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Faszination Manga

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Das Magazin der Buchhandlungen von Orell Füssli und Thalia<br />

Nr. 2/2014<br />

Ihr persönliches<br />

Exemplar –<br />

mit Wettbewerb!<br />

«Man kann dem Leben auf<br />

Dauer nicht entkommen»<br />

Exklusivinterview<br />

mit Franka Potente<br />

Zu Berge!<br />

Gipfeltreffen der Literaturwelt<br />

<strong>Faszination</strong> <strong>Manga</strong><br />

Japanischer Exportschlager mit<br />

einem Schuss Rock’n’Roll


AARAU –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Meissner Thalia<br />

Bahnhofstrasse 41, 5001 Aarau<br />

Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Do: 9.00 – 20.00 Uhr<br />

Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

Wirz Thalia<br />

Hintere Vorstadt 18, 5001 Aarau<br />

Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />

BADEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia<br />

Langhaus beim Bahnhof, 5401 Baden<br />

Mo – Fr: 9.00 – 19.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

BASEL ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Bahnhof SBB<br />

Passerelle, Güterstrasse 115, 4053 Basel<br />

Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr<br />

So: 9.00 – 20.00 Uhr<br />

Thalia<br />

Freie Strasse 32, 4001 Basel<br />

Mo – Mi, Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />

BERN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Stauffacher<br />

Neuengasse 25 – 37, 3001 Bern<br />

Mo – Mi + Fr: 9.00 – 19.00 Uhr<br />

Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

Thalia Spitalgasse<br />

Spitalgasse 47/51, 3001 Bern<br />

Mo – Mi: 9.00 – 19.00 Uhr | Do: 9.00 – 21.00 Uhr<br />

Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />

Thalia Bahnhof SBB<br />

Bahnhofplatz 10, 3001 Bern<br />

Mo – Sa: 7.00 – 22.00 Uhr | So: 9.00 – 22.00 Uhr<br />

BRIG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Furkastrasse 3, 3900 Brig<br />

Mo – Fr: 9.00 – 18.30 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

ZAP Bürostore<br />

Englischgrussstrasse 6, 3900 Brig<br />

Mo – Fr: 8.30 – 12.00 und 13.30 – 17.00 Uhr<br />

BRUGG –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia<br />

Neumarktplatz 12, 5200 Brugg<br />

Mo – Do: 9.00 – 18.30 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr<br />

Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />

FRAUENFELD –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Einkaufszentrum Passage<br />

Bahnhofstrasse 70 / 72, 8500 Frauenfeld<br />

Mo – Do: 8.00 – 19.00 Uhr | Fr: 8.00 – 20.00 Uhr<br />

Sa: 08.00 – 17.00 Uhr<br />

FRIBOURG ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia<br />

Bahnhof / Gare, 1700 Fribourg<br />

Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa + So:<br />

9.00 – 21.00 Uhr<br />

SCHAFFHAUSEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia<br />

Vordergasse 77, 8200 Schaffhausen<br />

Mo – Mi + Fr: 8.30 – 18.30 Uhr<br />

Do: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />

SCHÖNBÜHL –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia Shoppyland<br />

Industriestrasse 10, 3322 Schönbühl<br />

Mo – Do: 9.00 – 20.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.30 Uhr<br />

Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />

SIERRE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Place de la Gare 2, 3960 Sierre<br />

Mo – Fr: 9.00 – 12.00 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />

Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

SPREITENBACH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia Shoppi & Tivoli<br />

8957 Spreitenbach<br />

Mo – Sa: 9.00 – 20.00 Uhr<br />

ST. GALLEN ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Bahnhof<br />

Poststrasse 28, 9000 St. Gallen<br />

Mo – Fr: 8.00 – 21.00 Uhr<br />

Sa + So: 9.00 – 20.00 Uhr<br />

Rösslitor Bücher<br />

Multergasse 1 – 3, 9001 St. Gallen<br />

Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

Thalia Shopping Arena<br />

Zürcher Strasse 464, 9015 St. Gallen<br />

Mo – Mi, Fr: 9.00 – 19.00 Uhr,<br />

Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

ST. MARGRETHEN –––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia Einkaufszentrum Rheinpark<br />

9430 St. Margrethen<br />

Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 21.00 Uhr<br />

Sa: 8.00 – 17.00 Uhr<br />

Orell Füssli Einkaufszentrum Rosenberg<br />

Schaffhauserstrasse 152, 8400 Winterthur<br />

Mo – Fr: 8.30 – 20.00 Uhr | Sa: 8.00 – 18.00 Uhr<br />

Vogel Thalia<br />

Marktgasse 41, 8400 Winterthur<br />

Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

VISP ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Bahnhofstrasse 21, 3930 Visp<br />

Mo – Fr: 9.00 – 12.00 und 13.30 – 18.30 Uhr<br />

Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

ZERMATT ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

ZAP<br />

Hofmattstrasse 3, 3920 Zermatt<br />

Mo – Sa: 9.00 – 12.00 Uhr und 14.00 – 18.30 Uhr<br />

Während der Saisonzeit:<br />

Mo – Fr: 9.00 – 12.30 Uhr und 14.00 – 19.00 Uhr<br />

So: 16.00 – 19.00 Uhr<br />

ZÜRICH ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Kramhof<br />

Füsslistrasse 4, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />

Orell Füssli Am Bellevue<br />

Theaterstrasse 8, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />

Orell Füssli The Bookshop<br />

Bahnhofstrasse 70, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />

Orell Füssli Flughafen<br />

Airport Center, 8060 Zürich–Flughafen<br />

Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa – So: 8.00 – 21.00 Uhr<br />

Orell Füssli Zürich Hauptbahnhof<br />

Shopville, Halle Landesmuseum, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 7.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 21.00 Uhr<br />

So: 9.00 – 20.00 Uhr<br />

Orell Füssli Bahnhof Stadelhofen<br />

Stadelhoferstrasse 8, 8001 Zürich<br />

Mo – Fr: 8.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 19.00 Uhr<br />

So: 10.00 – 18.00 Uhr<br />

Orell Füssli Im Franz Carl Weber<br />

Bahnhofstrasse 62, 8001 Zürich<br />

Mo – Mi: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Do + Fr: 9.00 – 20.00 Uhr | Sa: 9.00 – 18.00 Uhr<br />

Unterwegs<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Unbekanntes entdecken und Ungewohntes wagen<br />

– das kann man unterwegs beim Reisen und bei<br />

Bergtouren besonders gut. Davon berichtet in<br />

diesem Heft ein Beitrag über eine Reise, die vor<br />

etwa 150 Jahren stattfand. Die Rundreise einer<br />

englischen Gruppe durch die Schweizer Alpen war<br />

ein Abenteuer in einem damals vielerorts unterentwickelten<br />

Land. Die abenteuerlustigen Briten<br />

erlebten 1863 bei uns Dinge, die uns heute beim<br />

Reisen auf anderen Kontinenten begegnen. Doch<br />

lesen wir ihr Reisejournal, entdecken wir auch die<br />

Schweiz neu: als zugleich vertrautes und völlig<br />

fremdes Land.<br />

Entdeckungen kann man eben nicht nur in der<br />

realen Welt machen, sondern auch mit Büchern.<br />

Sie weisen uns als Reise- oder Wanderführer im eigentlichen<br />

Sinn des Worts den Weg. Und sie zeigen<br />

uns fremde Welten. So wie <strong>Manga</strong>. Diese bei einer<br />

wachsenden Fangruppe enorm beliebten Comicbücher<br />

aus dem fernen Japan stellen wir Ihnen ab<br />

Seite 20 vor. In ihrem Ursprungsland sind <strong>Manga</strong><br />

ein fester Bestandteil der Kultur, inzwischen boomen<br />

die Bildgeschichten auch bei uns. Wagen Sie<br />

doch einmal den Sprung in diese fremden Welten.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Spass beim Entdecken!<br />

Inhalt<br />

FRANKA POTENTE<br />

«Man kann dem<br />

Leben auf Dauer<br />

nicht entkommen»<br />

Seite 10<br />

Die Berge als literarisches<br />

Thema<br />

Eine grosse Leinwand<br />

Seite 24<br />

Editorial | 3<br />

4 Notizen<br />

13 Im Schaufenster<br />

«Die Erbin» von John<br />

Grisham<br />

14 von Stadt und Land<br />

Neue Bildbände und Bücher<br />

zum Schmökern<br />

19 Im Schaufenster<br />

«Der Judaskuss» von Anna<br />

Grue<br />

20 Japanischer Exportschlager<br />

mit einem Schuss Rock’n’Roll<br />

<strong>Faszination</strong> <strong>Manga</strong><br />

32 Kaffeepause<br />

Die Books-Debatte<br />

36 Fantastisch!<br />

Fantasy-Neuerscheinungen<br />

40 Im Schaufenster<br />

«Der beste Rat, den ich je<br />

bekam» von Frank Arnold<br />

41 mein Buch<br />

42 eReader<br />

Der neue tolino vision im<br />

Taschenformat<br />

44 sonne, Wasser, Abenteuer<br />

Neues aus der Kinderwelt<br />

46 wider die Verschwendung<br />

Neue Kochbücher<br />

48 kreuzworträtsel<br />

49 veranstaltungen<br />

50 kolumne<br />

Darum schreibe ich – von<br />

Isolde Schaad<br />

CHUR –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia Einkaufscenter City West<br />

Raschärenstrasse 35, 7000 Chur<br />

Mo – Do: 9.00 – 19.00 Uhr | Fr: 9.00 – 20.00 Uhr<br />

So: 8.00 – 18.00 Uhr<br />

EMMENBRÜCKE –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia Emmen Center<br />

Stauffacherstrasse 1, 6020 Emmenbrücke<br />

Mo, Di + Do: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Mi + Fr: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 8.00 – 16.00 Uhr<br />

THUN –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Thalia<br />

Bälliz 60, 3600 Thun<br />

Mo – Mi + Fr: 9.00 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

WINTERTHUR ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––<br />

Orell Füssli Marktgasse<br />

Marktgasse 3, 8400 Winterthur<br />

Mo – Mi + Fr: 09.00 – 18.30 Uhr<br />

Do: 9.00 – 21.00 Uhr | Sa: 9.00 – 17.00 Uhr<br />

www.books.ch<br />

www.buch.ch<br />

www.thalia.ch<br />

0848 849 848<br />

0848 28 24 24<br />

0848 842 542<br />

Ihr Michele Bomio<br />

CEO Orell Füssli Thalia AG<br />

Die nächste Ausgabe von Books, dem Magazin der Orell Füssli<br />

Thalia AG, erscheint am 29. August 2014. Sie erhalten Books<br />

kostenlos in jeder Filiale. Bestellungen nehmen wir gern entgegen<br />

über www.books.ch, orders@books.ch und Telefon 0848 849 848.<br />

Impressum<br />

Herausgeber:<br />

Orell Füssli Thalia AG, Dietzingerstrasse 3, Postfach, 8036 Zürich<br />

Gesamtherstellung und Redaktion:<br />

Die Blattmacher GmbH, Zürich<br />

Gestaltung / LAYOUT: Strichpunkt GmbH, Winterthur<br />

Coverillustration: Leonie Beckmann<br />

Jetzt Fan werden:<br />

www.facebook.com/OrellFuessli<br />

www.facebook.com/Thalia.ch<br />

Preisänderungen vorbehalten. Unsere aktuellen Verkaufspreise<br />

und eine umfassende Auswahl an Büchern, Filmen und Spielen<br />

finden Sie auf www.books.ch, www.thalia.ch und www.buch.ch.<br />

Alle so gekennzeichneten Bücher sind auch als eBook erhältlich.


4 | NOTIZEN Books Nr. 2/2014<br />

Notizen<br />

Marius Leutenegger<br />

NOTIZEN | 5<br />

© Shutterstock / paulrommer<br />

Vor 100 Jahren begann der Erste Weltkrieg. In Tausenden von Artikeln und Hunderten<br />

von Büchern wird gegenwärtig jedes erdenkliche Detail dieser historischen Zäsur beleuchtet.<br />

Will man nur einen Text zum Thema lesen, ist «Schlump» wohl eine gute Wahl.<br />

Dass dieser Roman von Hans Herbert Grimm verfasst wurde, war lange Zeit nicht bekannt<br />

– denn der 1896 geborene deutsche Sprachlehrer hatte<br />

gute Gründe, seine Urheberschaft zu verschleiern. Das Buch<br />

erzählt die Erlebnisse des einfachen Infanteristen Emil Schulz<br />

– eben Schlump – so schonungslos, dass man es nur als Antikriegsroman<br />

lesen kann. Zwar ist Schlump eine Frohnatur, die<br />

einigermassen unbeschadet durch den Krieg stolpert, doch den<br />

Schrecken der Schlächterei und die Atmosphäre einer kaputten<br />

Gesellschaft fängt der Roman auf eindrückliche Weise ein.<br />

Kein Wunder, verboten die Nazis das Buch sofort, als sie an die<br />

Macht kamen. Um keinen Verdacht zu erregen, trat Grimm<br />

freiwillig in die Nazi-Partei ein. Die Parteimitgliedschaft verunmöglichte<br />

ihm nach dem Zweiten Weltkrieg, weiter als Lehrer<br />

zu arbeiten. 1950 beging Grimm Suizid. «Schlump» hat seinem<br />

Schöpfer also wenig Glück gebracht, in jeder Hinsicht. Das Buch erzielte zwar bei seinem<br />

ersten Erscheinen Ende der 1920er-Jahre einen Achtungserfolg, es wurde aber vom<br />

weitaus beliebteren und fast gleichzeitig erschienenen Roman «Im Westen nichts Neues»<br />

von Erich Maria Remarque in den Schatten gestellt. Kiepenheuer & Witsch hat das<br />

wichtige Zeitzeugnis jetzt wieder neu herausgebracht.<br />

Genau 20 Jahre ist es her, seit<br />

Susanna Tamaro das meistverkaufte<br />

italienische Buch des 20.<br />

Jahrhunderts schrieb: den Briefroman<br />

«Geh, wohin dein Herz<br />

dich trägt». Die Autorin war aber<br />

schon vor diesem Welterfolg als<br />

Schriftstellerin erfolgreich, und<br />

sie hat seither regelmässig<br />

weitere<br />

Romane verfasst.<br />

Soeben ist<br />

bei Piper ihr<br />

neuester erschienen:<br />

«Ein<br />

jeder Engel ist<br />

schrecklich».<br />

Darin erzählt<br />

die 57-jährige von ihrer Kindheit.<br />

Wer ein nostalgisches Buch über<br />

Kinderjahre im Belpaese erwartet,<br />

sollte davon allerdings die<br />

Finger lassen: Susanna Tamaro<br />

hat ihre Eltern als überaus lieblos<br />

und ihre gesamte Kindheit als<br />

eher düster empfunden. Streckenweise<br />

riecht diese Autobiografie<br />

etwas stark nach Selbsttherapie,<br />

grundsätzlich ist sie<br />

aber absolut lesenswert – weil<br />

Tamaro eine kluge, offenherzige<br />

und wortgewaltige Schreiberin<br />

ist und sie auch dem Elend, das<br />

ein Mädchen durchlebt, durchaus<br />

sprachliche Poesie abgewinnen<br />

kann. Man fühlt mit dem<br />

Kind, wenn es plötzliche Verluste<br />

von Bezugspersonen kaum verkraftet<br />

oder beim Besuch eines<br />

Aquariums leidet – dass es Mitleid<br />

mit den Tieren hat, wird es<br />

erst später merken. Und ein bisschen<br />

lernt man auch zu verstehen,<br />

was hinter dem Rat «Geh,<br />

wohin dein Herz dich trägt»<br />

steckt, den die Grossmutter im<br />

gleichnamigen Roman ihrer Enkelin<br />

gab.<br />

Einer, dessen Rede Geschichte schrieb: Bundesrat<br />

Hans Peter Tschudi 1965.<br />

Auch wenn uns allen wohl sofort Zitate aus<br />

berühmten Reden einfallen («I have a dream!»,<br />

«Ich bin ein Berliner!»): Eine einzelne Ansprache<br />

hat vermutlich noch nie den Lauf der<br />

Welt verändert. Aber manchmal ist es begabten<br />

Frauen und Männern gelungen, eine gesellschaftliche<br />

Stimmung,<br />

eine persönliche Überzeugung<br />

oder eine Aufforderung<br />

so gekonnt in Worte<br />

zu packen, dass ihre Rede<br />

zum Symbol für eine historische<br />

Entwicklung<br />

wurde. Reden sind damit<br />

eine Art Denkmäler<br />

aus Schallwellen –<br />

oder Buchstaben,<br />

wenn sie in gedruckter<br />

Form vorliegen. Zehn solcher<br />

verbaler Denkmäler, die einen bestimmten<br />

Aspekt der Schweizer Geschichte im 20. Jahrhundert<br />

verdeutlichen, hat jetzt der Historiker<br />

Felix Münger in einem Buch vereint:<br />

«Reden, die Geschichte schrieben», erschienen<br />

im Verlag hier+jetzt. Im schön gestalteten<br />

Band findet man nicht nur die berühmten<br />

Ansprachen, Münger stellt diese in informativen,<br />

aber leicht lesbaren Beiträgen in ihren<br />

historischen Kontext. Warum war die Rede<br />

von Arbeiterführer Robert Grimm während<br />

des Generalstreiks so wichtig? Welche Auswirkungen<br />

hatte die Ansprache von Bundesrat<br />

Eduard von Steiger 1942, die später auf die<br />

Formel «Das Boot ist voll» reduziert wurde?<br />

Wie entscheidend war Christoph Blochers<br />

Rede gegen den EWR von 1992 für die Ablehnung<br />

der Vorlage durch das Stimmvolk? Münger<br />

analysiert nicht die Rhetorik der glänzenden<br />

Rednerinnen und Redner, ihm geht es<br />

stets um den Zusammenhang. Und das macht<br />

seine Sammlung zu einem originellen und lesenswerten<br />

Geschichtsbuch.<br />

Von damals bis heute: Sechs Paare erzählen, was sie zusammenführte und über Jahrzehnte hinweg<br />

zusammengehalten hat.<br />

In fremden Leben wühlen – das macht<br />

nicht nur die NSA gern, sondern eigentlich<br />

jeder und jede. Deshalb<br />

könnte dem Buch «Ja, ich will!», das<br />

soeben im Wörterseh-Verlag erschienen<br />

ist, ein schöner Erfolg<br />

beschieden sein. Es<br />

enthält sechs Interviews,<br />

die der Zürcher Journalist<br />

Ueli Oswald mit älteren<br />

Paaren über deren<br />

lebenslangen Ehen geführt<br />

hat. Offen und<br />

charmant plaudern die<br />

heiteren Damen und<br />

Herren darüber, wie sie<br />

zum Paar wurden, welche Probleme<br />

es im Alltag zu lösen oder zu umschiffen<br />

gilt, was man aneinander<br />

schätzt. Das ist oft rührend, manchmal<br />

auch einfach lustig, immer aber<br />

spannend und aufschlussreich – und<br />

dank der Interviewform bekommt<br />

man das prickelnde Gefühl, am Nebentisch<br />

des Paars zu sitzen und<br />

heimlich ihrem interessanten Gespräch<br />

zu lauschen. Natürlich<br />

könnten einen die Paare<br />

auch ein wenig neidisch machen,<br />

denn sie alle blicken<br />

auf ein ziemlich glückliches<br />

Leben zurück; der Untertitel<br />

des Buchs lautet denn auch<br />

passend «Wenn Liebe ewig<br />

währt». Immerhin lassen<br />

die Eheleute aber gelegentlich<br />

durchschimmern, wie<br />

man selber eine glückliche Beziehung<br />

gestalten könnte: «Heute lassen<br />

wir einander leben», sagt zum<br />

Beispiel Ursula, die seit 1973 mit<br />

René verheiratet ist.<br />

304 Seiten, gebunden, sFr 25,90


6 | NOTIZEN Books Nr. 2/2014 NOTIZEN | 7<br />

Jahrestage<br />

Happy birthday, Bernhard Schlink: Am 6.<br />

Juli wird der deutsche Autor 70 Jahre alt.<br />

Lange Zeit wies nichts darauf hin, dass<br />

ihm einmal ein Büchermagazin wie Books<br />

zum Geburtstag gratulieren würde – denn<br />

Schlink ist eigentlich<br />

Jurist, und er arbeitete<br />

an Universitäten in<br />

Bonn, Frankfurt und<br />

Berlin als Professor<br />

für Recht sowie als<br />

Richter in Münster.<br />

1987 weilte er auf<br />

Einladung der<br />

dortigen Universität<br />

in Aix-en-<br />

Provence, und<br />

während dieser Zeit lebte er<br />

bei seinem nach Südfrankreich ausgewanderten<br />

Freund Walter Popp. Popp war Jurist<br />

wie Schlink, und die beiden verband<br />

ein grosses Interesse für Kriminalliteratur.<br />

Schliesslich entschieden sie sich,<br />

zusammen einen Krimi zu schreiben:<br />

«Selbs Justiz». Das Buch wurde ein internationaler<br />

– und sogar verfilmter – Bestseller,<br />

und damit startete Bernhard Schlink<br />

als Autor durch. Er schrieb weitere Krimis<br />

und landete 1995 mit dem Roman «Der<br />

Vorleser» seinen bisher<br />

grössten Erfolg;<br />

das Buch kletterte gar<br />

in den USA an die<br />

Spitze der Bestsellerliste,<br />

schliesslich<br />

wurde es mit<br />

Kate Winslet und<br />

Ralph Fiennes<br />

in den Hauptrollen<br />

verfilmt.<br />

Seither folgen in regelmässigen<br />

Abständen weitere<br />

Erfolgsbücher, zum Beispiel «Liebesfluchten»<br />

oder «Sommerlügen». Die beiden<br />

Sammlungen von Erzählungen erscheinen<br />

diesen Sommer beim Diogenes-Verlag in<br />

neuer Aufmachung.<br />

Vor zehn Jahren trug die deutsche Satireszene<br />

Trauer: Gleich zwei ihrer wichtigsten<br />

Mitglieder starben innerhalb von nur<br />

drei Tagen, am 6. Juli Bernd Pfarr und am<br />

8. Juli Chlodwig Poth. Bernd Pfarr wurde<br />

nur 45 Jahre alt; er erlag einem Krebsleiden,<br />

gegen das er 25 Jahre lang angekämpft<br />

hatte. Gemäss<br />

seinem Freund, dem<br />

Schriftsteller Robert<br />

Gernhardt, lieferte<br />

Pfarr den «Gegenbeweis<br />

der These, ein<br />

schweres Leben<br />

müsse schwere<br />

Kunst mit sich ziehen»<br />

– denn Pfarrs<br />

Cartoons und Illustrationen sind<br />

von einer selten komischen Leichtigkeit.<br />

Das kann man auch anhand der zahlreichen<br />

Buch-Covers überprüfen, die Pfarr<br />

unter anderem für Elke Heidenreich illustrierte.<br />

Pfarrs guter Kollege Chlodwig Poth<br />

schrieb auch selber Romane – zum Beispiel<br />

den hochkomischen «Die Vereinigung<br />

von Körper und Geist mit Richards Hilfe»,<br />

den es leider nur noch antiquarisch<br />

gibt. Unvergesslich machten<br />

Poth aber seine Comic-Kurzgeschichten.<br />

Dem Verlag Antje Kunstmann<br />

ist es zu verdanken,<br />

dass Pfarr und<br />

Poth weiterhin im<br />

Buchhandel präsent<br />

sind: Im<br />

Rahmen der ausgezeichneten<br />

Reihe<br />

«Meister der komischen Kunst»<br />

ist den beiden je ein Band gewidmet; die<br />

Bücher gehören in die Bibliothek jedes humorvollen<br />

Menschen.<br />

Ian Fleming ist allen Kinogängern ein Begriff,<br />

auch den jungen – wegen seiner berühmtesten<br />

Schöpfung, Geheimagent 007<br />

James Bond. Erstaunlicherweise jährt sich<br />

der Todestag des britischen Bestsellerautors<br />

am 12. August bereits zum 50. Mal.<br />

Fleming kam 1908 in London zur Welt.<br />

Schon früh zeigte er gewisse Bond-Allüren,<br />

denn er flog wegen Mädchengeschichten<br />

mehrmals von renommierten Schulen.<br />

Schliesslich kam er an einem privaten Institut<br />

im österreichischen Kitzbühel unter.<br />

Später arbeitete er als Journalist, Wertpapierhändler<br />

und schliesslich als Korrespondent<br />

für die Times, unter anderem in<br />

der Sowjetunion. Von dieser Position aus<br />

war es nur noch ein kleiner Schritt zum<br />

Spion – und tatsächlich wurde er irgendwann<br />

um 1930 vom Auswärtigen Amt<br />

Grossbritanniens als solcher angeworben.<br />

Im Zweiten Weltkrieg stieg Fleming in den<br />

Marine-Nachrichtendienst ein und wurde<br />

Kommandant einer Spezialeinheit. Im Casino<br />

von Estoril soll ihm schliesslich die<br />

Idee zu seinem Roman «Casino Royale»<br />

gekommen sein – dem ersten, 1953 verfassten<br />

Bond-Roman. Vorbild der Hauptfigur<br />

war unter anderem Peter Fleming, der<br />

Bruder des Geheimdienstlers und zu jener<br />

Zeit ein berühmter Reiseschriftsteller.<br />

«Casino Royale» war zunächst kein grosser<br />

Erfolg, und 1954 floppte in den USA<br />

auch eine Verfilmung fürs Fernsehen. Fleming<br />

liess sich aber nicht davon abhalten,<br />

weitere Bond-Romane zu schreiben.<br />

«From Russia with Love» wurde dann ein<br />

Bestseller, dem noch viele weitere folgen<br />

sollten. Insgesamt schrieb Fleming bis zu<br />

seinem Tod 1964 zwölf Bond-Romane und<br />

neun Bond-Kurzgeschichten. In seinem<br />

Todesjahr landete er auch noch einen<br />

Grosserfolg mit dem Kinderroman «Chitty<br />

Chitty Bang Bang». Die Bond-Bücher erscheinen<br />

auf Deutsch beim eigentlich auf<br />

Comics spezialisierten Verlag Cross Cult;<br />

dieser hat jetzt sämtliche 14 Bände – zwölf<br />

Romane und zwei Bücher mit den Kurzgeschichten<br />

– in eine schöne Box gepackt:<br />

James Bond total auf über 4000 Seiten!<br />

Was lesen Sie gerade?<br />

Patrizia Kummer, Snowboarderin und Olympia-Goldmedaillengewinnerin<br />

im Parallel-Riesenslalom 2014:<br />

«Für mich als Profisportlerin ist es wichtig,<br />

manchmal dem Alltag und dem ganzen<br />

Druck, der auf mir lastet, zu entfliehen.<br />

Dies erreiche ich am besten durch Geschichten.<br />

Einerseits schaue ich mir gern<br />

Filme an, aber noch lieber lese ich Bücher.<br />

Dort kann ich total in eine andere Welt<br />

eintauchen und alles um mich herum vergessen.<br />

Deshalb lese ich auch nie Biografien.<br />

Mein Büchergeschmack reicht von<br />

Fantasy- über Sachbücher bis hin zu realitätsnahen<br />

Thrillern.<br />

Im Moment lese ich zum wiederholten Mal<br />

‹Der Mastercode› von Scott McBain. Dieses<br />

Buch behandelt ein für mich sehr aktuelles<br />

Thema. In der Geschichte geben die<br />

Menschen immer mehr ihre Privatsphäre<br />

auf, vernetzen sich über ein Computersystem<br />

namens Mother immer stärker untereinander<br />

und werden bald total abhängig<br />

von diesem System. Sie merken gar nicht,<br />

wie sehr sie sich selber ausliefern, bis sie<br />

zum Schluss eigentlich gar keine Persönlichkeitsrechte<br />

mehr besitzen.<br />

Dieses Thema fasziniert mich, seit sich die<br />

ersten Social-Media-Seiten in meinem Umfeld<br />

breitgemacht haben. Das Buch zeigt<br />

auf, wie wichtig es ist, unsere Privatsphäre<br />

zu schützen. Wir haben selber die Wahl,<br />

was wir von uns preisgeben wollen. Eine<br />

zentrale Frage im Buch ist, ob der einfa-<br />

chere Weg immer der bessere ist. Sollen<br />

wir wirklich alle unsere Daten an nur einem<br />

Ort zusammenführen und speichern<br />

lassen, damit wir beispielsweise nur noch<br />

mit einem Fingerabdruck oder einem Augenscan<br />

bezahlen können – nur um beim<br />

Bezahlen der Monatsmiete oder im Supermarkt<br />

ein paar Sekunden zu sparen? Wie<br />

viel Macht über uns wollen wir den Firmen<br />

geben, die unsere Daten speichern?»<br />

Der Mastercode<br />

Scott McBain<br />

560 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Droemer/Knaur<br />

Der 70-jährige französische Autor Daniel<br />

Pennac kann viel: Seine oft komplex konstruierten<br />

Romane sind genauso gut wie die<br />

witzigen Szenarien, die er für die neuen<br />

Lucky-Luke-Comics schreibt. Jetzt hat sich<br />

dieser vielseitige Mann sogar selber übertroffen:<br />

Der bei Kiepenheuer & Witsch erschienene<br />

Roman «Der Körper meines Lebens»<br />

ist ein echter Geheimtipp und trägt<br />

Züge eines Meisterwerks. Die ihm zugrunde<br />

liegende originelle Idee: Einer beschliesst<br />

im Alter von zwölf Jahren,<br />

ein Tagebuch über seinen<br />

Körper zu führen, weil ihm<br />

dieser Körper ständig<br />

Sorgen macht. Und er<br />

setzt dieses Tagebuch<br />

fast bis zu seinem Tod<br />

mit 87 Jahren fort.<br />

Anhand der beschriebenen<br />

Körperreaktionen,<br />

-funktionen und -fehlfunktionen<br />

erfährt man die ganze Biografie des<br />

Erzählers, und man erhält zugleich unzählige<br />

kluge oder witzige Gedankenanstösse<br />

zu Themen wie Scham, Vergänglichkeit,<br />

Glück und Angst. Dass sich die Geschichte<br />

eines Lebens und einer Epoche anhand von<br />

Körperbeobachtungen schreiben lässt,<br />

klingt abenteuerlich – funktioniert aber<br />

vorzüglich.<br />

JOJO MOYES<br />

«Weit weg und ganz nah»<br />

Einzige<br />

Lesung in der<br />

Schweiz<br />

bei Thalia<br />

in Bern!<br />

Montag,<br />

23. Juni 2014, 20 Uhr<br />

Eintritt CHF 20.–<br />

(mit Thalia Bonuskarte CHF 10.–)<br />

Vorverkauf: Thalia Bern<br />

Telefon 031 320 20 40<br />

christoffelpassage@thalia.ch


8 | NOTIZEN Books Nr. 2/2014 NOTIZEN | 9<br />

Den ehemaligen Chefredaktor des Sonntags-Blicks, Philipp Löpfe, und<br />

den Wirtschaftsexperten des gleichen Blatts, Werner Vontobel, verbindet<br />

eine äusserst weitsichtige Betrachtung der Wirtschaftswelt. Diese<br />

belegen sie auch in ihrem neuesten Gemeinschaftswerk: In<br />

«Wirtschaft boomt, Gesellschaft kaputt» aus dem Orell-Füssli-Verlag<br />

beschäftigen sie sich mit der Frage, was die Globalisierung uns allen<br />

bringt – nachweislich mehr Nach- als Vorteile – und welches Wirtschaftssystem<br />

uns langfristig zufriedener macht. Sie fordern eine<br />

Rückkehr zur lokalen Wirtschaft, aber unter aktuellen Voraussetzungen:<br />

Neue Technologien ermöglichen heute auch kleinen Unternehmen,<br />

konkurrenzfähig vor Ort zu produzieren. Deren lokale Verankerung<br />

trägt dazu bei, dass die Politik wieder das Ruder übernehmen<br />

kann und wir uns alle nicht mehr diffusen globalen Kräften ausgeliefert<br />

fühlen müssen. Ihre spannenden Thesen untermauern die<br />

Autoren mit überraschenden Fakten, die gleich haufenweise<br />

Mythen zertrümmern. Oder haben Sie gewusst,<br />

wie dramatisch in Europa das Wirtschaftswachstum<br />

zurückgegangen ist, seit die<br />

Globalisierung als Seligmacher gilt? Wie von<br />

Sonntags-Blick-Leuten nicht anders zu erwarten,<br />

bleibt das Buch auch für Wirtschaftslaien<br />

stets verständlich.<br />

Die Tatsache, dass Sie unser Magazin<br />

in den Händen halten, zeigt: Sie<br />

schätzen Informationen auf Papier.<br />

Daher dürfte es Ihnen nicht ganz<br />

gleichgültig sein, was mit<br />

der guten alten Tageszeitung<br />

passiert – und daher<br />

dürfte Sie auch eine<br />

Neuerscheinung aus dem<br />

Brandstätter-Verlag interessieren:<br />

«Die Zeitung.<br />

Ein Nachruf». Der ehemalige<br />

Chefredaktor der<br />

österreichischen Tageszeitung<br />

Die Presse, Michael<br />

Fleischhacker, zeichnet darin die lange<br />

Geschichte des Mediums nach, von<br />

den Vorläufern wie den Marktschreiern<br />

bis in die eher triste Gegenwart.<br />

Es lässt sich wohl nur schwer eine besser<br />

geraffte und klüger kommentierte<br />

Zeitungshistorie finden. Als guter<br />

Journalist räumt Fleischhacker auch<br />

gern mit manchem Mythos auf, der<br />

ihm bei seiner Recherche begegnete<br />

– zum Beispiel mit jenem, die Zeitung<br />

sei so etwas wie die «Vierte Macht»<br />

im Staat und für die Demokratie unabdingbar.<br />

Fleischhacker dokumentiert,<br />

woran die Branche<br />

krankt und warum der Tod<br />

der Tageszeitung, wie wir<br />

sie kennen, unausweichlich<br />

ist. Aber wie jeder gute Nekrolog<br />

endet auch dieser<br />

hier versöhnlich: Wohl ist<br />

die Zeitung auf Papier ein<br />

Auslaufmodell, das Prinzip<br />

der Zeitung wird aber überleben.<br />

«Immer schon suchte<br />

sich der Mensch ein Instrument zu<br />

gestalten, das sein kleines Ich in geistigen<br />

Zusammenhang bringt mit der<br />

eigenen Gegenwart und der ihn umgebenden<br />

Welt», zitiert Fleischhacker<br />

einen Medienwissenschaftler aus<br />

den 1930er-Jahren. Also: Die Zeitung<br />

ist tot – es lebe die Zeitung!<br />

Unsere Cover-<br />

Künstlerin<br />

Erstmals lächelt von der Titelseite unseres<br />

Magazins keine Autorin und kein Autor –<br />

und erstmals ist das Cover gezeichnet.<br />

Grund dafür ist der Beitrag «Japanischer<br />

Exportschlager mit einem Schuss<br />

Rock’n’Roll» ab Seite 20 dieser Ausgabe.<br />

Er beschäftigt sich mit den überaus<br />

beliebten japanischen Comics, den<br />

<strong>Manga</strong>, und hat damit das Titelthema<br />

vorgegeben.<br />

Gezeichnet wurde das Books-Cover von<br />

der 18-jährigen Leonie Beckmann aus<br />

Uster. Die Gymnasiastin ist schon seit<br />

vielen Jahren eine begeisterte <strong>Manga</strong>-<br />

Zeichnerin. «Ich lieh in unserer Bibliothek<br />

immer die üblichen Comics aus», erinnert<br />

sie sich an die Anfänge ihrer Leidenschaft.<br />

«Irgendwann war ich damit durch, und es<br />

blieben nur noch die <strong>Manga</strong> übrig. Die<br />

hatten mich zuvor nie angesprochen, weil<br />

sie nur schwarzweiss waren.» Schon der<br />

erste <strong>Manga</strong> löste bei ihr dann aber eine<br />

grosse Begeisterung aus, und bald begann<br />

Leonie Beckmann selber im <strong>Manga</strong>-Stil zu<br />

zeichnen. «Mir gefällt, dass <strong>Manga</strong> eine<br />

richtige Handlung haben, sich in der<br />

Regel über viele Bände erstrecken und<br />

sich eher mit ernsthaften Themen<br />

beschäftigen», begründet sie ihre<br />

<strong>Faszination</strong>.<br />

Heute zeichnet Leonie Beckmann jeden<br />

Tag; mittlerweile hat sie sich ganz auf<br />

<strong>Manga</strong> spezialisiert. Wie die meisten<br />

<strong>Manga</strong>-Zeichner arbeitet die Autodidaktin<br />

auf einem Grafiktablett. «Ich zeichne<br />

darauf wie auf Papier», sagt sie, «nur<br />

kann ich auf dem Tablet einfacher<br />

korrigieren und besser mit Farben<br />

spielen.» An unserem Cover hat sie rund<br />

vier Tage gearbeitet.<br />

Leonie Beckmann hat sich als Zeichnerin ganz auf<br />

<strong>Manga</strong> spezialisiert.<br />

Leute, die das mögen, mögen auch ...<br />

Sie kennen das: Man hat gehofft, ein Buch<br />

ginge nie zu Ende, weil es einem so gut<br />

gefallen hat – aber irgendwann ist die<br />

letzte Seite dann doch gelesen. Zum Glück<br />

kann man sich in<br />

solchen Momenten<br />

an Fachleute wenden,<br />

die einem ein<br />

Buch mit vergleichbaren<br />

Qualitäten<br />

empfehlen. Eine<br />

solche Fachfrau ist<br />

die Bernerin Céline<br />

Tapis. Nach der Matura<br />

absolvierte die<br />

heute 22-Jährige<br />

eine Buchhändlerlehre;<br />

mittlerweile<br />

arbeitet sie zu 50<br />

Prozent bei Stauffacher,<br />

daneben studiert<br />

sie an der Universität<br />

Bern<br />

Germanistik sowie<br />

Interreligiöse Studien.<br />

«Der Bestseller<br />

‹Am Hang› von Markus Werner handelt<br />

von zwei Männern, die einander im Tessin<br />

auf einer Piazza begegnen. Sie treffen<br />

sich fortan regelmässig und reden miteinander<br />

– vor allem über ihre Beziehungen.<br />

Diese Ausgangslage ähnelt jener von<br />

‹Ich nannte ihn Krawatte›, einem Roman<br />

von Milena Michiko Flašar. Die Autorin<br />

lebt in Österreich, ihre Mutter ist aber<br />

Japanerin – und auch der Roman spielt in<br />

Japan. Ich-Erzähler ist ein etwa 20-jähriger<br />

Hikikomori. Mit diesem Begriff werden<br />

in Japan Leute bezeichnet, die dem<br />

enormen Leistungsdruck nicht mehr gewachsen<br />

sind, sich ganz von der Gesell-<br />

Wettbewerbs-Gewinner<br />

schaft zurückziehen und ihr Zimmer<br />

kaum noch verlassen. Je nach Schätzung<br />

sollen in Japan zwischen 50'000 und einer<br />

Million Menschen ein solches Verhalten<br />

zeigen. Zweite<br />

Hauptfigur des Romans<br />

ist ein Geschäftsmann<br />

– eben<br />

‹Krawatte› –, der<br />

seinen Job verloren,<br />

dies seiner<br />

Frau aber noch<br />

nicht gestanden<br />

hat. Er verlässt jeden<br />

Tag rechtzeitig<br />

sein Daheim und<br />

sitzt dann seine Zeit<br />

im Park ab. Als der<br />

junge Hikikomori<br />

beschliesst, seine<br />

Isolation zu durchbrechen,<br />

begegnet<br />

er im Park dem Geschäftsmann.<br />

Mit<br />

der Zeit entwickelt<br />

sich zwischen den<br />

beiden sehr verschiedenen Männern eine<br />

vertrauensvolle Beziehung – sie reden<br />

miteinander wie die beiden Hauptfiguren<br />

von ‹Am Hang›. In ganz kurzen Kapiteln<br />

geht es um Erinnerungen, Beziehungen,<br />

Frustrationen. Und wie bei ‹Am Hang›<br />

gibt es bei ‹Ich nannte ihn Krawatte› keine<br />

Geschichte, die schnurgerade von A<br />

nach B verläuft, dafür aber sehr viel Atmosphäre.<br />

Dieses Buch zu lesen ist ein<br />

bisschen, wie einen schönen Abend mit<br />

Freunden zu verbringen: Man weiss<br />

nachher nicht mehr genau, worum es<br />

ging, aber man weiss, dass es gut war.»<br />

In der letzten Ausgabe von Books verlosten wir unter den Teilnehmenden unseres<br />

Kreuzworträtsel-Wettbewerbs drei Büchergutscheine. Gewonnen haben:<br />

1. Preis: Dena Ziga, 2. Preis: Christof Hiller-Egli, 3. Preis: Brigitte Häfeli,<br />

Unterentfelden Geuensee Birsfelden<br />

Herzliche Gratulation!<br />

Das Lösungswort lautete übrigens «Landesmuseum». Die Gewinnerinnen und Gewinner<br />

der Preise 4 bis 10 werden schriftlich benachrichtigt. Das aktuelle Kreuzworträtsel finden<br />

Sie in dieser Ausgabe auf Seite 48.


10 | Interview Books Nr. 2/2014<br />

Interview | 11<br />

«Man kann dem Leben auf<br />

Dauer nicht entkommen»<br />

© Jim Rakete<br />

Franka Potente scheint ein ganz besonderes Erfolgsrezept zu haben: Sie tut, worauf sie Lust hat – und<br />

kommt damit an. Das dürfte mit ihrem ersten Roman «Allmählich wird es Tag» nicht anders sein. Books<br />

sprach mit der in Los Angeles lebenden Schauspielerin und Schriftstellerin.<br />

Erik Brühlmann<br />

Books: Mit «Allmählich wird es Tag» ist<br />

gerade Ihr erster Roman erschienen –<br />

sind Sie jetzt offiziell Schriftstellerin?<br />

Franka Potente: Ja, irgendwie schon!<br />

Immerhin habe ich während zweier<br />

Jahre viel Zeit und Energie in Recherche,<br />

Schreiben und Überarbeitung investiert.<br />

Ich habe das Handwerk der Schriftstellerin<br />

zwar nicht richtig gelernt, aber es gibt ja<br />

auch viele tolle Schauspieler, die ganz ohne<br />

Schauspielschulen ihre Arbeit ausüben.<br />

Letztlich ist es mir aber egal, wie mich<br />

jemand betitelt. Ich habe einen Roman geschrieben,<br />

der Roman ist erschienen – ich<br />

finde, das spricht für sich.<br />

Ihre ersten schriftstellerischen Versuche<br />

umfassten einen fiktiven Briefwechsel,<br />

ein Fitnessbuch und die Kurzgeschichten-Sammlung<br />

«Zehn». Haben Sie sich<br />

bewusst Schritt für Schritt an einen<br />

Roman herangetastet?<br />

Die Schriftstellerei ist ja nicht mein Hauptberuf,<br />

von daher steigt man als Anfängerin<br />

vielleicht nicht gleich mit einem Drei- oder<br />

Vierhundert-Seiten-Roman ein. Eigentlich<br />

war «Zehn» mein erster richtiger Versuch<br />

als Schriftstellerin, und nach Kurzgeschichten<br />

ist ein Roman oft der nächste<br />

Schritt. Ob ich diesen Schritt ohne die<br />

Ermutigung meines Verlags jetzt schon<br />

gemacht hätte, weiss ich allerdings nicht.<br />

Ist es schwieriger, einen Roman zu<br />

schreiben als eine thematische Kurzgeschichtensammlung?<br />

Ja, schon. Man hat einen weiteren Weg bis<br />

zur letzten Seite vor sich, muss langfristiger<br />

denken und planen, braucht Biografien<br />

für seine Hauptfiguren und so weiter. Alles<br />

ist halt viel aufwändiger, und die Gefahr<br />

ist grösser, dass einem manchmal die<br />

Puste beim Schreiben ausgeht. Wenn das<br />

geschieht, muss man so diszipliniert sein,<br />

sitzen zu bleiben, die überkritischen Stimmen<br />

im Kopf zu ignorieren und einfach<br />

weiterzumachen. Am Ende eines solchen<br />

Tags hat man dann vielleicht 30 Seiten<br />

Mist geschrieben, aber immerhin hat man<br />

etwas geschrieben. So etwas muss man zulassen.<br />

Gelöscht ist ja alles schnell wieder,<br />

und mit etwas Glück findet man anschliessend<br />

im Mist vielleicht sogar einen neuen<br />

Gedanken.<br />

Sie leben schon längere Zeit in Los Angeles.<br />

Denken Sie beim Schreiben noch<br />

Deutsch oder schon Englisch?<br />

Ich glaube beides. Im Alltag spreche ich<br />

Englisch, Deutsch nur selten mit einer<br />

Freundin oder wenn ich in die Heimat anrufe.<br />

Es ist wirklich schon vorgekommen,<br />

dass mir Wörter einfach nicht mehr auf<br />

Deutsch einfielen und ich dachte: Das darf<br />

jetzt ja wohl nicht wahr sein!<br />

«Allmählich wird es Tag» ist die Geschichte<br />

des Bankers Tim Wilkins. Er<br />

ist Ende 40, lebt in Los Angeles, verliert<br />

durch die Krise seinen Job, wird von<br />

seiner Frau verlassen und merkt, dass<br />

er sein Leben eigentlich vollkommen<br />

verpasst hat. Ein ganz anderer Stoff als<br />

bei «Zehn». Stossen Sie damit nicht Ihre<br />

Fans vor den Kopf?<br />

Ich habe das geschrieben, womit ich glücklich<br />

bin – eine Geschichte, die ich auch<br />

selbst lesen würde. Was jetzt geschieht,<br />

darauf habe ich keinen Einfluss mehr,<br />

und ob ein Stoff die Leserinnen und Leser<br />

interessiert, weiss man vorher sowieso nie.<br />

Kritiker gibt es immer, und Kritik nehme<br />

ich auch gern an, wenn sie konstruktiv ist.<br />

Die Prinzipverweigerer dagegen interessieren<br />

mich nicht. Wer einfach nur meckern<br />

will, der soll sich hinsetzen und es besser<br />

machen.<br />

Wie schon bei «Zehn» ist die Sprache<br />

sehr direkt und nüchtern ...<br />

Aber aus einem anderen Grund. Bei<br />

«Zehn» versuchte ich, von einer japa-<br />

Allmählich<br />

wird es Tag<br />

304 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Piper<br />

nischen Warte aus zu schreiben, und in<br />

Japan sind Emotionen nun einmal ein<br />

delikates Thema. Bei «Allmählich wird es<br />

Tag» wollte ich dem Leser eine möglichst<br />

intensive Erfahrung vermitteln. Das Thema<br />

des persönlichen Niedergangs ist ja an<br />

sich schon emotional aufgeladen, da muss<br />

ich mit der Sprache nicht noch zusätzlich<br />

reingrätschen. Ausserdem mag ich es<br />

nicht, wenn einem ein Autor auch noch das<br />

allerletzte Detail haarklein erklärt. Indem<br />

man gewisse Dinge weglässt, gibt man<br />

dem Leser die Möglichkeit, die Lücken mit<br />

seinen eigenen Erfahrungen zu füllen.<br />

Sind Sie selbst auch so direkt?<br />

Ja, schon. Ich mag Struktur und Klarheit.<br />

Wenn jemand mich allzu blumig zutextet<br />

und um den heissen Brei herum redet, bin<br />

ich sofort auf der Hut und denke: So, jetzt<br />

komm aber mal zur Sache! Meine Toleranzgrenze<br />

sinkt diesbezüglich immer mehr.<br />

Trotzdem führen Sie die Leserinnen<br />

und Leser am Anfang hinters Licht: Man<br />

meint, in der ersten Szene nähmen Sie<br />

das Ende der Geschichte vorweg – und<br />

merkt erst viel später, dass dem gar<br />

nicht so ist.<br />

Da habe ich filmisch gedacht. Ursprünglich<br />

war «Allmählich wird es Tag» keine<br />

Roman-, sondern einer Drehbuchidee. Sie<br />

ist schon einige Jahre alt, und das Ganze<br />

hat sich mit der Zeit verlaufen.<br />

Franka Potente<br />

br. Franka Potente wurde 1974 im deutschen Münster<br />

geboren. Nach einer Schauspielausbildung in München und<br />

New York bekam sie 1995 ihre erste Hauptrolle in «Nach<br />

fünf im Urwald». Den Durchbruch schaffte sie 1998 mit<br />

der Hauptrolle in Tom Tykwers Film «Lola rennt». Im<br />

Anschluss wagte Franka Potente den Sprung über den<br />

grossen Teich und spielte dort mit Hollywood-Grössen<br />

wie Johnny Depp («Blow») und Matt Damon («Die<br />

Bourne Identität»). 2004 kehrte sie nach Berlin zurück<br />

und betätigte sich in vielen künstlerischen Bereichen,<br />

unter anderem als Drehbuchautorin und Regisseurin des<br />

Kurzfilms «Der die Tollkirsche ausgräbt».<br />

Ihr literarisches Debüt gab Franka Potente 2005 in Form<br />

des fiktiven Briefwechsels «Los Angeles – Berlin» mit<br />

ihrem Kollegen Max Urlacher. 2009 folgte in Zusammenarbeit<br />

mit ihrem Personal Trainer Karsten Schellenberg der<br />

Fitness-Ratgeber «Kick Ass – Das alternative Workout».<br />

Dreharbeiten zu einem Dokumentarfilm über Underground<br />

Art führten sie 2005 das erste Mal nach Japan. Ihre<br />

Erlebnisse im Land der aufgehenden Sonne bildeten die<br />

Grundlage für die stark beachtete Kurzgeschichtensammlung<br />

«Zehn». Die Schauspielerei hängte Franka Potente<br />

natürlich nie an den Nagel. Sie spielte unter anderem in<br />

den Erfolgsserien «Dr. House», «American Horror Story»<br />

sowie «Psych» und verkörperte Beate Uhse in «Beate<br />

Uhse – Das Recht auf Liebe». Heute lebt Franka Potente<br />

in Los Angeles. Sie ist mit dem Schauspieler Derek<br />

Richardson («Anger Management») verheiratet, mit dem<br />

sie eine gemeinsame Tochter hat.


12 | Interview Books Nr. 2/2014 Im Schaufenster | 13<br />

Die Grundidee ist aber erhalten geblieben.<br />

Die verschachtelte Erzählweise finde ich<br />

unheimlich spannend – es gibt ja in der<br />

Geschichte auch viele Rückblenden. So<br />

bekommt man beim Lesen immer wieder<br />

Hinweise auf das grosse Ganze, und diese<br />

Hinweise interpretiert man für sich. Was<br />

wirklich stimmt, erfährt man erst im Lauf<br />

der Lektüre.<br />

Genau so geht es der Hauptfigur, Tim<br />

Wilkins.<br />

Ja, er ist ein Mensch, der immer tiefer<br />

in eine Extremsituation schlittert und<br />

dabei mit jedem neuen Tag klarer sieht.<br />

Erst verlässt ihn seine Frau aus für ihn<br />

zunächst unerklärlichen Gründen. Dann<br />

wird er aufgrund der Rezession gefeuert,<br />

steht vor dem Nichts, und seine Dämonen<br />

kommen wieder an die Oberfläche. Mich<br />

interessierte, wie ein Mensch in einer<br />

solchen Situation reagiert. Tim merkt Stück<br />

für Stück, dass er in den ganzen Jahren,<br />

in denen er von früh bis spät gearbeitet<br />

hat, von seinem Leben eigentlich nichts<br />

mitbekommen hat.<br />

Und plötzlich trifft ihn die Realität wie<br />

ein Kantholz ...<br />

Das ist aber an sich nicht die wirkliche<br />

Tragik. Viel schlimmer ist doch, dass er<br />

all die Dinge, die auf ihn einprasseln,<br />

hätte erkennen, bemerken und zum Teil<br />

auch verhindern können. Es handelt sich<br />

immerhin um sein Leben! Doch er entschied<br />

sich wegzuschauen. Er hat ja noch<br />

nicht mal mitbekommen, dass seine Frau<br />

etwas mit seinem besten Freund hatte<br />

und dass dieser Freund schon vor zwei<br />

Jahren gestorben ist. Auf Dauer kann man<br />

dem Leben allerdings nicht entkommen;<br />

irgendwann wird man gezwungen, damit<br />

umzugehen.<br />

Glauben Sie denn, dass ein Mensch über<br />

Jahre hinweg verdrängen und wegschauen<br />

kann?<br />

Natürlich! Fast jeder kennt doch scheinbar<br />

glücklich verheiratete Paare, die sich nach<br />

vielen Jahren plötzlich trennen. Spricht<br />

man mit ihnen über die Gründe, wundert<br />

man sich oft: Und das habt ihr nicht kommen<br />

sehen? Andere wiederum ignorieren<br />

ewig lang Zeichen ihres Körpers. Oder sie<br />

bekommen nicht mit, was in ihren Kindern<br />

vorgeht – und sind dann überrascht, wenn<br />

die Probleme da sind. Ich glaube, es liegt in<br />

der Natur des Menschen, Dinge auszublenden,<br />

mit denen er nicht umgehen kann.<br />

... bis man auf dem Boden der Realität<br />

aufschlägt, zumindest?<br />

Manchmal ist das Aufschlagen nötig, damit<br />

man den Blick nach innen und auf sich<br />

selbst richtet. Unser Leben ist so hektisch<br />

und wir sind derart mit unserem äusseren<br />

Dasein beschäftigt, dass uns die Zeit und<br />

die Musse fehlen, uns mit uns selbst zu<br />

beschäftigen.<br />

Als Tim diese Musse aufgedrückt<br />

bekommt, versucht er erst einmal, in<br />

kürzester Zeit alles nachzuholen, was er<br />

verpasst haben könnte, getreu dem Motto:<br />

Sex and Drugs and Rock’n’Roll.<br />

Diese Reaktion habe ich schon oft beobachtet<br />

– bei Männern und bei Frauen. Da<br />

wird erst einmal krampfhaft versucht, die<br />

Stille mit Aktivitäten zu füllen, die man<br />

«immer schon mal machen wollte». Man<br />

zündet sich wieder eine Zigarette an, sitzt<br />

stundenlang vor dem Fernseher, geht auf<br />

wilde Partys und versucht sich einzureden,<br />

dass jetzt alles viel besser ist, weil<br />

einem niemand mehr vorschreibt, was<br />

man zu tun und zu lassen hat. Dass Tim<br />

so extrem überkompensiert, fast bis zum<br />

eigenen Tod, rührt daher, dass er jahrelang<br />

wie ein Roboter für seinen Job funktioniert<br />

hat. Ihn dann ausflippen zu sehen,<br />

ist gleichzeitig komisch und tragisch.<br />

Erst als er körperlich und mental am<br />

absoluten Nullpunkt angekommen ist,<br />

rappelt er sich wieder hoch.<br />

Man muss eben erst etwas verlieren, um<br />

zu erkennen, was einem fehlt. Die Ehe, die<br />

Freunde, seinen Sohn – all das hat Tim für<br />

selbstverständlich genommen, was übrigens<br />

auch sehr menschlich ist und uns<br />

allen passiert. Aber jedes Ende ist immer<br />

auch ein Anfang, eine neue Chance.<br />

Sie betonen oft Tims körperliche Grösse,<br />

dass er in sein bisheriges Leben sozusagen<br />

nicht hineinpasste. Kann denn so<br />

ein Bär von einem Mann derart in sich<br />

zusammenbrechen?<br />

Ja, und zwar gerade weil er so gross ist.<br />

Ein so grosser Mensch fällt immer auf,<br />

kann sich nicht verstecken oder sich mit<br />

seinem Schmerz irgendwo verkriechen.<br />

Ich habe so jemanden interviewt, das war<br />

total spannend, verrückt und auch traurig.<br />

Sein Neuanfang führt Tim nach dem Tod<br />

des verhassten Vaters auch wieder in<br />

den Schoss der Kleinstadtfamilie, also<br />

in den einen Teil seines Lebens, den er<br />

bewusst immer verdrängt hat.<br />

Familie ist Familie, etwas Besonderes.<br />

Es kommt doch oft vor, dass man sich an<br />

einen Familienanlass schleppt, auf den<br />

man keine Lust hat. Und plötzlich ist da<br />

etwas Warmherziges, etwas, bei dem<br />

man sich wohlfühlt. Der Tod des Vaters ist<br />

dabei so eine Art Türöffner. Tims Feindbild<br />

lebt nicht mehr, und das verleiht ihm<br />

eine neue Offenheit gegenüber seiner<br />

Schwester und seinen Verwandten, die er<br />

nun auch anzunehmen bereit ist. Tim ist<br />

zu diesem Zeitpunkt bereits sehr einsam,<br />

deshalb tut ihm der Gang aus der Grossstadt<br />

zurück zu seinen Wurzeln in der<br />

Kleinstadt in Arkansas sehr gut.<br />

Apropos Grossstadt: Los Angeles kommt<br />

als Stadt zuweilen nicht besonders gut<br />

weg. Überzeichnen Sie da ein wenig –<br />

oder haben Sie die Stadt als Zuzügerin<br />

tatsächlich so erfahren?<br />

So schlecht kommt Los Angeles doch gar<br />

nicht weg! Aber ich gestehe: Als ich vor<br />

etwa zehn Jahren herkam, fand ich die<br />

Stadt ziemlich besch...eiden. Mittlerweile<br />

hat sich vieles zum Positiven verändert,<br />

und ich weiss auch, wo die schönen Orte<br />

sind. Letztlich kommt es aber immer auf<br />

das Auge des Betrachters an, wie eine<br />

Stadt wirkt. Fährt man mit dem Auto<br />

irgendwo hin, wirkt die Landschaft bei<br />

klassischer Musik ja auch anders, als<br />

wenn Rammstein aus den Boxen dröhnt.<br />

Und wenn es einem so dreckig geht wie<br />

Tim, kann eine Grossstadt leicht zu einem<br />

Moloch werden.<br />

Was ist denn die sprichwörtliche Moral<br />

von der Geschicht’?<br />

Da ziehe ich mich auf den Standpunkt<br />

der Autorin zurück und überlasse es den<br />

Lesenden, für sich eine Moral von der Geschicht’<br />

zu finden. Meine Arbeit ist getan.<br />

Mir persönlich gefällt jedenfalls der Gedanke,<br />

dass es immer eine zweite Chance<br />

gibt, wenn man sie sucht und bereit ist,<br />

sich der Herausforderung zu stellen.<br />

Am Anfang des Gesprächs sagten Sie,<br />

«Allmählich wird es Tag» sei eigentlich<br />

eine Drehbuchidee gewesen. Wen würden<br />

Sie besetzen?<br />

Damals dachte ich an Tim Robbins, der ja<br />

auch fast zwei Meter gross ist. Auf jeden<br />

Fall müsste es ein Hüne sein. Alle anderen<br />

müssten dann relativ klein sein, damit es<br />

im Film noch dramatischer wirkt.<br />

Und Donald Sutherland in der Rolle des<br />

Vaters?<br />

Gute Idee! «Allmählich wird es Tag» auf<br />

der Kinoleinwand zu sehen, ist jedenfalls<br />

ein Traum von mir.<br />

Zurück zum Start<br />

Der neue Roman von John Grisham, «Die Erbin», wird von Kritikern<br />

als einer seiner besten bezeichnet. Das will etwas heissen,<br />

denn der ehemalige Strafverteidiger schreibt jedes Jahr<br />

einen dicken Justizthriller. Diesmal hat er sich in seinem reichen<br />

Fundus an Figuren bedient – und seinen Erstling fortgesetzt.<br />

Marius Leutenegger<br />

John Grisham ist der wohl weltweit bekannteste<br />

Autor von Justizthrillern. Er<br />

weiss, wovon er schreibt: Über zehn Jahre<br />

lang arbeitete er im US-Bundesstaat Mississippi<br />

als Strafverteidiger mit Spezialgebiet<br />

Körperverletzung. Als er Ende der<br />

1980er-Jahre die Zeugenaussage eines<br />

Vergewaltigungsopfers hörte, spann Grisham<br />

dessen Geschichte weiter – erst im<br />

Kopf, dann auf Papier. Jeden Morgen vor<br />

Öffnung der Kanzlei arbeitete er fortan einige<br />

Stunden lang an einem aufwühlenden<br />

Manuskript: In «Die Jury» erschiesst der<br />

Vater eines vergewaltigten schwarzen<br />

Mädchens die Täter vor dem Gericht, und<br />

der junge Anwalt Jack Brigance übernimmt<br />

dessen Verteidigung. Es geht um Rassenkonflikte<br />

und den Ku-Klux-Klan, um juristische<br />

Tricks, fiese Psychologie, grossartige<br />

Plädoyers, überraschende Zeugenaussagen<br />

und verwirrte Geschworene, die allmählich<br />

die Seite wechseln. Kurzum: In<br />

«Die Jury» steckt alles drin, was einen guten<br />

Justizthriller ausmacht.<br />

25 Jahre nach<br />

«Die Jury» gibt<br />

es jetzt ein<br />

Wiedersehen mit<br />

Jack Brigance.<br />

Dennoch war dem Buch zunächst kein<br />

grosser Erfolg beschieden; die Erstauflage<br />

betrug 1989 gerade einmal 5000 Exemplare.<br />

Doch Grisham hatte Blut geleckt. Sein<br />

zweiter Roman, «Die Firma», schlug dann<br />

ein wie die sprichwörtliche Bombe. Die Geschichte<br />

über einen jungen Anwalt, der sich<br />

plötzlich in äusserst dubiose und gefährliche<br />

Geschäfte verwickelt sieht, konnte sich<br />

1991 sagenhafte 47 Wochen lang an der<br />

Spitze der Bestsellerliste der New York<br />

Times festsetzen. Das dicke Buch wurde<br />

das meistverkaufte des Jahres, und in seinem<br />

Sog wurde dann auch Grishams Erstling<br />

«Die Jury» zum Bestseller.<br />

Der Erfolg motivierte Grisham, den Anwaltsberuf<br />

aufzugeben und ganz auf die<br />

Schriftstellerei zu setzen. Seither veröffentlicht<br />

er praktisch jedes Jahr einen so dicken<br />

wie packenden Justizthriller. «Die Jury»<br />

hat ihn offenbar nie ganz losgelassen, denn<br />

immer wieder tauchen Figuren aus jenem<br />

Roman in anderen Geschichten auf. Und<br />

jetzt, 25 Jahre nach der Erstveröffentlichung<br />

des Erstlings, gibt es in «Die Erbin»<br />

auch ein Wiedersehen mit Jack Brigance.<br />

Der engagierte, kluge, menschenfreundliche<br />

und erst noch gutaussehende junge<br />

Mann ist wohl der Anwalt, der John Grisham<br />

immer gern gewesen wäre und der er<br />

in mancherlei Hinsicht wohl auch war.<br />

Der Fall, der Jack Brigance diesmal beschäftigt,<br />

dreht sich nicht um Gewalt, sondern<br />

um Geld – um sehr viel Geld. Der wegen<br />

einer Krebserkrankung dem Tod<br />

geweihte Seth Hubbard hat sich erhängt.<br />

Weil er ein Menschenfeind wie aus dem<br />

Bilderbuch war, hält sich die Anteilnahme<br />

seiner beiden Kinder Ramona und Herschel<br />

sowie der Enkel in überschaubaren<br />

Grenzen. Bis zwei Bomben platzen: Hubbard<br />

war steinreich – und er vermachte<br />

sein Vermögen in letzter Minute seiner<br />

schwarzen Haushälterin Lettie Lang. Die<br />

Familie enterbte er, im Widerspruch zu einem<br />

früheren Testament.<br />

Der handschriftliche letzte Wille trifft am<br />

Montag nach dem Suizid per Post bei Jack<br />

Brigance ein. Und der hat jetzt die Aufgabe,<br />

das neue Testament gegen eine Horde von<br />

Anwälten durchzusetzen, die von Hubbards<br />

Familie eingesetzt wird. Die juristisch<br />

relevante Frage lautet: War Hubbard<br />

noch urteilsfähig, als er sein riesiges Vermögen<br />

der Haushälterin schenkte und diese<br />

zur reichsten Frau von Mississippi<br />

machte? Gleichzeitig wollen alle wissen:<br />

Ein Gerichtsfall motivierte John Grisham, sich als<br />

Schriftsteller zu versuchen.<br />

Warum hat er Lettie Lang, zu der er anscheinend<br />

keine persönliche Beziehung<br />

hatte, so grosszügig bedacht?<br />

Die Genrebezeichnung «Justizthriller»<br />

passt perfekt zu diesem Roman, denn er ist<br />

spannend von der ersten bis zur letzten<br />

Seite – und das will bei diesem Umfang etwas<br />

heissen. Gut dosiert lässt Grisham eine<br />

Katze nach der anderen aus dem Sack, und<br />

er jongliert gekonnt mit einer imposanten<br />

Vielfalt von Aspekten. Natürlich spielt der<br />

latente Rassismus in den Südstaaten der<br />

USA wieder eine wichtige Rolle, vor allem<br />

aber geht es um Beziehungen – zwischen<br />

Anwälten, zwischen Familienmitgliedern<br />

und Eheleuten, zwischen Menschen, die einander<br />

mögen oder verachten.<br />

Dass die Hauptfigur Jack Brigance kaum<br />

Kanten hat, macht sie eher uninteressant,<br />

aber dafür gibt es wie immer bei Grisham<br />

eine grosse Zahl faszinierender, sorgfältig<br />

herausgearbeiteter Nebencharaktere. Dass<br />

der Autor ein Philanthrop mit ausgeprägtem<br />

Gerechtigkeitssinn ist, merkt man spätestens,<br />

wenn einem auch noch der widerlichste<br />

Anwalt der Hubbard-Familie irgendwie<br />

sympathisch wird – und am Ende jede Figur<br />

das bekommt, was sie verdient.<br />

Die Erbin<br />

701 Seiten<br />

CHF 38.90<br />

Heyne<br />

© Maki Galimberti


14 | SCHÖNE BÜCHER Books Nr. 2/2014 SCHÖNE BÜCHER | 15<br />

Von Stadt und Land<br />

Es gibt Bücher, die sich kaum für den eReader eignen – weil sie ein haptisches Erlebnis bieten<br />

oder sich durch prächtige Bilder und hohe Repräsentanz auszeichnen. Besonders viele solcher<br />

Bände findet man in der Abteilung für Kunst-, Architektur-, Design- und Fotobücher der<br />

Orell-Füssli-Filiale Kramhof in Zürich. Abteilungsleiterin Mirjam Kühnis hat für Books einige<br />

aussergewöhnliche Neuerscheinungen ausgewählt.<br />

Marius Leutenegger<br />

«In ihrem erfolgreichen Buch ‹Bergwärts›<br />

präsentierten Mirko Beetschen und Stéphane<br />

Houlmann 2012 zeitgemässes<br />

Wohnen in den Alpen, in ‹Men’s Homes›<br />

dokumentierten sie 2013, wie 20 kreative<br />

Männer leben. Gerade eben ist das dritte<br />

Buch der beiden nach Zürich ausgewanderten<br />

Berner erschienen: In ‹Wohnort<br />

Zürich› zeigen sie, wie man in Downtown<br />

Switzerland lebt. Nämlich ausserordentlich<br />

vielfältig, im renovierten Handwerkerhaus<br />

ebenso wie in der Luxusvilla, in<br />

«Wohnort Zürich» von Mirko Beetschen und Stéphane<br />

Houlmann zeigt, wie vielfältig man heute in<br />

Downtown Switzerland lebt. © Bruno Helbling<br />

der Fabrikloft oder im Hochhaus-Appartement.<br />

Beetschen und Houlmann porträtieren<br />

auch die Bewohner der schönen Räume<br />

und schaffen auf diese Weise ein<br />

buntes Mosaik vom Leben in der grössten<br />

Schweizer Stadt. Doch es geht in ‹Wohnort<br />

Zürich› nicht allein um Innenausstattung,<br />

sondern auch um die Stadt als Ganzes:<br />

In eindrücklichen Bildern werden die<br />

wichtigsten Monumente und schönsten<br />

Plätze gezeigt – oft aus überraschender<br />

Perspektive –, ein Cityguide verweist zudem<br />

auf die Hotspots in den Bereichen<br />

Architektur, Design, Gastronomie und<br />

Shopping. Der schön gestaltete Band packt<br />

das Flair der Stadt zwischen zwei Buchdeckel<br />

– und ist damit eine Publikation für<br />

alle, die Zürich mögen oder etwas mehr<br />

über die Stadt erfahren möchten.


16 | SCHÖNE BÜCHER Books Nr. 2/2014 SCHÖNE BÜCHER | 17<br />

Die Vielfalt von Zürich mag für die Schweiz<br />

verblüffend sein – mit jener von New York<br />

lässt sie sich nicht vergleichen. Das beweist<br />

der kleine Fotoband<br />

‹New York is ...›<br />

der Zürcherinnen Nadine<br />

Ottawa und Nuria<br />

Furrer. Gemeinsam<br />

machten sich die Fotografin<br />

und die Journalistin<br />

auf nach New<br />

full of laws<br />

York, um dort auf der<br />

Strasse wildfremde Personen<br />

anzusprechen<br />

und sie zu bitten, den<br />

Satz ‹New York is ...›<br />

zu vervollständigen.<br />

Wer Auskunft gab, wurde porträtiert;<br />

Nuria Furrer sagt, die Bereitschaft<br />

der New Yorker, an diesem<br />

Projekt teilzunehmen, sei enorm<br />

gewesen, niemand habe eine Mitwirkung<br />

abgelehnt. Natürlich haben<br />

sich die beiden Frauen eher<br />

auf etwas ungewöhnlichere Erscheinungen<br />

fokussiert, das macht<br />

madness<br />

ihr Buch denn auch sehr bunt, abwechslungsreich<br />

und eindrücklich.<br />

Weil die Porträtierten immer<br />

vor einem neutralen Hintergrund<br />

aufgenommen wurden, kommt<br />

man kaum auf die Idee, dass hier<br />

auf belebten Strassen und Plätzen<br />

fotografiert wurde. Ich finde die<br />

Kombination dieser ungewöhnlichen Porträts<br />

und der kurzen, oft überraschenden<br />

Aussagen spannend. Die Bilder laden<br />

dazu ein, sich zu überlegen, was für Menschen<br />

hier gezeigt werden. Diese geben ja<br />

eigentlich sehr wenig von sich preis, nur<br />

ein paar Worte und ihr Gesicht, aber das<br />

reicht auf jeden Fall, um Neugierde auszulösen.<br />

Ich empfehle das Buch allen, die<br />

New York mögen oder sich gern mit guter<br />

Porträtfotografie beschäftigen.<br />

a pot of gold<br />

Bleiben wir im städtischen Umfeld – aber<br />

ändern wir den Fokus in die grüne Richtung:<br />

Mein nächster Tipp ist ‹An die Töpfe,<br />

gärtnern, los!› von Gudrun Ongania. Die<br />

Autorin ist Gründerin von Vegandthecity,<br />

einer Organisation, die sich ganz dem<br />

Stadtgärtnern verschrieben hat und die in<br />

einem Shop in Zürich die entsprechenden<br />

Produkte anbietet. Das tolle Buch fasst alles<br />

zusammen, was es rund um Gemüseanbau<br />

in der Stadt und auf dem Balkon zu wissen<br />

«An die Töpfe, gärtnern, los!»<br />

von Gudrun Ongania vermittelt<br />

alles, was es über das Stadtgärtnern<br />

zu wissen gibt.<br />

© Johanna Muther,<br />

Haupt Verlag 2014<br />

the world's best<br />

playground<br />

«New York is …» zeigt das Allerbeste,<br />

was die Weltstadt zu bieten hat: ihre<br />

Einwohnerinnen und Einwohner.<br />

© Kerber-Verlag 2014<br />

gibt. Mit seinen vielen Checklisten, Faustregeln<br />

und leicht verständlichen Anleitungen<br />

eignet es sich ideal für Anfänger. Welcher<br />

Garten passt zu mir? Welche Pflanzen<br />

gehören in welche Gefässe? Wie gedeihen<br />

Tomaten im winzigen Garten? Das Ideenbuch<br />

stellt auch viele Stadtgärten im deutschen<br />

Sprachraum vor und liefert erst<br />

noch gute Rezepte. Schliesslich soll man ja<br />

auch wissen, was man mit dem Stadtgemüse<br />

alles anstellen kann!<br />

Nun gehen wir noch ein bisschen weiter<br />

hinaus ins Grüne. Hermann Hesse war<br />

eine Doppelbegabung – als Schriftsteller<br />

und Maler. Vor allem während seiner Tessiner<br />

Zeit von 1919 bis zu seinem Tod<br />

1962 schuf Hesse ein umfangreiches bildnerisches<br />

Werk aus Aquarellen, Illustrationen<br />

und Zeichnungen. Die Umgebung<br />

seines Wohnorts Montagnola in der Nähe<br />

von Lugano war und ist ja auch mehr als<br />

malerisch. Verwaltet wurde das bildnerische<br />

Werk des Literaturnobelpreisträgers<br />

von dessen 2003 verstorbenem Sohn Heiner<br />

Hesse, der selber Illustrator war und<br />

der auch das Hermann-Hesse-Museum in<br />

Montagnola ins Leben rief. Aus dem Nachlass<br />

von Heiner Hesse wurde jetzt eine<br />

schöne Wanderausstellung konzipiert:<br />

‹Mit Feder und Farbe›. Parallel zur Ausstellung<br />

ist ein Buch erschienen, das die<br />

schönsten Skizzen, Zeichnungen und<br />

Aquarelle von Hermann Hesse zeigt. Darüber<br />

hinaus gibt das Buch Einblick in die<br />

Beziehung zwischen Hermann und Heiner<br />

Hesse, und auch der Enkel des Schriftstellers,<br />

Silver Hesse, kommt ausführlich<br />

zu Wort. Mich haben bei diesem Buch vor<br />

allem die Aquarelle von Hesse angesprochen;<br />

sie sind sehr farbenfroh und fangen<br />

die Atmosphäre des Tessins gut ein. Die<br />

Werke sind aber alles andere als oberflächlich;<br />

zur Malerei fand Hesse aufgrund<br />

eines Rats seines Psychiaters, und<br />

man spürt, wie wichtig für ihn das bildnerische<br />

Schaffen war und wie sehr er sich<br />

mit seiner Umgebung auseinandersetzte.<br />

Schade, wird diese Ausstellung nur in<br />

Deutschland gezeigt.»<br />

Bildende Kunst vom Literaturnobelpreisträger<br />

Hermann Hesse.<br />

Oben: «Noranco», Aquarell, 1922.<br />

Unten: «Verso Arasio», Aquarell,<br />

Bleistift und Kreide, 1925.<br />

© Hermann-Hesse-Editionsarchiv<br />

Volker Michels, Oenbach am Main<br />

Mirjam Kühnis, 38, leitet die Kunst-,<br />

Architektur-, Design- und Fotobuch-<br />

Abteilung in der Orell-Füssli-Filiale Kramhof<br />

Zürich. Neben klassischen Bildbänden<br />

bietet die Abteilung auch viele originelle<br />

Neuerscheinungen zu sämtlichen Themen<br />

rund um Mode, Inneneinrichtung, Fotografie<br />

und Style – sowie unzählige Bücher, die<br />

sich zum Schenken eignen.<br />

Wohnort Zürich<br />

Mirko Beetschen,<br />

Stéphane Houlmann<br />

208 Seiten<br />

CHF 74.90<br />

dva<br />

New York is ...<br />

Nadine Ottawa,<br />

Nuria Furrer<br />

160 Seiten<br />

CHF 34.90<br />

Christof Kerber<br />

An die Töpfe,<br />

gärtnern, los!<br />

Gudrun Ongania<br />

192 Seiten<br />

CHF 39.90<br />

Haupt<br />

Hermann Hesse:<br />

Mit Feder und<br />

Farbe<br />

Werke aus dem<br />

Nachlass Heiner<br />

Hesse<br />

175 Seiten<br />

CHF 35.90<br />

Hatje Cantz


18 | BUCHTIPPS Books Nr. 2/2014 Im Schaufenster | 19<br />

Christos Tsiolkas<br />

Barrakuda<br />

Danny ist ein Schwimmtalent und<br />

voller Ehrgeiz. So hat er auch seinen<br />

Spitznamen «Barrakuda» erhalten –<br />

aggressiv wie ein Raubfisch kämpft<br />

der Junge aus der Working Class um<br />

Erfolg und Anerkennung. Als ihm ein<br />

Stipendium die Tür zu einer Eliteschule<br />

in Melbourne öffnet, scheint sich<br />

das harte Training auszuzahlen. Doch<br />

dann scheitert Danny – an seinen<br />

Erwartungen und jenen der anderen.<br />

«Barrakuda» ist ein Roman über<br />

einen Aussenseiter, der in der modernen<br />

Leistungsgesellschaft seinen<br />

Platz sucht. Autor Christos Tsiolkas<br />

zeichnet ein kritisches Bild von Australien,<br />

wo er als Sohn griechischer<br />

Einwanderer geboren wurde. Sein<br />

letzter Roman «Nur eine Ohrfeige»<br />

wurde ein Weltbestseller und erhielt<br />

mehrere Auszeichnungen. Auch<br />

«Barrakuda» wurde von den englischen<br />

Kritikern bereits hochgelobt.<br />

467 Seiten<br />

CHF 33.90<br />

Klett-Cotta<br />

ISBN 978-3-608-98013-4<br />

Ildikó von Kürthy<br />

Sternschanze<br />

Nicola Lubitz hatte alles – jetzt hat<br />

sie nichts mehr. Ein Babyfon, eine unpassende<br />

Kostümierung und extrem<br />

ungünstige Umstände haben aus ihr<br />

über Nacht eine Frau ohne Mann,<br />

ohne Geld und ohne nennenswertes<br />

Selbstbewusstsein gemacht. Im Hamburger<br />

Stadtteil Sternschanze findet<br />

sie eine neue Wohnung und neue<br />

Freunde, doch das bietet ihr nur eine<br />

Rettung auf Zeit.<br />

Der neue Roman der Autorin von<br />

«Mondscheintarif» ist die Geschichte<br />

einer Frau, die wieder bei null<br />

anfangen muss. Es geht um Hoffnung<br />

und darum, wie man sie am besten<br />

aufgibt. Es geht um Sex, Betrug,<br />

Verzeihen, Augenlid-Korrekturen,<br />

Liebe und Hornhaut an den Fersen.<br />

Um das Leben einer ganz normalen<br />

Frau eben.<br />

320 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Wunderlich<br />

ISBN 978-3-8052-5055-9<br />

Jojo Moyes<br />

Weit weg und<br />

ganz nah<br />

Mit ihrem Roman «Ein ganzes halbes<br />

Jahr» landete die britische Schriftstellerin<br />

Jojo Moyes letztes Jahr einen<br />

Riesencoup. Radio SRF 2 bezeichnete<br />

es als «den schönsten und traurigsten<br />

Liebesroman des Jahres», und die<br />

Rezensentin der New York Times war<br />

nach der Lektüre des Buchs gar in Tränen<br />

aufgelöst; eine Million Exemplare<br />

der deutschen Ausgabe ging über den<br />

Ladentisch.<br />

Nun setzt Moyes neustes Werk «Weit<br />

weg und ganz nah» zum Sturm auf die<br />

Bestsellerlisten an – ein Roman über<br />

eine Frau, deren Leben alles andere<br />

als rund läuft. Bis ihr ein unverhoffter<br />

Geldsegen und eine ebenso<br />

unverhoffte Begegnung einen Ausweg<br />

aufzeigen, sie aber in ein tiefes Dilemma<br />

stürzen.<br />

544 Seiten<br />

CHF 22.90<br />

Rowohlt<br />

ISBN 978-3-499-26736-9<br />

Claude Cueni<br />

Script Avenue<br />

Der Basler Autor Claude Cueni hat<br />

sich mit historischen Romanen einen<br />

Namen gemacht. In seinem neuen Buch<br />

ist aber nicht ein Druidenlehrling oder<br />

ein Henker wider Willen die Hauptfigur<br />

– sondern er selbst. In «Script Avenue»<br />

erzählt Cueni seine Biografie, und die<br />

steht seinen fiktiven Erzählungen in<br />

nichts nach.<br />

Die Lebensgeschichte von Claude<br />

Cueni ist eine Geschichte über die<br />

Flucht aus dem religiösen Wahn im<br />

schweizerischen Jura in eine eigene,<br />

fantastische Welt – die Welt der Script<br />

Avenue. Und es ist die Geschichte<br />

eines grossen Überlebenswillens. Vor<br />

fünf Jahren erhielt Cueni den Bescheid,<br />

dass er an Leukämie erkrankt ist, und<br />

trotz einer Knochenmarktransplantation<br />

ist er noch immer schwer krank.<br />

672 Seiten<br />

CHF 44.90<br />

Wörterseh<br />

ISBN 978-3-03763-043-3<br />

Mitgefühl für einen<br />

Betrüger<br />

In ihrer Heimat Dänemark ist Anna Grue ein Star – ihre Bücher<br />

über Detektiv Dan Sommerdahl sind Bestseller. Mit «Der Judaskuss»<br />

liegt jetzt der zweite Sommerdahl-Krimi auf Deutsch vor.<br />

Die Geschichte über einen mysteriösen Mord und einen gerissenen<br />

Heiratsschwindler überzeugt durch raffinierte Perspektivenwechsel.<br />

Thomas Mäder<br />

Anna Grue weckt Sympathien für einen Hochstapler.<br />

Klassischer kann ein Krimi kaum beginnen:<br />

mit einem Mord. Das Opfer ist ein junger IT-<br />

Nerd, der brutal erschlagen in einem Gartenschuppen<br />

entdeckt wird. Warum der junge<br />

Mann sterben musste, bleibt lang im<br />

Dunkeln, in dem die Polizei in diesem Fall<br />

tappt. Und Anna Grues Romanheld Dan<br />

Sommerdahl hat zunächst andere Pläne, als<br />

erneut den Detektiv zu spielen. Noch immer<br />

ist er von einem Burnout gezeichnet, der ihn<br />

bei seiner früheren Arbeit als Kreativdirektor<br />

einer Werbeagentur ereilte. Mittlerweile<br />

hat er sich als Werbetexter selbstständig gemacht,<br />

und er versucht, mit langen Joggingtouren<br />

die Geister der Vergangenheit zu vertreiben.<br />

Sein fester Entschluss, nicht mehr<br />

der «kahlköpfige Detektiv» zu sein, zu dem<br />

ihn die Zeitungen nach Aufklärung des letzten<br />

Falls stilisierten, gerät allerdings ins Wanken,<br />

als ihn seine Tochter Laura um Hilfe<br />

bittet: Ihre Lieblingslehrerin am Internat ist<br />

einem Heiratsschwindler aufgesessen. Der<br />

junge Mann, der sich Jakob Heurlin nannte,<br />

hat sich mit ihren Lottomillionen aus dem<br />

Staub gemacht. Seiner Tochter zuliebe übernimmt<br />

Sommerdahl den Fall.<br />

Gebrochene Herzen, leere Konten<br />

Bei seinen Ermittlungen stösst Dan Sommerdahl<br />

bald auf weitere Frauen, denen<br />

der angebliche Jakob Heurlin Liebe vorgegaukelt<br />

hatte und die am Ende mit einem<br />

gebrochenen Herzen und einem leeren<br />

Bankkonto dasassen. Eine der älteren<br />

Frauen musste die Affäre mit dem jungen<br />

Liebhaber gar mit dem Leben bezahlen.<br />

Nach und nach zeigen sich Verbindungen<br />

zwischen dem Mord am jungen Informatiker<br />

und dem gerissenen Heiratsschwindler,<br />

dessen wechselnde Identitäten immer die<br />

gleichen Initialen J.H. aufweisen. Und immer<br />

stärker rückt eine obskure Sekte in den<br />

Vordergrund, bei welcher der getötete junge<br />

Mann und seine Mutter Mitglied waren.<br />

Dan Sommerdahls Jugendfreund, Kommissar<br />

Flemming Torp, gelingt es nur mit<br />

Mühe, die Mauer des Schweigens um die<br />

Sekte zu durchbrechen.<br />

Zwischen Abscheu und Verständnis<br />

Das Verhör, bei dem diese Mauer zu bröckeln<br />

beginnt, geht unter die Haut. Mit<br />

nüchterner Selbstverständlichkeit erzählen<br />

die Sektenmitglieder darüber, wie im religiösen<br />

Wahn Familien auseinander gerissen<br />

und ungehorsame Kinder brutal gezüchtigt<br />

werden. Die Sekte mag erfunden sein, doch<br />

die geschilderten Vorgänge entsprechen einer<br />

tatsächlich existierenden Realität. So<br />

richtig zu Hochform läuft Anna Grue dann<br />

aber bei der Schilderung des Heiratsschwindlers<br />

J.H. auf. Viele Kapitel des<br />

Buchs sind aus seiner Perspektive erzählt.<br />

Je tiefer sich Anna Grue ins Innenleben von<br />

J.H. vorwagt, desto stärker wird das Bild<br />

des eiskalten Betrügers aufgeweicht. Der<br />

Mann, der so tiefe und ehrliche Liebe vorzutäuschen<br />

weiss, erhält im Lauf des Buchs<br />

mehr und mehr ein menschliches Antlitz.<br />

So empfindet man als Leser irgendwann<br />

Mitleid mit diesem schicksalsgebeutelten<br />

betrügerischen Gigolo und bringt schliesslich<br />

sogar etwas Verständnis für seine Taten<br />

auf. Anna Grue profitiert hier von einer<br />

Art «Catch-me-if-you-can»-Effekt. Wie bei<br />

dem im Film porträtierten Hochstapler<br />

empfindet man auch bei diesem Betrüger<br />

stets ein gewisses Mass an Bewunderung<br />

für die Raffinesse und die Unverfrorenheit<br />

der Schwindeleien, wenn auch J.H. im Gegensatz<br />

zu Frank W. Abagnale um einiges<br />

mehr Schaden anrichtet. Dennoch bleibt<br />

man gespalten zwischen Bewunderung,<br />

Abscheu und Mitleid für den jungen Mann.<br />

Im Körper eines Igels<br />

Geschickt arbeitet Anna Grue mit Perspektivenwechseln.<br />

Im Vorgängerroman «Die<br />

guten Frauen von Christianssund» schilderte<br />

sie den Mord zu Beginn aus der Ich-<br />

Perspektive, in «Der Judaskuss» erahnen<br />

wir aufgrund der Sicht eines Igels, dass<br />

eine Leiche im Gartenschuppen liegt. Stark<br />

ist auch der innere Monolog der betrogenen<br />

Kunstlehrerin Ursula. Wie sie über beide<br />

Ohren verliebt ihr Glück kaum fassen<br />

kann, erhält man einen Eindruck davon,<br />

warum J.H. so erfolgreich ist mit seinem<br />

Schwindel. Hauptfigur der Erzählung bleibt<br />

aber der Werber und Detektiv wider Willen<br />

Dan Sommerdahl. Eigenartigerweise gelingt<br />

es Anna Grue bei ihm weniger gut als<br />

bei den Nebenfiguren, einen überzeugenden<br />

Charakter zu zeichnen: Zu aufgesetzt<br />

wirkt oft sein Macho-Gehabe, und auch die<br />

Eifersucht auf Kommissar Flemming Torp,<br />

den Ex-Liebhaber seiner Frau, mag man<br />

Sommerdahl nicht recht abnehmen. Dem<br />

Lesevergnügen tut dies aber keinen Abbruch.<br />

Denn die geschickt portionenweise<br />

immer weiter aufgefächerten Hintergründe<br />

der Betrügereien und letztlich auch des<br />

Mords am jungen Informatiker halten die<br />

Spannung über die ganze Länge des Buchs<br />

aufrecht. Und Dan Sommerdahl, so versprach<br />

Anna Grue unlängst der Zeitung<br />

Welt, soll sich im Lauf der auf zehn Bände<br />

angelegten Serie charakterlich weiterentwickeln.<br />

Es ist der Autorin zuzutrauen,<br />

dass der Freizeit-Detektiv auch an Tiefe gewinnen<br />

wird.<br />

Der Judaskuss<br />

476 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Atrium


ich es<br />

gespürt.<br />

20 | <strong>Manga</strong> Books Nr. 2/2014 <strong>Manga</strong> | 21<br />

SOLANIN © 2006 Inio ASANO / SHOGAKUKAN<br />

… immer stärker<br />

geworden.<br />

Japanischer Exportschlager<br />

mit einem Schuss<br />

Rock’n’Roll<br />

nah_bei_dir_inhalt_01_01.indd 144<br />

Übergrosse Augen, süsse Stupsnasen und putzige Monster: So stellen sich Nichteingeweihte<br />

einen japanischen <strong>Manga</strong> vor. Die Comics, die nicht nur in ihrem Heimatland ein gigantischer<br />

Erfolg sind, präsentieren sich aber äusserst vielfältig. Books beleuchtet ein Phänomen, das<br />

heute weltweit eine riesige Fangemeinde in den Bann schlägt.<br />

Kennen Sie «Naruto», «Dragonball» und<br />

«Sailor Moon»? Nein? Dann sind Sie wohl<br />

kein <strong>Manga</strong>-Fan, denn diese Titel gehören<br />

zu den bekanntesten der japanischen Comic-Kultur.<br />

Bei uns wird Sie vermutlich<br />

niemand scheel anschauen wegen Ihrer<br />

Unkenntnis, in Japan wäre das aber ganz<br />

anders: Dort sind <strong>Manga</strong> ein echter Wirtschaftsfaktor<br />

und aus dem Buch- und Zeitschriftenhandel<br />

nicht mehr wegzudenken.<br />

Die Serie «One Piece», schon seit einiger<br />

Zeit der absolute Renner unter den <strong>Manga</strong>,<br />

verkaufte sich bis 2012 in Japan fast unglaubliche<br />

250 Millionen Mal. Statistisch<br />

gesehen besass damit jeder Einwohner,<br />

… ist<br />

dieses<br />

Gefühl …<br />

K<br />

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c<br />

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K<br />

nah_bei_dir_inhalt_01_01.indd 93<br />

Erik Brühlmann<br />

Und<br />

seitdem<br />

…<br />

13.10.2010 11:06:21 Uhr<br />

jede Einwohnerin des Inselstaats zwei<br />

Bände dieser Reihe! Es heisst nicht umsonst,<br />

dass in Japan mehr Papier für <strong>Manga</strong><br />

als für Toilettenpapier verwendet wird.<br />

Am Anfang waren Mönche<br />

Dass Menschen Geschichten in Bildern erzählen,<br />

ist eine uralte Tradition in vielen<br />

Kulturkreisen der Welt. Folgt man der<br />

<strong>Manga</strong>-Spur durch die Zeit, so stösst man<br />

im 8. Jahrhundert auf erste comicartige<br />

Zeichnungen im Horyu-Tempel in Nara;<br />

rund 200 Jahre später findet man satirische<br />

Karikaturen auf Papierrollen des buddhistischen<br />

Mönchs Sojo Toba. Ab dem 17.<br />

13.10.2010 11:04:12 Uhr<br />

Jahrhundert entstehen Holzschnittbilder,<br />

die sich um das unbeschwerte Leben und<br />

sexuelle Ausschweifungen drehen und sich<br />

grosser Beliebtheit erfreuen. Um diese Zeit<br />

herum taucht auch der Begriff «<strong>Manga</strong>»<br />

das erste Mal auf: Die «Hokusai-<strong>Manga</strong>»<br />

von Katsushika Hokusai zeigen in 15 Bänden<br />

skizzenhaft gezeichnete Szenen der<br />

japanischen Gesellschaft und Kultur der<br />

späten Edo-Zeit. Als erster Vorläufer moderner<br />

<strong>Manga</strong> gilt schliesslich die 1902 gezeichnete<br />

Geschichte «Tagosakus und Mokubes<br />

Besichtigung von Tokyo» von<br />

Rakuten Kitazawa.<br />

Aufschwung nach dem Krieg<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg beginnt dann<br />

die moderne <strong>Manga</strong>-Kultur Japans. Es entsteht<br />

eine regelrechte Industrie mit zahlreichen<br />

kleinen Verlagen. Eine wichtige<br />

Rolle bei dieser Entwicklung spielt Osamu<br />

Tezuka, ein Arzt, der nebenher als Zeichner<br />

für verschiedene Verlage arbeitet und<br />

dabei die Grundlagen des modernen <strong>Manga</strong><br />

legt. Bis zu seinem Tod 1989 zeichnet<br />

Osamu Tezuka rund 700 Geschichten – mit<br />

ein Grund, weshalb er in Japan als «Gott<br />

des <strong>Manga</strong>» tituliert wird. Die <strong>Manga</strong> und<br />

ihre filmischen Pendants, die Anime, treffen<br />

offenbar exakt den Nerv der Zeit. «Anders<br />

als zum Beispiel Comics in den USA<br />

haben sich <strong>Manga</strong> schnell zu einer Industrie<br />

entwickelt, in die sehr viel Geld fliesst<br />

und die enorme Gewinne abwirft», sagt<br />

Joachim Kaps. Er ist Geschäftsführer von<br />

«Tokyopop», einem der drei grossen <strong>Manga</strong>-Verlage<br />

Deutschlands. Es gibt in Japan<br />

zwei verschiedene Absatzkanäle: Einerseits<br />

bis zu 1000 Seiten umfassende wöchentliche<br />

oder zweiwöchentliche Magazine,<br />

die sehr billig an jedem Kiosk<br />

zu kaufen sind und jeweils Vorabdrucke<br />

der neusten Kapitel verschiedener<br />

Serien beinhalten; andererseits Taschenbücher,<br />

welche diese Kapitel im<br />

Abstand von mehreren Monaten in<br />

qualitativ hochwertiger Form nochmals<br />

zusammenfassen und um Bonuskapitel<br />

ergänzen. Diese Kombination aus Neugier<br />

auf das nächste Kapitel und Sammelleidenschaft<br />

der Taschenbücher schlägt sich<br />

in den Verkaufszahlen nieder: Allein die<br />

Taschenbücher haben 2012 in Japan einen<br />

Umsatz von umgerechnet 2,3 Milliarden<br />

Franken erzielt.<br />

Die Eroberung der alten Comic-Welt<br />

Die <strong>Manga</strong>-Kultur ist in der westlichen<br />

Welt lange Zeit unbekannt geblieben. «Die<br />

amerikanischen und europäischen<br />

Märkte hatten Japan ganz einfach<br />

nicht auf dem Radar – weder im Comic-<br />

noch im Literaturbereich», so<br />

Kaps. Dies änderte sich erst mit einem<br />

Anime namens «Akira», der<br />

1988 erschien und auf einem <strong>Manga</strong><br />

basiert. Der Film weckte auch in<br />

den USA und in Europa die Neugier<br />

der Comic-Gemeinden. Der eigentliche<br />

Durchbruch erfolgte bei uns<br />

aber erst vor etwa 18 Jahren, als die<br />

Serien «Dragonball» und «Sailor Moon»<br />

aus Japan importiert wurden. Mitentscheidend<br />

für den durchschlagenden Erfolg war<br />

wohl, dass «Sailor Moon» ein Kundensegment<br />

ansprach, das in der westlichen Comicwelt<br />

bis anhin zu kurz gekommen war:<br />

die Mädchen. Zu jener Zeit arbeitete Joachim<br />

Kaps bei Carlsen; dort erlebte er den<br />

unverhofften <strong>Manga</strong>-Boom hautnah mit.<br />

«Anfangs war der Buchhandel noch äusserst<br />

skeptisch, ob überhaupt jemand so<br />

etwas würde lesen wollen», erinnert er<br />

sich. «Die ersten Jahre zeigten dann aber<br />

schier unglaubliche Wachstumsraten bei<br />

den Umsätzen. Es war, als würde man einen<br />

Kuchen in einen Saal voller ausgehungerter<br />

Jugendlicher stellen.» Mittlerweile<br />

sind <strong>Manga</strong> aus den Buchhandlungen Europas<br />

nicht mehr wegzudenken. An der<br />

diesjährigen Leipziger Buchmesse belegten<br />

die drei grossen <strong>Manga</strong>-Verlage – Tokyopop,<br />

Carlsen und Egmont – gar eine<br />

Erfolgreiche <strong>Manga</strong>-Serien: Der Zweibänder «Solanin» (links)<br />

und die Endlos-Reihe «Death Note».<br />

«<strong>Manga</strong> haben sich<br />

schnell zu einer Industrie<br />

entwickelt,<br />

in die sehr viel<br />

Geld fliesst und die<br />

enorme Gewinne<br />

abwirft.»<br />

DEATH NOTE © 2003 by Tsugumi Ohba, Takeshi Obata / SHUEISHA Inc.


22 | <strong>Manga</strong> Books Nr. 2/2014<br />

manga | 23<br />

… die<br />

Gerechtigkeit!<br />

eigene Halle. «Und diese Halle war berstend<br />

voll», freut sich Joachim Kaps. «Die<br />

deathnote_inhalt_01_01.indd 129<br />

Verkaufszahlen unterstreichen diese Beliebtheit:<br />

Etwa 65 Prozent aller im Buchhandel<br />

erzielten Comic-Umsätze entfallen<br />

auf <strong>Manga</strong>; nur wenn ein neuer ‹Asterix›<br />

erscheint, ändert sich dieses Verhältnis<br />

kurzzeitig. Bei Tokyopop liegen wir derzeit<br />

satte 23 Prozent über dem Vorjahr.»<br />

Ich<br />

bin…<br />

<strong>Manga</strong> sind traditionellerweise schwarzweiss – hier ein Ausschnitt aus der Serie «Death Note».<br />

Der <strong>Manga</strong>, das unbekannte Lesewesen<br />

Nimmt man als unbedarfter Leser einen<br />

<strong>Manga</strong> zur Hand, erlebt man einige Überraschungen.<br />

Zunächst fällt auf, dass nur<br />

das Cover farbig ist. «Der Grund dafür ist,<br />

dass <strong>Manga</strong> in für Comic-Verhältnisse unglaublich<br />

kurzer Abfolge produziert werden»,<br />

erklärt Kaps. Wöchentlich werden<br />

pro Serie 25 oder 30 Seiten produziert – da<br />

bleibt einfach keine Zeit, die Geschichten<br />

zu kolorieren. «Oft gibt es neben dem Cover<br />

noch zwei oder vier farbige Bildseiten<br />

in einem Taschenbuch», ergänzt Kaps.<br />

«Diese definieren, wie die Figuren aussehen.<br />

Alles weitere erledigt die Fantasie der<br />

Lesenden.» Das sei im Markt kein Nachteil,<br />

ganz im Gegenteil: Die ersten <strong>Manga</strong>,<br />

die in den USA und Europa verkauft wurden,<br />

seien nachträglich koloriert worden,<br />

um sie dem bekannten bunten Comic-Erscheinungsbild<br />

anzugleichen. Schnell<br />

machten die Fans aber klar, dass sie lieber<br />

das Original wollten. Stutzig wird man<br />

auch, wenn man zu lesen beginnt und die<br />

Geschichte zunächst wenig Sinn ergibt –<br />

bis man merkt, dass der gewohnte Anfang<br />

des Buchs eigentlich das Ende der Geschichte<br />

ist. <strong>Manga</strong> werden nämlich von<br />

rechts nach links und von hinten nach vorn<br />

gelesen! Dies entspricht der traditionellen<br />

japanischen Leserichtung. Doch weshalb<br />

passt man die Leserichtung nicht den europäischen<br />

Gewohnheiten an? «Das wurde<br />

am Anfang versucht», erzählt Kaps.<br />

«Carlsen veröffentlichte damals das deutsche<br />

‹Dragonball› in japanischer, Egmont<br />

das deutsche ‹Sailor Moon› in europäischer<br />

Leserichtung.» Dafür mussten alle<br />

Seiten gespiegelt werden. «Ein Kollege aus<br />

Japan kommentierte dies so: Wir spiegeln<br />

die Mona Lisa ja auch nicht, wenn sie bei<br />

uns ausgestellt wird!» Das Publikum teilte<br />

diese Ansicht, sodass Egmont wieder umstellen<br />

musste. Vielleicht sei es ein bisschen<br />

wie beim Rock’n’Roll, mutmasst<br />

Kaps: Die Kids wollten etwas haben, was<br />

sich den Erwachsenen nicht sofort erschliesst.<br />

Eine aktive Szene<br />

Die <strong>Manga</strong>-Szene zeichnet sich durch eine<br />

äusserst treue und vor allem aktive Leserschaft<br />

aus – auch in künstlerischer Hinsicht.<br />

Kaps: «Damals bei Carlsen waren<br />

wir uns gewohnt, vielleicht einmal im Monat<br />

einen Brief eines Fans zu bekommen.»<br />

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R<br />

R<br />

…<br />

Ich<br />

bin…<br />

Bis zum<br />

nächsten<br />

Mal, Kira...<br />

<strong>Manga</strong>-Glossar<br />

02.08.2006 9:12:11 Uhr<br />

<strong>Manga</strong>: Der Begriff bedeutet im Japanischen<br />

einfach Comic; aus westlicher<br />

Sicht meint er Comics,<br />

die aus Japan stammen.<br />

<strong>Manga</strong>ka: Ein <strong>Manga</strong>-Künstler. In Japan leben<br />

rund 3000 hauptberufliche<br />

<strong>Manga</strong>ka; 90 Prozent von ihnen<br />

sind aber auf Nebenjobs angewiesen,<br />

um ihren Lebensunterhalt<br />

bestreiten zu können.<br />

Shojo: <strong>Manga</strong> für Mädchen.<br />

Shonen: <strong>Manga</strong> für Jungs.<br />

Josei: <strong>Manga</strong> für junge Frauen.<br />

Seinen: <strong>Manga</strong> für junge Männer.<br />

Ein Geheimtipp von<br />

Joachim Kaps, Geschäftsführer<br />

von «Tokyopop»:<br />

Solanin<br />

abgeschlossen in 2 Bänden<br />

Inio Asano<br />

206 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

Tokyopop<br />

«Ein absoluter Geheimtipp ist der Autor<br />

Inio Asano, der eher ältere und auch<br />

erwachsene Leser anspricht. Seine ‹Solanin›-<br />

Reihe handelt vom Alltag japanischer Jugendlicher<br />

in einem düsteren, aber durchaus<br />

zeitgemässen Umfeld und ist auch etwas für<br />

Leser, die sich zu alt fühlen für Teenager-<br />

Vampire und Fantasy-Stories.»<br />

DEATH NOTE © 2003 by Tsugumi Ohba, Takeshi Obata / SHUEISHA Inc.<br />

Dies änderte sich mit «Dragonball»: «Plötzlich<br />

trafen waschkörbeweise Briefe und<br />

nachgezeichnete Figuren und Szenen ein<br />

– wir wussten gar nicht, wie uns geschah<br />

und wie wir damit umgehen sollten!» Ein<br />

Farbtupfer auf jeder Messe oder Convention<br />

sind jeweils die Cosplayer. Was zunächst<br />

nach einem Thema für «50 Shades of<br />

Grey» klingt, ist eigentlich ganz harmlos:<br />

Cosplay ist die Kurzform von Costume Play<br />

und bedeutet nichts anderes, als dass besonders<br />

eifrige Fans versuchen, sich mithilfe<br />

von meist selbst geschneiderten Kostümen<br />

in ihre Lieblingsfiguren zu verwandeln.<br />

«Eine solche Hingabe kenne ich aus keinem<br />

anderen Literaturbereich», sagt Kaps.<br />

Ihre Begeisterung lassen <strong>Manga</strong>-Fans auch<br />

die <strong>Manga</strong>ka – die Zeichner – spüren. Kaps:<br />

«<strong>Manga</strong>ka haben unter den Fans einen<br />

enormen Stellenwert. Das sehen wir jedes<br />

Mal, wenn wir japanische Zeichner zu<br />

deutschen Festivals einladen und die Signierstunden<br />

völlig überlaufen sind.»<br />

Immer mehr Zeichnerinnen<br />

Interessant ist, dass sich, anders als in den<br />

männlich dominierten amerikanischen<br />

und europäischen Comicszenen, weibliche<br />

und männliche <strong>Manga</strong>ka etwa die Waage<br />

halten. Zwar war die <strong>Manga</strong>-Kunst anfangs<br />

ebenfalls eine reine Männerdomäne. Dies<br />

änderte sich jedoch, als die ersten Frauen<br />

Geschichten für Mädchen zeichneten.<br />

Schnell merkten die Leserinnen, dass sich<br />

Zeichnerinnen besser in ihre Gedankenund<br />

Gefühlswelt hineinversetzen konnten<br />

als Zeichner, was schnell zu einem Aufschwung<br />

weiblicher <strong>Manga</strong>ka führte. Kaps:<br />

«Mittlerweile stehen auch hinter so mancher<br />

erfolgreichen Serie für Jungs Zeichnerinnen.»<br />

In Europa steckt die professionelle<br />

<strong>Manga</strong>-Zeichnerei noch in den Kinderschuhen.<br />

«Langsam entwickelt sich aber<br />

etwas», sagt Kaps, «und eine junge Zeichnerin<br />

wie Anna Hollmann hat mittlerweile<br />

auch schon einen beachtlichen Bekanntheitsgrad<br />

erreicht.» Wer nun daran denkt,<br />

vielleicht selbst eine Karriere als <strong>Manga</strong>ka<br />

einzuschlagen, sei jedoch gewarnt: «Einen<br />

200-Seiten-<strong>Manga</strong> zu zeichnen, ist ein Knochenjob,<br />

der weit über das Nachzeichnen<br />

bekannter Figuren hinausgeht!» Zum Vergleich:<br />

Ein Asterix-Band hat 48 Seiten –<br />

und erscheint in einem Rhythmus von rund<br />

drei Jahren ...<br />

Empfehlungen von<br />

Chiara Schäppi<br />

Chiara Schäppi,<br />

21, absolviert in<br />

der Buchhandlung<br />

Stauffacher in Bern<br />

ihre Buchhändler-<br />

Lehre. Das <strong>Manga</strong>-<br />

Fieber wurde bei<br />

ihr durch «Dragonball»<br />

ausgelöst.<br />

«In der Schulbibliothek<br />

war immer ein Gerangel darum,<br />

wer welchen Band ausleihen durfte!», erinnert<br />

sie sich. Ihr absoluter Lieblings-<br />

<strong>Manga</strong> sei aber «Death Note». «Die Geschichte<br />

ist sehr düster und handelt von<br />

einem Highschool-Jungen, der das Buch<br />

eines Todesgotts findet. Wen er dort einträgt,<br />

stirbt, und zwar auf die Weise, die<br />

der Junge bestimmt. Er beginnt, Gott zu<br />

spielen, weil es auf der Welt ja so viele böse<br />

Menschen gibt, die den Tod verdienen.<br />

Schnell merkt er aber, dass die Dinge nicht<br />

so einfach sind, wie er sie gern hätte. Eine<br />

wahnsinnig spannende Story!» In der<br />

Buchhandlung Stauffacher sind die Endlos-Serien<br />

sehr beliebt: die Piratenserie<br />

«One Piece» zum Beispiel oder die Ninja-<br />

Saga «Naruto». Chiara Schäppi: «Beide<br />

Shonen bieten viel Action und Abenteuer.<br />

Ebenfalls ein Renner ist ‹Detektiv Conan›.<br />

Darin geht es allerdings nicht um den Barbaren,<br />

sondern um einen detektivisch veranlagten<br />

Highschool-Jungen, der von einer<br />

Verbrecherorganisation mittels eines<br />

Serums in einen sechsjährigen Jungen mit<br />

dem Wissen eines 17-Jährigen verwandelt<br />

wird.» Für die weibliche Leserschaft ab<br />

etwa 15 Jahren empfiehlt Chiara Schäppi<br />

«Nah bei dir». «Dieser <strong>Manga</strong> behandelt<br />

alle Themen, die Mädchen im Teenageralter<br />

beschäftigen: die erste Liebe, die Probleme<br />

in der Schule, Schein und Sein und so<br />

weiter.» Und etwas für Erwachsene sei<br />

«Vertraute Fremde» von Jiro Taniguchi.<br />

«Alle seine Geschichten sind sehr ruhig,<br />

ohne viel Action, und sie handeln meist von<br />

alltäglichen Themen. Zeichnerisch gesehen<br />

ist dies so etwas wie ein Crossover<br />

zwischen <strong>Manga</strong> und Graphic Novel. <strong>Manga</strong><br />

wie diese räumen mit dem Vorurteil auf,<br />

dass <strong>Manga</strong> nur etwas für Kinder sind!»<br />

Death Note<br />

abgeschlossen in 12<br />

Bänden<br />

Takeshi Obata /<br />

Tsugumi Ohba<br />

192 bis 208 Seiten<br />

ca. CHF 13.00<br />

Tokyopop<br />

One Piece<br />

bislang 69 Bände<br />

Eiichiro Oda<br />

192 bis 256 Seiten<br />

ca. CHF 10.00<br />

Carlsen<br />

Naruto<br />

bislang 63 Bände<br />

Masashi Kishimoto<br />

192 bis 208 Seiten<br />

ca. CHF 10.00<br />

Carlsen<br />

Detektiv Conan<br />

bislang 79 Bände<br />

Gosho Aoyama<br />

192 Seiten<br />

ca. CHF 12.00<br />

Egmont <strong>Manga</strong><br />

Nah bei dir – Kimi<br />

ni Todoke<br />

bislang 19 Bände<br />

Karuho Shiina<br />

192 Seiten<br />

ca. CHF 13.00<br />

Tokyopop<br />

Vertraute Fremde<br />

Jiro Taniguchi<br />

409 Seiten<br />

CHF 32.90<br />

Carlsen


24 | Spezial – Zu Berge! Books Nr. 1/2014 Spezial – Zu Berge! | 25<br />

Books<br />

Spezial<br />

Zu Berge!<br />

Die Alpen sind Lebensraum, Erholungsgebiet, Wirtschaftsfaktor<br />

– und ein literarisches Thema. Max Frisch<br />

schrieb 1946 in sein Tagebuch: «Die plötzliche Lust<br />

zum Klettern, überhaupt die Gier, den Dingen wieder<br />

näher zu kommen.» Diese Lust packt viele Autorinnen<br />

und Autoren. In unserem Spezial zeigen wir Neues<br />

und neuerschienenes Altes aus der Alpenliteratur.


26 | Spezial – Zu Berge! Books Nr. 1/2014<br />

Spezial – Zu Berge! | 27<br />

immer wieder<br />

atemberaubend<br />

Es gab immer schon gute Gründe<br />

für eine Schweiz-Reise. Jetzt gibt es<br />

1.000 Gründe mehr: Tipps und Ziele<br />

fürs ganze Jahr. Sehenswürdigkeiten<br />

und Events, Shoppingtipps und<br />

Restaurants, Bergwanderungen und<br />

Seen – das Buch führt in die schönsten<br />

Regionen der Alpenrepublik.<br />

Die Tipps wenden sich an Familien<br />

mit Kindern und Urlauber, die aktiv<br />

ihre Zeit gestalten, für Feinschmecker,<br />

die das Typische lieben und Kulturinteressierte.<br />

480 Seiten für Schweiz-<br />

Fans und solche, die es werden wollen.<br />

Eine grosse Leinwand<br />

In der Aufklärung entwickelte sich ein wissenschaftliches und<br />

literarisches Interesse an den Alpen. Seither werden die Berge<br />

bereist und beschrieben – und als Symbol für alle möglichen<br />

Weltanschauungen benutzt.<br />

Benjamin Gygax<br />

Einst waren die Alpen einfach ein Ort, an<br />

dem das Leben hart und gefährlich war.<br />

Und wer in den Bergen lebte, galt damals<br />

als arm und rückständig. Zwar konnten es<br />

einige wenige Bergler mit der Säumerei<br />

und der Milchwirtschaft bis ins 19. Jahrhundert<br />

zu Wohlstand bringen, doch die<br />

meisten führten wirklich ein Leben, das<br />

der allgemeinen Vorstellung entsprach: In<br />

einer bedrohlichen Umwelt kämpften sie<br />

täglich um das Nötigste. Nur wer dazu gezwungen<br />

war, riskierte auch noch Kopf<br />

und Kragen auf Schneefeldern und in Felswänden.<br />

Doch schon im 18. Jahrhundert<br />

erwachte ein neues, nicht wirtschaftlich<br />

begründetes Interesse an der Bergwelt. Mit<br />

der Aufklärung begannen Gelehrte, die<br />

Phänomene aus der belebten und unbelebten<br />

Natur zu beschreiben.<br />

Spezial<br />

zu berge!<br />

Mit Moral und Wissenschaft<br />

Der Berner Universalgelehrte Albrecht von<br />

Haller war von der Bergwelt fasziniert.<br />

Nachdem er sie in einer Reise durchquert<br />

hatte, beschrieb er sie 1729 in seiner Dichtung<br />

«Die Alpen». Als Wissenschaftler seiner<br />

Zeit beschränkte er sich nicht auf die<br />

sachliche Beschreibung von Naturphänomenen,<br />

sondern hielt auch philosophische<br />

und moralische Gedanken fest. Damit lieferte<br />

er der aufkommenden Gebirgsbegeisterung<br />

kräftig Nahrung. Und dieser Begeisterung<br />

verfiel auch sein Neffe: Der Genfer<br />

Naturforscher und Philosoph Horace Bénédict<br />

de Saussure erforschte die Geografie,<br />

Geologie und Botanik der Alpen. 1787 bestieg<br />

er dazu sogar den Mont Blanc. Ab<br />

1779 begann de Saussure, seine Forschung<br />

im vierbändigen Werk «Voyages dans les<br />

Alpes» zu publizieren. Damit erwarb er sich<br />

den Ruf als Begründer der naturwissenschaftlichen<br />

Alpenforschung.<br />

Von den Alpen in die Welt<br />

In ganz Europa stieg die Begeisterung für<br />

die Alpen aber mit der Literatur. Johann<br />

Wolfgang von Goethe brachte die Tell-Sage<br />

aus seinen Reisen durch die Schweiz mit<br />

und machte Friedrich Schiller damit bekannt.<br />

Dieser verarbeitete die Sage zu einem<br />

Stück, das Goethe 1804 als Regisseur<br />

auf die Bühne des Weimarer Hoftheaters<br />

brachte. Zum Ruhm der Schweizer Bergwelt<br />

trug auch Lord Byron viel bei. Nach<br />

einem Skandal übersiedelte er 1816 von<br />

London nach Cologny am Genfersee. Hier<br />

vertrieb er sich mit dem Ehepaar Percy und<br />

Mary Shelley die düsteren Nächte am See<br />

mit grusligen Geschichten – Mary Shelley<br />

erfand dabei die Frankenstein-Erzählung.<br />

Eine vielseitige Kulisse<br />

Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Alpen<br />

endgültig zu einem symbolhaften Ort geworden,<br />

mit dem Autorinnen und Autoren<br />

alles mögliche verbinden konnten. Johanna<br />

Spyri knüpfte an die moralische Verklärung<br />

von Rousseau an, als sie ihre Romanfigur<br />

Heidi 1880 zum Alpöhi nach Maienfeld<br />

schickte. Bei Conan Doyle ging es düsterer<br />

zu. Der Anblick der Reichenbachfälle bei<br />

Meiringen brachte ihn auf die Idee, seinem<br />

Romanhelden Sherlock Holmes ein fulminantes<br />

Ende im Wasserfall zu bereiten. Ein<br />

Kuraufenthalt brachte auch Thomas Mann<br />

auf die Idee, sich der Berge für seine Literatur<br />

zu bedienen. Der Autor begleitete seine<br />

Frau Katia 1912 ins Waldsanatorium in Davos.<br />

Seine Eindrücke verarbeitete er zum<br />

1924 erschienenen Roman «Der Zauberberg».<br />

Die Alpen bieten eben eine riesige<br />

Leinwand, auf die jede Epoche ihre Ängste,<br />

Mythen und Wertvorstellungen projizieren<br />

kann. Deshalb üben sie bis heute<br />

eine grosse Anziehungskraft auf Reisende<br />

aus. Und deshalb überrascht es nicht, dass<br />

Berglandschaften seit ihrer «Entdeckung»<br />

durch die Aufklärer auch eine beliebte Kulisse<br />

für Geschichten abgeben.<br />

Miss Jemimas Journal<br />

Die Engländerin Jemima Morell unterhält uns mit der humorvollen<br />

Beschreibung ihrer Schweizreise. Ihr Reisetagebuch von 1863<br />

bezaubert auch heute noch, weil es uns jene Neugier und Abenteuerlust<br />

vermittelt, die auch uns vor Reisen in die Ferne befällt. Mit<br />

seiner irritierenden Mischung aus Vertrautem und längst Vergangenem<br />

lässt es uns zudem unsere Heimat neu sehen.<br />

Benjamin Gygax<br />

Eine junge Frau unternimmt eine Reise<br />

durch die Schweiz und führt dabei Tagebuch.<br />

Das klingt wenig interessant. Doch<br />

die Neuerscheinung «Miss Jemimas Journal»<br />

ist ein Genuss. Das Tagebuch einer Reise<br />

durch die Alpen von Jemima Morell entstand<br />

vor rund 150 Jahren, ist 1963 auf<br />

Englisch erschienen und liegt jetzt auch auf<br />

Deutsch vor. Seine Verfasserin, Miss Morell,<br />

gehörte zu jener Minderheit in viktorianischer<br />

Zeit, die einerseits über genügend Mittel<br />

für eine Reise verfügte und andererseits<br />

die nötige Abenteuerlust besass, um aus kulturellem<br />

Interesse und zum Vergnügen zu<br />

reisen.<br />

Die Geburt des Pauschaltourismus<br />

Die 31-jährige Tochter eines englischen Pastors<br />

schloss sich 1863 einer achtköpfigen<br />

Reisegruppe von Thomas Cook an und<br />

schrieb damit Geschichte. Denn der Reiseleiter<br />

bot die erste geführte Gruppenreise<br />

durch die Schweiz an und eröffnete damit<br />

das Kapitel des Pauschaltourismus. Thomas<br />

Cook war unter anderem als Gemüsehändler<br />

und Tischler tätig gewesen und wurde<br />

später baptistischer Prediger. Als er für eine<br />

Abstinenzlerveranstaltung 1841 eine günstige<br />

Extrafahrt mit der Eisenbahn organisierte,<br />

erkannte er das Potenzial geführter<br />

Reisen zu Pauschalpreisen. 1846 bot er Reisen<br />

nach Schottland an, 1851 nach London,<br />

1853 nach Dublin und zwei Jahre später<br />

erstmals auf den Kontinent. 1863 organisierte<br />

er die «First Conducted Tour of Switzerland»,<br />

an der eben auch Jemima Morell<br />

teilnahm. Die Rundreise führte vom 25. Juni<br />

bis zum 17. Juli 1863 mit dem Schiff über<br />

den Kanal, mit dem Zug für einen Zwischenhalt<br />

nach Paris und von da nach Genf. Hier<br />

war erst mal Schluss mit der bequemen Eisenbahn.<br />

Denn auch wenn die Schweiz heute<br />

für sich beansprucht, ein Bahn-Land zu<br />

sein – damals gab es nur einige wenige Strecken<br />

durchs Mittelland. Also ging es mit der<br />

Postkutsche, zu Fuss, auf Maultieren und im<br />

Schiff weiter durchs Wallis, hinüber ins Berner<br />

Oberland und dann über Luzern und<br />

Solothurn nach Neuchâtel. Von dort kehrte<br />

die Gruppe in ihre Heimat zurück.<br />

Reisende mit viel Humor und spitzer Feder: Jemima<br />

Morell nahm an der «First Conducted Tour of<br />

Switzerland» von Thomas Cook teil.<br />

Der «Junior United Alpine Club»<br />

Es sind mehrere Dinge, die das rund 150<br />

Seiten schmale Buch so bezaubernd machen.<br />

Miss Jemima Morell unterhält uns<br />

mit Humor und der leisen Ironie, die ihre<br />

Landsleute so schön kultivieren. Das beginnt<br />

schon vor der Abreise: Als Damen<br />

von Welt treibt die Reiseteilnehmerinnen<br />

die Frage nach dem angemessenen Gepäck<br />

um, und Miss Morell hält stolz fest:<br />

«Madame Angeville und Mrs. Winkworth<br />

mögen den Mont Blanc und die Jungfrau<br />

bezwungen haben, die Damen Misses Jemima,<br />

Sarah, Eliza und Mary jedoch haben<br />

die weltumspannend wichtige Gepäckfrage<br />

gelöst und beanspruchen für sich, mit weniger<br />

Bagage in die Alpen gereist zu sein als<br />

je ein Tourist zuvor, und die Hotelportiers<br />

schmeichelten ihnen unwissentlich mit der<br />

süssen Frage: ‹Wo sind Ihre Schachteln?›»<br />

Humor und leisen Spott lässt die Tagebuchschreiberin<br />

auch anklingen, wenn sie ihre<br />

Reisegruppe «Junior United Alpine Club»<br />

tauft. Der Name ist eine Abwandlung des<br />

elitären Londoner «Alpine Club», der sechs<br />

Jahre zuvor als weltweit erster seiner Art<br />

gegründet worden war und bis 1974 keine<br />

Frauen aufnahm. Sie spottet: «Dem Beirat<br />

des J. U. Alpine Club liegt es fern, sich in<br />

ungebührlicher Weise über die Rückständigkeit<br />

anderer Vereine bezüglich der Anpassung<br />

an die jüngsten Neuerungen in der<br />

Kunst des Reisens zu mokieren.» Damit<br />

spielt sie auf die Empfehlung des Vorsitzenden<br />

des Alpine Club an, vorerst noch keine<br />

Knickerbocker auf Europareisen zu tragen,<br />

da die Hosen noch zu wenig bekannt seien.<br />

Ausgelassen ins Unbekannte<br />

Auch wenn Jemima Morells Reisebericht<br />

inzwischen über 150 Jahre alt ist, erkennen<br />

wir uns darin wieder. Der Text strahlt<br />

jene jugendliche Ausgelassenheit und<br />

Abenteuerlust aus, die Reisende auch heute<br />

erfasst: Dieses Gefühl, als wäre alles<br />

möglich und als würde Grosses warten.<br />

Das beginnt schon bei den Reisevorbereitungen:<br />

«Nachdem der Vorsitzende, auf<br />

der Kante eines Reisekoffers sitzend, darum<br />

gebeten hatte, es möge nicht mehr als<br />

die Hälfte der Anwesenden zur selben Zeit<br />

reden, ging der Club zur Tagesordnung<br />

über», spottet die Autorin. Trotz einiger<br />

Strapazen ist die Reisegruppe auch unterwegs<br />

für Spässe zu haben, so zum Beispiel<br />

auf dem Gemmipass bei Leukerbad: «Hier<br />

nahmen uns am 3. Juli 1863 unter brennender<br />

Sonne zwei Mitglieder des Junior<br />

United Alpine Club, die sich einen Vorsprung<br />

verschafft hatten, mit Schneebällen<br />

unter Beschuss und beraubten somit eine<br />

ähnliche Kampagne, die wir als Dank für<br />

vorangegangene Wohltaten für sie geplant<br />

hatten, ihrer Frische.» Die Reisegruppe<br />

war aufgebrochen, vor allem die Natursehenswürdigkeiten<br />

der Schweiz zu bewundern.<br />

Doch besichtigt werden nicht nur<br />

Panoramen, Gletscher und Wasserfälle. Im<br />

französischen Bonneville studiert man die<br />

Bekanntmachungen zu öffentlichen Wahlen,<br />

die am Rathaus angeschlagen sind,<br />

eine Parade einer Wehrpflichtigengruppe<br />

und natürlich die Dorfkirche. In Grindelwald<br />

erkunden die Reisenden auf einem<br />

Spaziergang durch den Friedhof die Gräber<br />

und darauf verzeichnete Todesursachen.<br />

Und zum Abschluss der Reise erstehen<br />

die Gentlemen in Neuchâtel eine Uhr.<br />

Die Dritte Welt in den Alptälern<br />

Vieles kommt uns heute noch bekannt vor,<br />

doch die Engländer bereisten damals ein<br />

ganz anderes Land. Miss Jemima beschreibt<br />

die Armut: «Weil wir gerne ein<br />

Chalet von innen sehen wollen, betreten wir


28 | Spezial – ZU BERGE!<br />

Spezial – ZU BERGE! | 29<br />

eines unter dem Vorwand des Durstes, der<br />

uns aber schnell vergeht, als ein schmutziges<br />

kleines Kind auf ein gesprungenes Fass<br />

mit trübem Arve-Wasser deutet, in dem offenbar<br />

das einzige Trinkgefäss des Hauses<br />

schwimmt, nämlich ein alter fleckiger Topf;<br />

Möbel gibt es keine, die diesen Namen verdient<br />

hätten, nur ein oder zwei kleine Fässer,<br />

ein Hocker und ein abgestützter Tisch,<br />

alles kündet von der bitteren Armut der<br />

Bauern.» Als Ursache für die Armut im Wallis<br />

sieht Jemima Morell «Aberglaube, Unwissenheit<br />

und die unsauberen Gebräuche<br />

der Menschen»; sie würden diese wunderschöne<br />

Gegend zu einer der ärmsten und<br />

melancholischsten in ganz Nordeuropa machen.<br />

Was die Engländer in der Schweiz erleben,<br />

kommt unserer Reiseerfahrung in<br />

anderen Kontinenten nahe: «Wir landeten<br />

in Weggis, und wäre jeder Mann, Junge und<br />

Maultiertreiber, der sich dort auf uns stürzte,<br />

eine Wespe gewesen und jedes Wort ein<br />

Stich, Weggis hätte unsere sterblichen Überreste<br />

aufnehmen müssen.» Auch die fliegenden<br />

Händlerinnen, die während der ganzen<br />

Reise auf der Strasse Kirschen anbieten,<br />

sind ein kleines Ärgernis: «Diese Kirschverkäufer<br />

betrachten uns als ihre legitime Beute<br />

[…] und wenden alle Kunst und Kniffe auf,<br />

um uns zu Käufern zu machen.»<br />

Die Essenz des Reisens<br />

Miss Jemimas Journal beschreibt in vielem<br />

die Essenz des Reisens: die Vorfreude, die<br />

Neugier, das Unterwegs-Sein. In einem Fazit<br />

beschreibt sie, wie die Eindrücke während<br />

der Reise die Welt ihrer Gedanken<br />

und Gefühle erweitert hätten. Diese Erfahrungen<br />

hätten sie «für alle Anstrengungen<br />

und unvermeidlichen Unannehmlichkeiten,<br />

die zum Reisen in einem fremden Land dazugehören,<br />

überreich entschädigt.» Diese<br />

Zusammenfassung klingt zwar etwas pathetisch,<br />

doch wenn Miss Morell die Gefahren<br />

der Reise beschreibt, findet sie zur Ironie<br />

zurück: «Die Gefahren der Alpentouristik<br />

lassen sich in zwei Kategorien unterteilen,<br />

die realen und die imaginierten, und im<br />

Rückblick sollte sich erweisen, dass die unseren<br />

allesamt zu letzteren zählten.»<br />

Miss Jemimas Journal<br />

Jemima Morell<br />

150 Seiten<br />

CHF 25.90<br />

Rogner & Bernhard<br />

Neuerscheinungen: Von Bergen, Enten und Kühen<br />

Die Ducks in den Alpen<br />

Jan Gulbransson<br />

56 Seiten<br />

CHF 18.90<br />

Egmont Ehapa<br />

Miss Jemimas Reisegruppe bewältigte Distanzen von<br />

bis zu 40 Kilometern zu Fuss. So lange müssen die<br />

Protagonisten einer anderen Neuerscheinung gar<br />

nicht unterwegs sein, um Plattfüsse zu bekommen.<br />

Donald Duck und seine Verwandten jagen durch<br />

die Alpen, um den Nachfahren eines Elefanten von<br />

Hannibal zu suchen: «Die Ducks in den Alpen» heisst<br />

ein informatives Abenteuer des deutschen Zeichners<br />

Jan Gulbransson.<br />

Wandern und Geniessen in<br />

den Schweizer Alpen<br />

Heinz Staffelbach<br />

192 Seiten<br />

CHF 39.90<br />

AT<br />

Wer selbst eine Reise in die Berge plant, kann sich<br />

über eine Neuerscheinung aus dem AT-Verlag<br />

freuen: «Wandern und Geniessen in den Schweizer<br />

Alpen» heisst der Führer von Heinz Staffelbach.<br />

Nach Regionen geordnet, hat der Autor und<br />

Fotograf Anregungen für 45 Wochenendtouren<br />

zusammengestellt. Die Touren sind ausführlich<br />

beschrieben, auf einer Übersichtskarte eingezeichnet,<br />

mit Tipps für Übernachtungen ergänzt und mit<br />

schönen Fotos gut angepriesen.<br />

Kuhle Schweizer – Swiss<br />

Stars<br />

Sonja Lacher<br />

128 Seiten<br />

CHF 49.90<br />

AS<br />

Was wäre eine Bergwanderung ohne einen kurzen<br />

Halt auf der Weide und dem Kratzen einer rauen<br />

Kuhzunge auf dem verschwitzten Arm? Das vertraute<br />

Tier hat die Fotografin Sonja Lacher in ihrem<br />

Buch «Kuhle Schweizer» ins beste Licht gerückt.<br />

Die Neuerscheinung mit dem nicht ganz so coolen<br />

Titel zeigt schwarz-weisse Fotografien von Kühen<br />

verschiedenster Rassen. Sonja Lacher zeichnet ein<br />

stimmungsvolles Bild des Tiers in seiner natürlichen<br />

Umgebung. Sparsame Texte vermitteln einige Fakten<br />

zum Leben der Tiere und ihrer Bedeutung<br />

in der Landwirtschaft.<br />

Die Schweizer Kuh<br />

Marc Valance<br />

211 Seiten<br />

CHF 64.90<br />

hier+jetzt<br />

Von einer ganz anderen Seite nähert sich Autor<br />

Marc Valance dem Thema. Für sein 2013 erschienenes<br />

Buch «Die Schweizer Kuh» interessiert ihn das<br />

Tier als Nationalikone und Symbol in der Politik,<br />

Werbung und im Sport. Der Band versammelt teils<br />

altvertraute und teils überraschende Bilder von<br />

Kühen.<br />

Alpenmärchen<br />

Eva-Maria Wilhelm<br />

128 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Fona<br />

Die Alpen zeigen sich von ihrer märchenhaften<br />

Seite in einer Neuerscheinung des Fona-Verlags: Für<br />

«Alpenmärchen» hat Eva-Maria Wilhelm Märchen<br />

und Sagen aus dem Alpenraum und speziell aus der<br />

Schweiz gesammelt und nach Themen geordnet. Es<br />

gibt Geschichten über die Tiere der Bergwelt, alle<br />

möglichen Fabelwesen oder einfach über Melker<br />

und Sennerinnen. Die einprägsamen Illustrationen<br />

stammen von der Berner Grafikerin Karin Widmer.<br />

Gipfel – Col – Valle<br />

Franz Hohler<br />

Noëlle Revaz<br />

Giovanni Orelli<br />

180 Seiten<br />

CHF 24.90<br />

Limmat<br />

Spezial<br />

zu berge!<br />

Ein sehr schweizerisches Buch ist soeben im<br />

Limmat-Verlag erschienen – wie schweizerisch es<br />

ist, verdeutlicht bereits der Titel: «Gipfel – Col –<br />

Valle» heisst es in guter mehrsprachiger Tradition.<br />

Die Westschweizer Schriftstellerin Noëlle<br />

Revaz, der Deutschschweizer Franz Hohler und<br />

der Tessiner Autor Giovanni Orelli haben dafür<br />

Texte zusammengetragen, die im Magazin «Echo»<br />

erschienen sind. Sie handeln alle von den Bergen<br />

oder vom Unterwegs-Sein zu Fuss, werfen aber<br />

sehr unterschiedliche Schlaglichter auf verschiedene<br />

Landschaften, Unternehmungen und Themen.<br />

Bild: Marco Volken<br />

«Dem<br />

Gefängnis<br />

entrinnen»<br />

Emil Zopfi klettert und schreibt<br />

seit vielen Jahren. In seinem<br />

Buch «Dichter am Berg» stellt er<br />

22 Autorinnen und Autoren vor,<br />

die über die Berge schrieben.<br />

Benjamin Gygax<br />

Emil Zopfi, geboren 1943, studierte Elektrotechnik<br />

und veröffentlichte 1977 seinen ersten Roman.<br />

Er lebt als freischaffender Schriftsteller in Zürich<br />

und ist passionierter Sportkletterer.<br />

«Books»: Wie sind Sie zum Alpinismus<br />

gekommen?<br />

Emil Zopfi: Ich war schon als Junger ein<br />

Extremkletterer; das war meine Initiation<br />

und mein Ausbruch. Ich hatte eine beengte,<br />

schwere Jugend – ich verlor meine<br />

Mutter im Alter von 8 Jahren, fand keine<br />

Lehrstelle. Und dann die Berge! Doch damals<br />

konnte man im Winter nicht klettern,<br />

denn es gab noch keine Kletterhallen. In<br />

dieser Jahreszeit hatte ich unglaublich<br />

zu leiden, das Klettern hatte mich süchtig<br />

gemacht. Bald merkte ich aber: Wenn ich<br />

die Touren im Kopf nachvollziehe und alles<br />

aufschreibe, kann ich sie noch einmal<br />

erleben und meine Entzugserscheinungen<br />

mildern. So begann ich zu publizieren,<br />

erst in den Blättern des Alpen-Clubs und<br />

alpinen Zeitschriften. «Die Wand der Sila»<br />

war 1986 mein erster Kletterroman.<br />

Was hat Sie dazu bewegt, die 22 Porträts<br />

von Schweizer Autorinnen und<br />

Autoren zusammenzustellen?<br />

Ich organisiere alle zwei Jahre einen Tag<br />

für alpine Literatur, die «Bergfahrt» in<br />

Amden. Das begann 2004 zum hundertsten<br />

Geburtstag von Ludwig Hohl. Dessen<br />

Erzählung «Bergfahrt» ist der grosse<br />

Klassiker der Schweizer Alpinliteratur.<br />

Zwei Jahre später nahmen wir uns Max<br />

Frisch vor, danach Hans Morgenthler.<br />

Dieses Jahr geht es unter anderem um<br />

Franz Hohler. So bin ich ins Thema<br />

gerutscht. Irgendwann spürte ich, dass<br />

ich es in einem Buch vertiefen möchte.<br />

Es stellt markante Bergautoren des 20.<br />

Jahrhunderts vor, darunter auch jüngere<br />

wie Roland Heer und Oswald Oelz. Frauen<br />

zu finden war ein wichtiges Anliegen –<br />

und Ella Maillard war dann eine grosse<br />

Entdeckung.<br />

Haben Sie etwas gefunden, das die so<br />

verschiedenen Autorinnen und Autoren<br />

verbindet?<br />

Als Antwort kann ich Ludwig Hohl zitieren.<br />

In seiner Erzählung «Bergfahrt» stellt<br />

der Protagonist die Frage: «Warum steigt<br />

ihr auf Berge?» Die Antwort fällt ihm<br />

in einer ausweglosen Situation in einer<br />

Felswand ein: «Um dem Gefängnis zu entrinnen.»<br />

Ich glaube, dies verbindet alle:<br />

Man will ausbrechen aus einer Enge, sei<br />

sie nun familiär wie bei Hohl, sozial wie<br />

bei Lorenz Saladin oder wie beim Walliser<br />

Maurice Chappaz: Dieser beschreibt sehr<br />

schön, wie er Sehnsucht nach dem Meer<br />

hatte und dann die Gletscherwelt als<br />

«Meer vor meiner Haustüre» entdeckte.<br />

Das ist wohl die Essenz: die Suche nach<br />

etwas Befreiendem. Deshalb geht man<br />

auch Risiken ein. Einen Ausbruch gibt es<br />

nicht ohne Risiko.<br />

Wann begann das literarische Interesse<br />

an den Alpen?<br />

Wenn im 19. Jahrhundert jemand einen<br />

Berg erstmals bestieg, schrieb er ein Buch<br />

darüber. Es gibt viele Bücher von Alpenpionieren,<br />

die einerseits Forschungsberichte<br />

sind, aber auch eine literarische<br />

Qualität besitzen: etwa der Bericht von<br />

Johannes Hegetschweiler über den Tödi<br />

oder jener von Goethe über seine Furka-<br />

Wanderung. Später sind stärker literarisch<br />

motivierte Werke entstanden. Hans<br />

Morgenthalers «Ihr Berge» von 1916 ist<br />

sicher ein Markstein. Spannend ist auch<br />

Christian Klucker, der um 1900 als Bergführer<br />

tätig war. Damals ging die Zeit der<br />

Führer als Begleiter der Alpenpioniere zu<br />

Ende, denn die Pioniere kletterten immer<br />

besser und brauchten keine Helfer mehr.<br />

Klucker merkte, dass er schreiben musste,<br />

um für seine hervorragenden Leistungen<br />

im Bergell gewürdigt zu werden. Er hat<br />

sich sein Buch «Erinnerungen eines Bergführers»<br />

unter Schmerzen abgerungen<br />

und schuf sich so ein Denkmal.<br />

Wieso wurden ausgerechnet die Alpen<br />

zu einem kraftvollen Symbol – auch in<br />

der Literatur?<br />

Es gibt sicher auch literarische Werke<br />

über den Bodensee. Aber die Alpen haben<br />

in der Schweiz eine besondere Bedeutung,<br />

weil man sie von überall her sieht. Schon<br />

Jakob Stutz beschreibt im 19. Jahrhundert,<br />

wie er als Knabe vom Zürcher Oberland<br />

aus die Alpen sieht und sich vorstellt:<br />

Er möchte ein Vogel sein und über die<br />

Berge nach Mailand fliegen. Die Alpen<br />

sind eben auch Barrieren, die es zu überwinden<br />

gilt. In den 1980er-Jahren forderte<br />

die Jugendbewegung «Freie Sicht aufs<br />

Mittelmeer». Die Alpen verstellen uns den<br />

Weg ins «Land, wo die Zitronen blühn».<br />

Während des 20. Jahrhunderts entwickelten<br />

sich die Alpen auch zum<br />

Inbegriff der Schweizer Identität und<br />

Selbstbehauptung. Autoren wie Max<br />

Frisch, Friedrich Dürrenmatt oder Paul<br />

Nizon schrieben gegen das Gefühl der<br />

Enge an. Haben sie unser Verhältnis zu<br />

den Alpen verändert?<br />

In dieser literarischen Tradition gerieten<br />

Berge in Verruf als Hort des konservativen<br />

Schweiz-Bildes mit Réduit und Rütli. Ich<br />

empfinde es so, dass die alpine Literatur<br />

immer noch von gewissen Kreisen abgelehnt<br />

wird. Auch ich werde von vielen als<br />

«Alpenheini» angesehen. Doch die alpine<br />

Literatur ist oft auch eine urbane Literatur,<br />

auch die Erschliessung der Alpen<br />

erfolgte aus dem Unterland durch Städter.<br />

Man kann die alpine Welt als Spiegel der<br />

urbanen betrachten.<br />

Welche Entwicklungen sehen Sie für die<br />

Bergliteratur in Zukunft?<br />

Im Alpinismus hat sich viel verändert,<br />

und die Alpen-Club-Hütten haben ihre<br />

ursprüngliche Funktion als Schutzhütten<br />

verloren. Heute kommen viele Wanderer<br />

und Familien. Man isst gut, es gibt<br />

Lesungen, Bergtheater oder Kunst in der<br />

Landschaft. Es ist für mich spannend zu<br />

verfolgen, wie die Alpen heute selber zu<br />

einem Kulturraum werden.<br />

Dichter am Berg<br />

Emil Zopfi<br />

376 Seiten<br />

CHF 39.90<br />

AS


30 | Buchtipps Books Nr. 2/2014 BUCHtipps | 31<br />

FRANZ HOHLER<br />

Immer höher<br />

RUTH MICHEL-RICHTER,<br />

KONRAD RICHTER<br />

Wandern wie<br />

gemalt –<br />

Graubünden<br />

GABRIELLE ALIOTH<br />

Ausgewandert<br />

THOMAS RICKENMANN<br />

z‘Alp<br />

Alain Ducasse<br />

Nature<br />

Akira Himekawa<br />

The Legend of<br />

Zelda – Hyrule<br />

Historia<br />

JENNI FAGAN<br />

Das Mädchen<br />

mit dem<br />

Haifischherz<br />

HARRY SCHEFFER<br />

Fussballgötter<br />

Franz Hohler wandert, geht und klettert<br />

schon lange mit Leidenschaft –<br />

nun hat er darüber geschrieben. Von<br />

einem Gipfel nur wenige hundert<br />

Meter über Meer führt Hohler die<br />

Leserinnen und Leser in seinen Erlebnisberichten<br />

immer höher auf Vierund<br />

auch einen Fünftausender.<br />

Aber da gibt es keine Dramen am<br />

Berg, keine spektakulären Rettungsaktionen<br />

– nur «ganz gewöhnliche<br />

Bergtouren». Es handelt sich hier also<br />

keineswegs um ein klassisches Stück<br />

reisserischer Bergliteratur, aber die<br />

Touren sind so hautnah geschildert,<br />

dass man sich wünscht, man wäre<br />

selbst dabei gewesen. Und Franz<br />

Hohler wäre nicht Franz Hohler,<br />

würde sich in die Bergromantik nicht<br />

auch handfeste Kritik mischen.<br />

Die Berge waren schon immer ein<br />

beliebtes Motiv für Künstlerinnen<br />

und Künstler. Mit diesem Buch wird<br />

die künstlerische <strong>Faszination</strong> der<br />

Bündner Alpen hautnah erlebbar.<br />

14 Wanderungen führen zu den<br />

Standorten bekannter und weniger<br />

bekannter Gemälde, Skizzen, Stiche<br />

und Tourismusplakate. Angepeilt<br />

werden die Vorlagen für Werke von<br />

Giovanni Segantini, Alois Carigiet, den<br />

drei Giacometti und vielen mehr. Den<br />

historischen Gemälden gegenüber<br />

stehen aktuelle Fotografien der<br />

Motive.<br />

Das Buch spricht Wanderer und<br />

Kunstliebhaber gleichermassen an.<br />

Entlang der abwechslungsreichen<br />

Wanderrouten werden die Künstler<br />

vorgestellt, ihre Beziehung zum Kanton<br />

Graubünden und ihre Bedeutung<br />

in der Kunstentwicklung ihrer Zeit<br />

beschrieben.<br />

Gegenwärtig diskutiert die Schweiz<br />

heiss über die Einwanderung. Dabei<br />

war die Schweiz bis vor dem Zweiten<br />

Weltkrieg noch ein Auswandererland.<br />

Viele flüchteten vor der Armut, die<br />

weite Teile des Landes im Griff hatte.<br />

Über diese heute etwas in Vergessenheit<br />

geratene lange Periode der<br />

Auswanderung berichtet Gabrielle<br />

Alioth.<br />

Die Autorin, die selber vor 30 Jahren<br />

nach Irland auswanderte, beschreibt<br />

das Schicksal von Erneuerern, von<br />

denen heute kaum mehr jemand<br />

weiss, dass sie einst aus der kleinen<br />

Schweiz in die grosse Welt zogen.<br />

Alioth erzählt aber auch von denen,<br />

die in dieser grossen Welt krank<br />

wurden vor Heimweh, die als Erfinder<br />

brillierten und weggingen, weil ihnen<br />

die Schweiz zu eng war.<br />

Der Alpaufzug ist wohl für die meisten<br />

Schweizer Bergbauern das grösste und<br />

aufregendste Ereignis des Jahres. Doch<br />

das Ritual ist nicht einfach nur schöne<br />

Tradition, sondern harte Arbeit. Das<br />

zeigt «z’Alp» eindrücklich. Dokumentarfilmer<br />

Thomas Rickenmann hat dafür<br />

drei Bauernfamilien auf der jährlichen<br />

Wanderung ins Sommerdomizil<br />

begleitet.<br />

Schon allein die Bilder der imposanten<br />

Berglandschaft des Alpsteins, der<br />

Schwyzer Voralpen und der Engstligenalp<br />

im Berner Oberland rechtfertigen<br />

den Kauf der DVD. Mit seinem<br />

Film gelingt Dokumentarfilmer Thomas<br />

Rickenmann aber auch ein tiefer<br />

Einblick in die Tradition des Alpaufzugs<br />

– eine Tradition, die in allen drei<br />

gezeigten Regionen der Schweiz anders<br />

gelebt wird.<br />

Alain Ducasse ist nicht irgendein<br />

Spitzenkoch – sondern der weltweit<br />

einzige Koch, der mit gleich dreimal<br />

drei Michelin-Sternen ausgezeichnet<br />

wurde. Er gilt heute als einer der<br />

grössten Meister am Herd.<br />

Und Alain Ducasse ist auch ein Mann<br />

mit einer Mission. «Als Spitzenkoch<br />

sehe ich es als meine Aufgabe an, all<br />

die ursprünglichen Aromen der Natur<br />

wieder aufzuspüren, denn schliesslich<br />

verdanken wir einer gesunden<br />

Ernährung einen Grossteil unserer<br />

Lebensqualität», sagt er. In seinem<br />

neuen Kochbuch zeigt er, wie man<br />

mit Gemüse, Getreide und Obst raffinierte<br />

Rezepte auf den Tisch zaubert,<br />

und er ergänzt seine Rezepte mit<br />

Kommentaren zu gesundheitlichen<br />

und kulinarischen Besonderheiten.<br />

1986 erblickte Link das flackernde<br />

Licht der Gamekonsolenwelt. Der<br />

kleine, grün gewandete Videospielheld<br />

machte sich auf der Nintendo-<br />

Konsole NES zum ersten Mal auf<br />

den Weg, Prinzessin Zelda zu retten.<br />

Mittlerweile gilt das Spiel mit seinen<br />

zahlreichen Fortsetzungen und<br />

insgesamt über 60 Millionen verkauften<br />

Einheiten als die erfolgreichste<br />

Action-Adventure-Reihe überhaupt.<br />

Zum 25. Geburtstag des Game-<br />

Klassikers erschien ein Artbook, das<br />

nun seit kurzem auch auf Deutsch<br />

erhältlich ist. Darin werden alle<br />

Bewohner des Königreichs Hyrule<br />

vorgestellt und die Hintergründe zur<br />

Entstehungsgeschichte des Spiels aufgezeigt.<br />

Definitiv zum Must-have für<br />

jeden Zelda-Fan wird das Buch durch<br />

eine brandneue <strong>Manga</strong>-Geschichte<br />

über die Abenteuer von Link.<br />

Die 15-jährige Anais Hendricks sitzt<br />

mit blutverschmierter Schuluniform auf<br />

dem Rücksitz eines Polizeiautos. Sie<br />

ist auf dem Weg ins Panoptikum, eine<br />

Besserungsanstalt für schwer erziehbare<br />

Jugendliche. Und das wegen einer<br />

Tat, an die sie sich nicht erinnern kann.<br />

Für Anais ist das Panoptikum die letzte<br />

Station einer langen Odyssee durchs<br />

Sozialsystem; es ist aber auch der Ort,<br />

wo sie in den anderen Jugendlichen fast<br />

so etwas wie eine Familie findet.<br />

Die schottische Schriftstellerin Jenni<br />

Fagan beschreibt in ihrem Debütroman<br />

eine Gesellschaft, die Problemjugendliche<br />

einfach wegsperrt. Sie sicherte sich<br />

damit einen Platz auf der Liste der 20<br />

besten englischsprachigen Autorinnen<br />

und Autoren unter 40.<br />

«Das Runde gehört ins Eckige» – das<br />

stimmt, aber im Profifussball geht es<br />

noch um viel mehr. Das zeigt Harry<br />

Scheffer in diesem Insiderreport aus<br />

der Welt des Spitzenfussballs auf<br />

eindrückliche Weise. Der Autor analysiert<br />

die Erfolgsrezepte von Spielern,<br />

Klubs und Trainern und zeichnet dabei<br />

ein kritisches Bild der Branche und<br />

ihren Auswüchsen.<br />

Die dafür nötigen Insiderkenntnisse<br />

erworben hat sich Harry Scheffer<br />

in einer jahrelangen Tätigkeit als<br />

aktiver Fussballer, Jugendtrainer und<br />

Spielervermittler. Er ist heute einer<br />

der am besten vernetzten Förderer<br />

der internationalen Fussballwelt. Für<br />

sein Buch hat er mit Top-Trainern wie<br />

Arsène Wenger oder Pep Guardiola<br />

diskutiert, und er lässt auch Spitzenspieler<br />

zu Wort kommen.<br />

160 Seiten<br />

400 Seiten<br />

192 Seiten<br />

DVD<br />

400 Seiten<br />

274 Seiten<br />

330 Seiten<br />

223 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

CHF 43.90<br />

CHF 37.90<br />

98 min<br />

CHF 39.90<br />

CHF 41.90<br />

CHF 28.90<br />

CHF 29.90<br />

AS<br />

Rotpunktverlag<br />

FONA<br />

CHF 26.90<br />

FONA<br />

Tokyopop<br />

Antje Kunstmann<br />

Orell Füssli<br />

ISBN 978-3-906055-19-0<br />

ISBN 978-3-85869-594-9<br />

ISBN 978-3-03781-059-0<br />

EAN 0610696667984<br />

ISBN 978-3-03780-475-9<br />

ISBN 978-3-8420-0859-5<br />

ISBN 978-3-88897-925-5<br />

ISBN 978-3-280-05526-7


32 | Kaffeepause Books Nr. 2/2014 Kaffeepause | 33<br />

Heilige Mörderin<br />

Keigo Higashino<br />

315 Seiten<br />

CHF 28.90<br />

Klett-Cotta<br />

Das Krokodil<br />

Maurizio de Giovanni<br />

333 Seiten<br />

CHF 29.90<br />

Kindler<br />

Reiner Wein<br />

Martin Walker<br />

432 Seiten<br />

CHF 33.90<br />

Diogenes<br />

Die Debatte<br />

Was machen Buchhändler in der Kaffeepause? Sie plaudern<br />

über Neuerscheinungen. Zum Beispiel im Bagels im St. Galler<br />

Rösslitor, der grössten Buchhandlung der Ostschweiz. Books<br />

hat sich dort zu Bettina Zeidler und Dario Widmer gesetzt.<br />

Marius Leutenegger<br />

Books: In unserer heutigen Debatte<br />

sprechen wir über drei Krimis. Ihr habt<br />

je eine Empfehlung mitgebracht, dann<br />

schauen wir uns auch noch einen soeben<br />

erschienen Bestseller an. Dario, fass<br />

bitte deine Empfehlung zusammen.<br />

Dario Widmer (DW): «Heilige Mörderin»<br />

von Keigo Higashino spielt in Japan und<br />

beginnt mit einem Ehekrach: Ein Paar hat<br />

vereinbart, sich zu trennen, sollte die Frau<br />

nicht innerhalb einer Frist schwanger<br />

werden. Diese Frist ist nun abgelaufen,<br />

und der Mann eröffnet seiner Frau, sie zu<br />

verlassen. Was er nicht weiss, wir aber<br />

sofort erfahren: Die Frau hat beschlossen,<br />

ihren Mann mit Arsen umzubringen. Zwei<br />

Tage später wird der Mann tatsächlich<br />

vergiftet aufgefunden. Die Witwe hat ein<br />

wasserdichtes Alibi: Sie war zur Zeit, als<br />

der Mann das tödliche Gift einnahm, weit<br />

weg in den Ferien. Der Fall geht an Inspektor<br />

Kusanagi. Ihm sind wir bereits im<br />

Roman «Verdächtige Geliebte» begegnet,<br />

diesmal wird er von einer Assistentin<br />

begleitet.<br />

Bettina Zeidler (BZ): Diese Utsumi finde<br />

ich eine spannende Figur. Sie benimmt<br />

sich eigentlich sehr unjapanisch, stellt<br />

ständig alles in Frage und fordert ihren<br />

Chef immer wieder heraus.<br />

DW: Genau! Sie steht auch den Theorien<br />

von Kusanagi kritisch gegenüber. Dieser<br />

findet nämlich heraus, dass der vergiftete<br />

Ehemann ein Verhältnis mit der Freundin<br />

seiner Frau hatte. Die Geliebte war die<br />

Letzte, die den Mann noch lebend sah, und<br />

für Kusanagi ist klar, dass sie die Mörderin<br />

ist. Doch Utsumi bleibt skeptisch. Schliesslich<br />

holt sie Professor Yukawa ins Team,<br />

einen unsympathischen Naturwissenschaftler,<br />

der schon früher mit Kusanagi<br />

zusammengearbeitet hat.<br />

BZ: Und dieser Professor bringt dann eine<br />

völlig neue Perspektive in die Ermittlungen.<br />

Ganz allmählich zieht sich die Schlinge<br />

um die Ehefrau zusammen.<br />

Das heisst, bei diesem Krimi handelt es<br />

sich nicht um einen klassischen «Whodunit»<br />

im Stil von Agatha Christie, bei<br />

dem es darum geht, wer der Mörder ist<br />

– sondern eher um Suspense im Sinne<br />

Hitchcocks: Die Spannung ergibt sich<br />

daraus, dass wir mehr wissen als die<br />

Protagonisten der Geschichte?<br />

DW: Ja, Keigo Higashino arbeitet in seinen<br />

Krimis immer so: Wir wissen, wer der<br />

Mörder oder die Mörderin ist, doch die<br />

Polizei tappt im Dunkeln.<br />

BZ: Das tut sie hier ja auch nicht von<br />

ungefähr. Nach und nach erfahren wir<br />

nämlich, wie unglaublich raffiniert der<br />

Plan war, den die Ehefrau ausheckte. Sie<br />

hat den perfekten Mord verübt und ein<br />

volles Jahr auf ihr Ziel hingearbeitet.<br />

Aber ist das denn spannend?<br />

DW: Ungeheuer: Wir wissen ja nicht alles<br />

und wollen ebenfalls unbedingt erfahren,<br />

wie die Frau den Mord plante. Es ist faszinierend<br />

zu sehen, mit welcher Selbstsicherheit<br />

sie der Polizei gegenübertritt.<br />

Sie muss sich nicht fürchten, überführt zu<br />

werden.<br />

BZ: Mir gefiel die Konsequenz, wie diese<br />

hochintelligente Frau einen Mord durchzieht,<br />

wie sie ständig kleine Puzzlestücke<br />

zu ihrem Alibi hinzugefügt hat. Ich finde,<br />

Higashino hat das alles genial konstruiert.<br />

Was ist eigentlich heilig an dieser<br />

Mörderin?<br />

BZ: Gemeint ist wohl «scheinheilig», weil<br />

sie so gut schauspielert – aber das klingt<br />

weniger gut.<br />

Dario, warum hast du diesen Titel für<br />

unsere Debatte ausgewählt?<br />

DW: Ich las schon das erste Buch von<br />

Higashino, das auf Deutsch erschien –<br />

«Verdächtige Geliebte» –, und war davon<br />

fasziniert. Higashinos Krimis sind nicht<br />

nur intelligent, sondern auch sehr atmosphärisch.<br />

Es gibt heute ja viele Krimis,<br />

die an einem bestimmten Ort spielen, in<br />

vielen Fällen erscheint mir das Lokale aber<br />

eher als austauschbare Kulisse. «Heilige<br />

Mörderin» ist hingegen durchdrungen von<br />

Japan. Mittlerweile gibt es drei Romane<br />

um Inspektor Kusanagi, und es wird wohl<br />

noch einer übersetzt werden.<br />

BZ: Das hoffe ich doch! «Heilige Mörderin»<br />

ist einfach gut. Ich würde ja gern etwas Negatives<br />

sagen, aber es gibt wirklich nichts<br />

zu mäkeln: guter Plot, gute Figuren, gute<br />

Atmosphäre.<br />

Ich nehme an, auch am nächsten Buch,<br />

über das wir reden, hast du wenig auszusetzen:<br />

«Das Krokodil» von Maurizio de<br />

Giovanni ist deine Empfehlung.<br />

BZ: Obwohl ich eher ein Kind des Nordens<br />

bin und mich dieser italienische Krimi auf<br />

den ersten Blick nicht sehr interessierte.<br />

Aber er gefiel mir dann wahnsinnig gut.<br />

Nach dem Lesen der letzten Seite konnte<br />

ich zuerst einmal eine Minute lang überhaupt<br />

nichts sagen, denn am Ende kommt<br />

es zu einem Showdown, der mich sehr<br />

berührte.<br />

Fang doch bitte am Anfang an.<br />

BZ: Im ersten Kapitel fährt der Tod in<br />

Neapel ein. Ein Mann steigt am Bahnhof<br />

aus dem Zug, und wir wissen, dass er<br />

Morde verüben will. Sein Gegenspieler ist<br />

Kommissar Giuseppe Lojacono. Er wurde<br />

von Sizilien nach Neapel strafversetzt, weil<br />

er der Mafia vertrauliche Informationen<br />

weitergegeben haben soll. Seit dieser Affäre<br />

liegt auch Lojaconos private Situation im<br />

Argen, denn seine Frau und seine Tochter<br />

haben sich von ihm abgewandt. Dann werden<br />

nacheinander drei junge Menschen<br />

getötet. Nach dem ersten Mord an einem<br />

Drogendealer fällt der Verdacht auf die<br />

Camorra, doch die folgenden Opfer haben<br />

mit der Camorra sicher nichts zu tun.<br />

DW: Es gibt mehrere Erzählstränge, die<br />

sich immer stärker verdichten. Es geht um<br />

den Kommissar, um die drei jungen Menschen<br />

– und um den Mörder. Jedes Kapitel,<br />

in dem er im Mittelpunkt steht, wird mit<br />

einem Brief an seine Geliebte eröffnet.<br />

BZ: Mit der Zeit erfahren wir immer mehr<br />

über seine Gründe für die Morde. Und es<br />

sind Gründe, die sein Verhalten ein wenig<br />

nachvollziehbarer machen.<br />

Was ist mit dem titelgebenden Krokodil<br />

gemeint?<br />

DW: Ein Krokodil hat, so erfährt man, eine<br />

besondere Jagdtechnik: Es beobachtet sein<br />

Opfer in der Regel sehr genau, und es muss<br />

sehr geduldig sein, bis es endlich schnell<br />

zuschlagen kann – dann nämlich, wenn<br />

sich das Opfer in Sicherheit wiegt und sich<br />

dem Wasser nähert. So verhält sich auch<br />

der Mörder: Er beobachtet seine Opfer<br />

sehr genau, und es muss alles stimmen,<br />

damit er zuschlagen kann. Denn er hat<br />

eine sehr alte Waffe, die ihn zwingt, ganz<br />

nah an die Opfer heranzukommen.<br />

Wie geht die Geschichte weiter?<br />

BZ: Lojacono erkennt durch einen Tipp von<br />

aussen, dass es dem Mörder eigentlich gar<br />

nicht um die jungen Leute geht – sondern<br />

um deren Eltern. Aber wir wollen nicht zu<br />

viel verraten. Jedenfalls wird die Sache von<br />

Kapitel zu Kapitel klarer, aber auch dramatischer,<br />

bis zum erwähnten Showdown,<br />

der einem wirklich den Atem raubt. Ich<br />

bekam da kaum noch den Mund zu. Dieses<br />

Buch las ich an einem Sonntagnachmittag<br />

in einem Stück, und ich glaube, das muss<br />

man auch tun, um diesen Effekt zu haben.<br />

Man muss sich richtig hineingeben – und<br />

dann ist die Sache genial.<br />

Dario, wie fandest du das Buch?<br />

DW: Eigentlich lese ich keine Krimis, und<br />

als ich «Das Krokodil» aufschlug, dachte<br />

ich: Ach nein, dieser Einstieg mit dem Tod,<br />

der in Neapel einfährt, ist so platt und konstruiert!<br />

Aber ich erkannte dann schnell,<br />

dass dieses Buch unglaublich gut geschrieben<br />

und extrem spannend ist.<br />

BZ: Und es ist auch sehr, sehr dramatisch.<br />

Mir können Bücher manchmal gar nicht<br />

brutal genug sein, ich liebe die sogenannten<br />

Schlachtplatten, aber dieser Schluss<br />

hier ging mir wirklich nahe.<br />

DW: Das ist jedenfalls ein richtig böser<br />

italienischer Krimi, wie ich noch nie einen<br />

gelesen habe.<br />

Während der «Krokodil»-Autor Maurizio<br />

de Giovanni noch kaum bekannt ist,<br />

gehört Martin Walker zu den Bestsellern:<br />

Seine Figur Bruno, Chef de police im<br />

französischen Périgord, hat eine riesige<br />

Fangemeinde. Jetzt ist der sechste Bruno-Roman<br />

erschienen: «Reiner Wein».<br />

Wer fasst ihn zusammen?<br />

DW: Bruno, Polizeichef des Provinznests<br />

Saint-Denis, lebt auf einem Bauernhof mit<br />

einem kleinen Gemüsegarten, mit Hund,<br />

Pferd und Hühnern. Eines Tages erreicht<br />

ihn der Anruf des Pfarrers: Ein Mann ist<br />

gestorben, und in dessen Händen fand<br />

Dario Widmer, 21, lebt in Bühler in<br />

Appenzell Ausserrhoden. Seine Lehre zum<br />

Buchhändler absolvierte er im Rösslitor,<br />

heute arbeitet er in der Orell-Füssli-Filiale<br />

Kramhof in Zürich. Er hat schon seit jeher<br />

ein grosses Interesse an Literatur.<br />

Dario Widmer:<br />

«Eigentlich lese ich keine<br />

Krimis, und als ich ‹Das<br />

Krokodil› aufschlug,<br />

dachte ich: Ach nein, dieser<br />

Einstieg mit dem Tod,<br />

der in Neapel einfährt, ist<br />

so platt und konstruiert!<br />

Aber ich merkte schnell,<br />

dass dieses Buch unglaublich<br />

gut geschrieben und<br />

extrem spannend ist.»<br />

Bettina Zeidler:<br />

«Walker will den guten<br />

Krimi schreiben, will<br />

Historisches und Kulinarisches<br />

einflechten<br />

und auch noch eine Liebesgeschichte<br />

anklingen<br />

lassen. Er will alles gut<br />

machen, aber durch die<br />

Fülle bleibt am Ende alles<br />

oberflächlich.»<br />

Bettina Zeidler, 49, lebt in St. Gallen. Sie<br />

arbeitet in der Abteilung Belletristik der St.<br />

Galler Buchhandlung Rösslitor, die zu Orell<br />

Füssli Thalia gehört. Am liebsten liest sie<br />

skandinavische Krimis und Thriller.


34 | Kaffeepause Books Nr. 2/2014 BUCHtipps | 35<br />

Bettina Zeidler und Dario Widmer: Ausnahmsweise dreimal einer Meinung.<br />

man uralte Banknoten. Genau solche<br />

Banknoten wurden im Zweiten Weltkrieg<br />

bei einem Überfall der Résistance geraubt.<br />

Bruno will sich um den Fall kümmern.<br />

Dann wird das Haus eines reichen Engländers<br />

geplündert – das ist Fall Nummer<br />

zwei für Bruno –, und schliesslich findet ein<br />

Homosexueller seinen Verlobten ermordet<br />

auf – Fall drei. Doch das ist noch längst<br />

nicht alles, mit dem sich der Chef de police<br />

in diesem Buch herumschlagen muss.<br />

Nebenbei veranstaltet er ständig Gourmet-<br />

Festessen für die Kollegen, er geht reiten<br />

und verabredet sich mit verschiedenen<br />

Damen.<br />

BZ: Und dann muss er auch noch ein Pferd<br />

erschiessen. Schon bald musste ich mir jedenfalls<br />

Notizen machen, wer zu welchem<br />

Strang gehört und welche Rolle spielt.<br />

DW: Das ist mir genau gleich gegangen. Immer<br />

wieder kommen neue Personen hinzu,<br />

man verliert wirklich den Überblick.<br />

BZ: Ja, mir fallen jetzt ständig weitere<br />

Stränge ein. Da gibt es doch auch noch die<br />

Frau des Bürgermeisters, die Krebs hat<br />

und stirbt. Und dann beginnt der Bürgermeister<br />

auch noch ein Techtelmechtel mit<br />

einer Historikerin, die zufälligerweise ein<br />

Buch über die Résistance und genau jene<br />

Banknoten schreibt, die beim Toten von<br />

Fall eins gefunden wurden.<br />

DW: Genau. Ganz zu schweigen von den<br />

politischen Aspekten, die Walker aufrollt.<br />

BZ: Und von den Geschichten, mit denen<br />

er zeigt, wie schwierig es Homosexuelle<br />

einst in einer so ländlichen Gegend hatten.<br />

Das alles ist einfach viel zu konstruiert.<br />

Ich habe irgendwann begriffen, worum es<br />

geht, war aber stets mehr damit beschäftigt,<br />

Personen zuzuordnen. Es gibt einfach<br />

zu viele Verknüpfungen, zu viel von allem.<br />

Ich kam mir zuweilen selber vor wie ein<br />

Kommissar in einem Krimi, der vor einer<br />

grossen Flipchart voller gelber Zettel steht<br />

und versucht, alle Details in einen Zusammenhang<br />

zu bringen.<br />

Aber es gibt doch sicher auch Gutes<br />

über den Roman zu sagen?<br />

DW: Man spürt, dass der Schotte Walker<br />

Nimm dir Zeit für<br />

die schönsten Seiten<br />

des Sommers.<br />

den Périgord liebt, in dem seine Romane<br />

spielen – er lebt ja selber dort. Die Atmosphäre<br />

einer kleinen Provinzstadt fängt er<br />

gut ein.<br />

BZ: Und man merkt, dass er kulinarisch<br />

ambitioniert ist und etwas von gutem<br />

Essen und Weinen versteht – da kann er<br />

punkten. Hie und da ist auch eine Gestalt<br />

geglückt, etwa jene des Bürgermeisters.<br />

Aber ich bin mit diesem Buch einfach nicht<br />

zurechtgekommen. Ich las schon früher<br />

einmal einen Bruno-Krimi und fand den<br />

eigentlich ganz charmant, aber dieser<br />

Roman hier ist völlig überladen. Man spürt<br />

genau, Walker will den guten Krimi schreiben,<br />

will Historisches und Kulinarisches<br />

einflechten und auch noch eine Liebesgeschichte<br />

anklingen lassen. Er will alles gut<br />

machen, aber durch die Fülle bleibt am<br />

Ende alles oberflächlich.<br />

DW: Als es dann auch noch um Schüler<br />

ging, die sich in geheime Datenbanken<br />

hacken, war es mir dann definitiv zu viel.<br />

Ist das Buch denn wenigstens spannend?<br />

BZ: Also ich fand es eher verwirrend.<br />

Nun, die Bruno-Fangemeinde ist gross<br />

und wird sich wohl auch von eurem<br />

Urteil den Spass nicht verderben lassen.<br />

Wem kann man dieses Buch ausserdem<br />

empfehlen?<br />

DW: Ich würde es vielleicht meinem Vater<br />

empfehlen. Er könnte den Lokalkolorit und<br />

die kulinarischen Aspekte schätzen.<br />

BZ: Ja, ich bin überzeugt, dass sich dieses<br />

Buch eher für ältere Leute eignet – auch<br />

deshalb, weil die Geschichte nicht sehr<br />

blutig ist. Junge Leute wird man mit Bruno<br />

wohl kaum begeistern können.<br />

Ragougneau, Alexis<br />

Die Madonna<br />

von Notre-<br />

Dame<br />

In der Kathedrale von Notre-Dame<br />

stirbt eine Frau während der Morgenmesse.<br />

Bald ist ein Verdächtiger<br />

gefunden, doch Pater Kern lässt der<br />

Fall keine Ruhe. Er macht sich zusammen<br />

mit einer jungen Staatsanwältin<br />

auf die Suche nach der Wahrheit und<br />

kommt in den Gewölben der Kathedrale<br />

einem unglaublichen Geheimnis<br />

auf die Spur.<br />

«Die Madonna von Notre-Dame»<br />

ist eine Art Krimi-Adaption des<br />

«Glöckners von Notre-Dame», nur<br />

dass hier die Hauptfigur kein buckliger<br />

Glöckner, sondern ein kleinwüchsiger<br />

Pater ist. Dass Alexis Ragougneau<br />

seinen Debütroman in der berühmten<br />

Pariser Kathedrale angesiedelt hat,<br />

ist aber nicht blosse Hommage an<br />

Victor Hugo – Ragougneau kennt sich<br />

als ehemaliger Aufseher der Notre-<br />

Dame bestens in den altehrwürdigen<br />

Gemäuern aus.<br />

Andrea Camilleri<br />

Der Tanz der<br />

Möwe<br />

Im neusten Fall des sizilianischen<br />

Commissario Montalbano ist dessen<br />

Lieblingsmitarbeiter Fazio verschwunden.<br />

Montalbano findet Fazio zwar<br />

unter abenteuerlichen Umständen<br />

wieder, doch dieser kann sich an<br />

nichts erinnern – auch nicht an die<br />

beiden Toten neben ihm. Bald stellt<br />

der Kommissar fest, dass die Mafia<br />

ihre Hände im Spiel hat. Und er<br />

merkt zu spät, dass er eine wichtige<br />

Verabredung verpasst hat ...<br />

Die Kriminalromane mit Commissario<br />

Montalbano stürmen in Italien<br />

regelmässig die Bestsellerlisten, und<br />

auch im deutschsprachigen Raum hat<br />

sich der sizilianische Autor Andrea<br />

Camilleri eine riesige und stetig wachsende<br />

Fangemeinde geschaffen. Mit<br />

«Der Tanz der Möwe» wird er diese<br />

nicht enttäuschen – denn im neuen<br />

Roman steckt alles drin, was ein guter<br />

Montalbano braucht!<br />

M. J. Arlidge<br />

Eene Meene<br />

Ein perfider Killer entführt Paare und<br />

stellt sie vor eine grausame Entscheidung.<br />

Eingesperrt in einem Raum, in<br />

dem niemand ihre Schreie hört, gibt<br />

es nur eine Möglichkeit zu entkommen:<br />

Einer bringt den anderen um.<br />

Sonst sterben beide eines natürlichen,<br />

qualvollen Todes. Detective Inspector<br />

Helen Grace und ihr Team ermitteln<br />

fieberhaft, denn die Abstände zwischen<br />

den Taten werden kürzer.<br />

M. J. Arlidge hat die letzten 15 Jahre<br />

als Drehbuchautor für die BBC gearbeitet.<br />

Seit fünf Jahren betreibt er eine<br />

eigene Produktionsfirma, die vor allem<br />

auf Krimiserien spezialisiert ist. «Eene<br />

Meene» ist sein erster Roman und<br />

der Auftakt zu einer Thrillerserie um<br />

Detective Inspector Helen Grace.<br />

Judith Winter<br />

Siebenschön<br />

«Theo hat versagt.» Erstaunt blickt<br />

Christina Höffgen auf. Wer ist Theo?<br />

Sie liest weiter. «Du solltest dich lieber<br />

beeilen. Die Adresse lautet: Fordstrasse<br />

237. Ihr Name ist Jennifer.» Der<br />

rätselhafte Brief lässt Christina nicht<br />

mehr los. Gemeinsam mit ihrem Mann<br />

fährt sie zur angegebenen Adresse,<br />

auch wenn sie nicht daran glaubt, dort<br />

tatsächlich eine Jennifer zu finden. Ein<br />

grosser Irrtum ...<br />

Die Kriminaldirektion Frankfurt am<br />

Main spannt die beiden Kommissarinnen<br />

Emilia Capelli und Mai Zhou<br />

zusammen, um die bizarrste Mordserie<br />

aufzuklären, welche die Stadt je erlebt<br />

hat. Unterschiedlich wie Tag und<br />

Nacht, misstrauen die beiden Frauen<br />

einander auf Anhieb. Doch sie müssen<br />

sich zusammenraufen, denn bald jagen<br />

sie den Killer, der seine Morde als grausige<br />

Themenwelten inszeniert.<br />

256 Seiten<br />

272 Seiten<br />

368 Seiten<br />

431 Seiten<br />

CHF 22.90<br />

CHF 31.90<br />

CHF 15.90<br />

CHF 15.90<br />

List<br />

Bastei Lübbe<br />

Rowohlt<br />

dtv<br />

Besuche auch unsere Starbucks Coffeehouses<br />

in den Orell Füssli Buchhandlungen im Kramhof<br />

und am Bellevue in Zürich.<br />

ISBN 978-3-471-35114-7<br />

ISBN 978-3-7857-2499-6<br />

ISBN 978-3-499-23835-2<br />

ISBN 978-3-423-21489-6


36 | Fantastisch! Books Nr. 2/2014 Fantastisch! | 37<br />

«‹Zeitsplitter› von Cristin Terrill erzählt<br />

eine Zeitreisegeschichte mit einem besonderen<br />

Kniff. Bei den beiden Hauptfiguren<br />

Marina und Em handelt es sich um eine<br />

einzige Person – vor vier Jahren hiess Em<br />

noch Marina. In der Zeit, als Marina zu Em<br />

wurde, ereigneten sich schlimme Dinge<br />

und wurde die Zeitmaschine erfunden. Em<br />

will nun mit der Zeitmaschine zurückreisen<br />

und die Zukunft verändern. Das bedeutet<br />

allerdings, dass sie James, den sie<br />

als Marina liebte, töten muss. Dabei wird<br />

sie unterstützt von Finn, dem einst besten<br />

Freund von James. Em und Marina dürfen<br />

einander keinesfalls begegnen, damit das<br />

Zeitgefüge nicht durcheinandergerät.<br />

Die Geschichte klingt so kurz zusammengefasst<br />

etwas kompliziert, was sie aber<br />

nicht ist. Cristin Terrill hat eine besondere<br />

Ausgangslage geschaffen, um die bei Zeitreisegeschichten<br />

üblichen logischen Probleme<br />

zu umschiffen: Die Zukunft teilt sich<br />

bei ihr in mehrere Stränge auf, und deshalb<br />

kann man aus der Zukunft kommend auch<br />

die Vergangenheit verändern – weil es dann<br />

immer noch viele mögliche Zukünfte gibt.<br />

Fantastisch!<br />

Eine Mitarbeiterin von Orell Füssli Thalia präsentiert Neuerscheinungen und Geheimtipps<br />

aus dem Fantasy-Genre: Bücher für alle, die sich gern in fremde Welten entführen lassen.<br />

Marius Leutenegger<br />

Das Buch gefiel mir ausserordentlich gut,<br />

weil es einen starken Sog hat und sprachlich<br />

überzeugt. Dystopien – düstere Zukunftsvisionen<br />

– sind momentan ja sehr<br />

beliebt, was sich zum Beispiel am riesigen<br />

Erfolg von ‹Panem›, ‹Die Bestimmung› und<br />

all ihrer Epigonen zeigt. Und auch Zeitreisegeschichten<br />

liegen im Trend; man denke<br />

nur an die Beliebtheit von ‹Rubinrot›. ‹Zeitsplitter›<br />

springt aber nicht einfach auf einen<br />

fahrenden Zug auf, sondern ist eigenständig<br />

und originell. Das Buch eignet sich<br />

für alle ab zwölf Jahren – nun ja, für alle<br />

Mädchen und Frauen ab zwölf Jahren,<br />

Jungs werden sich mit der weiblichen<br />

Hauptfigur und deren Liebeswirren wohl<br />

kaum identifizieren können.<br />

Die Deutsche Nina Blazon, von der zum<br />

Beispiel ‹Der Bund der Wölfe› oder ‹Faunblut›<br />

stammen, gehört zu meinen Lieblingsautorinnen.<br />

Ich habe deshalb sofort ihr neuestes<br />

Werk ‹Der dunkle Kuss der Sterne›<br />

verschlungen. Und ich bin nicht enttäuscht<br />

worden. Die Geschichte spielt in der Stadt<br />

Ghan. Hauptfigur ist Canda, eine Hohe. Die<br />

Hohen sind immer mit zwei bis vier ausser-<br />

ordentlichen Gaben ausgestattet und bilden<br />

die oberste Kaste Ghans. Canda kann zum<br />

Beispiel sehr gut mit Zahlen umgehen, und<br />

sie hat eine besondere Ausstrahlung: Sie<br />

glänzt. In der Nacht vor ihrer Hochzeit mit<br />

Tian, der ebenfalls ein Hoher ist, durchlebt<br />

sie einen schlimmen Albtraum. Am nächsten<br />

Tag ist Tian verschwunden, und Canda<br />

hat ihren Glanz verloren.<br />

Die Familie verstösst Canda, aber sie kann<br />

eine Vereinbarung mit der Herrscherin, der<br />

Mégana, treffen: Canda darf Tian ausserhalb<br />

von Ghan suchen gehen. Dabei wird<br />

sie vom geheimnisvollen Amad begleitet.<br />

Erstmals lernt Canda die Welt ausserhalb<br />

der Stadt kennen. Wie immer bei Nina Blazon<br />

gibt es mittendrin einen entscheidenden<br />

Wendepunkt, bei dem man erkennt,<br />

dass vieles ganz anders ist, als man bisher<br />

meinte. In ‹Der dunkle Kuss der Sterne›<br />

geht es um ein schreckliches Geheimnis,<br />

das die Gaben der Hohen betrifft. Mehr will<br />

ich hier aber nicht verraten. Das Wiedersehen<br />

mit Tian ist jedenfalls nicht ganz so erfreulich,<br />

wie sich das Canda zuvor vorgestellt<br />

hat.<br />

«Es scheint für<br />

Fantasy-Autorinnen<br />

und -Autoren<br />

beinahe Pficht zu<br />

sein, möglichst<br />

schwere Wälzer<br />

zu verfassen und<br />

diese dann auch<br />

noch endlos lange<br />

fortzusetzen.»<br />

Der Schreibstil von Nina Blazon ist einfach<br />

wunderbar märchenhaft. Ein grosser Teil<br />

des Buchs spielt in der Wüste, und da passt<br />

ihr Ton perfekt: Man fühlt sich an orientalische<br />

Märchen erinnert. Vielleserinnen<br />

und -leser können dieses Buch schon mit<br />

zwölf Jahren lesen, grundsätzlich eignet es<br />

sich aber eher für etwas ältere – und wohl<br />

ebenfalls eher für weibliche – Jugendliche.<br />

Und man sollte Fantasy schon sehr mögen,<br />

wenn man dieses Buch zu lesen beginnt:<br />

Die Fantasieelemente sind dominant.<br />

‹Der dunkle Kuss der Sterne› hat über 500<br />

Seiten, das ist fürs Fantasy-Genre schon<br />

fast wenig. In den letzten Jahren ist der<br />

Umfang von Fantasy-Geschichten nämlich<br />

geradezu explodiert. Es scheint für die Autorinnen<br />

und Autoren beinahe Pflicht zu<br />

sein, möglichst schwere Wälzer zu verfassen<br />

und diese dann auch noch endlos lange<br />

fortzusetzen. Man denke zum Beispiel an<br />

die Saga ‹Das Lied von Feuer und Eis› von<br />

George R.R. Martin oder an Stephenie<br />

Meyers ‹Biss›-Erzählungen. An der Überlänge<br />

gibt es nichts auszusetzen, solange<br />

sie nicht mit Langeweile einhergeht. Aber<br />

es gibt natürlich auch viele Leute, die gern<br />

einmal etwas Kürzeres lesen. Für diese<br />

habe ich einen ganz besonderen Tipp: ‹Die<br />

Seele des Königs› von Brandon Sanderson.<br />

Der US-amerikanische Autor schreibt ansonsten<br />

ebenfalls Reihen; bekannt wurde<br />

er bei uns vor allem durch die Serie ‹Nebelgeboren›.<br />

Doch Sanderson kann auch anders:<br />

‹Die Seele des Königs› enthält drei<br />

abgeschlossene Kurzromane von ihm. Die<br />

Geschichten haben nichts miteinander zu<br />

tun, das Personal ist jeweils ganz anders.<br />

Die erste Geschichte spielt in der Welt von<br />

Elantris, die Sanderson für seinen Debütroman<br />

erfand; die Erzählung hat mit<br />

dem Roman aber nichts zu tun. In ihrem<br />

Zentrum steht eine Verbrecherin, die auf<br />

frischer Tat ertappt wird. Schnell erkennt<br />

der Berater des Königs, dass die junge<br />

Frau vielleicht das Königreich retten könnte:<br />

Ihre magischen Fähigkeiten könnten<br />

helfen, den König wieder gesund zu machen.<br />

Schlecht an den drei Geschichten ist eigentlich<br />

nur, dass sie nicht länger sind,<br />

denn man würde jedesmal gern weiterlesen.<br />

Brandon Sanderson schreibt sehr<br />

flüssig, er benötigt nur ein paar Wörter<br />

oder Sätze, um in den Köpfen seiner Leserinnen<br />

und Leser starke Bilder entstehen<br />

zu lassen. Dieses Buch ist etwas für alle<br />

Fantasy-Fans – uneingeschränkt auch für<br />

Männer!»<br />

So sehen sie aus, die Fantasy-Schöpfer: Cristin Terrill, Nina Blazon und Brandon Sanderson.<br />

Katharina Kromer, 29, lebt in Wutach<br />

etwa eine halbe Stunde von Schaffhausen<br />

entfernt. Seit vier Jahren arbeitet sie bei<br />

Thalia Schaffhausen. Buchhändlerin wurde<br />

sie, «weil ich schon immer sehr gern las<br />

und nicht studieren wollte». Am liebsten<br />

liest sie Bücher wie jene, die sie hier<br />

vorstellt: Fantasy-Romane für Jugendliche<br />

und Erwachsene.<br />

Zeitsplitter –<br />

Die Jägerin<br />

Cristin Terrill<br />

332 Seiten<br />

CHF 22.90<br />

Boje<br />

Der dunkle<br />

Kuss der<br />

Sterne<br />

Nina Blazon<br />

527 Seiten<br />

CHF 25.90<br />

cbt<br />

Die Seele des<br />

Königs<br />

Brandon<br />

Sanderson<br />

446 Seiten<br />

CHF 22.90<br />

Heyne


38 | FANTASTISCH Books Nr. 2/2014 FILMTIPPS | 39<br />

Weitere Tipps aus dem Fantasy-Genre<br />

Angelina Rubli,<br />

28, ist im Kanton<br />

Schaffhausen aufgewachsen,<br />

wohnt<br />

in Dachsen und arbeitet<br />

bei Orell<br />

Füssli am Bellevue.<br />

«Das erste Geschenk,<br />

an das ich<br />

mich erinnern<br />

kann, war das Buch ‹Ronja Räubertochter›»,<br />

erzählt sie. «Von da an wollte ich nur<br />

noch lesen – und Buchhändlerin werden.»<br />

Angelina verschlingt etwa drei bis vier Bücher<br />

pro Woche; eigenartigerweise liest sie<br />

bei jedem Buch immer zuerst das Ende. Ihr<br />

Tipp: «Plötzlich Prinz» von Julie Kagawa.<br />

«In der Buchreihe ‹Plötzlich Fee› musste die<br />

Hauptfigur Megan Chase ihren kleinen Bruder<br />

Ethan aus dem Feenreich Nimmernie<br />

retten. Dieser Ethan ist jetzt die Hauptfigur<br />

einer neuen, eigenständigen Reihe. Inzwischen<br />

ist er 17 Jahre alt. Er kann Feen sehen;<br />

das macht ihn einerseits einsam, weil<br />

ihn alle für einen Freak halten, andererseits<br />

ziemlich reizbar, weil die Feen ihn ständig<br />

ärgern. Immer mehr Mischwesen aus<br />

Mensch und Fee verschwinden auf unerklärliche<br />

Weise. Um herauszufinden, was<br />

mit ihnen geschieht, muss Ethan nach Nimmernie<br />

zu seiner Schwester reisen. Auf dieser<br />

Reise begleitet ihn ein Mädchen aus<br />

seiner neuen Schule. Schafft sie es, sein<br />

Herz zu erwärmen? Und wie wird Ethans<br />

erstes Zusammentreffen mit Megan nach<br />

fast zwölf Jahren ausfallen? Für mich war<br />

es ein Muss, den Auftakt zu dieser neuen<br />

Reihe zu lesen. Ich fand ‹Plötzlich Fee› super<br />

– und ‹Plötzlich Prinz› ist genauso spannend.<br />

Nur die Liebesgeschichte könnte<br />

noch etwas prickelnder sein. Dieses Buch<br />

empfehle ich allen, denen die Reihe ‹Plötzlich<br />

Fee› gefiel, die frech geschriebene Fantasy<br />

mögen und sich für Feen-Geschichten<br />

erwärmen können. Jungs wird dieses Buch<br />

wohl eher nicht so in den Bann schlagen.»<br />

Plötzlich Prinz<br />

Julie Kagawa<br />

480 Seiten<br />

CHF 25.90<br />

Heyne<br />

Kai Mader, 32,<br />

wohnt in einem<br />

kleinen Vorort von<br />

Basel auf deutscher<br />

Seite. Weil er<br />

gern liest, stieg er<br />

vor etwa zehn Jahren<br />

mit einem<br />

Praktikum in den<br />

Buchhändler-Beruf<br />

ein. Seit vier Jahren leitet er die Fantasy-<br />

Abteilung bei Thalia, die mit Abstand grösste<br />

ihrer Art in Basel. Sein Tipp: «König der<br />

Dunkelheit» von Mark Lawrence. «Seit die<br />

Mutter und der jüngere Bruder von Prinz<br />

Jorg Ankrath bei einem Überfall ermordet<br />

wurden, sinnt dieser auf Rache. Doch sein<br />

Vater, der König, zog ein Handelsabkommen<br />

der Vergeltung vor. Deshalb schloss sich<br />

Jorg in Band eins dieser Trilogie – ‹Prinz der<br />

Dunkelheit› – einer Räuberbande an. Nach<br />

Jahren auf der Strasse hat er nun sein Erbe<br />

angetreten. Als König ist Jorg schwer gefordert,<br />

denn eine mächtige Armee marschiert<br />

auf sein Reich zu, angeführt von einem<br />

scheinbar unbesiegbaren Krieger. Dieser<br />

Roman hebt sich durch die Schreibweise<br />

und den Hauptcharakter von anderen Fantasy-Büchern<br />

ab. Der Autor erzählt die Geschichte<br />

aus Sicht von Jorg; man sieht die<br />

Welt durch dessen Augen und erfährt genau,<br />

warum der König so handelt, wie er es<br />

tut. Jorgs Gedankengänge sind so eindrücklich<br />

beschrieben, dass man als Leser selbst<br />

schlimmste Taten fast als notwendig erachtet.<br />

Das Buch eignet sich für die Liebhaber<br />

düsterer Fantasy und ist eine echte Entdeckung<br />

für Vielleser: Endlich wieder einmal<br />

ein ganz neuer Schreibstil, ein mitreissender<br />

und vielschichtiger, aber durchwegs<br />

böser Held – und eine Welt, die grosse Überraschungen<br />

bietet! Dieses Buch hat mich so<br />

gefesselt wie schon seit langer Zeit keines<br />

mehr. Der Abschlussband der Trilogie,<br />

‹Kaiser der Dunkelheit›, erscheint Anfang<br />

Juni.»<br />

König der Dunkelheit<br />

Mark Lawrence<br />

604 Seiten<br />

CHF 21.90<br />

Heyne<br />

Ramona Gilomen,<br />

24, wohnt in Grenchen<br />

und arbeitet<br />

bei Stauffacher in<br />

Bern. Sie hat sich<br />

zur Buchhändlerin<br />

ausbilden lassen,<br />

weil sie sehr gern<br />

liest und ihre Freude<br />

am Gelesenen<br />

gern weitergibt. Am allerliebsten sind ihr<br />

Fantasybücher und Comics – kein Wunder<br />

also, arbeitet sie bei Stauffacher in der Comic-<br />

und Fantasyabteilung. Ihr Tipp: «Die<br />

Brücke der Gezeiten» von David Hair. «Zwei<br />

Kontinente sind miteinander einzig durch<br />

eine Brücke verbunden, die nur alle zwölf<br />

Jahre erscheint. Auf den Kontinenten leben<br />

unterschiedliche Kulturen; die eine wirkt<br />

mittelalterlich-westlich, die andere eher<br />

orientalisch. Die beiden Kulturen führten<br />

schon zwei Kriege gegeneinander, und es ist<br />

klar: Erscheint die Brücke wieder, wird der<br />

dritte Krieg ausbrechen. Die Geschichte<br />

dieses Buchs lässt sich kaum zusammenfassen;<br />

es bildet den Anfang eines neuen<br />

grossen Epos im Stil von ‹Das Lied von Feuer<br />

und Eis› oder ‹Die Kinder des Nebels›,<br />

und die neue Reihe lässt sich auch in vielerlei<br />

Hinsicht mit dem Welterfolg von George<br />

R.R. Martin vergleichen. Es gibt zahlreiche<br />

Figuren, die wir allmählich kennenlernen,<br />

viele kleine Geschichten, viel Atmosphäre.<br />

Das Buch absorbiert einen sehr. Seine eigentliche<br />

Hauptfigur ist die Brücke, und das<br />

finde ich sehr originell. Wie bei ‹Das Lied<br />

von Feuer und Eis› spürt man, dass grosse<br />

Dinge geschehen werden, aber diese kündigen<br />

sich jetzt erst leise an. Besonders gut<br />

gefiel mir auch die Sprache von David Hair;<br />

es ist nicht leicht, ein sprachlich etwas anspruchsvolleres<br />

Fantasy-Buch zu finden,<br />

‹Die Brücke der Gezeiten› ist diesbezüglich<br />

aber überzeugend. Ich hoffe, der Autor kann<br />

das Niveau auch bei den folgenden Bänden<br />

halten. Band 2 erscheint Ende Juni.»<br />

Die Brücke der Gezeiten<br />

01. Ein Sturm zieht auf<br />

David Hair<br />

510 Seiten<br />

CHF 22.90<br />

Penhaligon<br />

BIOGRAFIE<br />

Saving Mr. Banks<br />

Walt Disney will seit über 20 Jahren<br />

mit allen Mitteln das Lieblingsbuch<br />

seiner Töchter auf die Leinwand bringen:<br />

Mary Poppins. Doch die widerspenstige<br />

Romanautorin P. L. Travers<br />

will ihre geliebte Titelheldin nicht<br />

für eine Verfilmung freigeben. Zwei<br />

Wochen lang ringen die beiden um<br />

Drehbuch, Musik und die Unterschrift<br />

unter dem Vertrag. Und die Autorin<br />

stellt immer neue Forderungen – weil<br />

sie aus gutem Grund eine sehr enge<br />

Beziehung zu ihrer Figur hat.<br />

Nach einer wahren Begebenheit<br />

erzählt «Saving Mr. Banks» die bislang<br />

kaum bekannte Geschichte der<br />

explosiven Begegnung zwischen dem<br />

Hollywood-Produzenten und der<br />

australisch-britischen Autorin. Unter<br />

der Regie von John Lee Hancock<br />

brillieren Tom Hanks und Emma<br />

Thompson in den Hauptrollen.<br />

130 Minuten<br />

DVD: CHF 17.90<br />

Blu-ray: CHF 22.90<br />

vorläufiges Cover<br />

ABENTEUER<br />

Der Medicus<br />

England im 11. Jahrhundert. Aufgrund<br />

einer aussergewöhnlichen Gabe<br />

fühlt Rob Cole als kleiner Junge, dass<br />

seine kranke Mutter sterben wird.<br />

Hilflos muss er zusehen, wie sich<br />

seine Vorahnung erfüllt. Auf sich<br />

allein gestellt, schliesst er sich einem<br />

fahrenden Bader an, der ihm neben<br />

Taschenspielertricks auch die Grundlagen<br />

der mittelalterlichen Heilkunde<br />

nahebringt. Rob erkennt die Grenzen<br />

der einfachen Praktiken schnell. Eines<br />

Tages erfährt er vom berühmten<br />

Universalgelehrten Ibn Sina, der im<br />

fernen Persien Medizin lehrt – und<br />

er beschliesst, sich dort zum Arzt<br />

ausbilden zu lassen.<br />

Regisseur Philipp Stölzl hat den<br />

Roman von Noah Gordon kongenial<br />

verfilmt – mit Ben Kingsley und Tom<br />

Payne in den Hauptrollen. 2-Disc-<br />

Spezial-Edition.<br />

155 Minuten<br />

DVD: CHF 22.90<br />

Blu-ray: CHF 26.90<br />

KOMÖDIE<br />

Recycling Lily<br />

Der stille Einzelgänger Hansjörg Stähli<br />

ist Müllinspektor eines malerischen<br />

Städtchens. Er achtet peinlich genau<br />

darauf, dass sich alle an die Regeln<br />

halten, und jagt seit Wochen einen<br />

unbekannten Abfallsünder, der illegal<br />

Müllsäcke entsorgt. Nichts ist ihm<br />

wichtiger als Sauberkeit – ausser<br />

vielleicht die Kellnerin Lily Frei, in die<br />

er unsterblich verliebt ist.<br />

Hansjörgs ruhiges Leben gerät völlig<br />

aus den Fugen, als er eines Tages<br />

feststellt, dass die Abfallsünderin<br />

Lilys Tochter Emma ist. Er erlässt der<br />

Mutter die Busse und beginnt Lily zu<br />

hofieren, doch ohne Erfolg. Hansjörg<br />

ahnt nicht, ist, dass Emma aus purer<br />

Not zur Abfallsünderin wurde. Ihre<br />

Mutter Lily ist nämlich ein Messie. Ein<br />

«trashiger Spass» (NZZ) des Lausanner<br />

Regisseurs Pierre Monnard.<br />

95 Minuten<br />

DVD: CHF 22.90<br />

Blu-ray: CHF 26.90<br />

DOKUMENTATION<br />

On the Way to<br />

School<br />

Ob gefährlich nah an einer Elefantenherde<br />

vorbei, über steinige Gebirgspfade,<br />

durch unwegsame Flusstäler<br />

oder mit dem Pferd durch die Weite<br />

Patagoniens – Jackson (11) aus Kenia,<br />

Zahira (12) aus Marokko, Samuel<br />

(13) aus Indien und Carlito (11) aus<br />

Argentinien haben eines gemeinsam:<br />

Ihr Schulweg ist sehr lang und voller<br />

Gefahren. Doch mit Eigensinn und<br />

noch mehr Einfallsreichtum räumen<br />

die Kinder alle Hindernisse aus dem<br />

Weg.<br />

Der Dokumentarfilm verzaubert<br />

mit seinen Protagonisten: Die vier<br />

Kinder überraschen mit Leidenschaft,<br />

Neugier und viel Energie. Regisseur<br />

Pascal Plisson erzählt eine globale<br />

Bildungsgeschichte. Mit viel Gespür<br />

für Situationskomik porträtiert er<br />

seine kleinen Helden und feiert ganz<br />

nebenbei die Bildung.<br />

75 Minuten<br />

DVD: CHF 22.90<br />

Blu-ray: CHF 26.90


40 | Im Schaufenster Books Nr. 2/2014 Mein Buch | 41<br />

© M. Werneke<br />

Suchen Sie sich einen aus!<br />

Wie gelangt jemand an die Spitze eines grossen Unternehmens?<br />

Braucht es dazu Vitamin B und Glück – oder muss man einfach<br />

einem Rezept folgen? Frank Arnolds neues Buch «Der beste<br />

Rat, den ich je bekam» legt jedenfalls nahe, dass es einen bestimmten<br />

Schlüssel braucht. Auch wenn dieser für jeden Menschen<br />

ein bisschen anders aussieht.<br />

Erik Brühlmann<br />

Fast täglich erhält man von allen Seiten<br />

Ratschläge. Viele sind unbrauchbar, manche<br />

helfen in bestimmten Situationen. Nur<br />

wenige Tipps sind so universell und grundlegend,<br />

dass sie einen im Leben wirklich<br />

weiterbringen könnten. Unter dem Titel<br />

«Der beste Rat, den ich je bekam» präsentiert<br />

der Wirtschaftswissenschaftler und<br />

Unternehmensberater Frank Arnold nun<br />

die gesammelten «Mütter aller Ratschläge»<br />

prominenter Wirtschaftsvertreter. Das<br />

Buch ist spannender Lesestoff und hilfreicher<br />

Ratgeber zugleich.<br />

Warren Buffett, dem «Orakel von Omaha».<br />

Natürlich brauchen alle etwas mehr als den<br />

Rat von Lehrmeistern, Mentoren, Vätern<br />

oder Ehepartnern, um erfolgreich zu sein.<br />

Dennoch ist es spannend zu lesen, welche<br />

grundlegenden Gedanken diese Menschen<br />

antreibt – auch für Lesende, die nichts mit<br />

den Teppichetagen von Grosskonzernen zu<br />

tun haben oder haben wollen.<br />

Einfache Leitlinien zum Erfolg<br />

Richard Branson, Gründer der Unternehmensgruppe<br />

Virgin, erhielt vor der Gründung<br />

von «Virgin Atlantic» zum Beispiel<br />

einen ganz simplen Rat von einem ehemaligen<br />

Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg:<br />

«Mach dich zum Narren – sonst überlebst<br />

du nicht.» Branson folgte dem Rat, benutzte<br />

sich selbst als Werbefigur für seine Fluggesellschaft<br />

und hatte Erfolg. Eine ebenso<br />

einfache wie schwierige Maxime befolgt<br />

Urs Berger, Präsident des Schweizerischen<br />

Versicherungsverbands (SVV). Es gehe im<br />

Geschäftsleben darum, den Mittelweg zu<br />

finden zwischen «Türen offenlassen», um<br />

sich keine Kompromisse zu verbauen, und<br />

«Türen zuschlagen», wenn Kompromisse<br />

gegen die persönliche Überzeugung gehen.<br />

Barbara Kux, von 2008 bis 2013 die erste<br />

Frau im Vorstand von Siemens, plädiert dagegen<br />

für den Blick von oben: Es gelte, so<br />

ein Ratschlag, den sie gar zweimal bekam,<br />

einen Blick «aus dem Hubschrauber» auf<br />

das grosse Ganze zu werfen, um einzelne<br />

Entscheidungen richtig treffen zu können.<br />

Ehrenpräsident der Nesté AG, findet, dass<br />

man die Menschen einfach so nehmen<br />

müsse, wie sie sind: «Bleiben wir also realistisch<br />

und bescheiden in unseren gesellschaftlichen<br />

und politischen Entwürfen<br />

und richten wir uns an den Menschen aus,<br />

wie sie sind.» Für Hublot-Verwaltungsratspräsident<br />

Jean-Claude Biver wiederum<br />

dreht sich alles um die Antwort auf die Frage:<br />

Welche Spur will ich nach meinem Tod<br />

hinterlassen? Der ehemalige US-Aussenminister<br />

Colin Powell schliesslich rät, sich<br />

jeden Tag darauf zu konzentrieren, das<br />

Beste zu geben, denn «man wird kein guter<br />

General, wenn man nicht vorher ein guter<br />

Oberleutnant war».<br />

«Man wird kein<br />

guter General,<br />

wenn man nicht<br />

vorher ein guter<br />

Oberleutnant war.»<br />

Ein «Ratgeber plus»<br />

Ist «Der beste Rat, den ich je bekam» ein<br />

Buch der Kategorie Ratgeber? In gewissem<br />

Sinn schon, denn es gewährt Einblicke in<br />

die Leitlinien deren, die «es» geschafft haben.<br />

Im Gegensatz zu herkömmlichen Ratgebern<br />

reklamiert das Buch jedoch nicht<br />

für sich, die einzig wahre und gültige Ratschlag-Sammlung<br />

zu sein. Allein die Vielfalt<br />

der Beiträge und der beteiligten Menschen<br />

zeigt ja, dass unzählige Wege nach Rom<br />

führen – und dass Rom für jeden woanders<br />

liegt. Das Buch erreicht aber auch eine Leserschaft,<br />

die sich für Zeitgeschehen interessiert.<br />

Denn in so manchem Kapitel steckt<br />

hinter dem Ratschlag eine Anekdote, die<br />

einen schmunzeln oder gar staunen lässt.<br />

Oder wussten Sie, dass Jean-Claude Biver<br />

einst ein überzeugter Hippie war?<br />

«Ich ‹wohne› gern in<br />

einem Buch»<br />

Wir möchten von Kundinnen und Kunden wissen: Welches ist Ihr liebstes<br />

Buch? Heute antwortet Doris Gautschi aus Brugg.<br />

Die Filiale von Thalia in Brugg befindet<br />

sich mitten in einer Fussgängerzone – ideal,<br />

um beim Einkaufen einen Zwischenstopp<br />

einzulegen und sich die neuesten<br />

Bücher anzusehen. Doris Gautschi allerdings<br />

ist keine Gelegenheitskundin: «Die<br />

Filiale ist quasi mein zweites Zuhause!»,<br />

gesteht sie lachend. Das klingt zwar nach<br />

einer beeindruckenden Privatbibliothek,<br />

doch die 46-jährige Lehrerin aus Brugg relativiert:<br />

«Ich behalte längst nicht jedes<br />

Buch, das ich lese. So bleibt die Sammlung<br />

einigermassen überschaubar.»<br />

Doris Gautschi schreibt und veröffentlicht<br />

selbst Lyrik, liest aber nicht die ganze Zeit<br />

Gedichte. «Vor allem wenn ich in einer<br />

Schreibphase bin, würde das meine Kreativität<br />

zu sehr einschränken», sagt sie.<br />

Dennoch kann sie natürlich nicht ganz von<br />

den Lyrikern lassen – sie mag zum Beispiel<br />

Werke von Elisabeth Borchers, Inger<br />

Christensen oder Walter Helmut Fritz. Krimis<br />

liest Doris Gautschi hingegen sozusagen<br />

am laufenden Band. Diese Bücher finden<br />

jedoch kaum Eingang in ihre<br />

Sammlung. «Es ist seltsam: Einerseits faszinieren<br />

mich Geschichten, in denen das<br />

Gute gewinnt und das Böse bestraft wird»,<br />

sagt Doris Gautschi. «Andererseits kann<br />

ich zu diesen Büchern keine wirkliche Beziehung<br />

aufbauen, und ich weiss genau,<br />

dass ich keinen Krimi ein zweites Mal lesen<br />

werde.»<br />

Anders die Bücher, die sie nicht weggibt.<br />

«Sie gehören keinen bestimmten Genres<br />

an, sondern sind einfach Bücher, die mich<br />

zum Nachdenken anregen, bei denen ich<br />

einzelne Seiten mehrmals lese oder mir<br />

Notizen mache.» Der «Erstkontakt» entstehe<br />

dabei meist durch faszinierende oder<br />

ungewöhnliche Titel oder auch besondere<br />

Buchcover. «Es sind oft poetische Bücher,<br />

die einen offenen Rahmen haben und mir<br />

erlauben, mich innerhalb der Geschichten<br />

auszubreiten», sagt sie. «Ich ‹wohne› gern<br />

in einem Buch und schaffe mir darin Platz<br />

für mich selbst.»<br />

Ein solches Buch ist auch «Unter dem Tagmond»<br />

der Neuseeländerin Keri Hulme.<br />

«Dies ist vermutlich die gewaltigste und<br />

eindrücklichste Geschichte, die ich je gelesen<br />

habe», schwärmt Doris Gautschi.<br />

«Mein absolutes Lieblingsbuch!» Die Geschichte<br />

um einen Mann, eine Frau und einen<br />

Jungen, die eine Art Familie bilden,<br />

ohne wirklich zusammenzugehören, sei<br />

jenseits jeglicher Norm und in jeder Beziehung<br />

einzigartig, so die Lehrerin. Zwölf<br />

Jahre lang schrieb Hulme an der Geschichte,<br />

weitere sechs Jahre gingen ins Land, bis<br />

sie einen Verlag fand, der das Manuskript so<br />

akzeptierte, wie es war. «Das Buch ist ungeschliffen,<br />

ehrlich und urtümlich, gleichermassen<br />

berührend und hart», zeigt sich<br />

Doris Gautschi begeistert, warnt aber auch:<br />

«‹Unter dem Tagmond› ist eines dieser Bücher,<br />

die man entweder liebt oder nicht erträgt<br />

– etwas dazwischen gibt es nicht.»<br />

Unter dem Tagmond<br />

Keri Hulme<br />

654 Seiten<br />

CHF 16.90<br />

S. Fischer<br />

Sammelsurium der grossen Köpfe<br />

Insgesamt 104 Führungspersönlichkeiten<br />

aus aller Welt geben in diesem Buch kurz<br />

und prägnant ihre wichtigsten Ratschläge<br />

preis. Dass die Tipps aus berufenen Mündern<br />

kommen, zeigt sich allein schon an<br />

den Namen, die im Buch vorkommen: vom<br />

AXA-Manager Thomas Buberl bis zu Hewlett-Packard-CEO<br />

Meg Whitman, von Starbucks-Präsident<br />

Howard Schultz bis zu<br />

Fast schon philosophisch<br />

«Der beste Rat, den ich je bekam» enthält<br />

aber auch Ratschläge, die über das Geschäftsgebaren<br />

hinausgehen und fast<br />

schon philosophischen Ausmasses sind.<br />

Holcim-CEO Bernard Fontana beispielsweise<br />

ist überzeugt: «Führung verändert<br />

das Leben derjenigen, die geführt werden,<br />

aber noch viel mehr das Leben der Führungskräfte<br />

selbst.» Und Helmut Maucher,<br />

Der beste<br />

Rat, den ich je<br />

bekam<br />

240 Seiten<br />

CHF 24.90<br />

Hanser<br />

LORENZ KEISER<br />

«Chäs und Brot & Rock ’n’ Roll»<br />

FR 9. MAI – SA 31. MAI<br />

20.00 Uhr<br />

GESCHWISTER PFISTER<br />

Die Geschwister Pfister in der Toskana<br />

FR 23. MAI – SO 25. MAI<br />

20.00 Uhr, SO 17.00 Uhr<br />

Kartenbestellung und weitere Infos: www.casinotheater.ch oder Telefon 052 260 58 58<br />

HUTZENLAUB & STÄUBLI<br />

«Reif für den Oscar»<br />

DI 17. JUN – DO 19. JUN<br />

20.00 Uhr


42 | ereader Books Nr. 2/2014<br />

ereader | 43<br />

Der neue tolino vision<br />

im Taschenformat<br />

Ein eReader ist so etwas wie ein fast endloses Bücherregal, das in jeder Tasche<br />

Platz findet. tolino vision, der neue eReader von Orell Füssli Thalia, vergrössert das<br />

Lesevergnügen jetzt gleich noch einmal: mit einem ergonomischem Design und<br />

einer noch einmal verbesserten E-Ink-Technologie.<br />

Schutz und Saft<br />

Bei einem Buch zeugt die Abgegriffenheit<br />

von seiner Beliebtheit. Bei einem eReader<br />

mit seinen Tausenden von Büchern will<br />

man Alterungsspuren lieber gering halten.<br />

Dafür gibt es passende Schutzhüllen zum<br />

tolino vision.<br />

Der Akku des tolino vision hält fast ewig –<br />

doch irgendwann braucht auch er neuen<br />

Saft. Mit dem kompakten USB-Ladegerät<br />

lässt sich der eReader an jeder Steckdose<br />

aufladen. Das dazu benötigte USB-Kabel ist<br />

beim tolino vision schon dabei.<br />

Der stilsichere Blickfang: tolino vision Tasche Ultra<br />

Slim, erhältlich in diversen Farben. CHF 34.90<br />

Ich<br />

coache<br />

.selbst!<br />

mich<br />

Einfach aufladen: USB-Ladegerät tolino eReader.<br />

CHF 11.50<br />

ISBN 978-3-<br />

86910-487-4<br />

CHF 32.90<br />

Schneller lesen<br />

Der Prozessor im neuen tolino vision ist<br />

1 Gigahertz schnell. Das virtuelle Stöbern<br />

im integrierten Thalia-eBook-Shop<br />

wird damit noch mehr beschleunigt.<br />

Länger lesen<br />

Die E-Ink-Technologie ist äusserst sparsam<br />

im Energieverbrauch. Deshalb hält<br />

der Akku des tolino vision bis zu 7 Wochen.<br />

Mehr lesen<br />

Im 2 Gigabyte grossen Speicher finden<br />

bis zu 2000 eBooks Platz. Wem das noch<br />

nicht genug ist, der erweitert sein Regal<br />

mittels Speicherkarte um bis zu 32 Gigabyte<br />

– und schafft so Platz für weitere<br />

32‘000 Bücher. Oder er nutzt die kostenlose<br />

Cloud.<br />

Schärfer lesen<br />

Auch auf dem tolino vision riecht ein eBook<br />

nicht nach Papier. Aber es sieht fast so aus<br />

wie ein gedrucktes Buch. Die revolutionäre<br />

E-Ink-Carta-Technologie sorgt für ein perfektes<br />

Schriftbild. Und die stufenlos verstellbare<br />

Hintergrundbeleuchtung macht<br />

sogar die Nachttischlampe überflüssig.<br />

Schöner lesen<br />

Der tolino vision überzeugt mit schlichtem<br />

Design ohne überflüssige Ecken und Kanten.<br />

Der neue eBook-Reader liegt auch besser<br />

in der Hand als alle früheren Geräte. Es<br />

ist gut 8 Millimeter dünn, rund 16 Zentimeter<br />

lang und 11 Zentimeter breit. Und bei<br />

einem Gewicht von weniger als 180 Gramm<br />

verkommt auch stundenlanges Lesen nicht<br />

zur Kraftübung.<br />

Unabhängiger lesen<br />

Selbst ohne tolino vision ist das Lieblingsbuch<br />

immer da: beim kurzen Schmökern in<br />

der Smartphone-App im Tram beispielsweise<br />

oder sogar beim heimlichen Lesevergnügen<br />

am Computer im Büro. Dafür sorgt<br />

die ThaliaCloud, das 25 Gigabyte grosse<br />

Bucharchiv in der Datenwolke. So abgesichert<br />

geht auch garantiert kein eBook mehr<br />

verloren – und selbst das Buchzeichen<br />

rutscht nie mehr zwischen den Seiten heraus.<br />

Denn dank der Cloudspeicherung und<br />

-synchronisierung ist es auf jedem Gerät<br />

gleich am richtigen Ort: für ein Lesevergnügen<br />

ohne Unterbruch.<br />

ISBN 978-3-<br />

86910-500-0<br />

CHF 29.90<br />

ISBN 978-3-<br />

86910-501-7<br />

CHF 29.90<br />

Den tolino vision gibt’s für CHF 156.– in den Filialen von Orell Füssli, Thalia, Stauffacher, Meissner,<br />

ZAP sowie im Rösslitor – oder im Internet auf thalia.ch, buch.ch und books.ch. Immer mehr Filialen<br />

verfügen zudem über eigene eBook Shops. Dort kann man die Geräte nach Herzenslust testen<br />

oder sich bei Kauf, Einrichtung und technischen Problemen beraten lassen.<br />

www.humboldt.de


44 | kINDERWELT Books Nr. 2/2014<br />

KINDERWELT | 45<br />

© Moritz-Verlag<br />

Sonne, Wasser, Abenteuer<br />

© cbj<br />

Der Sommer ist eine Saison, in der viele gern lesen – er ist aber auch ein vielfältiges Buch-<br />

Thema. Nicole Stäuble, unsere Fachfrau für Kinderbücher aus der Orell-Füssli-Filiale in<br />

Frauenfeld, stellt einige besonders gelungene Geschichten mit sommerlicher Atmosphäre vor.<br />

«Wir alle haben wohl schöne Kindheitserinnerungen<br />

an den Sommer – an die Zeit,<br />

als die Luft förmlich nach Freiheit duftete,<br />

wir uns im See abkühlten, bis spät am<br />

Abend draussen spielten und die Ferien in<br />

vollen Zügen genossen. Kein Wunder, handeln<br />

viele Geschichten für Kinder in dieser<br />

herrlichen Jahreszeit!<br />

Ein typisches Sommer-Bilderbuch ist ‹Vorsicht,<br />

Krokodil› von Lisa Moroni. Es erzählt<br />

von Tora, die mit ihrem Vater zelten geht.<br />

Zuerst findet Tora den Ausflug langweilig,<br />

denn er beginnt mit einer Einkaufstour<br />

und einer langen Anfahrt. Und als sie mit<br />

ihrem Vater in der Wildnis ankommt, will<br />

Tora endlich ein paar wilde Tiere sehen, sie<br />

entdeckt aber überhaupt nichts. Der Vater<br />

findet, sie müsse eben ein bisschen genauer<br />

schauen – und fortan macht Tora überall<br />

tun bis morgen früh. Ich bin so froh, dass du da<br />

bist. Ich hatte schon Angst, du schaffst es nicht<br />

rechtzeitig.«<br />

Benjamin hätte gerne gefragt »wofür rechtzeitig?«,<br />

aber da hatte er schon den ersten Bissen<br />

in den Mund geschoben.<br />

»Cornelius kann dir so lange Gesellschaft<br />

leisten.« Und damit verschwand Tante Phil aus<br />

der Hintertür.<br />

Ben sah sich in der Küche um und fragte sich,<br />

wann dieser Cornelius wohl auftauchen würde.<br />

»Na, mit diesen Haaren siehst du zumindest aus<br />

wie ein Wood.«<br />

Ben zuckte beim Klang der Stimme zusammen<br />

und sah sich nach dem Sprecher um. Doch es gab<br />

nichts außer dieser Dodofigur. Es sei denn …<br />

»Du lebst?«<br />

»Allerdings.«<br />

»Aber … aber du bist ein Dodo!«<br />

»Und du bist ein Junge. Aber ich werfe dir das<br />

nicht vor. Jedenfalls nicht sehr.«<br />

Ben vergaß sein Essen und starrte ihn an. »Aber<br />

du bist ausgestorben.«<br />

Marius Leutenegger<br />

die wildesten Kreaturen aus: Wurzeln werden<br />

zu Schlangen, Felsen zu Nilpferden,<br />

Baumstümpfe zu Elfen, Bäume zu Giraffen.<br />

Und ein Baumstamm entpuppt sich gar als<br />

ein gefährliches Krokodil, das den Vater<br />

fressen will!<br />

Die liebevollen Illustrationen von Eva<br />

Eriksson machen dieses Buch zu einem<br />

ganz besonderen Vergnügen – für Kinder<br />

wie auch für die vorlesenden Erwachsenen.<br />

Die feinen Zeichnungen sind farblich<br />

wunderschön, und sie kombinieren auf<br />

ganz selbstverständliche Weise Reales mit<br />

Fantasievollem. Aber auch die Geschichte<br />

finde ich sehr attraktiv und voller Sommer-<br />

Atmosphäre. In Tora kann ich mich leicht<br />

hineinfühlen, denn mir geht es wie ihr:<br />

Überall meine ich Tiere oder Gesichter zu<br />

entdecken.<br />

Benjamin Wood 24 weiss das zu Beginn nicht - aber er ist ein Beastologe, ein Spezialist für Bestien. Erst bei<br />

seiner Tante erkennt er sein Talent.<br />

Auch das nächste Buch hat eine Hauptfigur,<br />

mit der man sich leicht identifizieren<br />

kann: ‹Benjamin Wood – Beastologe 01.<br />

Die Suche nach dem Phönix› von Robin L.<br />

LaFevers. Der etwa zehnjährige Benjamin<br />

ist der Sohn eines Forscherehepaars. Die<br />

Eltern sind spurlos im Eismeer bei Alaska<br />

verschwunden, und darum soll Benjamin<br />

jetzt bei seiner Tante leben. Kaum ist er bei<br />

ihr angekommen, heisst es allerdings:<br />

Pack die Koffer gar nicht erst aus, morgen<br />

gehen wir auf grosse Reise! Tatsächlich<br />

fliegen die beiden tags darauf mit einem<br />

Doppeldecker in die Wüste. Dort will die<br />

Tante ein Phönix-Ei finden – und sie eröffnet<br />

Benjamin, dass er einer der letzten<br />

Beastologen sei, ein Spezialist für Bestien.<br />

Dann überschlagen sich die Ereignisse:<br />

Die Tante wird von Beduinen entführt, und<br />

der Phönix kommt angeflogen. Zum Glück<br />

ist Benjamin nicht allein, denn inzwischen<br />

hat er Freundschaft mit einem kleinen<br />

Gremlin geschlossen.<br />

Dieser Auftakt zu einer hoffentlich langen<br />

Serie bietet eine richtig tolle Abenteuergeschichte,<br />

die sich sehr gut für Kinder eignet<br />

– denn sie ist nie wirklich unheimlich, aber<br />

immer sehr spannend. Das Buch hat mir<br />

sehr gut gefallen, und ich finde es auch<br />

sehr sommerlich. Kein Wunder, es spielt ja<br />

auch in der Wüste; wer es in der Badi liest,<br />

wird daher so richtig mitschwitzen mit<br />

Benjamin. Dieser Bub ist eine überaus<br />

sympathische Figur, ein Zweifler, der sich<br />

nicht allzu viel zutraut, aber dennoch nie<br />

aufgibt und auch dann den Mut nicht verliert,<br />

wenn es ungemütlich wird.<br />

‹Benjamin Wood› finde ich super – und sogar<br />

supersuper ist ‹Die sagenhafte Saubande›<br />

von Nina Weger. Der neunjährige Matheo<br />

ist ein Aussenseiter, seit er gesagt hat,<br />

er verstehe die Sprache der Tiere. Das<br />

Mit Fantasie wird für Tora ein vermeintlich langweiliger Ausflug zu einem Abenteuer.<br />

glaubt ihm natürlich keiner, aber Matheo<br />

hat nicht gelogen. Da er in der Stadt lebt, hat<br />

er allerdings wenig Kontakt zu Tieren. Richtig<br />

kennen tut er eigentlich nur die ziemlich<br />

fiese Katze der Tante, und ihretwegen<br />

fürchtet sich Matheo vor allen Tieren.<br />

Um diese Angst zu besiegen, soll er nun<br />

während der Sommerferien mit seiner<br />

Tante einen Zoo besuchen. Schon die Fahrt<br />

zum Zoo ist lustig, denn Matheo und seine<br />

Tante machen im Zug Bekanntschaft mit<br />

einer netten Dame, die zwei witzige Pudel<br />

hat – Matheo muss ständig kichern, weil er<br />

die Hunde versteht, und die Frauen begreifen<br />

überhaupt nicht, was der Bub denn so<br />

lustig findet. Schliesslich gehen alle zusammen<br />

in den Zoo. Dort hat sich gerade eine<br />

Katastrophe ereignet: Ein Känguru wurde<br />

entführt. Matheo macht sich mit den Pudeln<br />

auf die Suche und bekommt schon bald Unterstützung<br />

vom pensionierten Spürschwein<br />

Max und von Polly, einem Mädchen mit einer<br />

ziemlich grossen Klappe. Dieser Krimi<br />

mit Tieren ist sehr lustig und sehr speziell.<br />

Die Charaktere sind hervorragend gestaltet,<br />

angefangen bei den beiden Kindern,<br />

die eigentlich Aussenseiter und schon gar<br />

keine Helden sind, über das Spürschwein<br />

Max bis zu den hochintelligenten Pudeln.<br />

Und die Autorin schafft es immer wieder,<br />

einen auf eine falsche Fährte zu führen.<br />

Das letzte Buch, das ich heute empfehle,<br />

stammt von der schwedischen Autorin Katharina<br />

Mazetti: ‹Die Karlsson-Kinder –<br />

Spukgestalten und Spione›. In diesem Buch<br />

steckt alles drin, was eine richtige Sommergeschichte<br />

ausmacht. Hauptfiguren<br />

sind die Schwestern Julia und Daniella sowie<br />

deren Cousins George und Axel. Weil<br />

ihre Mütter alle anderweitig beschäftigt<br />

sind, verbringen die vier Kinder ihre Ferien<br />

bei Tante Frida, die allein auf einer kleinen<br />

Insel und in einer eigenen Welt lebt.<br />

Die Tante ist Künstlerin, und eines Tages<br />

muss sie wegen einer Fälschungsgeschichte<br />

aufs Festland. Die vier Kinder bleiben<br />

also allein zurück.<br />

Kaum ist die Tante weg, ereignen sich seltsame<br />

Dinge. Lebensmittel verschwinden,<br />

ein Kinderschuh taucht auf, in der Nacht<br />

ertönen unheimlich Geräusche. Am nächsten<br />

Morgen beschliessen die Kinder, die<br />

ganze Insel abzusuchen. Tatsächlich finden<br />

sie schon bald eine Feuerstelle mit<br />

warmer Asche. Noch eigenartiger wird alles,<br />

als sie beim Einkaufen auf dem Festland<br />

einem Mann begegnen, der Fälschungen<br />

von Tante Fridas Kunstwerken<br />

verkauft ...<br />

Das Buch verströmt eine sehr schöne Sommerstimmung.<br />

Die Heile-Welt-Atmosphäre<br />

erinnert mich fast ein wenig an Werke von<br />

Astrid Lindgren – hier erhält man aber<br />

noch einen zusätzlichen Schuss Spannung.<br />

Auch dieses Buch bildet den Auftakt zu einer<br />

Serie, die nächste Folge ist bereits auf<br />

September angekündigt.»<br />

Nicole Stäuble, 41, ist Buchhändlerin bei<br />

Orell Füssli in Frauenfeld; sie hat einen<br />

vierjährigen Sohn. «Ich machte bereits<br />

meine Lehre zur Buchhändlerin bei Orell<br />

Füssli», erzählt sie. Schon in der Lehre<br />

seien Kinder- und Jugendbücher für sie<br />

das Grösste gewesen, denn «dieser Bereich<br />

ist so vielseitig und fast so etwas wie<br />

eine Buchhandlung in der Buchhandlung!»<br />

Ausserdem könne man die Kundinnen<br />

und Kunden, die Kinderbücher suchten,<br />

richtig beraten: «Die meisten Leute sind<br />

dankbar für Empfehlungen, weil sie sich<br />

mit den Neuerscheinungen nicht so gut<br />

auskennen.»<br />

Vorsicht,<br />

Krokodil<br />

Lisa Moroni (Text)<br />

und Eva<br />

Eriksson (Illustrationen)<br />

32 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

Moritz<br />

Benjamin Wood –<br />

Beastologe 01.<br />

Die Suche nach<br />

dem Phönix<br />

Robin L. LaFevers<br />

160 Seiten<br />

CHF 14.90<br />

cbj<br />

Die sagenhafte<br />

Saubande<br />

Nina Weger<br />

221 Seiten<br />

CHF 15.90<br />

Oetinger<br />

Die Karlsson-<br />

Kinder –<br />

Spukgestalten<br />

und Spione<br />

Katharina<br />

Mazetti<br />

204 Seiten<br />

CHF 16.90<br />

dtv<br />

14.11.2013 16:35:14<br />

loge_CS55.indd 24-25 14.11.2013 16:35:16


46 | KOCHBÜCHER Books Nr. 2/2014 KOCHBÜCHER | 47<br />

Wider die<br />

Verschwendung<br />

Wer Nahrungsmittel geschickt einsetzt, vermeidet nicht nur unnötige<br />

Abfälle. Neue Kochbücher zeigen, dass dies auch zu besonders<br />

schmackhaften und günstigen Gerichten führen kann.<br />

Markus Ganz<br />

Man mag von Jamie Oliver und seiner<br />

Selbstvermarktung halten, was man will.<br />

Aber mit «Cook clever mit Jamie» ist dem<br />

mit Fernsehsendungen weltberühmt gewordenen<br />

Koch ein Wurf geglückt. Dies sei<br />

sein erstes Kochbuch, zu dem ihn sein Publikum<br />

gedrängt habe, erklärte der Autor<br />

von bisher 14 Bestsellern in einem Interview.<br />

Er sei der Nachfrage nach Rezepten<br />

für gute Mahlzeiten, die den Geldbeutel<br />

schonen, gern nachgekommen. Denn er sei<br />

ohnehin überzeugt, dass «die besten Gerichte<br />

dieser Welt dort entstanden sind, wo<br />

die Mittel knapp waren».<br />

Oft ist weniger<br />

mehr und<br />

das richtige<br />

Wissen das<br />

Entscheidende.<br />

Günstig und originell<br />

Jamie Oliver verspricht, die vorgestellten<br />

Gerichte seien nicht nur leicht nachkochbar,<br />

sondern kosteten pro Person auch weniger<br />

als ein durchschnittliches Fast-Food-<br />

Menü. Und er betont, dass dies ohne<br />

Verzicht möglich sei. Es gehe darum, clever<br />

einzukaufen und nichts zu verschwenden.<br />

Mit bestechenden Tipps zur Vorratspflege<br />

im Tiefkühler und im Kühlschrank<br />

zeigt er, wie man persönlich etwas gegen<br />

die «irrsinnige Vergeudung» machen kann.<br />

Denn die englische Durchschnittsfamilie<br />

werfe pro Jahr Lebensmittel im Wert von<br />

1000 Franken weg; in anderen Ländern<br />

sieht es ähnlich aus. Das Grundthema des<br />

Buchs widerspiegelt sich auch in den Rezepten,<br />

in denen typischerweise immer<br />

wieder originelle Ideen aufblitzen. Im vegetarischen<br />

Teil etwa schlägt Jamie Oliver<br />

ein Gericht namens «Zombie-Hirn» vor,<br />

ein als Ganzes gebackener Sellerie mit<br />

Pilzsauce und Rollgerste. Um Tiefkühlvorräte<br />

von Fisch aufzuräumen, empfiehlt er<br />

einen Fischauflauf mit Erbsen in der Kartoffelstockkruste.<br />

Im Zentrum der Fleischkapitel<br />

aber steht die Idee von «Ausgangsrezepten»,<br />

die er mit Rezepten zu den<br />

eingeplanten Resten kombiniert. Er schlägt<br />

zum Beispiel einen Rinderbraten mit Rinderbrust<br />

vor, «die bescheidene Schwester<br />

von Roastbeef». Er macht aber gleich zwei<br />

Kilo, damit genügend Reste für andere,<br />

ebenfalls vorgestellte Gerichte bleiben, etwa<br />

ein indonesisches Rendang-Curry oder ein<br />

scharfes marrokanisches Tajine.<br />

Alles wird verwertet<br />

Wie Jamie Oliver will auch Lisa Casali verhindern,<br />

dass Lebensmittel «als Ausschuss<br />

in der Tonne statt auf dem Teller» landen.<br />

Die italienische Foodbloggerin und Autorin<br />

legt aber in «Grün kochen? (Öko-)Logisch!»<br />

noch mehr Wert auf Nachhaltigkeit und<br />

Ökologie. Dem Thema Verschwendung widmet<br />

sie gleich einen ganzen Buchteil – von<br />

der Analyse bis zu Tipps zur Vermeidung.<br />

Zudem präsentiert sie ausschliesslich<br />

fleischlose Rezepte. Das zentrale Anliegen<br />

von Lisa Casali ist, dass nicht nur die «edlen»<br />

Bestandteile von Lebensmitteln verwendet<br />

werden, sondern auch Schnittreste,<br />

Schalen, Blätter und so weiter. Diese Art von<br />

Küche sei nicht nur gesund und schmackhaft,<br />

man spare damit auch über 20 Prozent<br />

Geld. Im Buchteil «Grün kochen» zeigt sie<br />

anhand einzelner Lebensmittel wie Artischocken,<br />

wie man diese besser verwerten<br />

kann; dies führt zu Rezepten wie Artischocken-Tartelettes,<br />

Spätzle mit Artischocken-<br />

Blättern oder Mezzelune mit Artischocken-<br />

Crème. Im Buchteil «Grüne Menüs» schlägt<br />

sie dann ganze Kombinationen von Gerichten<br />

für verschiedene Anlässe wie einen<br />

Brunch, einen Fernsehabend oder einen<br />

Besuch der Schwiegereltern vor.<br />

Köstliche Nebenprodukte<br />

Auch Bernadette Wörndl geht es ums<br />

«Grosse und Ganze», wie sie in der Einleitung<br />

zu ihrem vegetarischen Kochbuch<br />

«Von der Schale bis zum Kern»<br />

schreibt. Oft sei weniger mehr und das<br />

richtige Wissen das Entscheidende. Niemand<br />

würde einen halben Kopf frischen<br />

Brokkoli entsorgen, behauptet sie. Doch<br />

das Gleiche mache man, wenn man die<br />

Brokkolistängel wegwerfe. Entsprechend<br />

hat auch sie ihr schön aufgemachtes<br />

Kochbuch in Kapitel zu einzelnen<br />

Lebensmitteln unterteilt. Bei der Artischocke<br />

beispielsweise erklärt sie, wie<br />

man die verschiedenen Teile für verschiedene<br />

Gerichte verwenden kann.<br />

Wenn sich Haufen von abgezupften Artischockenblättern<br />

in ihrer Küche angesammelt<br />

hätten, sei es Zeit für eine Artischockenblättersuppe.<br />

Und wenn sie<br />

Babyartischocken in Weisswein und Olivenöl<br />

geschmort habe, entstehe ein herrlicher<br />

Sud, wie gemacht für Vinaigrettes,<br />

Dressings oder Marinaden. Und wie<br />

wär’s danach mit Espresso-Birnen mit<br />

einer Fenchelblüten-Panna-Cotta? Die<br />

Rüstreste der Birne samt Schale und<br />

Kerngehäuse landen selbstverständlich<br />

nicht im Abfall, sondern ergeben nebenbei<br />

einen delikaten Sirup.<br />

Cook clever mit Jamie –<br />

Günstig einkaufen, bewusst<br />

essen, alles verwerten<br />

Jamie Oliver<br />

287 Seiten<br />

CHF 37.90<br />

Dorling Kindersley<br />

Grün kochen? (Öko-)<br />

Logisch! – Nichts mehr<br />

verschwenden, weniger<br />

ausgeben<br />

Lisa Casali<br />

260 Seiten<br />

CHF 19.90<br />

Goldmann<br />

Von der Schale bis zum<br />

Kern – Vegetarische Rezepte,<br />

die aufs Ganze gehen<br />

Bernadette Wörndl<br />

191 Seiten<br />

CHF 44.90<br />

Brandstätter<br />

Für Sie probiert: Rinderbraten<br />

Rezept aus dem nebenan besprochenen Buch «Cook clever mit Jamie»<br />

Für 6 Personen inklusive Reste, Zubereitungszeit: 4½ bis 5½ Stunden<br />

Zubereitung:<br />

Den Backofen auf 170° C vorheizen. Einen<br />

grossen Bräter auf dem Herd stark erhitzen.<br />

Die Rinderbrust kräftig salzen und<br />

pfeffern, 1 Schuss Olivenöl in den Bräter<br />

geben und das Fleisch rundherum anbräunen.<br />

Inzwischen die Zwiebeln schälen<br />

und in Ringe schneiden. Den Bräter<br />

vom Herd nehmen und die Zwiebeln unter<br />

dem Fleisch verteilen. Die Brust auf der<br />

Fettseite mit dem Senf bestreichen und<br />

den Grossteil des Rosmarins darüberzupfen.<br />

Mit einem nassen Stück Pergamentpapier<br />

zudecken und den Bräter mit zwei<br />

Lagen Alufolie fest verschliessen. Die Rinderbrust<br />

im Ofen braten – etwa 4 Stunden,<br />

wenn sie tranchiert wird, rund 5 Stunden,<br />

wenn das Fleisch in Stücke zerpflückt<br />

werden soll.<br />

Die Kartoffeln schälen, grössere halbieren,<br />

und 12 Minuten vorgaren, abtropfen lassen.<br />

In einer ofenfesten Form mit 1 Schuss<br />

Öl, etwas Salz und Pfeffer und dem restlichen<br />

Rosmarin vermengen und für 1 Stunde<br />

30 Minuten unter der Brust in den Ofen<br />

schieben. Karotten und Steckrübe schälen,<br />

würfeln und 20 Minuten in Salzwasser<br />

weich kochen. Abtropfen lassen, zurück in<br />

den Topf geben und mit der Butter zerstampfen.<br />

Abschmecken und warm stellen.<br />

Den Braten auf ein Schneidebrett legen<br />

und zudecken, die Kartoffeln warm stellen.<br />

Die Ofentemperatur auf 250° C erhöhen.<br />

Den Bräter bei mittlerer Hitze auf<br />

den Herd stellen und im Bratfett 2 El Mehl<br />

anschwitzen. Konfitüre, Essig, 400 ml kochendes<br />

Wasser und ausgetretenen<br />

Fleischsaft dazugeben und köcheln lassen,<br />

bis die Konsistenz stimmt. Inzwischen<br />

ein 12er-Muffinblech mit Pflanzenöl<br />

einfetten und im Ofen vorheizen. In einem<br />

Krug 100 g Mehl und 1 Prise Salz mit den<br />

Eiern verquirlen. Nach und nach die Milch<br />

unterrühren. Den Teig drei Viertel hoch in<br />

die Vertiefungen des Muffinblechs giessen<br />

und 10 Minuten im Ofen backen, bis er<br />

goldbraun und aufgegangen ist. Die Rinderbrust<br />

tranchieren oder in Stücke zerpflücken,<br />

die Hälfte als Rest zurücklegen.<br />

Den Braten mit der Sauce, Kartoffeln, Gemüse<br />

und den Yorkies servieren.<br />

© 2013 Jamie Oliver<br />

Zutaten:<br />

2 kg Rinderbrust<br />

Olivenöl<br />

2 grosse Zwiebeln<br />

2 TL Senf<br />

1 Bund frischer<br />

Rosmarin (30 g)<br />

1,5 kg Kartoffeln<br />

500 g Karotten<br />

1 Steckrübe<br />

1 EL Butter<br />

140 g Mehl<br />

2 EL Rotweinessig<br />

1 EL Schwarze-Johannisbeer-Konfitüre<br />

Pflanzenöl<br />

2 grosse Eier<br />

100 ml fettarme Milch<br />

© Jamie Oliver Enterprises Limited, Foto: David Loftus


48 | WETTBEWERB Books Nr. 2/2014 VERANSTALTUNGEN | 49<br />

Das Literatur-Kreuzworträtsel<br />

Unter den richtigen Lösungen verlosen wir Gutscheinkarten von Orell Füssli Thalia:<br />

1. Preis: CHF 200.–, 2. Preis: CHF 100.–, 3. Preis: CHF 50.–, 4. bis 10. Preis: je CHF 20.–.<br />

MAI<br />

27.<br />

Thalia Basel 20 h<br />

Veranstaltungen<br />

4.<br />

7.<br />

Stauffacher Bern 15 h<br />

Kinderkiste – Erzähl- und Bastelstunde<br />

Stauffacher Bern 10 h<br />

7.<br />

Thalia Bern 17.30 h<br />

«Über das Sammeln und Aufbewahren»<br />

Berner WissenschaftsCafé; öffentlicher Vortrag<br />

und Diskussion<br />

26. Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />

Märlischtund<br />

AUGUST<br />

30.<br />

Märlischtund<br />

Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />

Children’s Hour<br />

SEPTEMBER<br />

27.<br />

«Blocher braucht die SP – als<br />

Gegner»<br />

Buchvernissage mit Helmut Hubacher<br />

Thalia Bern 20 h<br />

10.<br />

23.<br />

Kunsteisbahn Margarethen Basel 18.30 h<br />

«Zwei Eisclowns erobern die Welt<br />

– Buddy Elias und Otti Rehorek»<br />

Buchvernissage mit Peter Bollag<br />

Thalia Bern 20 h<br />

3. Stauffacher Bern 20 h<br />

«Morgengeschichten»<br />

Buchvernissage mit Pedro Lenz<br />

✁<br />

Lösungswort:<br />

Vorname / Name<br />

«Noah»<br />

Einzige Schweizer Lesung mit Sebastian Fitzek<br />

31.<br />

Märlischtund<br />

31.<br />

Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />

Stauffacher Bern 15 h<br />

«Bierwandern – Die erfrischendste<br />

Art, die Schweiz zu entdecken»<br />

Buchpräsentation und Bierdegustation mit<br />

Monika Saxer<br />

JUNI<br />

2.<br />

2.<br />

Thalia Bern 17.30 h<br />

«Findet uns das Glück?»<br />

Berner WissenschaftsCafé; öffentlicher<br />

Vortrag und Diskussion<br />

Rösslitor St. Gallen 20 h<br />

Literaturcafé mit der Frauenzentrale<br />

25.<br />

«Weit weg und ganz nah»<br />

Einzige Schweizer Lesung mit Jojo Moyes<br />

Stauffacher Bern 15 h<br />

L’heure qui conte – lectures pour<br />

les enfants<br />

28. Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />

Märlischtund<br />

JULI<br />

2.<br />

5.<br />

Kramhof Zürich 18-19 h<br />

Signierstunde mit Starkoch<br />

Andreas Caminada<br />

Stauffacher Bern 10 h<br />

Children’s Hour<br />

6.<br />

Kramhof Zürich 13-15 h<br />

Theo der Bär besucht die Kinderwelt<br />

27.<br />

Märlischtund<br />

Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />

OKTOBER<br />

4.<br />

Kramhof Zürich 13-15 h<br />

Theo der Bär besucht die Kinderwelt<br />

25.<br />

Märlischtund<br />

Orell Füssli Frauenfeld 10.30 h<br />

Adresse<br />

Bis zum 15. Juli 2014 in einer Filiale von Orell Füssli, Thalia, Stauffacher, ZAP oder bei<br />

Rösslitor Bücher abgeben – oder per E-Mail senden an: books@books.ch.<br />

Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt.<br />

PLZ / Ort<br />

E-Mail<br />

Mehr Veranstaltungen finden Sie auf www.books.ch, www.thalia.ch und www.buch.ch


50 | KOLUMNE Books Nr. 2/2014 LANDESMUSEUM | 51<br />

Schweizer Autorinnen und<br />

Autoren erzählen in Books,<br />

warum sie schreiben.<br />

Heute: Isolde Schaad<br />

Lorna hat ihren Vater getötet und weiss<br />

nicht warum. Wer ist Lorna? Ein weltläufig<br />

sich produzierendes Neutrum, das etwas in<br />

mir ausbrütet, von dem ich bisher keinen<br />

Dunst hatte. Es ist ja so, dass Sprache uns<br />

anspringt, uns Autorinnen und Autoren, die<br />

hellhörig sind für den Klang, den Rhythmus<br />

von Sätzen, daraus ist die konkrete Poesie<br />

entstanden oder in Frankreich der Nouveau<br />

roman. Ich bin hingegen eine unverbesserliche<br />

Realistin, die der nahen und fernen Umgebung<br />

den Puls fühlt.<br />

Lorna hat ihren Vater getötet: ein Satz, der<br />

eine Behauptung enthält, die man hochtrabend<br />

gesagt dekonstruieren kann. Da guckt<br />

mir bereits Vater Freud über die Schulter<br />

und näselt: Sonnenklar, diese Lorna ist dein<br />

Über-Ich, das führt endlich aus, was im Unbewussten<br />

deiner Teenagerjahre schwelte.<br />

Unsinn, entgegne ich, und bitte nimm die<br />

Pfeife aus dem Mund, bevor du mit mir<br />

sprichst. Vatermorde sind etwas für Söhne<br />

und nichts für mich.<br />

Ein Vorname reicht für eine Kolumne – an<br />

einer These bossle ich gern ein paar Stunden<br />

herum. Wie aber, wenn diese Lorna<br />

nach vierzehn Tagen noch immer in meiner<br />

Hirnrinde spukt? Wenn ich sie reflektierend<br />

nicht erledigen konnte, oder soll ich drastischer<br />

meucheln sagen, denn das ist ja das<br />

Fatale und gleichzeitig Faszinierende an unserm<br />

Beruf, er ködert unsere niederen Instinkte,<br />

er kitzelt unsere geheimsten Wünsche,<br />

bis wir sie schliesslich literarisch<br />

ausreizen, sie schreibend gestehen; unser<br />

Beruf macht uns zu all dem, was Erziehung<br />

und Anstand uns im wirklichen Leben versagen.<br />

Der Krimi-Boom ist ein Symptom dafür.<br />

Das brave, mittelprächtige Helvetien<br />

generiert jene Giftmischerinnen, Raufbolde,<br />

Mörderinnen, Banditen und Killer, die locker<br />

in unserem Schreibhändchen sitzen<br />

und den günstigsten Moment abwarten, um<br />

uns in die Tasten zu springen. Und jetzt also<br />

diese Lorna, von der es heisst, sie habe ihren<br />

Vater umgebracht. Ich ahne bereits, warum<br />

sie das tat, sie will ein grosses Ding gedreht<br />

haben und mich hinterher zu ihrer Komplizin<br />

machen. Mit antiker Grossspurigkeit will<br />

sie mir ihren Freud unterjubeln, den ich<br />

eben los geworden bin. Diese Hexe stellt sich<br />

schon im Morgengrauen vor mich hin, wenn<br />

ich somnambul in die Küche tappe, um dort<br />

am Beruhigungstee zu nippen, den ich um<br />

Mitternacht stehen liess.<br />

Lorna scheint demnach mein Schreibschicksal<br />

zu werden. In diesem Fall braucht<br />

sie einen Nachnamen, zum Beispiel Meredith,<br />

klingt gut, Lorna Meredith enthält<br />

schon ein Versprechen, sie könnte eine Unternehmensberaterin<br />

aus Detroit sein, frisch<br />

geschieden und zu allem bereit. Ich muss sie<br />

wochenlang ertragen: die Inkubationszeit<br />

der werdenden Prosa. Nachdem sie mich<br />

verführt hat, wird sie mir ihre wahre Identität<br />

eröffnen: Sie ist die Wiedergängerin von<br />

Penthesilea in der zigsten Generation, die<br />

Königin der Amazonen, die nach Amerika<br />

auswanderte, bevor der neue Kontinent entdeckt<br />

worden ist.<br />

Wieso Detroit? Da buchstabiere ich besser<br />

zurück und verpflanze die Geschichte in<br />

eine europäische Metropole, die uns die soziale<br />

Kontrolle erspart. Die britische Kapitale<br />

mit ihrem Influx bietet sich an: ein Schauplatz,<br />

der weitläufig und reichhaltig genug<br />

ist, um vielen Schreibenden zu dienen. Jetzt<br />

bin ich also in London mit zwei Wörtern, die<br />

Namen sind. Sie liefen mir zu, vielleicht aus<br />

der Werbung oder aus dem Blättern in einem<br />

Kioskroman am Flughafen, den ich<br />

dann liegen liess: Sie müssen einen Grund<br />

haben, der in meiner eigenen Biografie begraben<br />

liegt. Namen sind Futterale, die man<br />

uns überzieht, das scheint für die meisten<br />

Menschen ein automatischer Vorgang zu<br />

sein, ich aber habe eine Jugend lang damit<br />

gehadert. Daher geht es in dieser Story darum,<br />

zu erfahren, ob Namen Schicksale haben,<br />

ob sie sogar Schicksal sind.<br />

Wenn das Leitmotiv steht, sagt mir das Erzählen<br />

selbst, wo es lang will. Das ist die<br />

Eigendynamik des Schreibens, sie ist das<br />

eigentliche Glück der Autorin. Als Abenteuer,<br />

das losgelöst von Zeit und Raum im Kopf der<br />

Verfasserin spielt. Das Ergebnis heisst «Unmässige<br />

Klimazone» und beginnt auf Seite<br />

83 in meinem neuen Buch.<br />

Isolde Schaad<br />

Isolde Schaad, 69, studierte Kunstgeschichte,<br />

Ethnologie und Publizistik an den<br />

Universitäten von Zürich und Cambridge.<br />

1984 erschien ihr Debüt «Knowhow am<br />

Kilimandscharo». Soeben wurde sie für ihr<br />

publizistisches und literarisches Schaffen<br />

mit der Ehrennadel des Kantons Zürich<br />

ausgezeichnet. Ihr neues Buch:<br />

Am Äquator<br />

267 Seiten<br />

CHF 37.90<br />

Limmat<br />

© AYSE YAVAS<br />

RAUS.<br />

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vorbehalten<br />

Erhältlich in folgenden Buchhandlungen:<br />

Orell Füssli, Rösslitor, Thalia, Stauffacher und ZAP sowie bei Thalia.ch und Buch.ch

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