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Das Gymnasium in Rheinland-Pfalz 1-2008 - Philologenverband ...

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DAS<br />

1/2010<br />

GYMNASIUM<br />

I N R H E I N L A N D - P F A L Z<br />

Vertreterversammlung 2009<br />

Für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem<br />

mit e<strong>in</strong>em starken <strong>Gymnasium</strong><br />

Z E I T S C H R I F T D E S P H I L O L O G E N V E R B A N D E S R H E I N L A N D - P F A L Z


2<br />

I N H A LT Vertreterversammlung 2009<br />

Zu diesem Heft<br />

Josef Zeimentz 3<br />

E<strong>in</strong>leitung 4<br />

Rede des Landesvorsitzenden<br />

Malte Blümke 5<br />

Grußwort<br />

Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß (SPD) 11<br />

Vortrag<br />

Josef Kraus (Präsident des Deutschen Lehrerverbandes) 15<br />

Impressum/E<strong>in</strong> besonderer Dank … 24<br />

Wahlen zum<br />

Geschäftsführenden Vorstand 25<br />

Leitanträge 26<br />

Zu den E<strong>in</strong>zelanträgen 28<br />

Ehrungen 33<br />

Pressemitteilung 35<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 Z U D I E S E M H E F T 3<br />

Sehr geehrte Leser<strong>in</strong>nen und Leser,<br />

liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen,<br />

Josef Zeimentz<br />

Am 12. und 13. November 2009 fand die Vertreterversammlung des<br />

<strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

statt. Die Vertreterversammlung ist das höchste Organ des Gymnasiallehrerverbandes<br />

und wird im Turnus von zwei Jahren e<strong>in</strong>berufen. Delegierte<br />

aus allen Gymnasien, Gesamtschulen, Kollegs und Studiensem<strong>in</strong>aren<br />

für das Lehramt an Gymnasien <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> nehmen an<br />

dieser Versammlung teil. Sie wählen satzungsgemäß den Geschäftsführenden<br />

Vorstand des Verbandes und legen die grundsätzliche Verbandspolitik<br />

für die nächsten zwei Jahre fest. Dazu haben die Schulgruppen<br />

des Verbandes <strong>in</strong> den Wochen vor der Versammlung Anträge<br />

e<strong>in</strong>gereicht, die vom Plenum beraten und abgestimmt werden.<br />

Neben diesem parlamentarischen Teil der Vertreterversammlung ist<br />

es seit vielen Jahren e<strong>in</strong> guter Brauch, dass an e<strong>in</strong>em der Nachmittage<br />

e<strong>in</strong>e Festveranstaltung zu e<strong>in</strong>em bildungs- oder berufspolitischen Thema<br />

durchgeführt wird. In diesem Jahr konnte als Festredner der Präsident<br />

des Deutschen Lehrerverbandes (DL) Josef Kraus gewonnen<br />

werden. Er sprach zum Thema »<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> – Erfolgsmodell und<br />

soziale Leistungsschule«.<br />

Wir haben für Sie auf den folgenden Seiten e<strong>in</strong>e Dokumentation des<br />

Verlaufs und der Beschlüsse der Delegiertenversammlung zusammengetragen.<br />

Ebenso s<strong>in</strong>d die Ansprache des neuen Vorsitzenden des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, Malte Blümke, zur Eröffnung der<br />

Festveranstaltung und das Grußwort der Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß<br />

sowie der Vortrag des DL-Präsidenten Josef Kraus im Wortlaut wiedergegeben.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre.<br />

Josef Zeimentz<br />

Heft 1/2010


4<br />

E I N L E I T U N G Vertreterversammlung 2009<br />

Für e<strong>in</strong> differenziertes<br />

Schulsystem mit e<strong>in</strong>em<br />

starken <strong>Gymnasium</strong><br />

Festveranstaltung am 12. November 2009<br />

Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß, <strong>in</strong> Vertretung der Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris<br />

Ahnen, und Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter der Landtagsparteien<br />

sowie Mitglieder des M<strong>in</strong>isteriums, aber auch Vertreter der befreundeten<br />

Berufsverbände und Gäste aus der Region waren am Nachmittag<br />

des ersten Tages der Delegiertenversammlung nach Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

angereist, um an der Festveranstaltung teilzunehmen.<br />

<strong>Das</strong> Motto der Vertreterversammlung und dieser Festveranstaltung<br />

lautete »Für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem mit e<strong>in</strong>em starken <strong>Gymnasium</strong>«.<br />

Im Mittelpunkt des Nachmittages stand der häufig durch viel Beifall<br />

unterbrochene Festvortrag von Josef Kraus, Präsident des Deutschen<br />

Lehrerverbandes (DL). Er sprach zum Thema »<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong><br />

– Erfolgsmodell und soziale Leistungsschule«. Zu Beg<strong>in</strong>n der<br />

Festveranstaltung begrüßte der neu gewählte Landesvorsitzende<br />

des <strong>Philologenverband</strong>es, Malte Blümke, die Gäste und hielt e<strong>in</strong> paar<br />

Eckpunkte fest, die <strong>in</strong> der gegenwärtigen Schul- und Bildungspolitik<br />

e<strong>in</strong>e wichtige Rolle spielen und die Arbeit des Berufsverbandes der<br />

Gymnasiallehrer kennzeichnen. Ihm folgte Staatssekretär<strong>in</strong> Vera<br />

Reiß <strong>in</strong> Vertretung der Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> mit e<strong>in</strong>em Grußwort an<br />

die Festversammlung. Auch sie g<strong>in</strong>g auf die aktuelle bildungspolitische<br />

Entwicklung aus der Sicht der Landesregierung e<strong>in</strong>. Nach e<strong>in</strong>em<br />

musikalischen Zwischenspiel der Big Band des Peter-Joerres-<br />

<strong>Gymnasium</strong>s Bad Neuenahr-Ahrweiler, die mit ihren sehr gekonnten<br />

Musikvorträgen unter der Leitung von Kollege Jürgen Bunse den gesamten<br />

Nachmittag musikalisch umrahmte, folgte dann der Festvortrag<br />

des DL-Präsidenten Josef Kraus.<br />

Auf den folgenden Seiten f<strong>in</strong>den Sie alle drei Vorträge im Wortlaut<br />

abgedruckt.<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N 5<br />

Bildung ist ohne Bildungspolitik<br />

nicht denkbar<br />

Landesvorsitzender Malte Blümke<br />

Begrüßungsrede des Landesvorsitzenden Malte Blümke zur Festveranstaltung im<br />

Rahmen der Vertreterversammlung 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

Me<strong>in</strong>e Damen und Herren,<br />

liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen,<br />

ich begrüße Sie sehr herzlich zu der<br />

Festveranstaltung des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, die wir unter<br />

das Motto gestellt haben: »Für e<strong>in</strong> differenziertes<br />

Schulsystem mit e<strong>in</strong>em starken<br />

<strong>Gymnasium</strong>«. In den vergangenen<br />

Jahren wurden Sie an dieser Stelle von<br />

unserem Landesvorsitzenden Max Laveuve<br />

begrüßt, der seit 1995 den Landesverband<br />

geführt hat und heute Morgen<br />

zum Ehrenvorsitzenden des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> gewählt<br />

wurde.<br />

Sie als unsere Gäste haben heute Nachmittag<br />

zwei Geme<strong>in</strong>samkeiten:<br />

1. Sie haben – <strong>in</strong> unterschiedlichen<br />

Funktionen – den Weg des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

und damit den Weg<br />

des <strong>Gymnasium</strong>s zum Teil seit längerer<br />

Zeit begleitet.<br />

2. Sie alle engagieren sich, an unterschiedlichen<br />

Orten und <strong>in</strong> Ihren jeweiligen<br />

Funktionen, für die Bildung<br />

von K<strong>in</strong>dern und Jugendlichen, von<br />

jungen Menschen und tragen damit<br />

e<strong>in</strong>e große Verantwortung für die Zukunft.<br />

<strong>Das</strong>s dies an den Gymnasien des Landes<br />

erfolgreich geschieht, hat uns soeben<br />

die Big Band des Peter-Joerres-<br />

<strong>Gymnasium</strong>s Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

unter der Leitung von Oberstudienrat<br />

Jürgen Bunse exemplarisch bewiesen.<br />

Herzlichen Dank dafür, wir freuen uns<br />

schon jetzt auf zwei weitere Beiträge<br />

der Big Band.<br />

Bildung ist ohne Bildungspolitik nicht<br />

denkbar. Hier werden die Weichen gestellt<br />

und vor allen D<strong>in</strong>gen die notwendigen<br />

Ressourcen bereit gestellt. Wir<br />

s<strong>in</strong>d überhaupt nicht traurig darüber,<br />

dass der rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Landtag<br />

se<strong>in</strong>e für heute geplante Landtagssitzung<br />

abgesagt hat. Im Gegenteil. <strong>Das</strong><br />

verschafft mir den Vorteil, als Vertreter<br />

der Legislative die CDU-Landtagsabgeordnete<br />

und bildungspolitische Sprecher<strong>in</strong><br />

der CDU-Fraktion, Bett<strong>in</strong>a<br />

Dickes, und den Fraktionsvorsitzenden<br />

der FDP-Landtagsfraktion, Herbert Mert<strong>in</strong>,<br />

herzlich begrüßen zu können.<br />

Es ist e<strong>in</strong>e gute Tradition, dass als Vertretung<br />

der Exekutive Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

Doris Ahnen zu uns kommt und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Grundsatzgrußwort die Bildungspolitik<br />

<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> erläutert. Sie<br />

wird heute vertreten durch die charmante<br />

Staatssekretär<strong>in</strong> im Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />

Vera Reiß. Bei der letzten Vertreterversammlung<br />

<strong>in</strong> Kaiserslautern<br />

hat Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris Ahnen<br />

Heft 1/2010


6<br />

R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N Vertreterversammlung 2009<br />

zum Schluss gesagt, wir wüssten ja<br />

nicht, was wir dem Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />

alles zu verdanken hätten; sie<br />

me<strong>in</strong>te damit natürlich den Erhalt des<br />

<strong>Gymnasium</strong>s und auch e<strong>in</strong>ige berufspolitische<br />

Entscheidungen, die wir natürlich<br />

gerne würdigen, wie auch den<br />

konstruktiven Dialog, den wir seit Jahren<br />

mit der M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> und den Vertreter<strong>in</strong>nen<br />

und Vertretern des Bildungsm<strong>in</strong>isteriums<br />

pflegen. Dies gilt vor allem<br />

für die Gymnasialabteilung im Bildungsm<strong>in</strong>isterium,<br />

die durch deren<br />

Leiter<strong>in</strong> Barbara Mathea und Dr.<br />

Klaus Sundermann vertreten wird.<br />

Wenn es um die Umsetzung der Regierungsvorstellungen<br />

geht, kommt die<br />

Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion<br />

<strong>in</strong>s Spiel, hier darf ich den Leiter<br />

der Schulabteilung der ADD, Thomas<br />

Bartholomé, und Hans Beckmann<br />

und Michael Mosbach von der Schulaufsicht<br />

der ADD begrüßen.<br />

Der Lehrerfortbildung kommt <strong>in</strong> den<br />

Zeiten der Veränderung des Bildungswesens<br />

e<strong>in</strong>e wachsende Bedeutung<br />

zu, die wir immer wieder für das<br />

<strong>Gymnasium</strong> sehr deutlich e<strong>in</strong>fordern<br />

und heute adressieren können an den<br />

Leiter des IFB, Jochen Mogler. Die<br />

nicht-staatlichen Lehrerfortbildungs<strong>in</strong>stitute<br />

werden wichtiger, weil wir mit<br />

ihnen unsere Vorstellungen immer<br />

besser realisieren können, deshalb<br />

darf ich Torsten Schambortski vom Institut<br />

für Lehrerfort- und -weiterbildung<br />

Ma<strong>in</strong>z/ILF herzlich begrüßen.<br />

Als Vertretung der Eltern begrüßen<br />

wir Günter Amman für den Elternvere<strong>in</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> und Ralf Quirbach<br />

vom Landeselternbeirat.<br />

Malte Blümke während se<strong>in</strong>er Ansprache bei der Vertreterversammlung des <strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

im November 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

Vom Deutschen <strong>Philologenverband</strong><br />

darf ich den Ehrenvorsitzenden Bernhard<br />

Fluck begrüßen, den Verfasser<br />

des Standardwerkes »<strong>Gymnasium</strong>,<br />

Auftrag und Fortschritt. Deutscher<br />

<strong>Philologenverband</strong> und <strong>Gymnasium</strong><br />

im 19. und 20. Jahrhundert« und den<br />

Schatzmeister des Deutschen <strong>Philologenverband</strong>es<br />

und Mitglied des Geschäftsführenden<br />

Vorstandes Andreas<br />

Bartsch. Der Präsident des Deutschen<br />

Lehrerverbandes, Oberstudiendirektor<br />

Josef Kraus, sei herzlich gegrüßt,<br />

er wird gleich den heutigen Festvortrag<br />

halten.<br />

Von unserem Dachverband, dem dbb,<br />

ist Helmut Kremer zu uns gekommen,<br />

vom Deutschen Altphilologenverband<br />

Hartmut Loos, vom Deutschen Geografenverband<br />

Georg Mäschig, von<br />

der Landesdirektorenvere<strong>in</strong>igung<br />

OSTD Werner Schuff. Herzlich begrüßen<br />

wir von dem Deutschen Realschullehrerverband<br />

Wolfgang Wünschel<br />

und Wolfgang Här<strong>in</strong>g, mit denen<br />

wir schon seit Jahrzehnten eng und<br />

vertrauensvoll zusammenarbeiten,<br />

und Barbara Kuch vom VBE-Landesverband<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>.<br />

Stellvertretend für den <strong>Philologenverband</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> begrüße ich<br />

die Ehrenvorsitzenden Hubert<br />

Schmitz und Max Laveuve, die Ehrenmitglieder<br />

Ursula Päßler, Ursula<br />

Riedel, Marie-Luise Prüm, Egon Born,<br />

Ra<strong>in</strong>er Gierlich, Arno Ochsenreither,<br />

Horst Schädlich, Rudolf Schu und Rudolf<br />

Vallendar, die Mitglieder der<br />

Gremien des Verbandes und der Bezirke.<br />

Der <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> wurde bei den Personalratswahlen<br />

im Mai 2009 von den rund 11000<br />

Lehrkräften an den Gymnasien, Kollegs<br />

und gymnasialen Studiensem<strong>in</strong>aren<br />

mit mehr als 75 Prozent der Stimmen<br />

gewählt. Ähnlich sieht das Ergebnis<br />

bei den Schulpersonalräten aus.<br />

Wir können deshalb mit Recht <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen, dass wir die Gymnasien<br />

repräsentieren. Auch an den Integrierten<br />

Gesamtschulen haben uns<br />

die überwiegende Zahl der Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen<br />

und Gymnasiallehrer<br />

gewählt. Deshalb begrüße ich mit großer<br />

Freude die Personalräte der Gymnasien<br />

und der entsprechenden Bezirks-<br />

und Hauptpersonalräte.<br />

Normalerweise kommt man nach Bad<br />

Neuenahr-Ahrweiler, weil hier e<strong>in</strong><br />

sehr guter Rotwe<strong>in</strong> wächst, oder weil<br />

man das Klima und Heilwasser<br />

schätzt oder weil man die Spielbank<br />

besuchen will.<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009<br />

R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N<br />

7<br />

Wir s<strong>in</strong>d nach Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

gekommen, weil es e<strong>in</strong> hervorragender<br />

Bildungsstandort ist – mit den<br />

drei Gymnasien vor Ort: Are-<strong>Gymnasium</strong>,<br />

Peter-Joerres-<strong>Gymnasium</strong> und<br />

dem <strong>Gymnasium</strong> auf dem Calvarienberg.<br />

Stellvertretend für die Schulen<br />

aus der ganzen Region darf ich deren<br />

Schulleiter, OSTD Hans-Dietrich Laubmann,<br />

OSTD Helmut Rausch und<br />

OSTD Ulrich Schült<strong>in</strong>g begrüßen.<br />

Zu Beg<strong>in</strong>n der Festveranstaltung haben<br />

wir die Schüler-Big Band aus Bad<br />

Neuenahr-Ahrweiler gehört. Wenn die<br />

Pläne des damaligen Kultusm<strong>in</strong>isters<br />

<strong>in</strong> den achtziger Jahren – Frau Staatssekretär<strong>in</strong><br />

Reiß, dies war vor Ihrer<br />

Zeit – zur Schließung e<strong>in</strong>es <strong>Gymnasium</strong>s<br />

<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler wahr<br />

geworden wären, dann hätten wir diese<br />

hervorragende Schüler-Big Band<br />

möglicherweise heute nicht hören<br />

können. Der <strong>Philologenverband</strong> hat<br />

damals die Schließung des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

verh<strong>in</strong>dern können, und das war<br />

auch gut so!<br />

Mit dem Begrüßungsmarathon ist es<br />

wie bei e<strong>in</strong>em echten Marathonlauf.<br />

Manches will man erreichen, manches<br />

schafft man nicht; natürlich habe<br />

ich jetzt e<strong>in</strong>ige vergessen, der e<strong>in</strong>e<br />

oder andere, die e<strong>in</strong>e oder andere ist<br />

vielleicht (noch) nicht anwesend; dafür<br />

schon jetzt e<strong>in</strong>e Entschuldigung<br />

und der H<strong>in</strong>weis auf die Gästeliste.<br />

Seit 1991 hat die Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris<br />

Ahnen verantwortliche Positionen<br />

im Bildungsm<strong>in</strong>isterium übernommen.<br />

Heute leitet sie das Superm<strong>in</strong>isterium<br />

Bildung, Wissenschaft, Jugend<br />

und Kultur und ist als profilierte Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong><br />

auch Sprecher<strong>in</strong> für<br />

die SPD-Bildungspolitik der Länder.<br />

Es ist nicht neu, dass die SPD <strong>in</strong>tegrative<br />

Schulsysteme präferiert, aktuell<br />

spricht man von längerem geme<strong>in</strong>samem<br />

Lernen. Ich glaube, dass es<br />

nicht falsch ist, wenn wir formulieren,<br />

dass Staatsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Ahnen und<br />

auch Staatssekretär<strong>in</strong> Reiß heute<br />

Nachmittag <strong>in</strong> der Dialektik der Begriffe<br />

Freiheit und Gleichheit für die Pole<br />

Gerechtigkeit und Gleichheit im Bildungsbereich<br />

stehen.<br />

Deshalb ist es spannend, dass wir mit<br />

dem heutigen Festredner Josef Kraus,<br />

dem Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes,<br />

e<strong>in</strong>en Gegenpol haben,<br />

der sich selbst als bildungspolitisch<br />

konservativ bezeichnet. Josef Kraus<br />

setzt auf die Pr<strong>in</strong>zipien Leistung und<br />

Eigenverantwortung und im Zweifelsfall<br />

gibt er dem Pr<strong>in</strong>zip Freiheit den<br />

Vorrang vor dem Pr<strong>in</strong>zip Gleichheit.<br />

Josef Kraus ist bekannt durch öffentliche<br />

Auftritte <strong>in</strong> Funk und Fernsehen<br />

und vor allem durch se<strong>in</strong>e Buchveröffentlichungen<br />

zur Bildungspolitik. In<br />

se<strong>in</strong>em neuesten Buch »Ist die Bildung<br />

noch zu retten?« setzt sich Josef<br />

Kraus <strong>in</strong> gewohnt prägnanter Weise<br />

mit den Fehlentwicklungen der deutschen<br />

Bildungspolitik ause<strong>in</strong>ander. Er<br />

nennt das Buch auch e<strong>in</strong>e Streitschrift.<br />

Deshalb freuen wir uns auf<br />

den heutigen Vortrag »<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong><br />

– Erfolgsmodell und soziale Leistungsschule«.<br />

Me<strong>in</strong>e Damen und Herren,<br />

liebe Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen,<br />

genau vor zwanzig Jahren hat unsere<br />

Vertreterversammlung <strong>in</strong> Trier stattgefunden.<br />

Ich weiß es noch, als wäre es<br />

gestern gewesen, welche Begeisterung<br />

<strong>in</strong> unseren Reihen herrschte, als der<br />

Versammlungsleiter Arno Ochsenreither<br />

am Morgen des 10. November<br />

1989 verkündete, dass <strong>in</strong> der vergangenen<br />

Nacht die Mauer gefallen sei.<br />

Dies war e<strong>in</strong> denkwürdiger Tag, ich<br />

würde den 9. November auch zum<br />

Tag der Deutschen E<strong>in</strong>heit ausrufen –<br />

und nicht den 3. Oktober. Auch ist<br />

dieser Tag e<strong>in</strong> Beweis für die Wichtigkeit<br />

des Faches Geschichte im Fächerkanon<br />

für alle Schularten.<br />

Sogenanntes längeres geme<strong>in</strong>sames<br />

Lernen soll gegen den<br />

Willen der Mehrheit der Bevölkerung<br />

durchgesetzt werden.<br />

Natürlich haben wir uns sofort <strong>in</strong>tensiv<br />

mit dem Schulsystem der DDR beschäftigt,<br />

der zehnklassigen, allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />

polytechnischen<br />

Oberschule (POS) und der sich daran<br />

anschließenden zweijährigen Erweiterten<br />

Oberschule (EOS). Im Laufe<br />

der neunziger Jahre wurde das e<strong>in</strong>heitliche<br />

sozialistische Bildungssystem<br />

der ehemaligen DDR überwunden,<br />

so dass bei den jüngsten PISA-Erhebungen<br />

Sachsen und Thür<strong>in</strong>gen mit<br />

Bayern und Baden-Württemberg die<br />

Spitzengruppe bildeten.<br />

Es kl<strong>in</strong>gt jetzt wie e<strong>in</strong>e Ironie der Geschichte,<br />

wenn die durch die E<strong>in</strong>führung<br />

der gegliederten Schulsysteme<br />

errungenen Fortschritte mit tatkräftiger<br />

Unterstützung der PDS-Nachfolgepartei<br />

»Die L<strong>in</strong>ke« und der SPD durch<br />

die Verlängerung der Grundschulzeit<br />

um zwei Jahre <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Brandenburg<br />

und Mecklenburg-Vorpommern konterkariert<br />

werden. Der bildungspolitische<br />

Veränderungsdrang hat jetzt sogar<br />

im Westen mit tatkräftiger Unterstützung<br />

der Grünen die CDU und Teile<br />

der FDP befallen, wenn <strong>in</strong> Hamburg<br />

und im Saarland das längere geme<strong>in</strong>same<br />

Lernen <strong>in</strong> der Schule gegen den<br />

Willen der Betroffenen durchgesetzt<br />

werden soll. Wir ahnen schon, dass<br />

als nächste Kampagne die Forderung<br />

nach der geme<strong>in</strong>samen Schule für alle<br />

und die vollständige Abschaffung des<br />

gegliederten Schulwesens über die<br />

Zwischenstufe des zweigliedrigen<br />

Schulsystems folgen wird. Wenn <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong> zukünftig die Plätze an den<br />

Gymnasien ausgelost werden sollen,<br />

dann s<strong>in</strong>d wir zwar weit entfernt von<br />

den Auslesemechanismen zur Erweiterten<br />

Oberschule der ehemaligen<br />

DDR, die nach Klassenzugehörigkeit<br />

Heft 1/2010


8<br />

R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N Vertreterversammlung 2009<br />

erfolgte, aber das Zufallspr<strong>in</strong>zip ist<br />

nicht weniger ungerecht und <strong>in</strong>effektiv.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs will ich Ihnen nicht vorenthalten,<br />

was der Berl<strong>in</strong>er Schulsenator<br />

Prof. Dr. Jürgen Zöllner zur nächste<br />

Woche <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>denden Vertreterversammlung<br />

des Deutschen <strong>Philologenverband</strong>es<br />

geschrieben hat: »Die<br />

Schulform <strong>Gymnasium</strong> ist nach wie<br />

vor die beliebteste Schulform <strong>in</strong><br />

Deutschland.« »Die Erfolgsgeschichte<br />

des <strong>Gymnasium</strong>s hat nach der Wende<br />

auch <strong>in</strong> den neuen Bundesländern ihre<br />

Fortsetzung gefunden. <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong><br />

ist auch dort mittlerweile fest<br />

verankert.« <strong>Das</strong> Angebot des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

nennt er das attraktivste Programm<br />

für e<strong>in</strong>en breiten Anteil der jugendlichen<br />

Bevölkerung; das <strong>Gymnasium</strong><br />

kann als älteste aller Schulformen<br />

zu e<strong>in</strong>em Zukunftsmodell <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Bildungssystem unserer Zeit<br />

werden. Dazu können wir nur sagen:<br />

Wenn er Recht hat, hat er Recht!<br />

Sogar »Der Spiegel« spricht neuerd<strong>in</strong>gs<br />

anerkennend vom Mythos <strong>Gymnasium</strong>.<br />

Nach der neuesten repräsentativen<br />

Forsa-Umfrage sprechen sich<br />

63 Prozent der Bevölkerung für den<br />

Erhalt des bisherigen gegliederten<br />

Schulsystems aus.<br />

Die Gymnasien <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> werden gegenüber <strong>in</strong>tegrierten<br />

Systemen benachteiligt.<br />

In Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> werden durch die<br />

neue Schulstrukturreform die Hauptschule<br />

und die sehr erfolgreiche Realschule<br />

abgeschafft und durch die Realschule<br />

plus ersetzt, ergänzt durch<br />

die erhebliche Ausweitung der Integrierten<br />

Gesamtschule. <strong>Das</strong> bedeutet,<br />

dass es außerhalb des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

vorwiegend <strong>in</strong>tegrierte Schulsysteme<br />

gibt, dass die Probleme der Hauptschule<br />

nicht gelöst werden, dass die<br />

geme<strong>in</strong>samen Orientierungsstufen<br />

In der ersten Reihe v.l. Hubert Schmitz (Ehrenvorsitzender <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>), Andreas<br />

Bartsch, Geschäftsführender Vorstand Deutscher <strong>Philologenverband</strong>), Barbara Mathea, M<strong>in</strong>isterium für<br />

Bildung, Wissenschaft. Jugend und Kultur Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, Thomas Bartholomé, ADD Trier<br />

zwischen Realschule und <strong>Gymnasium</strong><br />

zukünftig auf alle bisherigen Schularten<br />

zwangsweise ausgeweitet werden,<br />

dass die Gymnasien angehalten werden,<br />

weitere <strong>in</strong>tegrierte Orientierungsstufen<br />

e<strong>in</strong>zurichten, und dass die<br />

Gymnasien <strong>in</strong> der Unterrichtsversorgung<br />

weiter benachteiligt werden. Die<br />

Gymnasien <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> haben<br />

mit 2,5 Prozent strukturellem Unterrichtsausfall<br />

den höchsten Unterrichtsausfall<br />

aller allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />

Schulen und mit durchschnittlich 27,2<br />

Schülern pro Klasse die höchsten<br />

Klassengrößen. Wir wissen auch, dass<br />

der strukturelle Unterrichtsausfall<br />

und der tatsächliche Unterrichtsausfall<br />

wesentlich höher als offiziell angegeben<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Der Beruf des Gymnasiallehrers<br />

und der Gymnasiallehrer<strong>in</strong> muss<br />

wieder attraktiver werden.<br />

Als erster Lehrerverband hat der<br />

<strong>Philologenverband</strong> schon frühzeitig<br />

vor dem drohenden Lehrermangel<br />

gewarnt. Wenn heute beklagt wird,<br />

dass wir nicht die nötigen Gymnasiallehrkräfte<br />

auf dem Lehrerarbeitsmarkt<br />

gew<strong>in</strong>nen können, dann hat<br />

das auch mit Fehlern <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

zu tun, wie die geplante Absenkung<br />

der E<strong>in</strong>gangsbesoldung, zu<br />

ger<strong>in</strong>ge E<strong>in</strong>stellungs- und Ausbildungsquoten,<br />

Nullrunden bei den<br />

Tarifverhandlungen, zu ger<strong>in</strong>ge Aufstiegsmöglichkeiten,<br />

Verschlechterung<br />

der Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen. Wir<br />

warnen e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>glich davor, die entstandenen<br />

Lücken mit nicht voll ausgebildeten<br />

(Gymnasial)Lehrkräften<br />

zu stopfen. Wenn jemand beispielsweise<br />

Modedesign an der Fachhochschule<br />

studiert hat, dann ist er ke<strong>in</strong>eswegs<br />

qualifiziert für den Unterricht<br />

am <strong>Gymnasium</strong>. Ich lass mir<br />

doch auch nicht e<strong>in</strong> Haus von e<strong>in</strong>em<br />

Kunstlehrer bauen (rechtlich g<strong>in</strong>ge<br />

das auch gar nicht), weil ich weiß,<br />

dass er sich <strong>in</strong> der Barockarchitektur<br />

auskennt.<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009<br />

R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N<br />

9<br />

E<strong>in</strong> öffentliches E<strong>in</strong>heitsschulsystem<br />

ist nicht gerecht.<br />

Die demografische Entwicklung und<br />

das soziale Argument, die so genannte<br />

Bildungsgerechtigkeit, werden als<br />

Argumente für die Veränderung der<br />

Schullandschaft immer wieder angeführt.<br />

Dagegen haben alle nationalen<br />

und <strong>in</strong>ternationalen Studien der letzten<br />

Jahre und Jahrzehnte die leistungsmäßige<br />

Überlegenheit des differenzierten<br />

Schulsystems gegenüber<br />

<strong>in</strong>tegrierten Systemen bewiesen.<br />

Auch stimmt die Behauptung nicht,<br />

dass das gegliederte Schulwesen <strong>in</strong><br />

Deutschland e<strong>in</strong> sozial selektives<br />

Schulwesen sei. Im Gegenteil. Josef<br />

Kraus hat darauf h<strong>in</strong>gewiesen, dass<br />

nirgendwo die so genannte soziale Selektivität<br />

größer ist als <strong>in</strong> Ländern, <strong>in</strong><br />

denen es e<strong>in</strong> öffentliches E<strong>in</strong>heitsschulsystem<br />

und kostenpflichtige Privatschulen<br />

gibt.<br />

Die Beschwichtigungen <strong>in</strong> der Vergangenheit<br />

und Gegenwart durch die<br />

SPD-Landtagsfraktion, bildungspolitischen<br />

Sprecher der SPD, das Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />

und die ADD, das<br />

<strong>Gymnasium</strong> sei doch gar nicht betroffen<br />

und der <strong>Philologenverband</strong> solle<br />

sich nicht so aufregen, konnten und<br />

können unsere Bedenken ke<strong>in</strong>eswegs<br />

zerstreuen. Wir haben den E<strong>in</strong>druck,<br />

dass be<strong>in</strong>ahe nach e<strong>in</strong>em Masterplan<br />

die Schulbaustelle Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

systematisch so organisiert wird, dass<br />

das gegliederte Schulwesen abgeschafft<br />

und die Integration zwischen<br />

den Schularten vor der nächsten<br />

Landtagswahl 2011 mit aller Macht vorangezutreiben<br />

werden soll. Schulgesetz,<br />

Schulordnung, Orientierungsrahmen,<br />

Agentur für Qualitätssicherung,<br />

Bildungsstandards, Rahmenlehrpläne,<br />

Stundentafeln, geme<strong>in</strong>same Orientierungsstufe,<br />

das geplante E<strong>in</strong>heits<strong>in</strong>stitut<br />

zur Lehrerfortbildung, das nach eigenen<br />

Aussagen ganz bewusst die<br />

Schularten nicht abbilden soll, das<br />

neue Fach Naturwissenschaften (Nawi)<br />

s<strong>in</strong>d nur e<strong>in</strong>ige Stichworte dazu.<br />

<strong>Das</strong> Haus der »schönen neuen<br />

Lehrerbildung« ist heute e<strong>in</strong>e<br />

Ru<strong>in</strong>e.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs können wir nicht von e<strong>in</strong>er<br />

geordneten Schulbaustelle Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> sprechen. Eher entsteht der E<strong>in</strong>druck<br />

e<strong>in</strong>er Chaos-Schulbaustelle, vor<br />

allem wenn man die Lehrerbildung<br />

näher betrachtet. Mit welchen Parolen,<br />

Erwartungen und Visionen wurde<br />

die Neue Lehrerbildung vom damaligen<br />

Bildungsm<strong>in</strong>ister Jürgen Zöllner<br />

angekündigt! Alles sollte besser werden:<br />

Die Studiendauer sollte erheblich<br />

verkürzt werden, die Fachdidaktik<br />

und Bildungswissenschaften sollten<br />

ohne Kürzung der Fachwissenschaften<br />

ausgeweitet werden, die erste<br />

Phase durch umfangreiche Praktika<br />

mit der 2. Phase s<strong>in</strong>nvoll verbunden<br />

werden, das BA/MA-Strukturmodell<br />

sollte Durchlässigkeit und Polyvalenz<br />

ermöglichen. Mit der »Schönen neuen<br />

Lehrerbildung«, die vom damaligen<br />

Bildungsm<strong>in</strong>ister als Quantensprung<br />

<strong>in</strong> der Lehrerbildung bezeichnet wurde,<br />

sollten die Schulen <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> Spitze werden.<br />

<strong>Das</strong> Haus der neuen Lehrerbildung ist<br />

dagegen heute e<strong>in</strong>e Ru<strong>in</strong>e, hektische<br />

Reparaturmaßnahmen können nicht<br />

verschleiern, dass die Neue Lehrerbildung<br />

so nicht machbar ist. Die zahlreichen<br />

Änderungen <strong>in</strong> der neuen Lehrerbildung<br />

zeigen, dass unsere immer<br />

wieder vorgebrachte Kritik an der<br />

konsekutiven Lehrerbildung <strong>in</strong> vollem<br />

Umfang bestätigt wird. In der Tat ist<br />

die Bachelor/Master-Struktur, die im<br />

Zuge der Bologna-Beschlüsse umgesetzt<br />

werden sollte, gescheitert. Die<br />

angestrebte Polyvalenz und Studienzeitverkürzung<br />

s<strong>in</strong>d Fiktion. Die Fachwissenschaften<br />

werden reduziert, das<br />

Lehramtsstudium wird von den Fachwissenschaften<br />

abgekoppelt. Die Universitäten<br />

s<strong>in</strong>d nicht annähernd <strong>in</strong><br />

der Lage, die vorgeschriebenen Angebote<br />

<strong>in</strong> der Fachdidaktik, den Bildungswissenschaften<br />

und den Praktika<br />

weder quantitativ noch qualitativ<br />

zu erfüllen. Die strukturellen Probleme<br />

s<strong>in</strong>d völlig ungelöst und werden<br />

durch die Übergangsphase, <strong>in</strong> der<br />

drei verschiedene Lehramtsstudiengänge<br />

zeitgleich verlaufen, noch verschärft.<br />

<strong>Das</strong> alles wird nicht zu e<strong>in</strong>er Studienzeitverkürzung<br />

beitragen. Im Gegenteil:<br />

das Bildungsm<strong>in</strong>isterium hat <strong>in</strong>zwischen<br />

schon die Studiendauer für<br />

das Lehramt an Realschulen plus um<br />

e<strong>in</strong> Semester von acht Semestern auf<br />

neun Semester angehoben und geht<br />

somit e<strong>in</strong>en weiteren Schritt zum E<strong>in</strong>heitslehrer.<br />

Die Hauptbegründung für die neue<br />

Lehrerbildung ist die stärkere Verzahnung<br />

von wissenschaftlicher und<br />

schulpraktischer Ausbildung. In dem<br />

dualen Studien- und Ausbildungskonzept<br />

der Lehrerbildung <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> spielen die verpflichtenden<br />

Schulpraktika die Schlüsselrolle. Weitgehend<br />

vernachlässigt hat das Bildungsm<strong>in</strong>isterium,<br />

wie die Studierenden<br />

an den Schulen betreut werden<br />

sollen. Wie soll das Ganze geschehen?<br />

Durch die sogenannten »Praktikumsbetreuenden<br />

Personen«, die nur m<strong>in</strong>imale<br />

Entlastungen erhalten sollen,<br />

und die Erf<strong>in</strong>dung e<strong>in</strong>er neuen E<strong>in</strong>richtung<br />

der so genannten »Praktikumsfachleitungen«.<br />

Es wird endlich Zeit, die ganze reformierte<br />

Lehrerbildung auf den Prüfstand<br />

zu stellen. Dabei sollten die<br />

Fachwissenschaften von Anfang an<br />

schulartspezifisch ausgerichtet se<strong>in</strong>,<br />

die Module <strong>in</strong> den Bildungswissenschaften<br />

müssten gründlich überarbeitet<br />

und abgespeckt werden, die<br />

Heft 1/2010


10<br />

R E D E D E S L A N D E S VO R S I T Z E N D E N Vertreterversammlung 2009<br />

v.l.n.r. Bettt<strong>in</strong>a Dickes, MdL, CDU-Landtagsfraktion, Herbert Mert<strong>in</strong>, Mdl, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion,<br />

Bernhard Fluck, Ehrenvorsitzender Deutscher <strong>Philologenverband</strong>, Max Laveuve, Ehrenvorsitzender<br />

<strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, Josef Kraus, DL-Präsident<br />

Praktikantenbetreuung seriös und umfassend<br />

geregelt werden, die Zahl der<br />

Praktika muss von sieben auf vier reduziert<br />

werden, das Referendariat<br />

muss m<strong>in</strong>destens achtzehn Monate<br />

umfassen.<br />

Die Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen und<br />

Gymnasiallehrer <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

leisten hervorragende Arbeit.<br />

Sehr geehrte Frau Staatssekretär<strong>in</strong>,<br />

ich habe anfangs darauf h<strong>in</strong>gewiesen,<br />

dass wir sehr wohl differenzieren<br />

können und auch die positiven Punkte<br />

sehen. Wenn die Gymnasien <strong>in</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> bei PISA 2006 im<br />

bundesweiten Vergleich der Gymnasien<br />

im Lesen, <strong>in</strong> Naturwissenschaften<br />

und <strong>in</strong> der Mathematik die Plätze<br />

2, 3 und 7 belegen, dann zeigt dies,<br />

dass die Gymnasien leistungsfähig<br />

und funktionsfähig s<strong>in</strong>d. Wir haben<br />

gymnasiale Stundentafeln mit M<strong>in</strong>deststundenansätzen<br />

für die Fächer,<br />

wir haben e<strong>in</strong>e moderate Schulzeitverkürzung<br />

G8/GTS, die wahrlich<br />

ke<strong>in</strong> Sparmodell ist, das fakultative<br />

Ganztagsschulmodell kann ebenfalls<br />

überzeugen, ebenfalls die 2. Fremdsprache<br />

<strong>in</strong> der Klasse 6; die Vergleichsuntersuchungen<br />

Vera 8 auszusetzen,<br />

war e<strong>in</strong>e gute Entscheidung.<br />

Vera Reiß ist uns lieber als Vera 8!<br />

Auch hat das Land <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

beachtliche Anstrengungen <strong>in</strong><br />

der Berufspolitik unternommen:<br />

Rund 2300 Lehrkräfte und rund 1500<br />

Referendar<strong>in</strong>nen und Referendare<br />

wurden e<strong>in</strong>gestellt, drei neue gymnasiale<br />

Studiensem<strong>in</strong>are wurden beschlossen,<br />

1000 Beförderungen zum<br />

Oberstudienrat und 370 Beförderungen<br />

auf A 15-Funktionsstellen vorgenommen,<br />

die Altersteilzeit wurde<br />

verlängert, die Verbeamtungsgrenze<br />

wird auf 45 Jahren angehoben, die so<br />

genannte Effizienzrendite wird an<br />

den Schulen ausgesetzt, das bedeutet,<br />

dass alle frei werdenden Stellen<br />

wieder besetzt werden können.<br />

In der Frage der Oberstufenreform<br />

stimmen wir weitgehend mit den Vorschlägen<br />

des Bildungsm<strong>in</strong>isteriums<br />

übere<strong>in</strong>, auch <strong>in</strong> der Frage des Zentralabiturs<br />

s<strong>in</strong>d wir mit Ihnen (noch)<br />

e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung, dass das rhe<strong>in</strong>landpfälzische<br />

Abitur sehr wohl vergleichbar<br />

und qualitätsvoll ist und dass andere<br />

Länder erst e<strong>in</strong>mal nachweisen<br />

müssen, dass durch e<strong>in</strong> Zentralabitur<br />

und – wenn ja durch welche Form des<br />

Zentralabiturs – bessere Abiturergebnisse<br />

erzielt werden können.<br />

Die Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen und Gymnasiallehrer<br />

<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> leisten<br />

hervorragende Arbeit, dies sollte<br />

auch e<strong>in</strong>mal öffentlich anerkannt werden.<br />

<strong>Das</strong> ist auch nicht nur e<strong>in</strong>e Frage<br />

des Geldes, sondern auch e<strong>in</strong>e Frage<br />

des Berufsethos. Wir arbeiten gerne<br />

im <strong>Gymnasium</strong> und engagieren uns<br />

für unsere Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler,<br />

setzen uns e<strong>in</strong> für Begabungsgerechtigkeit<br />

und Chancengleichheit und<br />

leisten damit e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag<br />

für unsere Gesellschaft und unser<br />

Land. Kont<strong>in</strong>uität, Vertrauen, Zuverlässigkeit<br />

<strong>in</strong> der Bildungspolitik und<br />

gute Rahmenbed<strong>in</strong>gungen mit voller<br />

Unterrichtsversorgung durch gut ausgebildete<br />

qualifizierte Gymnasiallehr<strong>in</strong>nen<br />

und Gymnasiallehrer, kle<strong>in</strong>eren<br />

Klassen, zusätzlichen Anrechnungsstunden<br />

und Aufstiegsmöglichkeiten<br />

s<strong>in</strong>d die dafür notwendigen Voraussetzungen.<br />

Hier gibt es <strong>in</strong> der Tat<br />

noch e<strong>in</strong>iges zu tun.<br />

Frau Staatssekretär<strong>in</strong>, wir bitten um<br />

Verständnis, dass wir unsere Sorge<br />

um die Zukunft des <strong>Gymnasium</strong>s sehr<br />

offen dargestellt haben, wir s<strong>in</strong>d ja<br />

quasi unter uns.<br />

Für konstruktive Lösungen zum Wohle<br />

des <strong>Gymnasium</strong>s s<strong>in</strong>d wir immer<br />

gesprächsbereit!<br />

Vielen Dank!<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 G R U S S W O R T 11<br />

Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß (SPD),<br />

M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Wissenschaft,<br />

Jugend und Kultur Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Die aktuelle bildungspolitische<br />

Entwicklung aus<br />

Sicht der Landesregierung<br />

Sehr verehrte Damen und Herren,<br />

es ist schon lange und gute Tradition,<br />

dass die Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> oder bei<br />

deren Verh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> Vertretung die<br />

Staatssekretär<strong>in</strong>, an dieser Veranstaltung<br />

teilnimmt, und ich darf Ihnen die<br />

allerbesten Grüße ausrichten.<br />

Wie Sie wissen, s<strong>in</strong>d der <strong>Philologenverband</strong><br />

und das Bildungsm<strong>in</strong>isterium<br />

nicht immer e<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung darüber,<br />

wie die Schulen und <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Gymnasien sich weiterentwickeln sollten,<br />

aber da halte ich es mit e<strong>in</strong>em deutschen<br />

Publizisten, der e<strong>in</strong>mal sagte:<br />

»Gelungene Kritik ist immer auch das<br />

Bemühen um e<strong>in</strong>en Dialog.« Und auch<br />

diese Veranstaltung ist e<strong>in</strong>e Möglichkeit,<br />

mit Ihnen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Dialog über die Frage<br />

e<strong>in</strong>zutreten, was das Beste für unsere<br />

K<strong>in</strong>der und Jugendlichen ist, für die wir<br />

geme<strong>in</strong>sam Verantwortung tragen.<br />

Reformen erzeugen Skepsis<br />

<strong>Das</strong>s <strong>in</strong> der letzten Zeit die Dialoge und<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzungen über diese Frage<br />

etwas <strong>in</strong>tensiver ausgefallen s<strong>in</strong>d, ist sicher<br />

auch der Tatsache geschuldet,<br />

dass strukturelle Veränderungen immer<br />

zunächst e<strong>in</strong>mal Skepsis und Argwohn<br />

hervorrufen. So ist es mit aktuellen<br />

Schulstrukturreformen, und so war es –<br />

wenn man zurückschaut – mit allen<br />

strukturellen Reformen im Schulbereich.<br />

Ich möchte e<strong>in</strong>mal aus e<strong>in</strong>er Veranstaltung<br />

des <strong>Philologenverband</strong>es zitieren:<br />

»Die e<strong>in</strong>en fürchteten die Zerstörung<br />

dessen, was sie erhalten wollten,<br />

wie es war; die anderen sahen e<strong>in</strong>e besonders<br />

fe<strong>in</strong>e List, die unter dem Deckmantel<br />

der Reform das <strong>Gymnasium</strong> stabilisieren<br />

sollte. Dazwischen schillert ... an<br />

den Schulen e<strong>in</strong> breites Spektrum der<br />

Missverständnisse, Befürchtungen, enttäuschter<br />

Hoffnungen und resignierender<br />

Erfahrungen, gespeist aus der Innenschau<br />

der Schule, gesellschaftlichem<br />

Druck ..., schul- und gesellschaftspolitischen<br />

Veränderungen.« 1 <strong>Das</strong> kl<strong>in</strong>gt sehr<br />

aktuell, ist aber mehr als dreißig Jahre<br />

alt. <strong>Das</strong> Zitat stammt aus dem E<strong>in</strong>führungsvortrag<br />

zum 29. Gemener Kongress<br />

1977. Die damalige Situation ist<br />

der heutigen sehr vergleichbar. Diskutiert<br />

wurde über die Pläne der nordrhe<strong>in</strong>-westfälischen<br />

Landesregierung, e<strong>in</strong>e<br />

so genannte »Kooperative Schule«<br />

e<strong>in</strong>zuführen und über die damals neue<br />

Idee der »Orientierungsstufe«. Wobei<br />

man dazu sagen muss, dass mit Orientierungsstufe<br />

ursprünglich der geme<strong>in</strong>-<br />

1 Aus dem E<strong>in</strong>führungsvortrag zum 29. Gemener<br />

Kongress von Ernst Tilly, Vorsitzender des Kuratoriums<br />

Gemener Kongress<br />

Heft 1/2010


12<br />

G R U S S W O R T Vertreterversammlung 2009<br />

same Unterricht aller Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler geme<strong>in</strong>t war.<br />

Damals Kooperative Schule und Orientierungsstufe<br />

– heute Realschule<br />

plus und geme<strong>in</strong>same Orientierungsstufe<br />

zwischen Realschule plus und<br />

<strong>Gymnasium</strong>. Damals wie heute geht<br />

es darum, was die Reformen für das<br />

<strong>Gymnasium</strong> bedeuten und damit letztlich<br />

auch um den Bildungsauftrag des<br />

<strong>Gymnasium</strong>s. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>e sehr bedeutsame<br />

Diskussion, und es ist<br />

durchaus Aufgabe e<strong>in</strong>es Lehrerverbandes,<br />

der die Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen<br />

und -lehrer vertritt, solche Diskussionen<br />

mit zu führen und Entscheidungsprozesse<br />

kritisch-konstruktiv<br />

zu begleiten. Auch da möchte ich<br />

noch e<strong>in</strong>mal aus dem Gemener Kongress<br />

von 1977 zitieren, wo der Kuratoriumsvorsitzende<br />

se<strong>in</strong>en Vortrag mit<br />

den Worten schloss: »Wenn der Kongress<br />

dazu beitragen kann, dass bei aller<br />

Polarisierung die unverzichtbaren<br />

Geme<strong>in</strong>samkeiten zum Wohl der uns<br />

anvertrauten Schüler erhalten bleiben<br />

und dass Lehrer bereit s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>nvolle<br />

Reformen weiter zu wagen, dann ist<br />

das optimale Ziel dieser Tagung erreicht.«<br />

Dem kann ich mich nur anschließen.<br />

Lassen Sie uns bei allen<br />

Gegensätzen die Diskussionen <strong>in</strong> diesem<br />

S<strong>in</strong>ne führen!<br />

Die Schulstrukturreform<br />

<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

In den letzten zwei Jahren wurde vonseiten<br />

des <strong>Philologenverband</strong>es immer<br />

wieder beklagt, dass die Schulstrukturreform<br />

e<strong>in</strong>en Abbau des gegliederten<br />

Schulwesens bedeute, und<br />

es wurde vorhergesagt, dass die neue<br />

Schulart ke<strong>in</strong>e Akzeptanz f<strong>in</strong>den werde,<br />

dass vielmehr e<strong>in</strong> Ansturm auf die<br />

Gymnasien e<strong>in</strong>setzen werde.<br />

Fangen wir e<strong>in</strong>mal mit dem Letzteren<br />

an: Der Ansturm auf die Gymnasien<br />

ist e<strong>in</strong>deutig ausgeblieben – das hat<br />

auch der <strong>Philologenverband</strong> zugestanden.<br />

Vielmehr hat die Realschule<br />

plus e<strong>in</strong>e ganz erfreuliche Resonanz<br />

und Akzeptanz gefunden. Die fünften<br />

Klassen der zu Schuljahresbeg<strong>in</strong>n neu<br />

gestarteten 122 Realschulen plus werden<br />

aktuell von mehr als 8600 Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schülern besucht, das entspricht<br />

e<strong>in</strong>er durchschnittlichen 3-Zügigkeit.<br />

Für die fünften Klassen der<br />

Gymnasien s<strong>in</strong>d mit <strong>in</strong>sgesamt rund<br />

16 800 Fünftklässlern weniger Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler angemeldet worden<br />

als im Vorjahr.<br />

Es wird <strong>in</strong> Deutschland künftig Probleme<br />

geben, den steigenden Bedarf an<br />

qualifizierten Arbeitskräften zu decken.<br />

Die Nachfrage nach Akademiker<strong>in</strong>nen<br />

und Akademikern wird weiter<br />

steigen, die Nachfrage nach ger<strong>in</strong>ger<br />

qualifizierten Arbeitskräften zurückgehen.<br />

Deshalb müssen wir alle geme<strong>in</strong>sam<br />

größte Anstrengungen unternehmen,<br />

um alle K<strong>in</strong>der und Jugendlichen<br />

bestmöglich zu fördern und so<br />

mehr als bisher zu höheren Schulabschlüssen<br />

zu führen. Dabei besteht<br />

die wesentliche Herausforderung <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Flächenland wie Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> dar<strong>in</strong>, demografiefeste Strukturen<br />

zu entwickeln. <strong>Das</strong> bedeutet konkret:<br />

K<strong>in</strong>der müssen auch künftig <strong>in</strong><br />

zumutbarer Entfernung von ihrem<br />

Wohnort die Möglichkeit haben, alle<br />

Schulabschlüsse zu erwerben.<br />

Und weil K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> ihrer Lernentwicklung<br />

sehr unterschiedlich s<strong>in</strong>d, müssen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Schulsystem unterschiedliche<br />

Förderkonzepte und<br />

Schulkonzepte angeboten werden.<br />

Deshalb wollen wir, dass Eltern <strong>in</strong> zumutbarer<br />

Entfernung von ihrem<br />

Wohnort die Wahl zwischen <strong>in</strong>tegrativen<br />

Systemen und Systemen mit Ausrichtung<br />

auf bestimmte Schulabschlüsse<br />

haben. Aus diesem Grund<br />

werden Realschulen plus <strong>in</strong> <strong>in</strong>tegrativer<br />

und <strong>in</strong> kooperativer Form, d.h. mit<br />

abschlussbezogenen Klassen, errichtet.<br />

Aus diesem Grund werden e<strong>in</strong>erseits<br />

neue Integrierte Gesamtschulen<br />

gegründet und die Gymnasien stellen<br />

die zweite wichtige Säule der Zweigliedrigkeit<br />

dar.<br />

Wertschätzung der Gymnasien<br />

Me<strong>in</strong>e Damen und Herren, ich möchte<br />

es an dieser Stelle auch e<strong>in</strong>mal<br />

ganz deutlich sagen: Sie können es als<br />

Zeichen der Wertschätzung der Gymnasien<br />

und ihrer pädagogischen Arbeit<br />

ansehen, dass die Gymnasien<br />

auch <strong>in</strong> der neuen Schulstruktur unverändert<br />

e<strong>in</strong>en wichtigen Platz e<strong>in</strong>nehmen<br />

und flächendeckend entsprechend<br />

dem Bedarf ausgebaut werden.<br />

Alle<strong>in</strong> im laufenden Schuljahr s<strong>in</strong>d<br />

vier neue Gymnasien und fünf neue<br />

berufliche Gymnasien gestartet.<br />

Daneben haben wir e<strong>in</strong>en besonderen<br />

Schwerpunkt im Bereich der ästhetisch-kulturellen<br />

Bildung gesetzt,<br />

<strong>in</strong>dem zum Schuljahr 2010/2011 <strong>in</strong> Al-<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009<br />

G R U S S W O R T<br />

13<br />

zey e<strong>in</strong> Landeskunstgymnasium starten<br />

wird. Damit wird neben dem Landesmusikgymnasium,<br />

das schon seit<br />

vielen Jahren für musikalisch besonders<br />

begabte Schüler<strong>in</strong>nen und Schüler<br />

e<strong>in</strong> qualitativ hochwertiges Angebot<br />

bereithält, nun auch im Bereich<br />

der Bildenden Kunst e<strong>in</strong> vergleichbarer<br />

Schwerpunkt gesetzt.<br />

Überschriften wie »Mit e<strong>in</strong>er weiteren<br />

Benachteiligung des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

muss jetzt Schluss se<strong>in</strong>!« 2 erwecken e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>druck, der sachlich e<strong>in</strong>fach<br />

nicht korrekt ist.<br />

Die Stärken und Erfolge der pädagogischen<br />

Arbeit an den Gymnasien stehen<br />

für mich außer Zweifel – und sie<br />

werden auch <strong>in</strong> der Öffentlichkeit und<br />

<strong>in</strong> der Landespolitik wahrgenommen.<br />

Erfolge der Gymnasien<br />

<strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

So s<strong>in</strong>d zum Beispiel die Erfolge bei<br />

der Begabtenförderung oder im<br />

MINT-Bereich höchst erfreulich und<br />

durchaus e<strong>in</strong> Markenzeichen für<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>. Ich denke etwa daran,<br />

dass bislang schon zwölf rhe<strong>in</strong>land-pfälzische<br />

Gymnasien nach e<strong>in</strong>em<br />

bundesweiten Auswahlverfahren<br />

den Titel MINT-EC-Schule (Mathematisch-naturwissenschaftliches<br />

Excellence-Center)<br />

führen dürfen. <strong>Das</strong> ist<br />

e<strong>in</strong> im Ländervergleich beachtlicher<br />

Erfolg, und zwar nicht nur quantitativ,<br />

sondern auch qualitativ. In dem alle<br />

zwei Jahre stattf<strong>in</strong>denden Wettbewerb<br />

für MINT-EC-Schulen »Siemens<br />

Award« , <strong>in</strong> dem die überzeugendsten<br />

pädagogischen und methodischen<br />

Konzepte ausgezeichnet werden, s<strong>in</strong>d<br />

rhe<strong>in</strong>land-pfälzische Gymnasien immer<br />

unter den Siegern. Im letzten<br />

Jahr g<strong>in</strong>gen drei von zehn Preisen<br />

2 Überschrift des »gelben Briefs« vom 11. September<br />

2009; Thema: die neue VV Unterrichtsorganisation,<br />

die angeblich die Gymnasien massiv benachteiligt.<br />

nach Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>. <strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong><br />

wirklich beachtlicher Erfolg <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

zukunftsrelevanten Bereich.<br />

<strong>Das</strong>s die rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Schulen,<br />

und besonders die Gymnasien,<br />

auch im »Kerngeschäft« von Schule,<br />

beim Kompetenzerwerb aller Schüler<strong>in</strong>nen<br />

und Schüler, erfolgreich s<strong>in</strong>d,<br />

bestätigen die <strong>in</strong>ternationalen Tests.<br />

Ohne die Ergebnisse überbewerten zu<br />

wollen, kann man es schon als Erfolg<br />

ansehen, dass Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> über<br />

alle Schularten h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong> PISA 2006<br />

im Vergleich zu den beiden ersten PI-<br />

SA-Durchgängen <strong>in</strong> den Jahren 2000<br />

und 2003 <strong>in</strong> allen drei untersuchten<br />

Aufgabenfeldern deutliche Kompetenzzuwächse<br />

verzeichnen konnte,<br />

die jeweils über dem bundesweiten<br />

Zuwachs lagen. Bei den Platzierungen<br />

der Bundesländer liegt Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> <strong>in</strong> allen drei untersuchten Aufgabenfeldern<br />

im ersten Drittel. Die Gymnasien<br />

nehmen <strong>in</strong> den Naturwissenschaften<br />

und im Lesen mit e<strong>in</strong>em dritten<br />

und e<strong>in</strong>em zweiten Platz sogar<br />

Spitzenpositionen e<strong>in</strong>. Dabei muss<br />

man sagen, dass die Lesekompetenz<br />

<strong>in</strong> den Gymnasien auch <strong>in</strong> den vorherigen<br />

Studien hoch war. In den Naturwissenschaften<br />

und <strong>in</strong> Mathematik<br />

dagegen s<strong>in</strong>d von 2000 über 2003 bis<br />

2006 deutliche Zuwächse zu verzeichnen.<br />

Neben den fachlichen Ergebnissen ist<br />

besonders erfreulich, dass Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> bei der zentralen Frage des Zusammenhangs<br />

zwischen sozialer Herkunft<br />

und Bildungsbeteiligung deutlich<br />

besser abschneidet als noch 2003.<br />

Bei den relativen Chancen, unabhängig<br />

von der sozialen Herkunft e<strong>in</strong><br />

<strong>Gymnasium</strong> zu besuchen, hat Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

die günstigsten Werte unter<br />

den westdeutschen Bundesländern<br />

erzielt. Auch zu diesem erfreulichen<br />

Ergebnis hat die pädagogische Arbeit<br />

an den Gymnasien e<strong>in</strong>en Beitrag geleistet.<br />

Insgesamt kann man bei allen notwendigen<br />

Relativierungen sagen: Die<br />

Ergebnisse der <strong>in</strong>ternationalen Erhebungen<br />

zeigen, dass <strong>in</strong> den Schulen<br />

<strong>in</strong> der Regel sehr gute Arbeit geleistet<br />

wird. Und dafür möchte ich Ihnen,<br />

me<strong>in</strong>e Damen und Herren, und<br />

den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen, die<br />

Sie vertreten, ganz ausdrücklich danken.<br />

Maßnahmen zugunsten<br />

der Gymnasien<br />

Unsere Wertschätzung für die Gymnasien<br />

schlägt sich aber auch <strong>in</strong> ganz<br />

konkreten Maßnahmen nieder. Ich<br />

will exemplarisch nur e<strong>in</strong>ige nennen.<br />

• E<strong>in</strong>e der größten Herausforderungen<br />

<strong>in</strong> Zeiten e<strong>in</strong>es bundesweit problematischen<br />

Lehrkräfte-Arbeitsmarktes<br />

ist die Versorgung der Schulen<br />

mit Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrern. <strong>Das</strong> ist<br />

besonders an den Gymnasien<br />

schwierig – zum e<strong>in</strong>en, weil hier<br />

die Gesamtschülerzahlen immer<br />

noch steigen, und zum anderen,<br />

weil sich der fachbezogene Mangel<br />

vor allem außerhalb der Zentren<br />

besonders gravierend bemerkbar<br />

macht. Wir haben große Anstrengungen<br />

unternommen, trotzdem e<strong>in</strong>e<br />

möglichst gute Versorgung aller<br />

Schulen zu erreichen. Mit e<strong>in</strong>er<br />

kont<strong>in</strong>uierlichen E<strong>in</strong>stellungspolitik,<br />

der Schaffung neuer Lehrerstellen,<br />

gezielten Weiterbildungsprogrammen<br />

<strong>in</strong> Mangelfächern und<br />

dem frühzeitigen Start von Seitenund<br />

Quere<strong>in</strong>steigerprogrammen<br />

wurde seit Jahren e<strong>in</strong>e gute Grundlage<br />

geschaffen. <strong>Das</strong> zeigt sich unter<br />

anderem daran, dass die Altersstruktur<br />

<strong>in</strong> den Kollegien im Ländervergleich<br />

sehr günstig aussieht.<br />

In der Altersgruppe der unter Vierzigjährigen<br />

hat Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> den<br />

höchsten Anteil unter allen Ländern.<br />

Heft 1/2010


14<br />

G R U S S W O R T Vertreterversammlung 2009<br />

<strong>Das</strong> wäre e<strong>in</strong>e gute Basis dafür, geme<strong>in</strong>sam<br />

zu überlegen, wo darüber<br />

h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> den Strukturen, der Ausstattung<br />

und der pädagogischen Arbeit<br />

noch Weiterentwicklungsbedarf besteht.<br />

Denn wir alle wissen: Auch e<strong>in</strong><br />

gutes System muss sich weiterentwickeln,<br />

wenn es gut bleiben will. <strong>Das</strong><br />

gilt natürlich für die Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

genauso wie für Strukturen<br />

und die Pädagogik.<br />

Schlussbemerkung<br />

Aufmerksame Zuhörer bei den musikalischen E<strong>in</strong>lagen der Big Band<br />

v.l.n.r.: Max Laveuve, Josef Kraus, Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß, Malte Blümke<br />

• Zum 1. Februar 2009 s<strong>in</strong>d 197 Lehrer<strong>in</strong>nen<br />

und Lehrer mit gymnasialem Lehramt<br />

neu e<strong>in</strong>gestellt worden, sechzig<br />

davon waren vorgezogene E<strong>in</strong>stellungen.<br />

Zum 1. August wurden dann<br />

noch e<strong>in</strong>mal 358 Lehrkräfte mit<br />

gymnasialem Lehramt e<strong>in</strong>gestellt.<br />

Durch diese Anstrengungen ist es<br />

gelungen, die Unterrichtsversorgung<br />

der Gymnasien gegenüber<br />

dem letzten Schuljahr noch e<strong>in</strong>mal<br />

zu verbessern; die Soll-Ist-Differenz ist<br />

von 2,8 Prozent im Schuljahr<br />

<strong>2008</strong>/2009 auf 2,5 Prozent <strong>in</strong> diesem<br />

Schuljahr gesunken.<br />

• <strong>Das</strong> alles erfordert natürlich erhebliche<br />

f<strong>in</strong>anzielle Anstrengungen. So s<strong>in</strong>d<br />

im Doppelhaushalt 2009/2010 die<br />

Ausgaben im E<strong>in</strong>zelplan 2009 von<br />

rund 4,4 auf rund 4,8 Milliarden gestiegen<br />

– e<strong>in</strong>e Steigerung um neun<br />

Prozent.<br />

• Die Zahl der Ausbildungsplätze <strong>in</strong> den<br />

gymnasialen Studiensem<strong>in</strong>aren wurde <strong>in</strong><br />

den letzten zehn Jahren von 394 im<br />

Jahr 1999 auf 773 im Jahr <strong>2008</strong> fast<br />

verdoppelt. Und zum 1. August 2009<br />

haben wir mit dem neuen Standort<br />

Landau noch vierzig Ausbildungsplätze<br />

bereitgestellt. Zum 1. Februar<br />

2010 werden achtzig weitere Stellen<br />

an zwei weiteren neuen Standorten<br />

h<strong>in</strong>zukommen.<br />

• Im laufenden Doppelhaushalt s<strong>in</strong>d<br />

134 Stellenhebungen von A 13 nach A 15<br />

vorgenommen worden. <strong>Das</strong> erweitert<br />

erheblich die Möglichkeiten der<br />

Gymnasien, zentrale Aufgaben an<br />

e<strong>in</strong>e Funktionsstelle zu b<strong>in</strong>den und<br />

eröffnet deutlich mehr Lehrkräften<br />

als bisher die Chance e<strong>in</strong>er entsprechenden<br />

Beförderung.<br />

Ich würde mich sehr freuen, wenn alle<br />

diese Maßnahmen, die darauf abzielen,<br />

an den Gymnasien gute Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

für die pädagogische<br />

Arbeit zu schaffen, auch vonseiten<br />

der Verbände anerkannt würden.<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne gibt das Thema des<br />

Festvortrags e<strong>in</strong>e gute Zielbeschreibung<br />

für künftige Weiterentwicklungen<br />

vor: <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> – Erfolgsmodell<br />

und soziale Leistungsschule. <strong>Das</strong><br />

gefällt mir sehr gut. <strong>Das</strong>s das <strong>Gymnasium</strong><br />

e<strong>in</strong> Erfolgsmodell ist, zeigt alle<strong>in</strong><br />

schon die gestiegene Nachfrage nach<br />

dieser Schulart. Und was die soziale<br />

Leistungsschule betrifft, so möchte<br />

ich aus e<strong>in</strong>em Artikel <strong>in</strong> der Zeitschrift<br />

des sächsischen <strong>Philologenverband</strong>es<br />

zitieren: »Jede Schule ist e<strong>in</strong>e<br />

soziale Leistungsschule! Es bedarf immer<br />

des Gestaltens und Erfahrens des<br />

spezifischen Spannungsverhältnisses<br />

von Leistung und sozialer Verantwortung.«<br />

3<br />

Ich me<strong>in</strong>e, damit ist sehr gut beschrieben,<br />

was gerade die Weiterentwicklungen<br />

der Gymnasien bestimmen<br />

sollte: ke<strong>in</strong>e Abstriche an den Leistungsanforderungen,<br />

aber deren Ergänzung<br />

durch die Perspektive der sozialen<br />

Verantwortung. Oder anders<br />

ausgedrückt: hoher fachlicher Anspruch<br />

verbunden mit Persönlichkeitsbildung<br />

und Werteerziehung.<br />

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.<br />

3 Dieter Schulz, Prof. em. Dr. phil. Dr. h.c. <strong>in</strong> der<br />

Zeitschrift des PhV SN, 2/<strong>2008</strong><br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 15<br />

<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> –<br />

Erfolgsmodell und soziale<br />

Leistungsschule<br />

DL-Präsident Josef Kraus<br />

Festvortrag von Josef Kraus, Oberstudiendirektor und Präsident des Deutschen<br />

Lehrerverbandes (DL)<br />

In bildungspolitischen Zeiten wie diesen<br />

ist es nicht e<strong>in</strong>fach, e<strong>in</strong>e festliche<br />

Rede zu halten. Wie könnte man auch<br />

feierlich gestimmt se<strong>in</strong>, wenn der Nation<br />

entscheidende bildungspolitische Frage<br />

zu se<strong>in</strong> sche<strong>in</strong>t, ob nicht die uniforme,<br />

OECD-gerechte Vollkasko- und Wohlfühl-Schule<br />

mit möglichst 120prozentiger<br />

Abiturientenquote die Schule der<br />

Zukunft se<strong>in</strong> solle?<br />

Pardon! Aber manch real existierende<br />

und real diskutierte Bildungspolitik <strong>in</strong><br />

Deutschland tut so, als müsse sie Wilhelm<br />

von Humboldt nun endgültig an den<br />

Kragen. Folge:<br />

• Die Universitäten werden im Zuge<br />

von »Bologna« entakademisiert und<br />

standardisiert; an die Stelle e<strong>in</strong>er Orientierung<br />

an Wissenschaft treten modulare<br />

workload- und credit-po<strong>in</strong>t-Bildungshäppchen.<br />

• Zugleich werden die Gymnasien von<br />

manchen Leuten umdef<strong>in</strong>iert zu Anstalten,<br />

deren Zweck die möglichst rasche<br />

Abrichtung auf Beruf und Erwerb<br />

ist.<br />

Konzentrieren wir uns auf das <strong>Gymnasium</strong>.<br />

Hier droht – <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen deutschen<br />

Ländern mehr, <strong>in</strong> anderen noch etwas<br />

weniger – zu e<strong>in</strong>er »tabula rasa« zu werden,<br />

was e<strong>in</strong>st Gymnasialidee war.<br />

Natürlich hat das <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

langen Vergangenheit und <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er gut<br />

zweihundertjährigen Geschichte Wandlungen<br />

erlebt, aber alles <strong>in</strong> allem war<br />

das <strong>Gymnasium</strong> mit se<strong>in</strong>em Anspruch<br />

vertiefter Allgeme<strong>in</strong>bildung bis zuletzt<br />

Flaggschiff, Zugpferd und Leuchtturm, vor allem<br />

aber auch Konstante und soziale<br />

Steigleiter des deutschen Bildungswesens.<br />

<strong>Das</strong> droht vorbei zu se<strong>in</strong>. Teile der Wirtschaft<br />

etwa möchten gymnasiale Bildung<br />

verzweckt, beschleunigt, tauglich für<br />

e<strong>in</strong> Rank<strong>in</strong>g, auf ephemeres Just-<strong>in</strong>-Time-<br />

und Download-Informiertse<strong>in</strong> kapriziert<br />

und auf hohen Abiturienten-Ausstoß<br />

getrimmt sehen.<br />

Mit den Leitl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>er Schulform, die<br />

die erfolgreichste und im Bildungsverständnis<br />

breiteste der Welt wurde, haben<br />

dieser Bildungstechnizismus und dieser<br />

Machbarkeitswahn nur noch wenig zu<br />

tun.<br />

Überhaupt stimmen die Proportionen<br />

nicht mehr. Wilhelm von Humboldt dürfte<br />

gar nicht mehr zur Ruhe kommen <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

Gruft <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Tegel, wenn er<br />

manch reale und geplante »gymnasiale«<br />

Bildung an e<strong>in</strong>em Grundsatz mäße, den<br />

er 1792 formulierte: »Der wahre Zweck<br />

des Menschen ist die höchste und pro-<br />

Heft 1/2010


16<br />

VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />

portionierlichste Bildung se<strong>in</strong>er Kräfte<br />

zu e<strong>in</strong>em Ganzen.«<br />

<strong>Das</strong> mag antiquiert kl<strong>in</strong>gen, ist aber<br />

sehr zeitgemäß. »Proportionierlich«<br />

heißt nämlich: Alle Anlagen müssen<br />

gleichermaßen gefördert werden, h<strong>in</strong>sichtlich<br />

der verschiedenen Bildungsbereiche<br />

müssen die Proportionen stimmen.<br />

E<strong>in</strong>e modular-exemplarische Bildung<br />

der <strong>in</strong>haltsleeren Kompetenzen<br />

dagegen wäre nichts anderes als e<strong>in</strong><br />

Fördern e<strong>in</strong>es engen Spezialistentums.<br />

Hier gerieten – wie bei e<strong>in</strong>em<br />

Bodybuilder mit hypertrophiertem Bizeps<br />

und atrophiertem Cortex – die<br />

Proportionen ause<strong>in</strong>ander.<br />

Wer so kritisch argumentiert oder gar<br />

Namen wie Humboldt zitiert, zieht<br />

sich schnell den reflexhaften Vorwurf<br />

zu, er sei rückwärtsgewandt.<br />

Ich antworte darauf: Es s<strong>in</strong>d unsere<br />

schulpolitischen und schulpädagogischen<br />

Debatten <strong>in</strong> Deutschland, zum<strong>in</strong>dest<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen deutschen Ländern,<br />

die völlig außer Tritt geraten s<strong>in</strong>d,<br />

auch wenn sie forsch-verbal-aktionistisch<br />

daherkommen.<br />

Angesagt sche<strong>in</strong>en <strong>in</strong> gewissen quasivisionären<br />

Stuben für »Bildung« ja nur<br />

noch: Assessment, Market<strong>in</strong>g, Educ@tion,<br />

didaktische Hyperl<strong>in</strong>ks, Download-<br />

Wissen, Just-<strong>in</strong>-time-Knowledge usw.<br />

Fehlt nur noch e<strong>in</strong> »Last M<strong>in</strong>ute<br />

Learn<strong>in</strong>g«, wenn dieses Schüler nicht<br />

schon längst erfunden hätten.<br />

Logorrhoe bzw. Graphorrhoe heißt e<strong>in</strong><br />

solches Syndrom – mediz<strong>in</strong>isch weniger<br />

Bewanderte nennen es Geschwätzigkeit.<br />

Karl Kraus, der Wiener Lästerer, würde<br />

dazu sagen: »Es genügt nicht, ke<strong>in</strong>e<br />

Gedanken zu haben; man muss auch<br />

unfähig se<strong>in</strong>, sie auszudrücken.«<br />

Vor allem sche<strong>in</strong>t Controll<strong>in</strong>g und nochmals<br />

Controll<strong>in</strong>g angesagt: TIMSS II,<br />

TIMSS III, PISA 2000 – 2003 – 2006 –<br />

Josef Kraus während se<strong>in</strong>er Rede bei der Vertreterversammlung des <strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

im November 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

2009, PISA-E, IGLU, IGLU-E, DESI, VE-<br />

RA usw. Kurz: Neben der verbal-bildungspolitischen<br />

Hyperventilation<br />

liegt e<strong>in</strong>e progrediente Testeritis vor.<br />

Gegen Bilanzen ist grundsätzlich zwar nichts<br />

e<strong>in</strong>zuwenden. Aber alle<strong>in</strong> vom Pulsund<br />

Fiebermessen wird man nicht gesund<br />

—- außer man ist e<strong>in</strong> Hypochonder.<br />

Außerdem hat man den E<strong>in</strong>druck: Irgende<strong>in</strong>e<br />

pädagogische oder unterrichtsmethodische<br />

Schnapsidee braucht<br />

nur mit PISA begründet werden, dann<br />

steht sie auch schon vor der Heiligsprechung.<br />

Und man hat den E<strong>in</strong>druck, die<br />

nicht enden wollende Schwärmerei<br />

um Schlüsselqualifikationen, um »soft<br />

skills« und um Kern-, Vertikal-, Querschnitts-<br />

und Horizontalkompetenzen<br />

ist der Versuch, die Verzweiflung der <strong>in</strong>haltlichen<br />

Leere zu übertünchen.<br />

Ne<strong>in</strong>, sage ich, e<strong>in</strong> Land, das solche<br />

Debatten <strong>in</strong>szeniert, das obendre<strong>in</strong><br />

se<strong>in</strong>e Schulen medial mit Dummheit pur<br />

umz<strong>in</strong>gelt, <strong>in</strong>dem es etwa die sog. Autobiographien<br />

von silikon-gestylten<br />

Prolo-Promis <strong>in</strong> die vordersten Rangplätze<br />

der Bestsellerlisten und E<strong>in</strong>schaltquoten<br />

hievt … e<strong>in</strong> solches Land<br />

braucht eigentlich ke<strong>in</strong>en PISA-Test mehr.<br />

Genug der weniger festlichen E<strong>in</strong>leitung!<br />

Ernsthaft zum Thema:<br />

<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> – Erfolgsmodell<br />

und soziale Leistungsschule<br />

<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> hat zwei Jahrtausende<br />

Vergangenheit und zwei Jahrhunderte<br />

Geschichte h<strong>in</strong>ter sich. Es ist damit<br />

e<strong>in</strong> wichtiger Teil der europäischen<br />

Kulturgeschichte. Und es ist e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zigartige<br />

Erfolgsgeschichte.<br />

Es waren jedenfalls gymnasiale und<br />

humanistische Revolten gewesen, die<br />

auch im naturwissenschaftlichen,<br />

technologischen und wirtschaftlichen<br />

Bereich die Grundlage für den Aufstieg<br />

des Landes der Dichter, Denker und Erf<strong>in</strong>der<br />

waren:<br />

• Manfred Fuhrmann hat dies 2002 überzeugend<br />

dargestellt: »Die deutsche<br />

Wissenschaft ... vollbrachte im Zeitalter<br />

der humanistischen Gymnasien<br />

Leistungen wie nie zuvor, und<br />

zwar auf allen Gebieten, im Bereich<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 17<br />

der Geistes- und Naturwissenschaften<br />

ebenso wie <strong>in</strong> dem der Technik.«<br />

• Und schon vorher war Thomas Nipperdey<br />

(<strong>in</strong>: Deutsche Geschichte 1800 –<br />

1866) zu dem Ergebnis gekommen:<br />

Die großen deutschen Naturwissenschaftler<br />

waren Zögl<strong>in</strong>ge (und Verteidiger)<br />

dieses <strong>Gymnasium</strong>s … Man<br />

denke etwa an Werner Heisenberg<br />

(1932 Physik-Nobelpreis, + 1976),<br />

der von sich und se<strong>in</strong>en Studenten<br />

sagte, die gymnasiale (humanistische)<br />

Bildung befähige <strong>in</strong> besonderem<br />

Maße zum logischen und zum<br />

schöpferischen Denken.<br />

In den genannten zwei Jahrhunderten<br />

hat das <strong>Gymnasium</strong> gleichwohl zahllose<br />

Reformen, Attacken, Grabgesänge,<br />

Stiftungsdenkschriften, ja Vernichtungsfeldzüge<br />

überstanden – und<br />

zwar recht lebendig überstanden! Gewiss<br />

veränderte sich das <strong>Gymnasium</strong> dadurch,<br />

aber welche Institution tat dies<br />

<strong>in</strong> diesen Zeiträumen nicht – von der<br />

Familie über die Kirche bis h<strong>in</strong> zum<br />

Staat?<br />

Dennoch: <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> ist auch zu<br />

Beg<strong>in</strong>n des 21. Jahrhunderts die Konstante<br />

des deutschen Bildungswesens<br />

schlechth<strong>in</strong>. Festzuhalten ist auch:<br />

Nicht die Gesamtschule, sondern das<br />

<strong>Gymnasium</strong> bewerkstelligte die Heranführung<br />

von so genannten Bildungsreserven<br />

an das Abitur. <strong>Das</strong> gilt gerade<br />

auch für das sprichwörtliche katholische<br />

Mädchen vom Lande. Immerh<strong>in</strong><br />

stellen die Mädchen heute das Gros<br />

aller Abiturienten.<br />

Und auch <strong>in</strong> Mitteldeutschland, wo man<br />

die Gymnasien <strong>in</strong> den Jahren ab 1950<br />

aufgelöst hat, erlebte das <strong>Gymnasium</strong><br />

unmittelbar mit der friedlichen Revolution<br />

von 1989 und 1990 se<strong>in</strong>e Renaissance.<br />

Und heute? Heute, <strong>in</strong> Zeiten von PISA,<br />

weist das <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> Deutschland<br />

im <strong>in</strong>ternationalen und im <strong>in</strong>nerdeutschen<br />

Vergleich die mit Abstand besten<br />

PISA-Werte aus. Sehr zum Missfallen<br />

der E<strong>in</strong>heitsschul-Propheten ist<br />

das <strong>Gymnasium</strong> alle<strong>in</strong> mit se<strong>in</strong>en PI-<br />

SA-Werten die erfolgreichste Schulform<br />

der Welt.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> Deutschland liefert<br />

sogar über ganz Deutschland h<strong>in</strong>weg<br />

e<strong>in</strong> recht homogenes Leistungsbild.<br />

Jedenfalls fällt auf, dass das allgeme<strong>in</strong>e<br />

Süd-Nord-Gefälle bei den Gymnasien<br />

weniger steil ausgeprägt ist.<br />

(Beim <strong>Gymnasium</strong> s<strong>in</strong>d es 46 PISA-<br />

Punkte Differenz, bei den nichtgymnasialen<br />

Schulformen bis zu 100 PISA-<br />

Punkte.)<br />

Man könnte auch sagen: Gerade das<br />

<strong>Gymnasium</strong> leistet mehr, als es so<br />

manche Schulpolitik überhaupt zulässt.<br />

Dies wiederum hat damit zu tun,<br />

dass es <strong>in</strong> Deutschland ke<strong>in</strong>e Schulform<br />

gibt, deren Identität und deren<br />

Festhalten an Ansprüchen so ausgeprägt<br />

s<strong>in</strong>d wie an den Gymnasien. Man darf<br />

zudem vermuten, dass sich die Gymnasien<br />

sogar <strong>in</strong> so genannten Reformländern<br />

am erfolgreichsten gegen Nivellierungen<br />

zur Wehr gesetzt haben.<br />

Umgekehrt haben die schwächeren<br />

deutschen PISA-Länder mit ihren »Reformen«<br />

der letzten Jahrzehnte eher<br />

die nichtgymnasialen Schulformen<br />

»deformiert«.<br />

<strong>Das</strong> hat übrigens durchaus Auswirkungen<br />

auf die Abitur-Politik, die ja<br />

zum Teil auch e<strong>in</strong>e nicht-gymnasiale<br />

Abitur-Politik ist: Nehmen wir alle<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e Studie aus dem Jahr 2004 von<br />

Olaf Köller und Jürgen Baumert (»Öffnung<br />

von Bildungswegen <strong>in</strong> der Sekundarstufe<br />

II und die Wahrung von Standards<br />

– Analysen am Beispiel der Englischleistungen<br />

von Oberstufenschülern«).<br />

Hier der markante Befund: Die<br />

Chance, e<strong>in</strong>en TOEFL-Wert von 500 zu<br />

erreichen, ist auf e<strong>in</strong>em allgeme<strong>in</strong>bildenden<br />

<strong>Gymnasium</strong> siebzehn mal so<br />

hoch wie auf der Oberstufe e<strong>in</strong>er Gesamtschule.<br />

Aber schauen wir <strong>in</strong> die Zukunft! Ich<br />

will sieben gymnasialpolitische und<br />

gymnasialpädagogische Handlungsfelder<br />

skizzieren, auf die es me<strong>in</strong>es Erachtens<br />

<strong>in</strong> den kommenden Jahren und<br />

Jahrzehnten ankommt.<br />

E<strong>in</strong> paar andere Punkte spare ich aus Zeitgründen<br />

aus bzw. erwähne ich nur<br />

kurz:<br />

a) Die Frage nach dem Zugang zum <strong>Gymnasium</strong><br />

sei nur kurz erwähnt. Hier<br />

setze ich schlicht und e<strong>in</strong>fach unser<br />

aller Überzeugung voraus, dass das<br />

<strong>Gymnasium</strong> die Schule für Gymnasialgeeignete<br />

se<strong>in</strong> soll. Diese Eignung<br />

lässt sich am besten an der<br />

objektiven Leistung der Viertklässer<br />

<strong>in</strong> den Fächern Deutsch und<br />

Mathematik ablesen.<br />

b) Aussparen will ich auch die Frage<br />

des Zentralabiturs.<br />

c) Aussparen will ich – aus realpolitischen<br />

Gründen – auch das Thema<br />

G8, das mich <strong>in</strong> den letzten Jahren<br />

erzürnt hat und das mich immer<br />

noch befürchten lässt, manche Leute<br />

wollten die Eiche des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

<strong>in</strong> Deutschland zu e<strong>in</strong>em Bonsai-<strong>Gymnasium</strong><br />

m<strong>in</strong>imieren (siehe<br />

G 6 <strong>in</strong> Hamburg und G 7 im Saarland).<br />

Zu den sieben Handlungsfeldern:<br />

1. <strong>Das</strong> entscheidende Bildungsziel<br />

des <strong>Gymnasium</strong>s ist und<br />

bleibt die Vermittlung e<strong>in</strong>er umfassenden<br />

Allgeme<strong>in</strong>bildung.<br />

Basis dafür ist e<strong>in</strong> breit angelegter Fächerkanon.<br />

Der Fächerkanon, der der<br />

gymnasialen Bildung zugrundeliegt,<br />

unterscheidet sich zwar nur teilweise<br />

bzw. vor allem bei den Sprachen von<br />

dem anderer Schulformen. Die Differenz<br />

aber besteht dar<strong>in</strong>, dass Bil-<br />

Heft 1/2010


18<br />

VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />

dungs<strong>in</strong>halte vertiefter und mit höherem<br />

Abstraktionsgrad behandelt werden<br />

können, Allgeme<strong>in</strong>bildung mith<strong>in</strong> auf<br />

e<strong>in</strong>er breiteren Grundlage angestrebt<br />

wird.<br />

Fächerkanon heißt aber auch: Jeder<br />

Fächer-Mischmasch ist nicht-gymnasial.<br />

Unsere Fächer heißen im wissenschaftlichen<br />

Bereich nicht umsonst<br />

Diszipl<strong>in</strong>en. Sie heißen deshalb Diszipl<strong>in</strong>en,<br />

weil sie das diszipl<strong>in</strong>ierte Erschließen<br />

von Inhalten und nicht e<strong>in</strong><br />

zwischen- und überfachliches Wischiwaschi<br />

anstreben. Nichts gegen Zwischen-<br />

und Überfachlichkeit: Aber<br />

erst muss das konkrete fachliche Wissen<br />

da se<strong>in</strong>, sonst wird aus dem Überfachlichen<br />

zu leicht e<strong>in</strong>e Vernetzung<br />

von Nullmengen.<br />

Als charakteristisch kommt h<strong>in</strong>zu,<br />

dass das <strong>Gymnasium</strong> e<strong>in</strong>e Schule der<br />

Sprachen war und ist. E<strong>in</strong>schließlich<br />

der Muttersprache hat e<strong>in</strong> Gymnasiast<br />

m<strong>in</strong>destens drei, <strong>in</strong> bestimmten Fällen<br />

können es <strong>in</strong>klusive Deutsch fünf<br />

Sprachen se<strong>in</strong>, die auf dem Stundenplan<br />

stehen. Der Vorrang der Sprachen<br />

(hier sehr wohl auch das Late<strong>in</strong>ische)<br />

sowie die Fächer<br />

Religion/Ethik, Geschichte, Kunst und<br />

Musik machen das <strong>Gymnasium</strong> zudem<br />

zu der europäischen Schule par excellence,<br />

denn <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er anderen Schulform<br />

Deutschlands und Europas begegnen<br />

junge Menschen <strong>in</strong> so weitem<br />

Umfang europäischer Kultur.<br />

Natürlich muss das <strong>Gymnasium</strong> angesichts<br />

der vielfach berufenen, <strong>in</strong> manchen<br />

– aber nicht <strong>in</strong> allen – Wissensbereichen<br />

stattf<strong>in</strong>denden Expansion des<br />

Wissens, se<strong>in</strong>en Fächerkanon und se<strong>in</strong>e<br />

Inhalte <strong>in</strong> etwa im Abstand von<br />

zwei bis drei Schülergenerationen auf<br />

den Prüfstand stellen. Dies ist <strong>in</strong> der<br />

Vergangenheit regelmäßig geschehen;<br />

das Ergebnis dieser Überprüfung war<br />

und dürfte freilich auch <strong>in</strong> Zukunft<br />

se<strong>in</strong>: <strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> muss nicht allen<br />

fachlichen Moden folgen, denn<br />

das <strong>Gymnasium</strong> hat Inhalte zu vermitteln,<br />

die von Bestand s<strong>in</strong>d; es kann und<br />

muss sich auch angesichts kürzerer<br />

Halbwertszeiten des Wissens <strong>in</strong>haltlich<br />

nicht ständig neu erf<strong>in</strong>den, denn<br />

zum<strong>in</strong>dest der Kernbestand gymnasialer<br />

Bildung – der sprachliche und<br />

kulturelle Kernbestand – zeichnet<br />

sich aus durch e<strong>in</strong> Wissen, das sehr<br />

lange Halbwertszeiten des Wissen hat.<br />

Die auch <strong>in</strong> hoher Schulpolitik verbreitete<br />

quasi-souveräne Schnoddrigkeit,<br />

umfassendes Allgeme<strong>in</strong>wissen<br />

quasi als Sperrmüll abzutun (siehe die<br />

unglückselige Debatte um curriculare<br />

Entrümpelungen), das ist e<strong>in</strong> Symptom<br />

von Halb- oder Unbildung: In dieser<br />

H<strong>in</strong>sicht gilt wohl Theodor Adornos Urteil<br />

von 1959: <strong>Das</strong> Halbverstandene<br />

und Halbgewusste ist nicht die Vorstufe<br />

von Bildung, sondern ihr Todfe<strong>in</strong>d!<br />

Hat man etwa vergessen, dass das<br />

Projekt der Moderne mit dem Motto<br />

»Wissen ist Macht« begann?<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 19<br />

Vor allem aber gilt: Wer nichts weiß,<br />

muss alles glauben. Orwells Big Brother<br />

mit se<strong>in</strong>em Leitspruch »Unwissenheit<br />

ist Stärke« könnte sich von Herzen<br />

nichts mehr wünschen, als Menschen<br />

ohne konkretes Wissen.<br />

Andersherum: Wissen, auch präsentes<br />

Wissen hat mit Mündigkeit zu tun.<br />

Um mündig urteilen zu können, bedarf<br />

es e<strong>in</strong>es breiten Fundus an Wissen,<br />

sonst ist alles blanke Me<strong>in</strong>ung,<br />

bloßes Bauchgefühl, bloße Ges<strong>in</strong>nung.<br />

Es gibt jedenfalls ke<strong>in</strong>e Bildung ohne<br />

Inhalte. Schüler nur qua »Kompetenzen-<br />

und Methodentra<strong>in</strong><strong>in</strong>g« zu schulen,<br />

das ist Firlefanz. Wir brauchen<br />

wieder e<strong>in</strong>en Primat der Inhalte vor<br />

den Methoden. Die blanke Forderung<br />

nach e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>haltsleeren Vermittlung<br />

von Kompetenzen wäre wie der Vorschlag,<br />

ohne Zutaten zu kochen (Konrad<br />

P. Liessmann <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er »Theorie der<br />

Unbildung« von 2007) … Wie Stricken<br />

ohne Wolle!<br />

2. Zukunftsfähiges <strong>Gymnasium</strong><br />

ist e<strong>in</strong>e Schule der Leistung.<br />

E<strong>in</strong> Kernproblem der sog. modernen<br />

Pädagogik ist e<strong>in</strong>e um sich greifende<br />

Spaß- und Gefälligkeitspädagogik, die<br />

so tut, als g<strong>in</strong>ge alles ohne Anstrengung.<br />

Jedenfalls ist es <strong>in</strong> den vergangenen<br />

30 bis 35 Jahren »schick« geworden,<br />

schulische Leistung zu diskrim<strong>in</strong>ieren.<br />

Subtil begann diese Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

bereits mit entsprechenden Konnotationen:<br />

Da ist im Zusammenhang<br />

mit Schule die Rede von »Leistungsstress«,<br />

»Leistungsdruck«, »Leistungsterror«.<br />

Mittelbar f<strong>in</strong>den diese – und<br />

noch schlimmere – Diskrim<strong>in</strong>ierungen<br />

von Leistung <strong>in</strong> der politisch bzw.<br />

adm<strong>in</strong>istrativ verordneten Schulpraxis<br />

ihren Niederschlag:<br />

• <strong>in</strong> der Liberalisierung der Notengebung,<br />

gar deren Abschaffung;<br />

• <strong>in</strong> der Ger<strong>in</strong>gschätzung konkreten<br />

Wissens;<br />

• im Verzicht auf Auswendiglernen<br />

und Kopfrechnen;<br />

• <strong>in</strong> der Ger<strong>in</strong>gschätzung überdurchschnittlicher<br />

Begabung.<br />

Wer aber das Leistungspr<strong>in</strong>zip solchermaßen<br />

untergräbt, setzt zugleich<br />

e<strong>in</strong>es der revolutionärsten demokratischen<br />

Pr<strong>in</strong>zipien außer Kraft. In unfreien Gesellschaften<br />

s<strong>in</strong>d Geldbeutel, Geburtsadel,<br />

Ges<strong>in</strong>nung, Geschlecht oder dergleichen<br />

Allokationskriterien – Kriterien<br />

zur Positionierung e<strong>in</strong>es Menschen<br />

<strong>in</strong> der Gesellschaft. Freie Gesellschaften<br />

haben an deren Stelle das<br />

Kriterium Leistung vor den Erfolg und<br />

vor den Aufstieg gesetzt. E<strong>in</strong> revolutionärer<br />

Fortschritt!<br />

Und e<strong>in</strong> weiteres: Indem aktuelle<br />

Schulpolitik das Leistungspr<strong>in</strong>zip<br />

ignoriert, belastet und gefährdet es<br />

das Sozialstaatspr<strong>in</strong>zip. Die soziale Dimension<br />

unseres Wirtschaftssystems<br />

trägt nämlich nur, wenn ihr die millionenfache<br />

Leistung und Leistungsbereitschaft<br />

der Menschen zugrundeliegt.<br />

Leistung ist <strong>in</strong>sofern nie nur Individualleistung<br />

für die Erfüllung persönlicher<br />

Karrierewünsche, sondern<br />

stets auch soziale Leistung – Leistung für<br />

andere, für Schwächere und Benachteiligte.<br />

<strong>Das</strong> gilt zumal für Eliten, ohne<br />

die ke<strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>wesen auskommt.<br />

Leistung ist außerdem Ausdruck des<br />

Höchst<strong>in</strong>dividuellen, Motor und Ergebnis freier<br />

Persönlichkeitsentwicklung. Deshalb ist<br />

Leistungsfe<strong>in</strong>dlichkeit e<strong>in</strong> Anschlag<br />

auf das Grundrecht der freien Persönlichkeitsentfaltung.<br />

Ich plädiere für e<strong>in</strong>e soziale Leistungsschule<br />

und für e<strong>in</strong>e Schule der Anstrengungsbereitschaft.<br />

Gewiss brauchen<br />

wir ke<strong>in</strong>e freudlosen Paukschulen.<br />

Wir brauchen vielmehr Schulen,<br />

die den K<strong>in</strong>dern Freude machen. Solche<br />

Freude-Erlebnisse s<strong>in</strong>d freilich nie<br />

e<strong>in</strong> Geschenk, das wie der Lotto-Treffer<br />

plötzlich da ist. Geme<strong>in</strong>t ist hier<br />

Freude vielmehr als e<strong>in</strong> Geschenk, für<br />

deren Erwerb man aktiv etwas tun<br />

kann – nämlich Anstrengung und Ausdauer<br />

zu <strong>in</strong>vestieren. Nur bei solcher<br />

Investition – Psychoanalytiker würden<br />

sagen: unter Bedürfnis- und Triebaufschub<br />

– ist das tiefere Erleben von<br />

Freude, von Stolz oder gar von Glücklichse<strong>in</strong><br />

möglich.<br />

Zum spaßhaften oder gar spaßigen<br />

Zeitvertreib aber ist die Zeit <strong>in</strong> der<br />

Schule zu kostbar: E<strong>in</strong>e Schule, die<br />

nur oder überwiegend dem Spaß<br />

dient, vertreibt die Zeit nicht nur, sondern<br />

sie vergeudet Zeit. Deshalb gilt:<br />

Schule soll die »K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen« (Eduard Spranger), soll ihnen<br />

Herausforderungen stellen. K<strong>in</strong>der<br />

mögen Herausforderungen; sie<br />

kommen ihrem natürlichen Wissensdrang<br />

und Erkenntnisstreben entgegen.<br />

Und noch etwas im Kontext mit Leistung:<br />

Es gibt immer wieder Leute, die<br />

das Leistungspr<strong>in</strong>zip ablehnen, weil<br />

es selektiv sei und weil Fördern statt<br />

Auslese angesagt sei. Diese Dialektik<br />

Fördern statt Auslesen ist aber grundfalsch.<br />

Es ist dies ke<strong>in</strong> Gegensatz,<br />

denn es muss heißen: Fördern durch Differenzieren!<br />

3. Gymnasiale Bildung muss<br />

mit der fünften Jahrgangsstufe<br />

e<strong>in</strong>setzen.<br />

Was den Zeitpunkt der Differenzierung<br />

betrifft, so sagen die Fakten und<br />

alle namhaften Studien e<strong>in</strong>deutig aus:<br />

Sechsjährige Grundschule br<strong>in</strong>gt<br />

nichts – weder kognitiv noch sozial.<br />

Deutsche Länder mit e<strong>in</strong>er längeren<br />

geme<strong>in</strong>samen Schulzeit wie Berl<strong>in</strong><br />

und Brandenburg mit e<strong>in</strong>er sechsjährigen<br />

Grundschule gehören zu den <strong>in</strong>nerdeutschen<br />

Schlusslichtern.<br />

Heft 1/2010


20<br />

VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />

Vier Belege/Verweise:<br />

• Prof. Kurt Hellers (1996; Ludwig-Maximilians-Universität<br />

München) Fazit<br />

lautet: »E<strong>in</strong>e Verlängerung der vierjährigen<br />

Grundschule würde ke<strong>in</strong>e<br />

erkennbaren Vorteile, wohl aber mit<br />

Sicherheit Nachteile für viele Grundschüler<br />

mit sich br<strong>in</strong>gen … Bislang<br />

existieren ke<strong>in</strong>e Studien, die höhere<br />

Trefferquoten nach e<strong>in</strong>er fünf- oder<br />

sechsjährigen Grundschulzeit nachweisen<br />

konnten.<br />

• Prof. Peter Roeders (1997; Max-Planck-<br />

Institut für Bildungsforschung Berl<strong>in</strong>)<br />

Fazit heißt: »Die Leistungen nach<br />

sechsjähriger Grundschule liegen erheblich<br />

unter denen von Schülern,<br />

die den Wechsel aufs <strong>Gymnasium</strong><br />

bereits nach der 4. Grundschulklasse<br />

vollzogen haben. Für Englisch und<br />

Mathematik beträgt der Unterschied<br />

etwa e<strong>in</strong>e Standardabweichung.« <strong>Das</strong><br />

ist mehr als e<strong>in</strong> Schuljahr.<br />

• Von ebensolcher E<strong>in</strong>deutigkeit ist<br />

die Studie mit dem Titel ELEMENT<br />

von Prof. Ra<strong>in</strong>er Lehmann (Humboldt-<br />

Universität Berl<strong>in</strong>) von <strong>2008</strong>. Danach<br />

werden K<strong>in</strong>der durch e<strong>in</strong>e<br />

sechsjährige Grundschule gebremst:<br />

Der Rückstand am Ende<br />

der sechsten Grundschulklasse betrage<br />

im Lesen e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>halb Jahre, <strong>in</strong><br />

Mathematik und Englisch zwei Jahre<br />

– im Vergleich mit Schülern, die<br />

nach der vierten Klasse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

weiterführende Schule gehen könnten.<br />

Vor allem leistungsstärkere<br />

Schüler würden zu wenig gefördert,<br />

so Lehmann.<br />

• Selbst der Lehmann-Kritiker Jürgen<br />

Baumert räumt Ende Mai 2009 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Interview mit »Spiegel onl<strong>in</strong>e«<br />

e<strong>in</strong>, dass es ke<strong>in</strong>e belastbare Studie<br />

gebe, die bestätigen könne, dass e<strong>in</strong><br />

längeres geme<strong>in</strong>sames Lernen s<strong>in</strong>nvoll<br />

sei.<br />

Falsch ist auch die Behauptung, die Schulstudien<br />

IGLU bzw. PISA hätten bewiesen, dass<br />

Deutschland <strong>in</strong> der Grundschule <strong>in</strong>ternational<br />

vorne stehe (weil Grundschule ja Gesamtschule<br />

sei) und mit den weiterführenden<br />

Schulformen des gegliederten Schulwesens<br />

zurückfalle.<br />

<strong>Das</strong> ist e<strong>in</strong>e naive oder gar absichtsvolle<br />

Lüge. E<strong>in</strong> PISA-IGLU-Vergleich ist<br />

nämlich erst zulässig, wenn man nur<br />

diejenigen 27 Länder berücksichtigt,<br />

die sich 2006 an PISA und an IGLU beteiligt<br />

haben. Dann sieht man: Bei PI-<br />

SA liegt Deutschland hier auf Platz 9<br />

und bei IGLU auf Platz 8. Daraus<br />

Schlussfolgerungen zu den Vorzügen<br />

oder Nachteilen e<strong>in</strong>es weiterführenden<br />

Schulwesens zu ziehen ist e<strong>in</strong>e<br />

Farce.<br />

Auch vor diesem H<strong>in</strong>tergrund ist es<br />

pure Ignoranz, was Hamburg derzeit<br />

macht. Erst wird dort das <strong>Gymnasium</strong><br />

um die 13. Klasse amputiert, dann amputiert<br />

man auch noch beide Be<strong>in</strong>e<br />

durch e<strong>in</strong>e Verlängerung der Grundschule<br />

um e<strong>in</strong>e 5. und 6. Klasse.<br />

Bezeichnend ist übrigens die Kuhhandel-Gegenleistung<br />

der GAL für das Zugeständnis<br />

der regierenden CDU an<br />

e<strong>in</strong>e sechsjährige Grundschule: Die<br />

Elbe darf dafür auf 14,50 Meter ausgebaggert<br />

werden. Da kann man nur sagen:<br />

<strong>Das</strong> ist Elbvertiefung für Bildungsverflachung!<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 21<br />

4. E<strong>in</strong> wenig h<strong>in</strong>sichtlich Anspruch<br />

und h<strong>in</strong>sichtlich Inhalten dezent<br />

elitäres gymnasiales Bewusstse<strong>in</strong><br />

dürfte schon se<strong>in</strong>.<br />

Man erschrecke nicht: Ganz bewusst<br />

will ich im Kontext mit <strong>Gymnasium</strong><br />

e<strong>in</strong> paar Gedanken zum Thema »Elite«<br />

beitragen!<br />

<strong>Das</strong>s Elite für die 68er als reaktionär,<br />

zum<strong>in</strong>dest krypto-faschistisch galt, ist<br />

bekannt. In jüngster Zeit freilich durfte<br />

man für kurze Zeit hoffen, dass<br />

Deutschland se<strong>in</strong>e Anti-Elite-Reflexe<br />

h<strong>in</strong>ter sich gelassen hat. Diese Hoffnung<br />

aber trog. <strong>Das</strong> Fehlverhalten e<strong>in</strong>iger<br />

Top-Manager reichte aus, um alte<br />

Affekte zu reanimieren: Elite ist<br />

schlecht, Attacke gegen Elite ist gut.<br />

Also haben wir sie wieder – die schier<br />

para-religiöse Ideologie des Egalitarismus,<br />

diese Negation aller Unterschiede<br />

zwischen Menschen: Was nicht alle<br />

s<strong>in</strong>d, darf offenbar ke<strong>in</strong>er se<strong>in</strong>; was<br />

nicht alle haben, darf ke<strong>in</strong>er haben;<br />

was nicht alle können, darf natürlich<br />

ke<strong>in</strong>er können. So sche<strong>in</strong>t es.<br />

Damit ke<strong>in</strong> Zweifel aufkommt: Natürlich<br />

gibt es Abzocker <strong>in</strong> Nadelstreifen,<br />

gewiss gibt es den Dünkel von Steuerflüchtigen<br />

und »Celebrities«. Aber weder<br />

pseudoelitäres Gehabe noch der<br />

Missbrauch von Elite durch Faschismus<br />

und Bolschewismus machen Elite<br />

überflüssig. Vielmehr gilt: Je komplexer<br />

und differenzierter Gesellschaft,<br />

Wirtschaft und Wissenschaft,<br />

umso mehr s<strong>in</strong>d wir auf Eliten (Plural!)<br />

angewiesen.<br />

Demokratie darf nicht zum Diktat des<br />

Durchschnitts werden. <strong>Das</strong> wäre zumal<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er hochkomplexen Welt und <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Welt des explodierenden Wissens<br />

naiv. Aus Demokratie darf ke<strong>in</strong><br />

»Konvent von ungefähr gleich Unwissenden«<br />

(Peter Sloterdijk) werden. E<strong>in</strong>e<br />

solchermaßen zur Gleichheit verurteilte<br />

Gesellschaft wäre zur Stagnation<br />

verurteilt.<br />

Will sagen: Wir brauchen Leistungs- und<br />

Verantwortungseliten …, die zugleich Reflexions-<br />

und Werte-Eliten s<strong>in</strong>d. Vor e<strong>in</strong>em<br />

solchen H<strong>in</strong>tergrund ist selbst Ungleichheit<br />

gerecht – nämlich dann,<br />

wenn Elite allen nützt, wenn das Handeln<br />

von Eliten quasi zu e<strong>in</strong>em »<strong>in</strong>equality<br />

surplus«, zu e<strong>in</strong>em Mehrwert<br />

führt. (Aus sozialstaatlichen, sozialpolitischen,<br />

sozialethischen Gründen<br />

auch führen muss!)<br />

E<strong>in</strong> diffuser Anti-Elitismus hilft ke<strong>in</strong>er<br />

Demokratie weiter. Und umgekehrt ist<br />

e<strong>in</strong>e Demokratie – wie Weimar zeigt –<br />

dann <strong>in</strong> größter Gefahr, wenn ihr die<br />

Eliten die Loyalität entziehen.<br />

Deutschland braucht Spitzenkräfte <strong>in</strong><br />

allen Bereichen, Spitzenkräfte auch,<br />

die aus e<strong>in</strong>er Gesamtschau heraus<br />

Orientierungen <strong>in</strong> Zeiten der Beliebigkeit<br />

und Gleich-Gültigkeit vorleben.<br />

Wir brauchen zudem e<strong>in</strong> Verständnis<br />

von Elite, bei dem neben dem Karrieregedanken<br />

der Gedanke des Dienens und<br />

des Respekts e<strong>in</strong>e maßgebliche Rolle<br />

spielt. <strong>Das</strong> gilt zumal für Machteliten,<br />

deren Spitzen nicht umsonst »M<strong>in</strong>ister«<br />

(von late<strong>in</strong>isch m<strong>in</strong>istrare = dienen)<br />

heißen. Plakativ könnte man sagen:<br />

Elite<br />

• heißt Verdient-Machen durch vorbildhaftes<br />

Dienen am Geme<strong>in</strong>wohl,<br />

• heißt, »Treuhänder« der Allgeme<strong>in</strong>heit<br />

(Gerd-Klaus Kaltenbrunner) zu<br />

se<strong>in</strong>,<br />

• heißt, Respekt zu haben vor anderen,<br />

die begründet anders urteilen.<br />

All dies mit zu fördern ist die Chance<br />

und die Herausforderung für unsere<br />

Schulform <strong>Gymnasium</strong>! Diese Chance<br />

bietet sich dem Geme<strong>in</strong>wesen via<br />

<strong>Gymnasium</strong> aber nur, wenn man <strong>in</strong><br />

der Kategorie Qualität und nicht <strong>in</strong> der<br />

Kategorie Quote denkt.<br />

5. Bildung muss gerecht se<strong>in</strong>.<br />

Aber: Wir haben Grund, die<br />

aktuelle Debatte um »Bildungsgerechtigkeit«<br />

kritisch zu durchleuchten!<br />

Der Begriff der Bildungsgerechtigkeit<br />

sche<strong>in</strong>t nämlich zur clever gewählten<br />

Kampfvokabel <strong>in</strong> der schulpolitischen<br />

Ause<strong>in</strong>andersetzung geworden zu<br />

se<strong>in</strong>. Diese Debatte ist aber zu erheblichen<br />

Teilen schief, weil sie für gerecht<br />

hält, was gleich ist bzw. gleich macht.<br />

Ja, es muss Chancen geben. Gleiche<br />

Chancen am Start! Aber Chancen s<strong>in</strong>d<br />

Chancen und ke<strong>in</strong>e Garantien. <strong>Das</strong> Geme<strong>in</strong>wesen<br />

hat h<strong>in</strong>sichtlich Chancen<br />

e<strong>in</strong>e Br<strong>in</strong>gschuld. Aber die Nutznießer<br />

haben auch e<strong>in</strong>e Holschuld. An der Bereitschaft,<br />

die Chancen abzuholen<br />

und umzusetzen freilich mangelt es<br />

umso mehr, je mehr sich das Gerede<br />

verbreitet, dieses deutsche Schulwesen<br />

sei ungerecht.<br />

Verweilen wir kurz bei diesem Vorwurf:<br />

In der derzeit geführten Debatte<br />

um Bildungsgerechtigkeit beruft man<br />

sich immer wieder auf PISA-Daten.<br />

<strong>Das</strong> ist <strong>in</strong> diesem Kontext wissenschaftlich-methodologisch<br />

aber völlig unmöglich.<br />

PISA testet schließlich Fünfzehnjährige<br />

<strong>in</strong>mitten ihrer Bildungslaufbahn,<br />

aber nicht an deren Ende.<br />

Wenn dann unter Berufung auf PISA-<br />

Daten kritisiert wird, nur soundsoviele<br />

Prozent der Arbeiterk<strong>in</strong>der seien<br />

am <strong>Gymnasium</strong>, dann wird hier völlig<br />

unterdrückt, dass man solche soziologischen<br />

Analysen erst beim Zwanzigjährigen<br />

machen kann.<br />

Leider aber ist <strong>in</strong> Deutschland, wenn<br />

von Durchlässigkeit im Schulsystem<br />

die Rede ist, immer nur von der horizontalen<br />

Durchlässigkeit die Rede, also<br />

von den Möglichkeiten, »quer« zwischen<br />

den Schulformen zu wechseln.<br />

Daneben aber muss man die vertikale<br />

Durchlässigkeit des Schulwesens sehen,<br />

Heft 1/2010


22<br />

VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />

beachten und fördern. Geme<strong>in</strong>t ist<br />

hier die Durchlässigkeit »nach oben«,<br />

konkret die Möglichkeit für e<strong>in</strong>en<br />

Nicht-Gymnasiasten, zur Hochschulreife<br />

zu kommen.<br />

H<strong>in</strong>sichtlich dieser vertikalen Durchlässigkeit<br />

ist es mit dem deutschen Schulwesen<br />

nicht eben schlecht gestellt.<br />

Über alle Bundesländer aufsummiert,<br />

gibt es rund fünfzig Wege zur Hochschulreife.<br />

Es gibt also ke<strong>in</strong>e schulischen<br />

Sackgassen. Im Besonderen sollte<br />

auch berücksichtigt werden, dass es<br />

gerade das hochdifferenzierte berufliche<br />

Schulwesen <strong>in</strong> Deutschland ist, das<br />

Haupt- und Realschülern hochqualifizierte<br />

Bildungswege zu anspruchsvollen<br />

Berufen und auch zur Hochschulreife<br />

bietet. Und vor allem: Rund die<br />

Hälfte der Studierberechtigten <strong>in</strong> Deutschland<br />

erwirbt e<strong>in</strong>e Hochschulreife<br />

nicht über das <strong>Gymnasium</strong>. Unter diesen<br />

fünfzig Prozent s<strong>in</strong>d K<strong>in</strong>der aus so<br />

genannten bildungsfernen Schichten<br />

sehr stark repräsentiert.<br />

Außerdem muss festgehalten werden,<br />

»dass es an Gymnasien selbst ke<strong>in</strong>e<br />

Benachteiligung von Arbeiterk<strong>in</strong>dern<br />

gab« (PISA 2000). Am ausgeprägtesten<br />

ist die soziale Selektivität des Bildungswesens<br />

ansonsten <strong>in</strong> Ländern<br />

mit flächendeckendem öffentlichem<br />

E<strong>in</strong>heitsschulsystem und kostspieligen<br />

Privatschulen.<br />

Die Verbesserung der sozialen Durchlässigkeit<br />

des Schulwesens bleibt dennoch<br />

e<strong>in</strong>e Herausforderung für das<br />

deutsche Schulwesen und speziell für<br />

die Gymnasien. Es muss noch mehr<br />

als bisher gel<strong>in</strong>gen, »bildungsferne«<br />

Schichten zum Besuch des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

zu motivieren. Dies gilt auch für<br />

den Besuch des <strong>Gymnasium</strong>s durch<br />

Migrantenk<strong>in</strong>der; nur rund vier Prozent<br />

der Gymnasiasten s<strong>in</strong>d Migrantenk<strong>in</strong>der,<br />

wiewohl deren Anteil unter allen<br />

Schülern rund fünfzehn Prozent<br />

ausmacht. Hier gibt es also durchaus<br />

noch gymnasiale Potentiale.<br />

Ansonsten sollte es Aufgabe des <strong>Gymnasium</strong>s<br />

se<strong>in</strong>, die so genannte Durchsteiger-Quote<br />

weiter zu steigern. Damit<br />

ist der Anteil der Gymnasialanfänger<br />

geme<strong>in</strong>t, die zum Abitur gelangen.<br />

Diesbezüglich hat sich manches getan,<br />

im Jahr 1960 betrug die Durchsteigerquote<br />

(berechnet von der Jahrgangsstufe<br />

7 bis zum Abitur 42,3 Prozent, im<br />

Jahr 1990 dann 64,3 Prozent; heute liegen<br />

wir bei siebzig Prozent). Hier wäre<br />

noch mehr möglich, wenn man den<br />

Gymnasien – wie allen Schulformen! –<br />

die Möglichkeit böte, sich <strong>in</strong>dividueller<br />

und <strong>in</strong>tensiver um Problemschüler<br />

zu kümmern. Ich schlage dazu e<strong>in</strong>en<br />

fünfprozentigen Stundenpool für jede<br />

Schule vor. An e<strong>in</strong>em <strong>Gymnasium</strong> mit<br />

rund 800 Schülern bedeutet das rund<br />

zusätzliche sechzig Wochenstunden.<br />

Mit diesen Stunden kann man <strong>in</strong><br />

Krankheits- und Fahrtenwochen Unterrichtsausfall<br />

m<strong>in</strong>imieren und <strong>in</strong> den<br />

vielen anderen Wochen Förderkurse<br />

für Spitzen- und Risikoschüler e<strong>in</strong>richten.<br />

Die F<strong>in</strong>anzierung müsste <strong>in</strong> Gottes<br />

Namen möglich se<strong>in</strong>, denn es geht<br />

hier nur um e<strong>in</strong>en Zuschlag von 0,25<br />

Prozent zu den ohneh<strong>in</strong> nur fünf Prozent<br />

Anteil am Brutto<strong>in</strong>landsprodukt,<br />

die wir für Bildung ausgeben.<br />

Freilich sage ich auch: Man kann junge<br />

Menschen fördern, man kann sie<br />

aber nicht begaben. Unterschätzen wir<br />

vor lauter technizistischem Machbarkeitswahn<br />

den Faktor Begabung nicht!<br />

Was den Faktor Begabung betrifft, so<br />

mag es heute politisch nicht korrekt<br />

se<strong>in</strong>, davon zu sprechen. In manchen<br />

Diskussionen ist aus Begabung ja e<strong>in</strong>e<br />

»verme<strong>in</strong>tliche Begabung« geworden.<br />

Wissenschaftlich haltbar ist e<strong>in</strong>e solche<br />

Diktion nicht. Denn die Forschung<br />

hat e<strong>in</strong>deutig nachgewiesen,<br />

dass rund zwei Drittel des kognitiven<br />

Potenzials durch Erbfaktoren bestimmt<br />

s<strong>in</strong>d. Was man aus dem dritten Drittel<br />

macht, ist <strong>in</strong>teressant und entscheidend:<br />

• Man kann es vernachlässigen, dann<br />

liegen auch die anderen zwei Drittel<br />

brach.<br />

• Man kann dieses dritte Drittel aber<br />

auch voll ausreizen, dann können<br />

auch die anderen zwei Drittel voll<br />

zum Tragen kommen.<br />

6. <strong>Gymnasium</strong> ist nur mit<br />

gymnasialen Profis machbar.<br />

Anspruchsvolles <strong>Gymnasium</strong> ist nur<br />

mit qualifizierten und motivierten<br />

Gymnasiallehrern machbar. Was die<br />

Motivation anbelangt, so ist mir nicht<br />

bange, denn die gymnasiale Bildungsund<br />

Erziehungsaufgabe ist e<strong>in</strong>e große<br />

Motivation.<br />

Dennoch b<strong>in</strong> ich <strong>in</strong> Sorge um die zukünftige<br />

Qualifikation der Philologen<br />

(wie aller Lehrer). Denn es deutet<br />

manches darauf h<strong>in</strong>, dass die Deutschen<br />

»Bologna« vor lauter – typisch<br />

deutscher – Selbstvergessenheit zweihundertprozentig<br />

perfektionistisch<br />

umsetzen.<br />

Ich frage mich aber: Was sollen wir mit<br />

e<strong>in</strong>em Bachelor of Education oder mit e<strong>in</strong>em<br />

über die Schulformen h<strong>in</strong>weg<br />

weitgehend vere<strong>in</strong>heitlichten Lehrer anfangen?<br />

»Bologna« droht vielmehr zu e<strong>in</strong>em<br />

Dump<strong>in</strong>g-Modell und zu e<strong>in</strong>er Lehrerbildung<br />

»light« zu werden. Gerade Lehrer<br />

des <strong>Gymnasium</strong>s aber können im Unterricht<br />

nur dann bestehen, wenn sie<br />

über e<strong>in</strong> Fachwissen weit über die Curricula<br />

h<strong>in</strong>aus verfügen. <strong>Das</strong> setzt e<strong>in</strong><br />

anspruchsvolles Fach- und Vollstudium<br />

an der Universität voraus.<br />

In Sorge b<strong>in</strong> ich auch, wenn ich sehe,<br />

dass manche Bundesländer die sog.<br />

bildungswissenschaftlichen Anteile<br />

des Lehramtsstudiums ausweiten zulasten<br />

der fachwissenschaftlichen Anteile.<br />

E<strong>in</strong>e weitere Sorge ist die Sorge um<br />

unseren Lehrernachwuchs: <strong>Das</strong>s heute<br />

<strong>in</strong> weiten Bereichen selbst bestens<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 VO R T R AG 23<br />

Geeignete den Lehrerberuf nicht mehr<br />

ergreifen wollen, muss uns zu denken<br />

geben. Diese aber zu bekommen, ist<br />

nur zum Teil e<strong>in</strong>e Frage der dienstrechtlichen<br />

Ausstattung, sondern der<br />

Art und Weise, wie man <strong>in</strong> Deutschland<br />

mit Lehrern umgeht. Hier gilt Karl<br />

Jaspers: Es ist das Schicksal e<strong>in</strong>es Volkes,<br />

welche Lehrer es hervorbr<strong>in</strong>gt<br />

und wie es se<strong>in</strong>e Lehrer achtet.<br />

7. Den nicht messbaren und<br />

übernützlichen Wert<br />

gymnasialer Bildung betonen!<br />

Ich habe da und dort angedeutet,<br />

dass ich von der ganzen PISA-Hysterie<br />

nichts halte. <strong>Das</strong> heißt nicht, dass ich<br />

ke<strong>in</strong>e Bilanzen und ke<strong>in</strong>e empirische<br />

Bildungsforschung haben möchte. Zu<br />

lange hat sich Deutschland solcher<br />

Leistungsmessung entzogen. Vor allem<br />

waren es e<strong>in</strong>ige A-Länder, die die<br />

Bilanzen scheuten und – wenigstens<br />

zum Teil – noch im Jahr 1999 PISA<br />

verh<strong>in</strong>dern wollten.<br />

Alles aber bitte mit Maß und Ziel! Wir<br />

müssen aufpassen, dass wir nicht<br />

mehr und mehr e<strong>in</strong>er operationalistischen<br />

Def<strong>in</strong>ition von Bildung aufsitzen<br />

nach dem Motto: Bildung ist das, was<br />

PISA misst. Ne<strong>in</strong>, Bildung ist erheblich<br />

mehr, und PISA misst nur e<strong>in</strong>en ganz<br />

kle<strong>in</strong>en Ausschnitt aus dem Lerngeschehen.<br />

Schulpolitik muss sich ansonsten wieder<br />

auf e<strong>in</strong>e Anthropologie e<strong>in</strong>lassen. Zu<br />

e<strong>in</strong>er solchen pädagogischen Anthropologie<br />

gehört die Betrachtung des<br />

Menschen als »homo faber« und als »homo<br />

ludens«. Der Mensch erfährt se<strong>in</strong>e<br />

Existenz ja vor allem <strong>in</strong> aktiver Ause<strong>in</strong>andersetzung<br />

mit der Welt. Arbeit und<br />

Leistung dieses »homo faber« s<strong>in</strong>d Ausdruck<br />

des Höchst<strong>in</strong>dividuellen, zugleich<br />

Motor und Ergebnis freier Persönlichkeitsentwicklung.<br />

Gerade auch Heranwachsende<br />

bekommen über ihre Leistung<br />

zum<strong>in</strong>dest e<strong>in</strong>e Ahnung davon,<br />

dass man mit Wissen und Können<br />

sich selbst überschreitet, um mitzuwirken<br />

am Ganzen, womit Leistung<br />

übrigens immer auch e<strong>in</strong>e soziale Dimension<br />

(s.o.) hat.<br />

Ohne Leistung, Arbeit und Anstrengung geht<br />

es jedenfalls nicht! Nehmen wir also bitte<br />

auch Abschied von e<strong>in</strong>er Spaß- und Erleichterungspädagogik,<br />

die uns glauben machen<br />

will, e<strong>in</strong>e Schule sei um so <strong>in</strong>novativer, je<br />

mehr sie K<strong>in</strong>dergartenelemente e<strong>in</strong>führt!<br />

Dem »homo faber« steht jedoch<br />

gleichberechtigt der »homo ludens« zur<br />

Seite. Beide <strong>Das</strong>e<strong>in</strong>sformen schließen<br />

sich nicht aus, sondern sie ergänzen<br />

sich. <strong>Das</strong> Spiel ist Grundkategorie des<br />

Menschlichen, und es ist zugleich kultur-<br />

und persönlichkeitsbildend. »Der<br />

Mensch ... ist nur da ganz Mensch, wo<br />

er spielt.« So heißt es bei Schiller (250.<br />

Geburtstag!) im 15. se<strong>in</strong>er 27 Briefe<br />

»Über die ästhetische Erziehung des<br />

Menschen« (1793). Diese »Briefe« haben<br />

bekanntermaßen ja auch Wilhelm<br />

von Humboldt bee<strong>in</strong>flusst, wie deren<br />

Briefwechsel der Jahre 1792 bis 1805<br />

beweist.<br />

Gerade gymnasiale Schulpolitik muss<br />

den Grundsatz verteidigen, dass Bildung<br />

e<strong>in</strong>en übernützlichen Wert hat. Hier<br />

gilt, was das Bildungspapier der Deutschen<br />

Bischofskonferenz (DBK) und<br />

der Evangelischen Kirche <strong>in</strong> Deutschland<br />

(EKD) vom November 2000 festhielt.<br />

Es trägt den Titel »Tempi – Bildung<br />

im Zeitalter der Beschleunigung«.<br />

Dar<strong>in</strong> wird Kritik geübt an e<strong>in</strong>em<br />

»Totalitarismus neuen Typs«,<br />

nämlich dem »subjektlosen Funktionalismus«,<br />

der auch die Bildung erobere.<br />

Es wird gesagt, die Wirtschaft<br />

profitiere vom Sabbat.<br />

In Nietzsches Worten hieße das: Bildung<br />

kann ke<strong>in</strong>e Bildung se<strong>in</strong> »am<br />

Pflock des Augenblicks«. Dementsprechend<br />

rechnet er es 1872 <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en<br />

Vorträgen »Über die Zukunft der Bildungsanstalten«<br />

zu den beliebtesten<br />

nationalökonomischen Dogmen, den<br />

Nutzen, ja den möglichst großen Geldgew<strong>in</strong>n<br />

als Zweck der Bildung auszugeben.<br />

Wörtlich: »Dem Menschen<br />

wird nur soviel Kultur gestattet, als im<br />

Interesse des Erwerbs ist.«<br />

Oder <strong>in</strong> den Worten des damaligen<br />

Nürnberger Gymnasialdirektors Georg<br />

Wilhelm Friedrich Hegel: Nicht jeder<br />

»nützliche Stoff« formt die Seele, und<br />

Bildung ist die Aneignung von Welt<br />

jenseits des Nutzens ökonomischer<br />

Praxis.<br />

Deshalb muss es gerade im <strong>Gymnasium</strong><br />

(wo sonst?) zum Beispiel um e<strong>in</strong>en<br />

Grundbestand an Literaturkenntnis<br />

gehen, im Fach Musik um e<strong>in</strong>en<br />

Grundbestand an Werkkenntnis. Und<br />

zwar deshalb, weil kanonisches Wissen<br />

e<strong>in</strong>e Kommunikationsgrundlage ist<br />

und weil e<strong>in</strong> zu schmales Wissen (e<strong>in</strong><br />

Wissen unter aller »Kanone«) anspruchsvolle<br />

Kommunikation erst gar<br />

nicht entstehen ließe. Im Lande e<strong>in</strong>es<br />

Bach und Beethoven, Kant und Hegel,<br />

Goethe und Schiller, Humboldt und<br />

Spranger darf man das nicht vergessen.<br />

Hier sollten wir nicht zu anspruchslos<br />

werden. Jedenfalls wäre es e<strong>in</strong>e Horrorvorstellung,<br />

was die F.A.Z. e<strong>in</strong>mal berichtete,<br />

nämlich dass e<strong>in</strong>e große<br />

Bank für ihre Jungmanager kulturgeschichtliche<br />

Crash-Kurse e<strong>in</strong>gerichtet<br />

hat. Die jungen Banker sollten damit<br />

so weit fit gemacht werden, dass sie<br />

beim Prosecco-Empfang e<strong>in</strong> kultur-relevantes<br />

»name-dropp<strong>in</strong>g« praktizieren<br />

können – nach dem Motto: »Ach ja,<br />

dieser Ludwig van, das war doch der<br />

mit der Schicksalsmelodie – oder<br />

so!?« <strong>Das</strong> kann es nicht se<strong>in</strong>. Unser<br />

Land braucht Persönlichkeiten mit<br />

kulturellem H<strong>in</strong>tergrund.<br />

Zum Schluss<br />

<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> ist das Erfolgsmodell<br />

des deutschen Bildungswesens<br />

Heft 1/2010


24<br />

VO R T R AG Vertreterversammlung 2009<br />

schlechth<strong>in</strong>, und es muss es bleiben –<br />

nicht um des <strong>Gymnasium</strong>s willen,<br />

sondern um unseres Geme<strong>in</strong>wesens<br />

wegen! Es kann aber nur dann Erfolgsmodell<br />

bleiben, wenn es nicht an<br />

se<strong>in</strong>er Beliebtheit hypertrophiert.<br />

Wenn ich das so sage, dann heißt das<br />

nicht, dass die Schüler-, Eltern- oder<br />

Lehrerschaft des <strong>Gymnasium</strong>s Grund<br />

hätte, auf andere Schulformen herabzublicken!<br />

Mitnichten, denn der<br />

Mensch beg<strong>in</strong>nt nicht erst mit dem<br />

Abitur.<br />

Gymnasien haben zwar e<strong>in</strong>en besonderen<br />

Anspruch an kognitives Lernen.<br />

Sie s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> besonderer Weise<br />

Träger e<strong>in</strong>er breiten und lebendigen<br />

Kultur. In gewisser H<strong>in</strong>sicht haben<br />

sie es damit allerd<strong>in</strong>gs leicht, vor<br />

allem, weil sie e<strong>in</strong>e vergleichsweise<br />

homogene Schülerklientel haben.<br />

Die benachbarten Schulformen (Realschulen,<br />

Gesamtschulen, Berufsschulen,<br />

im besonderen die Hauptschulen) haben<br />

dagegen e<strong>in</strong>e sozial oft enorm herausfordernde<br />

Klientel. Hunderte und<br />

Tausende dieser Schulen leisten hier<br />

neben ihrem Bildungsauftrag sozialpädagogisch<br />

und auch sozialpolitisch etwas,<br />

was sich manch Gymnasialer gar<br />

nicht vorstellen kann.<br />

Umgekehrt sollte es die anderen<br />

Schulformen nicht stören, wenn sich<br />

das <strong>Gymnasium</strong> als Schule mit e<strong>in</strong>em<br />

ganz orig<strong>in</strong>ären Bildungsverständnis def<strong>in</strong>iert.<br />

Und niemand sollte dem <strong>Gymnasium</strong><br />

den Anspruch neiden, dass<br />

ke<strong>in</strong>e andere Schulform e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> so<br />

umfassendem S<strong>in</strong>ne prägende Bildungs-<br />

und Erziehungsarbeit leisten<br />

kann wie das <strong>Gymnasium</strong>! Schließlich<br />

umfasst das <strong>Gymnasium</strong> drei Entwicklungsstadien/Lebensalter:<br />

das späte<br />

K<strong>in</strong>dheitsalter, die Früh- und Hochpubertät<br />

mit ihren Verwerfungen und<br />

zentrifugalen Tendenzen und schließlich<br />

die Adoleszenz und das junge Erwachsenenalter.<br />

Dies ist e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige Chance und der<br />

besondere Charme, nicht nur Teile der<br />

späteren Leistungs- und Verantwortungselite<br />

heranzubilden, sondern<br />

junge Menschen auch nachhaltig kulturell<br />

und ethisch zu prägen.<br />

Machen wir also Schluss mit der typisch<br />

deutschen Selbstverleugnung<br />

gerade auch im Bildungsbereich! Machen<br />

wir Schluss mit dem Glauben,<br />

Schule <strong>in</strong> Deutschland sei um so zukunftsfähiger,<br />

je mehr sie sich an<br />

F<strong>in</strong>nland oder Japan oder Südkorea<br />

oder Kanada orientiert!<br />

Ne<strong>in</strong>, all die genannten Länder wollten,<br />

sie hätten e<strong>in</strong>e Schulform, die so<br />

anspruchsvoll, so sturm-erprobt und<br />

so erfolgreich ist wie das Zugpferd<br />

des deutschen Bildungswesens: das<br />

<strong>Gymnasium</strong>!<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne: Dank und Anerkennung<br />

Dir, lieber Max Laveuve, für die 24<br />

Jahre De<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satz an vorderster<br />

Stelle für das <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> De<strong>in</strong>em<br />

Bundesland und <strong>in</strong> Deutschland!<br />

Dank Dir, Max, auch für unerschütterliche<br />

Loyalität mir bzw. me<strong>in</strong>em Verbandsamt<br />

gegenüber.<br />

De<strong>in</strong>em Nachfolger, Dir, lieber Malte<br />

Blümke, wünsche ich aus der – mich<br />

absolut zuversichtlich stimmenden –<br />

Erfahrung unseres nunmehr dreißigjährigen<br />

wechselseitigen freundschaftlichen<br />

Kennens, des zum Teil geme<strong>in</strong>samen,<br />

zum Teil getrennten Marschierens,<br />

aber des geme<strong>in</strong>samen Zieles,<br />

alles Gute für De<strong>in</strong> neues Amt!<br />

IMPRESSUM<br />

<strong>Das</strong> <strong>Gymnasium</strong> <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Zeitschrift des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Herausgeber:<br />

<strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

Fritz-Kohl-Straße 13 | 55122 Ma<strong>in</strong>z<br />

Tel.: 06131/384310 | Fax: 371107<br />

eMail: <strong>in</strong>fo@philologenverband.de<br />

Internet: www.philologenverband.de<br />

Redaktion: Josef Zeimentz<br />

Alle Fotos: Wolf Dieter Schumann<br />

und Josef Zeimentz<br />

Satz: Pädagogik & Hochschul Verlag<br />

Graf-Adolf-Straße 84 | 40210 Düsseldorf<br />

Tel.: 0211 / 1 79 59 38 | Fax: 1795945<br />

eMail: he<strong>in</strong>emann@dphv-verlag.de<br />

Druck: Druckerei Adis GmbH<br />

Budenheimer Weg 27 | 55262 Heidesheim<br />

Tel.: 06132 / 95 20 20<br />

E<strong>in</strong> besonderer Dank …<br />

… g<strong>in</strong>g an die Damen<br />

der Geschäftsstelle,<br />

ohne deren<br />

unermüdlichen<br />

E<strong>in</strong>satz die Durchführung<br />

der Vertreterversammlung<br />

unmöglich gewesen<br />

wäre.<br />

v.l.n.r.: Isabel Menzel,<br />

Malte Blümke,<br />

Ilona Rubis<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 WA H L E N 25<br />

Der neu gewählte Geschäftsführende Vorstand mit dem neuen Schatzmeister des Verbandes Dr. Christian Bayer, Grünstadt. Er wurde zum Nachfolger<br />

von Gerhard Blüm, Ma<strong>in</strong>z, gewählt, der dieses Amt mehr als vierzig Jahre sehr erfolgreich ausübte.<br />

v.l.n.r. Josef Zeimentz, Gerhard Peifer, Elvire Kuhn, Malte Blümke, Dagmar L<strong>in</strong>nert, Heike Mohr-Mumbauer, Ralf Hoffmann, Dr. Christian Bayer<br />

Wahlen zum Geschäftsführenden Vorstand<br />

Bei den Vorstandswahlen im Rahmen der Vertreterversammlung wurde Malte Blümke (Trier) <strong>in</strong> geheimer Wahl<br />

mit 92,5 Prozent der Stimmen zum Nachfolger von Max Laveuve (Kaiserslautern) als neuer Landesvorsitzender<br />

gewählt. Elvire Kuhn (Schifferstadt) erhielt als neue stellvertretende Vorsitzende ebenfalls <strong>in</strong> geheimer<br />

Wahl 91,3 Prozent der Stimmen. Auch die übrigen Vorstandsmitglieder wurden mit überwältigender Mehrheit<br />

mit ihren Aufgaben für die nächsten zwei Jahre betraut: Heike Mohr-Mumbauer (Traben-Trarbach) als Referent<strong>in</strong><br />

für Bildungsfragen, Dagmar L<strong>in</strong>nert (Landau) für Frauenfragen, Gerhard Peifer (Simmern) für Rechtsfragen,<br />

Josef Zeimentz (Nieder-Olm) für Öffentlichkeitsarbeit und Ralf Hoffmann (Bendorf) für die Jungen Philologen.<br />

Nach mehr als vierzig Jahren gab Gerhard Blüm (Ma<strong>in</strong>z) se<strong>in</strong> Amt als Schatzmeister des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

ab. Zu se<strong>in</strong>em Nachfolger wählte die Delegiertenversammlung <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler Dr. Christian Bayer<br />

(Grünstadt).<br />

Heft 1/2010


26<br />

L E I TA N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />

Die Vertreterversammlung 2009 <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler hat folgende<br />

Leitantrag<br />

zur Berufspolitik<br />

Der Beruf des Gymnasiallehrers ist sehr anspruchsvoll<br />

und gesellschaftlich angesehen. Trotzdem ist es derzeit<br />

schwierig, geeignete Bewerber<strong>in</strong>nen und Bewerber für das<br />

gymnasiale Lehramt zu gew<strong>in</strong>nen. Gründe hierfür liegen <strong>in</strong><br />

den ger<strong>in</strong>gen beruflichen Aufstiegschancen, den Sonderopfern<br />

des Öffentlichen Dienstes und den vergleichsweise<br />

ger<strong>in</strong>gen Gehaltsanpassungen der Beamten des Höheren<br />

Dienstes <strong>in</strong> den vergangenen Jahren.<br />

Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund fordert die Vertreterversammlung<br />

des <strong>Philologenverband</strong>es Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> das MBWJK, die<br />

gesamte Landesregierung und den Landtag auf, im Zusammenhang<br />

mit den Entscheidungen und Maßnahmen der<br />

nächsten Jahre die Interessen der Lehrkräfte <strong>in</strong>sgesamt<br />

und <strong>in</strong>sbesondere die Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen der gymnasialen<br />

Lehrkräfte angemessen zu berücksichtigen und an allen<br />

Schulen zu verbessern. Die Attraktivität des Gymnasiallehrerberufes<br />

muss gestärkt werden, um den erforderlichen<br />

Nachwuchs zur Sicherstellung der Bildungschancen<br />

unserer Jugend zu gew<strong>in</strong>nen.<br />

Um dieses Ziel zu erreichen, stellt der <strong>Philologenverband</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> folgende zentrale Forderungen:<br />

1. Festhalten am Beamtenstatus für Lehrkräfte. Nur der Beamtenstatus<br />

sichert e<strong>in</strong>erseits die pädagogische Freiheit<br />

der Lehrenden und schützt andererseits die Schulen vor<br />

Arbeitskämpfen auf dem Rücken von Schüler/<strong>in</strong>nen und<br />

Eltern.<br />

2. E<strong>in</strong>e an der wissenschaftlichen Qualifikation orientierte<br />

und dem ausgeübten Amt angemessene Besoldung. Die<br />

Gymnasiallehrkräfte s<strong>in</strong>d gemäß ihrer Ausbildung dem<br />

Höheren Dienst zuzuordnen mit dem E<strong>in</strong>stiegsamt A 14<br />

und e<strong>in</strong>er Laufbahnerwartung von A 15. Lehrkräfte mit<br />

besonderen schulbezogenen Aufgaben und höherwertiger<br />

Tätigkeit s<strong>in</strong>d entsprechend höher zu besolden.<br />

3. Dauerhafte Sicherung des jetzigen Besoldungsniveaus<br />

und Teilhabe an der allgeme<strong>in</strong>en Wirtschafts- und E<strong>in</strong>kommensentwicklung.<br />

Dazu gehört das Schließen der<br />

»Gerechtigkeitslücke« bei der Besoldung und Versorgung<br />

aus den Sparrunden der Jahre 2005 bis <strong>2008</strong>.<br />

4. Beförderung als zentrales Element der statusrechtlichen<br />

Leistungsanerkennung. Deshalb muss die Zahl der Beförderungsmöglichkeiten<br />

deutlich ausgeweitet und damit<br />

der Beförderungsstau für Gymnasiallehrer<strong>in</strong>nen und<br />

Gymnasiallehrer an den Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen<br />

überwunden werden. Auch künftig muss<br />

Berufserfahrung honoriert werden. Die seit 1997 vorhandenen<br />

Möglichkeiten, besonders herausragende Leistungen<br />

durch schnelleres Aufsteigen <strong>in</strong> den Erfahrungsstufen<br />

oder durch Leistungsprämien »on-top« zu honorieren,<br />

muss endlich umgesetzt werden.<br />

5. Ke<strong>in</strong>e Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung und Aufstockung<br />

des Entlastungsstundenpools. Ständig neue<br />

Aufgaben und zunehmende Belastungen wirken sich besonders<br />

im Bereich der Gymnasien aus. Daher muss der<br />

vorhandene, aber völlig unzureichende Stundenpool für<br />

Entlastungen deutlich erhöht werden.<br />

6. Ke<strong>in</strong>e Verlängerung der Lebensarbeitszeit. Die <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

bestehenden Regelungen zur gesetzlichen Altersgrenze<br />

bleiben erhalten. Auch künftig soll e<strong>in</strong> Antragsruhestand<br />

nach Vollendung des 63. Lebensjahres<br />

möglich se<strong>in</strong>.<br />

7. Schaffung von erweiterten Möglichkeiten e<strong>in</strong>es flexiblen<br />

Übergangs <strong>in</strong> den Ruhestand. Dazu gehört e<strong>in</strong>e gestufte<br />

Altersermäßigung ab 55 Jahren und die Verlängerung<br />

der Altersteilzeit über das Jahr 2011 h<strong>in</strong>aus.<br />

8. Erhalt der Beamtenversorgung als eigenständiges Alterssicherungssystem.<br />

Dazu gehört die Versorgung aus dem<br />

letzten Amt, um e<strong>in</strong>e amtsangemessene Alimentation<br />

auch im Ruhestand zu gewährleisten. Die Mitnahme erworbener<br />

Ansprüche muss bei e<strong>in</strong>em freiwilligen Wechsel<br />

<strong>in</strong> die Privatwirtschaft gewährleistet se<strong>in</strong>.<br />

Leitantrag<br />

zur Bildungspolitik<br />

Die Bildungslandschaft <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> – aber auch <strong>in</strong><br />

vielen anderen Ländern der Bundesrepublik – bef<strong>in</strong>det<br />

sich <strong>in</strong> den letzten Jahren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zum Teil dramatischen<br />

Veränderungsprozess. Insbesondere die demographische<br />

Entwicklung wird zum Anlass genommen, um die Schullandschaft<br />

von Grund auf zu verändern. Die Maßnahmen,<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 L E I TA N T R ÄG E 27<br />

Leitanträge verabschiedet:<br />

die daraus folgen, entsprechen allerd<strong>in</strong>gs durchweg dem,<br />

was die Befürworter von <strong>in</strong>tegrierten Schulsystemen seit<br />

den siebziger Jahren gezielt verfolgen. Alle nationalen und<br />

<strong>in</strong>ternationalen Studien der letzten Jahre und Jahrzehnte<br />

haben dagegen die leistungsmäßige Überlegenheit des differenzierten<br />

Schulsystems gegenüber <strong>in</strong>tegrierten Systemen<br />

ergeben.<br />

Neben der Demographie werden immer wieder das soziale<br />

Argument und die so genannte Bildungsgerechtigkeit angeführt,<br />

da unser differenziertes Schulsystem K<strong>in</strong>dern aus<br />

sozial schwachen Familien angeblich nicht die gleichen<br />

Chancen e<strong>in</strong>räume wie sozial besser gestellten K<strong>in</strong>dern. In<br />

diesem Zusammenhang wird von vielen Seiten auch ständig<br />

die Forderung nach »längerem geme<strong>in</strong>samen Lernen«<br />

erhoben, weil der Beg<strong>in</strong>n der weiterführenden Schule <strong>in</strong><br />

der fünften Klasse angeblich zu früh sei. <strong>Das</strong> Argument,<br />

das dagegen <strong>in</strong> dieser öffentlichen Diskussion überhaupt<br />

nicht genannt wird, ist der Aspekt der Begabungsgerechtigkeit<br />

und die Verpflichtung der Gesellschaft, jedem K<strong>in</strong>d<br />

die se<strong>in</strong>en Fähigkeiten angemessenen Möglichkeiten und<br />

Bildungschancen zu bieten.<br />

Neu an der jetzigen Situation ist auch, dass der <strong>Philologenverband</strong><br />

mit se<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>treten für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem<br />

<strong>in</strong> der Politik kaum mehr offene Unterstützung f<strong>in</strong>det.<br />

In Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> macht sich das besonders <strong>in</strong> der<br />

Kommunalpolitik bemerkbar, wo seit e<strong>in</strong>iger Zeit ständig<br />

die E<strong>in</strong>führung von Gesamtschulen gefordert wird, weil<br />

man offensichtlich um jeden Preis den jeweiligen Schulstandort<br />

erhalten will.<br />

Die Veränderungen der Bildungslandschaft betreffen aber<br />

nicht nur die Schule, sondern auch den gesamten Bereich<br />

der Hochschule. Dort wurden mit der Umsetzung des so<br />

genannten Bologna-Prozesses und mit der E<strong>in</strong>führung des<br />

Bachelor-/Master-Studiums grundlegende Veränderungen<br />

e<strong>in</strong>geleitet, die nach dem Urteil sehr vieler Fachleute <strong>in</strong>sbesondere<br />

den bisherigen <strong>in</strong>haltlichen Anspruch der wissenschaftlichen<br />

Studiengänge <strong>in</strong> Frage stellen, trotz häufig<br />

sehr viel zusätzlicher Arbeit für die Studierenden. Dies<br />

trifft auch auf die reformierte Lehrerbildung zu, die im H<strong>in</strong>blick<br />

auf das gymnasiale Lehramt die Anforderungen an<br />

e<strong>in</strong> volles wissenschaftliches Studium der gewählten Fächer<br />

nicht mehr erfüllt.<br />

Auch der Schule selbst s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den letzten Jahren ganz<br />

konkrete Veränderungen verordnet worden, die den schulund<br />

bildungspolitischen Vorstellungen unseres Verbandes<br />

zuwider laufen. Mit der E<strong>in</strong>führung der Realschule Plus<br />

wird die Hauptschule aufgegeben, die Orientierungsstufen<br />

außerhalb des <strong>Gymnasium</strong>s s<strong>in</strong>d alle <strong>in</strong>tegriert, bei bisherigen<br />

geme<strong>in</strong>samen Orientierungsstufen zwischen <strong>Gymnasium</strong><br />

und Realschule wird daraus e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>tegrierte Orientierungsstufe<br />

über alle bisherigen Schularten h<strong>in</strong>weg. <strong>Das</strong><br />

neue schulart- und fächerübergreifende Fach »Naturwissenschaften«<br />

ignoriert das Fach- und das Fachlehrerpr<strong>in</strong>zip,<br />

die Kont<strong>in</strong>gent-Stundentafeln gefährden andererseits<br />

die Vergleichbarkeit der Schulen untere<strong>in</strong>ander. Die neu<br />

e<strong>in</strong>gerichtete AQS geht zwangsläufig am entscheidenden<br />

Aspekt der Schule vorbei, nämlich der Unterrichtsqualität.<br />

Besonders die Gymnasien müssen darüber h<strong>in</strong>aus seit vielen<br />

Jahren mit e<strong>in</strong>er zu ger<strong>in</strong>gen Lehrerversorgung auskommen,<br />

und selbst e<strong>in</strong>e 100-Prozent-Versorgung wäre<br />

nach dem jetzigen System der Bedarfsberechnung oft nicht<br />

ausreichend. Dazu kommen seit Jahren ständig neue Aufgaben<br />

der Lehrkräfte etwa durch Tests, Vergleichsarbeiten,<br />

Parallelarbeiten, Arbeitspläne, das neue Fach Naturwissenschaften<br />

etc., die e<strong>in</strong>e große zusätzliche Belastung mit sich<br />

br<strong>in</strong>gen.<br />

Angesichts der beschriebenen Situation fordert<br />

der <strong>Philologenverband</strong>:<br />

• Erhaltung und Förderung e<strong>in</strong>es differenzierten Schulsystems.<br />

• Beg<strong>in</strong>n der weiterführenden Schule und damit auch des<br />

<strong>Gymnasium</strong>s ab Klasse 5.<br />

• E<strong>in</strong>e schulartbezogene Orientierungsstufe am <strong>Gymnasium</strong>.<br />

• Die notwendige personelle und sächliche Ausstattung des<br />

<strong>Gymnasium</strong>s e<strong>in</strong>schließlich e<strong>in</strong>er vollen Unterrichtsversorgung<br />

mit für die Schulart ausgebildeten Lehrkräften.<br />

• Ke<strong>in</strong>e Benachteiligung des <strong>Gymnasium</strong>s gegenüber anderen<br />

Schularten etwa bei den Klassenmesszahlen und<br />

der Lehrerzuweisung.<br />

• Klare schulartbezogene Vorgaben bei Fächern, Lehrplänen<br />

und Stundentafeln.<br />

• E<strong>in</strong> volles akademisches Fachstudium <strong>in</strong> zwei Fächern<br />

für das gymnasiale Lehramt; <strong>in</strong> Musik und Bildender<br />

Kunst genügt e<strong>in</strong> Fach.<br />

• Reduzierung der Praktika auf e<strong>in</strong> s<strong>in</strong>nvolles und handhabbares<br />

Maß.<br />

• Beibehaltung e<strong>in</strong>es m<strong>in</strong>destens achtzehnmonatigen Referendariats,<br />

geleitet von hauptamtlichen Fachleitern.<br />

Heft 1/2010


28<br />

E I N Z E L A N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />

Zu den E<strong>in</strong>zelanträgen<br />

Rund 180 Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter aus allen rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen<br />

Gymnasien, Kollegs, Gesamtschulen<br />

und Studiensem<strong>in</strong>aren für das Lehramt an Gymnasien<br />

haben bei ihrer Tagung <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler zu<br />

aktuellen bildungs- und berufspolitischen Themen Stellung<br />

genommen. Dazu hatten die Schulgruppen des Verbandes<br />

rund 130 Anträge e<strong>in</strong>gereicht, über die im Plenum beraten<br />

und abgestimmt wurde. Die Anträge waren von e<strong>in</strong>er Antragskommission<br />

im Vorfeld der Versammlung <strong>in</strong> sechs<br />

Themenbereiche unterteilt worden.<br />

1. Schul- und Bildungspolitik<br />

Orientierungsstufe<br />

Auch angesichts der aktuellen Entwicklung der Realschulen<br />

plus haben sich die Delegierten mit überwältigender<br />

Mehrheit für die Annahme gleich mehrerer Anträge ausgesprochen,<br />

die die Auflösung der geme<strong>in</strong>samen Orientierungsstufen<br />

von Gymnasien und Realschulen fordern. Außerdem<br />

forderten sie, dass die Unterrichtsversorgung mit<br />

der neuen Realschule plus gleichgestellt wird und auch<br />

die Orientierungsstufen an den Gymnasien e<strong>in</strong>e Klassenmesszahl<br />

von 25 erhalten sollen. Mit Bezug auf das neue<br />

Fach Naturwissenschaften wurde gefordert, dass das Fachlehrerpr<strong>in</strong>zip<br />

beibehalten werden soll und die Zusammenlegung<br />

der drei naturwissenschaftlichen Fächer (NAWI)<br />

wieder rückgängig gemacht wird. Die Delegierten hielten<br />

ebenfalls fest, dass die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es neuen Faches<br />

grundsätzlich erst dann erfolgen sollte, wenn vorher Lehrpläne<br />

erstellt worden seien.<br />

VERA 8<br />

Hauptthema bei den Anträgen zur Mittelstufe war VERA 8.<br />

Mehrere Schulen beschäftigten sich mit dieser Vergleichsuntersuchung.<br />

Da die Aussagekraft der Ergebnisse <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em<br />

Verhältnis zu dem Aufwand stehe, sprach sich die<br />

überwältigende Mehrheit der Delegierten für die Abschaffung<br />

dieser Tests aus.<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 E I N Z E L A N T R ÄG E 29<br />

Drittelparagraph und Parallelarbeiten<br />

Der Drittelparagraph ist seit vielen Jahren <strong>in</strong> der Diskussion,<br />

der Wert dieser Vorschrift ist fraglich. Deshalb wurde<br />

die Abschaffung dieser Bestimmung gefordert.<br />

Seit e<strong>in</strong>igen Jahren werden <strong>in</strong> den Klassenstufen 5 und 7<br />

Parallelarbeiten durchgeführt, ohne dass irgendwelche<br />

nennenswerten Konsequenzen daraus erkennbar s<strong>in</strong>d.<br />

Deshalb forderte die Vertreterversammlung <strong>in</strong> Bad Neuenahr<br />

die Abschaffung dieser zeitaufwendigen Arbeiten, zumal<br />

sie manchmal sogar schulübergreifend durchgeführt<br />

werden sollen, wenn Vergleichsgruppen an der eigenen<br />

Schule fehlen.<br />

AQS<br />

Die Agentur für Qualitätssicherung (AQS) hält mit e<strong>in</strong>em<br />

Riesenaufwand die betroffenen Schulen über mehrere<br />

Wochen »<strong>in</strong> Atem«, ohne dass die Ergebnisse aus diesen<br />

Untersuchungen auch nur annähernd diesen Aufwand<br />

rechtfertigen könnten, zumal das eigentliche »Kerngeschäft«<br />

der Schule, der Fachunterricht, nur am Rande <strong>in</strong><br />

Augensche<strong>in</strong> genommen wird. Deshalb sollte diese Agentur<br />

nach Auffassung der Delegierten wieder abgeschafft<br />

werden.<br />

Vertretungskräfte<br />

Die Zahl der Vertretungskräfte (PES, Seitene<strong>in</strong>steiger, Abordnungen)<br />

an den Gymnasien und den Integrierten Gesamtschulen<br />

nimmt stetig zu. Deshalb soll auch im Kontext<br />

e<strong>in</strong>er Qualitätssicherung erfasst werden, wie viele nicht<br />

voll ausgebildete Gymnasiallehrkräfte derzeit an den Gymnasien<br />

und Integrierten Gesamtschulen beschäftigt s<strong>in</strong>d.<br />

2. Lern- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen<br />

an der Schule<br />

Lehrerarbeitszeit, Anrechnungsstunden,<br />

Unterrichtsversorgung<br />

Die Erhöhung der Entlastungsstunden ist als Ausgleich für<br />

die gestiegenen Arbeitsbelastungen der Kolleg<strong>in</strong>nen und<br />

Kollegen mehr als überfällig. Auch würde e<strong>in</strong>e Erhöhung<br />

der Entlastungsstunden, die dem Kollegium <strong>in</strong>sgesamt zu-<br />

Heft 1/2010


30<br />

E I N Z E L A N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />

geteilt werden, sehr viel zur Motivation bei der Übernahme<br />

besonderer Aufgaben <strong>in</strong> der Schule beitragen. Dies gilt<br />

besonders auch für die Betreuung der Praktikanten, die <strong>in</strong><br />

erheblich steigender Zahl <strong>in</strong> den Schulen erwartet werden.<br />

Deshalb wurde der Geschäftsführende Vorstand des Verbandes<br />

aufgefordert, sich für e<strong>in</strong>e wirkungsvolle Erhöhung<br />

dieser Stunden e<strong>in</strong>zusetzen. So könnte <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten<br />

Schritt zum Beispiel die Notwendigkeit des Ausgleichs der<br />

<strong>in</strong> 13/2 entfallenden Unterrichtsstunden bei hoher Belastung<br />

durch große Kursgrößen <strong>in</strong> der Oberstufe gestrichen<br />

werden.<br />

Außerdem soll darauf h<strong>in</strong>gewirkt werden, dass die Benachteiligung<br />

der Gymnasien bei der Unterrichtsversorgung<br />

gegenüber anderen Schulformen abgebaut wird. Dies<br />

gilt unter anderem für die Klassenmesszahlen und die ger<strong>in</strong>gere<br />

Stundenzuweisung pro Schüler. Die Delegiertenversammlung<br />

beschloss, <strong>in</strong>sgesamt müsse es Ziel der Lehrerzuweisung<br />

se<strong>in</strong>, dass die personelle Ausstattung der<br />

Schulen e<strong>in</strong>er m<strong>in</strong>destens 100-prozentigen Abdeckung des<br />

regulären Unterrichts entspricht.<br />

Altersermäßigung<br />

Die Bed<strong>in</strong>gungen für die Altersteilzeit wurden <strong>in</strong>zwischen<br />

drastisch verschlechtert, das Modell wird irgendwann <strong>in</strong><br />

der nahen Zukunft auslaufen, e<strong>in</strong> Teil der Kosten wurde<br />

durch den weitgehenden Wegfall der Altersermäßigung ab<br />

dem 55. Lebensjahr von den Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen des<br />

Landes erwirtschaftet. Deshalb sollten diese Ermäßigungsstunden<br />

spätestens beim Wegfall des Altersteilzeitmodells<br />

wieder e<strong>in</strong>geführt werden.<br />

Ausstattung der Schulen, Schulsozialarbeiter<br />

und -psychologen, Bibliothekare<br />

Die Verbandsspitze wurde <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler <strong>in</strong><br />

mehreren Anträgen beauftragt, darauf h<strong>in</strong>zuwirken, dass<br />

die Ausstattung der Gymnasien den veränderten Bed<strong>in</strong>gungen<br />

angepasst und Benachteiligungen gegenüber anderen<br />

Schularten beendet werden. Dazu zählen die Größe<br />

der Lehrerzimmer, die E<strong>in</strong>richtung von Arbeitszimmern<br />

für Funktionsträger und Besprechungszimmer für Gespräche<br />

mit den Eltern und Abstimmungsbesprechungen verschiedener<br />

Lehrergruppen.<br />

Schulsozialarbeiter und Schulpsychologen, deren E<strong>in</strong>bezug<br />

<strong>in</strong> die Schulen bei heterogener werdenden Schülergruppen<br />

immer notwendiger wird, sollen verstärkt <strong>in</strong> den<br />

Schulen e<strong>in</strong>gesetzt werden.<br />

Nicht nur Ganztagsschulen, sondern auch alle Gymnasien<br />

sollen fest angestellte Bibliothekare erhalten.<br />

Lernmittelfreiheit<br />

Die Landesregierung will ab dem nächsten Schuljahr die<br />

Lernmittelfreiheit weiterentwickeln. Dazu soll e<strong>in</strong> Ausleihsystem<br />

an den Schulen aufgebaut werden. Erfahrungen<br />

aus e<strong>in</strong>em ähnlichen Versuch vor rund zwei Jahrzehnten<br />

zeigen, dass die Hauptarbeit von den Lehrkräften an den<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 E I N Z E L A N T R ÄG E 31<br />

Schulen zu leisten war. Deshalb spricht sich die Vertreterversammlung<br />

für Lernmittelfreiheit mit e<strong>in</strong>em unbürokratischen<br />

Gutsche<strong>in</strong>system aus.<br />

3. Beamtenrecht und Besoldung,<br />

Angelegenheiten der Angestellten<br />

Besoldung, Beförderung<br />

Angesichts der sich immer weiter ause<strong>in</strong>ander entwickelnden<br />

Besoldung für Gymnasiallehrkräfte <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen<br />

Bundesländern forderte die Delegiertenversammlung <strong>in</strong><br />

Bad Neuenahr-Ahrweiler e<strong>in</strong>e Rückkehr zur bundese<strong>in</strong>heitlichen<br />

Besoldung. Schon der sich verstärkende Lehrermangel<br />

und Abwerbungstendenzen aus anderen Bundesländern<br />

machten dies erforderlich. Auch sei es anzustreben,<br />

dass im Rahmen der Neuordnung der Besoldungsstruktur<br />

Gymnasiallehrkräfte mit A 14 als E<strong>in</strong>gangsbesoldung<br />

verankert werden. Weiterh<strong>in</strong> kann die Attraktivität<br />

des Gymnasiallehrerberufes auch dadurch gesteigert werden,<br />

<strong>in</strong>dem die Zahl der Beförderungsstellen erheblich<br />

ausgeweitet wird.<br />

Teilzeitkräfte<br />

Bei den Verpflichtungen der Teilzeitkräfte s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />

Schulen immer noch Unstimmigkeiten festzustellen. Deshalb<br />

soll bei e<strong>in</strong>er Überarbeitung der entsprechenden Verwaltungsvorschrift<br />

(VV) vom März 1994 darauf geachtet<br />

werden, dass <strong>in</strong> dieser VV verlässliche und konkrete Aussagen<br />

über die Verpflichtung von Teilzeitlehrkräften gemacht<br />

werden.<br />

Angestellte<br />

Der <strong>Philologenverband</strong> wurde von den Delegierten aufgefordert,<br />

sich weiter dafür e<strong>in</strong>zusetzen, dass tarifbeschäftigte<br />

Lehrkräfte bezüglich ihrer Vergütung im Vergleich zu beamteten<br />

Kolleg<strong>in</strong>nen und Kollegen nicht benachteiligt werden.<br />

Arbeitszimmer<br />

Mehrere Anträge g<strong>in</strong>gen zur Absetzbarkeit des Arbeitszimmers<br />

e<strong>in</strong> und wurden positiv verabschiedet. Sie unterstützen<br />

die bislang schon erfolgten Maßnahmen des Verbandes<br />

und se<strong>in</strong>er Dachorganisationen zur völligen Wiederherstellung<br />

der früheren Absetzmöglichkeiten und fordern,<br />

dass die Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer<br />

zum<strong>in</strong>dest als Aufwandspauschale absetzbar se<strong>in</strong> sollten.<br />

4. Lehrerausbildung, Lehrerfortund<br />

-weiterbildung<br />

Gymnasiallehrerstudium, Referendariat<br />

und Fachleiter<br />

E<strong>in</strong> ganzer Antragsblock beschäftigte sich mit der neuen<br />

Lehrerbildung und den Folgen, wie sie auf die Schulen<br />

des Landes zukommen. Bei der Lehrerbildung halten die<br />

Heft 1/2010


32<br />

E I N Z E L A N T R ÄG E Vertreterversammlung 2009<br />

Delegierten e<strong>in</strong> volles akademisches Fachstudium der<br />

angehenden Gymnasiallehrkräfte vom ersten Semester<br />

an für unabd<strong>in</strong>gbar. Denn nur fundiertes Fachwissen<br />

kann auch <strong>in</strong> Zukunft Grundlage für guten Unterricht<br />

se<strong>in</strong>. Dazu ist auch die Zahl der Fachleiterstellen erheblich<br />

auszuweiten, denn auf diese Gruppe von Gymnasiallehrern<br />

kommt im Rahmen der Neuordnung der Lehrerbildung<br />

e<strong>in</strong> erheblicher Teil von Mehrbelastung zu, da<br />

deren Aufgaben stark ausgeweitet werden. Die Berufung<br />

von Lehrbeauftragten kann nur e<strong>in</strong>e Übergangslösung<br />

se<strong>in</strong>.<br />

In der Frage der Dauer des Referendariats werden achtzehn<br />

Monate als absolute Untergrenze für die Ausbildung<br />

<strong>in</strong> der zweiten Phase der Lehrerbildung angesehen. Mehrere<br />

Praktika, wie sie jetzt vorgesehen s<strong>in</strong>d, können auf<br />

ke<strong>in</strong>en Fall die ausfallende Zeit im Referendariat ersetzen.<br />

Denn hier fehlt unter anderem die notwendige Kont<strong>in</strong>uität<br />

<strong>in</strong> der pädagogischen Ausbildung.<br />

Lehrerfortbildung<br />

Die Delegierten aus den Gymnasien und den Integrierten<br />

Gesamtschulen bemängeln e<strong>in</strong>stimmig, dass das fachliche<br />

Fortbildungsangebot des staatlichen Instituts für Lehrerfortbildung<br />

immer weiter reduziert wird. Es wurde <strong>in</strong> Bad<br />

Neuenahr-Ahrweiler e<strong>in</strong> radikales Umdenken und e<strong>in</strong>e<br />

stärkere Ausweitung der fachlichen Fortbildungsangebote<br />

für alle Fächer gefordert.<br />

5. Verbandsarbeit<br />

Bei den Anträgen zur Verbandsarbeit g<strong>in</strong>g es vor allem um<br />

die Präsentation des Verbandes im Internet, die im Moment<br />

komplett überarbeitet wird, und um Überlegungen<br />

zur besseren Betreuung von E<strong>in</strong>zelgruppen im Gymnasiallehrerverband.<br />

6. Verschiedenes<br />

Unter der Rubrik Verschiedenes g<strong>in</strong>g es um die Umsetzung<br />

des Gerichtsurteils bezüglich der Arbeitsmittel für Lehrkräfte,<br />

die viel zu schleppend und restriktiv gehandhabt<br />

wird. Auch g<strong>in</strong>g es um die Sicherheit der K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> den<br />

Schulbussen. Hier wurde die hohe Anzahl von Stehplätzen<br />

<strong>in</strong> vielen Bussen kritisiert.<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 E H R U N G E N 33<br />

Ehrungen<br />

Max Laveuve<br />

Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß überbrachte<br />

den Dank und die Glückwünsche der<br />

Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris Ahnen und<br />

hatte neben e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en Geschenk<br />

auch e<strong>in</strong> paar lobende gereimte Zeilen<br />

auf den scheidenden Landesvorsitzenden<br />

mitgebracht.<br />

nem Beitritt zum Gymnasiallehrerverband<br />

übernahm er die Funktion<br />

des Stellvertretenden Bezirksvorsitzenden<br />

im Bezirksverband Kaiserslautern.<br />

Seit 1984 war er Mitglied<br />

des Geschäftsführenden Vorstandes,<br />

zunächst als Beisitzer für Bildung<br />

und von 1985 bis 1995 als<br />

Stellvertretender Landesvorsitzender.<br />

Im Jahre 1995 wählte ihn die<br />

Vertreterversammlung, die damals<br />

ebenfalls <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

stattfand, als Nachfolger von Hubert<br />

Schmitz zum Landesvorsitzenden<br />

des <strong>Philologenverband</strong>es.<br />

Nach vierzehn Jahren als Vorsitzender<br />

des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong> gab Max<br />

Laveuve bei der Vertreterversammlung<br />

<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

se<strong>in</strong> Amt ab. Die Delegierten dankten<br />

dem scheidenden Vorsitzenden<br />

mit e<strong>in</strong>em lang anhaltenden, stehenden<br />

Applaus. In Anerkennung se<strong>in</strong>er<br />

großen Verdienste wählte ihn die<br />

Delegiertenversammlung zum Ehrenvorsitzenden<br />

des Verbandes.<br />

Beruflich war Max Laveuve nach se<strong>in</strong>em<br />

Referendariat zunächst fünfzehn<br />

Jahre als Lehrer für Englisch<br />

und Geschichte am späteren He<strong>in</strong>rich-He<strong>in</strong>e-<strong>Gymnasium</strong><br />

<strong>in</strong> Kaiserslautern<br />

tätig. Von 1982 bis 2000 hatte<br />

er die Aufgabe des Regionalen Fachberaters<br />

für das Fach Englisch <strong>in</strong>ne.<br />

Im Jahre 1998 wechselte er zum Albert-Schweitzer-<strong>Gymnasium</strong><br />

<strong>in</strong> Kaiserslautern<br />

und wurde zum Leiter<br />

dieses <strong>Gymnasium</strong>s ernannt. Max<br />

Laveuve ist Mitherausgeber des<br />

zweibändigen Lehrerhandbuches<br />

»Schule <strong>in</strong> der Praxis«.<br />

Schon früh wurden die Führungsqualitäten<br />

von Max Laveuve erkannt,<br />

denn schon bald nach sei-<br />

Von 1976 bis 1988 war Max Laveuve<br />

als Vertreter des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Mitglied des Bezirkspersonalrates<br />

bei der damaligen Bezirksregierung<br />

Rhe<strong>in</strong>hessen-<strong>Pfalz</strong> <strong>in</strong> Neustadt<br />

an der We<strong>in</strong>straße. Nach den<br />

allgeme<strong>in</strong>en Personalratswahlen im<br />

Jahre 1988 wurde er zum Vorsitzenden<br />

des Hauptpersonalrates Gymnasien<br />

gewählt. Er war Vorsitzender<br />

dieses Gremiums von 1988 bis zum<br />

Jahr 2000, seither hat er dort die<br />

Funktion e<strong>in</strong>es Stellvertreters <strong>in</strong>ne.<br />

Ehrenmitgliedschaft für langjähriges Engagement<br />

Marie-Luise Prüm<br />

Marie-Luise Prüm (Mertesdorf) hatte über viele<br />

Jahre den Vorsitz im <strong>Philologenverband</strong>sbezirk<br />

Trier <strong>in</strong>ne und bekleidete ebenfalls über Jahre<br />

h<strong>in</strong>weg das Amt e<strong>in</strong>er stellvertretenden Vorsitzenden<br />

im Bezirkspersonalrat Gymnasien und<br />

Kollegs bei der ADD <strong>in</strong> Trier. In dieser Funktion<br />

war sie auch Leiter<strong>in</strong> der Geschäftsstelle des Bezirkspersonalrates.<br />

Heft 1/2010


34<br />

E H R U N G E N Vertreterversammlung 2009<br />

Gerhard Blüm<br />

Gerhard Blüm mit Gatt<strong>in</strong> und Malte Blümke<br />

lichkeit verbunden, aber immer mit<br />

sehr viel akribischer Detailarbeit.<br />

Absolute Vertrauenswürdigkeit ist<br />

dafür die unabd<strong>in</strong>gbare Voraussetzung.<br />

Diese Eigenschaften, die man<br />

heute so gerne Schlüsselqualifikationen<br />

nennt, hat Gerhard Blüm <strong>in</strong><br />

den vielen Jahren se<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satzes<br />

für den <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

stets bewiesen und zu<br />

dessen Wohl e<strong>in</strong>gesetzt. In aller<br />

Ruhe, sachlich, korrekt und unbestechlich<br />

und gleichzeitig absolut<br />

professionell und äußerst sparsam,<br />

ist er stets mit den Beiträgen der<br />

Mitglieder umgegangen, immer<br />

mit Blick auf sorgfältig geregelte<br />

F<strong>in</strong>anzen.<br />

Die große Zuverlässigkeit von Gerhard<br />

Blüm wird auch durch die Tatsache<br />

bestätigt, dass er für zwei<br />

Wahlperioden gewählter Kassenprüfer<br />

des Deutschen <strong>Philologenverband</strong>es<br />

war.<br />

Gerhard Blüm trat schon 1961<br />

als Referendar <strong>in</strong> den <strong>Philologenverband</strong><br />

e<strong>in</strong>. 1963 kam er<br />

nach Oppenheim an das heutige<br />

<strong>Gymnasium</strong> zu St. Kathar<strong>in</strong>en, wo er<br />

34 Jahre lang Mathematik und Physik<br />

unterrichtete und wo er auch im<br />

Juli 1997 aus dem Dienst ausschied.<br />

Schon im November 1969 wurde<br />

Gerhard Blüm Schatzmeister des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>, e<strong>in</strong><br />

Amt, das er bis zur Vertreterversammlung<br />

<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler im<br />

November 2009 – also vierzig Jahre<br />

!! – <strong>in</strong>ne hatte. Von Seiten des Verbandes<br />

s<strong>in</strong>d wir ihm deshalb zu sehr großem<br />

Dank verpflichtet. Seit Jahren<br />

wollte er immer wieder die Verantwortung<br />

für die Verbandsf<strong>in</strong>anzen <strong>in</strong><br />

andere Hände geben, immer wieder<br />

ist es uns aber gelungen, ihn zum<br />

Bleiben zu bewegen.<br />

<strong>Das</strong> Amt des Schatzmeisters ist bekanntlich<br />

nicht mit großer Öffent-<br />

Die Delegiertenversammlung dankte<br />

Gerhard Blüm <strong>in</strong> Bad Neuenahr-<br />

Ahrweiler mit stehendem, lang anhaltendem<br />

Beifall für die <strong>in</strong> vier<br />

Jahrzehnten geleistete Arbeit für<br />

den <strong>Philologenverband</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<br />

<strong>Pfalz</strong> und damit für das <strong>Gymnasium</strong>,<br />

se<strong>in</strong>e Lehrer<strong>in</strong>nen und Lehrer<br />

<strong>in</strong> unserem Bundesland und wählte<br />

ihn <strong>in</strong> Anerkennung se<strong>in</strong>er Verdienste<br />

zum Ehrenmitglied. Dank<br />

g<strong>in</strong>g auch an Frau Blüm, die das<br />

Engagement ihres Mannes immer<br />

mitgetragen und aktiv unterstützt<br />

hat.<br />

Ehrenmitgliedschaft für langjähriges Engagement<br />

Ursula Riedel<br />

Ursula Riedel (Eitelborn) engagierte sich über<br />

viele Jahre als Vorsitzende des Verbandsbezirkes<br />

Koblenz-Süd und war ebenfalls Mitglied im Bezirkspersonalrat<br />

bei der ADD <strong>in</strong> Trier. Bis zu ihrem<br />

Ausscheiden aus dem aktiven Dienst war sie zuletzt<br />

Vorsitzende dieses Gremiums.<br />

In Anerkennung ihrer Verdienste um den <strong>Philologenverband</strong><br />

und das <strong>Gymnasium</strong> und se<strong>in</strong>e Lehrkräfte<br />

wurden Marie-Luise Prüm und Ursula Riedel von der Vertreterversammlung<br />

<strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler zu Ehrenmitgliedern ernannt.<br />

Heft 1/2010


Vertreterversammlung 2009 P R E S S E M I T T E I LU N G 35<br />

Delegiertenversammlung des <strong>Philologenverband</strong>es<br />

Für e<strong>in</strong> differenziertes Schulsystem<br />

mit e<strong>in</strong>em starken <strong>Gymnasium</strong><br />

Malte Blümke zum neuen Vorsitzenden gewählt<br />

Die Bildungslandschaft <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong><br />

– aber auch <strong>in</strong> vielen<br />

anderen Ländern der Bundesrepublik<br />

– bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em zum<br />

Teil dramatischen Veränderungsprozess.<br />

Insbesondere die demografische<br />

Entwicklung wird zum Anlass genommen,<br />

um die Schullandschaft von<br />

Grund auf zu verändern. Rund 180<br />

Vertreter<strong>in</strong>nen und Vertreter aus allen<br />

rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Gymnasien,<br />

Kollegs, Gesamtschulen und Studiensem<strong>in</strong>aren<br />

für das Lehramt an Gymnasien<br />

haben <strong>in</strong> Bad Neuenahr zu aktuellen<br />

bildungs- und berufspolitischen<br />

Themen Stellung genommen.<br />

<strong>Das</strong> SWR-Fernsehen, Landesschau Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>,<br />

sendete am Abend der Festveranstaltung e<strong>in</strong>en Kurzbericht<br />

über die Veranstaltung <strong>in</strong> Bad Neuenahr-Ahrweiler<br />

Bei der öffentlichen Veranstaltung mit<br />

Vertretern der Landtagsparteien und<br />

Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß, <strong>in</strong> Vertretung<br />

von Bildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Doris Ahnen,<br />

forderte der neu gewählte Landesvorsitzende<br />

Malte Blümke den Erhalt<br />

des gegliederten Schulsystems <strong>in</strong><br />

Rhe<strong>in</strong>land-<strong>Pfalz</strong>. »Die Abschaffung der<br />

Realschule und deren Verb<strong>in</strong>dung mit<br />

der Hauptschule <strong>in</strong> der neuen Realschule<br />

plus löst nicht wirklich die Probleme<br />

der Hauptschüler«, erklärte der<br />

Vorsitzende. Zudem bedrohe die neue<br />

Lehrerbildung die Qualität des <strong>Gymnasium</strong>s.<br />

»Die neue Bachelor-/ Master-<br />

Struktur ist gescheitert«, so Malte<br />

Blümke und weiter: »Es wird höchste<br />

Zeit für die Rückkehr zu e<strong>in</strong>er fachwissenschaftlich<br />

fundierten vollen akademischen<br />

Bildung für die Gymnasiallehrer<br />

vom ersten Semester an.«<br />

Staatssekretär<strong>in</strong> Vera Reiß wies <strong>in</strong> ihrem<br />

Grußwort unter anderem die Befürchtung<br />

zurück, dass durch die E<strong>in</strong>führung<br />

der Realschule plus das <strong>Gymnasium</strong><br />

e<strong>in</strong>em verstärkten Druck ausgesetzt<br />

werde. »Der Ansturm auf das<br />

<strong>Gymnasium</strong> ist laut neuester Statistik<br />

ausgeblieben«, so die Staatssekretär<strong>in</strong>.<br />

Auch die <strong>in</strong>ternationalen Vergleichsergebnisse<br />

bestätigten den Erfolg der<br />

rhe<strong>in</strong>land-pfälzischen Gymnasien,<br />

denn sie hätten überall vordere Plätze<br />

belegt. Deshalb stehe der Erfolg der<br />

Gymnasien bei der Landesregierung<br />

außer Zweifel.<br />

In se<strong>in</strong>em oft mit viel Beifall unterbrochenen<br />

Festvortrag analysierte der<br />

Präsident des Deutschen Lehrerverbandes<br />

Josef Kraus Fehlentwicklungen<br />

des deutschen Bildungssystems.<br />

Schulen und Universitäten seien heute<br />

zum Beispiel e<strong>in</strong>er Flut von zweifelhaften<br />

Testverfahren ausgesetzt. Anstelle<br />

der Persönlichkeitsbildung gehe<br />

es oft um <strong>in</strong>haltliche Beliebigkeit, e<strong>in</strong>e<br />

schier planwirtschaftliche Steigerung<br />

der Abschlussquoten und wirtschaftliche<br />

Effizienz der Bildungsstätten.<br />

Dem gelte es entgegenzusteuern,<br />

denn schließlich sei das <strong>Gymnasium</strong><br />

mit se<strong>in</strong>er langen Tradition und se<strong>in</strong>en<br />

Vergleichswerten die erfolgreichste<br />

Schulform der Welt. Kraus forderte<br />

unter anderem die Vermittlung von<br />

umfassendem Allgeme<strong>in</strong>wissen und<br />

e<strong>in</strong>e Renaissance des konkreten Wissens.<br />

»Denn wer nichts weiß, der<br />

muss alles glauben«, so der Festredner.<br />

Bei den Vorstandswahlen im Rahmen<br />

der Vertreterversammlung gab der<br />

langjährige Vorsitzende Max Laveuve<br />

(Kaiserslautern) se<strong>in</strong> Amt ab. Er hatte<br />

den Verband über vierzehn Jahre<br />

sehr erfolgreich geführt und wurde<br />

wegen se<strong>in</strong>er großen Verdienste zum<br />

Ehrenvorsitzenden gewählt. Malte<br />

Blümke (Trier) wurde <strong>in</strong> geheimer<br />

Wahl mit 92,5 Prozent der Stimmen<br />

zum Nachfolger gewählt. Auch die übrigen<br />

Vorstandsmitglieder wurden mit<br />

überwältigender Mehrheit mit ihren<br />

Aufgaben für die nächsten zwei Jahre<br />

betraut: Elvire Kuhn (Schifferstadt) als<br />

stellvertretende Vorsitzende, Heike<br />

Mohr-Mumbauer (Traben-Trarbach)<br />

als Referent<strong>in</strong> für Bildungsfragen, Dagmar<br />

L<strong>in</strong>nert (Landau) für Frauenfragen,<br />

Gerd Peifer (Simmern) für<br />

Rechtsfragen, Josef Zeimentz (Nieder-<br />

Olm) für Öffentlichkeitsarbeit und Ralf<br />

Hoffmann (Bendorf) für die Jungen<br />

Philologen.<br />

Josef Zeimentz,<br />

Pressereferent<br />

Heft 1/2010

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