Die eigene Mediengeschichte - Evangelische Fachschulen für ...
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Inhalt<br />
Impressum:<br />
<strong>Evangelische</strong> Fachschule <strong>für</strong> Sozialpädagogik<br />
Kauffmannstraße 40<br />
70195 Stuttgart<br />
info@fachschule-botnang.de<br />
www.fachschule-botnang.de<br />
LBBW Stuttgart BLZ 600 501 01 Konto 2278919<br />
2<br />
Liebe Leserinnen und Leser B. Deiss-Niethammer 3<br />
Interview mit Kornelia Schneider R. Böhm 4<br />
Schwerpunkt: Vielfalt und Unterschiedlichkeit<br />
- Kinderwelten-Projekt C. Hofbauer 6<br />
- Biografisches Arbeiten und Lernen I. Göke-Junk 7<br />
- Religiöse Entwicklung im Lebenslauf B. Frieß 8<br />
- <strong>Die</strong> <strong>eigene</strong> <strong>Mediengeschichte</strong> U. Stauber 8<br />
- Performance A. Steiner 9<br />
- Kinderliteratur D. Böhm 10<br />
Themen aus dem Unterricht<br />
- Lautsärkemessungen R. Klingsporn 11<br />
- Erlebnispädagogik B. Döring 12<br />
- Exkursion zum Naturlabor 13<br />
- Film: Lisette... U. Stauber 14<br />
- Armut in der Stadt B. Frieß 15<br />
Personalnotizen<br />
- Verabschiedung Margarete Blank-Mathieu B. Deiss-Niethammer 16<br />
- Neu an der Schule und im Kindergarten 16<br />
Aus dem Kindergarten: Afrika... G. Vogt 19<br />
Jahresrückblick 20<br />
Wechsel im Vorstand des Vereins B. Deiss-Niethammer 22<br />
Wir gratulieren 23<br />
Redaktion:<br />
Birgit Deiss-Niethammer, Jürgen Hermann, Annemarie Steiner<br />
Layout: Annemarie Steiner<br />
Fotos: R. Böhm, Brockmann, Döring, Hofbauer, Stauber, Steiner, Vogt,<br />
Studierende der Oberkurse 2009/10 u.a.<br />
Umschlagbild: „Aus dem Rahmen fallen...“ von Studierenden des<br />
ehem. OK 2<br />
V.i.S.d.P.: Birgit Deiss-Niethammer<br />
Gedruckt in der Grafischen Werkstätte der Bruderhaus Diakonie<br />
Reutlingen<br />
Auflage: 1500
Liebe Leserinnen und Leser,<br />
kommen Sie herein, schauen Sie sich bei uns um<br />
– diese Einladung möchten wir mit dem neuen Jahresbrief<br />
aussprechen. Wir freuen uns, wenn Sie<br />
beim Durchblättern an dem einen oder anderen Text<br />
oder Bild Interesse finden und sich beim Lesen hineinnehmen<br />
lassen in unser schulisches Leben.<br />
Denn: Das schulische Leben ist „unbestreitbar die<br />
höchste Lebensstufe“! Zu einer solchen Bewertung<br />
kam vor über 450 Jahren Philipp Melanchthon,<br />
Luthers Mitstreiter in Sachen Reformation. Er positioniert<br />
sich noch eindeutiger, indem er das schulische<br />
Leben als Abbild des Paradieses bezeichnet.<br />
Seit ich auf diese Aussagen gestoßen bin, lassen sie<br />
mich nicht mehr los. Deshalb habe ich damit bereits<br />
die diesjährige Kollegiumskonferenz zum Schuljahresbeginn<br />
eröffnet und ebenso die letzte Mitgliederversammlung<br />
unseres Trägervereins, die der bisherige<br />
Vorsitzende Martin Klumpp geleitet hat (zum<br />
Wechsel im Vorstand mehr auf Seite 22). Schule als<br />
Paradies? Spontan sicher ein provozierendes Bild.<br />
Denn haben nicht wir alle eine mehr oder weniger<br />
kritische Haltung zur Schule? Selbst oder gerade<br />
diejenigen von uns, die täglich dieses schulische<br />
Leben gestalten. Schule – ist das nicht der Ort, den<br />
man durchlaufen muss, um dann das Eigentliche,<br />
das was man wirklich will, machen zu können? Der<br />
geprägt ist von Vorgaben und Fremdbewertung, von<br />
Lernstoff, von Versagensängsten und - wenn’s gut<br />
geht - hin und wieder einem Erfolgserlebnis? Was<br />
hat das mit dem Paradies zu tun, dem Ort unserer<br />
Sehnsüchte?<br />
Melanchthon hatte etwas anderes im Blick. Ihn reizte<br />
an der Schule die Möglichkeit „über religiöse und<br />
naturwissenschaftliche Fragen, die Unsterblichkeit<br />
der menschlichen Seele, die Himmelsbewegungen<br />
und alle Obliegenheiten des Lebens“ zu lehren, zu<br />
lernen, zu philosophieren, kurz, sich über das Eigentliche<br />
im Leben auszutauschen. Schule in diesem<br />
Sinne dient der Erweiterung des <strong>eigene</strong>n Horizonts,<br />
der Beschäftigung mit existentiell Wichtigem,<br />
der individuellen Erkenntnis. Und auch das kennen<br />
wir hoffentlich: Das Glück, wenn sich uns Zusam-<br />
menhänge erschließen, wenn wir auf einmal etwas<br />
verstanden haben, wenn wir eine Lösung finden <strong>für</strong><br />
ein Problem. Wenn sich – wie wir es aus dem Sport<br />
kennen – ein Flow einstellt und wir völlig aufgehen,<br />
in dem, womit wir uns gerade beschäftigen. Doch<br />
dazu braucht es bestimmte Voraussetzungen. Das<br />
ist zum einen das Gefühl persönlicher und materieller<br />
Sicherheit. Wer sich ständig um sein Auskommen<br />
sorgen muss, kann nicht lernen, wer nicht sicher ist,<br />
am schulischen Ort anerkannt und geschätzt zu<br />
werden, genauso wenig. Zum anderen: Schulisches<br />
Leben im Sinne von Melanchthon braucht Zeit. Nicht<br />
umsonst bezeichnete der Begriff „Schule“ ursprünglich<br />
die Mußestunden im klösterlichen Leben, die<br />
Freizeit also, die mit wissenschaftlicher Beschäftigung<br />
verbracht wurde.<br />
Beides fordert uns als Ausbildungsstätte heraus.<br />
Und von paradiesischen Zuständen sind wir weit<br />
entfernt. Dennoch möchte ich an diesem Bild vom<br />
schulischen Leben als höchster Lebensstufe festhalten,<br />
denn es kann uns helfen, gemeinsam mit allen<br />
an der Ausbildung Beteiligten die richtigen Akzente<br />
zu setzen.<br />
Allen, die uns bei diesem Bemühen unterstützen,<br />
durch Mitarbeit, Spenden, Ermutigung und Kritik,<br />
danke ich sehr herzlich!<br />
Ein gesegnetes Weihnachtsfest und gute Wünsche<br />
<strong>für</strong> das neue Jahr<br />
Ihre<br />
3
Thema: Kinder unter drei Jahren<br />
Am 12. März 2010 gestaltete Kornelia Schneider, ehemals wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen<br />
Jugendinstitut München, <strong>für</strong> unser Kollegium einen Pädagogischen Tag zum Thema<br />
Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern bis zu drei Jahren<br />
in Tageseinrichtungen.<br />
R.B.: Frau Schneider, altersgemischte Gruppen,<br />
möglichst mit einer großen Altersmischung von 0 bis<br />
12 Jahren, gelten derzeit als fortschrittliche und erstrebenswerte<br />
Pädagogik. Für den Situationsansatz<br />
beispielsweise ist die Altersmischung ein grundlegendes<br />
Merkmal, obwohl bis heute keine empirischen<br />
Untersuchungen dazu bestehen, ob Kinder in<br />
altersgemischten Gruppen tatsächlich umfassender<br />
gefördert werden als in altershomogenen (vgl. Liegle<br />
in: Kiga heute 6-7/2007).<br />
Wie beurteilen Sie die Altersmischung aus dem<br />
Blickwinkel der Jüngsten?<br />
K.S.: Zunächst: Das Arbeiten in altersheterogenen<br />
Gruppen war bei seiner Einführung tatsächlich ein<br />
pädagogischer Fortschritt. Es waren vor allem besonders<br />
engagierte Erzieherinnen, die nach Möglichkeiten<br />
gesucht hatten, individueller auf die Kinder<br />
einzugehen, und sich deswegen <strong>für</strong> diesen<br />
innovativen Weg entschieden hatten. Ähnlich wie in<br />
der offenen Arbeit wirkte sich das ruhigere Arbeiten<br />
in kleinen Gruppen positiv auf die Kinder aus: <strong>Die</strong><br />
Atmosphäre wurde entspannter und konzentrierter,<br />
das einzelne Kind bekam mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit.<br />
Bei genauerem Hinsehen aber wurde deutlich: <strong>Die</strong>se<br />
Vorteile ergeben sich nur unter besonderen Bedingungen,<br />
z.B. braucht es <strong>für</strong> eine größere Altersmischung<br />
eine bessere Personal- und Raumausstattung<br />
als dies im Kindergartenbereich die Regel ist.<br />
Es ist nicht möglich, die Interessen und Fähigkeiten<br />
aller Altersgruppen angemessen zu berücksichtigen,<br />
wenn nur ein Raum zur Verfügung steht. <strong>Die</strong> Raumgestaltung<br />
muss ermöglichen, dass auch altersho-<br />
4<br />
Im Anschluss daran sprach Regine Böhm mit Kornelia Schneider:<br />
mogene Kleingruppen zu gemeinsamer Tätigkeit<br />
zusammenfinden und dass alle Kinder zu konzentrierter<br />
Tätigkeit und zum Forschen entsprechend<br />
ihres Entwicklungsstandes kommen.<br />
Immer deutlicher zeigte sich auch, dass Altersmischung<br />
kein Wert an sich ist, sondern nur ein organisatorischer<br />
Rahmen, der mit einem pädagogischen<br />
Konzept gefüllt werden muss. In jedem Fall<br />
sollte <strong>für</strong> alle Kinder ein Zusammentreffen mit Kindern<br />
etwa gleichen Alters bzw. mit Kindern, deren<br />
Entwicklungsstand nicht allzu weit differiert, eingeräumt<br />
werden.<br />
R.B.: <strong>Die</strong> offene Arbeit gehört, zumal in den Stuttgarter<br />
Einstein-Kitas, inzwischen fast schon zum<br />
pädagogischen Standard. Bei Praxisbesuchen können<br />
wir beobachten, dass die ganz Kleinen dabei<br />
manchmal ziemlich verloren wirken. Eignet sich die<br />
offene Arbeit überhaupt <strong>für</strong> die unter Dreijährigen<br />
oder müssen wir hier nach neuen Konzepten suchen?<br />
K.S.: Hier wird ja schon durchaus Unterschiedliches<br />
ausprobiert. <strong>Die</strong> Basis, damit sich die Jüngsten in<br />
der Kita zurechtfinden und wohl fühlen, ist zunächst<br />
eine stabile Beziehung zu einer Erzieherin. Unabdingbar<br />
ist deshalb, dass die Eingewöhnung von einer<br />
festen Bezugserzieherin durchgeführt wird.<br />
Manche Einrichtungen arbeiten mit sogenannten<br />
Nestgruppen, allerdings wollen die Kinder häufig<br />
nicht lange dort bleiben. In anderen Kitas ist eine<br />
Erzieherin besonders <strong>für</strong> die Kleinen zuständig.<br />
Da wird viel experimentiert, wobei man immer sehen<br />
muss, dass die Kinder zu ihrem Recht auf Zuwen-
dung und Aufmerksamkeit kommen.<br />
R.B.: Wir bereiten unsere SchülerInnen gezielt auf<br />
die Arbeit mit Kleinstkindern vor. Welche Aspekte<br />
wären Ihnen <strong>für</strong> eine „Pädagogik der Jüngsten“ besonders<br />
wichtig?<br />
K.S.: Zuallererst: Keine angeleiteten Beschäftigungen<br />
im Sinn von: „Ich zeige euch etwas und ihr macht<br />
das, was ich euch gezeigt habe!“ <strong>Die</strong> Kinder sollen<br />
nicht dahingehend orientiert werden, dass es erst<br />
dann spannend wird, wenn die Erzieherin kommt<br />
und etwas mit ihnen macht. Sondern: <strong>Die</strong> Umgebung<br />
der Kleinsten muss so vorbereitet sein, dass<br />
sie immer einlädt zum Entdecken, was es alles an<br />
Spannendem auf dieser Welt gibt. Es muss Möglichkeiten<br />
geben, allein zu forschen und auch gemeinsam.<br />
<strong>Die</strong> Kinder müssen frei wählen können, womit<br />
sie sich beschäftigen wollen. <strong>Die</strong> Umgebung muss<br />
veränderbar sein und immer wieder verändert werden,<br />
damit die Kinder Anreize haben, tätig zu werden<br />
und neugierig zu bleiben. Und dabei brauchen<br />
die Kinder Erzieherinnen, die sie aufmerksam und<br />
einfühlsam begleiten; Erzieherinnen, die erfassen,<br />
an welchen Themen sich das Kind gerade abarbeitet;<br />
Erzieherinnen, die wahrnehmen, welche nächsten<br />
Entwicklungsschritte sich beim Kind abzeichnen,<br />
und die feinfühlig erkennen, was das Kind braucht,<br />
um ermuntert, ermutigt und herausgefordert zu werden.<br />
R.B.: Wie können wir unsere SchülerInnen befähigen,<br />
die Explorationslust von Kindern zu erkennen<br />
und zu unterstützen?<br />
K.S.: Das geht eigentlich nur, indem Ihre SchülerInnen<br />
dies am <strong>eigene</strong>n Leib erfahren. Wenn sie selbst<br />
Lust haben, etwas <strong>für</strong> sich zu entdecken, wenn sie<br />
etwas herausfinden wollen, wenn sie Interesse haben,<br />
Neues zu wagen. Und wenn auch sie dabei Unterstützung<br />
und Anerkennung bekommen!<br />
R.B.: Unsere SchülerInnen üben auch bei Kleinstkindern<br />
das Formulieren von Lernzielen...<br />
K.S.: Hilfreich ist es, Ziele <strong>für</strong> das <strong>eigene</strong> pädagogische<br />
Verhalten zu formulieren, also z.B. als Antworten<br />
auf die Fragen: Wie verstehe ich meine Rolle?<br />
Was sollen die Kinder erleben können? Und: Was<br />
kann das Kind selbsttätig forschen?<br />
R.B.: Frau Schneider, ich danke Ihnen <strong>für</strong> die Zeit,<br />
die Sie sich <strong>für</strong> dieses Gespräch genommen haben!<br />
5
Schwerpunktbildung an unserer Schule<br />
Vielfalt und Unterschiedlichkeit<br />
Zwei fachlich sehr interessante Tage beendeten die<br />
über zwei Jahre fortlaufende Weiterbildung zum Thema<br />
„Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung“ in Berlin.<br />
Über den Inhalt und Verlauf der Weiterbildung berichteten<br />
wir in den Jahresbriefen 2008 und 2009.<br />
Drei unserer KollegInnen (Regine Böhm, Steffen Brockmann<br />
und Christel Hofbauer) nahmen an dieser Veranstaltung<br />
teil.<br />
Der erste Tag wurde als Abschlusstagung der Projektbeteiligten<br />
(50 Tageseinrichtungen <strong>für</strong> Kinder, 16<br />
Fach(hoch)schulen <strong>für</strong> Sozialpädagogik und 8 Grundschulen)<br />
organisiert. Alle am Projekt beteiligten Einrichtungen<br />
aus dem ganzen Bundesgebiet präsentierten<br />
auf unterschiedliche Weise ihre Ausstellungsbeiträge,<br />
die die Umsetzung des Ansatzes in den jeweiligen<br />
Einrichtungen deutlich machten. Viele gestalteten informative<br />
Plakate, welche die Arbeit dokumentierten,<br />
andere nutzten die Möglichkeit Filme oder PowerPoint<br />
Präsentationen ihrer Arbeit zu zeigen.<br />
Unser <strong>eigene</strong>r Beitrag, ein großes Plakat zu unserem<br />
Unterrichtsprojekt „Gesprächsführung mit Persona<br />
Dolls“, wurde präsentiert unter dem Themenschwerpunkt<br />
„Kinder brauchen vorurteilsbewusste Erwachsene<br />
– Vielfalt respektieren, Ausgrenzung widerstehen in<br />
der Ausbildung von ErzieherInnen“.<br />
Weitere Themenschwerpunkte, denen die Einrichtungen<br />
je nach Ausrichtung ihrer Arbeit zugeordnet wurden,<br />
waren:<br />
Kinder brauchen Wurzeln und Flügel<br />
Familienkulturen achten – auf Eltern zugehen<br />
Es ist normal, dass wir verschieden sind!<br />
Das ist nicht fair!<br />
Zwischen den Präsentationen der verschiedenen Beiträge<br />
hatten wir die Gelegenheit die Ausstellung zu<br />
besichtigen und uns mit den anderen Projektbeteilig-<br />
6<br />
Abschlussveranstaltung des bundesweiten<br />
Kinderwelten-Projekts am 10. und 11. Juni 2010 in Berlin<br />
Christel Hofbauer<br />
ten auszutauschen. Zum Abschluss des Tages fand ein<br />
Rückblick mit der Auswertung des Projekts statt.<br />
Der zweite Tag wurde als Internationale Fachtagung mit<br />
über 1000 TeilnehmerInnen gestaltet. Louise Derman-<br />
Sparks, die Mitbegründerin des Anti-Bias-Ansatzes zur<br />
vorurteilsbewusste Erziehung, legte in ihrem Vortrag<br />
„Anti-Bias Education for Everyone - Vorurteilsbewusste<br />
Bildung und Erziehung <strong>für</strong> alle“ dar, dass sie von einem<br />
weiten Begriffsverständnis von Inklusion ausgehe. Inklusion<br />
verfolge die Vision von sozialer Gerechtigkeit<br />
und sei aufmerksam <strong>für</strong><br />
alle Merkmale, entlang<br />
derer Ausgrenzung und<br />
Diskriminierung vorgenommen<br />
werden. Inklusion<br />
meint pädagogische<br />
Anstrengungen wie Anti-<br />
Bias Education und vorurteilsbewusste<br />
Bildung<br />
und Erziehung.<br />
Tony Booth, Mitautor des Index <strong>für</strong> Inklusion und Professor<br />
an der Universität Canterbury, verfolgte mit seinem<br />
Vortrag die Frage: „Wie sollen wir zusammen leben?<br />
Inklusion als wertebezogener Rahmen <strong>für</strong> pädagogische<br />
Praxisentwicklung.“ Um inklusive Werte in die Tat<br />
umzusetzen, sei der Dialog über Werte erforderlich,<br />
eine Art Alphabetisierung in Bezug auf Werte.<br />
Der Nachmittag gab Einblicke in inklusive Praxis, wie sie<br />
im Projekt Kinderwelten entwickelt wurde: Projektbeteiligte<br />
stellten Beispiele <strong>für</strong> Inklusion in der Tageseinrichtung<br />
<strong>für</strong> Kinder vor, ebenso wurden Erfahrungen<br />
und Möglichkeiten von Inklusion in der Grundschule<br />
und Inklusion in der Ausbildung sozialpädagogischer<br />
Fachkräfte von den Projektbeteiligten beigetragen.
Dr. Irmgard Göke-Junk<br />
Auch die Themen des Nachmittags wurden mit Fachvorträgen vertieft.<br />
Den Abschlussvortrag des Tages hielt Jörg Maywald zum Thema „Kinderrechte und Inklusion“,<br />
in dem er die Bedeutung der UN-Kinderrechtskonvention und der UN-Behindertenrechtskonvention<br />
<strong>für</strong> den Aufbau eines inklusiven Bildungssystems ausführte.<br />
Durch diese Weiterbildung konnten wir unseren Horizont zum Thema „vorurteilsbewusste Bildung<br />
und Erziehung“ enorm erweitern. Da wir seit dem Schuljahr 2010/11 im neuen Lehrplan<br />
<strong>für</strong> die Fachschule das Handlungsfeld „Unterschiedlichkeit und Vielfalt leben“ unterrichten,<br />
finden die Inhalte der Weiterbildung hier ihre Anwendung.<br />
Nicht nur im neuen Handlungsfeld hat das Thema „Vielfalt und Unterschiedlichkeit“ seinen festen Platz, sondern auch<br />
in vielen anderen Bereichen des Schulalltags - innerhalb und außerhalb des Unterrichts.<br />
Auf den nächsten Seiten zeigen wir an fünf Beispielen aus unterschiedlichen Fächern und Handlungsfeldern, wie und<br />
wo „Vielfalt und Unterschiedlichkeit“ an unserer Schule gelebt und unterrichtet wird.<br />
Vielfalt und Unterschiedlichkeit: Biografisches Arbeiten und Lernen<br />
„Wir alle kennen diese Momente, in denen wir ganz<br />
selbstverständlich handeln, rasch und ohne es lange zu<br />
hinterfragen. Welche Faktoren aber entscheiden unser<br />
Handeln? Ob es uns bewusst ist oder nicht, wir werden<br />
ständig von unseren Erfahrungen beeinflusst. (…) Da es<br />
in (…) jeder Situation des pädagogischen Alltags verschiedene<br />
Handlungsvarianten gibt, ist es sinnvoll, sich<br />
mögliche Ursachen <strong>für</strong> die <strong>eigene</strong>n Entscheidungen<br />
und Handlungen bewusst zu machen.“ 1<br />
Ursachen <strong>für</strong> unser <strong>eigene</strong>s pädagogisches Handeln<br />
finden sich u.a. in unserer <strong>eigene</strong>n Biografie und Geschichte.<br />
Der Zugang unterschiedlicher Studierender<br />
zu pädagogischen Handlungen muss demzufolge vielfältig<br />
und verschieden sein. Wenn man dann bedenkt,<br />
dass in unseren Klassenräumen 28 Studierende mit ihrer<br />
je <strong>eigene</strong>n Biografie und Geschichte gleichzeitig lernen,<br />
wird auch klar, dass der Unterricht nicht alle gleichzeitig<br />
in gleicher Weise erreichen kann. Methoden biografischen<br />
Lernens im Unterricht über die gesamte Ausbildung<br />
hinweg verstreut anzuwenden, ist deshalb unverzichtbar.<br />
Das geschieht z.B. so, dass Studierende im Verlaufe der<br />
drei Jahre Ausbildung in Berufskolleg und Fachschule<br />
Lebens-Baum<br />
einen „Baum“ zeichnen, der ihre berufliche Entwicklung<br />
dokumentiert.<br />
So beginnen die SchülerInnen im Berufskolleg damit,<br />
zunächst die <strong>eigene</strong>n Wurzeln zu reflektieren: Welche<br />
Erfahrungen, Erlebnisse, Eindrücke waren es, die meine<br />
Berufswahl bestimmten? Gab es einen festen und starken<br />
Wunsch schon über Jahre hinweg? Gab es vielfältige<br />
Erfahrungen, die zusammentrafen und aus denen<br />
dann nach und nach die Absicht entstand, ErzieherIn zu<br />
werden?<br />
Jedes Jahr zeichnen die Studierenden weiter – es bilden<br />
sich Phasen kontinuierlichen Werdens ebenso ab wie<br />
solche, in denen es Risse und Brüche gab, Enttäuschungen,<br />
Rückschläge und geplatzte Hoffnungen. Am Ende<br />
des Oberkurses oder manchmal auch erst nach dem<br />
Berufspraktikum nehmen die AbsolventInnen „ihre“<br />
Bäume mit – und können sich dann in der einen oder<br />
anderen Situation in ihrem beruflichen Alltag erklären,<br />
warum sie so und nicht anders handeln. Deshalb gilt<br />
auch: „Pädagogische Situationen sind in der Regel nicht<br />
eindeutig zu lösen.“ 2<br />
1 Sömmer, N. (2010): Wovon wird mein Umgang mit dem Kind bestimmt<br />
Biografie, erlerntes Wissen, Erfahrung...? In: kindergarten heute 6-7/2010.<br />
S. 39-41. S. 39)<br />
2 Ebd.<br />
7
Lebenskurve Birgit Frieß<br />
zur Untersuchung der religiösen Entwicklung im Lebenslauf<br />
Im Fach Religionspädagogik spielt der Bezug zur <strong>eigene</strong>n Biografie immer wieder eine wichtige Rolle: Welche religiösen<br />
Vorstellungen und Bilder habe ich, wie entwickeln sich diese und wovon werden sie geprägt? Welche Werte will<br />
ich Kindern vermitteln und welche Glaubensaussagen sind <strong>für</strong> mich wichtig u.v.m.<br />
Bei der Unterrichtseinheit Religiöse Sozialisation und die Rolle von Religion im Beruf der ErzieherIn (Unterkurs) setzen<br />
sich Studierende anhand von Fragen zur religiösen Biografie mit ihrer <strong>eigene</strong>n religiösen Entwicklung im Lebenslauf<br />
auseinander. Sie notieren zunächst auf einem Zeitstrahl wichtige Stationen ihres Lebens<br />
und ergänzen diese mit religiösen Ereignissen und Erfahrungen. <strong>Die</strong>s kann die Jungschararbeit<br />
genauso sein wie Begegnungen mit religiösen Personen oder die Konfrontation mit<br />
dem Tod von Angehörigen.<br />
<strong>Die</strong> Qualität der jeweiligen Erlebnisse wird durch die Platzierung zwischen + 3 und – 3 bewertet<br />
und es werden so Höhe-, Tief- und Wendepunkte im Leben markiert. <strong>Die</strong>se Punkte<br />
werden zu einer Lebenskurve verbunden. Zusätzlich wird eine religiöse Lebenskurve eingezeichnet.<br />
Sie kennzeichnet die jeweilige Nähe oder Entfernung zur Religion in bestimmten<br />
Lebensabschnitten.<br />
Nach einer Auswertung in Kleingruppen setzen sich die Studierenden mit der These des<br />
Religionspsychologen Bernhard Grom auseinander: „Der Glaube an etwas Übernatürliches<br />
fällt nicht vom Himmel ins Menschenherz, sondern wird von der Umgebung gelernt und zeitlebens<br />
von ihren Einflüssen geprägt.“<br />
<strong>Die</strong> darauf folgende theoretische Erarbeitung des Themas „Religiöse Sozialisation“ kann<br />
nun anhand der <strong>eigene</strong>n biografischen Erfahrung überprüft werden.<br />
<strong>Die</strong> <strong>eigene</strong> <strong>Mediengeschichte</strong> Ulla Stauber<br />
- ein Beitrag zum Lernen an der <strong>eigene</strong>n Biografie<br />
Im Schuljahr 2009/2010 haben sich Studierende des<br />
Unterkurses 2 mit dem Thema „Medienpädagogik und<br />
Medienpraxis“ auseinandergesetzt.<br />
Zum Einstieg in die Themeneinheit reflektierten sie ihre<br />
<strong>eigene</strong> <strong>Mediengeschichte</strong> und beantworteten Fragen<br />
der Mediennutzung. Sie haben sich beispielsweise darüber<br />
ausgetauscht, wann sie zum ersten Mal im Kino<br />
waren und was ihr erstes Filmerlebnis war. Sie haben<br />
auch überlegt, welche Bedeutung das Kino damals hatte<br />
und heute hat. Beim Erinnern des ersten Kinoerlebnisses<br />
wurde auch klar, dass dies oft kleine Höhepunkte<br />
im Kinderleben waren, meist verbunden mit Erinnerungen<br />
an ein Gruppenerlebnis im Familien- oder Freundeskreis.<br />
<strong>Die</strong> Studierenden wurden auch angeregt, über ihre Me-<br />
8<br />
diennutzung zu Hause nachzudenken: gab es Bücher,<br />
die sie betrachtet und gelesen haben oder die sie vorgelesen<br />
bekamen? Und zu letzterem: welche Gefühle<br />
verbinden sie mit ihren Erinnerungen, vorgelesen bekommen<br />
zu haben? Natürlich war es auch interessant<br />
über andere Medien ins Gespräch zu kommen: welche<br />
Rolle spielten das Fernsehen, Radio, Hörcassetten, erste<br />
Platten bzw. CDs?<br />
Deutlich wurde auch, dass sich Mediennutzung biografisch<br />
immer wieder verändert: das eine Medium tritt<br />
zugunsten eines anderen zurück, Kontakte nach außen<br />
werden wichtiger und die Peers legen fest, welches Medium<br />
und welche Medieninhalte „angesagt“ sind.<br />
Interessant war <strong>für</strong> uns die Frage, wie sich das Buch gegenüber<br />
anderen Medien behaupten kann, und was
ErzieherInnen da<strong>für</strong> tun können, literarische Welten mit<br />
Kindern zu erschließen. Da spielten die Erinnerungen<br />
daran, wie und was einem selbst vorgelesen wurde wieder<br />
eine Rolle: <strong>für</strong> viele tatsächlich eine Erfahrung von<br />
„da habe ich etwas bekommen“.<br />
Schließlich kamen wir über die aktuelle Mediennutzung<br />
ins Gespräch und darin ging es auch um die Frage, warum<br />
Sendungen wie „Germanys Next Topmodel“ oder<br />
„Bauer sucht Frau“ so erfolgreich sind. Viele meinten,<br />
das entspanne sie nach einem langen Tag sehr, gerade<br />
da es so trivial sei. <strong>Die</strong>se Sendungen sind ein gutes Beispiel,<br />
um über Gender-Inszenierungen in den Medien<br />
Annemarie Steiner<br />
Performances zum Thema:<br />
ins Gespräch zu kommen und diese kritisch zu hinterfragen:<br />
wie werden Frauen und Männer hier dargestellt<br />
und können wir, auch wenn wir das selbst zur Entspannung<br />
anschauen, dennoch einen kritischen Blick darauf<br />
haben? Denn als PädagogIn wird es später darum gehen,<br />
emanzipatorische Medienarbeit zu initiieren und<br />
Mädchen und Jungen Gelegenheiten zu bieten, <strong>eigene</strong><br />
Wege der Interpretation von „weiblich“ und „männlich“<br />
zu gehen und nicht auf den medial breitgetretenen Pfaden<br />
sexistischer Frauen-und Männerbilder stehen zu<br />
bleiben.<br />
Fundstücke aus der Kindheit<br />
Ein lernfeldübergreifendes Wahlpflichtangebot <strong>für</strong> Studierende der Unterkurse - gespeist aus den Bereichen Musik,<br />
Kunst, Bewegung, Theater - in dem Fundstücke aus der <strong>eigene</strong>n Kindheit Anlass sind, eine <strong>eigene</strong> Performance zu<br />
entwickeln.<br />
„Fundstücke“ - das sind Erinnerungen an Orte oder Begebenheiten, das sind Gegenstände wie ein Spielzeug oder<br />
Kleidungsstück, das sind aber auch Erinnerungen an Gefühle, Befindlichkeiten oder Farben, Klänge und Gerüche, das<br />
sind Erinnerungen an Sprache in Form von Liedern, Abzählreimen oder Geschichten aus der <strong>eigene</strong>n Kindheit.<br />
Mit den Studierenden machen wir uns auf den Weg, solche persönlichen<br />
Fundstücke zu sammeln und zu dokumentieren. Wir staunen miteinander<br />
und übereinander: In welcher Sprache wurde uns als Kind vorgesungen?<br />
Wie wichtig war die Oma <strong>für</strong> uns? Wovor haben wir uns ge<strong>für</strong>chtet?...<br />
Nach diesem Schritt des „Sammelns“ folgt die künstlerische Arbeit. In Zweierteams<br />
werden zu diesen ganz persönlichen und vielfältigen Fundstücken<br />
Performances entwickelt. Vielfalt und Unterschiedlichkeit die in und durch<br />
die Biografien deutlich wurden, zeigen sich nun im individuellen künstlerischen<br />
Ausdruck. <strong>Die</strong> Wahl der Materialien, Medien, die Suche nach<br />
dem „richtigen“ (Präsentations-) Ort, die ausgewählte Darstellungsform<br />
- <strong>für</strong> all dies gibt es keine festgelegte Form, kein Schema das Publikums-<br />
wirksmkeit garantiert. Alles muss - in Auseinandersetzung mit dem <strong>eigene</strong>n<br />
Thema und bezogen auf die gewünschte Aussage und die <strong>eigene</strong>n<br />
Möglichkeiten - von den Studierenden selbst entwickelt werden. Und damit<br />
ist gemeint: erprobt, gezeigt, hinterfragt, verworfen, verändert, neu<br />
überlegt...<br />
Am Ende stehen kurze und sehr persönliche Präsentationen. In jeder wird<br />
ein Stück individueller Geschichte sichtbar und erlebbar. Manchmal verschlüsselt,<br />
in Bilder, Bewegung oder Klänge übersetzt, manchmal zum Lachen,<br />
oft verblüffend und immer einzigartig.<br />
9