Das Gymnasium in Rheinland-Pfalz 1-2008 - Philologenverband ...
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DAS<br />
1/2010<br />
GYMNASIUM<br />
I N R H E I N L A N D - P F A L Z<br />
Vertreterversammlung 2009<br />
Für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem<br />
mit e<strong>in</strong>em starken <strong>Gymnasium</strong><br />
Z E I T S C H R I F T D E S P H I L O L O G E N V E R B A N D E S R H E I N L A N D - P F A L Z
2<br />
I N H A LT Vertreterversammlung 2009<br />
Zu diesem Heft<br />
Josef Zeimentz 3<br />
E<strong>in</strong>leitung 4<br />
Rede des Landesvorsitzenden<br />
Malte Blümke 5<br />
Grußwort<br />
Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß (SPD) 11<br />
Vortrag<br />
Josef Kraus (Präsident des Deutschen Lehrerverbandes) 15<br />
Impressum/E<strong>in</strong> besonderer Dank … 24<br />
Wahlen zum<br />
Geschäftsführenden Vorstand 25<br />
Leitanträge 26<br />
Zu den E<strong>in</strong>zelanträgen 28<br />
Ehrungen 33<br />
Pressemitteilung 35<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 Z U D I E S E M H E F T 3<br />
Sehr geehrte Leser<strong>in</strong>nen und Leser,<br />
liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen,<br />
Josef Zeimentz<br />
Am 12. und 13. November 2009 fand die Vertreterversammlung des<br />
<strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
statt. Die Vertreterversammlung ist das höchste Organ des Gymnasiallehrerverbandes<br />
und wird im Turnus von zwei Jahren e<strong>in</strong>berufen. Delegierte<br />
aus allen Gymnasien, Gesamtschulen, Kollegs und Studiensem<strong>in</strong>aren<br />
für das Lehramt an Gymnasien <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> nehmen an<br />
dieser Versammlung teil. Sie wählen satzungsgemäß den Geschäftsführenden<br />
Vorstand des Verbandes und legen die grundsätzliche Verbandspolitik<br />
für die nächsten zwei Jahre fest. Dazu haben die Schulgruppen<br />
des Verbandes <strong>in</strong> den Wochen vor der Versammlung Anträge<br />
e<strong>in</strong>gereicht, die vom Plenum beraten und abgestimmt werden.<br />
Neben diesem parlamentarischen Teil der Vertreterversammlung ist<br />
es seit vielen Jahren e<strong>in</strong> guter Brauch, dass an e<strong>in</strong>em der Nachmittage<br />
e<strong>in</strong>e Festveranstaltung zu e<strong>in</strong>em bildungs- oder berufspolitischen Thema<br />
durchgeführt wird. In diesem Jahr konnte als Festredner der Präsident<br />
des Deutschen Lehrerverbandes (DL) Josef Kraus gewonnen<br />
werden. Er sprach zum Thema »<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> – Erfolgsmodell und<br />
soziale Leistungsschule«.<br />
Wir haben für Sie auf den folgenden Seiten e<strong>in</strong>e Dokumentation des<br />
Verlaufs und der Beschlüsse der Delegiertenversammlung zusammengetragen.<br />
Ebenso s<strong>in</strong>d die Ansprache des neuen Vorsitzenden des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, Malte Blümke, zur Eröffnung der<br />
Festveranstaltung und das Grußwort der Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß<br />
sowie der Vortrag des DL-Präsidenten Josef Kraus im Wortlaut wiedergegeben.<br />
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.<br />
Josef Zeimentz<br />
Heft 1/2010
4<br />
E I N L E I T U N G Vertreterversammlung 2009<br />
Für e<strong>in</strong> differenziertes<br />
Schulsystem mit e<strong>in</strong>em<br />
starken <strong>Gymnasium</strong><br />
Festveranstaltung am 12. November 2009<br />
Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß, <strong>in</strong> Vertretung der Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris<br />
Ahnen, und Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter der Landtagsparteien<br />
sowie Mitglieder des M<strong>in</strong>isteriums, aber auch Vertreter der befreundeten<br />
Berufsverbände und Gäste aus der Region waren am Nachmittag<br />
des ersten Tages der Delegiertenversammlung nach Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
angereist, um an der Festveranstaltung teilzunehmen.<br />
<strong>Das</strong> Motto der Vertreterversammlung und dieser Festveranstaltung<br />
lautete »Für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem mit e<strong>in</strong>em starken <strong>Gymnasium</strong>«.<br />
Im Mittelpunkt des Nachmittages stand der häufig durch viel Beifall<br />
unterbrochene Festvortrag von Josef Kraus, Präsident des Deutschen<br />
Lehrerverbandes (DL). Er sprach zum Thema »<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong><br />
– Erfolgsmodell und soziale Leistungsschule«. Zu Beg<strong>in</strong>n der<br />
Festveranstaltung begrüßte der neu gewählte Landesvorsitzende<br />
des <strong>Philologenverband</strong>es, Malte Blümke, die Gäste und hielt e<strong>in</strong> paar<br />
Eckpunkte fest, die <strong>in</strong> der gegenwärtigen Schul- und Bildungspolitik<br />
e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen und die Arbeit des Berufsverbandes der<br />
Gymnasiallehrer kennzeichnen. Ihm folgte Staatssekretär<strong>in</strong> Vera<br />
Reiß <strong>in</strong> Vertretung der Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em Grußwort an<br />
die Festversammlung. Auch sie g<strong>in</strong>g auf die aktuelle bildungspolitische<br />
Entwicklung aus der Sicht der Landesregierung e<strong>in</strong>. Nach e<strong>in</strong>em<br />
musikalischen Zwischenspiel der Big Band des Peter-Joerres-<br />
<strong>Gymnasium</strong>s Bad Neuenahr-Ahrweiler, die mit ihren sehr gekonnten<br />
Musikvorträgen unter der Leitung von Kollege Jürgen Bunse den gesamten<br />
Nachmittag musikalisch umrahmte, folgte dann der Festvortrag<br />
des DL-Präsidenten Josef Kraus.<br />
Auf den folgenden Seiten f<strong>in</strong>den Sie alle drei Vorträge im Wortlaut<br />
abgedruckt.<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N 5<br />
Bildung ist ohne Bildungspolitik<br />
nicht denkbar<br />
Landesvorsitzender Malte Blümke<br />
Begrüßungsrede des Landesvorsitzenden Malte Blümke zur Festveranstaltung im<br />
Rahmen der Vertreterversammlung 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
Me<strong>in</strong>e Damen und Herren,<br />
liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen,<br />
ich begrüße Sie sehr herzlich zu der<br />
Festveranstaltung des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, die wir unter<br />
das Motto gestellt haben: »Für e<strong>in</strong> differenziertes<br />
Schulsystem mit e<strong>in</strong>em starken<br />
<strong>Gymnasium</strong>«. In den vergangenen<br />
Jahren wurden Sie an dieser Stelle von<br />
unserem Landesvorsitzenden Max Laveuve<br />
begrüßt, der seit 1995 den Landesverband<br />
geführt hat und heute Morgen<br />
zum Ehrenvorsitzenden des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> gewählt<br />
wurde.<br />
Sie als unsere Gäste haben heute Nachmittag<br />
zwei Geme<strong>in</strong>samkeiten:<br />
1. Sie haben – <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />
Funktionen – den Weg des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
und damit den Weg<br />
des <strong>Gymnasium</strong>s zum Teil seit längerer<br />
Zeit begleitet.<br />
2. Sie alle engagieren sich, an unterschiedlichen<br />
Orten und <strong>in</strong> Ihren jeweiligen<br />
Funktionen, für die Bildung<br />
von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen, von<br />
jungen Menschen und tragen damit<br />
e<strong>in</strong>e große Verantwortung für die Zukunft.<br />
<strong>Das</strong>s dies an den Gymnasien des Landes<br />
erfolgreich geschieht, hat uns soeben<br />
die Big Band des Peter-Joerres-<br />
<strong>Gymnasium</strong>s Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
unter der Leitung von Oberstudienrat<br />
Jürgen Bunse exemplarisch bewiesen.<br />
Herzlichen Dank dafür, wir freuen uns<br />
schon jetzt auf zwei weitere Beiträge<br />
der Big Band.<br />
Bildung ist ohne Bildungspolitik nicht<br />
denkbar. Hier werden die Weichen gestellt<br />
und vor allen D<strong>in</strong>gen die notwendigen<br />
Ressourcen bereit gestellt. Wir<br />
s<strong>in</strong>d überhaupt nicht traurig darüber,<br />
dass der rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Landtag<br />
se<strong>in</strong>e für heute geplante Landtagssitzung<br />
abgesagt hat. Im Gegenteil. <strong>Das</strong><br />
verschafft mir den Vorteil, als Vertreter<br />
der Legislative die CDU-Landtagsabgeordnete<br />
und bildungspolitische Sprecher<strong>in</strong><br />
der CDU-Fraktion, Bett<strong>in</strong>a<br />
Dickes, und den Fraktionsvorsitzenden<br />
der FDP-Landtagsfraktion, Herbert Mert<strong>in</strong>,<br />
herzlich begrüßen zu können.<br />
Es ist e<strong>in</strong>e gute Tradition, dass als Vertretung<br />
der Exekutive Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />
Doris Ahnen zu uns kommt und <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Grundsatzgrußwort die Bildungspolitik<br />
<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> erläutert. Sie<br />
wird heute vertreten durch die charmante<br />
Staatssekretär<strong>in</strong> im Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />
Vera Reiß. Bei der letzten Vertreterversammlung<br />
<strong>in</strong> Kaiserslautern<br />
hat Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris Ahnen<br />
Heft 1/2010
6<br />
R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N Vertreterversammlung 2009<br />
zum Schluss gesagt, wir wüssten ja<br />
nicht, was wir dem Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />
alles zu verdanken hätten; sie<br />
me<strong>in</strong>te damit natürlich den Erhalt des<br />
<strong>Gymnasium</strong>s und auch e<strong>in</strong>ige berufspolitische<br />
Entscheidungen, die wir natürlich<br />
gerne würdigen, wie auch den<br />
konstruktiven Dialog, den wir seit Jahren<br />
mit der M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> und den Vertreter<strong>in</strong>nen<br />
und Vertretern des Bildungsm<strong>in</strong>isteriums<br />
pflegen. Dies gilt vor allem<br />
für die Gymnasialabteilung im Bildungsm<strong>in</strong>isterium,<br />
die durch deren<br />
Leiter<strong>in</strong> Barbara Mathea und Dr.<br />
Klaus Sundermann vertreten wird.<br />
Wenn es um die Umsetzung der Regierungsvorstellungen<br />
geht, kommt die<br />
Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />
<strong>in</strong>s Spiel, hier darf ich den Leiter<br />
der Schulabteilung der ADD, Thomas<br />
Bartholomé, und Hans Beckmann<br />
und Michael Mosbach von der Schulaufsicht<br />
der ADD begrüßen.<br />
Der Lehrerfortbildung kommt <strong>in</strong> den<br />
Zeiten der Veränderung des Bildungswesens<br />
e<strong>in</strong>e wachsende Bedeutung<br />
zu, die wir immer wieder für das<br />
<strong>Gymnasium</strong> sehr deutlich e<strong>in</strong>fordern<br />
und heute adressieren können an den<br />
Leiter des IFB, Jochen Mogler. Die<br />
nicht-staatlichen Lehrerfortbildungs<strong>in</strong>stitute<br />
werden wichtiger, weil wir mit<br />
ihnen unsere Vorstellungen immer<br />
besser realisieren können, deshalb<br />
darf ich Torsten Schambortski vom Institut<br />
für Lehrerfort- und -weiterbildung<br />
Ma<strong>in</strong>z/ILF herzlich begrüßen.<br />
Als Vertretung der Eltern begrüßen<br />
wir Günter Amman für den Elternvere<strong>in</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> und Ralf Quirbach<br />
vom Landeselternbeirat.<br />
Malte Blümke während se<strong>in</strong>er Ansprache bei der Vertreterversammlung des <strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
im November 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
Vom Deutschen <strong>Philologenverband</strong><br />
darf ich den Ehrenvorsitzenden Bernhard<br />
Fluck begrüßen, den Verfasser<br />
des Standardwerkes »<strong>Gymnasium</strong>,<br />
Auftrag und Fortschritt. Deutscher<br />
<strong>Philologenverband</strong> und <strong>Gymnasium</strong><br />
im 19. und 20. Jahrhundert« und den<br />
Schatzmeister des Deutschen <strong>Philologenverband</strong>es<br />
und Mitglied des Geschäftsführenden<br />
Vorstandes Andreas<br />
Bartsch. Der Präsident des Deutschen<br />
Lehrerverbandes, Oberstudiendirektor<br />
Josef Kraus, sei herzlich gegrüßt,<br />
er wird gleich den heutigen Festvortrag<br />
halten.<br />
Von unserem Dachverband, dem dbb,<br />
ist Helmut Kremer zu uns gekommen,<br />
vom Deutschen Altphilologenverband<br />
Hartmut Loos, vom Deutschen Geografenverband<br />
Georg Mäschig, von<br />
der Landesdirektorenvere<strong>in</strong>igung<br />
OSTD Werner Schuff. Herzlich begrüßen<br />
wir von dem Deutschen Realschullehrerverband<br />
Wolfgang Wünschel<br />
und Wolfgang Här<strong>in</strong>g, mit denen<br />
wir schon seit Jahrzehnten eng und<br />
vertrauensvoll zusammenarbeiten,<br />
und Barbara Kuch vom VBE-Landesverband<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>.<br />
Stellvertretend für den <strong>Philologenverband</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> begrüße ich<br />
die Ehrenvorsitzenden Hubert<br />
Schmitz und Max Laveuve, die Ehrenmitglieder<br />
Ursula Päßler, Ursula<br />
Riedel, Marie-Luise Prüm, Egon Born,<br />
Ra<strong>in</strong>er Gierlich, Arno Ochsenreither,<br />
Horst Schädlich, Rudolf Schu und Rudolf<br />
Vallendar, die Mitglieder der<br />
Gremien des Verbandes und der Bezirke.<br />
Der <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> wurde bei den Personalratswahlen<br />
im Mai 2009 von den rund 11000<br />
Lehrkräften an den Gymnasien, Kollegs<br />
und gymnasialen Studiensem<strong>in</strong>aren<br />
mit mehr als 75 Prozent der Stimmen<br />
gewählt. Ähnlich sieht das Ergebnis<br />
bei den Schulpersonalräten aus.<br />
Wir können deshalb mit Recht <strong>in</strong> Anspruch<br />
nehmen, dass wir die Gymnasien<br />
repräsentieren. Auch an den Integrierten<br />
Gesamtschulen haben uns<br />
die überwiegende Zahl der Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen<br />
und Gymnasiallehrer<br />
gewählt. Deshalb begrüße ich mit großer<br />
Freude die Personalräte der Gymnasien<br />
und der entsprechenden Bezirks-<br />
und Hauptpersonalräte.<br />
Normalerweise kommt man nach Bad<br />
Neuenahr-Ahrweiler, weil hier e<strong>in</strong><br />
sehr guter Rotwe<strong>in</strong> wächst, oder weil<br />
man das Klima und Heilwasser<br />
schätzt oder weil man die Spielbank<br />
besuchen will.<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009<br />
R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N<br />
7<br />
Wir s<strong>in</strong>d nach Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
gekommen, weil es e<strong>in</strong> hervorragender<br />
Bildungsstandort ist – mit den<br />
drei Gymnasien vor Ort: Are-<strong>Gymnasium</strong>,<br />
Peter-Joerres-<strong>Gymnasium</strong> und<br />
dem <strong>Gymnasium</strong> auf dem Calvarienberg.<br />
Stellvertretend für die Schulen<br />
aus der ganzen Region darf ich deren<br />
Schulleiter, OSTD Hans-Dietrich Laubmann,<br />
OSTD Helmut Rausch und<br />
OSTD Ulrich Schült<strong>in</strong>g begrüßen.<br />
Zu Beg<strong>in</strong>n der Festveranstaltung haben<br />
wir die Schüler-Big Band aus Bad<br />
Neuenahr-Ahrweiler gehört. Wenn die<br />
Pläne des damaligen Kultusm<strong>in</strong>isters<br />
<strong>in</strong> den achtziger Jahren – Frau Staatssekretär<strong>in</strong><br />
Reiß, dies war vor Ihrer<br />
Zeit – zur Schließung e<strong>in</strong>es <strong>Gymnasium</strong>s<br />
<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler wahr<br />
geworden wären, dann hätten wir diese<br />
hervorragende Schüler-Big Band<br />
möglicherweise heute nicht hören<br />
können. Der <strong>Philologenverband</strong> hat<br />
damals die Schließung des <strong>Gymnasium</strong>s<br />
verh<strong>in</strong>dern können, und das war<br />
auch gut so!<br />
Mit dem Begrüßungsmarathon ist es<br />
wie bei e<strong>in</strong>em echten Marathonlauf.<br />
Manches will man erreichen, manches<br />
schafft man nicht; natürlich habe<br />
ich jetzt e<strong>in</strong>ige vergessen, der e<strong>in</strong>e<br />
oder andere, die e<strong>in</strong>e oder andere ist<br />
vielleicht (noch) nicht anwesend; dafür<br />
schon jetzt e<strong>in</strong>e Entschuldigung<br />
und der H<strong>in</strong>weis auf die Gästeliste.<br />
Seit 1991 hat die Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris<br />
Ahnen verantwortliche Positionen<br />
im Bildungsm<strong>in</strong>isterium übernommen.<br />
Heute leitet sie das Superm<strong>in</strong>isterium<br />
Bildung, Wissenschaft, Jugend<br />
und Kultur und ist als profilierte Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />
auch Sprecher<strong>in</strong> für<br />
die SPD-Bildungspolitik der Länder.<br />
Es ist nicht neu, dass die SPD <strong>in</strong>tegrative<br />
Schulsysteme präferiert, aktuell<br />
spricht man von längerem geme<strong>in</strong>samem<br />
Lernen. Ich glaube, dass es<br />
nicht falsch ist, wenn wir formulieren,<br />
dass Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Ahnen und<br />
auch Staatssekretär<strong>in</strong> Reiß heute<br />
Nachmittag <strong>in</strong> der Dialektik der Begriffe<br />
Freiheit und Gleichheit für die Pole<br />
Gerechtigkeit und Gleichheit im Bildungsbereich<br />
stehen.<br />
Deshalb ist es spannend, dass wir mit<br />
dem heutigen Festredner Josef Kraus,<br />
dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes,<br />
e<strong>in</strong>en Gegenpol haben,<br />
der sich selbst als bildungspolitisch<br />
konservativ bezeichnet. Josef Kraus<br />
setzt auf die Pr<strong>in</strong>zipien Leistung und<br />
Eigenverantwortung und im Zweifelsfall<br />
gibt er dem Pr<strong>in</strong>zip Freiheit den<br />
Vorrang vor dem Pr<strong>in</strong>zip Gleichheit.<br />
Josef Kraus ist bekannt durch öffentliche<br />
Auftritte <strong>in</strong> Funk und Fernsehen<br />
und vor allem durch se<strong>in</strong>e Buchveröffentlichungen<br />
zur Bildungspolitik. In<br />
se<strong>in</strong>em neuesten Buch »Ist die Bildung<br />
noch zu retten?« setzt sich Josef<br />
Kraus <strong>in</strong> gewohnt prägnanter Weise<br />
mit den Fehlentwicklungen der deutschen<br />
Bildungspolitik ause<strong>in</strong>ander. Er<br />
nennt das Buch auch e<strong>in</strong>e Streitschrift.<br />
Deshalb freuen wir uns auf<br />
den heutigen Vortrag »<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong><br />
– Erfolgsmodell und soziale Leistungsschule«.<br />
Me<strong>in</strong>e Damen und Herren,<br />
liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen,<br />
genau vor zwanzig Jahren hat unsere<br />
Vertreterversammlung <strong>in</strong> Trier stattgefunden.<br />
Ich weiß es noch, als wäre es<br />
gestern gewesen, welche Begeisterung<br />
<strong>in</strong> unseren Reihen herrschte, als der<br />
Versammlungsleiter Arno Ochsenreither<br />
am Morgen des 10. November<br />
1989 verkündete, dass <strong>in</strong> der vergangenen<br />
Nacht die Mauer gefallen sei.<br />
Dies war e<strong>in</strong> denkwürdiger Tag, ich<br />
würde den 9. November auch zum<br />
Tag der Deutschen E<strong>in</strong>heit ausrufen –<br />
und nicht den 3. Oktober. Auch ist<br />
dieser Tag e<strong>in</strong> Beweis für die Wichtigkeit<br />
des Faches Geschichte im Fächerkanon<br />
für alle Schularten.<br />
Sogenanntes längeres geme<strong>in</strong>sames<br />
Lernen soll gegen den<br />
Willen der Mehrheit der Bevölkerung<br />
durchgesetzt werden.<br />
Natürlich haben wir uns sofort <strong>in</strong>tensiv<br />
mit dem Schulsystem der DDR beschäftigt,<br />
der zehnklassigen, allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />
polytechnischen<br />
Oberschule (POS) und der sich daran<br />
anschließenden zweijährigen Erweiterten<br />
Oberschule (EOS). Im Laufe<br />
der neunziger Jahre wurde das e<strong>in</strong>heitliche<br />
sozialistische Bildungssystem<br />
der ehemaligen DDR überwunden,<br />
so dass bei den jüngsten PISA-Erhebungen<br />
Sachsen und Thür<strong>in</strong>gen mit<br />
Bayern und Baden-Württemberg die<br />
Spitzengruppe bildeten.<br />
Es kl<strong>in</strong>gt jetzt wie e<strong>in</strong>e Ironie der Geschichte,<br />
wenn die durch die E<strong>in</strong>führung<br />
der gegliederten Schulsysteme<br />
errungenen Fortschritte mit tatkräftiger<br />
Unterstützung der PDS-Nachfolgepartei<br />
»Die L<strong>in</strong>ke« und der SPD durch<br />
die Verlängerung der Grundschulzeit<br />
um zwei Jahre <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Brandenburg<br />
und Mecklenburg-Vorpommern konterkariert<br />
werden. Der bildungspolitische<br />
Veränderungsdrang hat jetzt sogar<br />
im Westen mit tatkräftiger Unterstützung<br />
der Grünen die CDU und Teile<br />
der FDP befallen, wenn <strong>in</strong> Hamburg<br />
und im Saarland das längere geme<strong>in</strong>same<br />
Lernen <strong>in</strong> der Schule gegen den<br />
Willen der Betroffenen durchgesetzt<br />
werden soll. Wir ahnen schon, dass<br />
als nächste Kampagne die Forderung<br />
nach der geme<strong>in</strong>samen Schule für alle<br />
und die vollständige Abschaffung des<br />
gegliederten Schulwesens über die<br />
Zwischenstufe des zweigliedrigen<br />
Schulsystems folgen wird. Wenn <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> zukünftig die Plätze an den<br />
Gymnasien ausgelost werden sollen,<br />
dann s<strong>in</strong>d wir zwar weit entfernt von<br />
den Auslesemechanismen zur Erweiterten<br />
Oberschule der ehemaligen<br />
DDR, die nach Klassenzugehörigkeit<br />
Heft 1/2010
8<br />
R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N Vertreterversammlung 2009<br />
erfolgte, aber das Zufallspr<strong>in</strong>zip ist<br />
nicht weniger ungerecht und <strong>in</strong>effektiv.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs will ich Ihnen nicht vorenthalten,<br />
was der Berl<strong>in</strong>er Schulsenator<br />
Prof. Dr. Jürgen Zöllner zur nächste<br />
Woche <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>denden Vertreterversammlung<br />
des Deutschen <strong>Philologenverband</strong>es<br />
geschrieben hat: »Die<br />
Schulform <strong>Gymnasium</strong> ist nach wie<br />
vor die beliebteste Schulform <strong>in</strong><br />
Deutschland.« »Die Erfolgsgeschichte<br />
des <strong>Gymnasium</strong>s hat nach der Wende<br />
auch <strong>in</strong> den neuen Bundesländern ihre<br />
Fortsetzung gefunden. <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong><br />
ist auch dort mittlerweile fest<br />
verankert.« <strong>Das</strong> Angebot des <strong>Gymnasium</strong>s<br />
nennt er das attraktivste Programm<br />
für e<strong>in</strong>en breiten Anteil der jugendlichen<br />
Bevölkerung; das <strong>Gymnasium</strong><br />
kann als älteste aller Schulformen<br />
zu e<strong>in</strong>em Zukunftsmodell <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Bildungssystem unserer Zeit<br />
werden. Dazu können wir nur sagen:<br />
Wenn er Recht hat, hat er Recht!<br />
Sogar »Der Spiegel« spricht neuerd<strong>in</strong>gs<br />
anerkennend vom Mythos <strong>Gymnasium</strong>.<br />
Nach der neuesten repräsentativen<br />
Forsa-Umfrage sprechen sich<br />
63 Prozent der Bevölkerung für den<br />
Erhalt des bisherigen gegliederten<br />
Schulsystems aus.<br />
Die Gymnasien <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> werden gegenüber <strong>in</strong>tegrierten<br />
Systemen benachteiligt.<br />
In Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> werden durch die<br />
neue Schulstrukturreform die Hauptschule<br />
und die sehr erfolgreiche Realschule<br />
abgeschafft und durch die Realschule<br />
plus ersetzt, ergänzt durch<br />
die erhebliche Ausweitung der Integrierten<br />
Gesamtschule. <strong>Das</strong> bedeutet,<br />
dass es außerhalb des <strong>Gymnasium</strong>s<br />
vorwiegend <strong>in</strong>tegrierte Schulsysteme<br />
gibt, dass die Probleme der Hauptschule<br />
nicht gelöst werden, dass die<br />
geme<strong>in</strong>samen Orientierungsstufen<br />
In der ersten Reihe v.l. Hubert Schmitz (Ehrenvorsitzender <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>), Andreas<br />
Bartsch, Geschäftsführender Vorstand Deutscher <strong>Philologenverband</strong>), Barbara Mathea, M<strong>in</strong>isterium für<br />
Bildung, Wissenschaft. Jugend und Kultur Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, Thomas Bartholomé, ADD Trier<br />
zwischen Realschule und <strong>Gymnasium</strong><br />
zukünftig auf alle bisherigen Schularten<br />
zwangsweise ausgeweitet werden,<br />
dass die Gymnasien angehalten werden,<br />
weitere <strong>in</strong>tegrierte Orientierungsstufen<br />
e<strong>in</strong>zurichten, und dass die<br />
Gymnasien <strong>in</strong> der Unterrichtsversorgung<br />
weiter benachteiligt werden. Die<br />
Gymnasien <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> haben<br />
mit 2,5 Prozent strukturellem Unterrichtsausfall<br />
den höchsten Unterrichtsausfall<br />
aller allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />
Schulen und mit durchschnittlich 27,2<br />
Schülern pro Klasse die höchsten<br />
Klassengrößen. Wir wissen auch, dass<br />
der strukturelle Unterrichtsausfall<br />
und der tatsächliche Unterrichtsausfall<br />
wesentlich höher als offiziell angegeben<br />
s<strong>in</strong>d.<br />
Der Beruf des Gymnasiallehrers<br />
und der Gymnasiallehrer<strong>in</strong> muss<br />
wieder attraktiver werden.<br />
Als erster Lehrerverband hat der<br />
<strong>Philologenverband</strong> schon frühzeitig<br />
vor dem drohenden Lehrermangel<br />
gewarnt. Wenn heute beklagt wird,<br />
dass wir nicht die nötigen Gymnasiallehrkräfte<br />
auf dem Lehrerarbeitsmarkt<br />
gew<strong>in</strong>nen können, dann hat<br />
das auch mit Fehlern <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
zu tun, wie die geplante Absenkung<br />
der E<strong>in</strong>gangsbesoldung, zu<br />
ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>stellungs- und Ausbildungsquoten,<br />
Nullrunden bei den<br />
Tarifverhandlungen, zu ger<strong>in</strong>ge Aufstiegsmöglichkeiten,<br />
Verschlechterung<br />
der Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen. Wir<br />
warnen e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich davor, die entstandenen<br />
Lücken mit nicht voll ausgebildeten<br />
(Gymnasial)Lehrkräften<br />
zu stopfen. Wenn jemand beispielsweise<br />
Modedesign an der Fachhochschule<br />
studiert hat, dann ist er ke<strong>in</strong>eswegs<br />
qualifiziert für den Unterricht<br />
am <strong>Gymnasium</strong>. Ich lass mir<br />
doch auch nicht e<strong>in</strong> Haus von e<strong>in</strong>em<br />
Kunstlehrer bauen (rechtlich g<strong>in</strong>ge<br />
das auch gar nicht), weil ich weiß,<br />
dass er sich <strong>in</strong> der Barockarchitektur<br />
auskennt.<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009<br />
R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N<br />
9<br />
E<strong>in</strong> öffentliches E<strong>in</strong>heitsschulsystem<br />
ist nicht gerecht.<br />
Die demografische Entwicklung und<br />
das soziale Argument, die so genannte<br />
Bildungsgerechtigkeit, werden als<br />
Argumente für die Veränderung der<br />
Schullandschaft immer wieder angeführt.<br />
Dagegen haben alle nationalen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Studien der letzten<br />
Jahre und Jahrzehnte die leistungsmäßige<br />
Überlegenheit des differenzierten<br />
Schulsystems gegenüber<br />
<strong>in</strong>tegrierten Systemen bewiesen.<br />
Auch stimmt die Behauptung nicht,<br />
dass das gegliederte Schulwesen <strong>in</strong><br />
Deutschland e<strong>in</strong> sozial selektives<br />
Schulwesen sei. Im Gegenteil. Josef<br />
Kraus hat darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass<br />
nirgendwo die so genannte soziale Selektivität<br />
größer ist als <strong>in</strong> Ländern, <strong>in</strong><br />
denen es e<strong>in</strong> öffentliches E<strong>in</strong>heitsschulsystem<br />
und kostenpflichtige Privatschulen<br />
gibt.<br />
Die Beschwichtigungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />
und Gegenwart durch die<br />
SPD-Landtagsfraktion, bildungspolitischen<br />
Sprecher der SPD, das Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />
und die ADD, das<br />
<strong>Gymnasium</strong> sei doch gar nicht betroffen<br />
und der <strong>Philologenverband</strong> solle<br />
sich nicht so aufregen, konnten und<br />
können unsere Bedenken ke<strong>in</strong>eswegs<br />
zerstreuen. Wir haben den E<strong>in</strong>druck,<br />
dass be<strong>in</strong>ahe nach e<strong>in</strong>em Masterplan<br />
die Schulbaustelle Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
systematisch so organisiert wird, dass<br />
das gegliederte Schulwesen abgeschafft<br />
und die Integration zwischen<br />
den Schularten vor der nächsten<br />
Landtagswahl 2011 mit aller Macht vorangezutreiben<br />
werden soll. Schulgesetz,<br />
Schulordnung, Orientierungsrahmen,<br />
Agentur für Qualitätssicherung,<br />
Bildungsstandards, Rahmenlehrpläne,<br />
Stundentafeln, geme<strong>in</strong>same Orientierungsstufe,<br />
das geplante E<strong>in</strong>heits<strong>in</strong>stitut<br />
zur Lehrerfortbildung, das nach eigenen<br />
Aussagen ganz bewusst die<br />
Schularten nicht abbilden soll, das<br />
neue Fach Naturwissenschaften (Nawi)<br />
s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>ige Stichworte dazu.<br />
<strong>Das</strong> Haus der »schönen neuen<br />
Lehrerbildung« ist heute e<strong>in</strong>e<br />
Ru<strong>in</strong>e.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs können wir nicht von e<strong>in</strong>er<br />
geordneten Schulbaustelle Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> sprechen. Eher entsteht der E<strong>in</strong>druck<br />
e<strong>in</strong>er Chaos-Schulbaustelle, vor<br />
allem wenn man die Lehrerbildung<br />
näher betrachtet. Mit welchen Parolen,<br />
Erwartungen und Visionen wurde<br />
die Neue Lehrerbildung vom damaligen<br />
Bildungsm<strong>in</strong>ister Jürgen Zöllner<br />
angekündigt! Alles sollte besser werden:<br />
Die Studiendauer sollte erheblich<br />
verkürzt werden, die Fachdidaktik<br />
und Bildungswissenschaften sollten<br />
ohne Kürzung der Fachwissenschaften<br />
ausgeweitet werden, die erste<br />
Phase durch umfangreiche Praktika<br />
mit der 2. Phase s<strong>in</strong>nvoll verbunden<br />
werden, das BA/MA-Strukturmodell<br />
sollte Durchlässigkeit und Polyvalenz<br />
ermöglichen. Mit der »Schönen neuen<br />
Lehrerbildung«, die vom damaligen<br />
Bildungsm<strong>in</strong>ister als Quantensprung<br />
<strong>in</strong> der Lehrerbildung bezeichnet wurde,<br />
sollten die Schulen <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> Spitze werden.<br />
<strong>Das</strong> Haus der neuen Lehrerbildung ist<br />
dagegen heute e<strong>in</strong>e Ru<strong>in</strong>e, hektische<br />
Reparaturmaßnahmen können nicht<br />
verschleiern, dass die Neue Lehrerbildung<br />
so nicht machbar ist. Die zahlreichen<br />
Änderungen <strong>in</strong> der neuen Lehrerbildung<br />
zeigen, dass unsere immer<br />
wieder vorgebrachte Kritik an der<br />
konsekutiven Lehrerbildung <strong>in</strong> vollem<br />
Umfang bestätigt wird. In der Tat ist<br />
die Bachelor/Master-Struktur, die im<br />
Zuge der Bologna-Beschlüsse umgesetzt<br />
werden sollte, gescheitert. Die<br />
angestrebte Polyvalenz und Studienzeitverkürzung<br />
s<strong>in</strong>d Fiktion. Die Fachwissenschaften<br />
werden reduziert, das<br />
Lehramtsstudium wird von den Fachwissenschaften<br />
abgekoppelt. Die Universitäten<br />
s<strong>in</strong>d nicht annähernd <strong>in</strong><br />
der Lage, die vorgeschriebenen Angebote<br />
<strong>in</strong> der Fachdidaktik, den Bildungswissenschaften<br />
und den Praktika<br />
weder quantitativ noch qualitativ<br />
zu erfüllen. Die strukturellen Probleme<br />
s<strong>in</strong>d völlig ungelöst und werden<br />
durch die Übergangsphase, <strong>in</strong> der<br />
drei verschiedene Lehramtsstudiengänge<br />
zeitgleich verlaufen, noch verschärft.<br />
<strong>Das</strong> alles wird nicht zu e<strong>in</strong>er Studienzeitverkürzung<br />
beitragen. Im Gegenteil:<br />
das Bildungsm<strong>in</strong>isterium hat <strong>in</strong>zwischen<br />
schon die Studiendauer für<br />
das Lehramt an Realschulen plus um<br />
e<strong>in</strong> Semester von acht Semestern auf<br />
neun Semester angehoben und geht<br />
somit e<strong>in</strong>en weiteren Schritt zum E<strong>in</strong>heitslehrer.<br />
Die Hauptbegründung für die neue<br />
Lehrerbildung ist die stärkere Verzahnung<br />
von wissenschaftlicher und<br />
schulpraktischer Ausbildung. In dem<br />
dualen Studien- und Ausbildungskonzept<br />
der Lehrerbildung <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> spielen die verpflichtenden<br />
Schulpraktika die Schlüsselrolle. Weitgehend<br />
vernachlässigt hat das Bildungsm<strong>in</strong>isterium,<br />
wie die Studierenden<br />
an den Schulen betreut werden<br />
sollen. Wie soll das Ganze geschehen?<br />
Durch die sogenannten »Praktikumsbetreuenden<br />
Personen«, die nur m<strong>in</strong>imale<br />
Entlastungen erhalten sollen,<br />
und die Erf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er neuen E<strong>in</strong>richtung<br />
der so genannten »Praktikumsfachleitungen«.<br />
Es wird endlich Zeit, die ganze reformierte<br />
Lehrerbildung auf den Prüfstand<br />
zu stellen. Dabei sollten die<br />
Fachwissenschaften von Anfang an<br />
schulartspezifisch ausgerichtet se<strong>in</strong>,<br />
die Module <strong>in</strong> den Bildungswissenschaften<br />
müssten gründlich überarbeitet<br />
und abgespeckt werden, die<br />
Heft 1/2010
10<br />
R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N Vertreterversammlung 2009<br />
v.l.n.r. Bettt<strong>in</strong>a Dickes, MdL, CDU-Landtagsfraktion, Herbert Mert<strong>in</strong>, Mdl, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion,<br />
Bernhard Fluck, Ehrenvorsitzender Deutscher <strong>Philologenverband</strong>, Max Laveuve, Ehrenvorsitzender<br />
<strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, Josef Kraus, DL-Präsident<br />
Praktikantenbetreuung seriös und umfassend<br />
geregelt werden, die Zahl der<br />
Praktika muss von sieben auf vier reduziert<br />
werden, das Referendariat<br />
muss m<strong>in</strong>destens achtzehn Monate<br />
umfassen.<br />
Die Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen und<br />
Gymnasiallehrer <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
leisten hervorragende Arbeit.<br />
Sehr geehrte Frau Staatssekretär<strong>in</strong>,<br />
ich habe anfangs darauf h<strong>in</strong>gewiesen,<br />
dass wir sehr wohl differenzieren<br />
können und auch die positiven Punkte<br />
sehen. Wenn die Gymnasien <strong>in</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> bei PISA 2006 im<br />
bundesweiten Vergleich der Gymnasien<br />
im Lesen, <strong>in</strong> Naturwissenschaften<br />
und <strong>in</strong> der Mathematik die Plätze<br />
2, 3 und 7 belegen, dann zeigt dies,<br />
dass die Gymnasien leistungsfähig<br />
und funktionsfähig s<strong>in</strong>d. Wir haben<br />
gymnasiale Stundentafeln mit M<strong>in</strong>deststundenansätzen<br />
für die Fächer,<br />
wir haben e<strong>in</strong>e moderate Schulzeitverkürzung<br />
G8/GTS, die wahrlich<br />
ke<strong>in</strong> Sparmodell ist, das fakultative<br />
Ganztagsschulmodell kann ebenfalls<br />
überzeugen, ebenfalls die 2. Fremdsprache<br />
<strong>in</strong> der Klasse 6; die Vergleichsuntersuchungen<br />
Vera 8 auszusetzen,<br />
war e<strong>in</strong>e gute Entscheidung.<br />
Vera Reiß ist uns lieber als Vera 8!<br />
Auch hat das Land <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
beachtliche Anstrengungen <strong>in</strong><br />
der Berufspolitik unternommen:<br />
Rund 2300 Lehrkräfte und rund 1500<br />
Referendar<strong>in</strong>nen und Referendare<br />
wurden e<strong>in</strong>gestellt, drei neue gymnasiale<br />
Studiensem<strong>in</strong>are wurden beschlossen,<br />
1000 Beförderungen zum<br />
Oberstudienrat und 370 Beförderungen<br />
auf A 15-Funktionsstellen vorgenommen,<br />
die Altersteilzeit wurde<br />
verlängert, die Verbeamtungsgrenze<br />
wird auf 45 Jahren angehoben, die so<br />
genannte Effizienzrendite wird an<br />
den Schulen ausgesetzt, das bedeutet,<br />
dass alle frei werdenden Stellen<br />
wieder besetzt werden können.<br />
In der Frage der Oberstufenreform<br />
stimmen wir weitgehend mit den Vorschlägen<br />
des Bildungsm<strong>in</strong>isteriums<br />
übere<strong>in</strong>, auch <strong>in</strong> der Frage des Zentralabiturs<br />
s<strong>in</strong>d wir mit Ihnen (noch)<br />
e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung, dass das rhe<strong>in</strong>landpfälzische<br />
Abitur sehr wohl vergleichbar<br />
und qualitätsvoll ist und dass andere<br />
Länder erst e<strong>in</strong>mal nachweisen<br />
müssen, dass durch e<strong>in</strong> Zentralabitur<br />
und – wenn ja durch welche Form des<br />
Zentralabiturs – bessere Abiturergebnisse<br />
erzielt werden können.<br />
Die Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen und Gymnasiallehrer<br />
<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> leisten<br />
hervorragende Arbeit, dies sollte<br />
auch e<strong>in</strong>mal öffentlich anerkannt werden.<br />
<strong>Das</strong> ist auch nicht nur e<strong>in</strong>e Frage<br />
des Geldes, sondern auch e<strong>in</strong>e Frage<br />
des Berufsethos. Wir arbeiten gerne<br />
im <strong>Gymnasium</strong> und engagieren uns<br />
für unsere Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler,<br />
setzen uns e<strong>in</strong> für Begabungsgerechtigkeit<br />
und Chancengleichheit und<br />
leisten damit e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag<br />
für unsere Gesellschaft und unser<br />
Land. Kont<strong>in</strong>uität, Vertrauen, Zuverlässigkeit<br />
<strong>in</strong> der Bildungspolitik und<br />
gute Rahmenbed<strong>in</strong>gungen mit voller<br />
Unterrichtsversorgung durch gut ausgebildete<br />
qualifizierte Gymnasiallehr<strong>in</strong>nen<br />
und Gymnasiallehrer, kle<strong>in</strong>eren<br />
Klassen, zusätzlichen Anrechnungsstunden<br />
und Aufstiegsmöglichkeiten<br />
s<strong>in</strong>d die dafür notwendigen Voraussetzungen.<br />
Hier gibt es <strong>in</strong> der Tat<br />
noch e<strong>in</strong>iges zu tun.<br />
Frau Staatssekretär<strong>in</strong>, wir bitten um<br />
Verständnis, dass wir unsere Sorge<br />
um die Zukunft des <strong>Gymnasium</strong>s sehr<br />
offen dargestellt haben, wir s<strong>in</strong>d ja<br />
quasi unter uns.<br />
Für konstruktive Lösungen zum Wohle<br />
des <strong>Gymnasium</strong>s s<strong>in</strong>d wir immer<br />
gesprächsbereit!<br />
Vielen Dank!<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 G R U S S W O R T 11<br />
Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß (SPD),<br />
M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Wissenschaft,<br />
Jugend und Kultur Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
Die aktuelle bildungspolitische<br />
Entwicklung aus<br />
Sicht der Landesregierung<br />
Sehr verehrte Damen und Herren,<br />
es ist schon lange und gute Tradition,<br />
dass die Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> oder bei<br />
deren Verh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> Vertretung die<br />
Staatssekretär<strong>in</strong>, an dieser Veranstaltung<br />
teilnimmt, und ich darf Ihnen die<br />
allerbesten Grüße ausrichten.<br />
Wie Sie wissen, s<strong>in</strong>d der <strong>Philologenverband</strong><br />
und das Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />
nicht immer e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung darüber,<br />
wie die Schulen und <strong>in</strong>sbesondere die<br />
Gymnasien sich weiterentwickeln sollten,<br />
aber da halte ich es mit e<strong>in</strong>em deutschen<br />
Publizisten, der e<strong>in</strong>mal sagte:<br />
»Gelungene Kritik ist immer auch das<br />
Bemühen um e<strong>in</strong>en Dialog.« Und auch<br />
diese Veranstaltung ist e<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />
mit Ihnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Dialog über die Frage<br />
e<strong>in</strong>zutreten, was das Beste für unsere<br />
K<strong>in</strong>der und Jugendlichen ist, für die wir<br />
geme<strong>in</strong>sam Verantwortung tragen.<br />
Reformen erzeugen Skepsis<br />
<strong>Das</strong>s <strong>in</strong> der letzten Zeit die Dialoge und<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzungen über diese Frage<br />
etwas <strong>in</strong>tensiver ausgefallen s<strong>in</strong>d, ist sicher<br />
auch der Tatsache geschuldet,<br />
dass strukturelle Veränderungen immer<br />
zunächst e<strong>in</strong>mal Skepsis und Argwohn<br />
hervorrufen. So ist es mit aktuellen<br />
Schulstrukturreformen, und so war es –<br />
wenn man zurückschaut – mit allen<br />
strukturellen Reformen im Schulbereich.<br />
Ich möchte e<strong>in</strong>mal aus e<strong>in</strong>er Veranstaltung<br />
des <strong>Philologenverband</strong>es zitieren:<br />
»Die e<strong>in</strong>en fürchteten die Zerstörung<br />
dessen, was sie erhalten wollten,<br />
wie es war; die anderen sahen e<strong>in</strong>e besonders<br />
fe<strong>in</strong>e List, die unter dem Deckmantel<br />
der Reform das <strong>Gymnasium</strong> stabilisieren<br />
sollte. Dazwischen schillert ... an<br />
den Schulen e<strong>in</strong> breites Spektrum der<br />
Missverständnisse, Befürchtungen, enttäuschter<br />
Hoffnungen und resignierender<br />
Erfahrungen, gespeist aus der Innenschau<br />
der Schule, gesellschaftlichem<br />
Druck ..., schul- und gesellschaftspolitischen<br />
Veränderungen.« 1 <strong>Das</strong> kl<strong>in</strong>gt sehr<br />
aktuell, ist aber mehr als dreißig Jahre<br />
alt. <strong>Das</strong> Zitat stammt aus dem E<strong>in</strong>führungsvortrag<br />
zum 29. Gemener Kongress<br />
1977. Die damalige Situation ist<br />
der heutigen sehr vergleichbar. Diskutiert<br />
wurde über die Pläne der nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen<br />
Landesregierung, e<strong>in</strong>e<br />
so genannte »Kooperative Schule«<br />
e<strong>in</strong>zuführen und über die damals neue<br />
Idee der »Orientierungsstufe«. Wobei<br />
man dazu sagen muss, dass mit Orientierungsstufe<br />
ursprünglich der geme<strong>in</strong>-<br />
1 Aus dem E<strong>in</strong>führungsvortrag zum 29. Gemener<br />
Kongress von Ernst Tilly, Vorsitzender des Kuratoriums<br />
Gemener Kongress<br />
Heft 1/2010
12<br />
G R U S S W O R T Vertreterversammlung 2009<br />
same Unterricht aller Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schüler geme<strong>in</strong>t war.<br />
Damals Kooperative Schule und Orientierungsstufe<br />
– heute Realschule<br />
plus und geme<strong>in</strong>same Orientierungsstufe<br />
zwischen Realschule plus und<br />
<strong>Gymnasium</strong>. Damals wie heute geht<br />
es darum, was die Reformen für das<br />
<strong>Gymnasium</strong> bedeuten und damit letztlich<br />
auch um den Bildungsauftrag des<br />
<strong>Gymnasium</strong>s. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>e sehr bedeutsame<br />
Diskussion, und es ist<br />
durchaus Aufgabe e<strong>in</strong>es Lehrerverbandes,<br />
der die Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen<br />
und -lehrer vertritt, solche Diskussionen<br />
mit zu führen und Entscheidungsprozesse<br />
kritisch-konstruktiv<br />
zu begleiten. Auch da möchte ich<br />
noch e<strong>in</strong>mal aus dem Gemener Kongress<br />
von 1977 zitieren, wo der Kuratoriumsvorsitzende<br />
se<strong>in</strong>en Vortrag mit<br />
den Worten schloss: »Wenn der Kongress<br />
dazu beitragen kann, dass bei aller<br />
Polarisierung die unverzichtbaren<br />
Geme<strong>in</strong>samkeiten zum Wohl der uns<br />
anvertrauten Schüler erhalten bleiben<br />
und dass Lehrer bereit s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>nvolle<br />
Reformen weiter zu wagen, dann ist<br />
das optimale Ziel dieser Tagung erreicht.«<br />
Dem kann ich mich nur anschließen.<br />
Lassen Sie uns bei allen<br />
Gegensätzen die Diskussionen <strong>in</strong> diesem<br />
S<strong>in</strong>ne führen!<br />
Die Schulstrukturreform<br />
<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
In den letzten zwei Jahren wurde vonseiten<br />
des <strong>Philologenverband</strong>es immer<br />
wieder beklagt, dass die Schulstrukturreform<br />
e<strong>in</strong>en Abbau des gegliederten<br />
Schulwesens bedeute, und<br />
es wurde vorhergesagt, dass die neue<br />
Schulart ke<strong>in</strong>e Akzeptanz f<strong>in</strong>den werde,<br />
dass vielmehr e<strong>in</strong> Ansturm auf die<br />
Gymnasien e<strong>in</strong>setzen werde.<br />
Fangen wir e<strong>in</strong>mal mit dem Letzteren<br />
an: Der Ansturm auf die Gymnasien<br />
ist e<strong>in</strong>deutig ausgeblieben – das hat<br />
auch der <strong>Philologenverband</strong> zugestanden.<br />
Vielmehr hat die Realschule<br />
plus e<strong>in</strong>e ganz erfreuliche Resonanz<br />
und Akzeptanz gefunden. Die fünften<br />
Klassen der zu Schuljahresbeg<strong>in</strong>n neu<br />
gestarteten 122 Realschulen plus werden<br />
aktuell von mehr als 8600 Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schülern besucht, das entspricht<br />
e<strong>in</strong>er durchschnittlichen 3-Zügigkeit.<br />
Für die fünften Klassen der<br />
Gymnasien s<strong>in</strong>d mit <strong>in</strong>sgesamt rund<br />
16 800 Fünftklässlern weniger Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schüler angemeldet worden<br />
als im Vorjahr.<br />
Es wird <strong>in</strong> Deutschland künftig Probleme<br />
geben, den steigenden Bedarf an<br />
qualifizierten Arbeitskräften zu decken.<br />
Die Nachfrage nach Akademiker<strong>in</strong>nen<br />
und Akademikern wird weiter<br />
steigen, die Nachfrage nach ger<strong>in</strong>ger<br />
qualifizierten Arbeitskräften zurückgehen.<br />
Deshalb müssen wir alle geme<strong>in</strong>sam<br />
größte Anstrengungen unternehmen,<br />
um alle K<strong>in</strong>der und Jugendlichen<br />
bestmöglich zu fördern und so<br />
mehr als bisher zu höheren Schulabschlüssen<br />
zu führen. Dabei besteht<br />
die wesentliche Herausforderung <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Flächenland wie Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> dar<strong>in</strong>, demografiefeste Strukturen<br />
zu entwickeln. <strong>Das</strong> bedeutet konkret:<br />
K<strong>in</strong>der müssen auch künftig <strong>in</strong><br />
zumutbarer Entfernung von ihrem<br />
Wohnort die Möglichkeit haben, alle<br />
Schulabschlüsse zu erwerben.<br />
Und weil K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrer Lernentwicklung<br />
sehr unterschiedlich s<strong>in</strong>d, müssen<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schulsystem unterschiedliche<br />
Förderkonzepte und<br />
Schulkonzepte angeboten werden.<br />
Deshalb wollen wir, dass Eltern <strong>in</strong> zumutbarer<br />
Entfernung von ihrem<br />
Wohnort die Wahl zwischen <strong>in</strong>tegrativen<br />
Systemen und Systemen mit Ausrichtung<br />
auf bestimmte Schulabschlüsse<br />
haben. Aus diesem Grund<br />
werden Realschulen plus <strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrativer<br />
und <strong>in</strong> kooperativer Form, d.h. mit<br />
abschlussbezogenen Klassen, errichtet.<br />
Aus diesem Grund werden e<strong>in</strong>erseits<br />
neue Integrierte Gesamtschulen<br />
gegründet und die Gymnasien stellen<br />
die zweite wichtige Säule der Zweigliedrigkeit<br />
dar.<br />
Wertschätzung der Gymnasien<br />
Me<strong>in</strong>e Damen und Herren, ich möchte<br />
es an dieser Stelle auch e<strong>in</strong>mal<br />
ganz deutlich sagen: Sie können es als<br />
Zeichen der Wertschätzung der Gymnasien<br />
und ihrer pädagogischen Arbeit<br />
ansehen, dass die Gymnasien<br />
auch <strong>in</strong> der neuen Schulstruktur unverändert<br />
e<strong>in</strong>en wichtigen Platz e<strong>in</strong>nehmen<br />
und flächendeckend entsprechend<br />
dem Bedarf ausgebaut werden.<br />
Alle<strong>in</strong> im laufenden Schuljahr s<strong>in</strong>d<br />
vier neue Gymnasien und fünf neue<br />
berufliche Gymnasien gestartet.<br />
Daneben haben wir e<strong>in</strong>en besonderen<br />
Schwerpunkt im Bereich der ästhetisch-kulturellen<br />
Bildung gesetzt,<br />
<strong>in</strong>dem zum Schuljahr 2010/2011 <strong>in</strong> Al-<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009<br />
G R U S S W O R T<br />
13<br />
zey e<strong>in</strong> Landeskunstgymnasium starten<br />
wird. Damit wird neben dem Landesmusikgymnasium,<br />
das schon seit<br />
vielen Jahren für musikalisch besonders<br />
begabte Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />
e<strong>in</strong> qualitativ hochwertiges Angebot<br />
bereithält, nun auch im Bereich<br />
der Bildenden Kunst e<strong>in</strong> vergleichbarer<br />
Schwerpunkt gesetzt.<br />
Überschriften wie »Mit e<strong>in</strong>er weiteren<br />
Benachteiligung des <strong>Gymnasium</strong>s<br />
muss jetzt Schluss se<strong>in</strong>!« 2 erwecken e<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>druck, der sachlich e<strong>in</strong>fach<br />
nicht korrekt ist.<br />
Die Stärken und Erfolge der pädagogischen<br />
Arbeit an den Gymnasien stehen<br />
für mich außer Zweifel – und sie<br />
werden auch <strong>in</strong> der Öffentlichkeit und<br />
<strong>in</strong> der Landespolitik wahrgenommen.<br />
Erfolge der Gymnasien<br />
<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
So s<strong>in</strong>d zum Beispiel die Erfolge bei<br />
der Begabtenförderung oder im<br />
MINT-Bereich höchst erfreulich und<br />
durchaus e<strong>in</strong> Markenzeichen für<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>. Ich denke etwa daran,<br />
dass bislang schon zwölf rhe<strong>in</strong>land-pfälzische<br />
Gymnasien nach e<strong>in</strong>em<br />
bundesweiten Auswahlverfahren<br />
den Titel MINT-EC-Schule (Mathematisch-naturwissenschaftliches<br />
Excellence-Center)<br />
führen dürfen. <strong>Das</strong> ist<br />
e<strong>in</strong> im Ländervergleich beachtlicher<br />
Erfolg, und zwar nicht nur quantitativ,<br />
sondern auch qualitativ. In dem alle<br />
zwei Jahre stattf<strong>in</strong>denden Wettbewerb<br />
für MINT-EC-Schulen »Siemens<br />
Award« , <strong>in</strong> dem die überzeugendsten<br />
pädagogischen und methodischen<br />
Konzepte ausgezeichnet werden, s<strong>in</strong>d<br />
rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Gymnasien immer<br />
unter den Siegern. Im letzten<br />
Jahr g<strong>in</strong>gen drei von zehn Preisen<br />
2 Überschrift des »gelben Briefs« vom 11. September<br />
2009; Thema: die neue VV Unterrichtsorganisation,<br />
die angeblich die Gymnasien massiv benachteiligt.<br />
nach Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong><br />
wirklich beachtlicher Erfolg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
zukunftsrelevanten Bereich.<br />
<strong>Das</strong>s die rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Schulen,<br />
und besonders die Gymnasien,<br />
auch im »Kerngeschäft« von Schule,<br />
beim Kompetenzerwerb aller Schüler<strong>in</strong>nen<br />
und Schüler, erfolgreich s<strong>in</strong>d,<br />
bestätigen die <strong>in</strong>ternationalen Tests.<br />
Ohne die Ergebnisse überbewerten zu<br />
wollen, kann man es schon als Erfolg<br />
ansehen, dass Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> über<br />
alle Schularten h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong> PISA 2006<br />
im Vergleich zu den beiden ersten PI-<br />
SA-Durchgängen <strong>in</strong> den Jahren 2000<br />
und 2003 <strong>in</strong> allen drei untersuchten<br />
Aufgabenfeldern deutliche Kompetenzzuwächse<br />
verzeichnen konnte,<br />
die jeweils über dem bundesweiten<br />
Zuwachs lagen. Bei den Platzierungen<br />
der Bundesländer liegt Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> <strong>in</strong> allen drei untersuchten Aufgabenfeldern<br />
im ersten Drittel. Die Gymnasien<br />
nehmen <strong>in</strong> den Naturwissenschaften<br />
und im Lesen mit e<strong>in</strong>em dritten<br />
und e<strong>in</strong>em zweiten Platz sogar<br />
Spitzenpositionen e<strong>in</strong>. Dabei muss<br />
man sagen, dass die Lesekompetenz<br />
<strong>in</strong> den Gymnasien auch <strong>in</strong> den vorherigen<br />
Studien hoch war. In den Naturwissenschaften<br />
und <strong>in</strong> Mathematik<br />
dagegen s<strong>in</strong>d von 2000 über 2003 bis<br />
2006 deutliche Zuwächse zu verzeichnen.<br />
Neben den fachlichen Ergebnissen ist<br />
besonders erfreulich, dass Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> bei der zentralen Frage des Zusammenhangs<br />
zwischen sozialer Herkunft<br />
und Bildungsbeteiligung deutlich<br />
besser abschneidet als noch 2003.<br />
Bei den relativen Chancen, unabhängig<br />
von der sozialen Herkunft e<strong>in</strong><br />
<strong>Gymnasium</strong> zu besuchen, hat Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
die günstigsten Werte unter<br />
den westdeutschen Bundesländern<br />
erzielt. Auch zu diesem erfreulichen<br />
Ergebnis hat die pädagogische Arbeit<br />
an den Gymnasien e<strong>in</strong>en Beitrag geleistet.<br />
Insgesamt kann man bei allen notwendigen<br />
Relativierungen sagen: Die<br />
Ergebnisse der <strong>in</strong>ternationalen Erhebungen<br />
zeigen, dass <strong>in</strong> den Schulen<br />
<strong>in</strong> der Regel sehr gute Arbeit geleistet<br />
wird. Und dafür möchte ich Ihnen,<br />
me<strong>in</strong>e Damen und Herren, und<br />
den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen, die<br />
Sie vertreten, ganz ausdrücklich danken.<br />
Maßnahmen zugunsten<br />
der Gymnasien<br />
Unsere Wertschätzung für die Gymnasien<br />
schlägt sich aber auch <strong>in</strong> ganz<br />
konkreten Maßnahmen nieder. Ich<br />
will exemplarisch nur e<strong>in</strong>ige nennen.<br />
• E<strong>in</strong>e der größten Herausforderungen<br />
<strong>in</strong> Zeiten e<strong>in</strong>es bundesweit problematischen<br />
Lehrkräfte-Arbeitsmarktes<br />
ist die Versorgung der Schulen<br />
mit Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern. <strong>Das</strong> ist<br />
besonders an den Gymnasien<br />
schwierig – zum e<strong>in</strong>en, weil hier<br />
die Gesamtschülerzahlen immer<br />
noch steigen, und zum anderen,<br />
weil sich der fachbezogene Mangel<br />
vor allem außerhalb der Zentren<br />
besonders gravierend bemerkbar<br />
macht. Wir haben große Anstrengungen<br />
unternommen, trotzdem e<strong>in</strong>e<br />
möglichst gute Versorgung aller<br />
Schulen zu erreichen. Mit e<strong>in</strong>er<br />
kont<strong>in</strong>uierlichen E<strong>in</strong>stellungspolitik,<br />
der Schaffung neuer Lehrerstellen,<br />
gezielten Weiterbildungsprogrammen<br />
<strong>in</strong> Mangelfächern und<br />
dem frühzeitigen Start von Seitenund<br />
Quere<strong>in</strong>steigerprogrammen<br />
wurde seit Jahren e<strong>in</strong>e gute Grundlage<br />
geschaffen. <strong>Das</strong> zeigt sich unter<br />
anderem daran, dass die Altersstruktur<br />
<strong>in</strong> den Kollegien im Ländervergleich<br />
sehr günstig aussieht.<br />
In der Altersgruppe der unter Vierzigjährigen<br />
hat Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> den<br />
höchsten Anteil unter allen Ländern.<br />
Heft 1/2010
14<br />
G R U S S W O R T Vertreterversammlung 2009<br />
<strong>Das</strong> wäre e<strong>in</strong>e gute Basis dafür, geme<strong>in</strong>sam<br />
zu überlegen, wo darüber<br />
h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> den Strukturen, der Ausstattung<br />
und der pädagogischen Arbeit<br />
noch Weiterentwicklungsbedarf besteht.<br />
Denn wir alle wissen: Auch e<strong>in</strong><br />
gutes System muss sich weiterentwickeln,<br />
wenn es gut bleiben will. <strong>Das</strong><br />
gilt natürlich für die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
genauso wie für Strukturen<br />
und die Pädagogik.<br />
Schlussbemerkung<br />
Aufmerksame Zuhörer bei den musikalischen E<strong>in</strong>lagen der Big Band<br />
v.l.n.r.: Max Laveuve, Josef Kraus, Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß, Malte Blümke<br />
• Zum 1. Februar 2009 s<strong>in</strong>d 197 Lehrer<strong>in</strong>nen<br />
und Lehrer mit gymnasialem Lehramt<br />
neu e<strong>in</strong>gestellt worden, sechzig<br />
davon waren vorgezogene E<strong>in</strong>stellungen.<br />
Zum 1. August wurden dann<br />
noch e<strong>in</strong>mal 358 Lehrkräfte mit<br />
gymnasialem Lehramt e<strong>in</strong>gestellt.<br />
Durch diese Anstrengungen ist es<br />
gelungen, die Unterrichtsversorgung<br />
der Gymnasien gegenüber<br />
dem letzten Schuljahr noch e<strong>in</strong>mal<br />
zu verbessern; die Soll-Ist-Differenz ist<br />
von 2,8 Prozent im Schuljahr<br />
<strong>2008</strong>/2009 auf 2,5 Prozent <strong>in</strong> diesem<br />
Schuljahr gesunken.<br />
• <strong>Das</strong> alles erfordert natürlich erhebliche<br />
f<strong>in</strong>anzielle Anstrengungen. So s<strong>in</strong>d<br />
im Doppelhaushalt 2009/2010 die<br />
Ausgaben im E<strong>in</strong>zelplan 2009 von<br />
rund 4,4 auf rund 4,8 Milliarden gestiegen<br />
– e<strong>in</strong>e Steigerung um neun<br />
Prozent.<br />
• Die Zahl der Ausbildungsplätze <strong>in</strong> den<br />
gymnasialen Studiensem<strong>in</strong>aren wurde <strong>in</strong><br />
den letzten zehn Jahren von 394 im<br />
Jahr 1999 auf 773 im Jahr <strong>2008</strong> fast<br />
verdoppelt. Und zum 1. August 2009<br />
haben wir mit dem neuen Standort<br />
Landau noch vierzig Ausbildungsplätze<br />
bereitgestellt. Zum 1. Februar<br />
2010 werden achtzig weitere Stellen<br />
an zwei weiteren neuen Standorten<br />
h<strong>in</strong>zukommen.<br />
• Im laufenden Doppelhaushalt s<strong>in</strong>d<br />
134 Stellenhebungen von A 13 nach A 15<br />
vorgenommen worden. <strong>Das</strong> erweitert<br />
erheblich die Möglichkeiten der<br />
Gymnasien, zentrale Aufgaben an<br />
e<strong>in</strong>e Funktionsstelle zu b<strong>in</strong>den und<br />
eröffnet deutlich mehr Lehrkräften<br />
als bisher die Chance e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />
Beförderung.<br />
Ich würde mich sehr freuen, wenn alle<br />
diese Maßnahmen, die darauf abzielen,<br />
an den Gymnasien gute Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />
für die pädagogische<br />
Arbeit zu schaffen, auch vonseiten<br />
der Verbände anerkannt würden.<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne gibt das Thema des<br />
Festvortrags e<strong>in</strong>e gute Zielbeschreibung<br />
für künftige Weiterentwicklungen<br />
vor: <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> – Erfolgsmodell<br />
und soziale Leistungsschule. <strong>Das</strong><br />
gefällt mir sehr gut. <strong>Das</strong>s das <strong>Gymnasium</strong><br />
e<strong>in</strong> Erfolgsmodell ist, zeigt alle<strong>in</strong><br />
schon die gestiegene Nachfrage nach<br />
dieser Schulart. Und was die soziale<br />
Leistungsschule betrifft, so möchte<br />
ich aus e<strong>in</strong>em Artikel <strong>in</strong> der Zeitschrift<br />
des sächsischen <strong>Philologenverband</strong>es<br />
zitieren: »Jede Schule ist e<strong>in</strong>e<br />
soziale Leistungsschule! Es bedarf immer<br />
des Gestaltens und Erfahrens des<br />
spezifischen Spannungsverhältnisses<br />
von Leistung und sozialer Verantwortung.«<br />
3<br />
Ich me<strong>in</strong>e, damit ist sehr gut beschrieben,<br />
was gerade die Weiterentwicklungen<br />
der Gymnasien bestimmen<br />
sollte: ke<strong>in</strong>e Abstriche an den Leistungsanforderungen,<br />
aber deren Ergänzung<br />
durch die Perspektive der sozialen<br />
Verantwortung. Oder anders<br />
ausgedrückt: hoher fachlicher Anspruch<br />
verbunden mit Persönlichkeitsbildung<br />
und Werteerziehung.<br />
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.<br />
3 Dieter Schulz, Prof. em. Dr. phil. Dr. h.c. <strong>in</strong> der<br />
Zeitschrift des PhV SN, 2/<strong>2008</strong><br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 15<br />
<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> –<br />
Erfolgsmodell und soziale<br />
Leistungsschule<br />
DL-Präsident Josef Kraus<br />
Festvortrag von Josef Kraus, Oberstudiendirektor und Präsident des Deutschen<br />
Lehrerverbandes (DL)<br />
In bildungspolitischen Zeiten wie diesen<br />
ist es nicht e<strong>in</strong>fach, e<strong>in</strong>e festliche<br />
Rede zu halten. Wie könnte man auch<br />
feierlich gestimmt se<strong>in</strong>, wenn der Nation<br />
entscheidende bildungspolitische Frage<br />
zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, ob nicht die uniforme,<br />
OECD-gerechte Vollkasko- und Wohlfühl-Schule<br />
mit möglichst 120prozentiger<br />
Abiturientenquote die Schule der<br />
Zukunft se<strong>in</strong> solle?<br />
Pardon! Aber manch real existierende<br />
und real diskutierte Bildungspolitik <strong>in</strong><br />
Deutschland tut so, als müsse sie Wilhelm<br />
von Humboldt nun endgültig an den<br />
Kragen. Folge:<br />
• Die Universitäten werden im Zuge<br />
von »Bologna« entakademisiert und<br />
standardisiert; an die Stelle e<strong>in</strong>er Orientierung<br />
an Wissenschaft treten modulare<br />
workload- und credit-po<strong>in</strong>t-Bildungshäppchen.<br />
• Zugleich werden die Gymnasien von<br />
manchen Leuten umdef<strong>in</strong>iert zu Anstalten,<br />
deren Zweck die möglichst rasche<br />
Abrichtung auf Beruf und Erwerb<br />
ist.<br />
Konzentrieren wir uns auf das <strong>Gymnasium</strong>.<br />
Hier droht – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen deutschen<br />
Ländern mehr, <strong>in</strong> anderen noch etwas<br />
weniger – zu e<strong>in</strong>er »tabula rasa« zu werden,<br />
was e<strong>in</strong>st Gymnasialidee war.<br />
Natürlich hat das <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
langen Vergangenheit und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er gut<br />
zweihundertjährigen Geschichte Wandlungen<br />
erlebt, aber alles <strong>in</strong> allem war<br />
das <strong>Gymnasium</strong> mit se<strong>in</strong>em Anspruch<br />
vertiefter Allgeme<strong>in</strong>bildung bis zuletzt<br />
Flaggschiff, Zugpferd und Leuchtturm, vor allem<br />
aber auch Konstante und soziale<br />
Steigleiter des deutschen Bildungswesens.<br />
<strong>Das</strong> droht vorbei zu se<strong>in</strong>. Teile der Wirtschaft<br />
etwa möchten gymnasiale Bildung<br />
verzweckt, beschleunigt, tauglich für<br />
e<strong>in</strong> Rank<strong>in</strong>g, auf ephemeres Just-<strong>in</strong>-Time-<br />
und Download-Informiertse<strong>in</strong> kapriziert<br />
und auf hohen Abiturienten-Ausstoß<br />
getrimmt sehen.<br />
Mit den Leitl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>er Schulform, die<br />
die erfolgreichste und im Bildungsverständnis<br />
breiteste der Welt wurde, haben<br />
dieser Bildungstechnizismus und dieser<br />
Machbarkeitswahn nur noch wenig zu<br />
tun.<br />
Überhaupt stimmen die Proportionen<br />
nicht mehr. Wilhelm von Humboldt dürfte<br />
gar nicht mehr zur Ruhe kommen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
Gruft <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Tegel, wenn er<br />
manch reale und geplante »gymnasiale«<br />
Bildung an e<strong>in</strong>em Grundsatz mäße, den<br />
er 1792 formulierte: »Der wahre Zweck<br />
des Menschen ist die höchste und pro-<br />
Heft 1/2010
16<br />
VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />
portionierlichste Bildung se<strong>in</strong>er Kräfte<br />
zu e<strong>in</strong>em Ganzen.«<br />
<strong>Das</strong> mag antiquiert kl<strong>in</strong>gen, ist aber<br />
sehr zeitgemäß. »Proportionierlich«<br />
heißt nämlich: Alle Anlagen müssen<br />
gleichermaßen gefördert werden, h<strong>in</strong>sichtlich<br />
der verschiedenen Bildungsbereiche<br />
müssen die Proportionen stimmen.<br />
E<strong>in</strong>e modular-exemplarische Bildung<br />
der <strong>in</strong>haltsleeren Kompetenzen<br />
dagegen wäre nichts anderes als e<strong>in</strong><br />
Fördern e<strong>in</strong>es engen Spezialistentums.<br />
Hier gerieten – wie bei e<strong>in</strong>em<br />
Bodybuilder mit hypertrophiertem Bizeps<br />
und atrophiertem Cortex – die<br />
Proportionen ause<strong>in</strong>ander.<br />
Wer so kritisch argumentiert oder gar<br />
Namen wie Humboldt zitiert, zieht<br />
sich schnell den reflexhaften Vorwurf<br />
zu, er sei rückwärtsgewandt.<br />
Ich antworte darauf: Es s<strong>in</strong>d unsere<br />
schulpolitischen und schulpädagogischen<br />
Debatten <strong>in</strong> Deutschland, zum<strong>in</strong>dest<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen deutschen Ländern,<br />
die völlig außer Tritt geraten s<strong>in</strong>d,<br />
auch wenn sie forsch-verbal-aktionistisch<br />
daherkommen.<br />
Angesagt sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> gewissen quasivisionären<br />
Stuben für »Bildung« ja nur<br />
noch: Assessment, Market<strong>in</strong>g, Educ@tion,<br />
didaktische Hyperl<strong>in</strong>ks, Download-<br />
Wissen, Just-<strong>in</strong>-time-Knowledge usw.<br />
Fehlt nur noch e<strong>in</strong> »Last M<strong>in</strong>ute<br />
Learn<strong>in</strong>g«, wenn dieses Schüler nicht<br />
schon längst erfunden hätten.<br />
Logorrhoe bzw. Graphorrhoe heißt e<strong>in</strong><br />
solches Syndrom – mediz<strong>in</strong>isch weniger<br />
Bewanderte nennen es Geschwätzigkeit.<br />
Karl Kraus, der Wiener Lästerer, würde<br />
dazu sagen: »Es genügt nicht, ke<strong>in</strong>e<br />
Gedanken zu haben; man muss auch<br />
unfähig se<strong>in</strong>, sie auszudrücken.«<br />
Vor allem sche<strong>in</strong>t Controll<strong>in</strong>g und nochmals<br />
Controll<strong>in</strong>g angesagt: TIMSS II,<br />
TIMSS III, PISA 2000 – 2003 – 2006 –<br />
Josef Kraus während se<strong>in</strong>er Rede bei der Vertreterversammlung des <strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
im November 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
2009, PISA-E, IGLU, IGLU-E, DESI, VE-<br />
RA usw. Kurz: Neben der verbal-bildungspolitischen<br />
Hyperventilation<br />
liegt e<strong>in</strong>e progrediente Testeritis vor.<br />
Gegen Bilanzen ist grundsätzlich zwar nichts<br />
e<strong>in</strong>zuwenden. Aber alle<strong>in</strong> vom Pulsund<br />
Fiebermessen wird man nicht gesund<br />
—- außer man ist e<strong>in</strong> Hypochonder.<br />
Außerdem hat man den E<strong>in</strong>druck: Irgende<strong>in</strong>e<br />
pädagogische oder unterrichtsmethodische<br />
Schnapsidee braucht<br />
nur mit PISA begründet werden, dann<br />
steht sie auch schon vor der Heiligsprechung.<br />
Und man hat den E<strong>in</strong>druck, die<br />
nicht enden wollende Schwärmerei<br />
um Schlüsselqualifikationen, um »soft<br />
skills« und um Kern-, Vertikal-, Querschnitts-<br />
und Horizontalkompetenzen<br />
ist der Versuch, die Verzweiflung der <strong>in</strong>haltlichen<br />
Leere zu übertünchen.<br />
Ne<strong>in</strong>, sage ich, e<strong>in</strong> Land, das solche<br />
Debatten <strong>in</strong>szeniert, das obendre<strong>in</strong><br />
se<strong>in</strong>e Schulen medial mit Dummheit pur<br />
umz<strong>in</strong>gelt, <strong>in</strong>dem es etwa die sog. Autobiographien<br />
von silikon-gestylten<br />
Prolo-Promis <strong>in</strong> die vordersten Rangplätze<br />
der Bestsellerlisten und E<strong>in</strong>schaltquoten<br />
hievt … e<strong>in</strong> solches Land<br />
braucht eigentlich ke<strong>in</strong>en PISA-Test mehr.<br />
Genug der weniger festlichen E<strong>in</strong>leitung!<br />
Ernsthaft zum Thema:<br />
<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> – Erfolgsmodell<br />
und soziale Leistungsschule<br />
<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> hat zwei Jahrtausende<br />
Vergangenheit und zwei Jahrhunderte<br />
Geschichte h<strong>in</strong>ter sich. Es ist damit<br />
e<strong>in</strong> wichtiger Teil der europäischen<br />
Kulturgeschichte. Und es ist e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige<br />
Erfolgsgeschichte.<br />
Es waren jedenfalls gymnasiale und<br />
humanistische Revolten gewesen, die<br />
auch im naturwissenschaftlichen,<br />
technologischen und wirtschaftlichen<br />
Bereich die Grundlage für den Aufstieg<br />
des Landes der Dichter, Denker und Erf<strong>in</strong>der<br />
waren:<br />
• Manfred Fuhrmann hat dies 2002 überzeugend<br />
dargestellt: »Die deutsche<br />
Wissenschaft ... vollbrachte im Zeitalter<br />
der humanistischen Gymnasien<br />
Leistungen wie nie zuvor, und<br />
zwar auf allen Gebieten, im Bereich<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 17<br />
der Geistes- und Naturwissenschaften<br />
ebenso wie <strong>in</strong> dem der Technik.«<br />
• Und schon vorher war Thomas Nipperdey<br />
(<strong>in</strong>: Deutsche Geschichte 1800 –<br />
1866) zu dem Ergebnis gekommen:<br />
Die großen deutschen Naturwissenschaftler<br />
waren Zögl<strong>in</strong>ge (und Verteidiger)<br />
dieses <strong>Gymnasium</strong>s … Man<br />
denke etwa an Werner Heisenberg<br />
(1932 Physik-Nobelpreis, + 1976),<br />
der von sich und se<strong>in</strong>en Studenten<br />
sagte, die gymnasiale (humanistische)<br />
Bildung befähige <strong>in</strong> besonderem<br />
Maße zum logischen und zum<br />
schöpferischen Denken.<br />
In den genannten zwei Jahrhunderten<br />
hat das <strong>Gymnasium</strong> gleichwohl zahllose<br />
Reformen, Attacken, Grabgesänge,<br />
Stiftungsdenkschriften, ja Vernichtungsfeldzüge<br />
überstanden – und<br />
zwar recht lebendig überstanden! Gewiss<br />
veränderte sich das <strong>Gymnasium</strong> dadurch,<br />
aber welche Institution tat dies<br />
<strong>in</strong> diesen Zeiträumen nicht – von der<br />
Familie über die Kirche bis h<strong>in</strong> zum<br />
Staat?<br />
Dennoch: <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> ist auch zu<br />
Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhunderts die Konstante<br />
des deutschen Bildungswesens<br />
schlechth<strong>in</strong>. Festzuhalten ist auch:<br />
Nicht die Gesamtschule, sondern das<br />
<strong>Gymnasium</strong> bewerkstelligte die Heranführung<br />
von so genannten Bildungsreserven<br />
an das Abitur. <strong>Das</strong> gilt gerade<br />
auch für das sprichwörtliche katholische<br />
Mädchen vom Lande. Immerh<strong>in</strong><br />
stellen die Mädchen heute das Gros<br />
aller Abiturienten.<br />
Und auch <strong>in</strong> Mitteldeutschland, wo man<br />
die Gymnasien <strong>in</strong> den Jahren ab 1950<br />
aufgelöst hat, erlebte das <strong>Gymnasium</strong><br />
unmittelbar mit der friedlichen Revolution<br />
von 1989 und 1990 se<strong>in</strong>e Renaissance.<br />
Und heute? Heute, <strong>in</strong> Zeiten von PISA,<br />
weist das <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> Deutschland<br />
im <strong>in</strong>ternationalen und im <strong>in</strong>nerdeutschen<br />
Vergleich die mit Abstand besten<br />
PISA-Werte aus. Sehr zum Missfallen<br />
der E<strong>in</strong>heitsschul-Propheten ist<br />
das <strong>Gymnasium</strong> alle<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>en PI-<br />
SA-Werten die erfolgreichste Schulform<br />
der Welt.<br />
<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> Deutschland liefert<br />
sogar über ganz Deutschland h<strong>in</strong>weg<br />
e<strong>in</strong> recht homogenes Leistungsbild.<br />
Jedenfalls fällt auf, dass das allgeme<strong>in</strong>e<br />
Süd-Nord-Gefälle bei den Gymnasien<br />
weniger steil ausgeprägt ist.<br />
(Beim <strong>Gymnasium</strong> s<strong>in</strong>d es 46 PISA-<br />
Punkte Differenz, bei den nichtgymnasialen<br />
Schulformen bis zu 100 PISA-<br />
Punkte.)<br />
Man könnte auch sagen: Gerade das<br />
<strong>Gymnasium</strong> leistet mehr, als es so<br />
manche Schulpolitik überhaupt zulässt.<br />
Dies wiederum hat damit zu tun,<br />
dass es <strong>in</strong> Deutschland ke<strong>in</strong>e Schulform<br />
gibt, deren Identität und deren<br />
Festhalten an Ansprüchen so ausgeprägt<br />
s<strong>in</strong>d wie an den Gymnasien. Man darf<br />
zudem vermuten, dass sich die Gymnasien<br />
sogar <strong>in</strong> so genannten Reformländern<br />
am erfolgreichsten gegen Nivellierungen<br />
zur Wehr gesetzt haben.<br />
Umgekehrt haben die schwächeren<br />
deutschen PISA-Länder mit ihren »Reformen«<br />
der letzten Jahrzehnte eher<br />
die nichtgymnasialen Schulformen<br />
»deformiert«.<br />
<strong>Das</strong> hat übrigens durchaus Auswirkungen<br />
auf die Abitur-Politik, die ja<br />
zum Teil auch e<strong>in</strong>e nicht-gymnasiale<br />
Abitur-Politik ist: Nehmen wir alle<strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Studie aus dem Jahr 2004 von<br />
Olaf Köller und Jürgen Baumert (»Öffnung<br />
von Bildungswegen <strong>in</strong> der Sekundarstufe<br />
II und die Wahrung von Standards<br />
– Analysen am Beispiel der Englischleistungen<br />
von Oberstufenschülern«).<br />
Hier der markante Befund: Die<br />
Chance, e<strong>in</strong>en TOEFL-Wert von 500 zu<br />
erreichen, ist auf e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />
<strong>Gymnasium</strong> siebzehn mal so<br />
hoch wie auf der Oberstufe e<strong>in</strong>er Gesamtschule.<br />
Aber schauen wir <strong>in</strong> die Zukunft! Ich<br />
will sieben gymnasialpolitische und<br />
gymnasialpädagogische Handlungsfelder<br />
skizzieren, auf die es me<strong>in</strong>es Erachtens<br />
<strong>in</strong> den kommenden Jahren und<br />
Jahrzehnten ankommt.<br />
E<strong>in</strong> paar andere Punkte spare ich aus Zeitgründen<br />
aus bzw. erwähne ich nur<br />
kurz:<br />
a) Die Frage nach dem Zugang zum <strong>Gymnasium</strong><br />
sei nur kurz erwähnt. Hier<br />
setze ich schlicht und e<strong>in</strong>fach unser<br />
aller Überzeugung voraus, dass das<br />
<strong>Gymnasium</strong> die Schule für Gymnasialgeeignete<br />
se<strong>in</strong> soll. Diese Eignung<br />
lässt sich am besten an der<br />
objektiven Leistung der Viertklässer<br />
<strong>in</strong> den Fächern Deutsch und<br />
Mathematik ablesen.<br />
b) Aussparen will ich auch die Frage<br />
des Zentralabiturs.<br />
c) Aussparen will ich – aus realpolitischen<br />
Gründen – auch das Thema<br />
G8, das mich <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />
erzürnt hat und das mich immer<br />
noch befürchten lässt, manche Leute<br />
wollten die Eiche des <strong>Gymnasium</strong>s<br />
<strong>in</strong> Deutschland zu e<strong>in</strong>em Bonsai-<strong>Gymnasium</strong><br />
m<strong>in</strong>imieren (siehe<br />
G 6 <strong>in</strong> Hamburg und G 7 im Saarland).<br />
Zu den sieben Handlungsfeldern:<br />
1. <strong>Das</strong> entscheidende Bildungsziel<br />
des <strong>Gymnasium</strong>s ist und<br />
bleibt die Vermittlung e<strong>in</strong>er umfassenden<br />
Allgeme<strong>in</strong>bildung.<br />
Basis dafür ist e<strong>in</strong> breit angelegter Fächerkanon.<br />
Der Fächerkanon, der der<br />
gymnasialen Bildung zugrundeliegt,<br />
unterscheidet sich zwar nur teilweise<br />
bzw. vor allem bei den Sprachen von<br />
dem anderer Schulformen. Die Differenz<br />
aber besteht dar<strong>in</strong>, dass Bil-<br />
Heft 1/2010
18<br />
VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />
dungs<strong>in</strong>halte vertiefter und mit höherem<br />
Abstraktionsgrad behandelt werden<br />
können, Allgeme<strong>in</strong>bildung mith<strong>in</strong> auf<br />
e<strong>in</strong>er breiteren Grundlage angestrebt<br />
wird.<br />
Fächerkanon heißt aber auch: Jeder<br />
Fächer-Mischmasch ist nicht-gymnasial.<br />
Unsere Fächer heißen im wissenschaftlichen<br />
Bereich nicht umsonst<br />
Diszipl<strong>in</strong>en. Sie heißen deshalb Diszipl<strong>in</strong>en,<br />
weil sie das diszipl<strong>in</strong>ierte Erschließen<br />
von Inhalten und nicht e<strong>in</strong><br />
zwischen- und überfachliches Wischiwaschi<br />
anstreben. Nichts gegen Zwischen-<br />
und Überfachlichkeit: Aber<br />
erst muss das konkrete fachliche Wissen<br />
da se<strong>in</strong>, sonst wird aus dem Überfachlichen<br />
zu leicht e<strong>in</strong>e Vernetzung<br />
von Nullmengen.<br />
Als charakteristisch kommt h<strong>in</strong>zu,<br />
dass das <strong>Gymnasium</strong> e<strong>in</strong>e Schule der<br />
Sprachen war und ist. E<strong>in</strong>schließlich<br />
der Muttersprache hat e<strong>in</strong> Gymnasiast<br />
m<strong>in</strong>destens drei, <strong>in</strong> bestimmten Fällen<br />
können es <strong>in</strong>klusive Deutsch fünf<br />
Sprachen se<strong>in</strong>, die auf dem Stundenplan<br />
stehen. Der Vorrang der Sprachen<br />
(hier sehr wohl auch das Late<strong>in</strong>ische)<br />
sowie die Fächer<br />
Religion/Ethik, Geschichte, Kunst und<br />
Musik machen das <strong>Gymnasium</strong> zudem<br />
zu der europäischen Schule par excellence,<br />
denn <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er anderen Schulform<br />
Deutschlands und Europas begegnen<br />
junge Menschen <strong>in</strong> so weitem<br />
Umfang europäischer Kultur.<br />
Natürlich muss das <strong>Gymnasium</strong> angesichts<br />
der vielfach berufenen, <strong>in</strong> manchen<br />
– aber nicht <strong>in</strong> allen – Wissensbereichen<br />
stattf<strong>in</strong>denden Expansion des<br />
Wissens, se<strong>in</strong>en Fächerkanon und se<strong>in</strong>e<br />
Inhalte <strong>in</strong> etwa im Abstand von<br />
zwei bis drei Schülergenerationen auf<br />
den Prüfstand stellen. Dies ist <strong>in</strong> der<br />
Vergangenheit regelmäßig geschehen;<br />
das Ergebnis dieser Überprüfung war<br />
und dürfte freilich auch <strong>in</strong> Zukunft<br />
se<strong>in</strong>: <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> muss nicht allen<br />
fachlichen Moden folgen, denn<br />
das <strong>Gymnasium</strong> hat Inhalte zu vermitteln,<br />
die von Bestand s<strong>in</strong>d; es kann und<br />
muss sich auch angesichts kürzerer<br />
Halbwertszeiten des Wissens <strong>in</strong>haltlich<br />
nicht ständig neu erf<strong>in</strong>den, denn<br />
zum<strong>in</strong>dest der Kernbestand gymnasialer<br />
Bildung – der sprachliche und<br />
kulturelle Kernbestand – zeichnet<br />
sich aus durch e<strong>in</strong> Wissen, das sehr<br />
lange Halbwertszeiten des Wissen hat.<br />
Die auch <strong>in</strong> hoher Schulpolitik verbreitete<br />
quasi-souveräne Schnoddrigkeit,<br />
umfassendes Allgeme<strong>in</strong>wissen<br />
quasi als Sperrmüll abzutun (siehe die<br />
unglückselige Debatte um curriculare<br />
Entrümpelungen), das ist e<strong>in</strong> Symptom<br />
von Halb- oder Unbildung: In dieser<br />
H<strong>in</strong>sicht gilt wohl Theodor Adornos Urteil<br />
von 1959: <strong>Das</strong> Halbverstandene<br />
und Halbgewusste ist nicht die Vorstufe<br />
von Bildung, sondern ihr Todfe<strong>in</strong>d!<br />
Hat man etwa vergessen, dass das<br />
Projekt der Moderne mit dem Motto<br />
»Wissen ist Macht« begann?<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 19<br />
Vor allem aber gilt: Wer nichts weiß,<br />
muss alles glauben. Orwells Big Brother<br />
mit se<strong>in</strong>em Leitspruch »Unwissenheit<br />
ist Stärke« könnte sich von Herzen<br />
nichts mehr wünschen, als Menschen<br />
ohne konkretes Wissen.<br />
Andersherum: Wissen, auch präsentes<br />
Wissen hat mit Mündigkeit zu tun.<br />
Um mündig urteilen zu können, bedarf<br />
es e<strong>in</strong>es breiten Fundus an Wissen,<br />
sonst ist alles blanke Me<strong>in</strong>ung,<br />
bloßes Bauchgefühl, bloße Ges<strong>in</strong>nung.<br />
Es gibt jedenfalls ke<strong>in</strong>e Bildung ohne<br />
Inhalte. Schüler nur qua »Kompetenzen-<br />
und Methodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g« zu schulen,<br />
das ist Firlefanz. Wir brauchen<br />
wieder e<strong>in</strong>en Primat der Inhalte vor<br />
den Methoden. Die blanke Forderung<br />
nach e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>haltsleeren Vermittlung<br />
von Kompetenzen wäre wie der Vorschlag,<br />
ohne Zutaten zu kochen (Konrad<br />
P. Liessmann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er »Theorie der<br />
Unbildung« von 2007) … Wie Stricken<br />
ohne Wolle!<br />
2. Zukunftsfähiges <strong>Gymnasium</strong><br />
ist e<strong>in</strong>e Schule der Leistung.<br />
E<strong>in</strong> Kernproblem der sog. modernen<br />
Pädagogik ist e<strong>in</strong>e um sich greifende<br />
Spaß- und Gefälligkeitspädagogik, die<br />
so tut, als g<strong>in</strong>ge alles ohne Anstrengung.<br />
Jedenfalls ist es <strong>in</strong> den vergangenen<br />
30 bis 35 Jahren »schick« geworden,<br />
schulische Leistung zu diskrim<strong>in</strong>ieren.<br />
Subtil begann diese Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />
bereits mit entsprechenden Konnotationen:<br />
Da ist im Zusammenhang<br />
mit Schule die Rede von »Leistungsstress«,<br />
»Leistungsdruck«, »Leistungsterror«.<br />
Mittelbar f<strong>in</strong>den diese – und<br />
noch schlimmere – Diskrim<strong>in</strong>ierungen<br />
von Leistung <strong>in</strong> der politisch bzw.<br />
adm<strong>in</strong>istrativ verordneten Schulpraxis<br />
ihren Niederschlag:<br />
• <strong>in</strong> der Liberalisierung der Notengebung,<br />
gar deren Abschaffung;<br />
• <strong>in</strong> der Ger<strong>in</strong>gschätzung konkreten<br />
Wissens;<br />
• im Verzicht auf Auswendiglernen<br />
und Kopfrechnen;<br />
• <strong>in</strong> der Ger<strong>in</strong>gschätzung überdurchschnittlicher<br />
Begabung.<br />
Wer aber das Leistungspr<strong>in</strong>zip solchermaßen<br />
untergräbt, setzt zugleich<br />
e<strong>in</strong>es der revolutionärsten demokratischen<br />
Pr<strong>in</strong>zipien außer Kraft. In unfreien Gesellschaften<br />
s<strong>in</strong>d Geldbeutel, Geburtsadel,<br />
Ges<strong>in</strong>nung, Geschlecht oder dergleichen<br />
Allokationskriterien – Kriterien<br />
zur Positionierung e<strong>in</strong>es Menschen<br />
<strong>in</strong> der Gesellschaft. Freie Gesellschaften<br />
haben an deren Stelle das<br />
Kriterium Leistung vor den Erfolg und<br />
vor den Aufstieg gesetzt. E<strong>in</strong> revolutionärer<br />
Fortschritt!<br />
Und e<strong>in</strong> weiteres: Indem aktuelle<br />
Schulpolitik das Leistungspr<strong>in</strong>zip<br />
ignoriert, belastet und gefährdet es<br />
das Sozialstaatspr<strong>in</strong>zip. Die soziale Dimension<br />
unseres Wirtschaftssystems<br />
trägt nämlich nur, wenn ihr die millionenfache<br />
Leistung und Leistungsbereitschaft<br />
der Menschen zugrundeliegt.<br />
Leistung ist <strong>in</strong>sofern nie nur Individualleistung<br />
für die Erfüllung persönlicher<br />
Karrierewünsche, sondern<br />
stets auch soziale Leistung – Leistung für<br />
andere, für Schwächere und Benachteiligte.<br />
<strong>Das</strong> gilt zumal für Eliten, ohne<br />
die ke<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>wesen auskommt.<br />
Leistung ist außerdem Ausdruck des<br />
Höchst<strong>in</strong>dividuellen, Motor und Ergebnis freier<br />
Persönlichkeitsentwicklung. Deshalb ist<br />
Leistungsfe<strong>in</strong>dlichkeit e<strong>in</strong> Anschlag<br />
auf das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung.<br />
Ich plädiere für e<strong>in</strong>e soziale Leistungsschule<br />
und für e<strong>in</strong>e Schule der Anstrengungsbereitschaft.<br />
Gewiss brauchen<br />
wir ke<strong>in</strong>e freudlosen Paukschulen.<br />
Wir brauchen vielmehr Schulen,<br />
die den K<strong>in</strong>dern Freude machen. Solche<br />
Freude-Erlebnisse s<strong>in</strong>d freilich nie<br />
e<strong>in</strong> Geschenk, das wie der Lotto-Treffer<br />
plötzlich da ist. Geme<strong>in</strong>t ist hier<br />
Freude vielmehr als e<strong>in</strong> Geschenk, für<br />
deren Erwerb man aktiv etwas tun<br />
kann – nämlich Anstrengung und Ausdauer<br />
zu <strong>in</strong>vestieren. Nur bei solcher<br />
Investition – Psychoanalytiker würden<br />
sagen: unter Bedürfnis- und Triebaufschub<br />
– ist das tiefere Erleben von<br />
Freude, von Stolz oder gar von Glücklichse<strong>in</strong><br />
möglich.<br />
Zum spaßhaften oder gar spaßigen<br />
Zeitvertreib aber ist die Zeit <strong>in</strong> der<br />
Schule zu kostbar: E<strong>in</strong>e Schule, die<br />
nur oder überwiegend dem Spaß<br />
dient, vertreibt die Zeit nicht nur, sondern<br />
sie vergeudet Zeit. Deshalb gilt:<br />
Schule soll die »K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Anspruch<br />
nehmen« (Eduard Spranger), soll ihnen<br />
Herausforderungen stellen. K<strong>in</strong>der<br />
mögen Herausforderungen; sie<br />
kommen ihrem natürlichen Wissensdrang<br />
und Erkenntnisstreben entgegen.<br />
Und noch etwas im Kontext mit Leistung:<br />
Es gibt immer wieder Leute, die<br />
das Leistungspr<strong>in</strong>zip ablehnen, weil<br />
es selektiv sei und weil Fördern statt<br />
Auslese angesagt sei. Diese Dialektik<br />
Fördern statt Auslesen ist aber grundfalsch.<br />
Es ist dies ke<strong>in</strong> Gegensatz,<br />
denn es muss heißen: Fördern durch Differenzieren!<br />
3. Gymnasiale Bildung muss<br />
mit der fünften Jahrgangsstufe<br />
e<strong>in</strong>setzen.<br />
Was den Zeitpunkt der Differenzierung<br />
betrifft, so sagen die Fakten und<br />
alle namhaften Studien e<strong>in</strong>deutig aus:<br />
Sechsjährige Grundschule br<strong>in</strong>gt<br />
nichts – weder kognitiv noch sozial.<br />
Deutsche Länder mit e<strong>in</strong>er längeren<br />
geme<strong>in</strong>samen Schulzeit wie Berl<strong>in</strong><br />
und Brandenburg mit e<strong>in</strong>er sechsjährigen<br />
Grundschule gehören zu den <strong>in</strong>nerdeutschen<br />
Schlusslichtern.<br />
Heft 1/2010
20<br />
VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />
Vier Belege/Verweise:<br />
• Prof. Kurt Hellers (1996; Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München) Fazit<br />
lautet: »E<strong>in</strong>e Verlängerung der vierjährigen<br />
Grundschule würde ke<strong>in</strong>e<br />
erkennbaren Vorteile, wohl aber mit<br />
Sicherheit Nachteile für viele Grundschüler<br />
mit sich br<strong>in</strong>gen … Bislang<br />
existieren ke<strong>in</strong>e Studien, die höhere<br />
Trefferquoten nach e<strong>in</strong>er fünf- oder<br />
sechsjährigen Grundschulzeit nachweisen<br />
konnten.<br />
• Prof. Peter Roeders (1997; Max-Planck-<br />
Institut für Bildungsforschung Berl<strong>in</strong>)<br />
Fazit heißt: »Die Leistungen nach<br />
sechsjähriger Grundschule liegen erheblich<br />
unter denen von Schülern,<br />
die den Wechsel aufs <strong>Gymnasium</strong><br />
bereits nach der 4. Grundschulklasse<br />
vollzogen haben. Für Englisch und<br />
Mathematik beträgt der Unterschied<br />
etwa e<strong>in</strong>e Standardabweichung.« <strong>Das</strong><br />
ist mehr als e<strong>in</strong> Schuljahr.<br />
• Von ebensolcher E<strong>in</strong>deutigkeit ist<br />
die Studie mit dem Titel ELEMENT<br />
von Prof. Ra<strong>in</strong>er Lehmann (Humboldt-<br />
Universität Berl<strong>in</strong>) von <strong>2008</strong>. Danach<br />
werden K<strong>in</strong>der durch e<strong>in</strong>e<br />
sechsjährige Grundschule gebremst:<br />
Der Rückstand am Ende<br />
der sechsten Grundschulklasse betrage<br />
im Lesen e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahre, <strong>in</strong><br />
Mathematik und Englisch zwei Jahre<br />
– im Vergleich mit Schülern, die<br />
nach der vierten Klasse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />
weiterführende Schule gehen könnten.<br />
Vor allem leistungsstärkere<br />
Schüler würden zu wenig gefördert,<br />
so Lehmann.<br />
• Selbst der Lehmann-Kritiker Jürgen<br />
Baumert räumt Ende Mai 2009 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />
Interview mit »Spiegel onl<strong>in</strong>e«<br />
e<strong>in</strong>, dass es ke<strong>in</strong>e belastbare Studie<br />
gebe, die bestätigen könne, dass e<strong>in</strong><br />
längeres geme<strong>in</strong>sames Lernen s<strong>in</strong>nvoll<br />
sei.<br />
Falsch ist auch die Behauptung, die Schulstudien<br />
IGLU bzw. PISA hätten bewiesen, dass<br />
Deutschland <strong>in</strong> der Grundschule <strong>in</strong>ternational<br />
vorne stehe (weil Grundschule ja Gesamtschule<br />
sei) und mit den weiterführenden<br />
Schulformen des gegliederten Schulwesens<br />
zurückfalle.<br />
<strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>e naive oder gar absichtsvolle<br />
Lüge. E<strong>in</strong> PISA-IGLU-Vergleich ist<br />
nämlich erst zulässig, wenn man nur<br />
diejenigen 27 Länder berücksichtigt,<br />
die sich 2006 an PISA und an IGLU beteiligt<br />
haben. Dann sieht man: Bei PI-<br />
SA liegt Deutschland hier auf Platz 9<br />
und bei IGLU auf Platz 8. Daraus<br />
Schlussfolgerungen zu den Vorzügen<br />
oder Nachteilen e<strong>in</strong>es weiterführenden<br />
Schulwesens zu ziehen ist e<strong>in</strong>e<br />
Farce.<br />
Auch vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist es<br />
pure Ignoranz, was Hamburg derzeit<br />
macht. Erst wird dort das <strong>Gymnasium</strong><br />
um die 13. Klasse amputiert, dann amputiert<br />
man auch noch beide Be<strong>in</strong>e<br />
durch e<strong>in</strong>e Verlängerung der Grundschule<br />
um e<strong>in</strong>e 5. und 6. Klasse.<br />
Bezeichnend ist übrigens die Kuhhandel-Gegenleistung<br />
der GAL für das Zugeständnis<br />
der regierenden CDU an<br />
e<strong>in</strong>e sechsjährige Grundschule: Die<br />
Elbe darf dafür auf 14,50 Meter ausgebaggert<br />
werden. Da kann man nur sagen:<br />
<strong>Das</strong> ist Elbvertiefung für Bildungsverflachung!<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 21<br />
4. E<strong>in</strong> wenig h<strong>in</strong>sichtlich Anspruch<br />
und h<strong>in</strong>sichtlich Inhalten dezent<br />
elitäres gymnasiales Bewusstse<strong>in</strong><br />
dürfte schon se<strong>in</strong>.<br />
Man erschrecke nicht: Ganz bewusst<br />
will ich im Kontext mit <strong>Gymnasium</strong><br />
e<strong>in</strong> paar Gedanken zum Thema »Elite«<br />
beitragen!<br />
<strong>Das</strong>s Elite für die 68er als reaktionär,<br />
zum<strong>in</strong>dest krypto-faschistisch galt, ist<br />
bekannt. In jüngster Zeit freilich durfte<br />
man für kurze Zeit hoffen, dass<br />
Deutschland se<strong>in</strong>e Anti-Elite-Reflexe<br />
h<strong>in</strong>ter sich gelassen hat. Diese Hoffnung<br />
aber trog. <strong>Das</strong> Fehlverhalten e<strong>in</strong>iger<br />
Top-Manager reichte aus, um alte<br />
Affekte zu reanimieren: Elite ist<br />
schlecht, Attacke gegen Elite ist gut.<br />
Also haben wir sie wieder – die schier<br />
para-religiöse Ideologie des Egalitarismus,<br />
diese Negation aller Unterschiede<br />
zwischen Menschen: Was nicht alle<br />
s<strong>in</strong>d, darf offenbar ke<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>; was<br />
nicht alle haben, darf ke<strong>in</strong>er haben;<br />
was nicht alle können, darf natürlich<br />
ke<strong>in</strong>er können. So sche<strong>in</strong>t es.<br />
Damit ke<strong>in</strong> Zweifel aufkommt: Natürlich<br />
gibt es Abzocker <strong>in</strong> Nadelstreifen,<br />
gewiss gibt es den Dünkel von Steuerflüchtigen<br />
und »Celebrities«. Aber weder<br />
pseudoelitäres Gehabe noch der<br />
Missbrauch von Elite durch Faschismus<br />
und Bolschewismus machen Elite<br />
überflüssig. Vielmehr gilt: Je komplexer<br />
und differenzierter Gesellschaft,<br />
Wirtschaft und Wissenschaft,<br />
umso mehr s<strong>in</strong>d wir auf Eliten (Plural!)<br />
angewiesen.<br />
Demokratie darf nicht zum Diktat des<br />
Durchschnitts werden. <strong>Das</strong> wäre zumal<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hochkomplexen Welt und <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er Welt des explodierenden Wissens<br />
naiv. Aus Demokratie darf ke<strong>in</strong><br />
»Konvent von ungefähr gleich Unwissenden«<br />
(Peter Sloterdijk) werden. E<strong>in</strong>e<br />
solchermaßen zur Gleichheit verurteilte<br />
Gesellschaft wäre zur Stagnation<br />
verurteilt.<br />
Will sagen: Wir brauchen Leistungs- und<br />
Verantwortungseliten …, die zugleich Reflexions-<br />
und Werte-Eliten s<strong>in</strong>d. Vor e<strong>in</strong>em<br />
solchen H<strong>in</strong>tergrund ist selbst Ungleichheit<br />
gerecht – nämlich dann,<br />
wenn Elite allen nützt, wenn das Handeln<br />
von Eliten quasi zu e<strong>in</strong>em »<strong>in</strong>equality<br />
surplus«, zu e<strong>in</strong>em Mehrwert<br />
führt. (Aus sozialstaatlichen, sozialpolitischen,<br />
sozialethischen Gründen<br />
auch führen muss!)<br />
E<strong>in</strong> diffuser Anti-Elitismus hilft ke<strong>in</strong>er<br />
Demokratie weiter. Und umgekehrt ist<br />
e<strong>in</strong>e Demokratie – wie Weimar zeigt –<br />
dann <strong>in</strong> größter Gefahr, wenn ihr die<br />
Eliten die Loyalität entziehen.<br />
Deutschland braucht Spitzenkräfte <strong>in</strong><br />
allen Bereichen, Spitzenkräfte auch,<br />
die aus e<strong>in</strong>er Gesamtschau heraus<br />
Orientierungen <strong>in</strong> Zeiten der Beliebigkeit<br />
und Gleich-Gültigkeit vorleben.<br />
Wir brauchen zudem e<strong>in</strong> Verständnis<br />
von Elite, bei dem neben dem Karrieregedanken<br />
der Gedanke des Dienens und<br />
des Respekts e<strong>in</strong>e maßgebliche Rolle<br />
spielt. <strong>Das</strong> gilt zumal für Machteliten,<br />
deren Spitzen nicht umsonst »M<strong>in</strong>ister«<br />
(von late<strong>in</strong>isch m<strong>in</strong>istrare = dienen)<br />
heißen. Plakativ könnte man sagen:<br />
Elite<br />
• heißt Verdient-Machen durch vorbildhaftes<br />
Dienen am Geme<strong>in</strong>wohl,<br />
• heißt, »Treuhänder« der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />
(Gerd-Klaus Kaltenbrunner) zu<br />
se<strong>in</strong>,<br />
• heißt, Respekt zu haben vor anderen,<br />
die begründet anders urteilen.<br />
All dies mit zu fördern ist die Chance<br />
und die Herausforderung für unsere<br />
Schulform <strong>Gymnasium</strong>! Diese Chance<br />
bietet sich dem Geme<strong>in</strong>wesen via<br />
<strong>Gymnasium</strong> aber nur, wenn man <strong>in</strong><br />
der Kategorie Qualität und nicht <strong>in</strong> der<br />
Kategorie Quote denkt.<br />
5. Bildung muss gerecht se<strong>in</strong>.<br />
Aber: Wir haben Grund, die<br />
aktuelle Debatte um »Bildungsgerechtigkeit«<br />
kritisch zu durchleuchten!<br />
Der Begriff der Bildungsgerechtigkeit<br />
sche<strong>in</strong>t nämlich zur clever gewählten<br />
Kampfvokabel <strong>in</strong> der schulpolitischen<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung geworden zu<br />
se<strong>in</strong>. Diese Debatte ist aber zu erheblichen<br />
Teilen schief, weil sie für gerecht<br />
hält, was gleich ist bzw. gleich macht.<br />
Ja, es muss Chancen geben. Gleiche<br />
Chancen am Start! Aber Chancen s<strong>in</strong>d<br />
Chancen und ke<strong>in</strong>e Garantien. <strong>Das</strong> Geme<strong>in</strong>wesen<br />
hat h<strong>in</strong>sichtlich Chancen<br />
e<strong>in</strong>e Br<strong>in</strong>gschuld. Aber die Nutznießer<br />
haben auch e<strong>in</strong>e Holschuld. An der Bereitschaft,<br />
die Chancen abzuholen<br />
und umzusetzen freilich mangelt es<br />
umso mehr, je mehr sich das Gerede<br />
verbreitet, dieses deutsche Schulwesen<br />
sei ungerecht.<br />
Verweilen wir kurz bei diesem Vorwurf:<br />
In der derzeit geführten Debatte<br />
um Bildungsgerechtigkeit beruft man<br />
sich immer wieder auf PISA-Daten.<br />
<strong>Das</strong> ist <strong>in</strong> diesem Kontext wissenschaftlich-methodologisch<br />
aber völlig unmöglich.<br />
PISA testet schließlich Fünfzehnjährige<br />
<strong>in</strong>mitten ihrer Bildungslaufbahn,<br />
aber nicht an deren Ende.<br />
Wenn dann unter Berufung auf PISA-<br />
Daten kritisiert wird, nur soundsoviele<br />
Prozent der Arbeiterk<strong>in</strong>der seien<br />
am <strong>Gymnasium</strong>, dann wird hier völlig<br />
unterdrückt, dass man solche soziologischen<br />
Analysen erst beim Zwanzigjährigen<br />
machen kann.<br />
Leider aber ist <strong>in</strong> Deutschland, wenn<br />
von Durchlässigkeit im Schulsystem<br />
die Rede ist, immer nur von der horizontalen<br />
Durchlässigkeit die Rede, also<br />
von den Möglichkeiten, »quer« zwischen<br />
den Schulformen zu wechseln.<br />
Daneben aber muss man die vertikale<br />
Durchlässigkeit des Schulwesens sehen,<br />
Heft 1/2010
22<br />
VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />
beachten und fördern. Geme<strong>in</strong>t ist<br />
hier die Durchlässigkeit »nach oben«,<br />
konkret die Möglichkeit für e<strong>in</strong>en<br />
Nicht-Gymnasiasten, zur Hochschulreife<br />
zu kommen.<br />
H<strong>in</strong>sichtlich dieser vertikalen Durchlässigkeit<br />
ist es mit dem deutschen Schulwesen<br />
nicht eben schlecht gestellt.<br />
Über alle Bundesländer aufsummiert,<br />
gibt es rund fünfzig Wege zur Hochschulreife.<br />
Es gibt also ke<strong>in</strong>e schulischen<br />
Sackgassen. Im Besonderen sollte<br />
auch berücksichtigt werden, dass es<br />
gerade das hochdifferenzierte berufliche<br />
Schulwesen <strong>in</strong> Deutschland ist, das<br />
Haupt- und Realschülern hochqualifizierte<br />
Bildungswege zu anspruchsvollen<br />
Berufen und auch zur Hochschulreife<br />
bietet. Und vor allem: Rund die<br />
Hälfte der Studierberechtigten <strong>in</strong> Deutschland<br />
erwirbt e<strong>in</strong>e Hochschulreife<br />
nicht über das <strong>Gymnasium</strong>. Unter diesen<br />
fünfzig Prozent s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der aus so<br />
genannten bildungsfernen Schichten<br />
sehr stark repräsentiert.<br />
Außerdem muss festgehalten werden,<br />
»dass es an Gymnasien selbst ke<strong>in</strong>e<br />
Benachteiligung von Arbeiterk<strong>in</strong>dern<br />
gab« (PISA 2000). Am ausgeprägtesten<br />
ist die soziale Selektivität des Bildungswesens<br />
ansonsten <strong>in</strong> Ländern<br />
mit flächendeckendem öffentlichem<br />
E<strong>in</strong>heitsschulsystem und kostspieligen<br />
Privatschulen.<br />
Die Verbesserung der sozialen Durchlässigkeit<br />
des Schulwesens bleibt dennoch<br />
e<strong>in</strong>e Herausforderung für das<br />
deutsche Schulwesen und speziell für<br />
die Gymnasien. Es muss noch mehr<br />
als bisher gel<strong>in</strong>gen, »bildungsferne«<br />
Schichten zum Besuch des <strong>Gymnasium</strong>s<br />
zu motivieren. Dies gilt auch für<br />
den Besuch des <strong>Gymnasium</strong>s durch<br />
Migrantenk<strong>in</strong>der; nur rund vier Prozent<br />
der Gymnasiasten s<strong>in</strong>d Migrantenk<strong>in</strong>der,<br />
wiewohl deren Anteil unter allen<br />
Schülern rund fünfzehn Prozent<br />
ausmacht. Hier gibt es also durchaus<br />
noch gymnasiale Potentiale.<br />
Ansonsten sollte es Aufgabe des <strong>Gymnasium</strong>s<br />
se<strong>in</strong>, die so genannte Durchsteiger-Quote<br />
weiter zu steigern. Damit<br />
ist der Anteil der Gymnasialanfänger<br />
geme<strong>in</strong>t, die zum Abitur gelangen.<br />
Diesbezüglich hat sich manches getan,<br />
im Jahr 1960 betrug die Durchsteigerquote<br />
(berechnet von der Jahrgangsstufe<br />
7 bis zum Abitur 42,3 Prozent, im<br />
Jahr 1990 dann 64,3 Prozent; heute liegen<br />
wir bei siebzig Prozent). Hier wäre<br />
noch mehr möglich, wenn man den<br />
Gymnasien – wie allen Schulformen! –<br />
die Möglichkeit böte, sich <strong>in</strong>dividueller<br />
und <strong>in</strong>tensiver um Problemschüler<br />
zu kümmern. Ich schlage dazu e<strong>in</strong>en<br />
fünfprozentigen Stundenpool für jede<br />
Schule vor. An e<strong>in</strong>em <strong>Gymnasium</strong> mit<br />
rund 800 Schülern bedeutet das rund<br />
zusätzliche sechzig Wochenstunden.<br />
Mit diesen Stunden kann man <strong>in</strong><br />
Krankheits- und Fahrtenwochen Unterrichtsausfall<br />
m<strong>in</strong>imieren und <strong>in</strong> den<br />
vielen anderen Wochen Förderkurse<br />
für Spitzen- und Risikoschüler e<strong>in</strong>richten.<br />
Die F<strong>in</strong>anzierung müsste <strong>in</strong> Gottes<br />
Namen möglich se<strong>in</strong>, denn es geht<br />
hier nur um e<strong>in</strong>en Zuschlag von 0,25<br />
Prozent zu den ohneh<strong>in</strong> nur fünf Prozent<br />
Anteil am Brutto<strong>in</strong>landsprodukt,<br />
die wir für Bildung ausgeben.<br />
Freilich sage ich auch: Man kann junge<br />
Menschen fördern, man kann sie<br />
aber nicht begaben. Unterschätzen wir<br />
vor lauter technizistischem Machbarkeitswahn<br />
den Faktor Begabung nicht!<br />
Was den Faktor Begabung betrifft, so<br />
mag es heute politisch nicht korrekt<br />
se<strong>in</strong>, davon zu sprechen. In manchen<br />
Diskussionen ist aus Begabung ja e<strong>in</strong>e<br />
»verme<strong>in</strong>tliche Begabung« geworden.<br />
Wissenschaftlich haltbar ist e<strong>in</strong>e solche<br />
Diktion nicht. Denn die Forschung<br />
hat e<strong>in</strong>deutig nachgewiesen,<br />
dass rund zwei Drittel des kognitiven<br />
Potenzials durch Erbfaktoren bestimmt<br />
s<strong>in</strong>d. Was man aus dem dritten Drittel<br />
macht, ist <strong>in</strong>teressant und entscheidend:<br />
• Man kann es vernachlässigen, dann<br />
liegen auch die anderen zwei Drittel<br />
brach.<br />
• Man kann dieses dritte Drittel aber<br />
auch voll ausreizen, dann können<br />
auch die anderen zwei Drittel voll<br />
zum Tragen kommen.<br />
6. <strong>Gymnasium</strong> ist nur mit<br />
gymnasialen Profis machbar.<br />
Anspruchsvolles <strong>Gymnasium</strong> ist nur<br />
mit qualifizierten und motivierten<br />
Gymnasiallehrern machbar. Was die<br />
Motivation anbelangt, so ist mir nicht<br />
bange, denn die gymnasiale Bildungsund<br />
Erziehungsaufgabe ist e<strong>in</strong>e große<br />
Motivation.<br />
Dennoch b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> Sorge um die zukünftige<br />
Qualifikation der Philologen<br />
(wie aller Lehrer). Denn es deutet<br />
manches darauf h<strong>in</strong>, dass die Deutschen<br />
»Bologna« vor lauter – typisch<br />
deutscher – Selbstvergessenheit zweihundertprozentig<br />
perfektionistisch<br />
umsetzen.<br />
Ich frage mich aber: Was sollen wir mit<br />
e<strong>in</strong>em Bachelor of Education oder mit e<strong>in</strong>em<br />
über die Schulformen h<strong>in</strong>weg<br />
weitgehend vere<strong>in</strong>heitlichten Lehrer anfangen?<br />
»Bologna« droht vielmehr zu e<strong>in</strong>em<br />
Dump<strong>in</strong>g-Modell und zu e<strong>in</strong>er Lehrerbildung<br />
»light« zu werden. Gerade Lehrer<br />
des <strong>Gymnasium</strong>s aber können im Unterricht<br />
nur dann bestehen, wenn sie<br />
über e<strong>in</strong> Fachwissen weit über die Curricula<br />
h<strong>in</strong>aus verfügen. <strong>Das</strong> setzt e<strong>in</strong><br />
anspruchsvolles Fach- und Vollstudium<br />
an der Universität voraus.<br />
In Sorge b<strong>in</strong> ich auch, wenn ich sehe,<br />
dass manche Bundesländer die sog.<br />
bildungswissenschaftlichen Anteile<br />
des Lehramtsstudiums ausweiten zulasten<br />
der fachwissenschaftlichen Anteile.<br />
E<strong>in</strong>e weitere Sorge ist die Sorge um<br />
unseren Lehrernachwuchs: <strong>Das</strong>s heute<br />
<strong>in</strong> weiten Bereichen selbst bestens<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 23<br />
Geeignete den Lehrerberuf nicht mehr<br />
ergreifen wollen, muss uns zu denken<br />
geben. Diese aber zu bekommen, ist<br />
nur zum Teil e<strong>in</strong>e Frage der dienstrechtlichen<br />
Ausstattung, sondern der<br />
Art und Weise, wie man <strong>in</strong> Deutschland<br />
mit Lehrern umgeht. Hier gilt Karl<br />
Jaspers: Es ist das Schicksal e<strong>in</strong>es Volkes,<br />
welche Lehrer es hervorbr<strong>in</strong>gt<br />
und wie es se<strong>in</strong>e Lehrer achtet.<br />
7. Den nicht messbaren und<br />
übernützlichen Wert<br />
gymnasialer Bildung betonen!<br />
Ich habe da und dort angedeutet,<br />
dass ich von der ganzen PISA-Hysterie<br />
nichts halte. <strong>Das</strong> heißt nicht, dass ich<br />
ke<strong>in</strong>e Bilanzen und ke<strong>in</strong>e empirische<br />
Bildungsforschung haben möchte. Zu<br />
lange hat sich Deutschland solcher<br />
Leistungsmessung entzogen. Vor allem<br />
waren es e<strong>in</strong>ige A-Länder, die die<br />
Bilanzen scheuten und – wenigstens<br />
zum Teil – noch im Jahr 1999 PISA<br />
verh<strong>in</strong>dern wollten.<br />
Alles aber bitte mit Maß und Ziel! Wir<br />
müssen aufpassen, dass wir nicht<br />
mehr und mehr e<strong>in</strong>er operationalistischen<br />
Def<strong>in</strong>ition von Bildung aufsitzen<br />
nach dem Motto: Bildung ist das, was<br />
PISA misst. Ne<strong>in</strong>, Bildung ist erheblich<br />
mehr, und PISA misst nur e<strong>in</strong>en ganz<br />
kle<strong>in</strong>en Ausschnitt aus dem Lerngeschehen.<br />
Schulpolitik muss sich ansonsten wieder<br />
auf e<strong>in</strong>e Anthropologie e<strong>in</strong>lassen. Zu<br />
e<strong>in</strong>er solchen pädagogischen Anthropologie<br />
gehört die Betrachtung des<br />
Menschen als »homo faber« und als »homo<br />
ludens«. Der Mensch erfährt se<strong>in</strong>e<br />
Existenz ja vor allem <strong>in</strong> aktiver Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />
mit der Welt. Arbeit und<br />
Leistung dieses »homo faber« s<strong>in</strong>d Ausdruck<br />
des Höchst<strong>in</strong>dividuellen, zugleich<br />
Motor und Ergebnis freier Persönlichkeitsentwicklung.<br />
Gerade auch Heranwachsende<br />
bekommen über ihre Leistung<br />
zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e Ahnung davon,<br />
dass man mit Wissen und Können<br />
sich selbst überschreitet, um mitzuwirken<br />
am Ganzen, womit Leistung<br />
übrigens immer auch e<strong>in</strong>e soziale Dimension<br />
(s.o.) hat.<br />
Ohne Leistung, Arbeit und Anstrengung geht<br />
es jedenfalls nicht! Nehmen wir also bitte<br />
auch Abschied von e<strong>in</strong>er Spaß- und Erleichterungspädagogik,<br />
die uns glauben machen<br />
will, e<strong>in</strong>e Schule sei um so <strong>in</strong>novativer, je<br />
mehr sie K<strong>in</strong>dergartenelemente e<strong>in</strong>führt!<br />
Dem »homo faber« steht jedoch<br />
gleichberechtigt der »homo ludens« zur<br />
Seite. Beide <strong>Das</strong>e<strong>in</strong>sformen schließen<br />
sich nicht aus, sondern sie ergänzen<br />
sich. <strong>Das</strong> Spiel ist Grundkategorie des<br />
Menschlichen, und es ist zugleich kultur-<br />
und persönlichkeitsbildend. »Der<br />
Mensch ... ist nur da ganz Mensch, wo<br />
er spielt.« So heißt es bei Schiller (250.<br />
Geburtstag!) im 15. se<strong>in</strong>er 27 Briefe<br />
»Über die ästhetische Erziehung des<br />
Menschen« (1793). Diese »Briefe« haben<br />
bekanntermaßen ja auch Wilhelm<br />
von Humboldt bee<strong>in</strong>flusst, wie deren<br />
Briefwechsel der Jahre 1792 bis 1805<br />
beweist.<br />
Gerade gymnasiale Schulpolitik muss<br />
den Grundsatz verteidigen, dass Bildung<br />
e<strong>in</strong>en übernützlichen Wert hat. Hier<br />
gilt, was das Bildungspapier der Deutschen<br />
Bischofskonferenz (DBK) und<br />
der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland<br />
(EKD) vom November 2000 festhielt.<br />
Es trägt den Titel »Tempi – Bildung<br />
im Zeitalter der Beschleunigung«.<br />
Dar<strong>in</strong> wird Kritik geübt an e<strong>in</strong>em<br />
»Totalitarismus neuen Typs«,<br />
nämlich dem »subjektlosen Funktionalismus«,<br />
der auch die Bildung erobere.<br />
Es wird gesagt, die Wirtschaft<br />
profitiere vom Sabbat.<br />
In Nietzsches Worten hieße das: Bildung<br />
kann ke<strong>in</strong>e Bildung se<strong>in</strong> »am<br />
Pflock des Augenblicks«. Dementsprechend<br />
rechnet er es 1872 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />
Vorträgen »Über die Zukunft der Bildungsanstalten«<br />
zu den beliebtesten<br />
nationalökonomischen Dogmen, den<br />
Nutzen, ja den möglichst großen Geldgew<strong>in</strong>n<br />
als Zweck der Bildung auszugeben.<br />
Wörtlich: »Dem Menschen<br />
wird nur soviel Kultur gestattet, als im<br />
Interesse des Erwerbs ist.«<br />
Oder <strong>in</strong> den Worten des damaligen<br />
Nürnberger Gymnasialdirektors Georg<br />
Wilhelm Friedrich Hegel: Nicht jeder<br />
»nützliche Stoff« formt die Seele, und<br />
Bildung ist die Aneignung von Welt<br />
jenseits des Nutzens ökonomischer<br />
Praxis.<br />
Deshalb muss es gerade im <strong>Gymnasium</strong><br />
(wo sonst?) zum Beispiel um e<strong>in</strong>en<br />
Grundbestand an Literaturkenntnis<br />
gehen, im Fach Musik um e<strong>in</strong>en<br />
Grundbestand an Werkkenntnis. Und<br />
zwar deshalb, weil kanonisches Wissen<br />
e<strong>in</strong>e Kommunikationsgrundlage ist<br />
und weil e<strong>in</strong> zu schmales Wissen (e<strong>in</strong><br />
Wissen unter aller »Kanone«) anspruchsvolle<br />
Kommunikation erst gar<br />
nicht entstehen ließe. Im Lande e<strong>in</strong>es<br />
Bach und Beethoven, Kant und Hegel,<br />
Goethe und Schiller, Humboldt und<br />
Spranger darf man das nicht vergessen.<br />
Hier sollten wir nicht zu anspruchslos<br />
werden. Jedenfalls wäre es e<strong>in</strong>e Horrorvorstellung,<br />
was die F.A.Z. e<strong>in</strong>mal berichtete,<br />
nämlich dass e<strong>in</strong>e große<br />
Bank für ihre Jungmanager kulturgeschichtliche<br />
Crash-Kurse e<strong>in</strong>gerichtet<br />
hat. Die jungen Banker sollten damit<br />
so weit fit gemacht werden, dass sie<br />
beim Prosecco-Empfang e<strong>in</strong> kultur-relevantes<br />
»name-dropp<strong>in</strong>g« praktizieren<br />
können – nach dem Motto: »Ach ja,<br />
dieser Ludwig van, das war doch der<br />
mit der Schicksalsmelodie – oder<br />
so!?« <strong>Das</strong> kann es nicht se<strong>in</strong>. Unser<br />
Land braucht Persönlichkeiten mit<br />
kulturellem H<strong>in</strong>tergrund.<br />
Zum Schluss<br />
<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> ist das Erfolgsmodell<br />
des deutschen Bildungswesens<br />
Heft 1/2010
24<br />
VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />
schlechth<strong>in</strong>, und es muss es bleiben –<br />
nicht um des <strong>Gymnasium</strong>s willen,<br />
sondern um unseres Geme<strong>in</strong>wesens<br />
wegen! Es kann aber nur dann Erfolgsmodell<br />
bleiben, wenn es nicht an<br />
se<strong>in</strong>er Beliebtheit hypertrophiert.<br />
Wenn ich das so sage, dann heißt das<br />
nicht, dass die Schüler-, Eltern- oder<br />
Lehrerschaft des <strong>Gymnasium</strong>s Grund<br />
hätte, auf andere Schulformen herabzublicken!<br />
Mitnichten, denn der<br />
Mensch beg<strong>in</strong>nt nicht erst mit dem<br />
Abitur.<br />
Gymnasien haben zwar e<strong>in</strong>en besonderen<br />
Anspruch an kognitives Lernen.<br />
Sie s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> besonderer Weise<br />
Träger e<strong>in</strong>er breiten und lebendigen<br />
Kultur. In gewisser H<strong>in</strong>sicht haben<br />
sie es damit allerd<strong>in</strong>gs leicht, vor<br />
allem, weil sie e<strong>in</strong>e vergleichsweise<br />
homogene Schülerklientel haben.<br />
Die benachbarten Schulformen (Realschulen,<br />
Gesamtschulen, Berufsschulen,<br />
im besonderen die Hauptschulen) haben<br />
dagegen e<strong>in</strong>e sozial oft enorm herausfordernde<br />
Klientel. Hunderte und<br />
Tausende dieser Schulen leisten hier<br />
neben ihrem Bildungsauftrag sozialpädagogisch<br />
und auch sozialpolitisch etwas,<br />
was sich manch Gymnasialer gar<br />
nicht vorstellen kann.<br />
Umgekehrt sollte es die anderen<br />
Schulformen nicht stören, wenn sich<br />
das <strong>Gymnasium</strong> als Schule mit e<strong>in</strong>em<br />
ganz orig<strong>in</strong>ären Bildungsverständnis def<strong>in</strong>iert.<br />
Und niemand sollte dem <strong>Gymnasium</strong><br />
den Anspruch neiden, dass<br />
ke<strong>in</strong>e andere Schulform e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> so<br />
umfassendem S<strong>in</strong>ne prägende Bildungs-<br />
und Erziehungsarbeit leisten<br />
kann wie das <strong>Gymnasium</strong>! Schließlich<br />
umfasst das <strong>Gymnasium</strong> drei Entwicklungsstadien/Lebensalter:<br />
das späte<br />
K<strong>in</strong>dheitsalter, die Früh- und Hochpubertät<br />
mit ihren Verwerfungen und<br />
zentrifugalen Tendenzen und schließlich<br />
die Adoleszenz und das junge Erwachsenenalter.<br />
Dies ist e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Chance und der<br />
besondere Charme, nicht nur Teile der<br />
späteren Leistungs- und Verantwortungselite<br />
heranzubilden, sondern<br />
junge Menschen auch nachhaltig kulturell<br />
und ethisch zu prägen.<br />
Machen wir also Schluss mit der typisch<br />
deutschen Selbstverleugnung<br />
gerade auch im Bildungsbereich! Machen<br />
wir Schluss mit dem Glauben,<br />
Schule <strong>in</strong> Deutschland sei um so zukunftsfähiger,<br />
je mehr sie sich an<br />
F<strong>in</strong>nland oder Japan oder Südkorea<br />
oder Kanada orientiert!<br />
Ne<strong>in</strong>, all die genannten Länder wollten,<br />
sie hätten e<strong>in</strong>e Schulform, die so<br />
anspruchsvoll, so sturm-erprobt und<br />
so erfolgreich ist wie das Zugpferd<br />
des deutschen Bildungswesens: das<br />
<strong>Gymnasium</strong>!<br />
In diesem S<strong>in</strong>ne: Dank und Anerkennung<br />
Dir, lieber Max Laveuve, für die 24<br />
Jahre De<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satz an vorderster<br />
Stelle für das <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> De<strong>in</strong>em<br />
Bundesland und <strong>in</strong> Deutschland!<br />
Dank Dir, Max, auch für unerschütterliche<br />
Loyalität mir bzw. me<strong>in</strong>em Verbandsamt<br />
gegenüber.<br />
De<strong>in</strong>em Nachfolger, Dir, lieber Malte<br />
Blümke, wünsche ich aus der – mich<br />
absolut zuversichtlich stimmenden –<br />
Erfahrung unseres nunmehr dreißigjährigen<br />
wechselseitigen freundschaftlichen<br />
Kennens, des zum Teil geme<strong>in</strong>samen,<br />
zum Teil getrennten Marschierens,<br />
aber des geme<strong>in</strong>samen Zieles,<br />
alles Gute für De<strong>in</strong> neues Amt!<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
Zeitschrift des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
Herausgeber:<br />
<strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
Fritz-Kohl-Straße 13 | 55122 Ma<strong>in</strong>z<br />
Tel.: 06131/384310 | Fax: 371107<br />
eMail: <strong>in</strong>fo@philologenverband.de<br />
Internet: www.philologenverband.de<br />
Redaktion: Josef Zeimentz<br />
Alle Fotos: Wolf Dieter Schumann<br />
und Josef Zeimentz<br />
Satz: Pädagogik & Hochschul Verlag<br />
Graf-Adolf-Straße 84 | 40210 Düsseldorf<br />
Tel.: 0211 / 1 79 59 38 | Fax: 1795945<br />
eMail: he<strong>in</strong>emann@dphv-verlag.de<br />
Druck: Druckerei Adis GmbH<br />
Budenheimer Weg 27 | 55262 Heidesheim<br />
Tel.: 06132 / 95 20 20<br />
E<strong>in</strong> besonderer Dank …<br />
… g<strong>in</strong>g an die Damen<br />
der Geschäftsstelle,<br />
ohne deren<br />
unermüdlichen<br />
E<strong>in</strong>satz die Durchführung<br />
der Vertreterversammlung<br />
unmöglich gewesen<br />
wäre.<br />
v.l.n.r.: Isabel Menzel,<br />
Malte Blümke,<br />
Ilona Rubis<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 WA H L E N 25<br />
Der neu gewählte Geschäftsführende Vorstand mit dem neuen Schatzmeister des Verbandes Dr. Christian Bayer, Grünstadt. Er wurde zum Nachfolger<br />
von Gerhard Blüm, Ma<strong>in</strong>z, gewählt, der dieses Amt mehr als vierzig Jahre sehr erfolgreich ausübte.<br />
v.l.n.r. Josef Zeimentz, Gerhard Peifer, Elvire Kuhn, Malte Blümke, Dagmar L<strong>in</strong>nert, Heike Mohr-Mumbauer, Ralf Hoffmann, Dr. Christian Bayer<br />
Wahlen zum Geschäftsführenden Vorstand<br />
Bei den Vorstandswahlen im Rahmen der Vertreterversammlung wurde Malte Blümke (Trier) <strong>in</strong> geheimer Wahl<br />
mit 92,5 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Max Laveuve (Kaiserslautern) als neuer Landesvorsitzender<br />
gewählt. Elvire Kuhn (Schifferstadt) erhielt als neue stellvertretende Vorsitzende ebenfalls <strong>in</strong> geheimer<br />
Wahl 91,3 Prozent der Stimmen. Auch die übrigen Vorstandsmitglieder wurden mit überwältigender Mehrheit<br />
mit ihren Aufgaben für die nächsten zwei Jahre betraut: Heike Mohr-Mumbauer (Traben-Trarbach) als Referent<strong>in</strong><br />
für Bildungsfragen, Dagmar L<strong>in</strong>nert (Landau) für Frauenfragen, Gerhard Peifer (Simmern) für Rechtsfragen,<br />
Josef Zeimentz (Nieder-Olm) für Öffentlichkeitsarbeit und Ralf Hoffmann (Bendorf) für die Jungen Philologen.<br />
Nach mehr als vierzig Jahren gab Gerhard Blüm (Ma<strong>in</strong>z) se<strong>in</strong> Amt als Schatzmeister des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
ab. Zu se<strong>in</strong>em Nachfolger wählte die Delegiertenversammlung <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler Dr. Christian Bayer<br />
(Grünstadt).<br />
Heft 1/2010
26<br />
L E I TA N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />
Die Vertreterversammlung 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler hat folgende<br />
Leitantrag<br />
zur Berufspolitik<br />
Der Beruf des Gymnasiallehrers ist sehr anspruchsvoll<br />
und gesellschaftlich angesehen. Trotzdem ist es derzeit<br />
schwierig, geeignete Bewerber<strong>in</strong>nen und Bewerber für das<br />
gymnasiale Lehramt zu gew<strong>in</strong>nen. Gründe hierfür liegen <strong>in</strong><br />
den ger<strong>in</strong>gen beruflichen Aufstiegschancen, den Sonderopfern<br />
des Öffentlichen Dienstes und den vergleichsweise<br />
ger<strong>in</strong>gen Gehaltsanpassungen der Beamten des Höheren<br />
Dienstes <strong>in</strong> den vergangenen Jahren.<br />
Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund fordert die Vertreterversammlung<br />
des <strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> das MBWJK, die<br />
gesamte Landesregierung und den Landtag auf, im Zusammenhang<br />
mit den Entscheidungen und Maßnahmen der<br />
nächsten Jahre die Interessen der Lehrkräfte <strong>in</strong>sgesamt<br />
und <strong>in</strong>sbesondere die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen der gymnasialen<br />
Lehrkräfte angemessen zu berücksichtigen und an allen<br />
Schulen zu verbessern. Die Attraktivität des Gymnasiallehrerberufes<br />
muss gestärkt werden, um den erforderlichen<br />
Nachwuchs zur Sicherstellung der Bildungschancen<br />
unserer Jugend zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
Um dieses Ziel zu erreichen, stellt der <strong>Philologenverband</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> folgende zentrale Forderungen:<br />
1. Festhalten am Beamtenstatus für Lehrkräfte. Nur der Beamtenstatus<br />
sichert e<strong>in</strong>erseits die pädagogische Freiheit<br />
der Lehrenden und schützt andererseits die Schulen vor<br />
Arbeitskämpfen auf dem Rücken von Schüler/<strong>in</strong>nen und<br />
Eltern.<br />
2. E<strong>in</strong>e an der wissenschaftlichen Qualifikation orientierte<br />
und dem ausgeübten Amt angemessene Besoldung. Die<br />
Gymnasiallehrkräfte s<strong>in</strong>d gemäß ihrer Ausbildung dem<br />
Höheren Dienst zuzuordnen mit dem E<strong>in</strong>stiegsamt A 14<br />
und e<strong>in</strong>er Laufbahnerwartung von A 15. Lehrkräfte mit<br />
besonderen schulbezogenen Aufgaben und höherwertiger<br />
Tätigkeit s<strong>in</strong>d entsprechend höher zu besolden.<br />
3. Dauerhafte Sicherung des jetzigen Besoldungsniveaus<br />
und Teilhabe an der allgeme<strong>in</strong>en Wirtschafts- und E<strong>in</strong>kommensentwicklung.<br />
Dazu gehört das Schließen der<br />
»Gerechtigkeitslücke« bei der Besoldung und Versorgung<br />
aus den Sparrunden der Jahre 2005 bis <strong>2008</strong>.<br />
4. Beförderung als zentrales Element der statusrechtlichen<br />
Leistungsanerkennung. Deshalb muss die Zahl der Beförderungsmöglichkeiten<br />
deutlich ausgeweitet und damit<br />
der Beförderungsstau für Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen und<br />
Gymnasiallehrer an den Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen<br />
überwunden werden. Auch künftig muss<br />
Berufserfahrung honoriert werden. Die seit 1997 vorhandenen<br />
Möglichkeiten, besonders herausragende Leistungen<br />
durch schnelleres Aufsteigen <strong>in</strong> den Erfahrungsstufen<br />
oder durch Leistungsprämien »on-top« zu honorieren,<br />
muss endlich umgesetzt werden.<br />
5. Ke<strong>in</strong>e Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung und Aufstockung<br />
des Entlastungsstundenpools. Ständig neue<br />
Aufgaben und zunehmende Belastungen wirken sich besonders<br />
im Bereich der Gymnasien aus. Daher muss der<br />
vorhandene, aber völlig unzureichende Stundenpool für<br />
Entlastungen deutlich erhöht werden.<br />
6. Ke<strong>in</strong>e Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Die <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
bestehenden Regelungen zur gesetzlichen Altersgrenze<br />
bleiben erhalten. Auch künftig soll e<strong>in</strong> Antragsruhestand<br />
nach Vollendung des 63. Lebensjahres<br />
möglich se<strong>in</strong>.<br />
7. Schaffung von erweiterten Möglichkeiten e<strong>in</strong>es flexiblen<br />
Übergangs <strong>in</strong> den Ruhestand. Dazu gehört e<strong>in</strong>e gestufte<br />
Altersermäßigung ab 55 Jahren und die Verlängerung<br />
der Altersteilzeit über das Jahr 2011 h<strong>in</strong>aus.<br />
8. Erhalt der Beamtenversorgung als eigenständiges Alterssicherungssystem.<br />
Dazu gehört die Versorgung aus dem<br />
letzten Amt, um e<strong>in</strong>e amtsangemessene Alimentation<br />
auch im Ruhestand zu gewährleisten. Die Mitnahme erworbener<br />
Ansprüche muss bei e<strong>in</strong>em freiwilligen Wechsel<br />
<strong>in</strong> die Privatwirtschaft gewährleistet se<strong>in</strong>.<br />
Leitantrag<br />
zur Bildungspolitik<br />
Die Bildungslandschaft <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> – aber auch <strong>in</strong><br />
vielen anderen Ländern der Bundesrepublik – bef<strong>in</strong>det<br />
sich <strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zum Teil dramatischen<br />
Veränderungsprozess. Insbesondere die demographische<br />
Entwicklung wird zum Anlass genommen, um die Schullandschaft<br />
von Grund auf zu verändern. Die Maßnahmen,<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 L E I TA N T R ÄG E 27<br />
Leitanträge verabschiedet:<br />
die daraus folgen, entsprechen allerd<strong>in</strong>gs durchweg dem,<br />
was die Befürworter von <strong>in</strong>tegrierten Schulsystemen seit<br />
den siebziger Jahren gezielt verfolgen. Alle nationalen und<br />
<strong>in</strong>ternationalen Studien der letzten Jahre und Jahrzehnte<br />
haben dagegen die leistungsmäßige Überlegenheit des differenzierten<br />
Schulsystems gegenüber <strong>in</strong>tegrierten Systemen<br />
ergeben.<br />
Neben der Demographie werden immer wieder das soziale<br />
Argument und die so genannte Bildungsgerechtigkeit angeführt,<br />
da unser differenziertes Schulsystem K<strong>in</strong>dern aus<br />
sozial schwachen Familien angeblich nicht die gleichen<br />
Chancen e<strong>in</strong>räume wie sozial besser gestellten K<strong>in</strong>dern. In<br />
diesem Zusammenhang wird von vielen Seiten auch ständig<br />
die Forderung nach »längerem geme<strong>in</strong>samen Lernen«<br />
erhoben, weil der Beg<strong>in</strong>n der weiterführenden Schule <strong>in</strong><br />
der fünften Klasse angeblich zu früh sei. <strong>Das</strong> Argument,<br />
das dagegen <strong>in</strong> dieser öffentlichen Diskussion überhaupt<br />
nicht genannt wird, ist der Aspekt der Begabungsgerechtigkeit<br />
und die Verpflichtung der Gesellschaft, jedem K<strong>in</strong>d<br />
die se<strong>in</strong>en Fähigkeiten angemessenen Möglichkeiten und<br />
Bildungschancen zu bieten.<br />
Neu an der jetzigen Situation ist auch, dass der <strong>Philologenverband</strong><br />
mit se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>treten für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem<br />
<strong>in</strong> der Politik kaum mehr offene Unterstützung f<strong>in</strong>det.<br />
In Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> macht sich das besonders <strong>in</strong> der<br />
Kommunalpolitik bemerkbar, wo seit e<strong>in</strong>iger Zeit ständig<br />
die E<strong>in</strong>führung von Gesamtschulen gefordert wird, weil<br />
man offensichtlich um jeden Preis den jeweiligen Schulstandort<br />
erhalten will.<br />
Die Veränderungen der Bildungslandschaft betreffen aber<br />
nicht nur die Schule, sondern auch den gesamten Bereich<br />
der Hochschule. Dort wurden mit der Umsetzung des so<br />
genannten Bologna-Prozesses und mit der E<strong>in</strong>führung des<br />
Bachelor-/Master-Studiums grundlegende Veränderungen<br />
e<strong>in</strong>geleitet, die nach dem Urteil sehr vieler Fachleute <strong>in</strong>sbesondere<br />
den bisherigen <strong>in</strong>haltlichen Anspruch der wissenschaftlichen<br />
Studiengänge <strong>in</strong> Frage stellen, trotz häufig<br />
sehr viel zusätzlicher Arbeit für die Studierenden. Dies<br />
trifft auch auf die reformierte Lehrerbildung zu, die im H<strong>in</strong>blick<br />
auf das gymnasiale Lehramt die Anforderungen an<br />
e<strong>in</strong> volles wissenschaftliches Studium der gewählten Fächer<br />
nicht mehr erfüllt.<br />
Auch der Schule selbst s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren ganz<br />
konkrete Veränderungen verordnet worden, die den schulund<br />
bildungspolitischen Vorstellungen unseres Verbandes<br />
zuwider laufen. Mit der E<strong>in</strong>führung der Realschule Plus<br />
wird die Hauptschule aufgegeben, die Orientierungsstufen<br />
außerhalb des <strong>Gymnasium</strong>s s<strong>in</strong>d alle <strong>in</strong>tegriert, bei bisherigen<br />
geme<strong>in</strong>samen Orientierungsstufen zwischen <strong>Gymnasium</strong><br />
und Realschule wird daraus e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte Orientierungsstufe<br />
über alle bisherigen Schularten h<strong>in</strong>weg. <strong>Das</strong><br />
neue schulart- und fächerübergreifende Fach »Naturwissenschaften«<br />
ignoriert das Fach- und das Fachlehrerpr<strong>in</strong>zip,<br />
die Kont<strong>in</strong>gent-Stundentafeln gefährden andererseits<br />
die Vergleichbarkeit der Schulen untere<strong>in</strong>ander. Die neu<br />
e<strong>in</strong>gerichtete AQS geht zwangsläufig am entscheidenden<br />
Aspekt der Schule vorbei, nämlich der Unterrichtsqualität.<br />
Besonders die Gymnasien müssen darüber h<strong>in</strong>aus seit vielen<br />
Jahren mit e<strong>in</strong>er zu ger<strong>in</strong>gen Lehrerversorgung auskommen,<br />
und selbst e<strong>in</strong>e 100-Prozent-Versorgung wäre<br />
nach dem jetzigen System der Bedarfsberechnung oft nicht<br />
ausreichend. Dazu kommen seit Jahren ständig neue Aufgaben<br />
der Lehrkräfte etwa durch Tests, Vergleichsarbeiten,<br />
Parallelarbeiten, Arbeitspläne, das neue Fach Naturwissenschaften<br />
etc., die e<strong>in</strong>e große zusätzliche Belastung mit sich<br />
br<strong>in</strong>gen.<br />
Angesichts der beschriebenen Situation fordert<br />
der <strong>Philologenverband</strong>:<br />
• Erhaltung und Förderung e<strong>in</strong>es differenzierten Schulsystems.<br />
• Beg<strong>in</strong>n der weiterführenden Schule und damit auch des<br />
<strong>Gymnasium</strong>s ab Klasse 5.<br />
• E<strong>in</strong>e schulartbezogene Orientierungsstufe am <strong>Gymnasium</strong>.<br />
• Die notwendige personelle und sächliche Ausstattung des<br />
<strong>Gymnasium</strong>s e<strong>in</strong>schließlich e<strong>in</strong>er vollen Unterrichtsversorgung<br />
mit für die Schulart ausgebildeten Lehrkräften.<br />
• Ke<strong>in</strong>e Benachteiligung des <strong>Gymnasium</strong>s gegenüber anderen<br />
Schularten etwa bei den Klassenmesszahlen und<br />
der Lehrerzuweisung.<br />
• Klare schulartbezogene Vorgaben bei Fächern, Lehrplänen<br />
und Stundentafeln.<br />
• E<strong>in</strong> volles akademisches Fachstudium <strong>in</strong> zwei Fächern<br />
für das gymnasiale Lehramt; <strong>in</strong> Musik und Bildender<br />
Kunst genügt e<strong>in</strong> Fach.<br />
• Reduzierung der Praktika auf e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolles und handhabbares<br />
Maß.<br />
• Beibehaltung e<strong>in</strong>es m<strong>in</strong>destens achtzehnmonatigen Referendariats,<br />
geleitet von hauptamtlichen Fachleitern.<br />
Heft 1/2010
28<br />
E I N Z E L A N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />
Zu den E<strong>in</strong>zelanträgen<br />
Rund 180 Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter aus allen rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen<br />
Gymnasien, Kollegs, Gesamtschulen<br />
und Studiensem<strong>in</strong>aren für das Lehramt an Gymnasien<br />
haben bei ihrer Tagung <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler zu<br />
aktuellen bildungs- und berufspolitischen Themen Stellung<br />
genommen. Dazu hatten die Schulgruppen des Verbandes<br />
rund 130 Anträge e<strong>in</strong>gereicht, über die im Plenum beraten<br />
und abgestimmt wurde. Die Anträge waren von e<strong>in</strong>er Antragskommission<br />
im Vorfeld der Versammlung <strong>in</strong> sechs<br />
Themenbereiche unterteilt worden.<br />
1. Schul- und Bildungspolitik<br />
Orientierungsstufe<br />
Auch angesichts der aktuellen Entwicklung der Realschulen<br />
plus haben sich die Delegierten mit überwältigender<br />
Mehrheit für die Annahme gleich mehrerer Anträge ausgesprochen,<br />
die die Auflösung der geme<strong>in</strong>samen Orientierungsstufen<br />
von Gymnasien und Realschulen fordern. Außerdem<br />
forderten sie, dass die Unterrichtsversorgung mit<br />
der neuen Realschule plus gleichgestellt wird und auch<br />
die Orientierungsstufen an den Gymnasien e<strong>in</strong>e Klassenmesszahl<br />
von 25 erhalten sollen. Mit Bezug auf das neue<br />
Fach Naturwissenschaften wurde gefordert, dass das Fachlehrerpr<strong>in</strong>zip<br />
beibehalten werden soll und die Zusammenlegung<br />
der drei naturwissenschaftlichen Fächer (NAWI)<br />
wieder rückgängig gemacht wird. Die Delegierten hielten<br />
ebenfalls fest, dass die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es neuen Faches<br />
grundsätzlich erst dann erfolgen sollte, wenn vorher Lehrpläne<br />
erstellt worden seien.<br />
VERA 8<br />
Hauptthema bei den Anträgen zur Mittelstufe war VERA 8.<br />
Mehrere Schulen beschäftigten sich mit dieser Vergleichsuntersuchung.<br />
Da die Aussagekraft der Ergebnisse <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em<br />
Verhältnis zu dem Aufwand stehe, sprach sich die<br />
überwältigende Mehrheit der Delegierten für die Abschaffung<br />
dieser Tests aus.<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 E I N Z E L A N T R ÄG E 29<br />
Drittelparagraph und Parallelarbeiten<br />
Der Drittelparagraph ist seit vielen Jahren <strong>in</strong> der Diskussion,<br />
der Wert dieser Vorschrift ist fraglich. Deshalb wurde<br />
die Abschaffung dieser Bestimmung gefordert.<br />
Seit e<strong>in</strong>igen Jahren werden <strong>in</strong> den Klassenstufen 5 und 7<br />
Parallelarbeiten durchgeführt, ohne dass irgendwelche<br />
nennenswerten Konsequenzen daraus erkennbar s<strong>in</strong>d.<br />
Deshalb forderte die Vertreterversammlung <strong>in</strong> Bad Neuenahr<br />
die Abschaffung dieser zeitaufwendigen Arbeiten, zumal<br />
sie manchmal sogar schulübergreifend durchgeführt<br />
werden sollen, wenn Vergleichsgruppen an der eigenen<br />
Schule fehlen.<br />
AQS<br />
Die Agentur für Qualitätssicherung (AQS) hält mit e<strong>in</strong>em<br />
Riesenaufwand die betroffenen Schulen über mehrere<br />
Wochen »<strong>in</strong> Atem«, ohne dass die Ergebnisse aus diesen<br />
Untersuchungen auch nur annähernd diesen Aufwand<br />
rechtfertigen könnten, zumal das eigentliche »Kerngeschäft«<br />
der Schule, der Fachunterricht, nur am Rande <strong>in</strong><br />
Augensche<strong>in</strong> genommen wird. Deshalb sollte diese Agentur<br />
nach Auffassung der Delegierten wieder abgeschafft<br />
werden.<br />
Vertretungskräfte<br />
Die Zahl der Vertretungskräfte (PES, Seitene<strong>in</strong>steiger, Abordnungen)<br />
an den Gymnasien und den Integrierten Gesamtschulen<br />
nimmt stetig zu. Deshalb soll auch im Kontext<br />
e<strong>in</strong>er Qualitätssicherung erfasst werden, wie viele nicht<br />
voll ausgebildete Gymnasiallehrkräfte derzeit an den Gymnasien<br />
und Integrierten Gesamtschulen beschäftigt s<strong>in</strong>d.<br />
2. Lern- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />
an der Schule<br />
Lehrerarbeitszeit, Anrechnungsstunden,<br />
Unterrichtsversorgung<br />
Die Erhöhung der Entlastungsstunden ist als Ausgleich für<br />
die gestiegenen Arbeitsbelastungen der Kolleg<strong>in</strong>nen und<br />
Kollegen mehr als überfällig. Auch würde e<strong>in</strong>e Erhöhung<br />
der Entlastungsstunden, die dem Kollegium <strong>in</strong>sgesamt zu-<br />
Heft 1/2010
30<br />
E I N Z E L A N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />
geteilt werden, sehr viel zur Motivation bei der Übernahme<br />
besonderer Aufgaben <strong>in</strong> der Schule beitragen. Dies gilt<br />
besonders auch für die Betreuung der Praktikanten, die <strong>in</strong><br />
erheblich steigender Zahl <strong>in</strong> den Schulen erwartet werden.<br />
Deshalb wurde der Geschäftsführende Vorstand des Verbandes<br />
aufgefordert, sich für e<strong>in</strong>e wirkungsvolle Erhöhung<br />
dieser Stunden e<strong>in</strong>zusetzen. So könnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten<br />
Schritt zum Beispiel die Notwendigkeit des Ausgleichs der<br />
<strong>in</strong> 13/2 entfallenden Unterrichtsstunden bei hoher Belastung<br />
durch große Kursgrößen <strong>in</strong> der Oberstufe gestrichen<br />
werden.<br />
Außerdem soll darauf h<strong>in</strong>gewirkt werden, dass die Benachteiligung<br />
der Gymnasien bei der Unterrichtsversorgung<br />
gegenüber anderen Schulformen abgebaut wird. Dies<br />
gilt unter anderem für die Klassenmesszahlen und die ger<strong>in</strong>gere<br />
Stundenzuweisung pro Schüler. Die Delegiertenversammlung<br />
beschloss, <strong>in</strong>sgesamt müsse es Ziel der Lehrerzuweisung<br />
se<strong>in</strong>, dass die personelle Ausstattung der<br />
Schulen e<strong>in</strong>er m<strong>in</strong>destens 100-prozentigen Abdeckung des<br />
regulären Unterrichts entspricht.<br />
Altersermäßigung<br />
Die Bed<strong>in</strong>gungen für die Altersteilzeit wurden <strong>in</strong>zwischen<br />
drastisch verschlechtert, das Modell wird irgendwann <strong>in</strong><br />
der nahen Zukunft auslaufen, e<strong>in</strong> Teil der Kosten wurde<br />
durch den weitgehenden Wegfall der Altersermäßigung ab<br />
dem 55. Lebensjahr von den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen des<br />
Landes erwirtschaftet. Deshalb sollten diese Ermäßigungsstunden<br />
spätestens beim Wegfall des Altersteilzeitmodells<br />
wieder e<strong>in</strong>geführt werden.<br />
Ausstattung der Schulen, Schulsozialarbeiter<br />
und -psychologen, Bibliothekare<br />
Die Verbandsspitze wurde <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler <strong>in</strong><br />
mehreren Anträgen beauftragt, darauf h<strong>in</strong>zuwirken, dass<br />
die Ausstattung der Gymnasien den veränderten Bed<strong>in</strong>gungen<br />
angepasst und Benachteiligungen gegenüber anderen<br />
Schularten beendet werden. Dazu zählen die Größe<br />
der Lehrerzimmer, die E<strong>in</strong>richtung von Arbeitszimmern<br />
für Funktionsträger und Besprechungszimmer für Gespräche<br />
mit den Eltern und Abstimmungsbesprechungen verschiedener<br />
Lehrergruppen.<br />
Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen, deren E<strong>in</strong>bezug<br />
<strong>in</strong> die Schulen bei heterogener werdenden Schülergruppen<br />
immer notwendiger wird, sollen verstärkt <strong>in</strong> den<br />
Schulen e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />
Nicht nur Ganztagsschulen, sondern auch alle Gymnasien<br />
sollen fest angestellte Bibliothekare erhalten.<br />
Lernmittelfreiheit<br />
Die Landesregierung will ab dem nächsten Schuljahr die<br />
Lernmittelfreiheit weiterentwickeln. Dazu soll e<strong>in</strong> Ausleihsystem<br />
an den Schulen aufgebaut werden. Erfahrungen<br />
aus e<strong>in</strong>em ähnlichen Versuch vor rund zwei Jahrzehnten<br />
zeigen, dass die Hauptarbeit von den Lehrkräften an den<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 E I N Z E L A N T R ÄG E 31<br />
Schulen zu leisten war. Deshalb spricht sich die Vertreterversammlung<br />
für Lernmittelfreiheit mit e<strong>in</strong>em unbürokratischen<br />
Gutsche<strong>in</strong>system aus.<br />
3. Beamtenrecht und Besoldung,<br />
Angelegenheiten der Angestellten<br />
Besoldung, Beförderung<br />
Angesichts der sich immer weiter ause<strong>in</strong>ander entwickelnden<br />
Besoldung für Gymnasiallehrkräfte <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />
Bundesländern forderte die Delegiertenversammlung <strong>in</strong><br />
Bad Neuenahr-Ahrweiler e<strong>in</strong>e Rückkehr zur bundese<strong>in</strong>heitlichen<br />
Besoldung. Schon der sich verstärkende Lehrermangel<br />
und Abwerbungstendenzen aus anderen Bundesländern<br />
machten dies erforderlich. Auch sei es anzustreben,<br />
dass im Rahmen der Neuordnung der Besoldungsstruktur<br />
Gymnasiallehrkräfte mit A 14 als E<strong>in</strong>gangsbesoldung<br />
verankert werden. Weiterh<strong>in</strong> kann die Attraktivität<br />
des Gymnasiallehrerberufes auch dadurch gesteigert werden,<br />
<strong>in</strong>dem die Zahl der Beförderungsstellen erheblich<br />
ausgeweitet wird.<br />
Teilzeitkräfte<br />
Bei den Verpflichtungen der Teilzeitkräfte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />
Schulen immer noch Unstimmigkeiten festzustellen. Deshalb<br />
soll bei e<strong>in</strong>er Überarbeitung der entsprechenden Verwaltungsvorschrift<br />
(VV) vom März 1994 darauf geachtet<br />
werden, dass <strong>in</strong> dieser VV verlässliche und konkrete Aussagen<br />
über die Verpflichtung von Teilzeitlehrkräften gemacht<br />
werden.<br />
Angestellte<br />
Der <strong>Philologenverband</strong> wurde von den Delegierten aufgefordert,<br />
sich weiter dafür e<strong>in</strong>zusetzen, dass tarifbeschäftigte<br />
Lehrkräfte bezüglich ihrer Vergütung im Vergleich zu beamteten<br />
Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen nicht benachteiligt werden.<br />
Arbeitszimmer<br />
Mehrere Anträge g<strong>in</strong>gen zur Absetzbarkeit des Arbeitszimmers<br />
e<strong>in</strong> und wurden positiv verabschiedet. Sie unterstützen<br />
die bislang schon erfolgten Maßnahmen des Verbandes<br />
und se<strong>in</strong>er Dachorganisationen zur völligen Wiederherstellung<br />
der früheren Absetzmöglichkeiten und fordern,<br />
dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer<br />
zum<strong>in</strong>dest als Aufwandspauschale absetzbar se<strong>in</strong> sollten.<br />
4. Lehrerausbildung, Lehrerfortund<br />
-weiterbildung<br />
Gymnasiallehrerstudium, Referendariat<br />
und Fachleiter<br />
E<strong>in</strong> ganzer Antragsblock beschäftigte sich mit der neuen<br />
Lehrerbildung und den Folgen, wie sie auf die Schulen<br />
des Landes zukommen. Bei der Lehrerbildung halten die<br />
Heft 1/2010
32<br />
E I N Z E L A N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />
Delegierten e<strong>in</strong> volles akademisches Fachstudium der<br />
angehenden Gymnasiallehrkräfte vom ersten Semester<br />
an für unabd<strong>in</strong>gbar. Denn nur fundiertes Fachwissen<br />
kann auch <strong>in</strong> Zukunft Grundlage für guten Unterricht<br />
se<strong>in</strong>. Dazu ist auch die Zahl der Fachleiterstellen erheblich<br />
auszuweiten, denn auf diese Gruppe von Gymnasiallehrern<br />
kommt im Rahmen der Neuordnung der Lehrerbildung<br />
e<strong>in</strong> erheblicher Teil von Mehrbelastung zu, da<br />
deren Aufgaben stark ausgeweitet werden. Die Berufung<br />
von Lehrbeauftragten kann nur e<strong>in</strong>e Übergangslösung<br />
se<strong>in</strong>.<br />
In der Frage der Dauer des Referendariats werden achtzehn<br />
Monate als absolute Untergrenze für die Ausbildung<br />
<strong>in</strong> der zweiten Phase der Lehrerbildung angesehen. Mehrere<br />
Praktika, wie sie jetzt vorgesehen s<strong>in</strong>d, können auf<br />
ke<strong>in</strong>en Fall die ausfallende Zeit im Referendariat ersetzen.<br />
Denn hier fehlt unter anderem die notwendige Kont<strong>in</strong>uität<br />
<strong>in</strong> der pädagogischen Ausbildung.<br />
Lehrerfortbildung<br />
Die Delegierten aus den Gymnasien und den Integrierten<br />
Gesamtschulen bemängeln e<strong>in</strong>stimmig, dass das fachliche<br />
Fortbildungsangebot des staatlichen Instituts für Lehrerfortbildung<br />
immer weiter reduziert wird. Es wurde <strong>in</strong> Bad<br />
Neuenahr-Ahrweiler e<strong>in</strong> radikales Umdenken und e<strong>in</strong>e<br />
stärkere Ausweitung der fachlichen Fortbildungsangebote<br />
für alle Fächer gefordert.<br />
5. Verbandsarbeit<br />
Bei den Anträgen zur Verbandsarbeit g<strong>in</strong>g es vor allem um<br />
die Präsentation des Verbandes im Internet, die im Moment<br />
komplett überarbeitet wird, und um Überlegungen<br />
zur besseren Betreuung von E<strong>in</strong>zelgruppen im Gymnasiallehrerverband.<br />
6. Verschiedenes<br />
Unter der Rubrik Verschiedenes g<strong>in</strong>g es um die Umsetzung<br />
des Gerichtsurteils bezüglich der Arbeitsmittel für Lehrkräfte,<br />
die viel zu schleppend und restriktiv gehandhabt<br />
wird. Auch g<strong>in</strong>g es um die Sicherheit der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den<br />
Schulbussen. Hier wurde die hohe Anzahl von Stehplätzen<br />
<strong>in</strong> vielen Bussen kritisiert.<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 E H R U N G E N 33<br />
Ehrungen<br />
Max Laveuve<br />
Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß überbrachte<br />
den Dank und die Glückwünsche der<br />
Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris Ahnen und<br />
hatte neben e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Geschenk<br />
auch e<strong>in</strong> paar lobende gereimte Zeilen<br />
auf den scheidenden Landesvorsitzenden<br />
mitgebracht.<br />
nem Beitritt zum Gymnasiallehrerverband<br />
übernahm er die Funktion<br />
des Stellvertretenden Bezirksvorsitzenden<br />
im Bezirksverband Kaiserslautern.<br />
Seit 1984 war er Mitglied<br />
des Geschäftsführenden Vorstandes,<br />
zunächst als Beisitzer für Bildung<br />
und von 1985 bis 1995 als<br />
Stellvertretender Landesvorsitzender.<br />
Im Jahre 1995 wählte ihn die<br />
Vertreterversammlung, die damals<br />
ebenfalls <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
stattfand, als Nachfolger von Hubert<br />
Schmitz zum Landesvorsitzenden<br />
des <strong>Philologenverband</strong>es.<br />
Nach vierzehn Jahren als Vorsitzender<br />
des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> gab Max<br />
Laveuve bei der Vertreterversammlung<br />
<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
se<strong>in</strong> Amt ab. Die Delegierten dankten<br />
dem scheidenden Vorsitzenden<br />
mit e<strong>in</strong>em lang anhaltenden, stehenden<br />
Applaus. In Anerkennung se<strong>in</strong>er<br />
großen Verdienste wählte ihn die<br />
Delegiertenversammlung zum Ehrenvorsitzenden<br />
des Verbandes.<br />
Beruflich war Max Laveuve nach se<strong>in</strong>em<br />
Referendariat zunächst fünfzehn<br />
Jahre als Lehrer für Englisch<br />
und Geschichte am späteren He<strong>in</strong>rich-He<strong>in</strong>e-<strong>Gymnasium</strong><br />
<strong>in</strong> Kaiserslautern<br />
tätig. Von 1982 bis 2000 hatte<br />
er die Aufgabe des Regionalen Fachberaters<br />
für das Fach Englisch <strong>in</strong>ne.<br />
Im Jahre 1998 wechselte er zum Albert-Schweitzer-<strong>Gymnasium</strong><br />
<strong>in</strong> Kaiserslautern<br />
und wurde zum Leiter<br />
dieses <strong>Gymnasium</strong>s ernannt. Max<br />
Laveuve ist Mitherausgeber des<br />
zweibändigen Lehrerhandbuches<br />
»Schule <strong>in</strong> der Praxis«.<br />
Schon früh wurden die Führungsqualitäten<br />
von Max Laveuve erkannt,<br />
denn schon bald nach sei-<br />
Von 1976 bis 1988 war Max Laveuve<br />
als Vertreter des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Mitglied des Bezirkspersonalrates<br />
bei der damaligen Bezirksregierung<br />
Rhe<strong>in</strong>hessen-<strong>Pfalz</strong> <strong>in</strong> Neustadt<br />
an der We<strong>in</strong>straße. Nach den<br />
allgeme<strong>in</strong>en Personalratswahlen im<br />
Jahre 1988 wurde er zum Vorsitzenden<br />
des Hauptpersonalrates Gymnasien<br />
gewählt. Er war Vorsitzender<br />
dieses Gremiums von 1988 bis zum<br />
Jahr 2000, seither hat er dort die<br />
Funktion e<strong>in</strong>es Stellvertreters <strong>in</strong>ne.<br />
Ehrenmitgliedschaft für langjähriges Engagement<br />
Marie-Luise Prüm<br />
Marie-Luise Prüm (Mertesdorf) hatte über viele<br />
Jahre den Vorsitz im <strong>Philologenverband</strong>sbezirk<br />
Trier <strong>in</strong>ne und bekleidete ebenfalls über Jahre<br />
h<strong>in</strong>weg das Amt e<strong>in</strong>er stellvertretenden Vorsitzenden<br />
im Bezirkspersonalrat Gymnasien und<br />
Kollegs bei der ADD <strong>in</strong> Trier. In dieser Funktion<br />
war sie auch Leiter<strong>in</strong> der Geschäftsstelle des Bezirkspersonalrates.<br />
Heft 1/2010
34<br />
E H R U N G E N Vertreterversammlung 2009<br />
Gerhard Blüm<br />
Gerhard Blüm mit Gatt<strong>in</strong> und Malte Blümke<br />
lichkeit verbunden, aber immer mit<br />
sehr viel akribischer Detailarbeit.<br />
Absolute Vertrauenswürdigkeit ist<br />
dafür die unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung.<br />
Diese Eigenschaften, die man<br />
heute so gerne Schlüsselqualifikationen<br />
nennt, hat Gerhard Blüm <strong>in</strong><br />
den vielen Jahren se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes<br />
für den <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
stets bewiesen und zu<br />
dessen Wohl e<strong>in</strong>gesetzt. In aller<br />
Ruhe, sachlich, korrekt und unbestechlich<br />
und gleichzeitig absolut<br />
professionell und äußerst sparsam,<br />
ist er stets mit den Beiträgen der<br />
Mitglieder umgegangen, immer<br />
mit Blick auf sorgfältig geregelte<br />
F<strong>in</strong>anzen.<br />
Die große Zuverlässigkeit von Gerhard<br />
Blüm wird auch durch die Tatsache<br />
bestätigt, dass er für zwei<br />
Wahlperioden gewählter Kassenprüfer<br />
des Deutschen <strong>Philologenverband</strong>es<br />
war.<br />
Gerhard Blüm trat schon 1961<br />
als Referendar <strong>in</strong> den <strong>Philologenverband</strong><br />
e<strong>in</strong>. 1963 kam er<br />
nach Oppenheim an das heutige<br />
<strong>Gymnasium</strong> zu St. Kathar<strong>in</strong>en, wo er<br />
34 Jahre lang Mathematik und Physik<br />
unterrichtete und wo er auch im<br />
Juli 1997 aus dem Dienst ausschied.<br />
Schon im November 1969 wurde<br />
Gerhard Blüm Schatzmeister des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, e<strong>in</strong><br />
Amt, das er bis zur Vertreterversammlung<br />
<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler im<br />
November 2009 – also vierzig Jahre<br />
!! – <strong>in</strong>ne hatte. Von Seiten des Verbandes<br />
s<strong>in</strong>d wir ihm deshalb zu sehr großem<br />
Dank verpflichtet. Seit Jahren<br />
wollte er immer wieder die Verantwortung<br />
für die Verbandsf<strong>in</strong>anzen <strong>in</strong><br />
andere Hände geben, immer wieder<br />
ist es uns aber gelungen, ihn zum<br />
Bleiben zu bewegen.<br />
<strong>Das</strong> Amt des Schatzmeisters ist bekanntlich<br />
nicht mit großer Öffent-<br />
Die Delegiertenversammlung dankte<br />
Gerhard Blüm <strong>in</strong> Bad Neuenahr-<br />
Ahrweiler mit stehendem, lang anhaltendem<br />
Beifall für die <strong>in</strong> vier<br />
Jahrzehnten geleistete Arbeit für<br />
den <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />
<strong>Pfalz</strong> und damit für das <strong>Gymnasium</strong>,<br />
se<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer<br />
<strong>in</strong> unserem Bundesland und wählte<br />
ihn <strong>in</strong> Anerkennung se<strong>in</strong>er Verdienste<br />
zum Ehrenmitglied. Dank<br />
g<strong>in</strong>g auch an Frau Blüm, die das<br />
Engagement ihres Mannes immer<br />
mitgetragen und aktiv unterstützt<br />
hat.<br />
Ehrenmitgliedschaft für langjähriges Engagement<br />
Ursula Riedel<br />
Ursula Riedel (Eitelborn) engagierte sich über<br />
viele Jahre als Vorsitzende des Verbandsbezirkes<br />
Koblenz-Süd und war ebenfalls Mitglied im Bezirkspersonalrat<br />
bei der ADD <strong>in</strong> Trier. Bis zu ihrem<br />
Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war sie zuletzt<br />
Vorsitzende dieses Gremiums.<br />
In Anerkennung ihrer Verdienste um den <strong>Philologenverband</strong><br />
und das <strong>Gymnasium</strong> und se<strong>in</strong>e Lehrkräfte<br />
wurden Marie-Luise Prüm und Ursula Riedel von der Vertreterversammlung<br />
<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler zu Ehrenmitgliedern ernannt.<br />
Heft 1/2010
Vertreterversammlung 2009 P R E S S E M I T T E I LU N G 35<br />
Delegiertenversammlung des <strong>Philologenverband</strong>es<br />
Für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem<br />
mit e<strong>in</strong>em starken <strong>Gymnasium</strong><br />
Malte Blümke zum neuen Vorsitzenden gewählt<br />
Die Bildungslandschaft <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />
– aber auch <strong>in</strong> vielen<br />
anderen Ländern der Bundesrepublik<br />
– bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zum<br />
Teil dramatischen Veränderungsprozess.<br />
Insbesondere die demografische<br />
Entwicklung wird zum Anlass genommen,<br />
um die Schullandschaft von<br />
Grund auf zu verändern. Rund 180<br />
Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter aus allen<br />
rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Gymnasien,<br />
Kollegs, Gesamtschulen und Studiensem<strong>in</strong>aren<br />
für das Lehramt an Gymnasien<br />
haben <strong>in</strong> Bad Neuenahr zu aktuellen<br />
bildungs- und berufspolitischen<br />
Themen Stellung genommen.<br />
<strong>Das</strong> SWR-Fernsehen, Landesschau Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>,<br />
sendete am Abend der Festveranstaltung e<strong>in</strong>en Kurzbericht<br />
über die Veranstaltung <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />
Bei der öffentlichen Veranstaltung mit<br />
Vertretern der Landtagsparteien und<br />
Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß, <strong>in</strong> Vertretung<br />
von Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris Ahnen,<br />
forderte der neu gewählte Landesvorsitzende<br />
Malte Blümke den Erhalt<br />
des gegliederten Schulsystems <strong>in</strong><br />
Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>. »Die Abschaffung der<br />
Realschule und deren Verb<strong>in</strong>dung mit<br />
der Hauptschule <strong>in</strong> der neuen Realschule<br />
plus löst nicht wirklich die Probleme<br />
der Hauptschüler«, erklärte der<br />
Vorsitzende. Zudem bedrohe die neue<br />
Lehrerbildung die Qualität des <strong>Gymnasium</strong>s.<br />
»Die neue Bachelor-/ Master-<br />
Struktur ist gescheitert«, so Malte<br />
Blümke und weiter: »Es wird höchste<br />
Zeit für die Rückkehr zu e<strong>in</strong>er fachwissenschaftlich<br />
fundierten vollen akademischen<br />
Bildung für die Gymnasiallehrer<br />
vom ersten Semester an.«<br />
Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß wies <strong>in</strong> ihrem<br />
Grußwort unter anderem die Befürchtung<br />
zurück, dass durch die E<strong>in</strong>führung<br />
der Realschule plus das <strong>Gymnasium</strong><br />
e<strong>in</strong>em verstärkten Druck ausgesetzt<br />
werde. »Der Ansturm auf das<br />
<strong>Gymnasium</strong> ist laut neuester Statistik<br />
ausgeblieben«, so die Staatssekretär<strong>in</strong>.<br />
Auch die <strong>in</strong>ternationalen Vergleichsergebnisse<br />
bestätigten den Erfolg der<br />
rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Gymnasien,<br />
denn sie hätten überall vordere Plätze<br />
belegt. Deshalb stehe der Erfolg der<br />
Gymnasien bei der Landesregierung<br />
außer Zweifel.<br />
In se<strong>in</strong>em oft mit viel Beifall unterbrochenen<br />
Festvortrag analysierte der<br />
Präsident des Deutschen Lehrerverbandes<br />
Josef Kraus Fehlentwicklungen<br />
des deutschen Bildungssystems.<br />
Schulen und Universitäten seien heute<br />
zum Beispiel e<strong>in</strong>er Flut von zweifelhaften<br />
Testverfahren ausgesetzt. Anstelle<br />
der Persönlichkeitsbildung gehe<br />
es oft um <strong>in</strong>haltliche Beliebigkeit, e<strong>in</strong>e<br />
schier planwirtschaftliche Steigerung<br />
der Abschlussquoten und wirtschaftliche<br />
Effizienz der Bildungsstätten.<br />
Dem gelte es entgegenzusteuern,<br />
denn schließlich sei das <strong>Gymnasium</strong><br />
mit se<strong>in</strong>er langen Tradition und se<strong>in</strong>en<br />
Vergleichswerten die erfolgreichste<br />
Schulform der Welt. Kraus forderte<br />
unter anderem die Vermittlung von<br />
umfassendem Allgeme<strong>in</strong>wissen und<br />
e<strong>in</strong>e Renaissance des konkreten Wissens.<br />
»Denn wer nichts weiß, der<br />
muss alles glauben«, so der Festredner.<br />
Bei den Vorstandswahlen im Rahmen<br />
der Vertreterversammlung gab der<br />
langjährige Vorsitzende Max Laveuve<br />
(Kaiserslautern) se<strong>in</strong> Amt ab. Er hatte<br />
den Verband über vierzehn Jahre<br />
sehr erfolgreich geführt und wurde<br />
wegen se<strong>in</strong>er großen Verdienste zum<br />
Ehrenvorsitzenden gewählt. Malte<br />
Blümke (Trier) wurde <strong>in</strong> geheimer<br />
Wahl mit 92,5 Prozent der Stimmen<br />
zum Nachfolger gewählt. Auch die übrigen<br />
Vorstandsmitglieder wurden mit<br />
überwältigender Mehrheit mit ihren<br />
Aufgaben für die nächsten zwei Jahre<br />
betraut: Elvire Kuhn (Schifferstadt) als<br />
stellvertretende Vorsitzende, Heike<br />
Mohr-Mumbauer (Traben-Trarbach)<br />
als Referent<strong>in</strong> für Bildungsfragen, Dagmar<br />
L<strong>in</strong>nert (Landau) für Frauenfragen,<br />
Gerd Peifer (Simmern) für<br />
Rechtsfragen, Josef Zeimentz (Nieder-<br />
Olm) für Öffentlichkeitsarbeit und Ralf<br />
Hoffmann (Bendorf) für die Jungen<br />
Philologen.<br />
Josef Zeimentz,<br />
Pressereferent<br />
Heft 1/2010