KULTUR - paul renner
KULTUR - paul renner
KULTUR - paul renner
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
<strong>KULTUR</strong><br />
NEUE – DONNERSTAG, 21. JUNI 2012, SEITE 30<br />
Farbe, Blut und nackte<br />
Körper: Nitsch-Schau<br />
Museum Moderner Kunst Kärnten widmet<br />
Hermann Nitsch eine ausführliche Personale.<br />
Die Zusammenstellung der<br />
Schau vermittelt einen<br />
aussagekräftigen Einblick<br />
in Nitschs Werk und lässt das<br />
Publikum den Werdegang des<br />
renommierten Aktionskünstlers<br />
anschaulich nachvollziehen.<br />
Das Sakrale war schon<br />
Thema der frühen Werke, wie<br />
unter anderem das Bild einer<br />
Kreuzigung nach Rembrandt<br />
aus den Jahren 1955 und 1956<br />
zeigt. Christliche Zitate und<br />
das Ritual an sich finden<br />
sich überall. Aber auch die<br />
für Nitsch typische Schütttechnik<br />
ist schon in Bildern<br />
aus den 1950er-Jahren zu finden.<br />
Bei vielen Schüttbildern<br />
hat der Künstler später sein<br />
Malhemd eingearbeitet. Das<br />
Hemd wirkt gleichsam als<br />
Zeugnis des Schaffensprozesses<br />
wie als Selbstabbildung<br />
des Künstlers. Teil der<br />
Schau sind auch technisches<br />
Material wie Farbskalen und<br />
Körperstudien.<br />
Bestandteil der Installationen<br />
sind Requisiten und Relikte<br />
von Aktionen des Künstlers.<br />
Schreine, Monstranzen,<br />
fein säuberlich aufgereihte<br />
Stapel von Taschentüchern<br />
und Würfelzucker finden sich<br />
ebenso wie Kerzen, Priestergewänder<br />
und Blumenarrangements.<br />
Im Verlauf der Ausstellungsanordnung<br />
kommen<br />
zu den abstrakten Bildern in<br />
starken Farben Fotografien<br />
und am Ende auch Videos<br />
von künstlerischen Ritualen<br />
hinzu.<br />
Kein Provokateur<br />
Nitsch sagte am Mittwoch<br />
bei einem Pressegespräch<br />
anlässlich der Ausstellungseröffnung,<br />
er wolle mit seiner<br />
Kunst reale Geschehnisse inszenieren.<br />
„Nach zwei furchtbaren<br />
Weltkriegen konnte<br />
man mit Poesie nicht mehr<br />
auskommen“, so der Künstler.<br />
Als Provokateur will er<br />
sich keinesfalls bezeichnen<br />
lassen. Die Reaktion ist nicht<br />
Teil des Kunstwerks. Nitsch:<br />
„Ich habe nie provozieren<br />
wollen, es ging mir immer<br />
nur um Intensität.“<br />
Kuratorin Christine Wetzlinger-Grundnig<br />
hofft, das<br />
Publikum für eine inhaltliche<br />
Reflexion des Werks eines<br />
international anerkannten<br />
Künstlers gewinnen zu können,<br />
das zu lange Opfer von<br />
Skandalisierung wurde.<br />
Künstler rufen zu Flashmob auf<br />
WIEN. Der Kulturrat und die IG<br />
Freie Theater rufen für heute<br />
Vormittag zu einem Flashmob<br />
vor dem Parlament auf, bei<br />
dem gegen den „Raubzug“<br />
an den Mitteln des Künstler-<br />
Sozialversicherungsfonds<br />
protestiert werden soll. Im<br />
morgigen Kulturausschuss<br />
soll ein Initiativantrag für eine<br />
Novelle des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes<br />
(K-SVFG) beschlossen werden.<br />
Darin wird einerseits die<br />
Pensionsklausel gestrichen,<br />
die bisher Pensionisten einen<br />
Zuverdienst verboten hat, andererseits<br />
die Speisung des<br />
Fonds durch Abgaben der Betreiber<br />
von Kabelrundfunkanlagen<br />
und Satellitenreceivern<br />
für fünf Jahre reduziert.<br />
Paul Renner<br />
in seinem<br />
Atelier mit<br />
Bienenkorb.<br />
DRNEK<br />
Kunst brummt:<br />
Der Vorarlberger<br />
Künstler Paul Renner<br />
gestaltet das Sozialzentrum<br />
Egg neu und<br />
führt die Metapher des<br />
Bienenstocks ein.<br />
ANGELIKA DRNEK<br />
Der Begriff des Bienenstocks<br />
oder auch des Bienenstaats<br />
ist seit jeher mit einer Reihe<br />
von soziologischen und herrschaftlichen<br />
Ideen verknüpft.<br />
Schon von Aristoteles untersucht,<br />
übt der Bienenstaat bis<br />
heute Faszination aus.<br />
Paul Renner, den vor vielen<br />
Jahren ein Wachs- und Wabenatelier<br />
in New York zur Arbeit<br />
mit Bienenprodukten veranlasste,<br />
führt nun die Metapher<br />
des Bienenstocks mit dem 2011<br />
erbauten Sozialzentrum in Egg<br />
zusammen und gestaltet sowohl<br />
das Stiegenhaus neu als auch<br />
den Platz zwischen Heizwerk<br />
und Sozialzentrum.<br />
Eine zwölf Meter hohe Wabenwand,<br />
ein hängender Garten<br />
und ein begehbarer Bienenstock<br />
mit Brunnen sollen in zwei<br />
Etappen bis 2013 fertiggestellt<br />
sein.<br />
Utopie des Sozialstaats<br />
„Was mich am meisten am<br />
dem Projekt interessiert, ist der<br />
Gedanke des Sozialstaats, der<br />
Genossenschaftsgedanke“, sagt<br />
Renner. Das Sozialzentrum und<br />
seine Vorläufer stehen für mehr,<br />
als der Name verrät: Heute ein<br />
Ort der mitmenschlichen Fürsorge<br />
und Integration, war es<br />
früher auch Entbindungsheim<br />
und Flüchtlingslager. Über die<br />
künstlerische Intervention<br />
will Renner die Wahrnehmung<br />
einer gelebten Utopie vom<br />
modernen sozialen Staat mög-
Jetzt noch Parkplatz, bald das Zentrum des Bienenstocks: Der<br />
Platz zwischen Sopzialzentrum (rechts) und Heizwerk (links)<br />
wird von Paul Renner umgestaltet.<br />
PAULITSCH<br />
Die Metapher vom Bienenstock<br />
lich machen: Die Heilkraft des<br />
Honigs stellt sich jener der<br />
Medizin gegenüber, das Sozialzentrum<br />
als Ort des Miteinanders<br />
reflektiert sich im Bild des<br />
Bienenstocks, und das Genussmittel<br />
Honig wird zum Mittel<br />
der Kunst.<br />
Erst vor wenigen Tagen wurde<br />
das Projekt vom Gemeinderat<br />
abgesegnet. In einem ersten<br />
Schritt fertigt Paul Renner die<br />
zwölf Meter hohe und zwei Meter<br />
breite Wand im Stiegenhaus<br />
des Sozialzentrums. Dazu hat<br />
er bei Imkern der Region eine<br />
Tonne Waben bestellt. Die in<br />
20 mal 40 Zentimeter breiten<br />
Holzkästen gelieferten Wabenziegel<br />
schneidet Renner aus und<br />
kleidet damit die Betonwand<br />
ein. Die unterschiedliche Färbung<br />
der Ziegel soll genutzt<br />
werden, um ein Bild an der<br />
Wand entstehen zu lassen. Eine<br />
Glasfläche schließlich schließt<br />
die Wachswand ab, um Bienenvölker<br />
abzuhalten, sich in den<br />
Waben einzunisten. Der Statik<br />
einer Mauer stellt sich der Resthonig<br />
in den Waben entgegen:<br />
„Der Honig fließt weiterhin aus<br />
den Waben und kristallisiert. In<br />
den nächsten fünf Jahren wird<br />
es eine permanente Veränderung<br />
geben“, sagt Renner.<br />
Wachstum als Konzept<br />
Das Element der Veränderung<br />
und deren Wahrnehmung<br />
spielt auch im zweiten Teil des<br />
Vorhabens eine wesentliche<br />
Rolle: Auf dem jetzt noch als<br />
Parkplatz genutzen Bereich<br />
zwischen Sozialzentrum und<br />
dem Heizwerk baut Renner das<br />
Modell eines Bienenkorbs: Um<br />
ein Vielfaches vergrößert und<br />
aus Bronze gegossen, wird die<br />
Skulptur an die drei Meter hoch<br />
und begehbar werden. Im Zentrum<br />
des Korbs soll ein Brunnen<br />
Wasser über eine Öffnung<br />
am Korbdach über die Skulptur<br />
fließen lassen. Rundherum wird<br />
der Boden mit Tuffstein ausgelegt.<br />
Dieser besondere Stein<br />
wächst, wenn er mit Frischwasser<br />
in Berührung kommt. Eine<br />
noch nicht ausgeschlossene Variante<br />
ist, den Korb gemeinsam<br />
mit dem Bildhauer Roland Adlassnig<br />
ebenfalls aus Tuffstein<br />
zu bauen. Renner will mit der<br />
Brunnenanlage ein Zusammenwirken<br />
von Botanik, Imkerei<br />
und Bildhauerei erwirken. Der<br />
Korb symbolisiert den Ort der<br />
Zusammenkunft und der Kommunikation.<br />
Neben der Brunnenanlage<br />
wird die Wand des Heizwerks<br />
zu einem Imker-Schaukasten:<br />
In einem hängenden Garten<br />
werden Imker Bienenstöcke<br />
montieren. Begrünt wird die<br />
Wand mit jenen Pflanzen, die<br />
für das Überleben der Bienen<br />
notwendig sind. Über Feuertreppen<br />
werden die Bienenvölker<br />
zugänglich sein und können<br />
beobachtet werden. Besonders<br />
an Renners Plänen ist nicht<br />
nur, die Idee des Bienenstaats<br />
mit der des Sozialzentrums zu<br />
verbinden, mit den Bausteinen<br />
der Bienen auf die Architektur<br />
der Anlage zu reagieren und<br />
soziale Abläufe in seiner Kunst<br />
sinnlich wahrnehmbar zu machen.<br />
Er setzt auch in der Ausführung<br />
seiner Pläne auf genau<br />
das, was er darstellen will: Auf<br />
das „kommunale Erlebnis“.<br />
Sämtliche Imker, Handwerker<br />
und andere beteiligte Interessensgruppen<br />
stammen aus der<br />
Region. Für das Projekt hat er<br />
sie alle in seinen Bienenstock<br />
geholt. „Jeder hat eine Aufgabe,<br />
jeder stellt etwas zur Verfügung,<br />
jeder profitiert davon:<br />
Das ist die Metapher des Sozialzentrums“,<br />
sagt er.<br />
Am 29. Juni um 18 Uhr hält Paul Renner<br />
im Sozialzentrum Egg einen Vortrag<br />
zum Thema.