir nichts über<br />
die Familie –und dass sie e<strong>in</strong> Kamel<br />
und e<strong>in</strong>e Kuh haben. Das hat Mohammed<br />
erzählt.“ Aber das Wichtigste, das<br />
sagt ihnenihr Gefühl:„Mohammed ist<br />
ganz gewiss e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d, das von se<strong>in</strong>en<br />
Eltern sehr geliebt wird.“ Und das<br />
machtdie Trennung fürdie Großeltern<br />
auf Zeit e<strong>in</strong> bisschen weniger schwer.<br />
*<br />
Nachtrag: Mohammed ist <strong>in</strong>zwischen<br />
<strong>in</strong> Begleitung e<strong>in</strong>esjemenitischen Arztes<br />
wieder zurück <strong>in</strong>se<strong>in</strong>e He<strong>im</strong>at geflogen<br />
worden.<br />
Ulrike Bauer<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
15
Thema<br />
DenKörper<br />
neu kennenlernen:<br />
Die<br />
Gruppenübungen<br />
<strong>im</strong> Krankenhaus<br />
vonSarte helfen<br />
denjungen<br />
Haitianer<strong>in</strong>nen,<br />
ihre Beh<strong>in</strong>derung<br />
zu bewältigen.<br />
Foto:<br />
William Daniels<br />
Handicap<br />
International<br />
Handicap International macht<br />
<strong>Menschen</strong> mitBeh<strong>in</strong>derung Mut<br />
Kambodscha, Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a, Haiti, Mali: Seit mehr als 30Jahren leistet<br />
Handicap International humanitäre Hilfe für <strong>Menschen</strong> mit Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong><br />
Krisen-, Katastrophen- und Kriegsgebieten. Inzwischen ist die von zwei französischenÄrztengegründeteOrganisation<br />
<strong>in</strong> mehr als60Ländern aktiv. Diedeutsche<br />
Sektion widmet sich <strong>in</strong>sbesondere „der Lobby- und Sensibilisierungsarbeit zum<br />
Thema Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> der Entwicklungszusammenarbeit und Kampagnen<br />
gegen M<strong>in</strong>en und Streubomben“.<br />
Jerry ist e<strong>in</strong> unbeschwertes K<strong>in</strong>d.<br />
E<strong>in</strong> siebenjähriger Junge, der mit<br />
se<strong>in</strong>er Mutter und vier Geschwistern<br />
<strong>in</strong> Haitis Hauptstadt Port au Pr<strong>in</strong>ce<br />
lebt,als dieErde<strong>im</strong>Januar2010bebt. Das<br />
schwereErdbeben, dasmehrals 200.000<br />
<strong>Menschen</strong> das Leben kostete und über<br />
e<strong>in</strong>e halbe Million obdachlos machte,<br />
zerstörte auch dasHausvon Jerrys Familie.<br />
Zwei se<strong>in</strong>er Geschwister starben. Er<br />
selbst kammit e<strong>in</strong>eroffenen Wundeam<br />
Oberschenkel <strong>in</strong>s Krankenhaus. Die<br />
Wundeentzündetesich. DasBe<strong>in</strong>musste<br />
amputiert werden. „Als ich Jerry <strong>in</strong><br />
Tränen ausbrechen sah, nahm ich mir<br />
die Zeit, ihm zuerklären, was e<strong>in</strong>e Prothese<br />
ist“, berichtet Physiotherapeut<strong>in</strong><br />
Vivianeauf derHomepagevon Handicap<br />
International. Schon e<strong>in</strong>en Tag später<br />
macht Jerry erste Gehversuche. Heute<br />
kann derZehnjährige wieder laufen und<br />
mit Freunden spielen. Erträgt e<strong>in</strong>e Prothese<br />
–angefertigt <strong>im</strong> Rehabilitationsund<br />
Orthopädiezentrum von Champ de<br />
Mars. Bis erausgewachsen ist, wird sie<br />
regelmäßig angepasst.<br />
BereitszweiMonatenachdem BebeneröffneteHandicapInternational<br />
<strong>in</strong> Kooperation<br />
mit Heal<strong>in</strong>g Hands for Haiti <strong>in</strong><br />
Port au Pr<strong>in</strong>ce das Rehabilitations- und<br />
Orthopädiezentrum. „Bis heute besteht<br />
das Team aus nationalen und <strong>in</strong>ternationalen<br />
Mitarbeitern“, sagt Dr. Eva-Maria<br />
Fischer, Leiter<strong>in</strong> der Kampagnen- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit der deutschen Sektion.<br />
Und die nationalen Helfer werden<br />
<strong>im</strong>mer mehr: Denn Handicap International<br />
bildet e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische Kräfte für die<br />
Arbeit <strong>in</strong> dem Zentrum aus –viele von<br />
ihnenhaben selbst e<strong>in</strong>e Beh<strong>in</strong>derung.<br />
<strong>Menschen</strong> für Gefahren sensibilisieren<br />
„Alle unsere Kräfte s<strong>in</strong>d <strong>im</strong><strong>E<strong>in</strong>satz</strong>“,<br />
meldet Handicap International am 23.<br />
Januar 2013,während französische und<br />
16 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
malische Truppen <strong>im</strong>Norden des afrikanischen<br />
Landes gegen Rebellen<br />
kämpfen. „Es muss sehr schnellgehandelt<br />
werden, und zwar noch bevor die<br />
<strong>Menschen</strong>,die <strong>im</strong> Landes<strong>in</strong>nern aufder<br />
Flucht s<strong>in</strong>d, nach Hause zurückkehren“,<br />
sagt Marc Vaernewyck, der Programmverantwortliche<br />
für Mali. Denn<br />
der Rückweg ist lebengefährlich: überall<br />
können Waffen und Sprengkörper<br />
herumliegen. MitAufklärungskampagnen<br />
sensibilisiert Handicap International<br />
die <strong>Menschen</strong> für die Risiken „verdächtiger<br />
Gegenstände“ und hofft,<br />
„baldmöglichst mit den M<strong>in</strong>en-Aufräumungsarbeiten<br />
beg<strong>in</strong>nen zukönnen“.<br />
Rehabilitationszentren schaffen<br />
neue Perspektiven<br />
Auch wenn „der <strong>E<strong>in</strong>satz</strong> <strong>in</strong><strong>Not</strong>situationen,<br />
etwa nach Naturkatastrophen<br />
oder bewaffneten Ause<strong>in</strong>andersetzungen,<br />
zu e<strong>in</strong>em<strong>im</strong>mer wichtigeren<strong>E<strong>in</strong>satz</strong>bereich<br />
wird“, wie es <strong>im</strong> Jahresberichtvon<br />
Handicap Internationalheißt,<br />
sieht die Organisation ihre Hauptaufgabe<br />
<strong>in</strong> derkont<strong>in</strong>uierlichenUnterstützung,<br />
die <strong>Menschen</strong> mit Beh<strong>in</strong>derung<br />
als „weltweit größte M<strong>in</strong>derheit“ benötigen.<br />
Dazu gehören der Aufbau von<br />
Rehabilitationszentren und Werkstätten<br />
für e<strong>in</strong>fache Orthopädiegeräte, die aus<br />
regional verfügbaren Materialien wie<br />
Bambus hergestellt werden können.<br />
Aber auch die Ausbildung e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ischer<br />
Techniker, die enge Zusammenarbeit<br />
mit örtlichen Vere<strong>in</strong>en und<br />
Behörden und Vorsorgemaßnahmen<br />
wie Impfungen und Aufklärungskampagnen.<br />
Ziel all dieser Aktivitäten ist<br />
es, die Lebenssituation von <strong>Menschen</strong><br />
mit Beh<strong>in</strong>derung zu verbessern, wie<br />
Eva-Maria Fischer betont, die 1998<br />
Handicap International Deutschland<br />
mitgegründet hat.<br />
M<strong>in</strong>en-Räumungsprogramme <strong>in</strong><br />
Bosnien und Herzegow<strong>in</strong>a<br />
Die jüngsten Kämpfe <strong>in</strong> Mali lassen<br />
vergangene Kriege und ihre Folgen <strong>in</strong><br />
den H<strong>in</strong>tergrund treten. Doch <strong>in</strong>Bosnien<br />
und Herzegow<strong>in</strong>a, wo es seit 15<br />
Jahren ke<strong>in</strong>e kriegerischen Ause<strong>in</strong>andersetzungen<br />
mehr gibt, drohen den<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>im</strong>mer noch täglich tödliche<br />
Gefahren durch Landm<strong>in</strong>en –vor<br />
allemden K<strong>in</strong>dern. „Die F<strong>in</strong>anzierung<br />
der Räumungsprogramme <strong>in</strong>Bosnien<br />
und Herzegow<strong>in</strong>a war daher <strong>im</strong>mer<br />
schon e<strong>in</strong> Schwerpunkt für Handicap<br />
International, <strong>in</strong>sbesondere des deutschenVere<strong>in</strong>s“,<br />
sagt Eva-MariaFischer.<br />
So bildeteHandicapInternational 2011<br />
mehrere lokale Räumungsorganisationen<br />
aus, die <strong>in</strong> besonders stark gefährdeten<br />
Geme<strong>in</strong>den aktiv s<strong>in</strong>d. Die M<strong>in</strong>enrisikoaufklärung<br />
wurde <strong>in</strong> den Unterrichtslehrplan<br />
aufgenommen. Handicap<br />
International macht sie aber auch<br />
<strong>in</strong> deutschen Schulen zum Thema.<br />
Aktive Lobby- und Netzwerkarbeit leistet<br />
Handicap International <strong>in</strong> Deutschland<br />
durch e<strong>in</strong> umfangreiches Veranstaltungsangebot<br />
<strong>im</strong> Rahmen des Projekts„Com<strong>in</strong>“.Esist<br />
speziell fürFlüchtl<strong>in</strong>ge<br />
mit Beh<strong>in</strong>derung oder chronischerErkrankungkonzipiertund<br />
bietet<br />
Weiterbildung vom Englisch-Konversationstra<strong>in</strong><strong>in</strong>g<br />
über Gitarrenunterricht<br />
bis zum Computerkurs. „Com<strong>in</strong>“, so<br />
Eva-Maria Fischer: „soll auf die desaströse<br />
Situation der Flüchtl<strong>in</strong>ge und<br />
Migrant<strong>in</strong>nen mit Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong><br />
Deutschland aufmerksam machen.“<br />
Und helfen, sie zuverbessern.<br />
Cor<strong>in</strong>na Willführ<br />
Kontakt<br />
Handicap Internationale.V.<br />
Ganghoferstraße19<br />
80339 München<br />
Tel.: 089/5476060<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@handicap-<strong>in</strong>ternational.de<br />
www.handicap-<strong>in</strong>ternational.de<br />
Schneller <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>,langer Atem<br />
Die Devisevon Help: Hilfe zur Selbsthilfe<br />
Anfangsg<strong>in</strong>g es um Überlebenshilfe. Zu Beg<strong>in</strong>n der80erJahre lebten<br />
drei Millionen afghanische Flüchtl<strong>in</strong>ge unter menschenunwürdigen<br />
Bed<strong>in</strong>gungen<strong>in</strong>Lagern. Um ihnenzuhelfen, gründetenBundestagsabgeordnete,<br />
Wissenschaftler und Kirchenvertreter den Vere<strong>in</strong> Help.<br />
Heute leistet Help weltweit <strong>Not</strong>und<br />
Katastrophenhilfe und<br />
hilft längerfristig be<strong>im</strong> Wiederaufbau<br />
und der Entwicklung. Vor<br />
allem fördert der Vere<strong>in</strong> die Anstrengungen<br />
der <strong>Menschen</strong>, ihre Lebensumstände<br />
aus eigener Kraft zuverbessern.<br />
Soauch <strong>in</strong>Afrika, wo die Ernährungssicherung<br />
e<strong>in</strong> Schwerpunkt ist.<br />
E<strong>in</strong> Heuschreckenschwarm kann b<strong>in</strong>nenStunden<br />
e<strong>in</strong>Feldkahlfressen. In der<br />
Sahelzone gab es 2004 erst e<strong>in</strong>e Dürre<br />
und dann kamen die Heuschrecken >><br />
In der Region Kwekwe <strong>in</strong><br />
S<strong>im</strong>babwe pflanztFasc<strong>in</strong>ation<br />
Sibanda Baumsetzl<strong>in</strong>ge.Die<br />
Eucalyptusart wächst schnell.<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
17
Thema<br />
und fraßen den mickrigen Rest der<br />
Ernte. Millionen <strong>Menschen</strong> hungerten.<br />
Länder wie Niger, Burk<strong>in</strong>a Faso<br />
undMalibaten dieVere<strong>in</strong>ten Nationen<br />
um Hilfe. Das warder Auslöser fürdie<br />
Organisation Help –Hilfe zur Selbsthilfe<br />
e.V., <strong>in</strong> der Sahelzone aktiv zu<br />
werden,erst <strong>im</strong> Niger, dann <strong>in</strong> Burk<strong>in</strong>a<br />
Faso. Die Ernährung sichern und die<br />
Gesundheitsversorgung verbessern –<br />
diese Ziele verfolgt Help bis heute <strong>in</strong><br />
mehreren Ländern Afrikas.<br />
E<strong>in</strong>e Schale Hirse pro Tag. Sie macht<br />
nicht satt, aber sie verh<strong>in</strong>dert, dass e<strong>in</strong><br />
Mensch verhungert.Als 2005 dieHungersnot<br />
<strong>in</strong>der Sahelzone amgrößten<br />
war, verteilte auch Help Hirsesäcke,<br />
um die <strong>Menschen</strong> mit M<strong>in</strong>destrationen<br />
zu versorgen. Im vorigen Jahr<br />
konnte e<strong>in</strong>e weitere Hungersnot abgewendet<br />
werden, weil Help und andere<br />
Organisationen rechtzeitig reagierten:<br />
So unterstützteder Vere<strong>in</strong> Help <strong>in</strong> Burk<strong>in</strong>a<br />
Faso 4.200 Haushalte mit Hirserationen,<br />
die er zu subventionierten<br />
Preisen verkaufte und an mittellose<br />
<strong>Menschen</strong> kostenlos verteilte. Der Erlös<br />
dient den Dorfgeme<strong>in</strong>schaften nun<br />
als Rücklage für künftige Krisen.<br />
Süßkartoffel-Anbau <strong>in</strong>S<strong>im</strong>babwe<br />
Fotos: Help –Hilfe zur Selbsthilfe e.V.<br />
Gleichzeitig hilft Help den Kle<strong>in</strong>bauern,<br />
sich gegenErnteausfälle undhohe<br />
Nahrungsmittelpreise zuwappnen.<br />
Schutz vor Spekulanten<br />
Schnell helfen und langfristige Perspektiven<br />
geben –das ist e<strong>in</strong> Grundsatz von<br />
Help. Bei humanitären Krisen reagiert<br />
die Hilfsorganisation meist <strong>in</strong>nerhalb<br />
von 24Stunden, nach Krisen hat sie e<strong>in</strong>en<br />
langen Atem. InBosnien und Herzegow<strong>in</strong>a<br />
ist sie bis heute aktiv, auch <strong>im</strong><br />
Iran. InS<strong>im</strong>babwe arbeitet Help schon<br />
seit 20 Jahren. E<strong>in</strong> Pr<strong>in</strong>zip bei allen Projekten<br />
lautet: Hilfe zurSelbsthilfe.<br />
So baut Help <strong>in</strong> Burk<strong>in</strong>a Faso zum<br />
Beispiel Getreidespeicher. Weil diese<br />
Lagerbisherfehlen, verkaufendie Kle<strong>in</strong>bauern<br />
ihrGetreidegleichnachder Ernte,<br />
erklärt Henn<strong>in</strong>g Kronenberger, der<br />
für Projekte <strong>in</strong>Niger und Burk<strong>in</strong>a Faso<br />
zuständigist.Weildas fast alle tun, s<strong>in</strong>d<br />
diePreiseniedrig.Käuferwiederums<strong>in</strong>d<br />
häufigSpekulanten.Sie lagern dieErnte,<br />
warten ab, bis die Reserven verbraucht<br />
s<strong>in</strong>d undverkaufen dann dieHirse teuer.<br />
Kronenberger: „Die Bauern kaufen zu<br />
hohen Preisen das Getreide zurück, das<br />
sie zuvor zuniedrigen Preisen verkauft<br />
haben.“ Die Getreidespeicher durchbrechen<br />
diesen Teufelskreis. Help baut sie,<br />
hilftden Kle<strong>in</strong>bauern, Genossenschaften<br />
zu bilden, die ihr Getreide geme<strong>in</strong>sam<br />
lagern, und schult Dorfbewohner, die<br />
Getreidespeicher zu verwalten.<br />
Gemüseanbau sichert die Ernährung<br />
Hilfezur Selbsthilfegel<strong>in</strong>gtnur,wenn<br />
lokale Gruppen oder Geme<strong>in</strong>den die<br />
Projekte mitplanen. „Es gibt <strong>im</strong>mer<br />
Gruppen, die sich sehr engagieren“,<br />
sagt Henn<strong>in</strong>g Kronenberger. Soist es<br />
auch bei der Umstellung auf alternative<br />
Anbaumethoden. Sie ersetzen die<br />
Hirse-Monokultur, die nur mit aggressivem<br />
<strong>E<strong>in</strong>satz</strong> von chemischem Dünger<br />
durchzuhalten ist. InNiger etwa<br />
lernen Gruppen von Dorfbewohnern<br />
zu kompostieren. Sie bauen jenseits<br />
derHirsesaison aufihren ParzellenTomaten,<br />
Möhren und Kohl an. Der<br />
Fruchtwechsel lässt den Boden nahrhafter<br />
werden und ernährt die Familien.<br />
Um das Gemüse zu bewässern,<br />
setzt Help Brunnen <strong>in</strong>stand oder baut<br />
sie neu und schult die Dorfbewohner<br />
<strong>in</strong> deren Wartung. „Inzwischen werdenmit<br />
alternativen ProduktenordentlicheErträge<br />
erzielt, so dass derAnbau<br />
<strong>in</strong> der Gegensaison <strong>im</strong>mer beliebter<br />
wird“, berichtet Henn<strong>in</strong>g Kronenberger.<br />
E<strong>in</strong>ige bauten sogar <strong>in</strong>der Hirsesaison<br />
lieber Gemüse an.<br />
2011 hat Help 83Projekte <strong>in</strong>17Ländern<br />
durchgeführt. <strong>Not</strong>hilfe, Ernährungssicherung,<br />
Gesundheit, Wasser, Wiederaufbau,Existenzsicherung<br />
–das s<strong>in</strong>d die<br />
Zieleder Projekte.Der Vere<strong>in</strong> hattedafür<br />
e<strong>in</strong> Gesamtbudget von fast 30Millionen<br />
Euro zur Verfügung, e<strong>in</strong> Fünftel davon<br />
s<strong>in</strong>d Spenden, der Rest s<strong>in</strong>d Zuwendungen.<br />
Die landwirtschaftlichen Programme<br />
<strong>in</strong> Niger zum Beispiel unterstützen<br />
die Vere<strong>in</strong>ten Nationen. In S<strong>im</strong>babwe<br />
förderndas Bundesm<strong>in</strong>isteriumfür wirtschaftliche<br />
Zusammenarbeit und Entwicklung<br />
(BMZ) und die Europäische<br />
Union die Programme zur Ernährungssicherung<br />
und Landwirtschaft. Dort ist<br />
Help seitüber20Jahrenaktiv.<br />
Umweltschonende Anbaumethoden<br />
Alle<strong>in</strong> seit 2010 hatder Vere<strong>in</strong> <strong>in</strong> S<strong>im</strong>babwe<br />
mehr als 100.000 Kle<strong>in</strong>bauern mit<br />
Saatgut und Dünger versorgt. Sie leben<br />
<strong>in</strong> trockenenAnbauregionen mitschlechten<br />
Böden, <strong>in</strong> denen das GrundnahrungsmittelMaiskaumgedeiht.Die<br />
Helfer<br />
verteilten daher die trockenresistente<br />
Hirsesorte Sorghum und tra<strong>in</strong>ieren mit<br />
den Kle<strong>in</strong>bauern umweltschonende Anbaumethoden,<br />
das sogenannte „Conservation<br />
Farm<strong>in</strong>g“: Sie säen das Getreide<br />
nicht e<strong>in</strong>fach aus, sondern arbeiten das<br />
Saatgutaufwendig <strong>in</strong> denBoden e<strong>in</strong>und<br />
bedecken ihn mit Stroh und Reisig. So<br />
hält sich dieFeuchtigkeit<strong>im</strong>Boden.<br />
Ganz werden die<strong>Menschen</strong><strong>in</strong>S<strong>im</strong>babwe<br />
nie auf ihren geliebten Mais verzichten,<br />
sagt Birgitte Schulze, die bei<br />
Help für das Land zuständig ist: „Aber<br />
wenn der Mais mickrig auf dem Feld<br />
steht und daneben das Sorghum hoch<br />
<strong>im</strong> Halm, dann sehen sie den Erfolg.“<br />
Gerl<strong>in</strong>de Geffers<br />
Kontakt<br />
Help –Hilfe zurSelbsthilfe e.V.<br />
Reuterstr. 159<br />
53113Bonn<br />
Tel.: 0228/91529-0<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@help-ev.de<br />
www.help-ev.de<br />
18 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
Jede<br />
Oma<br />
zählt<br />
In Afrika ziehen<br />
Großmütter Millionen<br />
vonK<strong>in</strong>dern groß,die<br />
durchAidszuWaisen<br />
gewordenen s<strong>in</strong>d.<br />
HelpAgeunterstützt<br />
vieledieserstillen<br />
Held<strong>in</strong>nen.<br />
Über dendemografischen Wandel wird <strong>in</strong> Deutschland meist <strong>im</strong> Zusammenhang<br />
mit dem drohenden Pflegenotstand debattiert. Dass das Altern der Bevölkerung<br />
die Gesellschaften weltweit vor große Herausforderungen stellt, ist dagegen bislang<br />
kaum <strong>in</strong> der öffentlichen Wahrnehmung angekommen. HelpAge engagiert<br />
sich für die Rechte älterer <strong>Menschen</strong> –nicht nur –<strong>in</strong>Entwicklungsländern.<br />
Als am 30. September 2012 der<br />
Startschuss für den 39. Berl<strong>in</strong>-<br />
Marathon fällt, gehen auch 70<br />
Männer und Frauen auf die Strecke,<br />
dieauf ihrenLauf-Shirts dieAufschrift<br />
„Jede Oma zählt“ tragen. Sie machen<br />
damit auf Hunderttausende Großmütter<br />
<strong>in</strong>Afrika aufmerksam, die „täglich<br />
e<strong>in</strong>en wahren Marathon h<strong>in</strong>ter sich<br />
br<strong>in</strong>gen müssen, um ihre durch Aids<br />
zu Waisen gewordenen Enkelk<strong>in</strong>derzu<br />
versorgen“. Das Team aufgestellt hat<br />
HelpAge Deutschland. Die Hilfsorganisation<br />
mit Sitz <strong>in</strong>Osnabrück ist seit<br />
2005 e<strong>in</strong>gebunden<strong>in</strong>e<strong>in</strong> Netzwerk von<br />
Nichtregierungsorganisationen,das sich<br />
weltweit für alte <strong>Menschen</strong> engagiert<br />
– mit dem Ziel, alten <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong><br />
Entwicklungsländern e<strong>in</strong> würdevolles<br />
Leben ohne Armut zu ermöglichen<br />
und zugleich ihr Wissen für zukünftige<br />
Generationen zu bewahren.<br />
„2030 wird esweltweit mehr alte <strong>Menschen</strong><br />
über 65Jahre geben als K<strong>in</strong>der<br />
unterfünf. Bereitsheute bedeutet fürdie<br />
große Mehrheit der etwa 740Millionen<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> Entwicklungsländern alt<br />
zu se<strong>in</strong> auch armzuse<strong>in</strong>“,stelltMichael<br />
Büntefest.Die meisten vonihnen,soder<br />
Geschäftsführer von HelpAge Deutschland,<br />
haben weder e<strong>in</strong>e Rente noch e<strong>in</strong>e<br />
Krankenversicherung. H<strong>in</strong>zu komme,<br />
dass <strong>in</strong> den Entwicklungsländern der<br />
überwiegende Teil der Budgets <strong>im</strong> Gesundheitswesen<br />
fürdie Behandlung von<br />
Infektionskrankheiten wie Malaria oder<br />
Aids verwendetwerde;für Schlaganfall-,<br />
Herz<strong>in</strong>farkt- oder Demenz-Patienten<br />
stünden h<strong>in</strong>gegen kaum Mittel zur Verfügung.<br />
Auf dem Kongress „Strengthen<strong>in</strong>g<br />
the rights ofolder people worldwide“,<br />
den HelpAge voriges Jahr organisierte,g<strong>in</strong>gesabernicht<br />
nurumProbleme<br />
wie diese, sondern auch umWissen<br />
und Fähigkeiten, die Senioren <strong>in</strong>Tansania,<br />
Nepal oder Peru den folgenden<br />
Generationen vermitteln können.<br />
Vielfalt des Saatsguts erhalten<br />
Die „Kartoffelspuren“ führen zur Asociacion<br />
Pacha Uyway nach Peru. Mit<br />
Unterstützungder Deutschen Bundesstiftung<br />
Umwelt und der niedersächsischen<br />
B<strong>in</strong>go-Umweltstiftung fördert<br />
HelpAge Deutschland e<strong>in</strong> Bildungsund<br />
Öffentlichkeitsprojekt, damit das<br />
Wissen <strong>in</strong>dianischer Kle<strong>in</strong>bauern >><br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
19
Thema<br />
über die Vielfalt des Saatguts <strong>in</strong> den<br />
Bergenvon Huanta nichtverlorengeht.<br />
Gab es<strong>in</strong>der Region vor wenigen Jahren<br />
noch 500 Kartoffelsorten, s<strong>in</strong>d es<br />
heute gerade noch 80. „Nur wenn es<br />
gel<strong>in</strong>gt, das alte Wissen andie K<strong>in</strong>der<br />
weiterzugeben, können sich die Quechua<br />
auch <strong>in</strong> Zukunft gesund und unabhängig<br />
vom Weltmarkt ernähren“,<br />
heißt es<strong>in</strong>der Projektbeschreibung.<br />
Seit 2007 ist HelpAge Deutschland <strong>in</strong><br />
Bangladesch, e<strong>in</strong>emder ärmstenLänder<br />
der Welt, vertreten. Als es nach dem<br />
Zyklon „Sidri“ zuverheerenden Überschwemmungen<br />
kommt, leistet Help-<br />
AgezunächstAkuthilfe.Dochdie Organisation<br />
zieht sich danach nicht zurück,<br />
sondernbautmit Hilfedes Auswärtigen<br />
Amts e<strong>in</strong> Krisenpräventionsprogramm<br />
auf. Das Besondere: Nachdem sie <strong>im</strong><br />
Katastrophenschutz ausgebildet wurden,<br />
s<strong>in</strong>d es Senior<strong>in</strong>nenund Senioren, die<strong>in</strong><br />
Komitees Pläneerarbeiten, wie<strong>in</strong>sbesondere<br />
älteren <strong>Menschen</strong> bei erneuten Naturkatastrophen<br />
geholfen werden kann.<br />
„Denndiese s<strong>in</strong>d wenigermobil,körperlich<br />
schwächer und werden bei Hilfemaßnahmen<br />
regelmäßig übersehen.“<br />
Stille Held<strong>in</strong>nen<br />
Übersehen werden <strong>Menschen</strong> über 60<br />
aber nicht nur, wenn sie <strong>in</strong> besonderen<br />
<strong>Not</strong>situationen Hilfe brauchen, sondern<br />
auch,wennsie selbst Hilfeleisten.Durch<br />
Aids s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Afrikazwölf Millionen K<strong>in</strong>der<br />
zuWaisen geworden. Ihr Überleben<br />
hängt „<strong>im</strong>mer häufiger von den Großmüttern<br />
ab, weil andere Familienbande<br />
durch die Krankheit zerstört wurden“,<br />
sagt EntwicklungsexperteBünte. Fürdie<br />
„stillen Held<strong>in</strong>nen“ des schwarzen Kont<strong>in</strong>ents<br />
hat HelpAge die Aktion „Jede<br />
Oma zählt“ <strong>in</strong>s Leben gerufen. Ziel ist<br />
es, „den Frauen e<strong>in</strong> regelmäßiges E<strong>in</strong>kommen<br />
zu ermöglichen, sie für die<br />
Pflegeder Infizierten fit zu machen,ihre<br />
eigene Gesundheit zu verbessern und<br />
ihren Enkelk<strong>in</strong>dern e<strong>in</strong>en Schulbesuch<br />
zu ermöglichen.“<br />
Soforthilfe <strong>in</strong>Ostafrika<br />
Dahaba MusalMum<strong>in</strong> ist 95 Jahr alt. Ihr<br />
ganzes Leben lang hat sich die Frau, die<br />
40 Enkelk<strong>in</strong>derhat,umdie R<strong>in</strong>derherde<br />
ihrer Familie gekümmert. Die Dürre,<br />
dieihreHe<strong>im</strong>atKenia he<strong>im</strong>gesuchthat,<br />
hat nur drei Tiere überleben lassen.<br />
Der alten Frau geht esgesundheitlich<br />
schlecht: Sie leidet an Asthma und Demenz,<br />
sagt ihre Tochter. 50Dollar monatlich<br />
würde die Behandlung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Krankenhaus kosten. Geld, das die Familienicht<br />
hat. HelpAgesorgt <strong>in</strong> Kooperation<br />
mit anderen Hilfsorganisationen<br />
dafür, dass Mum<strong>in</strong> sauberes Tr<strong>in</strong>kwasser<br />
und Nahrungsmittel erhält. Sowie<br />
43.000 weitere <strong>Menschen</strong>, davon 5.000<br />
ältere, <strong>in</strong>der Region Mandera <strong>in</strong>dem<br />
afrikanischen Staat, der von der größten<br />
Dürre seit 60Jahren betroffen ist.<br />
Mit vielen unterschiedlichen Aktionen<br />
machtHelpAge Deutschland hierzulande<br />
auf die <strong>Not</strong> der <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> Afrika<br />
undAsien aufmerksam.InNiedersachsenhat<br />
derVere<strong>in</strong>e<strong>in</strong> Schulprojekt zum<br />
„Leben zwischen Generationen und<br />
Kulturen“ auf den Weg gebracht.<br />
MichaelBünte freutsichüberdie zunehmende<br />
Spendenbereitschaft für se<strong>in</strong>e<br />
Organisation <strong>in</strong> der Bevölkerung. Doch<br />
vor allem, soder Entwicklungsexperte,<br />
sei für das Anliegen der Nichtregierungsorganisation<br />
e<strong>in</strong>Umdenken<strong>in</strong>der<br />
(Entwicklungs-)Politik nötig. „Die <strong>in</strong>ternationale<br />
Politik muss endlich vorausschauende<br />
Konzepte für die alternden<br />
Gesellschaften <strong>in</strong> den Entwicklungsund<br />
Schwellenländern entwickeln und<br />
sich für e<strong>in</strong>e UN-Konvention für ältere<br />
<strong>Menschen</strong> und e<strong>in</strong>en Sonderberichterstatter<br />
bei den Vere<strong>in</strong>ten Nationen e<strong>in</strong>setzen.“<br />
Cor<strong>in</strong>na Willführ<br />
Kontakt<br />
HelpAgeDeutschland e.V.<br />
Alte Synagogenstraße2<br />
49078 Osnabrück<br />
Tel.: 0541/5805404<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@helpage.de<br />
www.helpage.de<br />
Hilfe, die etwas verändert<br />
K<strong>in</strong>derhilfswerk Stiftung Global-Care setzt auf Partnerschaft<br />
Wie häufig bei NGOs, brachte e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zelne Person den Ste<strong>in</strong> <strong>in</strong>s Rollen. Vorfast<br />
40 Jahren lasHans-Jürgen Pechmann e<strong>in</strong>enBericht über e<strong>in</strong><strong>in</strong>disches K<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>Not</strong>.<br />
Er wollte helfen. Erfuhr selbst nach Indien. Er motivierte Freunde, auch zu helfen,<br />
und gründete e<strong>in</strong> K<strong>in</strong>derhilfswerk, das heute Global-Care heißt und <strong>in</strong>20Ländern<br />
aktiv ist –mit Patenschaften für K<strong>in</strong>der, mit Projekten und mit Katastrophenhilfe.<br />
In Haiti bebt die Erde, <strong>in</strong> Pakistan<br />
setzt der Monsunregen alles unter<br />
Wasser, <strong>in</strong>Japan überrollt e<strong>in</strong> Tsunami<br />
dasLandund lässtNuklearkerne<br />
schmelzen.Das Fernsehenzeigt Bilder<br />
von <strong>Menschen</strong>, die obdachlos, verletzt,<br />
traumatisierts<strong>in</strong>d. Wenn dasTeamvon<br />
Global-Care solche Bilder sieht, gehen<br />
allen automatisch Fragen durch die<br />
Köpfe: S<strong>in</strong>d wirdorttätig?Und:Welche<br />
Hilfe können wir leisten? Das K<strong>in</strong>derhilfswerkStiftungGlobal-Care<br />
hilftmit<br />
knapp drei Millionen Euro E<strong>in</strong>nahmen<br />
jährlich bedürftigen K<strong>in</strong>dern und Familien,<br />
Schulprojekten, Waisenhäusern<br />
oder Krankenstationen auf vier Kont<strong>in</strong>enten.Flugzeuge<br />
voller Hilfsgüter kann<br />
die Organisation nicht auf die Reise<br />
20 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
Die K<strong>in</strong>der blicken hoffnungsvoll <strong>in</strong> die Zukunft.Imsüdlichen Punjab entstehen<br />
nach der Flutneue Häuser. Foto: K<strong>in</strong>derhilfswerk Global-Care<br />
Starthilfe für Projekte<br />
Entwicklungshilfe bedeutet Partnerschaft,<br />
lautet e<strong>in</strong>er der Grundwerte des<br />
K<strong>in</strong>derhilfswerks Stiftung Global-Care.<br />
DieOrganisation arbeitet partnerschaftlich<br />
mit Kirchen, Vere<strong>in</strong>en und Initiativen<br />
zusammen. Geme<strong>in</strong>sam entwickeln<br />
sie Projekte, die dem Bedarf entsprechen<br />
und Selbsthilfe stärken. So<br />
wollte das haitianische Krankenhaus<br />
haltbare Prothesen aus Carbonfaserverstärktem<br />
Kunststoff selbst herstellen.<br />
Das K<strong>in</strong>derhilfswerk Global-Care<br />
ließ sich <strong>in</strong> <strong>in</strong>tensiven Gesprächen<br />
überzeugen. Esf<strong>in</strong>anzierte aus Spendendie<br />
Schulungvon lokalenFachkräften<br />
durch e<strong>in</strong>en Orthopädietechniker.<br />
Inzwischen ist auch e<strong>in</strong>e Optiker-Werkstattentstanden.<br />
Im Sommer beg<strong>in</strong>nen<br />
die Schulungen. Und die Arbeit von<br />
Global-Careendet.„Wirgeben dieStarthilfe“,<br />
erklärt Beate Tohmé: „So ist das<br />
häufig.“ Zum<strong>in</strong>dest, wenn esumKatastrophenhilfe<br />
geht. Etlichen Projekten<br />
und vor allem den Patenk<strong>in</strong>dern hilft<br />
Global-Care dagegen langfristig.<br />
schicken. Wohl aber punktuell helfen.<br />
„UnsereProjektpartnervor Ortwissen,<br />
was passiert ist, und melden uns, was<br />
nötig ist“, sagt Beate Tohmé, die bei<br />
Global-Care für Projekte zuständig ist.<br />
Als 2010 e<strong>in</strong> Fünftel Pakistans unter<br />
Wasser stand, meldete sich zum Beispiel<br />
„PakCare“, e<strong>in</strong> Partner, der schon<br />
viele Projekte geschultert hat. Er verteilte<br />
Hilfsgüter und betreute später<br />
den Bau von e<strong>in</strong>fachen Ste<strong>in</strong>häusern,<br />
um Witwen, beh<strong>in</strong>derten <strong>Menschen</strong><br />
und mittellosen Familien e<strong>in</strong> neues<br />
Zuhause zugeben. Die 118 Familien<br />
packten be<strong>im</strong> Bau der Häuser mit an.<br />
Knapp 400.000 Euro kostete die Hilfe.<br />
Kontakt über Kirchen<br />
In Haiti war das K<strong>in</strong>derhilfswerk vor<br />
demErdbeben<strong>im</strong>Jahr2010nochnicht<br />
tätiggewesen,kam aber über e<strong>in</strong>Netzwerk<br />
von Kirchen schnell <strong>in</strong>Kontakt.<br />
So erfuhr es von e<strong>in</strong>em Krankenhaus,<br />
das dr<strong>in</strong>gend Hilfe benötigte, und von<br />
Kirchengeme<strong>in</strong>den, die sich um obdachlose<br />
Familien und verwaiste K<strong>in</strong>der<br />
kümmerten. Soschnell wie möglich<br />
schickte Global-Care e<strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>ischesTeamund<br />
verteilteNahrungsmittel<br />
und Hygieneartikel. Beate Tohmé<br />
besuchte dieneuen Partnerselbst.Aus<br />
den Medien wusste sie von Unruhen<br />
und Ausschreitungen, sobald Hilfsgüter<br />
verteilt wurden. Auf dem Gelände<br />
der Medical Cl<strong>in</strong>ic at St. Ard aber warteten<br />
die <strong>Menschen</strong> geduldig. „Es gab<br />
nicht e<strong>in</strong>mal Geschubse“, sagt Tohmé.<br />
Sie erklärt sich das damit, das e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische<br />
Organisationen und nicht ausländische<br />
Teams die Hilfsgüter verteilt<br />
hätten: „Wenn der Pfarrer dabei ist, ist<br />
dase<strong>in</strong> Garant,dassalles funktioniert“.<br />
Spender rechnen mit Global-Care<br />
Spenden für die Katastrophenhilfe wirbt<br />
Global-Care über Newsletter und Briefe.<br />
VieleSpender gucken auch selbst aufder<br />
Homepage nach oder rufen an, weil sie<br />
helfen möchten. Beate Tohmé erzählt:<br />
„MancheLeute spenden, ohne zu wissen,<br />
ob wiraktiv werden.Sie rechnendamit.“<br />
So war esauch, als <strong>in</strong>Fukush<strong>im</strong>a die<br />
Erde bebte und e<strong>in</strong>e zehn Meter hohe<br />
Tsunami-Welle dasLandverwüstete. Für<br />
Global-Careist klar: Das K<strong>in</strong>derhilfswerk<br />
will den K<strong>in</strong>dern <strong>im</strong> Katastrophengebiet<br />
helfen. Der Asiendirektor erfährt von e<strong>in</strong>er<br />
K<strong>in</strong>dertagesstätte <strong>in</strong> Kamaishi, die<br />
der Tsunami zermalmt hat. Er reist <strong>in</strong><br />
das Katastrophengebiet. Alle 80 Babys<br />
und Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong>der leben. Wie durch e<strong>in</strong><br />
Wunder hatten es dieBetreuer<strong>in</strong>nen und<br />
Lehrkräfte geschafft, sie aus dem Mittagsschlaf<br />
zu reißen, zehn Babys <strong>in</strong> drei<br />
K<strong>in</strong>derwagenzustopfen unddie anderen<br />
K<strong>in</strong>der noch <strong>in</strong> Schlafanzügen aber mit<br />
Schuhen auf e<strong>in</strong>en 300 Meter hohen<br />
Hügelzugeleiten. Nach Gesprächen mit<br />
zwei Projektpartnern entscheidet sich<br />
dasK<strong>in</strong>derhilfswerk Global-Care, Camps<br />
für traumatisierte K<strong>in</strong>der zuunterstützen,<br />
die provisorische K<strong>in</strong>dertagesstätte<br />
mit Küchen und notwendiger Ausrüstung<br />
auszustatten und mit Mitteln der<br />
Aktion Deutschland Hilft den Wiederaufbau<br />
der Kita zuf<strong>in</strong>anzieren –ane<strong>in</strong>emsicheren<br />
Ort.<br />
E<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> Würde. Das will Global-<br />
Care hilfebedürftigen <strong>Menschen</strong> ermöglichen<br />
–vor allem K<strong>in</strong>dern. InIndien<br />
und Uganda, <strong>in</strong> Nepal und der Ukra<strong>in</strong>e,<br />
neuerd<strong>in</strong>gs auch auf Haiti hat das<br />
K<strong>in</strong>derhilfswerk deshalb Häuser gebaut,<br />
derenNamen Programm ist:Häuserder<br />
Hoffnung.<br />
Gerl<strong>in</strong>de Geffers<br />
Kontakt<br />
K<strong>in</strong>derhilfswerk StiftungGlobal-Care<br />
Ste<strong>in</strong>mühle2<br />
34560 Fritzlar<br />
Tel.: 0522/6160<br />
<strong>in</strong>fo@k<strong>in</strong>derhilfswerk.de<br />
www.k<strong>in</strong>derhilfswerk.de<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
21
Thema<br />
LandsAid: ErfolgreicheArbeit<br />
braucht gute Vorbereitung<br />
Der Vere<strong>in</strong> hat nur 26Mitglieder und leistet trotzdem Hilfe auf der ganzen Welt:<br />
von Südamerika bis Japan, von Äthiopien bis Sambia. Das Erfolgsrezept: E<strong>in</strong>e<br />
effiziente Geschäftsstelle und Struktur, Kooperationen und e<strong>in</strong>e professionelle<br />
E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung ehrenamtlich Helfender.<br />
Wir hätten wohl unsere mediz<strong>in</strong>ische<br />
Ausrüstung gepackt,<br />
wären <strong>in</strong>s Auto gestiegen<br />
und zu den Erdbebenopfern<br />
h<strong>in</strong>gefahren“, erzählt T<strong>in</strong>a Giffels <strong>in</strong><br />
Er<strong>in</strong>nerung an ihren ersten <strong>E<strong>in</strong>satz</strong> für<br />
LandsAid nach dem Erdbeben <strong>in</strong>Haiti<br />
2010.Doch erfolgreiche Arbeit braucht<br />
gute Vorbereitung. LandsAidbildet die<br />
ehrenamtlichen Kräfte daher für ihren<br />
<strong>E<strong>in</strong>satz</strong> <strong>in</strong>Krisengebieten gezielt aus.<br />
„Uns wurde bewusst gemacht, was wir<br />
brauchen, um wirklich arbeiten zu<br />
können“, erklärt die Hebamme. „Und<br />
dass wirvielesdavon vorOrt organisierenmüssen.“Soholte<br />
sich T<strong>in</strong>a Giffels<br />
nach ihrer Ankunft <strong>in</strong> Haiti erst mal<br />
e<strong>in</strong> Feldbett vom italienischen Militär,<br />
das ebenfalls zu Hilfe gekommen war.<br />
E<strong>in</strong>en Stuhl lieh sie aus e<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>derkl<strong>in</strong>ik<br />
vor Ort und brachte ihn dem<br />
Leihgeber jeden Abend für dessen<br />
Schreibtischarbeit zurück. Zuletzt<br />
widmete sie e<strong>in</strong> großes Wickeltuch,<br />
das andere am Strand tragen, zum<br />
Blickschutz um, schon war die E<strong>in</strong>richtung<br />
ihrer mobilen Kl<strong>in</strong>ik fertig.<br />
Hebamme T<strong>in</strong>a Giffels <strong>in</strong>Haiti mite<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Patienten<br />
Rollenspiele zum Teambuild<strong>in</strong>g<br />
„Wer <strong>in</strong> Katastrophen- oder Krisengebieten<br />
helfen will, muss wissen, wie er<br />
mit Mangelsituationen umgehen kann“,<br />
erklärt Andrea Schmelzle, Pressesprecher<strong>in</strong><br />
vonLandsAid.Darum verpflichtet<br />
dieoberbayerischeHilfsorganisation alle,<br />
die sich als Helfer<strong>in</strong>nen und Helfer bewerben,<br />
zuerst an den vorbereitenden<br />
Sem<strong>in</strong>arenvon LandsAid teilzunehmen.<br />
DiesestehenauchAktiven andererOrganisationen<br />
offen. Erfahrene Expert<strong>in</strong>nen<br />
und Experten vermitteln theoretisches<br />
H<strong>in</strong>tergrundwissen, etwa zur Zusammenarbeit<br />
mit <strong>in</strong>ternationalen Organisationen<br />
wieder Weltgesundheitsorganisation<br />
WHOsowie praktische Erfahrungen<br />
unter „e<strong>in</strong>satznahen“ Bed<strong>in</strong>gungen,<br />
zum Beispiel durch Rollenspiele zum<br />
Teambuild<strong>in</strong>g. Jede <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>kraft kennt<br />
dadurch ihre Stärken und weiß, wie sie<br />
diese ambesten nutzt. „Ich kann zum<br />
Beispiel gut organisieren und dokumentieren“,<br />
sagt T<strong>in</strong>a Giffels. In Haitibereitete<br />
siedaher diePräsentation ihresTeams<br />
zur Berichterstattung gegenüber der<br />
WHO vor, während sie das Präsentieren<br />
anderenüberließ.<br />
E<strong>in</strong>sätze dauern zwischen zwei<br />
Wochen und zwei Monaten<br />
Ihre bisherigen E<strong>in</strong>sätze für LandsAid<br />
<strong>in</strong> Haiti 2010 und <strong>in</strong> Kenia 2011 dauerten<br />
jeweils nur wenige Wochen. „Die<br />
Foto:LandsAid<br />
Kürze der E<strong>in</strong>sätze ermöglicht es, me<strong>in</strong>en<br />
Wunschtraum, <strong>im</strong> Ausland zu<br />
arbeiten, zuerfüllen und gleichzeitig<br />
die Sicherheit e<strong>in</strong>er Festanstellung <strong>in</strong><br />
Deutschland zu genießen“, erklärt<br />
T<strong>in</strong>a Giffels. LandsAid bietet verschiedene<br />
Möglichkeiten der (Mit-)Hilfe:<br />
E<strong>in</strong>mal <strong>Not</strong>falle<strong>in</strong>sätze <strong>in</strong> Katastrophengebieten<br />
– diese dauern <strong>in</strong> der<br />
Regel weniger als zwei Wochen. Zweitens<br />
Unterstützung für Projekte für<br />
Basismediz<strong>in</strong> und Ernährung <strong>in</strong> Krisengebieten,<br />
fürdie ehrenamtlich Helfende<br />
meist für drei bis acht Wochen<br />
entsandt werden.<br />
In die längerfristigen Projekte werden<br />
nach Möglichkeit von Anfang an e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische<br />
Fachkräfte e<strong>in</strong>gebunden,<br />
damit e<strong>in</strong>es Tages Selbsthilfe die Hilfe<br />
von außen ablösen kann. „Außerdem<br />
22 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
leisten wir nur Hilfe, wo dies weder<br />
e<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische Kräfte tun können noch<br />
e<strong>in</strong>e andere Organisation“, erklärt<br />
Andrea Schmelzle. Das Auswärtige<br />
Amt(AA)und dasBundesm<strong>in</strong>isterium<br />
für wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />
und Entwicklung (BMZ) haben die<br />
Qualität des2006gegründeten Vere<strong>in</strong>s<br />
erkanntund s<strong>in</strong>d regelmäßigePartner.<br />
So hat LandsAid Hilfe für malische<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge geme<strong>in</strong>sam mit dem AA<br />
organisiert; <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />
dem BMZ wurde e<strong>in</strong>e Gesundheitsstation<br />
<strong>in</strong> Uganda aufgebaut,die Lands-<br />
Aid seit drei Jahren betreibt.<br />
<strong>Not</strong>fallmediz<strong>in</strong>ische Soforthilfe<br />
Insgesamt wurden Projekte und Hilfse<strong>in</strong>sätze<br />
<strong>in</strong> 13 Ländern aus der Geschäftsstelle<br />
<strong>im</strong>oberbayerischen Kaufer<strong>in</strong>g<br />
organisiert. Dort arbeiten gerade<br />
malvierFestangestellteund vier Honorarkräfte,<br />
alle <strong>in</strong> Teilzeit.E<strong>in</strong> Teil derlaufenden<br />
Arbeit wird durch Mitglieder ehrenamtlich<br />
geleistet. Dazu kommen 400<br />
mediz<strong>in</strong>ische Fachkräfte,die zum ehrenamtlichen<br />
<strong>E<strong>in</strong>satz</strong> abrufbereit s<strong>in</strong>d. Zusätzlich<br />
bietet LandsAid seit Jahren Schulungen<br />
fürHelfervor Ort<strong>in</strong>notfallmediz<strong>in</strong>ischer<br />
Soforthilfe an, etwa <strong>in</strong>Kenia.<br />
Geme<strong>in</strong>sam mit der <strong>Not</strong>fallpädagogik<br />
derFreunde derErziehungskunst Rudolf<br />
Ste<strong>in</strong>ers fand e<strong>in</strong> solches Projekt voriges<br />
Jahr erstmals <strong>in</strong> Brasilienund Argent<strong>in</strong>ien<br />
statt. Im März dieses Jahres wurdedie<br />
erfolgreiche Kooperation mit geme<strong>in</strong>samenSchulungenregionaler<strong>Not</strong>fallteams<br />
<strong>in</strong> Brasilien und Kolumbien fortgesetzt.<br />
Belastungen auffangen<br />
Da dieE<strong>in</strong>sätze<strong>in</strong>der Regel<strong>in</strong>belastende<br />
Situationenführen, bietet dieOrganisation<br />
ihren Helfern auch e<strong>in</strong> „Debrief<strong>in</strong>g“,<br />
e<strong>in</strong> Nachsorge-Sem<strong>in</strong>ar, an. Hebamme<br />
T<strong>in</strong>a Giffels g<strong>in</strong>g mit Skepsis h<strong>in</strong>: „Ich<br />
kehre nicht gerne me<strong>in</strong> Innerstes nach<br />
außen.“ Doch das war auch nicht nötig.<br />
UnterAnleitung durchleben die<strong>E<strong>in</strong>satz</strong>kräfte,<br />
jeder für sich, <strong>im</strong> Rückblick ihre<br />
Gefühlevom Tagvor dem<strong>E<strong>in</strong>satz</strong> biszur<br />
Landung. „Danach hatte ich das Gefühl,<br />
e<strong>in</strong> schweres Gewicht losgeworden zu<br />
se<strong>in</strong>“, er<strong>in</strong>nert sich T<strong>in</strong>a Giffels. Bei<br />
LandsAid hat sie so viel gelernt, dass sie<br />
nun e<strong>in</strong> eigenes Hilfsprojekt <strong>in</strong> Myanmarvorbereitet.<br />
Gisela Haberer<br />
Kontakt<br />
LandsAid e.V.–Vere<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> für<br />
Internationale Humanitäre Hilfe<br />
Dr.-Gerbl-Straße 5,86916 Kaufer<strong>in</strong>g<br />
Tel.: 08191/4287832<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@LandsAid.org<br />
www.LandsAid.org<br />
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Wir br<strong>in</strong>gen Licht <strong>in</strong>s Dunkel.<br />
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Thema<br />
Heldenfür<br />
Entwicklung<br />
Ph<strong>im</strong>phaPhommanivan<br />
ist 19Jahre alt und damit<br />
e<strong>in</strong>e der Jüngsten <strong>im</strong>SODI-<br />
Kampfmittel-Räumteam <strong>in</strong><br />
Laos.Sie macht das von<br />
Streumunition und<br />
Landm<strong>in</strong>enverseuchte<br />
Land wieder sicher und für<br />
die Bevölkerungnutzbar.<br />
Seit 1990 unterstützt der Solidaritätsdienst-<strong>in</strong>ternational e.V.(SODI) <strong>in</strong>vielen Ländern<br />
der Welt mit Partnern vor Ort <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> <strong>Not</strong>. Nachhaltige Entwicklungszusammenarbeit<br />
lautet das Credo des Vere<strong>in</strong>s. Wie dies gel<strong>in</strong>gt, zeigen etwa Projekte <strong>in</strong>Vietnam,<br />
wo ganze Landstriche von gefährlichen Kriegsresten befreit werden.<br />
Die Schulk<strong>in</strong>der hatten Glück,<br />
großes Glück. Gerade hatten<br />
sie <strong>in</strong>der Pause den Hof gefegt,<br />
allen Müll zusammengeschoben<br />
und angezündet. Kaum <strong>in</strong>s Klassenz<strong>im</strong>mer<br />
zurückgekehrt, erschreckte<br />
sie e<strong>in</strong> Knall. Das Feuer hatte e<strong>in</strong>e <strong>in</strong><br />
der Erde liegende Streubombe erhitzt<br />
–die daraufh<strong>in</strong> explodiert war.<br />
Derartige<br />
Solidaritätsdienst<strong>in</strong>ternationale.V.<br />
SODI<br />
Geschichten<br />
gibt es<br />
zuhauf <strong>in</strong><br />
Vietnam.<br />
Drei Jahrzehnte<br />
s<strong>in</strong>d seit dem Ende des Kriegs<br />
vergangen, doch noch <strong>im</strong>mer leiden die<br />
Vietnamesenunter denFolgen. E<strong>in</strong>Vierteldes<br />
Landes,e<strong>in</strong>eFlächevon derGröße<br />
Bayerns, ist mitStreumunition kontam<strong>in</strong>iert.<br />
Das He<strong>im</strong>tückische: Die Bomben<br />
explodieren bei leichter Beschädigung.<br />
Etwa wenn e<strong>in</strong> Bauer mit se<strong>in</strong>er Hacke<br />
oder spielende K<strong>in</strong>der darauf stoßen.<br />
Was daraus folgen kann, hat Susanne<br />
Wienke vor Augen. Zwei Mal <strong>im</strong> Jahr<br />
ist sie für SODI <strong>in</strong> Vietnam, und <strong>im</strong>mertrifft<br />
sie<strong>in</strong>den Dörfern<strong>Menschen</strong><br />
mitfehlenden Gliedmaßen.„DieAngst<br />
ist groß, die <strong>Menschen</strong> s<strong>in</strong>d extrem<br />
e<strong>in</strong>geschränkt“, sagt sie. „Die Belastung<br />
verursachtmaßgeblichdie Armut<br />
von Hunderttausenden Vietnamesen.“<br />
„Humanitäre Kampfmittelräumung“<br />
Vonder Geschäftsstelle<strong>in</strong>Berl<strong>in</strong> auskoord<strong>in</strong>iert<br />
die 43-Jährige Selbsthilfsprojekte.<br />
Seit 1998 schon engagiert sich<br />
SODI, der Rechtsnachfolger des Solidaritätskomitees<br />
der DDR, <strong>in</strong> der<br />
„humanitären Kampfmittelräumung“,<br />
erst <strong>in</strong> Vietnam, später kamLaosh<strong>in</strong>zu.<br />
Koord<strong>in</strong>iert von e<strong>in</strong>em Programmmanagervor<br />
Ort, arbeiten etwa120 E<strong>in</strong>he<strong>im</strong>ische<br />
<strong>in</strong>Vietnam daran, Flächen<br />
von den Kriegsresten zu säubern. Zudemgibtesdie<br />
mobilenTeams,die überall<br />
dorth<strong>in</strong> eilen, wo e<strong>in</strong>e Bombe oder<br />
M<strong>in</strong>e entdeckt wurde. Diemutigen Männer<br />
und Frauen, die alle<strong>in</strong> <strong>im</strong> Jahr 2011<br />
über 20.000 Bl<strong>in</strong>dgänger entsorgten,<br />
nennt SODI „Helden für Entwicklung“.<br />
Prom<strong>in</strong>ent werden e<strong>in</strong>ige von ihnen auf<br />
der Webseite präsentiert. E<strong>in</strong> bewusster<br />
Schritt, um zu zeigen, wer die eigentlicheArbeitmacht.„Wirwollennicht,dass<br />
die<strong>Menschen</strong>nur alsOpfer wahrgenommenwerden“,erläutert<br />
SusanneWienke.<br />
Außerdem sollen die Porträts neugierig<br />
machen und zum Spenden anregen.<br />
Denn auch wenn das Auswärtige Amt<br />
und das Entwicklungsm<strong>in</strong>isterium den<br />
Großteil der Projekte f<strong>in</strong>anzieren, muss<br />
SODI Eigenmittel e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen, damit die<br />
Fördermittel fließen.<br />
Gefährlicher <strong>E<strong>in</strong>satz</strong><br />
E<strong>in</strong>e der Held<strong>in</strong>nen ist die 19-jährige<br />
Ph<strong>im</strong>pha Phommanivan aus Laos. Die<br />
jüngsteBombenräumer<strong>in</strong>sagt: „Me<strong>in</strong>e<br />
Arbeit ist hart und gefährlich, aber jedes<br />
Mal, wenn wir die Flächen überge-<br />
24 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Thema<br />
ben, s<strong>in</strong>d die<strong>Menschen</strong>glücklich,dass<br />
sie ihr Leben sicher gestalten können.“<br />
Auch <strong>in</strong> der Phase nach der Räumung<br />
unterstützt SODI die Bevölkerung.<br />
Damit folgt der Vere<strong>in</strong> dem <strong>in</strong>tegrierten<br />
Ansatz, der besagt: Um Kriegsfolgen<br />
langfristig abzumildern, ist Kampfmittelräumung<br />
entscheidend –aber weitere<br />
Entwicklungsarbeit muss unbed<strong>in</strong>gt<br />
h<strong>in</strong>zukommen. DeshalborganisiertEthnolog<strong>in</strong><br />
SusanneWienkediverseProjekte,<br />
die die Infrastruktur für e<strong>in</strong> selbstständigesLeben<br />
schaffen.Sowerdenauf<br />
dengeräumten FlächenetwaK<strong>in</strong>dergärten<br />
und Schulen gebaut, e<strong>in</strong> Gesundheitszentrum<br />
errichtet, die landwirtschaftliche<br />
Produktion unterstützt.<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsgärten <strong>in</strong> Südafrika<br />
Wo <strong>im</strong>mer SODI <strong>in</strong> der Welt aktiv ist,<br />
orientiert sich der Vere<strong>in</strong> amBedarf der<br />
Betroffenen und realisiert geme<strong>in</strong>sam<br />
mit lokalen Organisationen –Frauen<strong>in</strong>itiativen,<br />
Kooperativen und Dorfverbänden<br />
–was gebraucht wird. In Südafrika<br />
ist es zum Beispiel die Entwicklung von<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsgärten, <strong>in</strong> Namibia e<strong>in</strong><br />
Umweltmobil, das die nachhaltige Ressourcennutzung<br />
fördert. InVietnam e<strong>in</strong><br />
Projekt, das arbeitslosen Frauen e<strong>in</strong>e<br />
Berufsausbildung ermöglicht und damit<br />
den Weg ausder Armut.<br />
E<strong>in</strong>en weiteren Auftrag sieht der Vere<strong>in</strong><br />
dar<strong>in</strong>, öffentlich Stellung zu beziehen<br />
undfür Aufklärung zu sorgen.Die Kampagnen<br />
bekommen auch große Konzerne<br />
wie Monsanto zuspüren, der se<strong>in</strong>erzeit<br />
dasEntlaubungsmittel AgentOrange<br />
produzierte. Noch heute werden <strong>in</strong>folge<br />
von Erbgutschädigungen K<strong>in</strong>der<br />
mitschwersten Beh<strong>in</strong>derungengeboren.<br />
Mehr als25.000 Unterschriften hatSODI<br />
dafür gesammelt, dass das Unternehmen<br />
die Agent-Orange-Opfer entschädigt.<br />
Außerdem wirbt der Vere<strong>in</strong> für die<br />
weltweite Kampagne „Lend your Leg“,<br />
dieM<strong>in</strong>enopferunterstützt.Und er engagiertsichfür<br />
dieE<strong>in</strong>führungder F<strong>in</strong>anztransaktionssteuer.<br />
„Die Resonanz ist gut“,sagtSODI-Projektmanager<strong>in</strong><br />
Ett<strong>in</strong>a Zach. Das gelte<br />
auch für die Bildungsaktivitäten –und<br />
hier vor allem für den Ansatz, Inhalte<br />
globalen Lernensmit neuenMedienzu<br />
vermitteln. Sohat sie geme<strong>in</strong>sam mit<br />
jungen Ehrenamtlichen das TV-Format<br />
„Draufsicht“ entwickelt: 15-m<strong>in</strong>ütige<br />
Magaz<strong>in</strong>sendungen für e<strong>in</strong>en Berl<strong>in</strong>er<br />
Lokalsender, die anschaulich darüber<br />
berichten, was die <strong>Menschen</strong> <strong>im</strong> Norden<br />
tun können, umdie Ursachen von<br />
weltweiter Armut zubekämpfen.<br />
Neue Medien nutzen<br />
Und vor allem läuft seit Kurzem e<strong>in</strong><br />
Onl<strong>in</strong>e-Spiel namens „NO GAME –<br />
Armut wird gemacht“. Es schickt den<br />
Betrachter auf e<strong>in</strong>e Reise<strong>in</strong>an<strong>im</strong>ierten<br />
Bildern, die nahebr<strong>in</strong>gen, warum<br />
<strong>Menschen</strong> arm s<strong>in</strong>d (http://nogame.<br />
sodi.de). „Sehr gut, wie junge Leute<br />
dadurch zum Perspektivwechsel angeregt<br />
werden“, laute das Feedback vieler<br />
Lehrkräfte dazu,sagtEtt<strong>in</strong>aZach. „Die<br />
neuen Medien für diese Themen e<strong>in</strong>setzen,<br />
dar<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d wir wohl Vorreiter.“<br />
Bernd Schüler<br />
Kontakt<br />
Solidaritätsdienst-<strong>in</strong>ternationale.V.<br />
(SODI)<br />
Grevesmühlener Str. 16,13059 Berl<strong>in</strong><br />
Tel: 030/9209093-0<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@sodi.de<br />
www.sodi.de<br />
Mit kle<strong>in</strong>en Beträgen Großes bewegen<br />
VonMarburg aus<strong>in</strong>alleWelt:<br />
TerraTechFörderprojektee.V.<br />
„Hilfe zur Selbsthilfe“ – unter diesem<br />
Mottobetreut derMarburger Vere<strong>in</strong> Terra<br />
Tech Förderprojekte seit über 27 Jahren<br />
Entwicklungsprojekte und Hilfse<strong>in</strong>sätze<br />
<strong>in</strong> aller Welt. Die Bilanz kann sich sehen<br />
lassen. Bisher wurden über 400 Projekte <strong>in</strong><br />
46 Ländern umgesetzt. Beh<strong>in</strong>dertenwerkstätten<br />
und -wohnhe<strong>im</strong>e <strong>in</strong>Haiti gehören<br />
ebenso dazu wiee<strong>in</strong> Krankenhaus<strong>im</strong>westkenianischen<br />
Kisumu (Foto rechts) und<br />
Solaranlagen für Kl<strong>in</strong>iken <strong>in</strong> Nepal. >><br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
25
Thema<br />
Das Spektrum der Projekte ist vielfältig:<br />
So betreut Terra Tech dieses Jahr<br />
unter anderem den Ausbau von Beh<strong>in</strong>dertenwerkstätten<br />
und -wohnhe<strong>im</strong>en<br />
<strong>in</strong> Haiti, hilft <strong>in</strong>Nepal Kl<strong>in</strong>iken mit<br />
Solaranlagen auszustatten und unterstützt<br />
e<strong>in</strong>Geburtshaus <strong>in</strong> Sierra Leone.<br />
Zu e<strong>in</strong>em langfristigen Schwerpunktland<br />
soll Kenia werden.ImNordenKenias<br />
sorgt Terra Tech derzeit dafür,<br />
dass die hungernde Bevölkerung mit<br />
Hochenergienahrung versorgt wird.<br />
Zudem haben die Marburger enge<br />
dem kommt es häufig zuExplosionen<br />
des Brennstoffs, die nicht selten schwere<br />
Verletzungen an Händen und <strong>im</strong><br />
Gesicht zur Folge haben. Insbesondere<br />
Frauen und K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d davon betroffen.<br />
Solarlampen s<strong>in</strong>d hier nicht nur<br />
e<strong>in</strong>e sichere, sondern auch günstige<br />
und nachhaltige Alternative.<br />
Lokale Initiativen unterstützen<br />
Von Beg<strong>in</strong>n anwar es die Devise des<br />
Marburger Vere<strong>in</strong>s, lokale Initiativen<br />
beider konkretenUmsetzung vonPro-<br />
Gernehätte derVere<strong>in</strong>auchse<strong>in</strong>landwirtschaftliches<br />
Projekt <strong>in</strong> Eritrea<br />
ausgeweitet. Dort wurden Mikrodämme<br />
aus Ste<strong>in</strong>en errichtet, um durch<br />
konstantes Versickern von Regenwasser<br />
ganzjährig den Zugang zu sauberem<br />
Tr<strong>in</strong>kwasser und die Bewässerung<br />
vonFeldern zu sichern. Nur: Die<br />
Projektarbeit <strong>im</strong>Land wurde von der<br />
dortigen Regierung gestoppt, alle Aktivitäten<br />
von Nichtregierungsorganisationen<br />
s<strong>in</strong>d bis auf Weiteres untersagt.<br />
Mädchen<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>erSchule<br />
fürK<strong>in</strong>der mit<br />
Beh<strong>in</strong>derung<br />
<strong>in</strong> Haiti<br />
Erdnussverarbeitung<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
Werkstatt<br />
für<strong>Menschen</strong><br />
mitBeh<strong>in</strong>derung<br />
<strong>in</strong> Haiti<br />
Gefährliche<br />
Keros<strong>in</strong>lampe<br />
Fotos:Terra Tech<br />
Kontakte zu e<strong>in</strong>er Kl<strong>in</strong>ik <strong>im</strong>westkenianischen<br />
Kisumu. Darüber h<strong>in</strong>aus<br />
s<strong>in</strong>d Projekte geplant, die den Zugang<br />
zu sauberem (Tr<strong>in</strong>k-)Wasser sicherstellen<br />
sollen.<br />
„Wir besetzen oft Nischen, die von den<br />
großen Hilfsorganisationen nicht berücksichtigt<br />
werden“, sagt Projektassistent<br />
FrankBeutell.Daließensichauch<br />
mit wenigen Tausend Euro enorme<br />
Effekte erzielten. „3.000 Euro s<strong>in</strong>d<br />
sicher ke<strong>in</strong>e Summe, von der man<br />
ann<strong>im</strong>mt, sie könne langfristig die<br />
Lebensqualität vieler <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> Kenia<br />
verbessern. Doch genau das ist e<strong>in</strong><br />
Irrtum“, so Beutell. „Mit e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en<br />
Betrag etwas Größeres zu bewegen,<br />
das ist e<strong>in</strong> Grundpr<strong>in</strong>zip unserer<br />
Arbeit.“<br />
Solarlampen statt Keros<strong>in</strong>-Leuchten<br />
E<strong>in</strong>es dieser „kle<strong>in</strong>en Vorhaben“: Terra<br />
Tech fördertmit e<strong>in</strong>emPilotprojekt die<br />
Nutzung und Verbreitung von Solarlampen<br />
beiarmen Bevölkerungsschichten<br />
<strong>im</strong>Westen Kenias. Viele <strong>Menschen</strong><br />
benutzendortmangels Stromnoch<strong>im</strong>mer<br />
selbstgebaute Keros<strong>in</strong>- oder Paraff<strong>in</strong>lampen<br />
als Lichtquelle. Das birgt jedoch<br />
viele Risiken: Die Dämpfe s<strong>in</strong>d<br />
laut Weltgesundheitsorganisation ähnlich<br />
schädigend wie der Konsum von<br />
täglich zwei Schachteln Zigaretten. Zu-<br />
jektideen zu unterstützen. Bis heute<br />
baut man ganz auf die lokalen Partner<br />
und auf viele über Jahre entstandene<br />
Kooperationen. Mit ihrem gewachsenen<br />
Know-how und vertraut mit den<br />
örtlichen Gegebenheiten können die<br />
Träger vorOrt Projektegut konzipieren<br />
unddurchführen–<strong>in</strong>jedem Fall besser,<br />
alswennAkteure ausdem Auslanddort<br />
ohne dasmeist nötige H<strong>in</strong>tergrundwissen<br />
agieren, sodie Überzeugung von<br />
Terra Tech. „Unsere direkte Arbeit <strong>in</strong><br />
den Projektländern beschränkt sich<br />
meist auf Koord<strong>in</strong>ation und Evaluation<br />
sowie strukturelle Beratung unserer<br />
Partner“, sagt Frank Beutell.<br />
Wichtige Entwicklungszusammenarbeit<br />
Auch wenn Terra Tech sowohl be<strong>im</strong><br />
Erdbeben <strong>in</strong> Haiti mit e<strong>in</strong>em Zeltkrankenhaus<br />
und nach dem Tsunami<br />
<strong>in</strong> Südostasien <strong>Not</strong>hilfe leistete, ist<br />
die Entwicklungszusammenarbeit das<br />
Haupttätigkeitsfeld der Marburger<br />
Organisation. Besonders stolz s<strong>in</strong>d die<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter darauf,<br />
dass sie geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>em<br />
lokalenPartner <strong>in</strong> Bosnien-Herzegow<strong>in</strong>a<br />
zwei E<strong>in</strong>richtungen für <strong>Menschen</strong><br />
mit Beh<strong>in</strong>derung schaffen konnten.<br />
Daneben gibt es Projekte <strong>in</strong> Late<strong>in</strong>amerika,<br />
Paläst<strong>in</strong>a und vielen anderen<br />
Teilen der Welt.<br />
Wichtige Öffentlichkeitsarbeit<br />
Dass Terra Tech so vielseitig <strong>Menschen</strong><br />
undProjekte<strong>in</strong>vielenLändern unterstützen<br />
kann, ist maßgeblich e<strong>in</strong>em Kern<br />
ehrenamtlicher Kräfte sowie Förderern<br />
undSponsoren<strong>in</strong>der He<strong>im</strong>at zu verdanken.<br />
Für Organisationen wie Terra Tech ist<br />
Öffentlichkeitsarbeit <strong>in</strong> Deutschland<br />
e<strong>in</strong> zentraler Bereich, schließlich müssen<br />
m<strong>in</strong>destens 25Prozent der Fördersummen<br />
durch Eigenmittel abgedeckt<br />
se<strong>in</strong>. „Die nötigen Spenden e<strong>in</strong>zuwerben<br />
ist unsere größte Herausforderung“,<br />
sagt Christian Schmetz, für die<br />
Öffentlichkeitsarbeit<strong>im</strong>Vere<strong>in</strong>zuständig.<br />
Terra Tech sorgt durch <strong>in</strong>tensive<br />
Öffentlichkeitsarbeit mit Konzerten,<br />
Vorträgen und Zeitungsartikeln für<br />
e<strong>in</strong>e hohe Präsenz <strong>im</strong>Raum Marburg-<br />
Gießen-Wetzlar. „Die Bevölkerung<br />
kennt und schätzt unsere Arbeit. Wir<br />
s<strong>in</strong>d sehr dankbar für die zuverlässige<br />
Unterstützung aus der Region.“ BS<br />
Kontakt<br />
Terra Tech Förderprojekte e.V.<br />
Bahnhofstraße8,35037 Marburg<br />
Tel.: 06421/9995990<br />
E-Mail: <strong>in</strong>fo@terratech-ngo.de<br />
www.terratech-ngo.de<br />
26 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Verbandsrundschau<br />
Zur festlichenÜbergabe der neuen Wohlfahrtsmarken<br />
warenauchAktive aus demParitätischen <strong>in</strong>s Schloss<br />
Bellevue e<strong>in</strong>geladen.Von l<strong>in</strong>ksnachrechts:<br />
Hans-Joach<strong>im</strong> Niermann (sitzend,K<strong>in</strong>der- und Jugendhilfe<br />
für Europa e.V.<strong>in</strong>Sögel), Verbandsvorsitzender Prof.<br />
Dr.RolfRosenbrock, KlausHelmert (Leiter Haushalt und<br />
F<strong>in</strong>anzen),Claudia Keller (ehrenamtliche Helfer<strong>in</strong>), Garry<br />
Kaspar (Freundes- und FörderkreisSuchtkrankenhilfee.V.<br />
Wuppertal), BundespräsidentJoach<strong>im</strong> Gauck, Wolfgang<br />
Stadler (Präsidentder Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft der<br />
Freien Wohlfahrtspflege) und Bundesf<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister<br />
Wolfgang Schäuble.<br />
Foto: BAGFW<br />
Kle<strong>in</strong>e Beträgeals großeUnterstützung sozialen Engagements<br />
Die feierliche Übergabe der neuen<br />
Wohlfahrtsmarken „Blühende Bäume“<br />
durch Bundesf<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>ister Wolfgang<br />
Schäuble an Bundespräsident Joach<strong>im</strong><br />
Gauck bot jüngst auch Gelegenheit für<br />
e<strong>in</strong> großes Dankeschön an ehrenamtliche<br />
Mitarbeiter<strong>in</strong>nen und Mitarbeiter<br />
aus den Wohlfahrtsverbänden, die sich<br />
be<strong>im</strong> Verkauf der Marken besonders<br />
engagiert haben. Aus den Reihen des<br />
Paritätischen wurde Garry Kaspar vom<br />
Freundes- und Förderkreis Suchtkrankenhilfe<br />
e.V. Wuppertal geehrt.<br />
Dass aus etwas Kle<strong>in</strong>em wie der Marke<br />
etwasGroßeswerdenkann,hoben nicht<br />
nur Gauck, sondern auch Professor Dr.<br />
Rolf Rosenbrock,Vorsitzenderdes Paritätischen<br />
Gesamtverbands, hervor. Der<br />
kle<strong>in</strong>e Aufschlag summiere sich zu<br />
stattlichenBeträgen, mitdenen soziales<br />
Engagement f<strong>in</strong>anziert werde: Hilfe <strong>in</strong><br />
<strong>Not</strong>, Begleitung <strong>in</strong>schwierigen Lebenslagen,<br />
Ermutigung und mehr Teilhabe<br />
für <strong>Menschen</strong> mit Beh<strong>in</strong>derung. Die<br />
Arbeit der Mitgliedsorganisationen des<br />
Paritätischen sei alle<strong>in</strong>e 2012 mit weit<br />
über 500.000 Euro aus dem Zuschlagserlös<br />
durch den Verkauf von Wohlfahrtsmarken<br />
unterstützt worden, stellte<br />
Rolf Rosenbrock fest.<br />
Speicher neuer Sprecher der NAK<br />
Joach<strong>im</strong> Speicher,<br />
Geschäftsführender<br />
Vorstand des<br />
Paritätischen Landesverbands<br />
Hamburg,<br />
ist neuer<br />
Sprecher derNationalen<br />
Armutskonferenz<br />
(NAK). Der<br />
52-jährige Diplom-<br />
Pädagoge sieht als<br />
Schwerpunktthemen<br />
se<strong>in</strong>er Amts-<br />
Joach<strong>im</strong> Speicher<br />
zeit vor allem die Bekämpfung der<br />
K<strong>in</strong>der- und Altersarmut, der dramatischen<br />
Lage auf dem Wohnungsmarkt,<br />
der Bildungsungerechtigkeit<br />
unddes engenZusammenhangszwischen<br />
Armut und Gesundheit. Zu<br />
Speichers Stellvertretern wurden<br />
Werena Rosenke von der Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Wohnungslosenhilfe)<br />
undKurtKlose (Bundesarbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
Schuldnerberatung) sowie<br />
Michael Schröter (Diakonie Bundesverband)<br />
gewählt.<br />
Die Nationale Armutskonferenz ist<br />
<strong>im</strong> Herbst 1991 als deutsche Sektion<br />
des Europäischen Armutsnetzwerks<br />
(European Anti-Poverty Network –<br />
EAPN) gegründet worden. Nach dem<br />
Motto „Armut ist falsch verteilter<br />
Reichtum“ unterstützt die NAK bundesweit<br />
von Armut betroffene <strong>Menschen</strong><br />
und engagiert sich für e<strong>in</strong>e<br />
soziale Politik. Auch der Paritätische<br />
gehört der NAK an.<br />
www.nationale-armutskonferenz.de<br />
Wechsel<strong>in</strong>Niedersachsen<br />
Birgit Eckhardt ist als Nachfolger<strong>in</strong><br />
von Cornelia Rundt zum hauptamtlichen<br />
Vorstandsmitglied des Paritätischen<br />
<strong>in</strong>Niedersachsen gewählt worden.<br />
Ab 1. Juli 2013 wird sie das Amt<br />
der stellvertretenden Vorsitzenden des<br />
hauptamtlichen Vorstands übernehmen.<br />
Als Vorsitzenden des hauptamtlichen<br />
Vorstands hat der Verbandsrat<br />
des Paritätischen Niedersachsen mit<br />
Wirkungzum 1. August 2013 Christian<br />
Boenisch gewählt.<br />
Korrektur<br />
In der Ausgabe 1|2013 hatte sich leider<br />
e<strong>in</strong> Fehler e<strong>in</strong>geschlichen: Der Verbandsratsvorsitzende<br />
desParitätischen<br />
<strong>in</strong> Niedersachsen heißt Kurt Spannig<br />
und nicht Kurt Spann<strong>in</strong>g. Die Redaktion<br />
bittet um Entschuldigung.<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
27
Verbandsrundschau<br />
Verbandsvorsitzender<br />
Prof.Dr. Rolf<br />
Rosenbrock<br />
(rechts) gratuliert<br />
Dr.Ulrich<br />
Schneider zum<br />
25-jährigen<br />
Dienstjubiläum.<br />
Fotos:<br />
Denise<br />
Z<strong>im</strong>mermann<br />
25 Jahre UlrichSchneider<br />
&Der Paritätische<br />
„Sichvon denProblemen der<br />
<strong>Menschen</strong> berühren lassen“<br />
UlrichSchneider hatauch<br />
e<strong>in</strong> Privatleben: MitEhefrau<br />
Kathar<strong>in</strong>aOtto hat er<br />
zwei K<strong>in</strong>der<br />
Als junger Mann war er beiden Pfadf<strong>in</strong>dern, saß amSorgentelefon des K<strong>in</strong>derschutzbunds,<br />
arbeitete<strong>in</strong>e<strong>in</strong>em sozialen Brennpunkt und engagierte sich für –wie sie sich<br />
selbst nannten –Zigeunerund Landfahrer.Heute kämpft Dr.Ulrich Schneider als<br />
Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands für soziale Gerechtigkeit. Seit<br />
25 Jahren prägt der promovierte Erziehungswissenschaftler ganz maßgeblich das Bild<br />
des Paritätischen als unentbehrlichem sozialenAkteur. Bei der Jubiläumsfeier würdigten<br />
VerbandsvorsitzenderProfessor Dr. RolfRosenbrock und dessen Stellverteter<br />
Josef Schädle das außergewöhnliche Engagement Ulrich Schneiders.<br />
Mit Ulrich Schneider habe der<br />
Paritätische Gesamtverband<br />
e<strong>in</strong>en Spitzenmann, der unermüdlich<br />
und e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich aber nie e<strong>in</strong>tönig<br />
die sozial bed<strong>in</strong>gte Ungleichheit<br />
von Lebens- und Entwicklungschancen<br />
<strong>in</strong> die mediale Öffentlichkeit trage und<br />
realistische Wege aufzeige, wie dieser<br />
<strong>Not</strong> und den daraus resultierenden Gefahren<br />
für die gesamte Gesellschaft zu<br />
begegnen sei, betonte Verbandsvorsitzender<br />
ProfessorDr. Rolf Rosenbrock <strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>er Rede zum Jubiläum.<br />
„Ulrich Schneider zeigt, dass Sozialpolitiknur<br />
erfolgreichse<strong>in</strong>kann,wennsie<br />
sich zunächst e<strong>in</strong>mal der Unbequemlichkeit<br />
des Versuchs unterzieht, die<br />
Welt mit den Augen und S<strong>in</strong>nen der<br />
Benachteiligten zu sehen und deshalb<br />
Konzepte wie das der bürgerschaftlichen<br />
Selbstgestaltung vorschlägt und<br />
ausbuchstabiert“, soRosenbrockweiter.<br />
„E<strong>in</strong> politisch oft unbequemer Mahner“<br />
Nicht nur als Geschäftsführer des Verbands,<br />
sondern auch als Autor diverser<br />
Publikationen zum Thema Armut und<br />
sozialeGerechtigkeit benenneSchneider<br />
beharrlich die politischen Gründe und<br />
Quellen, aus denen sich e<strong>in</strong> großer Teil<br />
derProbleme erkläreund speise, dievon<br />
den mehr als 10.000 Mitgliedsorganisationen<br />
desVerbandes bearbeitet würden.<br />
„Ulrich Schneider ist e<strong>in</strong> politisch oft<br />
unbequemer Mahner, der se<strong>in</strong>e Botschaften<br />
mit Klarheit, aber auch mit<br />
Charme ,rüberbr<strong>in</strong>gt‘“,soder Verbandsvorsitzende.<br />
Schneidersei dasöffentliche Gesichtdes<br />
Paritätischen, e<strong>in</strong>es Verbandes mit über<br />
e<strong>in</strong>er Million ehrenamtlichen und e<strong>in</strong>er<br />
halben Million hauptamtlichen Beschäftigten,<br />
um deren <strong>E<strong>in</strong>satz</strong>- und Hilfsbereitschaft<br />
er ebenso wisse, wie umihre<br />
Innovationskraft und Ideenvielfalt, hob<br />
JosefSchädle,stellvertretender Vorsitzenderdes<br />
Gesamtverbands,hervor. Gesprächemit<br />
Politikern undEntscheidungsträgern<br />
prägten ebenso se<strong>in</strong>en Alltag wie<br />
Auftritte <strong>in</strong>Radio und Fernsehen, vom<br />
Morgenmagaz<strong>in</strong> über Talkshows bis zu<br />
den Tagesthemen –zum Thema Hartz<br />
IVund K<strong>in</strong>derarmutebensowie zu Renten-<br />
und Steuerfragen. Gleichzeitig habe<br />
sich Schneideraberauche<strong>in</strong> offenesOhr<br />
für die Belange der paritätischen Basis,<br />
die Mitgliedsorganisationen, bewahrt.<br />
28 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Verbandsrundschau<br />
Als „Sozialwissenschaftlichen Referenten“holteder<br />
damalige Vorsitzende<br />
Professor Dr. Dieter Sengl<strong>in</strong>g Ulrich<br />
Schneider vor 25 Jahren zum Gesamtverband,<br />
unternahm Schädle <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Laudatio e<strong>in</strong>en Ausflug <strong>in</strong>die Vergangenheit.<br />
Der „Neue“ hat gleich e<strong>in</strong>e<br />
Riesenaufgabe: Geme<strong>in</strong>sam mit e<strong>in</strong>er<br />
Arbeitsgruppe soll er den „Ersten<br />
Armutsbericht für die Bundesrepublik<br />
Deutschland“ verfassen. Der Titel:<br />
„... wessen wiruns schämenmüssen<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em reichen Land ...“. Es folgt se<strong>in</strong><br />
erster Auftritt <strong>in</strong> der Bundespressekonferenz.<br />
Und–obwohlder gleichzeitige<br />
Mauerfall reichlich Sendezeit <strong>in</strong><br />
Anspruch n<strong>im</strong>mt –schafft es der Verband<br />
mit dem Armutsbericht sogar <strong>in</strong><br />
die Tagesschau.<br />
Sich von den Problemen der<br />
<strong>Menschen</strong> berühren lassen<br />
Das Thema „Armut“ soll Schneider<br />
nicht mehr loslassen. „Und das nicht<br />
abstrakt, theoretisch, statistisch, sondern<br />
<strong>im</strong>mer orientiert anden Lebenslagen,<br />
am Schicksal der betroffenen<br />
<strong>Menschen</strong>“, so Josef Schädle. „Das<br />
Lachen e<strong>in</strong>es K<strong>in</strong>des ist durch ke<strong>in</strong><br />
Geld der Welt zu ersetzen. Aber ohne<br />
Geld hast duhalt meistens nichts zu<br />
lachen,“ sei e<strong>in</strong> wichtiger Satz, mit<br />
dem Ulrich<br />
Schneider<br />
der<br />
In den<br />
Medien<br />
e<strong>in</strong>gefragter<br />
Ansprechpartner<br />
Armutsdebatte das Abstrakte nehme, so<br />
Schädle. „,Sich von den Problemen der<br />
<strong>Menschen</strong> berühren zu lassen, kann<br />
man lernen –wenn man es lernen will‘,<br />
lautet e<strong>in</strong> weiterer Schneider‘scher<br />
Schlüsselsatz.“ Das habe vielleicht<br />
auch etwas mit se<strong>in</strong>en Wurzeln zu<br />
tun, den bescheidenen Verhältnissen,<br />
<strong>in</strong> denen erund se<strong>in</strong>e Schwester als<br />
K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong>es Brauereifahrers <strong>in</strong> Oberhausen<br />
aufwuchsen.<br />
DDR-Beauftragter des Verbands<br />
1990 wird Ulrich Schneider<br />
zum DDR-Beauftragten des<br />
Paritätischen ernannt und<br />
hilft <strong>in</strong>den „Neuen Bundesländern“<br />
tatkräftig, b<strong>in</strong>nen<br />
kürzester Zeit schlagkräftige<br />
Landesverbände aufzubauen.<br />
Se<strong>in</strong> Engagement <strong>in</strong> Sachen<br />
Armutsbekämpfungläuft parallel<br />
weiter: 1991 ist Schneider Mit<strong>in</strong>itiator,<br />
Mitgründer und erster<br />
Sprecher der Nationalen Armutskonferenz.<br />
Gleichzeitig wird erzum „Geschäftsführenden<br />
Hauptreferenten“ des<br />
Gesamtverbands befördert. 1995 übern<strong>im</strong>mt<br />
erdie Funktion des „Geschäftsführers<br />
für Grundsatzfragen, Gremien<br />
und Kommunikation“. E<strong>in</strong> idealer Posten<br />
für jemanden, zu dessen vielen<br />
Eigenschaftendas „Netzwerken“ gehöre,<br />
soSchädle. „Probleme löst man nie<br />
alle<strong>in</strong> –und soziale Probleme schongar<br />
nicht“,sei e<strong>in</strong>e wichtige Max<strong>im</strong>e Schneiders.<br />
„Soziale Probleme zu erspüren, zu<br />
fühlen, aufzugreifen, sie der Politik begreiflich<br />
zu machen,nache<strong>in</strong>er akzeptablen<br />
und gesellschaftlich akzeptierten<br />
Lösung zu suchen, das<br />
ist se<strong>in</strong> D<strong>in</strong>g, das treibt ihn<br />
um –und deswegen schätzen<br />
wir ihn“, betonte der<br />
stellvertretende Verbandsvorsitzende.<br />
Dass Schneider<br />
zudem e<strong>in</strong> Mensch<br />
mit hervorragenden organisatorischen<br />
Fähigkeiten<br />
ist und auch gut wirtschaften<br />
kann, bleibt nicht verborgen.<br />
Und sowird er1999<br />
vom Vorstand als Nachfolger<br />
von Klaus Dörrie zum Hauptgeschäftsführer<br />
des Gesamtverbands<br />
berufen und hat gleich e<strong>in</strong><br />
„Großprojekt“ zubewältigen: den Umzug<br />
der Hauptgeschäftsstelle nach<br />
Berl<strong>in</strong>, wo<strong>in</strong>zwischen nicht nur politisch,<br />
sondern auch medial die Musik<br />
spielt. Schädle: „Ulrich Schneider<br />
weiß, das Herz, die Seele hängt am<br />
Haus der Parität <strong>in</strong> Frankfurt.“ Doch<br />
behutsam gel<strong>in</strong>gt esihm, alle mit auf<br />
den Weg nach<br />
Berl<strong>in</strong><br />
Bei<br />
der<br />
He<strong>im</strong>at-<br />
Kreisgruppe<br />
Oberhausen<br />
zu nehmen und das<br />
Erkennungszeichendes Verbands,die <strong>in</strong><br />
dieJahre gekommene„Paritätische Welle“,<br />
durch e<strong>in</strong> neues, zeitgemäßes Logo,<br />
das„Paritätische Gleichheitszeichen“, zu<br />
ersetzen –„schön kooperativ, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
breit angelegten Diskussionsprozess“.<br />
Die besondere Charakteristik des Paritätischen<br />
als Verband der Vielfalt und<br />
Toleranz zu erhalten und zugleich notwendige<br />
Entwicklungsprozesse zu erkennen<br />
und zumoderieren, das gilt als<br />
e<strong>in</strong>e der besonderen Stärken Schneiders,<br />
die ganz maßgeblich dazu beigetragen<br />
hat, das Profil des Verbands als<br />
sozialanwaltlichem Akteur zu schärfen.<br />
Viele Entwicklungen mitgestaltet<br />
25 Jahre bei e<strong>in</strong>em Verband zu se<strong>in</strong><br />
und dessen Entwicklungen mitzuerleben<br />
und auch mitgestalten zukönnen,<br />
sei e<strong>in</strong>e sehr bereichernde Erfahrung,<br />
betonte Ulrich Schneider. „Ich<br />
b<strong>in</strong> dankbar für all das, was ich <strong>im</strong><br />
Paritätischen <strong>in</strong>diesen 25Jahren erlebendurfte.“Und<br />
er freuesichauf die<br />
nächsten Jahre, „die für den Paritätischen<br />
gewiss noch e<strong>in</strong>ige große<br />
Herausforderungen br<strong>in</strong>gen werden“,<br />
denenersichgerne stelle.Wissend,<strong>im</strong><br />
Verbandviele Gleichges<strong>in</strong>nte undauch<br />
Freunde zuhaben, mit denen eran<br />
e<strong>in</strong>em Strang ziehe.<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
29
Sozialpolitik<br />
Professor Dr.<br />
Rolf Rosenbrock<br />
Die K<strong>in</strong>dheit ist e<strong>in</strong> Hürdenlauf, bei dem viele schwierige Aufgaben zu<br />
bewältigen s<strong>in</strong>d. K<strong>in</strong>der, die aufgrundihrer sozialen Herkunft über<br />
die schwächste Sprungkraft verfügen, haben die höchsten Hürden zu<br />
bewältigen. Der Staat hat die fundamentale Verpflichtung, dies zu kompensieren.<br />
Das Bildungs- undTeilhabepaket wird dieser Aufgbe nicht gerecht.<br />
Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands<br />
K<strong>in</strong>der verdienenmehrals das BuT<br />
Verbandsumfragezeigt: Das Bildungs-und Teilhabepaket ist gescheitert<br />
„Wenn es<strong>in</strong>e<strong>in</strong>er Kita oder Schule<br />
ke<strong>in</strong> warmes Mittagessen gibt,<br />
bekommen K<strong>in</strong>der aus benacheiligten<br />
Familien ebenauchke<strong>in</strong>es. In der<br />
Logik des SGBIIwirdnicht unterschieden<br />
zwischene<strong>in</strong>em nicht vorhandenen<br />
Angebot und e<strong>in</strong>em fehlenden<br />
Bedarf. Wennwir die Bildungs-und<br />
Teilhabechancenbenachteiligter K<strong>in</strong>der<br />
wirklichfördern wollen,brauchenwir<br />
völlig andere Ansätze. Wirbrauchen<br />
e<strong>in</strong>enRechtsanspruchauf Teilhabe <strong>im</strong><br />
K<strong>in</strong>der-und Jugendhilfegesetz, damit<br />
vorOrt auch e<strong>in</strong>e entsprechende<br />
Infrastrukturzur Förderungdieser<br />
K<strong>in</strong>der geschaffenwird.“<br />
Dr.UlrichSchneider,Hauptgeschäftsführer<br />
des ParitätischenGesamtverbands<br />
E<strong>in</strong>e Umfrage des Paritätischen bei 180 sozialen E<strong>in</strong>richtungen <strong>in</strong>130<br />
Kommunen zeigt: Das Bildungs- und Teilhabepaket (BuT)ist nicht geeignet,<br />
derBenachteiligung vonK<strong>in</strong>dern ause<strong>in</strong>kommensschwachenFamilien<br />
wirksamzubegegnen. DerVerband diskutierte beie<strong>in</strong>er Tagung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
mitExpertenaus Praxis,Politik undWissenschaftüberdas BuTund stellte<br />
se<strong>in</strong> Alternativkonzept „K<strong>in</strong>derverdienen mehr“ vor.<br />
Die Befragung des Paritätischen<br />
an der Basis macht deutlich:<br />
Das BuThat ausSicht derPraktiker<strong>in</strong>nen<br />
undPraktiker <strong>in</strong> K<strong>in</strong>dertagesstätten,<br />
Jugende<strong>in</strong>richtungen und Beratungsstellen<br />
auch zwei Jahrenachse<strong>in</strong>er<br />
E<strong>in</strong>führung ke<strong>in</strong>e positiven Auswirkungen<br />
auf die Weiterentwicklung der Bildungs-<br />
und Teilhabeangebote vor Ort.<br />
Bereits bestehende Angebote wurden<br />
teilweiselediglich ersetzt,häufig aber sogar<br />
verschlechtert durch aufwendige<br />
bürokratische Verfahren und höhere<br />
Hürden für die Inanspruchnahme wie<br />
etwa bei der Lernförderung. Große Teile<br />
des BuT laufen <strong>in</strong>s Leere, bei vielen der<br />
<strong>in</strong>sgesamt 2,5 Millionen anspruchsberechtigten<br />
K<strong>in</strong>der kommen die Leistungen<br />
nicht an.<br />
„DasBildungs- undTeilhabepaket ist e<strong>in</strong><br />
stigmatisierendes und bürokratisches<br />
Konstrukt und vermag es nicht, die Bildungschancen<br />
benachteiligterK<strong>in</strong>derzu<br />
verbessern“, betonte Professor Dr. Rolf<br />
30 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Sozialpolitik<br />
Kontovers diskutierten<br />
Vertreter<strong>in</strong>nen derBundestagsfraktionendas<br />
Bildungsund<br />
Teilhabepaket und<br />
Alternativvorschläge mit Dr.<br />
Ulrich Schneider,Hauptgeschäftsführer<br />
des<br />
ParitätischenGesamtverbands(rechts).<br />
DieTeilnehmenden<br />
–von l<strong>in</strong>ks: Ingrid<br />
Fischbach(CDU/CSU-Fraktion),<br />
ElkeFerner(SPD),<br />
ModeratorWerner<br />
Hesse (Geschäftsführer<br />
des Paritätischen<br />
Gesamtverbands), Sybille<br />
Laurischk (FDP), Diana<br />
Golze (Die L<strong>in</strong>ke),<br />
Ek<strong>in</strong> Deligöz(Bündnis<br />
90|Die Grünen).<br />
Fotos: Denise Z<strong>im</strong>mermann<br />
Das Bildungs- und Teilhabepaket funktioniert<br />
nicht, weil es ke<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung<br />
zur Lebenswirklichkeit der <strong>Menschen</strong><br />
hat. Der Hilfe- und Unterstützungsansatz muss<br />
<strong>in</strong> den Mittelpunkt und nicht die Frage: Welche<br />
Verwaltungsstruktur muss ich bedienen, damit<br />
ich zume<strong>in</strong>er Leistung komme? Wir <strong>in</strong> Lübeck<br />
schauen uns die ganze Problematik aus der Sicht<br />
des K<strong>in</strong>des an.<br />
Jan L<strong>in</strong>denau, Mitgliedder<br />
Bürgerschaft der Hansestadt Lübeck<br />
Wir hatten vorher das NRW-Landesprogramm<br />
„Ke<strong>in</strong> K<strong>in</strong>d ohne<br />
Mahlzeit“. Da liefdas allesganzunbürokratisch.<br />
Die Kitas mussten nur e<strong>in</strong>e Liste<br />
abgeben. DenEigenanteilvon e<strong>in</strong>emEuro, den<br />
jetzt die Eltern zahlen müssen, hat die Stadt<br />
übernommen. Jetzt müssen wir als Träger das<br />
Geld e<strong>in</strong>treiben –was oft nicht möglich ist –<br />
undbleibenauf e<strong>in</strong>emTeilder Kosten sitzen.<br />
Cornelia Kavermann, Geschäftsführer<strong>in</strong><br />
der AGSoziale Brennpunkte<strong>in</strong>Bottrop<br />
Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen<br />
Gesamtverbands. Se<strong>in</strong>e Kritik<br />
untermauerten zwei Praxisexperten.<br />
Cornelia Kavermann, Geschäftsführer<strong>in</strong><br />
der AG Soziale Brennpunkte <strong>in</strong><br />
Bottrop, schilderte an vielen E<strong>in</strong>zelbeispielen<br />
sehr anschaulich, wie hoch die<br />
Hürden für die Inanspruchnahme der<br />
Förderleistungen s<strong>in</strong>d und welch großer<br />
Aufwand für die Träger sozialer<br />
E<strong>in</strong>richtungen entstanden ist.<br />
Es geht auch anders<br />
JanL<strong>in</strong>denau, Mitglied derLübeckerBürgerschaft,<br />
stelltedas LübeckerModellvor.<br />
In der Hansestadt wurde bereits 2008<br />
e<strong>in</strong> Bildungsfonds etabliert mit dem<br />
Ziel, für alle K<strong>in</strong>der gute Startchancen<br />
zu schaffen. Nach der E<strong>in</strong>führung des<br />
BuThabeman befürchtet,„jetztgehtunserSystemunter“,<br />
sagtedas Mitglied der<br />
Lübecker Bürgerschaft. Doch mit Courage<br />
und Unkonventionalität gelang es,<br />
BuT und Bildungfonds e<strong>in</strong>igermaßen<br />
mite<strong>in</strong>anderkompatibelzumachenund<br />
die Bundesmittel <strong>in</strong>den Fonds e<strong>in</strong>fließen<br />
zu lassen. Herausgekommen ist<br />
e<strong>in</strong>e Praxis,bei derdie K<strong>in</strong>der,soL<strong>in</strong>denau,<br />
gar nicht merken, dass sie von e<strong>in</strong>em<br />
Förderprogramm unterstützt werden.<br />
Möglich macht dies e<strong>in</strong> denkbar<br />
unbürokratisches Antrags- und Abrechnungsprozedere.<br />
Die Fondslösung erlaubt<br />
zudem E<strong>in</strong>zelfallentscheidungen,<br />
die ander Lebenwirklichkeit der K<strong>in</strong>der<br />
orientiert s<strong>in</strong>d undmit demBuT unmöglich<br />
wären. Das Ergebnis: Rund 65 Prozent<br />
der anspruchsberechtigten K<strong>in</strong>der<br />
erhalten Förder-und Teilhabeleistungen.<br />
Übere<strong>in</strong>st<strong>im</strong>mung und Kontroverse<br />
Wie und warum die e<strong>in</strong>zelnen Komponenten<br />
–vom warmen Mittagessenüber<br />
Gutsche<strong>in</strong>e fürNachhilfe biszur Kostenübernahme<br />
bei Klassenausflügen –ankommen<br />
oder eben nicht, beleuchteten<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Expertenrunde Professor Dr.<br />
Johannes Münder (SOS K<strong>in</strong>derdorf),<br />
Verena Göppert (Deutscher Städtetag),<br />
Dr. Dietrich Engels (Institut für Sozialforschung)<br />
und Gerda Holz (Institut für<br />
Sozialarbeit und Sozialpädagogik). In e<strong>in</strong>erweiterenRunde<br />
diskutierten Politiker<strong>in</strong>nen<br />
derBundestagsfraktionen mitDr.<br />
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer<br />
des Paritätischen Gesamtverbands, den<br />
Reformbedarf. Während Ingrid Fischbach<br />
(CDU/CSU)das derzeitige Konzept<br />
desBuT <strong>im</strong> Wesentlichen verteidigteund<br />
den Abbau von Bürokratieproblemen <strong>in</strong><br />
Aussicht stellte, unterstützten Elke Ferner<br />
(SPD) und Diana Golze (Die L<strong>in</strong>ke)<br />
die Forderungen des Paritätischen, <strong>im</strong><br />
K<strong>in</strong>der- und Jugendhilfegesetz e<strong>in</strong>en<br />
Rechtsanspruch auf Teilhabeleistungen<br />
zu verankern und den K<strong>in</strong>derregelsatz<br />
<strong>im</strong> SGB IIbedarfsgerecht anzupassen.<br />
Ek<strong>in</strong> Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen)<br />
sprach sich für Ganztagsbetreuung <strong>in</strong><br />
Kita undSchuleund e<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>dergrundsicherung<br />
aus. Auch Sybille Laurischk<br />
(FDP) will e<strong>in</strong> „K<strong>in</strong>derbasisgeld“.<br />
Broschüre und Film<br />
Unter dem Titel „Anspruch nicht e<strong>in</strong>gelöst“<br />
veröffentlicht der Paritätische die Ergebnisse<br />
se<strong>in</strong>er ersten bundesweiten Umfrage<br />
zum Bildungs- und Teilhabepaket.<br />
Die Broschüre kann gratis bestellt werden<br />
per E-Mail ankommunales@paritaet.org.<br />
Zum Download steht sie auf www.k<strong>in</strong>derverdienen-mehr.de.<br />
Dort gibt es unter<br />
„Zwischenbilanz“ auch Filmmitschnitte<br />
der politischen Diskussionsrunde.<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
31
Sozialpolitik<br />
Unabhängige Kommission<br />
für künftige<br />
Armutsberichte gefordert<br />
Der Paritätische Gesamtverband hat<br />
gefordert, für künftige Armuts- und<br />
Reichtumsberichtee<strong>in</strong>eunabhängige,<br />
regierungsexterne Expertenkommission<br />
e<strong>in</strong>zusetzen. Den jüngsten<br />
Armutsbericht der Bundesregierung,<br />
der <strong>im</strong>März präsentiert wurde, bezeichnete<br />
Hauptgeschäftsführer Dr.<br />
Ulrich Schneider als „pe<strong>in</strong>liche Hofberichterstattung“.<br />
Der von Bundesarbeits-<br />
und Sozialm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Ursula<br />
von der Leyen (CDU) <strong>im</strong> September<br />
vorgelegten Fassung habe FDP-Vorsitzender<br />
Rösler sämtliche Zähne gezogen<br />
mit dem Ziel, die Maßnahmen<br />
der Bundesregierung wahlkampftauglich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong> möglichst gutes Licht<br />
zu rücken, betonte Schneider. „Wenn<br />
zuvorkritisierte Armutslöhne jetztsogarals<br />
politischerErfolggewertetwerden,<br />
ist dies an Pe<strong>in</strong>lichkeit kaum<br />
noch zu übertreffen.“ Als ehrliche<br />
Bestandsaufnahme könne dieser Bericht<br />
nicht angesehen werden. Ermachevielmehrdeutlich,<br />
dass es Zeit sei,<br />
die Armutsberichterstattung <strong>in</strong> die<br />
Hände neutraler Experten zu legen.<br />
HartzIV–e<strong>in</strong>e folgenschwere<br />
sozialstaatliche Verirrung<br />
Die Agenda 2010 und die Hartz-<br />
IV-Gesetze s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e folgenschwere<br />
sozialstaatliche Verirrung,die<br />
Millionenvon <strong>Menschen</strong> <strong>in</strong><br />
die E<strong>in</strong>kommensarmut gestürzt hat.<br />
Diese Bilanz zog der Paritätische Gesamtverband<strong>im</strong>März<br />
anlässlich des10.<br />
Jahrestags ihrer Verkündigung. Als<br />
„pe<strong>in</strong>liche Schönfärberei“ bezeichnet<br />
der Verband die positive Bilanzierung<br />
der Agenda 2010 durch Bundesregierung<br />
und Teile der Opposition. „Man<br />
muss schon sehr konsequent die Augen<br />
vor der Wirklichkeit <strong>in</strong> Deutschland verschließen,<br />
um die Agenda 2010 als<br />
Erfolg feiern zukönnen“, sagte Hauptgeschäftsführer<br />
Dr. Ulrich Schneider.<br />
Er verweist darauf, dass 2002 die Zahl<br />
der <strong>Menschen</strong>, die <strong>in</strong>Deutschland auf<br />
Sozialhilfeniveau lebten, 2,8 Millionen<br />
betrug. 2010 waren esdagegen bereits<br />
7,6Millionen <strong>Menschen</strong>, die von Altersgrundsicherung,<br />
K<strong>in</strong>derzuschlag oder<br />
Hartz IV und somit auf Sozialhilfeniveau<br />
leben mussten.<br />
Trotz rückgängiger Arbeitslosenquoten<br />
habe die Armutsrisikoquote <strong>in</strong><br />
Deutschland mit 15,2 Prozent e<strong>in</strong>en<br />
historischen Höchststand erreicht.<br />
Schneider: „Die direkte Folge der<br />
Agenda 2010 ist e<strong>in</strong>e Amerikanisierung<br />
des deutschen Arbeitsmarkts.<br />
Die Ausbreitung von Leiharbeit und<br />
Niedriglöhnen ist alles andere als e<strong>in</strong><br />
ger<strong>in</strong>gfügiger Kollateralschaden der<br />
Agendareformen, sondern war für alle<br />
absehbar und von vielen gewollt.“<br />
Langzeitarbeitslose ohne Perspektiven<br />
Was die Hilfen durch Hartz IV anbelangt,<br />
ziehtSchneiderebensoe<strong>in</strong>enegative<br />
Bilanz: „Die Regelsätze <strong>in</strong>Hartz IV<br />
s<strong>in</strong>d Armutssätze. Das Bildungs- und<br />
Teilhabepaket für K<strong>in</strong>der aus Familien<br />
mit niedrigem E<strong>in</strong>kommen ist <strong>im</strong> Wesentlichen<br />
wirkungslos, und schwerstvermittelbare<br />
Langzeitarbeitslose bleiben<br />
zunehmend ohne Perspektiven.“<br />
DerVerband fordertals sofortigeKorrekturmaßnahmen<br />
e<strong>in</strong>e bedarsgerechte Erhöhungdes<br />
Hartz-IV-Regelsatzesauf 420<br />
Euro, e<strong>in</strong>e umfassende Reform des Bildungs-<br />
und Teilhabepakets sowie den<br />
Ausbau öffentlich geförderter, sozialversicherungspflichtiger<br />
Beschäftigung für<br />
schwer vermittelbareLangzeitarbeitslose.<br />
32 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Forum<br />
Foto: Campact<br />
Das „Bündnis Umfairteilen –Reichtum besteuern!“ <strong>in</strong> Aktion: Vor<br />
dem Bundeskanzleramt protestierten Bündnisakteure <strong>im</strong> März gegen die „beschönigenden<br />
Änderungen“ amArmuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung.<br />
NichtHalbwahrheitenund Verharmlosungseien gefragt, sonderne<strong>in</strong>esozialgerechte<br />
Verteilungspolitik. Für diese sammelt das Bündnis, das auch der Paritätische mitträgt,<br />
unter dem Motto „Höchste Zeit zum Umfairteilen!“ bis zur Bundestagswahl<br />
Unterschriften aufder Kampagnenseite www.umfairteilen.de. Dort s<strong>in</strong>d auch aktuelle<br />
Aktionsterm<strong>in</strong>e zu f<strong>in</strong>den. Nach dem bundesweiten Aktionstag am 13. April gibt es<br />
zahlreiche lokale Veranstaltungen sowiee<strong>in</strong>en großen Kongress <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vom24. bis<br />
26.Mai 2013 (Programm:www.umverteilen-macht-gerechtigkeit.eu).<br />
Memorandum: BessererSchutz für Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />
E<strong>in</strong> breites gesellschaftliches Bündnis,<br />
dem unter anderem PRO ASYL, Wohlfahrtsverbände<br />
wieder Paritätische sowie<br />
derDeutscheAnwaltvere<strong>in</strong>und dieNeue<br />
Richtervere<strong>in</strong>igung angehören, präsentierte<br />
<strong>im</strong> März e<strong>in</strong> Memorandum mit<br />
dem Titel „Flüchtl<strong>in</strong>gsaufnahme <strong>in</strong>der<br />
Europäischen Union: Für e<strong>in</strong> gerechtes<br />
und solidarisches System der Verantwortlichkeit“.<br />
Es soll e<strong>in</strong>e Debatte darüber<br />
anstoßen, wie Europa künftig mit<br />
Flüchtl<strong>in</strong>gen umgehen will. Indem Memorandum<br />
schlagen die Organisationen<br />
Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen<br />
e<strong>in</strong>enanden <strong>Menschen</strong>rechtenorientiertenUmbau<br />
desDubl<strong>in</strong>-Systemsvor:Das<br />
heutige maßgebliche Kriterium für die<br />
Asylzuständigkeit–der „Ort derillegalen<br />
E<strong>in</strong>reise“ –müsse ersetzt werden durch<br />
das „Pr<strong>in</strong>zip der freien Wahl des Mitgliedstaates“.<br />
Flüchtl<strong>in</strong>ge dürften nicht<br />
länger zum Aufenthalt <strong>in</strong>Ländern gezwungenwerden,<br />
dieweder e<strong>in</strong>ordentliches<br />
Asylsystem hätten noch e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>destmaßanmenschenwürdigerBehandlung<br />
gewährten. Das Memorandum<br />
stehtauf www.migration.paritaet.org.<br />
365 Tage <strong>im</strong>Jahr 24Stunden kostenfrei<br />
erreichbar ist das neue „Hilfetelefon Gewalt<br />
gegenFrauen“.EsbietetBetroffenen<br />
die Möglichkeit, sich bundesweit unter<br />
08000/116016 jederzeit anonym, kompetent,<br />
sicher und barrierefrei beraten zu<br />
lassen. Die Mitarbeiter<strong>in</strong>nen stehen hilfesuchendenFrauenvertraulich<br />
zurSeite<br />
und leiten sie bei Bedarf andie passendenUnterstützungsangebotevor<br />
Ortweiter.<br />
Darüber h<strong>in</strong>aus können sich gewaltbetroffene<br />
Frauen und unterstützende<br />
Personen auf www.hilfetelefon.de auch<br />
über dieOnl<strong>in</strong>eberatungper E-Mail oder<br />
Chat an das Hilfetelefon wenden. Für<br />
HörgeschädigteoderschwerhörigeFrauen<br />
gibt es über die Website kostenfrei<br />
e<strong>in</strong>enDolmetschdienst.<br />
ausgezeichnet<br />
Im Rahmen des 18. Kongresses Armut<br />
und Gesundheit <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ist<br />
derVere<strong>in</strong>„K<strong>in</strong>derStärkene.V.“ vom<br />
BKK Bundesverband mit dem Sonderpreis<br />
„Gute Praxis“ ausgezeichnet<br />
worden. Seit se<strong>in</strong>er Gründung<br />
<strong>im</strong> Jahr 2008 bietet „K<strong>in</strong>derStärken<br />
e. V.“ vornehmlich <strong>im</strong> Landkreis<br />
Stendal Projekte an, die darauf abzielen,<br />
die Lebensbed<strong>in</strong>gungen von<br />
K<strong>in</strong>dern, Jugendlichen undFamilien<br />
<strong>in</strong> sozial belastenden Lebensumständen<br />
zuverbessern und die Betroffenen<br />
zustärken. Dazu zählen<br />
etwa das Zukunftsbüro „JuMeS“<br />
(Junge <strong>Menschen</strong> Stendals) und das<br />
Projekt „Männer <strong>in</strong> Kitas“ zur Professionalisierung<br />
der Väterarbeit <strong>in</strong><br />
Stendaler Kitas. Weitere Informationengibtesauf<br />
www.gesundheitlichechancengleichheit.de.<br />
*<br />
Der Hof Fleckenbühl <strong>in</strong>Cölbe hat<br />
vom Hessischen M<strong>in</strong>isterium für<br />
Umwelt, Energie, Landwirtschaft<br />
und Verbraucherschutz die bronzene<br />
Ehrenplakette des Landes Hessen<br />
verliehen bekommen. Gewürdigt<br />
werden damit besondere Verdienste<br />
umLandwirtschaft, Forsten<br />
und Naturschutz von Betrieben des<br />
ökologischen Landbaus.<br />
www.diefleckenbuehler.de<br />
*<br />
Die Bremer He<strong>im</strong>stiftung hat mit<br />
ihremProjekt „Vera–vernetztund aktiv:<br />
die digitale Gesundheitsbegleitung“<br />
den AOK-Leonardo-Förderpreis<br />
gewonnen.VerasollSenioren mitHilfe<br />
von Tablet-PCs unterstützen, möglichst<br />
selbstbest<strong>im</strong>mt körperlich und<br />
geistig fit zu bleiben. DieTeilnehmenden<br />
können zwischen Sportkursen<br />
der He<strong>im</strong>stiftung, Angeboten <strong>im</strong><br />
Stadtteil und Bewegungsvideos wählen.<br />
Für die geistige Fitness sorgt e<strong>in</strong><br />
digitales Gedächtnistra<strong>in</strong><strong>in</strong>g. Be<strong>im</strong><br />
Umgang mit der modernen Technik<br />
unterstützten anfangs Schüler<strong>in</strong>nen,<br />
Schülerund Studierendedie Senioren<br />
und Senior<strong>in</strong>nen.<br />
www.bremer-he<strong>im</strong>stiftung.de<br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
33
hören &sehen<br />
Me<strong>in</strong> gläserner Bauch<br />
Risiken und Konsequenzen derPränataldiagnostik<br />
MonikaHey ist bereitsüber40, als<br />
sie schwanger wird. Die Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit,dassihr<br />
K<strong>in</strong>d beh<strong>in</strong>dert<br />
e<strong>in</strong> könnte, ist damit statistisch<br />
höherals beijungenSchwangeren.Doch<br />
fürdie Journalist<strong>in</strong> stehtfest:E<strong>in</strong>eBeh<strong>in</strong>derung<br />
ist für sie ke<strong>in</strong> Grund, das K<strong>in</strong>d<br />
nicht bekommen zu wollen. Dementsprechendmöchtesie<br />
die„Vorsorge“-Unterschungenauchauf<br />
jene beschränken,<br />
die für ihr K<strong>in</strong>d nützlich s<strong>in</strong>d und es<br />
nichtder Gefahr dervorgeburtlichen Selektion<br />
aussetzen. Dennoch gerät Monika<br />
Hey <strong>in</strong>den Sog der Pränataldiagnostik:<br />
IhrK<strong>in</strong>dhabee<strong>in</strong>ebesonders schwere<br />
Form des Down Syndroms und massive<br />
Flüssigkeitsansammlungen (Ödme),<br />
sagt man ihr nach e<strong>in</strong>er Ultraschall-Untersuchung.<br />
Es sei schwerst köperlich<br />
undgeistig beh<strong>in</strong>dertund habe,wennes<br />
nicht bereits <strong>im</strong> Mutterleib sterbe, nur<br />
ger<strong>in</strong>ge Überlebenschancen. Und man<br />
rätihr zur Abtreibung.„DieÄrzte hatten<br />
mich e<strong>in</strong>em Sturm ausgesetzt, <strong>in</strong>dem<br />
me<strong>in</strong>eGefühle undme<strong>in</strong>e Handlungsfähigkeit<br />
erstarrt waren“, schreibt sie. In<br />
ihrem sehr lesenswerten Buch „Me<strong>in</strong><br />
gläserner Bauch“ arbeitet Monika Hey<br />
nicht nur ihre eigenen Erfahrungen auf,<br />
sondernbeleuchtetauchkritischdie Praxisvorgeburtlicher<br />
Diagnostik,die heute<br />
für viele Schwangere selbstverständlich<br />
ist, ohne dass sie sich deren Tragweite<br />
bewusst s<strong>in</strong>d. Wird be<strong>im</strong> Ungeborenen<br />
e<strong>in</strong>e unheilbare KrankheitoderBeh<strong>in</strong>derung<br />
festgestellt, bedeutet das häufig,<br />
dass sie völlig unvorbereitet über Leben<br />
oder Todihres ungeborenen K<strong>in</strong>des entscheiden<br />
müssen.Dennder gesellschaftliche<br />
Druck auf Eltern, e<strong>in</strong> beh<strong>in</strong>dertes<br />
K<strong>in</strong>d abzutreiben, sei enorm, so die Autor<strong>in</strong>.<br />
Monika Hey: „Me<strong>in</strong> gläserner Bauch“<br />
DVA, 224 Seiten, 19,99 Euro UB<br />
Infos zur Selbsthilfe<br />
Vielfältige Informationen rund ums<br />
ThemaSelbsthilfe gibt derParitätische<br />
Landesverband Baden-Württemberg<br />
auf „www.selbsthilfe-<strong>in</strong>fo.de“. Interessierte<br />
f<strong>in</strong>den dort Adressen von Selbsthilfeverbänden<br />
und Kontaktstellen für<br />
chronisch kranke und beh<strong>in</strong>derte<br />
<strong>Menschen</strong> <strong>in</strong> Baden-Württemberg und<br />
erfahren allesüberProjekte, mitdenen<br />
derLandesverband diegesundheitliche<br />
Selbsthilfe <strong>in</strong>Baden-Württemberg unterstützt.<br />
Zudem gibt es Tipps zur Arbeit<br />
von Selbsthilfegruppen.<br />
Jugendfarmen <strong>im</strong> Film<br />
Aktiv und kreativ die Welt entdecken –<br />
wie Jugendfarmen und Aktivspielplätze<br />
dies K<strong>in</strong>dernund Jugendlichen ermöglichen,zeigt<br />
derFilm„SpielenfürsLeben“<br />
auf der Homepage des Bundesesverbands<br />
der Jugendfarmen: www.bdja.<br />
org (<strong>in</strong> der Rubrik Medien). Dort gelangtman<br />
auch zu e<strong>in</strong>emweiterenFilm<br />
zur offenen K<strong>in</strong>der- und Jugendarbeit.<br />
Gesprächegegen die E<strong>in</strong>samkeit Sterbenskranker<br />
Warum muss ich so früh sterben?<br />
E<strong>in</strong>e Frage, die<strong>in</strong>Wirklichkeitoft eher<br />
e<strong>in</strong> verzweifelter Ausruf ist – aber<br />
auch Anknüpfungspunkt se<strong>in</strong> kann<br />
füre<strong>in</strong> Gespräch über Angst,Wut und<br />
Hoffnung. Gefühle, zwischen denen<br />
sterbenskranke <strong>Menschen</strong> oft h<strong>in</strong>und<br />
hergerissen s<strong>in</strong>d, wie Professor<br />
Dr. Ernst Engelke <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch<br />
„Gespräche gegendie E<strong>in</strong>samkeit Sterbenskranker“<br />
betont. Doch vielen<br />
<strong>Menschen</strong>,die alsAngehörige, Behandelnde<br />
oder Pflegende mit Schwerstkranken<br />
amEnde ihres Lebens konfrontiert<br />
s<strong>in</strong>d, fällt es schwer, sich mit<br />
diesen auf e<strong>in</strong> tieferes, offenes Gespräche<strong>in</strong>zulassen–aus<br />
Unsicherheit<br />
und aus Furcht, etwas Falsches zu<br />
sagen, den anderen zu verletzen, ihm<br />
zu nahe zu kommen. Aber oft auch<br />
aus Angst vor der Konfrontation mit<br />
dereigenen Sterblichkeit. Engelkeverwendet<br />
darum e<strong>in</strong>en großen Teil se<strong>in</strong>esBuchesdarauf,<br />
<strong>Menschen</strong> zu zitieren,<br />
die beschrieben haben, welche<br />
Gefühle sie <strong>in</strong> dieser Lebensphase bewegten:wie<br />
etwa Ruth Picardie (Eswird<br />
mir fehlen, das Leben), Christoph<br />
Schl<strong>in</strong>gensief(So schönwie hier kann‘s<br />
<strong>im</strong> H<strong>im</strong>mel gar nicht se<strong>in</strong>), Peter Noll<br />
(Diktate über Sterbenund Tod) oder Maxie<br />
Wander (Leben wär‘ e<strong>in</strong>e pr<strong>im</strong>a Alternative).<br />
Das ist e<strong>in</strong>e sehr bereichernde<br />
Lektüre, mitunter aber auch mühsam,<br />
weil <strong>in</strong> der Regel <strong>im</strong> Text nicht<br />
angeführt wird, von wem welches Zitat<br />
stammt, sodass es<strong>im</strong>mer wieder <strong>im</strong><br />
Anhang nachgeschlagen werden muss.<br />
So wie das Leben e<strong>in</strong>es jeden<br />
<strong>Menschen</strong> e<strong>in</strong>zigartig ist,<br />
ist esauch se<strong>in</strong> Sterben<br />
Darüberh<strong>in</strong>ausgibtder Autoraberauch<br />
weiter, was er selbst aus der Begegnung<br />
mit Sterbenden gelernt hat: als Psychologe,<br />
Psychotherapeut und Krankenhausseelsorger,<br />
aber auch als Angehöriger,<br />
Freund, Kollege und Nachbar. „So<br />
wie das Leben e<strong>in</strong>es jeden <strong>Menschen</strong><br />
e<strong>in</strong>zigartig ist,ist auch se<strong>in</strong> Sterbene<strong>in</strong>zigartig“,<br />
sagt Engelke. Darum enhält<br />
se<strong>in</strong> Buch – abgesehen von wenigen<br />
Ausnahmen–auchke<strong>in</strong>e konkreten Beispiele<br />
für die Gesprächsgestaltung, sondern<br />
„Bauste<strong>in</strong>e dialogischer Kommunikation“.<br />
Das ist vielleicht weniger, als<br />
sich manch e<strong>in</strong>er aufgrund des Titels<br />
erhoffen könnte, aber durchaus der<br />
Komplexitätdes Themas angemessen.<br />
„Der Tod als die größte bio-soziale<br />
Gefahr desLebenswirdmöglichst weit<br />
weggeschoben. Für die Sterbenden bedeutet<br />
dies: auch sie werden weggeschoben“,schreibtEngelke.„E<strong>in</strong>Ergebnis<br />
dieser Berührungsangst ist die<br />
E<strong>in</strong>samkeit der Sterbenden sowie die<br />
Überforderung und das Verlassense<strong>in</strong><br />
ihrer Angehörigen und der Pflegenden.“<br />
Se<strong>in</strong> Buch ist e<strong>in</strong> wichtiger Beitrag,<br />
die Mauern der Isolation und des<br />
Schweigens zu durchbrechen.<br />
Ernst Engelke: Gegen die E<strong>in</strong>samkeit<br />
Sterbenskranker. Wie Kommunikation<br />
gel<strong>in</strong>gen kann. Lambertus, 378Seiten,<br />
23,90 Euro. Ulrike Bauer<br />
34 www.der-paritaetische.de 2 | 2013
Filmtipps<br />
Schwanger mit „VIERZEHN“<br />
Niko vonGlasow:<br />
Me<strong>in</strong>Weg nach Olympia<br />
Im Dokumentarfilm „VIERZEHN“<br />
begleitet Cornelia Grünberg vier<br />
14-jährige Mädchen bei der Entscheidungihres<br />
Lebens.Sie alle s<strong>in</strong>d ungewollt<br />
schwanger geworden. Jetzt stehen<br />
viele Fragen <strong>im</strong> Raum: Abtreiben?<br />
Behalten? Wie soll ich das schaffen...?<br />
Fabienne freut sich eigentlich total auf<br />
ihr Baby, wird von ihrem Umfeld aber<br />
so verunsichert, dass sie sogar e<strong>in</strong>en<br />
Term<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Abtreibung ausmacht,<br />
entscheidetsichaberdann doch fürdas<br />
K<strong>in</strong>d. Auch bei den anderen drei Mädchen<br />
war eske<strong>in</strong>e leichtere Entscheidung.<br />
Steffi traute sich nicht, es ihrer<br />
Mutter zu sagen, bisdiese selbst darauf<br />
kam. Auch Laura und Lisa hatten ihre<br />
Startschwierigkeiten, entschieden sich<br />
schlussendlich aber für das K<strong>in</strong>d.<br />
Der Film lässt e<strong>in</strong>en richtig mitfühlen,<br />
wie die Mädchen mit ihrem „dicken<br />
Bauch“ ihren Alltag zumeistern probieren.<br />
Aber ke<strong>in</strong>eist wirklich aufsichalle<strong>in</strong>e<br />
gestellt:Bei dere<strong>in</strong>en hilftdie Schwester,<br />
beider anderendie Mutter.Fabienne<br />
hat esschwerer als die anderen. Bei der<br />
Vorsorgeuntersuchung wird festgestellt,<br />
dass derDarmihres Babysaußerhalb des<br />
Bauches ist. Esheißt, sie könne wegen<br />
dieser Beh<strong>in</strong>derung abtreiben. Aber sie<br />
entscheidet sich nochmals für das Baby.<br />
E<strong>in</strong> großes Glück, denn amEnde wird<br />
Valent<strong>in</strong> e<strong>in</strong> völlig gesundes K<strong>in</strong>d.<br />
Auch die anderen Mädchen haben e<strong>in</strong>e<br />
aufregende Schwangerschaft und müssenmit<br />
denReaktionender anderenumgehenlernen.<br />
Am Ende desFilms haben<br />
sich bisauf e<strong>in</strong>e alle Mädchenvon ihrem<br />
Freund getrennt.<br />
Steffi und Michi mit ihrem Sohn Jason<br />
Foto:K<strong>in</strong>derfilm GmbH<br />
Ich b<strong>in</strong> selbst 14 Jahre alt und habe<br />
hohen Respekt vor den Mädchen, denn<br />
ich glaube, dass es e<strong>in</strong>e Riesenaufgabe<br />
ist,nochzur Schule zu gehenund gleichzeitig<br />
Mutter zu se<strong>in</strong>. Aber die Mädchen<br />
zeigen, dass esgeht, wenn man Unterstützung<br />
bekommt. Wenn die Eltern<br />
nicht helfen, kann man sich auch an<br />
soziale Organisationen wenden.<br />
(Filmstart: 23. Mai 2013.Weitere Infos unter<br />
www.k<strong>in</strong>derfilm-gmbh.de.)<br />
Johanna Wagener<br />
Mitse<strong>in</strong>emganzeigenen Humor, der<br />
auch schon se<strong>in</strong>en Film „Alles wird<br />
gut“ über e<strong>in</strong>Cast<strong>in</strong>g mitbeh<strong>in</strong>derten<br />
Schauspielern und Musikern prägte,<br />
hatRegisseur Niko vonGlasowsich<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>em jüngsten Streifen dem Sport<br />
zugewandt. Genauer: drei Männern<br />
undzweiFrauen, die2012anden Paralympics<br />
<strong>in</strong> London teilnahmen.<br />
Selbst aufgrund von Contergan mit<br />
verkürzten Armen geboren, will der<br />
bekennende Sportmuffel von ihnen<br />
wissen, warum sie sich sofür den<br />
Sport quälen, als wäre das Leben mit<br />
e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung nicht schon anstrengend<br />
genug.<br />
Se<strong>in</strong>en sehr persönlichen, herausfordernden<br />
Fragen stellen sich mit großer<br />
Offenheit die deutsche Schw<strong>im</strong>mer<strong>in</strong><br />
Christiane Reppe, der griechische<br />
Boccia-Spieler Greg Polychronidis,<br />
der amerikanische Bogenschütze<br />
Matt Stutzman, die norwegische<br />
Tischtennisspieler<strong>in</strong> Aida Dahlen und<br />
dasSitzvolleyball-Team aus Ruanda.<br />
Herausgekommen ist e<strong>in</strong> munterer<br />
Dokumentarfilm, der zeigt, wie die<br />
Paralympics <strong>Menschen</strong> mit Beh<strong>in</strong>derung<br />
die Möglichkeit bieten, sich <strong>im</strong><br />
sportlichen Bereich auf Hochleistungsebene<br />
als die Besten zubeweisen,<br />
wie Greg Polychronidis betont.<br />
Der Film läuft ab 16.Mai <strong>im</strong> K<strong>in</strong>o.<br />
<strong>im</strong>pressum<br />
Magaz<strong>in</strong> des PARITÄTISCHEN<br />
ISSN-1866-1718<br />
Telefon: 030/24636-0 ·Fax: -110<br />
Internet: www.der-paritaetische.de<br />
E-Mail: nachrichten@paritaet.org<br />
Verantwortlich: Dr. Ulrich Schneider<br />
Redaktion:<br />
Ulrike Bauer (UB), Tel.: 0172/6585424<br />
Mart<strong>in</strong> Wißkirchen, Tel.: 030/24636-311<br />
Verantwortlich für die Landesseiten:<br />
Brandenburg: Andreas Kaczynski<br />
Tel.: 0331/28497-0<br />
Bremen: Anke Teebken, Tel.: 0421/79199-0<br />
Hessen: Günter Wolter<strong>in</strong>g, Tel.: 069/95526220<br />
Mecklenburg-Vorpommern:<br />
Christ<strong>in</strong>a Hömke, Tel.: 0385/59221-0<br />
Sachsen: Beate Hennig, Tel.: 0351/4916612<br />
Thür<strong>in</strong>gen:StefanWerner, Tel.:036202/26-231<br />
Titelbilder: arche noVa, LandsAid, Help,<br />
Aktion Deutschland Hilft|Stefan Trappe<br />
Für Aufsätze und Berichte, die mit dem<br />
Namendes Verfassers/der Verfasser<strong>in</strong>gekennzeichnet<br />
s<strong>in</strong>d,trägt diese/rdie Verantwortung.<br />
Nachdruck nur mit Erlaubnis der Redaktion.<br />
Redaktionsschluss: 6Wochen vor Ersche<strong>in</strong>en.<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsweise: 6xpro Jahr<br />
Anschrift von Herausgeber, Redaktion,<br />
Anzeigenverwaltung und Vertrieb:<br />
Der Paritätische –Gesamtverband,<br />
Oranienburger Straße 13-14, 10178 Berl<strong>in</strong><br />
Bankverb<strong>in</strong>dung:<br />
Bank für Sozialwirtschaft, Ma<strong>in</strong>z,<br />
Kto-Nr. 7039500 (BLZ 550 205 00)<br />
Druck: Henrich Druck +Medien GmbH,<br />
Schwanhe<strong>im</strong>er Straße 110,<br />
60528 Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
2 | 2013<br />
www.der-paritaetische.de<br />
35
was·wann ·wo<br />
K<strong>in</strong>derschutzbund Frankfurt schult ehrenamtliche Vormünder<br />
Nach positiven Erfahrungen <strong>in</strong> Hamburg<br />
undBochumhat nunauchder K<strong>in</strong>derschutzbund<br />
<strong>in</strong>Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Projekt zur Schulung und Qualifizierung<br />
für ehrenamtliche Vormünder<br />
<strong>in</strong> rechtlichen, psychologischen und<br />
pädagogischen Fragen gestartet.<br />
Oft s<strong>in</strong>d esDrogen- oder Alkoholabhängigkeit,<br />
psychische Erkrankungen oder<br />
emotionale Instabilität,die dazu führen,<br />
dass Müttern und Vätern die elterliche<br />
Sorgefür ihre K<strong>in</strong>der ganz oder teilweise<br />
entzogen wird.Die K<strong>in</strong>der,die häufig<strong>in</strong><br />
betreuten Wohne<strong>in</strong>richtungen oder bei<br />
Pflegefamilien untergebracht werden,<br />
sollen mit dem ehrenamtlichen Vormund<br />
e<strong>in</strong>en<strong>Menschen</strong>zur Seitegestellt<br />
bekommen,der oder diesichbesonderes<br />
um sie kümmert, sich Zeit für sie<br />
n<strong>im</strong>mt, regelmäßig Kontakthältund sie<br />
möglichst bis zur Volljährigkeit <strong>im</strong> Lebensalltag<br />
begleitetund unterstützt –sei<br />
es beiProblemen, <strong>in</strong> rechtlichenFragen,<br />
bei Schul- und Ausbildungsplatzwahl<br />
oder der mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung.<br />
Für diese verantwortungsvolle Aufgabe<br />
sollen die künftigen ehrenamtlichen<br />
Vormünder entsprechend vorbereitet<br />
unddauerhaft begleitetwerden. DerK<strong>in</strong>derschutzbundFrankfurt<br />
bietet daherab<br />
AprilQualifizierung undUnterstützung<br />
an und steht den Vormündern jederzeit<br />
als Ansprechpartner zurSeite.<br />
Voraussetzung für das Ehrenamt s<strong>in</strong>d<br />
laut Projektleiter<strong>in</strong> Dr. Anja Sommer<br />
ausreichendZeitsowie e<strong>in</strong>e grundsätzliche<br />
Vere<strong>in</strong>barkeit mit der beruflichen<br />
und familiären Situation. Zudem sollte<br />
e<strong>in</strong> ehrenamtlicher Vormund Kompetenzen<br />
<strong>in</strong> derBeziehungsgestaltung mit<br />
K<strong>in</strong>dernund Jugendlichen sowiedie Bereitschaft<br />
zur Zusammenarbeit unter<br />
anderem mit Behörden, Gerichten und<br />
derHerkunftsfamiliedes K<strong>in</strong>des haben.<br />
Vormünderbenötigtenjedochke<strong>in</strong>e spezifischen<br />
Qualifikationen wie pädagogische<br />
oder juristische Ausbildung. Auch<br />
dieAufnahmedes Mündels<strong>in</strong>die Familiesei<br />
nichtAufgabe e<strong>in</strong>esVormunds,so<br />
Anja Sommer. Sie ist für nähere Auskünfte<br />
zu erreichen unter Tel.: 069/<br />
970901-16oder per E-Mail an vormundschaft@k<strong>in</strong>derschutzbund-frankfurt.de.<br />
(www.k<strong>in</strong>derschutzbund-frankfurt.de)<br />
PeerszuProfis<br />
Unter dem Titel „Peers zu Profis“<br />
bietet die Interessenvertretung Selbstbest<strong>im</strong>mt<br />
Leben <strong>in</strong>Deutschland e. V.<br />
–ISL ab Ende Mai 2013 <strong>in</strong>Erkner bei<br />
Berl<strong>in</strong> barrierefreie und <strong>in</strong>dividuelle<br />
Weiterbildungen für Fach- und Führungskräfte<br />
mit Beh<strong>in</strong>derungen an,<br />
die <strong>in</strong>Organisationen der Sozialwirtschaft<br />
tätig s<strong>in</strong>d. Alle Lern<strong>in</strong>halte werden<br />
von Ausbilder<strong>in</strong>nen und Ausbildern<br />
mit Beh<strong>in</strong>derung vermittelt.<br />
Auf www.isl-weiterbildung.de f<strong>in</strong>den<br />
Interessierte Details zu den Workshops,<br />
Sem<strong>in</strong>arterm<strong>in</strong>en, Inhalten<br />
und Anmeldemodalitäten.<br />
Angehörigenarbeit<br />
Am 26. September 2013 beg<strong>in</strong>nt bei<br />
der Angehörigenberatung e. V. Nürnberg<br />
e<strong>in</strong>e Weiterbildungsreihe für<br />
Sozialpädagog<strong>in</strong>nen, Sozialpädagogen<br />
und Pflegekräfte zum Thema Angehörigenarbeit.<br />
Sie vermittelt Wissen zu<br />
Methoden, Inhalten und Zielen der<br />
Arbeit mit pflegenden Angehörigen<br />
<strong>in</strong>sbesondere ausgerichtet auf die Betreuung<br />
von <strong>Menschen</strong> mit Demenz.<br />
Zudem werden Konzepte zur Beratung,<br />
zuGruppenangeboten und sozialrechtliche<br />
Grundlagen präsentiert.<br />
Weitere Informationen gibt es auf<br />
www.angehoerigenberatung-nbg.de.<br />
Konduktive Förderung<br />
Das Konduktive Förderzentrum der<br />
Phoenix GmbH bildet ab September berufsbegleitend<br />
Pädagogisch-therapeutische<br />
Konduktor<strong>in</strong>nen bzw. Konduktoren<br />
sowie Konduktive Gruppenassistenten<br />
aus. Das Angebot richtet sich an Fachkräfte<br />
<strong>in</strong> der Rehabilitation und Pädagogik<br />
bei körperbeh<strong>in</strong>derten K<strong>in</strong>dern und<br />
Jugendlichen. Konduktive Förderung ist<br />
e<strong>in</strong>e ganzheitliche Methode zur Unterstützung<br />
frühestmöglicher Selbstständigkeit<br />
und Unabhängigkeit von K<strong>in</strong>dern,<br />
Jugendlichen und Erwachsenen<br />
mit zerebralen Bewegungsstörungen.<br />
Weitere Infos: www.phoenix-kf.de.<br />
Deutsch-französischesEngagement gefragt<br />
„On y va – auf geht’s!“, heißt der<br />
Titel e<strong>in</strong>es Wettbewerbs der Robert<br />
Bosch Stiftung, mit dem grenzüberschreitendes<br />
bürgerschaftliches Engagement<br />
gefördert werden soll. Bis zum<br />
13. Mai 2013 können sich Vere<strong>in</strong>e, Verbände,<br />
Initiativen und soziale E<strong>in</strong>richtungen<br />
wieKitas bewerben,die geme<strong>in</strong>sammit<br />
e<strong>in</strong>erfranzösischen Partnerorganisation<br />
e<strong>in</strong> neues grenzüberschreitendes<br />
ehrenamtliches Projekt <strong>in</strong><br />
Deutschland undFrankreichumsetzen<br />
möchten. Und zwar unter anderem <strong>in</strong><br />
folgenden Bereichen: soziale Maßnahmen,<br />
Dialog der Generationen, K<strong>in</strong>derundJugendarbeit,<br />
Bildung, Gesundheit,<br />
Integration von Migranten.<br />
Die Robert Bosch Stiftung unterstützt<br />
biszu15Initiativgruppenmit max<strong>im</strong>al<br />
je 5.000 Euro beider Realisierung ihres<br />
Projekts. Nähere Informationen f<strong>in</strong>den<br />
Interessierte aufwww.bosch-stiftung.de<br />
unter dem Stichwort „neue Ausschreibungen“.<br />
Fachtagung <strong>in</strong> Fulda:<br />
Zukunft Ernährung<br />
Unter dem Titel „Zukunft Ernährung<br />
–Kul<strong>in</strong>arisch und gesund“ veranstaltenPariserve,<br />
derParitätischeGesamtverbandund<br />
dieHochschuleFulda am<br />
10. und 11. Juni 2013 <strong>in</strong>Fulda e<strong>in</strong>e<br />
Fachtagung zurErnährung <strong>in</strong> sozialen<br />
E<strong>in</strong>richtungen. Dabei wird erstmals<br />
auch der „Zukunftspreis 2013 Ernährung<br />
und Verpflegung“ verliehen.<br />
Nähere Informationen gibt es <strong>im</strong> Internet<br />
auf www.pariserve.de.<br />
36 www.der-paritaetische.de 2 | 2013