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Wasser auf dem Globus - ACK-NRW

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© Dr. Michael Kappes, <strong>ACK</strong>–<strong>NRW</strong>, Münster 2011<br />

Michael Kappes (Hg.)<br />

<strong>Wasser</strong> –<br />

Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

Materialien zur Gestaltung des<br />

Schöpfungstages und der Schöpfungszeit<br />

2011<br />

(1. September bis 4. Oktober)<br />

(Themenheft 1)<br />

Eine Arbeitshilfe der


Herausgeber:<br />

Dr. theol. Michael Kappes ist Leiter der Fachstelle Theologische Grundfragen und Ökumene in der Diözese<br />

Münster, Lehrbe<strong>auf</strong>tragter für Systematische Theologie an der Bergischen Universität Wuppertal,<br />

Geschäftsführer der Bistumskommission für ökumenische Fragen und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft<br />

Christlicher Kirchen in Nordrhein-Westfalen (<strong>ACK</strong>-<strong>NRW</strong>).


Inhalt<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung 5<br />

2. Themenschwerpunkt 2011: <strong>Wasser</strong> – lebenswichtig – bedrohlich – bedroht!<br />

– eine Problemanzeige (Lukas Vischer) 7<br />

3. Theologische Grundlagen 12<br />

3.1 Bibeltheologische Grundlegung:<br />

„Du kannst das Angesicht der Erde erneuern“(Ps 104,30).<br />

Das Schöpfungslob des 104. Psalms als Ruf zur ökologischen Umkehr<br />

(Erich Zenger) 12<br />

3.2 Christliches Ursymbol <strong>Wasser</strong> 22<br />

3.2.1 Was bedeutet „Symbol“/„symbolisieren? 22<br />

3.2.2 Die <strong>Wasser</strong>symbolik des Alten Testaments 23<br />

3.2.3 Die <strong>Wasser</strong>symbolik des Neuen Testaments 23<br />

3.2.4 Die <strong>Wasser</strong>symbolik in kirchlichen Vollzügen – T<strong>auf</strong>e 23<br />

3.3 Die Bedeutung des <strong>Wasser</strong>s in verschiedenen Religionen 24<br />

4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – Die Bedeutung des <strong>Wasser</strong>s im Licht der Riten und<br />

gottesdienstlichen Feiern der verschiedenen Konfessionen 27<br />

4.1 Osterwasser – T<strong>auf</strong>e – Christwerden als Sterben und Auferstehen mit Christus 27<br />

4.2 Fußwaschung – Christsein ist Dienst am Nächsten 29<br />

4.3 <strong>Wasser</strong> des Lebens – <strong>Wasser</strong> zum Leben 30<br />

4.4 <strong>Wasser</strong>weihe – Theophanie – Hochfest der Orthodoxen Kirche 33<br />

4.5 T<strong>auf</strong>e des Herrn 35<br />

5. Ökumenische Gottesdienstmodelle und liturgische<br />

Gestaltungselemente 37<br />

5.1 Modell eines Ökumenischen T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienstes 37<br />

5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „<strong>Wasser</strong>" 45<br />

5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper 49<br />

5.4 Liturgische Gestaltungselemente 58<br />

5.4.1 Gebete 58<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

3


Inhalt<br />

5.4.2 Lobpreis 59<br />

5.4.3 Schrifttexte 60<br />

5.4.4 Lieder 61<br />

5.4.5 Texte zur Besinnung 64<br />

5.4.6 Meditationen zu zentralen Bibeltexten 71<br />

5.4.7 Predigtanregungen 75<br />

5.4.8 Aktionsformen 77<br />

6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit<br />

4<br />

zum Schwerpunkthema <strong>Wasser</strong> 80<br />

6.1 <strong>Wasser</strong> – ein Lebenselement –was jeder für den Erhalt tun kann 80<br />

6.2 <strong>Wasser</strong>verbrauch weltweit und zuhause 85<br />

6.3 Hätten Sie’s gewusst? Fakten zum <strong>Wasser</strong> und seiner Bedrohung<br />

<strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Globus</strong> 86<br />

7. Anhang 88<br />

7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum <strong>Wasser</strong> als Quelle des Lebens 88<br />

7.2 Hinweise <strong>auf</strong> weitere Materialien zum Thema 93<br />

7.3 „<strong>Wasser</strong>“ – Links zu weltweiten Hilfsprojekten 95<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


1. Einleitung<br />

1. Einleitung<br />

„<strong>Wasser</strong>– Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens“ ist eine Arbeitshilfe für die Gestaltung des<br />

ökumenischen „Tages der Schöpfung“ bzw. der „Schöpfungszeit“ im Jahr 2011 mit <strong>dem</strong><br />

Schwerpunkthema „<strong>Wasser</strong>“.<br />

Sie ergänzt mit diesem thematischen Focus die von der <strong>ACK</strong>–<strong>NRW</strong> bereits im Jahr 2010 zum<br />

Schöpfungstag vorgelegte Arbeitshilfe „Gottes Schöpfung feiern und bewahren“ 1 . [download<br />

unter: http://www.ack-nrw.de/downloads/2010/Arbeitshilfe_Schoepfungstag.pdf]<br />

Die Anregung, im Kirchenjahr einen Tag für die Schöpfung einzuführen, verdankt die Öku-<br />

mene der Orthodoxen Kirche. 1989 ist der „Schöpfungstag“ vom damaligen Ökumenischen<br />

Patriarchen, Dimitrios I., in den liturgischen Kalender der Kirche von Konstantinopel einge-<br />

fügt worden. Der Patriarch lud damals die ganze „orthodoxe und christliche Welt“ ein, jeweils<br />

am 1. September „zum Schöpfer der Welt zu beten: mit Dankgebeten für die große Gabe der<br />

geschaffenen Welt und mit Bittgebeten für ihren Schutz und für ihre Erlösung.“<br />

Diese orthodoxe Initiative wurde <strong>auf</strong> der Zweiten Europäischen Ökumenischen Versammlung<br />

in Graz (1997) nochmals in Form einer Empfehlung <strong>auf</strong>genommen und in der von den Kir-<br />

chen Europas 2001 unterzeichneten „Charta Oecumenica“ als Leitlinie 9 bekräftigt: „Wir<br />

empfehlen, einen ökumenischen Tag des Gebets für die Bewahrung der Schöpfung in den<br />

europäischen Kirchen einzuführen.“ Einen Schritt zu größerer Verbindlichkeit und Konkreti-<br />

sierung brachte schließlich die Empfehlung der Dritten Europäischen Ökumenischen Ver-<br />

sammlung im rumänischen Sibiu/Hermannstadt, die sich für einen bestimmten Zeitraum (1.<br />

September bis 4. Oktober) – beginnend mit <strong>dem</strong> orthodoxen Schöpfungstag über das Ernte-<br />

dankfest bis hin zum Gedenktag des Hl. Franz von Assisi – aussprach.<br />

Dieser eindringliche Appell von Sibiu wurde von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kir-<br />

chen in Deutschland (<strong>ACK</strong>) <strong>auf</strong>genommen und <strong>auf</strong> der Mitgliederversammlung im Oktober<br />

2009 der Beschluss gefasst, künftig in Deutschland einen ökumenischen Tag der Schöpfung<br />

zu feiern:<br />

1. „Die inhaltliche Grundlage des Tags der Schöpfung ergibt sich aus der ‚Brühler Empfehlung’:<br />

Lobpreis des Schöpfers, Umkehr wegen des menschlichen Vergehens an der<br />

Schöpfung und das Einüben konkreter Schritte (‚Schule des Mit-Leidens’).<br />

2. Als Termin für die Feier des ökumenischen Tags der Schöpfung <strong>auf</strong> Bundesebene wird<br />

der erste Freitag im September eines jeden Jahres festgelegt.<br />

3. Die Feier des Tags der Schöpfung in den Gemeinden kann lokalen und regionalen Besonderheiten<br />

angepasst werden. Die in einigen regionalen <strong>ACK</strong>s (z. B. Baden-<br />

Württemberg und Niedersachsen) und in Ortsgemeinden bereits geübte Praxis zeigt vielfältige<br />

Möglichkeiten, wie dies geschehen kann: beispielsweise mit einem jährlichen<br />

1 Michael Kappes (Hg.) Gottes Schöpfung feiern und bewahren. Materialien zur Gestaltung des Schöpfungstages<br />

und der Schöpfungszeit 1. September bis 4. Oktober (Grundlagenheft), Münster 2010, 2. Aufl. 2011.<br />

Bezugsadresse: Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Nordrhein–Westfalen, Domplatz 27, 48143<br />

Münster; Tel: 0251 / 495–319; Fax 0251 / 495–6159; e–mail: info@ack–nrw.de<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

5


6<br />

1. Einleitung<br />

Leitwort, einer ausdrücklichen Vergewisserung des gemeinsamen Glaubens an Gott, den<br />

Schöpfer, und mit einem Gottesdienst an einem festen Tag innerhalb des Zeitraums zwischen<br />

<strong>dem</strong> 1. September und <strong>dem</strong> 4. Oktober.“ (Erklärung vom 19. Januar 2010)<br />

Auf <strong>dem</strong> 2. Ökumenischen Kirchentag in München wurde die Einführung dieses Schöpfungs-<br />

tages im Rahmen der zentralen ökumenischen Feier zu Christi Himmelfahrt (13. Mai 2010)<br />

feierlich proklamiert. Der Vorsitzende der <strong>ACK</strong>, Landesbischof Friedrich Weber, führte dazu<br />

in seiner Predigt aus: „Dass die Schöpfung Gottes einen Platz im Kirchen- und Gottesdienst-<br />

kalender bekommt, ist ein erster konkreter Schritt. Nicht einfach so, sondern weil Schöp-<br />

fungsverantwortung eine Grund<strong>auf</strong>gabe der Kirchen ist, weil Lob Gottes und die Klage über<br />

unsere Lage zusammengehören.<br />

‚Nach mir die Sintflut’ geht nicht mehr. Darum lasst Euch bewegen von Gottes Energie, die in<br />

der Schöpfung und in uns lebt. Lasst nicht ab von der Hoffnung für alle Kreatur und lasst,<br />

was Euch bewegt, zur Tat werden.“<br />

Zu diesem Tun möchte dieses Materialheft ermutigen und eine Unterstützung bieten. Es rich-<br />

tet sich an Christinnen und Christen aller Konfessionen, die in Arbeitsgemeinschaften Christ-<br />

licher Kirchen oder in den Gemeinden vor Ort Verantwortung für die ökumenische Arbeit<br />

tragen.<br />

Die Broschüre enthält neben einer theologischen Grundlegung zum Schwerpunkthema „Was-<br />

ser“ und dessen Vertiefung durch einen Blick <strong>auf</strong> den liturgischen Gebrauch des <strong>Wasser</strong>s in<br />

den Konfessionen verschiedene Gottesdienstmodelle zur Gestaltung des Schöpfungsta-<br />

ges/Schöpfungszeit sowie eine Reihe ergänzender liturgischer Gestaltungselemente. Darüber<br />

hinaus bietet sie praktische Anregungen für den Einzelnen und für Gemeinden, wie sie ihre<br />

Schöpfungsverantwortung durch einen der Schöpfungsgabe Gottes gerecht werdenden Um-<br />

gang mit <strong>Wasser</strong> konkret werden lassen können. Ein Anhang mit zentralen Aussagen der Kir-<br />

chen zum Thema sowie Hinweise <strong>auf</strong> weitere Materialien und hilfreiche Adressen beschließt<br />

die Arbeitshilfe.<br />

Danken möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich Frau Bettina Fleige, ohne deren engagierte<br />

Mitarbeit im Sekretariat bei der Erfassung und Zusammenstellung der Materialien die schnel-<br />

le Fertigstellung dieser Arbeitshilfe nicht möglich gewesen wäre.<br />

Ich wünsche allen LeserInnen und Lesern wiederum viele Freude und Kreativität bei der ei-<br />

genen Umsetzung der Anregungen dieser Handreichung.<br />

Michael Kappes<br />

Vorsitzender der <strong>ACK</strong>–<strong>NRW</strong><br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


2. Themenschwerpunkt 2011: <strong>Wasser</strong> – lebenswichtig – bedrohlich – bedroht!<br />

2. Themenschwerpunkt 2011: <strong>Wasser</strong> – lebenswichtig – bedrohlich – bedroht!<br />

– eine Problemanzeige<br />

<strong>Wasser</strong> – Die wichtigste Ressource der Menschheit 2<br />

<strong>Wasser</strong>versorgung bis 2025 für zwei Drittel der Weltbevölkerung gefährdet!<br />

„1,1 Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser, 2,5 Milliarden haben keinen<br />

Zugang zu sanitären Einrichtungen und 5 Millionen sterben jährlich an Krankheiten, die<br />

durch verschmutztes <strong>Wasser</strong> ausgelöst wurden. Bis 2025 werden zwei Drittel der Weltbevöl-<br />

kerung in Ländern leben, in denen es nur eine mäßige bis schlechte <strong>Wasser</strong>versorgung geben<br />

wird.“ Ohnmacht gegenüber diesen Erwartungen auch im Statement des UN Generalsekretärs<br />

am World Water Day 2002.<br />

<strong>Wasser</strong> ist die Voraussetzung für Leben. Wenn die gegenwärtigen Entwicklungen un<strong>auf</strong>halt-<br />

sam weitergehen, werden sogar noch größere Teile der Weltbevölkerung an <strong>Wasser</strong>mangel<br />

leiden. Das Ausmaß der Katastrophe erweckt in uns ein Gefühl der Hilflosigkeit. Gibt es ü-<br />

berhaupt Lösungen? Ist es möglich, die Bedrohung abzuwenden?<br />

Neue Herausforderungen für die Christen – Erkennen des Ausmaßes der Bedrohung eines<br />

Gottesgeschenkes<br />

Für Christen hat <strong>Wasser</strong> auch eine tiefe spirituelle Bedeutung, denn es ist ein Geschenk Got-<br />

tes und gleichzeitig die Grundvoraussetzung des Lebens. Dies spiegelt sich sowohl im Got-<br />

tesdienst als auch in den theologischen und liturgischen Traditionen der Kirchen wider. Was-<br />

ser dient als Symbol in christlichen Feiern und Ritualen. Auf verschiedene Weisen unter-<br />

streicht die christliche Tradition die Bedeutung und die Heiligkeit des kostbaren Gutes. Wenn<br />

wir nun diese Traditionen wieder <strong>auf</strong>leben lassen, werden wir aber auch an die Gefahren erin-<br />

nert, die aus der reduzierten Verfügbarkeit und <strong>dem</strong> Qualitätsverlust durch Verschmutzung<br />

resultieren.<br />

<strong>Wasser</strong>nutzung – <strong>Wasser</strong>übernutzung<br />

Es gab schon immer Länder, in denen <strong>Wasser</strong> leichter verfügbar war, beziehungsweise solche,<br />

wo es schwer zu finden war. Zum Beispiel wasserreiche Länder wie die USA nutzen allein 65<br />

Prozent des verfügbaren <strong>Wasser</strong>s für die Industrie und Kraftwerke, während 27 Prozent der<br />

Landwirtschaft zukommen und 8 Prozent als Trinkwasser verbraucht, beziehungsweise für<br />

2 Lukas Vischer, <strong>Wasser</strong> – Die wichtigste Ressource der Menschheit, in: Zeit der Schöpfung. Dossier zur<br />

Schöpfungszeit 2010 (ECEN), hrsg. von Isolde Schönstein/ARGE Schöpfungsverantwortung, Wien 2010, S.<br />

25–27.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

7


2. Themenschwerpunkt 2011: <strong>Wasser</strong> – lebenswichtig – bedrohlich – bedroht!<br />

sanitäre Zwecke verwendet werden. In Gegensatz dazu werden in Asien nur 8 Prozent des<br />

<strong>Wasser</strong>s für die Industrie genutzt, während 86 Prozent der Landwirtschaft dienen.<br />

Eine begrenzte Ressource<br />

Die Verfügbarkeit von Frischwasser ist während der letzten Jahrzehnte stark zurückgegangen,<br />

besonders in Afrika und Asien. Tatsächlich leiden 505 Millionen Menschen in 31 Ländern<br />

unter <strong>Wasser</strong>knappheit. Wenn gegenwärtige Trends weitergehen, könnte die Zahl bis 2025<br />

<strong>auf</strong> 2,4 bis 3,2 Milliarden Menschen steigen, wodurch auch die Gesundheit der Bevölkerung,<br />

die ökonomische Entwicklung, die Nahrungsmittelproduktion und die Ökosysteme leiden.<br />

Was sind die Gründe für diesen Rückgang?<br />

Auf der einen Seite nimmt der <strong>Wasser</strong>entzug durch den Menschen stetig zu. Auf der anderen<br />

Seite nimmt die Verfügbarkeit von Frischwasser in vielen Teilen der Welt ständig ab. Welt-<br />

weit gesehen wird auch in Zukunft mehr <strong>Wasser</strong> entnommen werden. Zwischen 1900 und<br />

1975 sind die <strong>Wasser</strong>verbrauchszahlen der USA um das Zehnfache gestiegen, während die<br />

Bevölkerung nur um das Vierfache gewachsen ist. Generell verbrauchen Menschen 54 Pro-<br />

zent allen verfügbaren Frischwassers in Flüssen, Seen und Grundwasservorräten. Durch den<br />

Bevölkerungszuwachs könnte der Verbrauch bis 2025 sogar <strong>auf</strong> 70 Prozent steigen. Wenn die<br />

weltweite <strong>Wasser</strong>nutzung weiterhin zunimmt, werden die Menschen innerhalb von 30 Jahren<br />

90 Prozent allen verfügbaren Frischwassers nutzen. Die Hauptgründe für diesen gesteigerten<br />

<strong>Wasser</strong>bedarf sind industrielle Produktion, intensive Landwirtschaft, der Lebensstil der Kon-<br />

sumgesellschaft und das Bevölkerungswachstum. Bezüglich der verminderten Verfügbarkeit<br />

von <strong>Wasser</strong> sind folgende Faktoren von besonderer Bedeutung:<br />

Klimawandel – Mit den Veränderungen am Klima wird sich auch der <strong>Wasser</strong>kreisl<strong>auf</strong> unwei-<br />

gerlich verändern. In nördlichen Gebieten und in Flussbetten, die von der Schneeschmelze<br />

abhängen, können Überflutungen sich häufen. Ein Temperaturanstieg führt auch zu einem<br />

Anstieg der Evapotranspiration (= Summe der Verdunstung von <strong>Wasser</strong> aus der Tier– und<br />

Pflanzenwelt sowie der Bodenoberfläche) – <strong>Wasser</strong> evaporiert von der Oberfläche und von<br />

Pflanzen. In weiterer Folge wären sogar Gegenden mit hohen Niederschlägen <strong>auf</strong> Grund der<br />

gesteigerten Evaporation von einer Reduktion des <strong>Wasser</strong>reservoirs betroffen. Die Häufigkeit<br />

und Schwere von Dürren werden in vielen Gegenden zunehmen, als Folge von Änderungen in<br />

der Gesamtregenmenge, was zu höheren Ernteverlusten und gesteigertem <strong>Wasser</strong>verbrauch in<br />

der Landwirtschaft führt. Während Klimaforscher in der Vergangenheit vorsichtig mit<br />

Schlussfolgerungen waren, ist es nun bereits eine unbestreitbare Tatsache, dass der Klima-<br />

wandel existiert – und dass er von menschlicher Aktivität induziert wird.<br />

Rodungen sind ein weiterer Störfaktor. Wenn Wälder geschlägert werden, ändert sich der<br />

<strong>Wasser</strong>kreisl<strong>auf</strong>; der Boden hält das <strong>Wasser</strong> nicht länger zurück, Quellen verschwinden,<br />

Erosion nimmt zu. Dies gilt besonders für Berggegenden: Das <strong>Wasser</strong> rinnt schneller in die<br />

Ebenen, was die Gefahr von Überflutungen erhöht.<br />

8<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


2. Themenschwerpunkt 2011: <strong>Wasser</strong> – lebenswichtig – bedrohlich – bedroht!<br />

Müll und Umweltgifte verringern die Menge des verfügbaren <strong>Wasser</strong>s. Menschliche Abfälle,<br />

ob von der Industrie oder von Haushalten stammend, gelangen ins Grundwasser, oder brau-<br />

chen <strong>Wasser</strong> um entsorgt zu werden. Die Ablagerungen von Kunstdüngern aus der Landwirt-<br />

schaft verschmutzen Flüsse, Seen und Grundwasserreserven. Oft sind die Schäden durch Ver-<br />

schmutzung praktisch irreversibel oder erfordern hohen technischen und damit finanziellen<br />

Aufwand.<br />

Schlechtes Management führt zu einem Verlust großer Mengen von <strong>Wasser</strong>. <strong>Wasser</strong> ist übli-<br />

cherweise nicht dort verfügbar, wo es am meisten gebraucht wird. Dämme und Speichervor-<br />

richtungen sind notwendig. Leitungen müssen gebaut werden, um das <strong>Wasser</strong> an entfernte<br />

Stellen zu bringen. Sich ändernde Bedingungen, wie der Klimawandel, bedingen auch eine<br />

ständige Anpassung dieser Infrastruktur. Schnell wachsende urbane Zentren bringen besonde-<br />

re Probleme im <strong>Wasser</strong>management mit sich.<br />

Die Auswirkungen der <strong>Wasser</strong>knappheit<br />

Es ist wichtig zu betonen, dass die zunehmende Beanspruchung von <strong>Wasser</strong>ressourcen im<br />

Zusammenhang mit einer generellen ökologischen Krise steht. Die echte Bedrohung besteht<br />

in der Tatsache, dass eine große Bandbreite ökologischer Probleme gleichzeitig behandelt<br />

werden muss. <strong>Wasser</strong>mangel kann daher nicht allein betrachtet werden in diesem Zusammen-<br />

hang. Ebenso müssen Maßnahmen das gesamte Zusammenspiel berücksichtigen. Es ist keine<br />

Übertreibung zu behaupten, dass die <strong>Wasser</strong>krise allgegenwärtig ist. Welches ökologische<br />

Problem man auch immer näher betrachtet, es hängt stets <strong>auf</strong> die eine oder andere Weise mit<br />

<strong>Wasser</strong> zusammen.<br />

Maßnahmen<br />

Welche Maßnahmen können ergriffen werden in dieser <strong>Wasser</strong>krise? Viele Maßnahmen sind<br />

in der Lage die Verfügbarkeit von <strong>Wasser</strong> zu verbessern. Die Effektivität dieser Maßnahmen<br />

kann verbessert werden durch:<br />

• Steigerung der Speichermenge von <strong>Wasser</strong><br />

• Reduktion des <strong>Wasser</strong>verbrauchs in der Industrie durch<br />

verbesserte Technologien<br />

• Entwicklung effizienter Methoden der <strong>Wasser</strong>nutzung in<br />

der Landwirtschaft und durch eine verminderte Nutzung<br />

von künstlicher Bewässerung<br />

• Eine Verbesserung der Installationen im Bereich der<br />

<strong>Wasser</strong>speicherung und Weiterleitung<br />

• Verminderung der <strong>Wasser</strong>verschmutzung und Wieder<strong>auf</strong>bereitung<br />

von verschmutztem <strong>Wasser</strong>.<br />

Es ist essentiell, <strong>Wasser</strong> als knappe Ressource zu betrachten und den Verbrauch so gering wie<br />

möglich zu halten. Selbst dort, wo <strong>Wasser</strong> in großen Mengen verfügbar ist, muss eine Ver-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

9


2. Themenschwerpunkt 2011: <strong>Wasser</strong> – lebenswichtig – bedrohlich – bedroht!<br />

schwendung verhindert werden. Die Menge des <strong>Wasser</strong>verbrauchs in den Industriestaaten<br />

muss weiter reduziert werden.<br />

Um der <strong>Wasser</strong>krise effektiv entgegenzutreten, müssen auch weiterführende Themen behan-<br />

delt werden, wie:<br />

Globale Erwärmung (um das Ausmaß des Klimawandels<br />

gering zu halten und den <strong>Wasser</strong>kreisl<strong>auf</strong> <strong>auf</strong>rechtzuerhalten)<br />

Energieproduktion und Energieverbrauch. Im Vergleich zu Energie, die aus fossilen Brenn-<br />

stoffen oder Kernspaltung gewonnen wird, gilt die Energie aus <strong>Wasser</strong>kraft gemeinhin als<br />

sauber. Tatsächlich jedoch birgt jede Form der Energiegewinnung Risiken. Die Konstruktion<br />

von Staumauern fordert einen hohen ökologischen Preis. Energie zu sparen hilft daher auch<br />

<strong>Wasser</strong> zu schützen.<br />

Schutz der Wälder und Wieder<strong>auf</strong>forstung, besonders in Gebirgsgegenden. Wälder dienen<br />

nicht nur als CO2-Speicher, sondern schützen auch die <strong>Wasser</strong>ressourcen. Die <strong>Wasser</strong>krise<br />

erfordert eine gemeinsame Antwort. Sie betrifft alle Schichten der Gesellschaft, von den loka-<br />

len Gemeinschaften bis <strong>auf</strong> nationale und internationale Ebenen. Um die Teilnahme der Men-<br />

schen sicher zu stellen, sind lokale Aktionen notwendig. Doch ist es wichtig zu erkennen, dass<br />

die Probleme nur in überregionalem Maßstab wirksam bekämpft werden können. Kooperatio-<br />

nen unter den Gemeinschaften sind daher erforderlich. In vielen Fällen jedoch kann eine Lö-<br />

sung durch internationale Zusammenarbeit gefunden werden. Diese internationale Zusam-<br />

menarbeit kann am effizientesten über ein Netzwerk erfolgen. Die finanziellen Bedürfnisse<br />

dafür sind enorm. Effektive Maßnahmen können daher nur von nationalen Regierungen und<br />

internationalen Gemeinschaften beschlossen werden, welche die <strong>Wasser</strong>krise als höchst prio-<br />

ritär einstufen und es <strong>dem</strong>entsprechend bei der Verteilung ihrer Budgets berücksichtigen. Na-<br />

türlich erfordert das Vorhaben auch internationale Solidarität. Große Summen müssen für<br />

ärmere Länder verfügbar gemacht werden, um die Kosten der notwendigen Maßnahmen zu<br />

decken.<br />

Die Stellung der Kirchen<br />

Das Thema ist von besonderer Bedeutung für die Gläubigen der Kirchen. Wenn die Existenz<br />

von Lebewesen <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Spiel steht, haben sie keine andere Wahl, als der <strong>Wasser</strong>krise entge-<br />

genzutreten und Stellung zu nehmen.<br />

a) Bewusstseinsbildung<br />

Kirchen sollen die einzigartige Rolle des <strong>Wasser</strong>s für alle Lebewesen hervorheben. Christen<br />

sehen <strong>Wasser</strong> als Geschenk Gottes an. <strong>Wasser</strong> ist ein Symbol des Lebens und ein Symbol von<br />

Gottes Gnade. <strong>Wasser</strong> stellt daher mehr als nur ein nutzbares Gut dar. <strong>Wasser</strong> verdient Re-<br />

spekt und Schutz. Die Kirchen müssen <strong>Wasser</strong> als Leben spendendes Geschenk schätzen ler-<br />

nen. Es ist selbstverständlich, dass Gottes Geschenk der gesamten Schöpfung zugedacht ist.<br />

Gemäß der zweiten Schöpfungsgeschichte fließt das <strong>Wasser</strong> aus Gottes Paradies über die<br />

ganze Erde. Das paradiesische Geschenk ist für alle Lebewesen; und Jesus sagte uns, dass<br />

Gott den Regen für alle Gerechten und auch Ungerechten schickt. <strong>Wasser</strong> gilt daher als ge-<br />

10<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


2. Themenschwerpunkt 2011: <strong>Wasser</strong> – lebenswichtig – bedrohlich – bedroht!<br />

meinschaftliches Gut. Die erste Aufgabe der Christen besteht daher darin, sich und ihre Mit-<br />

menschen des wahren Wertes von <strong>Wasser</strong> zu erinnern. <strong>Wasser</strong> kann Inhalt von Meditation<br />

und Predigt sein. Es verdient einen Platz im Dienst an Gott. Der heilige Franziskus nannte<br />

<strong>Wasser</strong> zu Recht „unsere Schwester“ – nicht ein Objekt, sondern ein lebensspendendes We-<br />

sen. Bewusstseinsbildung muss gleichzeitig auch eine nachhaltige Bewusstwerdung der ge-<br />

genwärtigen Situation sein. Warum sprechen wir von einer „<strong>Wasser</strong>krise“? Was sind ihre<br />

Wurzeln? Christen müssen es schaffen sich der tatsächlichen Krise bewusst zu werden und<br />

dürfen ihre Gefahren keinesfalls übersehen oder herabsetzen. Die Thematik muss in ihrer vol-<br />

len Komplexität betrachtet werden.<br />

b) Teilnahme an öffentlichen Debatten und Aktionen<br />

Da <strong>Wasser</strong> für das Leben essentiell ist, haben die Kirchen die Pflicht sich in der gegenwärti-<br />

gen Debatte über angemessenes <strong>Wasser</strong>management zu beteiligen. Es sind fundamentale ethi-<br />

sche Entscheidungen zu treffen und nur eine volle Teilnahme an der öffentlichen Diskussion<br />

darf für die Kirchen in Betracht kommen. Eine Teilnahme ist essentiell <strong>auf</strong> allen Ebenen –<br />

lokal, national, regional und international. Es müssen Wege gefunden werden, um die Ausar-<br />

beitung internationaler Abkommen in Zusammenarbeit zu ermöglichen. Aus diesem Grund<br />

sollten Kirchen mit NGOs zusammenarbeiten, die sich intensiv mit der Thematik der <strong>Wasser</strong>-<br />

krise auseinander setzen, um aus deren Erfahrungen zu profitieren. In vielen Gegenden kön-<br />

nen Lösungen nur <strong>auf</strong> regionaler Ebene erzielt werden. Da Kirchen üblicherweise nationale<br />

Grenzen überschreiten, können sie als wichtige Vermittler in Prozessen der regionalen Zu-<br />

sammenarbeit dienen. Ein Hauptaugenmerk muss darin liegen, die Menschen zur Teilnahme<br />

an einem effizienten <strong>Wasser</strong>management zu bewegen.<br />

c) Lebensstil<br />

Um Glaubwürdigkeit zu wahren, müssen die Kirchen, sowohl <strong>auf</strong> persönlicher als auch <strong>auf</strong><br />

gemeinschaftlicher Ebene, einen Lebensstil vorleben, in welchem sich Respekt und Verant-<br />

wortung gegenüber <strong>dem</strong> Geschenk des <strong>Wasser</strong>s spiegeln. Christen müssen der exzessiven<br />

<strong>Wasser</strong>nutzung widerstehen und unnötige Verschmutzungen vermeiden. Sie sollten zugunsten<br />

der Verfügbarkeit des <strong>Wasser</strong>s an allen „indirekten“ Maßnahmen teilnehmen die eine Steige-<br />

rung der <strong>Wasser</strong>verfügbarkeit nach sich ziehen. Das Recht <strong>auf</strong> <strong>Wasser</strong>zugang muss erkannt<br />

und als grundlegendes Menschenrecht propagiert werden, gestützt durch gesetzliche Grundla-<br />

gen. <strong>Wasser</strong> verbindet uns mit der Schöpfung. Aus diesem Grund sind sein Schutz und seine<br />

nachhaltige Nutzung eine absolute Notwendigkeit für den Erhalt des Lebens <strong>auf</strong> unserem Pla-<br />

neten und <strong>dem</strong> Wohlergehen zukünftiger Generationen.<br />

Weiterführende Informationen:<br />

Quellen lebendigen <strong>Wasser</strong>s : Lukas Vischer,<br />

ECEN Dossier: Water – Source of Life (englisch)<br />

http://www.ecen.org/cms/uploads/water04.pdf<br />

ECEN Dokumente über <strong>Wasser</strong> (englisch)<br />

http://www.ecen.org/cms/index.php?page=water<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

11


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

3. Theologische Grundlagen<br />

3.1 Bibeltheologische Grundlegung:<br />

„Du kannst das Angesicht der Erde erneuern“(Ps 104,30).<br />

Das Schöpfungslob des 104. Psalms als Ruf zur ökologischen Umkehr 3<br />

3.1.1 Der Anlass der biblischen Schöpfungstheologie<br />

[… ]<br />

Dass JHWH die Welt als ihr Schöpfer liebt, durchwaltet und vollendet, ist eine Grundüberzeugung,<br />

die der erste Teil unserer Bibel in Erzählungen, Prophetensprüchen, weisheitlichen<br />

Reflexionen und nicht zuletzt in hymnischen Psalmen zu verkünden nicht müde wird. In solchen<br />

schöpfungstheologischen Texten sprechen sich keineswegs, wie bisweilen zu lesen ist,<br />

eine unkritische Naivität und eine optimistische Weltsicht des antiken Menschen aus, deren<br />

wir Menschen des 20. Jahrhunderts angesichts der erlittenen und befürchteten Katastrophen,<br />

die wir nicht verdrängen dürfen – nicht mehr fähig sind. Historisch richtig ist: Die Schöpfungstheologie<br />

ist in Israel gerade angesichts erlittener Katastrophen zu ihrer Reife durchgebrochen.<br />

In ihr ringt sich Israel allen schmerzlichen Erfahrungen zum Trotz sein grundsätzliches<br />

Ja zur Welt und zum Leben in dieser Welt ab. Wie die einzelnen Beterinnen und Beter<br />

in Stunden des Leids und der Verzweiflung den Menschen-Schöpfergott beschwören (vgl. Ps<br />

22,10f; Ijob 3; Jer 20,14-18), so sollten angesichts geschichtlicher und kosmischer Erschütterungen<br />

und Ängste die Erzählungen und Bilder von <strong>dem</strong> Welt-Schöpfergott die Erde als Ort<br />

der Gottesherrschaft, als Kosmos inmitten von Chaos, wahr- und annehmen lehren.<br />

Wenn Israel die Darstellung seiner Ursprünge in den beiden großen Geschichtsentwürfen des<br />

Jahwisten (J) und der Priesterschrift (P), die im Pentateuch kunstvoll verbunden wurden, mit<br />

Schöpfungserzählungen beginnt, soll die Geschichte buchstäblich im Schöpfergott „begründet“<br />

werden, der die Erde und alles Leben <strong>auf</strong> ihr, ja sogar den Himmel liebt – trotz aller Sünde<br />

(vgl. Gen 3-4) und Gewalttat (vgl. Gen 6,11 f). Die schöpfungstheologische Rede von Gott<br />

als <strong>dem</strong> Liebhaber des Lebens (vgl. Weish 11,24-26) entspringt aus einer „nachkritischen<br />

Naivität", in der Israel aller Schuld– und Leiderfahrung zum Trotz das Leben der Erde als<br />

kostbares Geschenk betrachtete, an <strong>dem</strong> es selbst hing – wie sein Gott. Dass die biblischen<br />

Schöpfungserzählungen anthropozentrisch missverstanden wurden, ist leider allzu wahr. Aber<br />

dass sie so gemeint waren und sind, wird man kaum sagen können, wenn man das geradezu<br />

prophetisch-kritische Menschenbild dieser Erzählungen erfasst. Dass das Leben fundamental<br />

und schöpfungswidrig bedroht und zerstört wird, ist – das schärfen diese Erzählungen provozierend<br />

offen ein – Werk des gierigen (Gen 3) und gewalttätigen (Gen 4) Menschen, ja „allen<br />

Fleisches“ (Gen 6,11 f). Der Resignation und der Verzweiflung, die angesichts dieser Realität<br />

<strong>auf</strong>kommen könnten, setzen die Schöpfungserzählungen ihre Hoffnungsbilder entgegen: Der<br />

Gott, der die „nackten Menschen“ bekleidet (Gen 3,21), der den Brudermörder vor <strong>dem</strong> tödlichen<br />

Kreisl<strong>auf</strong> der Blutrache schützt (Gen 4,15), der schließlich den Regenbogen als Zeichen<br />

seines „ewigen Bundes“ mit allem (!) Leben in die Wolken setzt (Gen 9,12-17) – das sind die<br />

3 Erich Zenger, „Du kannst das Angesicht der Erde erneuern“ (Ps 104,30). Das Schöpfungslob des 104. Psalms<br />

als Ruf zur ökologischen Umkehr in: Bibel und Liturgie 64 (1991) 75–86.<br />

12<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

Merkzeichen, mit denen die Erzähler festhalten wollen, dass der Schöpfergott sich nach wie<br />

vor von seiner Vision gelingenden Zusammenlebens im Lebenshaus der Schöpfung (vgl. Gen<br />

1) und im Paradeisos (vgl. Gen 2) leiten lässt. Wenn die jüdische Tradition bis heute dazu<br />

einlädt, beim Aufscheinen des Regenbogens die Beraka „Gepriesen bist Du, Herr unser Gott,<br />

König des Universums, weil du des Bundes [mit <strong>dem</strong> Leben] gedenkst, ihm die Treue hältst<br />

und zu Deinem Wort stehst“ zu sprechen, bringt sie diese Funktion der Schöpfungstheologe<br />

<strong>auf</strong> den Punkt: Sie will einerseits Trost und Hoffnung stiften, und sie fordert andererseits dazu<br />

<strong>auf</strong>, das Universum als Reich Gottes zu begreifen und sich dankbar und <strong>dem</strong>ütig in die Lebensordnung<br />

dieses Reiches einzufügen.<br />

Gerade in und nach den katastrophischen Erfahrungen des Exils hat Israel von den Anfängen<br />

geredet, die JHWH in der Geschichte des Gottesvolkes nicht nur als der Gott Israels, sondern<br />

als der Schöpfer von Himmel und Erde gesetzt hat. Das ist die theologische Leistung Deuterojesajas,<br />

aber auch jener Redaktoren, die in der Exilszeit und bald danach die anderen Prophetenbücher<br />

schöpfungstheologisch überarbeiteten. Die hymnischen Abschnitte im Amosbuch<br />

beispielsweise (Am 4,13; 5,8; 9,5f), die zusammen mit Am 1,2 die exilische Neuedition des<br />

Amosbuchs (Am 1,1-9,6*) strukturieren, wollen einerseits dazu bewegen, die Katastrophe als<br />

läuterndes Gericht anzunehmen, aber sie erinnern zugleich daran, dass JHWH als der Weltschöpfer<br />

seine einmal mit Israel als Teil der Welt eingegangene Bindung nicht <strong>auf</strong>geben kann,<br />

so er denn zu seinem Ja steht.<br />

Worum es in dieser Schöpfungstheologie geht, lässt sich mit Jer 31,35f (vgl. auch Jer 32,18;<br />

33,2; 51,19) so zusammenfassen:<br />

„So spricht JHWH,<br />

der die Sonne bestimmt zum Licht am Tag,<br />

der den Mond und die Sterne bestellt zum Licht<br />

in der Nacht, der das Meer <strong>auf</strong>wühlt, dass die Wogen brausen,<br />

– JHWH der Heere ist sein Name:<br />

Nur wenn jemals diese Ordnungen<br />

vor meinen Augen ins Wanken gerieten, – Spruch JHWHs–,<br />

dann hörten auch Israels Nachkommen <strong>auf</strong>, für alle Zeit vor meinen Augen ein Volk zu sein.“<br />

Wenn Israel von den Anfängen der Welt redete, hatte es die konkrete Welt und Geschichte<br />

vor Augen, in denen es lebte. Mit dieser konkreten, ja gegenwärtigen Welt beschäftigte Israel<br />

sich noch in einer anderen Weise. Wie bei den Erzählungen über die Anfänge war es auch<br />

hier in lebhaftem Gespräch mit seinen Nachbarkulturen. Eine solche andere Art des schöpfungstheologischen<br />

Umgangs mit der Welt vollzog sich vor allem in der Weisheitsüberlieferung,<br />

in der die Menschen die unterschiedlichen Phänomene und Prozesse der Natur, der Gesellschaft<br />

und der Geschichte dar<strong>auf</strong>hin „durchleuchten“, dass sie in ihnen wiederkehrende<br />

Abläufe und Gesetzmäßigkeiten entdecken, um daraus Regeln für das rechte Verhalten, zur<br />

rechten Zeit und am rechten Ort abzuleiten. Die Weisheit zielt <strong>auf</strong> Lebenskunst, in<strong>dem</strong> sie die<br />

Vielfalt des Lebens ordnet und dazu befähigen will, sich den erkennbaren Ordnungen einzufügen,<br />

damit Leben als Zusammenleben gelingt. Das tut sie, weil sie zutiefst von <strong>dem</strong> Vertrauen<br />

beseelt ist, dass diese Ordnungen verlässlich und letztlich heilvoll sind. An diese Lebensordnung<br />

haben sich, so vertraut die Weisheit, sogar die Götter gebunden. Das ist auch das<br />

Grundaxiom der Weisheit Israels, wie es Ps 104,24 b formuliert: „Alles hast du in/durch<br />

Weisheit gemacht.“ Dies ist eine Aussage über das Ganze der Welt! Wer sich im einzelnen<br />

zurechtfinden will, gerade inmitten der bedrohten Welt, aber auch wer nicht verzweifeln will<br />

angesichts der Zerstörungen, die er selbst auslöst, <strong>dem</strong> kann der Blick <strong>auf</strong> das Ganze Orientie-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

13


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

rung und Kraft geben. Die weisheitliche Schöpfungstheologie legt, vor allem in ihrer älteren<br />

Gestalt, den Akzent nicht <strong>auf</strong> die Schöpfung am Anfang, sondern <strong>auf</strong> die „Schöpfung“, die<br />

sich fortwährend vollzieht. Fachtheologisch gesprochen: Nicht die creatio prima, sondern die<br />

creatio continua ist ihr Hauptthema. Ob man das „Welterhaltung“ oder „Neuschöpfung“ nennen<br />

soll, hängt davon ab, wie man die Gefährdungen und Störungen der Welt beurteilt. Die<br />

Hauptansage bleibt: Die weisheitliche Schöpfungstheologie trägt vor allem die Lebensordnungen<br />

zusammen, an denen die Welt als Lebensprozess hängt. Für ein Leben nach diesen<br />

Ordnungen wirbt sie; in ihnen sieht sie den guten, das Leben liebenden Gott selbst am Werk.<br />

3.1.2 Psalm 104 – ein weisheitlicher Schöpfungshymnus<br />

Der 104. Psalm ist insofern weisheitlich, als er die konkret wahrgenommene Welt „systematisch“<br />

beschreibt. Der Psalmdichter listet, gewiss in poetischer Auswahl, all sein naturkundliches<br />

Wissen <strong>auf</strong>. Geradezu ins Detail verliebt (auch uns moderne Weltbetrachter faszinieren<br />

ja immer wieder die Vielfalt und die Schönheit jedes „Einzelexemplars“ von Mineralien,<br />

Pflanzen, Tieren und Menschen) zeichnet der Verfasser von Ps 104 die Welt so nach, wie er<br />

sie sieht. Er durchschreitet die Lebensräume seiner dreigeteilten Welt, den Himmel (V. 2-4:<br />

kurz), die Erde (V. 5-23: lang) und das Meer (V.25-26: kurz). Wie unsere Auslegung zeigen<br />

wird, zeichnet er nicht nur die einzelnen Lebensräume und Lebenszeiten nach, sondern sieht<br />

das Leben geradezu in funktionalen Zusammenhängen. So verbindet er auch Aussagen über<br />

die Erschaffung der Erde (V. 5-9) mit solchen über ihre Erhaltung (V. 10-23).<br />

Aber all dies geschieht nicht in der distanzierten Beschreibung des empirischen Wissenschaftlers<br />

oder des interessierten „Laien“, sondern im hymnischen Lobpreis. Nicht nur die Selbst<strong>auf</strong>forderungen<br />

zum Lobgesang am Anfang und am Schluss des Psalms, nicht nur die für den<br />

Hymnus typischen Partizipien (in unserer Übersetzung leider nicht zu erkennen!) lassen für<br />

den, der mit der Tradition der hymnischen Formen vertraut ist, sofort deutlich werden, dass es<br />

hier von Anfang an bis zum Schluss um das Rühmen des guten Schöpfergottes geht. Die ganze<br />

„Skizze“ des Weltbilds zielt <strong>auf</strong> die zentrale Aussage von V. 27-30: dass alles, was lebt,<br />

sein gemeinsames Leben der gebenden Hand, <strong>dem</strong> liebevoll zugewandten Angesicht und <strong>dem</strong><br />

belebenden Atem Gottes verdankt – einem Du, vor und zu <strong>dem</strong> der Beter begeistert sein<br />

Schöpfungslob singt. So ist der Psalm insgesamt ein weisheitlicher Schöpfungshymnus, um<br />

dessen schöpfungstheologischen „Hauptteil“ (V. 2 b-30) ein doppelter Rahmen gelegt ist. Den<br />

äußeren Rahmen bilden „Aufgesang“ (V. 1 a: Selbst<strong>auf</strong>forderung zur Beraka) und „Abgesang“<br />

(V. 33-34: Widmung des Psalms; V. 35 a b: Bitte um „Erlösung von <strong>dem</strong> Übel“, das die<br />

Schöpfung mutwillig bedroht und verletzt; V. 35 c: Selbst<strong>auf</strong>forderung zur Beraka, wie V. 1<br />

a). Der innere Rahmen ist von (altorientalisch breit belegten) Motiven der Gottkönigtums-<br />

Theologie bestimmt und zeichnet in V. 1 b-2 a JHWH als den im Königsglanz erscheinenden<br />

Gott, dessen welterhaltende „Herrlichkeit“ und freudige Zugewandtheit für die Welt bis zum<br />

Ende der Weltzeit in V. 31-32 erfleht wird. Dieser innere Rahmen lässt JHWH die von ihm<br />

geschaffene und geordnete Welt gewissermaßen buchstäblich umfangen und halten. Zu dieser<br />

theologischen Rahmenstruktur gehört auch, nach <strong>dem</strong> breiten Abschnitt über die Erde (V. 5-<br />

23), der faszinierte Ausruf V. 24, der in seiner dritten Zeile nochmals das den Abschnitt einleitende<br />

(V. 5 a!) Themawort „Erde“ wiederholt.<br />

Der Psalm liest sich wie ein religionsgeschichtliches Florilegium (= lat. Blütenlese, Lesefrüchte<br />

M.K.) von phönizisch-kanaanäischen, ägyptischen und assyrisch-babylonischen, aber<br />

auch genuin altisraelitischen Überlieferungen über die Themen „Bändigung und Verwandlung<br />

14<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

des (<strong>Wasser</strong>–)Chaos zu Kosmos durch eine (königliche) Gottheit“ und „Der (Gott–)König als<br />

Lebensmittler (Ernährer) seines Volkes/Reiches“; beide Themen sind im Psalm in der spannungsreichen<br />

Perspektive Tod – Leben kunstvoll verschmolzen. Er bietet eine gezielt monotheistische<br />

Synthese, die JHWH als (kanaanäischen) Regenbringergott und als (ägyptischen)<br />

Sonnengott zeichnet. Er dürfte aus der nachexilischen Weisheitsschule stammen, der wir auch<br />

sonst wunderschöne Schöpfungstexte (z. B. Spr 8,20-31) verdanken.<br />

Sein besonderes Profil macht schon ein flüchtiger, vergleichender Blick <strong>auf</strong> Ps 93 bewusst,<br />

mit <strong>dem</strong> sich Ps 104,1 b-9 teilweise bis in den Wortlaut hinein berührt. Während Ps 93 in seiner<br />

nachexilischen Gestalt durch V. 2 b und V. 5 eine tempeltheologische Gründung der Welt<br />

verkündet (vgl. dazu unten IV.), ist Ps 104 durch und durch davon bestimmt, dass die Welt<br />

tagtäglich neu und unvermittelt aus der gütigen Hand Gottes hervorgeht.<br />

Der Psalm ist nun ein Abschnitt im vierten Psalmenbuch (Ps 90-106), das stark vom Thema<br />

des Leben stiftenden Königtums JHWHs (vgl. besonders Ps 93-100), aber auch vom Leiden<br />

am Tod in seinen vielen Formen (vgl. besonders Ps 90; 102; 105-106) bestimmt ist. Dabei hat<br />

die Redaktion Ps 103 und Ps 104 gezielt nacheinander gestellt (vgl. die Stichwort- und Motivbezüge<br />

zwischen Ps 103,19-22 und Ps 104,2-4 sowie besonders die den beiden Psalmen<br />

gemeinsame Rahmung!). Ps 104 ist <strong>dem</strong>gemäß als Fortführung von Ps 103 die schöpfungstheologische<br />

Grundlegung der in Ps 103 verkündeten Botschaft vom vergebenden Gott.<br />

3.1.3 Die Schöpfung ist Gottes Reich<br />

1 a Lobpreise, meine Seele, JHWH!<br />

1 b JHWH, mein Gott, du bist sehr groß.<br />

1 c Mit Pracht und Glanz bist du bekleidet,<br />

2 a du umgibst dich mit Licht wie mit einem Mantel.<br />

2 b Der den Himmel ausspannt wie eine Zeltdecke,<br />

3 a der die Balken seiner Gemächer in den <strong>Wasser</strong>n festmacht,<br />

3 b der Wolken bestimmt zu seinem Wagen,<br />

3 c der einherfährt <strong>auf</strong> den Flügeln des Sturmes,<br />

4 a der zu seinen Boten Winde macht,<br />

4 b zu seinen Dienern brennendes Feuer.<br />

5 a Er hat die Erde gegründet <strong>auf</strong> ihre Pfeiler,<br />

5 b dass sie nicht wanke <strong>auf</strong> immer und ewig.<br />

6 a Das Urmeer bedeckte sie wie ein Kleid,<br />

6 b bis über die Berge standen die <strong>Wasser</strong>.<br />

7 a Vor deinem Anschreien flohen sie,<br />

7 b vor der Stimme deines Grollens hasteten sie davon,<br />

8 a sie stiegen die Berge hin<strong>auf</strong>, fuhren hinab in die Täler<br />

8 b zu <strong>dem</strong> Ort, den du gegründet für sie.<br />

9 a Eine Grenze bestimmtest du, die sie nicht überschreiten dürfen,<br />

9 b dass sie nicht zurückkehren, um wieder die Erde zu bedecken.<br />

10 a Der Quellen sendet in die Täler;<br />

l0 b zwischen den Bergen l<strong>auf</strong>en sie dahin,<br />

11 a zu tränken alle Tiere des Wildlands,<br />

11 b Wildesel stillen daraus ihren Durst,<br />

12 a an ihnen wohnt das Fluggetier des Himmels,<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

15


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

12 b aus <strong>dem</strong> Dickicht erhebt es seine Stimme.<br />

13 a Der die Berge tränkt aus seinen Gemächern,<br />

13 b von der Frucht deiner Werke wird satt die Erde,<br />

14 a der Gras sprießen lässt für das Vieh<br />

14 b und Pflanzen für die Arbeit des Menschen,<br />

14 c um Brot aus der Erde hervorzubringen<br />

15 a und Wein, der des Menschleins Herz froh macht,<br />

15 b um zum Glänzen zu bringen sein Angesicht mit Öl,<br />

15 c und dass Brot des Menschleins Herz stark mache.<br />

16 a Es trinken sich satt die Bäume JHWHs,<br />

16 b die Zedern des Libanon, die er gepflanzt hat,<br />

17 a wo Vögel ihre Nester bauen,<br />

17 b wo in den Wipfeln der Storch sein Haus hat.<br />

18 a Die hohen Berge sind für die Steinböcke da,<br />

18 b die Felsen sind Zuflucht für die Klippdachse.<br />

19 a Der den Mond gemacht hat als Maß für die Zeiten,<br />

19 b die Sonne, die ihren Untergang kennt.<br />

20 a Du befiehlst Finsternis, und es wird Nacht,<br />

20 b in ihr wimmeln alle Tiere des Waldes,<br />

21 a die Junglöwen brüllen nach Beute,<br />

21 b um von Gott ihre Nahrung zu fordern.<br />

22 a Du lässt <strong>auf</strong>strahlen die Sonne, da ziehen sie ab<br />

22 b und lagern sich in ihren Höhlen,<br />

23 a da tritt der Mensch heraus zu seinem Tun,<br />

23 b zu seiner Arbeit bis zum Abend.<br />

24 a Wie zahlreich sind deine Werke, JHWH.<br />

24 b Sie alle hast Du in Weisheit gemacht!<br />

24 c Übervoll ist die Erde von deinen Geschöpfen!<br />

25 a Da ist (noch) das Meer, groß und unermesslich weit,<br />

25 b in ihm ein Gewimmel ohne Zahl:<br />

25 c kleine Lebewesen zusammen mit großen.<br />

26 a Da ziehen Schiffe dahin,<br />

26 b der Leviatan, den du gebildet, mit ihm zu scherzen.<br />

Mit <strong>dem</strong> den Hymnus eröffnenden „Aufgesang“ V. 1 a fordert der Beter „seine Seele“, d. h.<br />

sich selbst als Wesen voller Lebenshunger, <strong>auf</strong>, den Psalm als Beraka, d. h. als Preis- und<br />

Dankgebet, zu rezitieren (vgl. die Doppel-Beraka über Brot und Wein in der Eucharistie!). Er<br />

gilt JHWH als <strong>dem</strong> allen Göttern überlegenen König („Pracht und Glanz“ sind typische Königsattribute:<br />

vgl. Ps 8,5f; 21,6), der sich als „Licht“, d. h. als Leben und Heil, offenbart –<br />

eben in seiner Schöpfung und für sie.<br />

Im ersten Abschnitt des corpus hymni (V. 2 b-4 b) beschreibt der Psalm JHWHs Schöpferhandeln<br />

im und am Himmel (das Themawort „Himmel" steht entsprechend in V. 2 b). Mitten<br />

in die Chaoswasser baut JHWH seinen Königs-Palast und entmachtet sie so. Zugleich bestimmt<br />

er wie ein altorientalisch-kanaanäischer Wettergott die „Himmelsphänomene“ Wolken,<br />

Winde und Blitze zu Dienern für seine „königlichen“ Aufgaben, für die Erde Geber des<br />

Lebens durch die Gabe des lebenswichtigen <strong>Wasser</strong>s zu sein, wie dann im nächsten Abschnitt<br />

V. 5-18 (beachte wieder das Themawort „Erde“ in V. 5 a!) plastisch entfaltet wird. Im Rück-<br />

16<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

griff <strong>auf</strong> die Vorstellungen vom Chaoskampf, bei <strong>dem</strong> JHWH „in illo tempore“ <strong>dem</strong> Chaos<br />

seine chaotisch-destruktive Gewalt nahm und in <strong>dem</strong> er zugleich die immer noch vom Chaos<br />

ausgehenden partiellen Störungen Tag für Tag abwehrt, wird in V. 5-9 die anfängliche Gründung<br />

der Erde besungen. Dass das Chaos hier all seine destruktive Potenz verloren habe, wie<br />

bisweilen gesagt wird, widerspricht nicht nur der Sicht der Welt, die in V. 29-30 anklingt,<br />

sondern insbesondere der weisheitlichen Weltwahrnehmung, die für den Psalm charakteristisch<br />

ist. Dem Chaos ist eine Grenze gesetzt, die es nicht überschreiten kann, aber eben nur,<br />

weil der Schöpfergott Tag für Tag seine chaosbändigende Mächtigkeit <strong>auf</strong>bietet. Geradezu<br />

plastisch lässt der Dichter miterleben, wie der Urflut-Drachen vor der gebieterischen Stimme<br />

JHWHs über die Berge und Täler hinhastet, bis er ins Meer kommt, wo er bleiben „darf“, aber<br />

von wo aus er die Erde immer wieder bedroht und ihre Bewohner ängstigt. Dem „bösen“<br />

<strong>Wasser</strong> wird nicht nur seine katastrophische Zerstörungsgewalt, gewissermaßen sein „Sintflut-Charakter“,<br />

genommen. Noch mehr preist der Dichter, dass JHWH das Chaoswasser in<br />

„gutes“ <strong>Wasser</strong> verwandelt, in<strong>dem</strong> er aus <strong>dem</strong> himmlischen <strong>Wasser</strong>vorrat die Erde in ihren<br />

unterschiedlichen Landschaften mit je spezifischer Lebenswelt (V. 10-12: Wildland „zwischen<br />

den Bergen"; V. 13-15: Acker– und Kulturland „<strong>auf</strong> den Bergen"; V. 16-18: „die hohen<br />

Berge" mit ihrer Tier- und Pflanzenwelt; beachte das Schwenken der „Kamera" von unten<br />

nach oben!) mit Quell- und Regenwasser versorgt.<br />

Im „Schöpfungsbild" von V. 10-12 hat sich nicht die Erfahrung der großen Flusskulturen Ägyptens<br />

und Mesopotamiens, wo die Flüsse der Lebensnerv von Ansiedlung und Ackerbau<br />

waren, niedergeschlagen, sondern das Erlebnis der syrisch-palästinischen Flüsse, nicht zuletzt<br />

des Jordans, dessen Ufer noch bis zum Beginn unseres Jahrhunderts von dschungelähnlichem<br />

Urwald und üppigem Dickicht gesäumt waren, die wilden und gefürchteten Tieren Lebensraum<br />

boten. Der Wildesel (V. 11 b) repräsentiert die Steppen– und Wüstentiere, denen JHWH<br />

ebenfalls durch Quellbäche in den Wadis das lebensnotwendige <strong>Wasser</strong> gibt. So reichlich<br />

fließt das <strong>Wasser</strong> in den Flüssen und Wadis des Wildlandes, dass an ihnen Vogelparadiese mit<br />

Gekreische und Gesang aller Art entstehen. So preist dieser Abschnitt V. 10-12 JHWH als<br />

Spender überschäumenden Lebens. Wenn gleichwohl diese Regionen und die dort lebenden<br />

Tiere den Menschen damals nicht als nützlich, sondern eher als bedrohlich erschienen, so<br />

sieht unser Psalm hier die gleiche Leben gebende Hand des Schöpfergottes am Werk wie in<br />

der Lebenswelt der Menschen, die V. 13-15 besingt.<br />

Der Lebensraum von Vieh und Mensch wird von JHWH so mit Regen versorgt, dass der Boden<br />

durch die von JHWH gegebene Lebenskraft (JHWH ist in V. 13-15 der Handelnde!) die<br />

lebensnotwendigen Güter hervorbringt: Weide für das Vieh sowie Pflanzen und Bäume, aus<br />

denen der Mensch durch seine Arbeit Brot (Essen), Wein (Trinken) und Öl (Salben) gewinnen<br />

kann (V. 13-15). Nicht nur das tägliche Brot (es ist besonders wichtig; so wird es zweimal<br />

genannt!) gibt JHWH, sondern auch Wein und Öl, Gaben des Überflusses und der festlichen<br />

Lebenskultur. Hier ist nichts von der in Gen 3,17-19 beklagten Mühsal des palästinischen<br />

Bauern zu spüren; hier spricht sich im Gegenteil das Staunen darüber aus, was diese Erde an<br />

Gutem und Schönem hervorbringen kann, wenn sie unter <strong>dem</strong> Segen eines gütigen Schöpfergottes<br />

steht. Dabei hebt der Dichter hervor: diese Gaben der von Gott gegründeten und versorgten<br />

Erde erfreuen das Herz und das Angesicht des Menschen, d. h., sie können ihn stark,<br />

glücklich und schön machen.<br />

Noch einmal setzt der Dichter im Abschnitt über die Bergwelt (V. 16-18) mit <strong>dem</strong> Motiv des<br />

<strong>Wasser</strong>s an, um JHWHs überreiche Lebensgabe zu preisen. Die mächtigen und uralt werdenden<br />

Libanonzedern, deren Stämme bis zu 40 m Höhe und bis zu 4 m Durchmesser erreichen<br />

können, sind in der alttestamentlichen Tradition Symbol für Kraft und Macht (vgl. Ez 17,22-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

17


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

24). Solch riesige Bäume sind Götterbäume; der Psalm nennt sie „Bäume JHWHs“, er hat sie<br />

gepflanzt, und sie sind in besonderer Weise Ausdruck seiner Lebensmächtigkeit. Selbst die<br />

Bäume der Bergregion sind, so staunt der Dichter, „Lebensbäume“ für Vögel. Ja, sogar dort,<br />

wo die Waldregion <strong>auf</strong>hört, gibt es immer noch Leben; hier tummeln sich (wie man in der<br />

Bergregion über En-Gedi erleben kann!) Steinböcke und Klippdachse.<br />

Wie für den priesterschriftlichen Theologen, <strong>dem</strong> wir Gen 1,1 - 2,4 a verdanken, ist auch für<br />

Ps 104 eine Voraussetzung dafür, dass die Erde das vom Schöpfergott gewollte „Lebenshaus"<br />

bleibt, dass die unterschiedlichen Lebewesen die ihnen zugewiesenen Lebensräume und Lebenszeiten<br />

respektieren. Deshalb kommt nun in V. 19-23 die vom Schöpfergott gesetzte Lebensordnung<br />

der Zeiten so zur Sprache, dass zunächst Mond und Sonne als die „Ordner" der<br />

Zeit und danach die dadurch geordneten Lebensvollzüge für die Wildtiere und sodann für die<br />

Menschen (und der mit ihnen lebenden Tierwelt) beschrieben werden. Der Mond zeigt die<br />

grundlegenden Ordnungen „Jahr“ und „Monat“ (der altorientalische Kalender hat ursprünglich<br />

ein Mondjahr!) sowie die großen Festtage des landwirtschaftlichen und des kultischen<br />

Lebens (z. B. Neumond– und Vollmondfesttag, aber auch Pessach, Wochen– und Herbstfest)<br />

an. Die an zweiter Stelle genannte Sonne strukturiert die Zeit in Tag und Nacht und begründet<br />

die in Israel entstandene Siebentage-Woche mit ihrer grundlegenden Unterscheidung von Arbeit<br />

und Ruhe. Dass hier zunächst der Sonnenuntergang (V. 19 b) genannt wird, hängt mit der<br />

in der nachexilischen Zeit vorherrschend gewordenen Tageszählung zusammen, die den Tag<br />

mit <strong>dem</strong> Sonnenuntergang beginnen lässt (so im Judentum und im liturgischen Kalender des<br />

Christentums bis heute!). Nur wenn die Zeiten der Arbeit und der Ruhe, die Zeiten der Natur<br />

und der Feste, aber auch die unterschiedlichen Zeiten der Tiere und der Menschen (V. 20-23)<br />

beachtet werden, kann sich das allen gemeinsame Leben in seinem Reichtum entfalten – das<br />

ist die großartige Idee dieses Abschnitts, die uns im Zeitalter der ökologischen Neubesinnung<br />

höchst modern erscheint.<br />

Nach<strong>dem</strong> der Psalmdichter in V. 5-23 die der Erde eingestifteten Lebensordnungen und -<br />

möglichkeiten besungen hat, bricht er in V. 24 in sein begeistertes „Zwischenfazit" aus: All<br />

dies ist die Erde von JHWH her – vorgängig vor allem Eingreifen des Menschen und unabhängig<br />

davon. Das ist ja das schöpfungstheologische „Ur-Erlebnis“ der alttestamentlichen<br />

Menschen, über das sie un<strong>auf</strong>hörlich staunen: Dass das Leben einfach da ist, schier unerschöpflich<br />

vorgegeben, freilich auch dar<strong>auf</strong> angewiesen, es immer neu entgegenzunehmen,<br />

weil keines der Lebewesen es für sich selbst machen kann. So ist für den Psalmdichter die<br />

natürliche Welt, insofern und wie sie lebt, ein höchst positives Machterlebnis, das ihm die<br />

grundlegende und bleibende Zuwendung des Schöpfergottes zur Welt bewusstmacht. Alles ist<br />

„in Weisheit“ gemacht, und übervoll ist die Erde von der Lebenskraft, die Gott in sie „investiert“.<br />

Die „Weisheit“, von der hier die Rede ist, meint nicht nur eine Eigenschaft Gottes, sondern<br />

zugleich eine Eigenschaft der Welt, die Gott ihr eingestiftet hat. Sie ist das Geheimnis,<br />

durch das sie den Menschen anrührt, geradezu als ein Ich anredet. Es ist nicht das Ich JHWHs<br />

– Israel hat immer um die un<strong>auf</strong>hebbare Grenze zwischen der Schöpfung und <strong>dem</strong> Schöpfer<br />

gewusst –, sondern es ist die Sinndimension und die Schönheit der Schöpfung, insofern sie<br />

von und durch die Weisheit JHWHs gestaltet und geliebt wird. Wer <strong>auf</strong> diese „Weisheit“ der<br />

Schöpfung hört, gewinnt Weisheit, mit der das Leben zu sich selbst kommt.<br />

Knapp, aber ausdrucksstark skizziert V. 25-26 noch das Meer, also das <strong>Wasser</strong>, das nach <strong>dem</strong><br />

altorientalischen Weltbild die Erdscheibe umgibt, als Lebensraum für Tiere und als Raum, der<br />

durch Gottes Schöpfermacht seine mythisch-chaotische Gefährlichkeit verloren hat (V. 26 b).<br />

Das Meer ist übervoll von großen und kleinen <strong>Wasser</strong>tieren, die hier leben. Sogar Schiffe<br />

können hier „einhergehen“. Da Schiffe keine Lebewesen sind, scheinen sie hier zu stören.<br />

18<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

Aber sie passen voll zur Perspektive des Psalms, weil die Schiffe <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Meer eindrucksvoll<br />

dokumentieren, dass das Meer als Teil der von JHWH umsorgten Schöpfung seine chaotische<br />

(nicht: seine gefährliche!) Macht verloren hat. Dass dar<strong>auf</strong> nur so kurz angespielt wird, ist<br />

dadurch bedingt, dass der Durchschnittsisraelit das Meer und die Seefahrt nur vom Hörensagen<br />

kennt (doch vgl. immerhin Spr 30,18 f; 31,14; Sir 43,24f). Dem Psalmdichter ist wichtig:<br />

Auch über das Meer hält JHWH seine ordnende Hand; den Leviatan, den Meereschaosdrachen<br />

der kanaanäischen und altorientalischen Mythologie (wo er mit unterschiedlichen Namen<br />

„<strong>auf</strong>tritt“), hat JHWH als Schöpfergott – ein für allemal entmachtet (vgl. auch Ijob 40,25<br />

– 41,26) – er spielt mit ihm wie ein Dompteur mit <strong>dem</strong> Delphin!<br />

3.1.4 „Sie alle warten immerfort <strong>auf</strong> Dich“<br />

27 a Sie alle warten (voll Sehnsucht) <strong>auf</strong> dich,<br />

27 b dass du ihnen Speise gibst zur rechten Zeit.<br />

28 a Gibst du ihnen, so sammeln sie ein,<br />

28 b öffnest du deine Hand, so sättigen sie sich mit Gutem.<br />

29 a Verbirgst du dein Angesicht, sind sie verstört,<br />

29 b ziehst du ihren Atem zurück, schwinden sie dahin,<br />

29 c und zu ihrem Staub kehren sie zurück.<br />

30 a Sendest du deinen Atem, werden sie geschaffen,<br />

30 b und du erneuerst das Angesicht der Erde.<br />

31 a Die Herrlichkeit JHWHs währe <strong>auf</strong> ewig!<br />

31 b JHWH freue sich seiner Werke!<br />

32 a Der die Erde anblickt, und sie erzittert,<br />

32 b er berührt die Berge, und sie rauchen.<br />

33 a Ich will JHWH singen, solange ich lebe,<br />

33 b ich will meinem Gott <strong>auf</strong>spielen, solange ich da bin.<br />

34 a Ihm möge gefallen mein (Psalmen-) Vortrag,<br />

34 b ich selbst will mich freuen an JHWH.<br />

35 a Verschwinden sollen die Sünder von der Erde,<br />

35 b und Gottlose soll es nicht mehr geben!<br />

35 c Lobpreise, meine Seele, JHWH.!<br />

35 d Halleluja!<br />

Sind in der „Weltbetrachtung“ von V. 2 b-26 die elementaren Voraussetzungen und Bedingungen<br />

für Leben im Blick, so ist es in V. 27-30 das Leben selbst: „Sie alle warten <strong>auf</strong> dich“<br />

(V. 27 a). Das gemeinsame Sich-Ausstrecken aller Lebewesen voller Lebenshunger und -<br />

sehnsucht macht die Welt zur Schöpfung. Wor<strong>auf</strong> aber wartet sie? Gewiss sie wartet, wie der<br />

Psalm bildreich entfaltet, <strong>auf</strong> Regen, der sie belebt, <strong>auf</strong> Nahrung und Kleidung, <strong>auf</strong> Brot,<br />

Wein und Öl. Aber darin wartet sie <strong>auf</strong> mehr: dass der lebendige Gott selbst <strong>auf</strong> sie zukommt<br />

– „zur rechten Zeit!“ Auf seine Zukunft warten sie alle, weil ER allein ihre Zukunft ist. Mit<br />

ihm und durch ihn sind sie lebendig, ohne ihn werden sie todesstarr und zerfallen in Staub (V.<br />

28-30). Hier sprechen sich die leidvollen Erfahrungen aus, die Israel auch mit <strong>dem</strong> Leben, mit<br />

der Natur und mit seinem Gott selbst gemacht hat. Israels Theologie hat die Störungen und<br />

Katastrophen nie verdrängt. Sie hat auch Krankheit und Tod nie verklärt. Die Klagepsalmen<br />

und das Buch Ijob zeigen überdeutlich, dass Israels Theologie einerseits der Versuchung wi-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

19


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

derstand, die Welt als Missgriff eines launischen oder zornigen Gottes zu verachten, und dass<br />

sie andererseits nie der Illusion erlag, durch menschliches Machertum könne die Welt vollkommen<br />

werden. Im Gegenteil: Unser Psalm erlebt diese Störungen als Zeichen der absoluten<br />

Verwiesenheit allen Lebens <strong>auf</strong> den einen Lebensatem, der JHWH selbst ist und an <strong>dem</strong> alle<br />

teilhaben, die leben. Wenn und wo JHWH seine Lebenskraft „ausschickt“, macht er Tote<br />

wieder lebendig (vgl. V. 30 a mit Ez 37,1-14) und gibt er der Erde immer wieder neue jugendliche<br />

Lebensfrische (V. 30 b). Dass die „alte“ Erde täglich „jung“ wird, ist die „neue“ Botschaft,<br />

mit der der Psalm seine Weltbetrachtung hoffnungsvoll zusammenfasst. Aber zugleich<br />

gilt: Wo die Lebewesen sich ihr Leben selbst nehmen wollen, gierig und gewalttätig wie Adam<br />

und Kain, zerstören sie sich selbst und ihre Lebenswelt.<br />

Das ist der lebenspraktische Realismus der Weisheit, die um die Schicksalsgemeinschaft von<br />

Mensch, Tier und Pflanze, ja um die unlösbare Verwiesenheit aller <strong>auf</strong>einander weiß. Von<br />

einer „königlichen“ Sonderstellung redet unser Psalm (vielleicht als bewusste Gegenstimme<br />

zu Gen 1, womit der Psalm 104 sich vielfach berührt?) nicht. Im Gegenteil: Ihm wird in V.<br />

14.23 „Dienst“ an der Erde zugewiesen. Das ist seine „Sonderstellung“, die Pflanzen, die<br />

JHWH aus der Erde „herauskommen“ lässt, zu Brot, Wein und Öl umzuwandeln. Die in Gen<br />

1-2 programmatisch entworfene Vision von pflanzlicher Nahrung als Absage an die Tötung<br />

von Tieren leuchtet auch hier wieder <strong>auf</strong>. Es ist die Vision gewaltlosen Zusammenlebens, in<br />

das die Menschen hier eingewiesen werden. Ihr Leben ist Leben neben und mit anderem Leben.<br />

Das Leben des Menschen im Lebenshaus der Schöpfung ist Teil „eines Vorgangs göttlichen<br />

Wirkens, der keineswegs nur für den Menschen oder nur <strong>auf</strong> ihn hin, sondern zugunsten<br />

alles Lebendigen geschieht ... Was der Mensch für sein Leben wahrnimmt, gilt auch für tierisches<br />

Leben, und damit ist den Tieren prinzipiell das gleiche Lebensrecht zugestanden wie<br />

<strong>dem</strong> Menschen“ (O. H. Steck). Die Sonderstellung der Menschen spricht der Psalm erst im<br />

„Abgesang" an (V. 35 a b). Sie besteht traurigerweise darin, dass er als Sünder und Gott-loser<br />

den gemeinsamen Lebensprozess stört und gefährdet und vor allem den Schöpfergott verleugnet<br />

und sich der ihm zugewiesenen „Lebens<strong>auf</strong>gabe“ verweigert.<br />

Die zum „inneren Rahmen“ gehörende Bitte V. 31-32 zielt dar<strong>auf</strong>, dass das Warten der<br />

Schöpfung nicht unerfüllt bleibt. Es ist die Bitte, der Weltkönig JHWH möge die Erde als Ort<br />

des Offenbarwerdens seiner Herrlichkeit vollenden, gerade angesichts der Erfahrung, dass so<br />

vieles <strong>auf</strong> der Erde das Erscheinen der Herrlichkeit behindert. Hier klingt jenes Leiden aller<br />

Kreaturen an, das Röm. 8, 22 die Geburtswehen der „neuen“ Erde nennt. Gerade eine Erde,<br />

der er täglich seine erneuernde Zuwendung schenkt, soll und wird JHWH besonders liebgewinnen<br />

und sich an ihr freuen. Um und für sie wird er kämpfen (V. 32), so er denn seine Bindung<br />

an die Schöpfung zu seinem fundamentalen Lebensvollzug gemacht hat.<br />

Die „Widmung“ V. 33-34 stammt schon aus der „Gebetsgeschichte“ des ursprünglichen<br />

Psalms V. 1 b-32. Hier redet einer, der den Hymnus gebetet und sich dabei so sehr von dessen<br />

theologischer Leidenschaft hat anstecken lassen, dass er in einem individuellen Lobpreisgelübde<br />

verspricht, sein ganzes weiteres Leben als einen einzigen grossen Lobgesang zu leben.<br />

Das ist in der Tat eine angemessene „Fortschreibung“ des Hymnus, insofern alles Gotteslob in<br />

eben <strong>dem</strong> Gott gründet, dessen liebevolle Zuwendung in V. 1 b-32 hymnisch gefeiert wird.<br />

Der Mensch, der das Gotteslob zur Gestalt seines Lebens macht, verwirklicht genau das, was<br />

der Psalm mit Leben als verdankter Gottesgabe meint. Daran will der Beter sich auch nicht<br />

durch die deprimierende Gegenerfahrung des Bösen und Rätselhaften in der Welt, um dessen<br />

Verschwinden er bittet (V. 35 a b), behindern lassen. Im Gegenteil: Mit der abschließenden<br />

„Andachtsformel“ V. 35 c fordert der Beter sich (wie in V. 1 a) abermals <strong>auf</strong>, bei aller Bedrohtheit<br />

der Schöpfung <strong>auf</strong> den Schöpfergott zu blicken und in ihm „Freude“ an der Schöp-<br />

20<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


3. Theologische Grundlagen Erich Zenger<br />

fung sowie die Kraft zu einem schöpfungsgemäßen Leben zu finden – auch als Antwort <strong>auf</strong><br />

die in V. 35 beklagte Realität des Bösen.<br />

3.1.5 Der Psalm heute: Ruf zur ökologischen Umkehr<br />

[… ]<br />

Das Schöpferlob von Ps 104 ist Gebet eines Menschen, der sich <strong>auf</strong>brechen lässt von <strong>dem</strong><br />

Geheimnis, dass das Reich Gottes in der Schöpfung im Kommen ist. Der Psalm ist das ja des<br />

Lobenden, der von sich selbst und von seinen Bedürfnissen weg – und <strong>auf</strong> das Ganze hinblickt<br />

– und dies voller Hoffnung, dass dieses Ganze Tag für Tag vom Schöpfergott neu geschaffen<br />

wird (V. 30). Als lobpreisendes Ja zum Schöpfergott ist der Psalm weder blinde noch<br />

blenden wollende Zustimmung zu allem, was ist und geschieht. Im Gegenteil: Er ist Ausdruck<br />

des Leidens daran, dass vieles nicht so ist, wie es sein könnte. Und er ist noch mehr Widerspruch<br />

gegen alles, was das Kommen des Gottesreichs in der Schöpfung behindert. Wer diesen<br />

Psalm singt, singt ihn auch gegen sich selbst! In<strong>dem</strong> er die Vision vom solidarischen Zusammenleben<br />

aller Lebewesen besingt, ist der Psalm ein öffentlicher Protest insbesondere<br />

gegen alle „Weltbilder“ und die daraus entspringenden Taten der Menschen, die die Menschen<br />

und ihre Bedürfnisse zum „Maß aller Dinge“ machen. So ist der Psalm keine kitschigidyllische<br />

Meditationsmusik, sondern ein kritisch-utopisches Lied, das heute zur ökologischen<br />

Umkehr ruft. In<strong>dem</strong> es die Schönheit der Schöpfung, jenseits aller menschlichen Zwecke,<br />

besingt, hält es an der Verheißung fest, dass die Schöpfung zum Leben berufen ist. Insofern es<br />

diese Schönheit aber als täglich zu erneuernde aus der gütigen Hand Gottes kommen sieht und<br />

insofern es die verbrecherischen, gott-losen Menschen als Zerstörer dieser Schönheit benennt<br />

und das Nicht-Schöne nicht ausblendet, mahnt und motiviert es zur Umkehr.[… ]<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

21


3.2 Christliches Ursymbol <strong>Wasser</strong><br />

3.2 Christliches Ursymbol <strong>Wasser</strong> 4<br />

3.2.1 Was bedeutet „Symbol“/„symbolisieren?<br />

<strong>Wasser</strong> ist...<br />

• flüssig, also von unbestimmter Form und daher geeignet, alles materiell Ungeformte,<br />

Geistige zu symbolisieren. Im pfingstlichen Kontext stehen Tau oder ein fließender Lebensbrunnen<br />

für die Ausgießung des Heiligen Geistes;<br />

• frisch und kühl und daher geeignet, Erquickung, Freude, und ein Nachwachsen verbrauchter<br />

Kräfte zu symbolisieren;<br />

• reinigend und daher geeignet, Läuterung, Säuberung und Erneuerung und Befreiung von<br />

Sünde zu symbolisieren;<br />

• durstlöschend, und daher geeignet, im geistigen Sinn den Durst nach Erkenntnis und Gott<br />

zu stillen;<br />

• ungebändigt und bedrohlich und daher geeignet, alles Vernichtende zu symbolisieren;<br />

• tief und geheimnisvoll und daher geeignet, rational nicht auszulotende, geistige Tiefe oder<br />

mystische Versenkung zu symbolisieren;<br />

• veränderlich in seinem L<strong>auf</strong>, seiner Fließgeschwindigkeit, Tiefe und Dynamik und daher<br />

geeignet, den Lebensl<strong>auf</strong> des Menschen symbolisieren.<br />

Symbole sind Stellvertreter einer nicht unmittelbar wahrnehmbaren geistigen Realität. Sie<br />

weisen <strong>auf</strong> religiöse Wahrheiten hin und ermöglichen uns, alles, was sinnlich nicht fassbar ist,<br />

entweder sprachlich oder bildhaft mitzuteilen. Jedes echte Symbol ist zweiteilig. Es besteht<br />

aus einer materiellen und aus einer immateriellen Ebene. Die materielle Ebene, das Bezeichnende<br />

– hier das <strong>Wasser</strong> –, ist etwas physisch Wahrnehmbares. Die immaterielle Ebene, das<br />

Bezeichnete, ist etwas nicht Physisches. Ihre Kraft, unsichtbare geistige Wahrheiten zu bezeichnen,<br />

schöpfen die materiellen Dinge aus ihren physisch wahrnehmbaren Eigenschaften,<br />

die <strong>dem</strong> Wesen und vor allem den Wirkungen des Bezeichneten entsprechen. Um das Symbol<br />

des <strong>Wasser</strong>s zu verstehen, müssen wir also seine Eigenschaften und seine wahrnehmbaren<br />

Wirkungen betrachten. Die materielle Wirklichkeit offenbart die geistige Wirklichkeit dessen,<br />

was es repräsentiert. <strong>Wasser</strong> kann die göttliche Gnade symbolisieren, weil es <strong>auf</strong> der materiellen<br />

Ebene des Symbols physische Eigenschaften und Wirkungen hat, die <strong>auf</strong> der immateriellen<br />

Ebene <strong>dem</strong> Wesen und Wirken der göttlichen Gnade entsprechen: <strong>Wasser</strong> ist die Voraussetzung<br />

für Leben. Fruchtbarkeit und Erfrischung sind seine Wirkungen. Gottes Gnade ist wie<br />

das <strong>Wasser</strong>. Sie schafft Leben und erhält es.<br />

Eine andere Wirklichkeit des <strong>Wasser</strong>s ist sein zerstörerisches, bedrohliches Potenzial, etwa als<br />

Flutkatastrophe oder als Element, in <strong>dem</strong> Dinge versinken. Aufgrund dieser Eigenschaften<br />

kann es Bedrohung und Vernichtung repräsentieren. Ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis<br />

des <strong>Wasser</strong>symbols ist vor allem unsere unmittelbare Körperwahrnehmung: Wer am eigenen<br />

Leibe erfahren hat, was Durst bedeutet, wie <strong>Wasser</strong> erfrischt, erquickt oder reinigt, versteht,<br />

warum der Durst nach <strong>Wasser</strong> in der Wüste die Sehnsucht nach Gott symbolisiert. Und wer<br />

erlebt hat, wie Überschwemmungen oder ein Sturm <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> unsere Existenz bedrohen,<br />

versteht, warum <strong>Wasser</strong> die Gefahren der Sünde repräsentiert. Gerade die elementare<br />

Universalität des <strong>Wasser</strong>s und seine unmittelbare körperliche Erfahrbarkeit – sei es als Segen,<br />

4 nach: Gerhard Monninger, Das christliche Ursymbol <strong>Wasser</strong> – sichtbares Zeichen einer unsichtbaren<br />

Wirklichkeit, in: <strong>Wasser</strong> – Zur Quelle gehen, Umweltbrief, Gerhard Monninger, hrsg. von der Ev.-<br />

Lutherischen Kirche in Bayern (Januar 2008), S. 3–4.<br />

22<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


3.2 Christliches Ursymbol <strong>Wasser</strong><br />

sei es als Bedrohung – kann seine Symbolkraft erklären, der wir zu allen Zeiten und in allen<br />

Kulturen an zentraler Stelle begegnen. Wenn <strong>Wasser</strong> neben Brot und Wein das christliche<br />

Ursymbol schlechthin ist, sollten wir <strong>Wasser</strong> in jeder Weise hoch schätzen und schützen.<br />

3.2.2 Die <strong>Wasser</strong>symbolik des Alten Testaments<br />

Im Alten Testament symbolisiert <strong>Wasser</strong> häufig das Leben spendende Wesen Gottes und die<br />

Wirkung seiner Gnadengaben. Gott selbst ist ein Quell lebendigen <strong>Wasser</strong>s, der vom Paradies<br />

ausströmend die Schöpfung befruchtet (1. Mose 2,8-2,14). In der Trockenheit der Wüste ist<br />

<strong>Wasser</strong> etwas unerhört Kostbares, nach <strong>dem</strong> sich der Körper sehnt. Durst, als elementare Erfahrung<br />

eines Wüstenvolkes, wird zum Symbol der Sehnsucht nach Gott; so wie der Körper<br />

nach <strong>Wasser</strong> verlangt, verlangt die Seele nach Gott: Wie der Hirsch lechzt nach frischem<br />

<strong>Wasser</strong>, so schreit meine Seele, Gott, zu dir (Psalm 42,2).<br />

Neben <strong>dem</strong> Lebens- und Segenszeichen ist das <strong>Wasser</strong> als elementare Naturgewalt in der jüdisch-christlichen<br />

Tradition immer auch ein Symbol … drohender Vernichtung. So berichtet<br />

das 1. Buch Mose, wie Gott über die Bosheit der Menschen erzürnt und beschließt, sie durch<br />

eine gewaltige Flut von der Erde zu vertilgen: Und es geschah nach sieben Tagen, da kamen<br />

die <strong>Wasser</strong> der Flut über die Erde. Im 600. Lebensjahr Noahs, im zweiten Monat, am siebzehnten<br />

Tag des Monats, an diesem Tag brachen alle Quellen der großen Tiefe <strong>auf</strong>, und die<br />

Fenster des Himmels öffneten sich. Und der Regen fiel <strong>auf</strong> die Erde vierzig Tage und vierzig<br />

Nächte lang (1. Mose 7,10-24). Da die Sintflut nicht nur vernichtet, sondern auch einen Neuanfang<br />

bedeutet, symbolisiert <strong>Wasser</strong> im Alten Testament sowohl die lebensbedrohliche als<br />

auch die lebensspendende Kraft Gottes. Die Sintflut reinigt die Welt und erlaubt einen geläuterten<br />

Neubeginn. Vernichtung und Geburt stehen im <strong>Wasser</strong>symbol nahe beisammen.<br />

3.2.3 Die <strong>Wasser</strong>symbolik des Neuen Testaments<br />

Bezeichnend für den neuen Bund, den Gott durch die Sendung seines Sohnes mit den Menschen<br />

schließt, ist die Symbolik des „lebendigen <strong>Wasser</strong>s“, die das Neue Testament wiederholt<br />

begründet. So berichtet das Johannesevangelium Kap. 4 von der Begegnung Jesu mit<br />

einer samaritanischen Frau am Jakobsbrunnen in Sychar und lässt ihn zu ihr sagen: Wer von<br />

diesem <strong>Wasser</strong> trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> trinken wird, das<br />

ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das <strong>Wasser</strong>, das ich ihm geben<br />

werde, das wird in ihm eine Quelle des <strong>Wasser</strong>s werden, das in das ewige Leben quillt (Joh 4,<br />

13-14). Im 22. Kapitel der Offenbarung erblickt Johannes das Neue Jerusalem und sieht einen<br />

Strom lebendigen <strong>Wasser</strong>s, klar wie Kristall, der ausgeht von <strong>dem</strong> Thron Gottes und des<br />

Lammes; mitten <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Platz und <strong>auf</strong> beiden Seiten des Stromes Bäume des Lebens, die<br />

tragen zwölfmal Früchte, jeden Monat bringen sie ihre Frucht, und die Blätter der Bäume dienen<br />

zur Heilung der Völker (Offb 22,1-2).<br />

3.2.4 Die <strong>Wasser</strong>symbolik in kirchlichen Vollzügen– T<strong>auf</strong>e<br />

Im Sakrament der T<strong>auf</strong>e, die ihr rituelles Gepräge nach <strong>dem</strong> Vorbild der T<strong>auf</strong>e Jesu im Jordan<br />

entwickelt, fließen Elemente der <strong>Wasser</strong>symbolik beider biblischen Testamente zusammen.<br />

Ursprünglich wurden die Täuflinge nicht nur mit <strong>dem</strong> T<strong>auf</strong>wasser besprengt, sondern tauchten<br />

vollständig in einem T<strong>auf</strong>becken unter. Durch sein Untergehen im <strong>Wasser</strong> der T<strong>auf</strong>e ver-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

23


3.2 Christliches Ursymbol <strong>Wasser</strong><br />

eint sich der Täufling mit <strong>dem</strong> Christus, der in Tod und Grab hinuntergestiegen ist, und wird<br />

eben dadurch Teilhaber am Leben auch des <strong>auf</strong>erstandenen Christus. Paulus schreibt dazu im<br />

Römerbrief: „Wisst ihr nicht, dass alle, die wir <strong>auf</strong> Christus Jesus get<strong>auf</strong>t sind, die sind in seinen<br />

Tod get<strong>auf</strong>t? So sind wir ja mit ihm begraben durch die T<strong>auf</strong>e in den Tod, damit, wie<br />

Christus <strong>auf</strong>erweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem<br />

neuen Leben wandeln“ (Röm 6,1-4). Das T<strong>auf</strong>wasser, das Bild des Grabes Christi, wird damit<br />

zugleich zum „Bad der Wiedergeburt“ (Tit 3,5; vgl. Joh 3,5), das <strong>dem</strong> Menschen das Leben<br />

der Kinder Gottes schenkt (vgl. Gal 3,26f; 1. Joh 3,9; 5,18).<br />

Martin Luther betont ebenfalls die Zeichenhaftigkeit des <strong>Wasser</strong>s in der T<strong>auf</strong>e. Er schreibt im<br />

Kleinen Katechismus: Was bedeutet denn solche <strong>Wasser</strong>t<strong>auf</strong>e? Es bedeutet, dass der Alte Adam<br />

in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden<br />

und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und <strong>auf</strong>erstehen ein neuer Mensch,<br />

der in Gerechtigkeit und Reinigkeit vor Gott ewiglich lebe.<br />

Es ist eine Frucht der ökumenischen Bemühungen im 20. Jahrhundert, dass die eine T<strong>auf</strong>e <strong>auf</strong><br />

Jesus Christus als das alle Christen über Konfessionsgrenzen hinweg einende Band wieder<br />

entdeckt wurde Diese Gemeinsamkeit in der einen T<strong>auf</strong>e wurde deutschlandweit am 29. April<br />

2007 durch die sog. Magdeburger T<strong>auf</strong>erklärung über die wechselseitige T<strong>auf</strong>anerkennung<br />

von elf Mitgliedskirchen der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Deutschland im<br />

Dom zu Magdeburg feierlich erklärt: „Jesus Christus ist unser Heil. Durch ihn hat Gott die<br />

Gottesferne des Sünders überwunden (Römer 5,10), um uns zu Söhnen und Töchtern Gottes<br />

zu machen. Als Teilhabe am Geheimnis von Christi Tod und Auferstehung bedeutet die T<strong>auf</strong>e<br />

Neugeburt in Jesus Christus. Wer dieses Sakrament empfängt und im Glauben Gottes Liebe<br />

bejaht, wird mit Christus und zugleich mit seinem Volk aller Zeiten und Orte vereint. Als ein<br />

Zeichen der Einheit aller Christen verbindet die T<strong>auf</strong>e mit Jesus Christus, <strong>dem</strong> Fundament<br />

dieser Einheit. Trotz Unterschieden im Verständnis von Kirche besteht zwischen uns ein<br />

Grundeinverständnis über die T<strong>auf</strong>e. Deshalb erkennen wir jede nach <strong>dem</strong> Auftrag Jesu im<br />

Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes mit der Zeichenhandlung des<br />

Untertauchens im <strong>Wasser</strong> bzw. des Übergießens mit <strong>Wasser</strong> vollzogene T<strong>auf</strong>e an und freuen<br />

uns über jeden Menschen, der get<strong>auf</strong>t wird. Diese wechselseitige Anerkennung der T<strong>auf</strong>e ist<br />

Ausdruck des in Jesus Christus gründenden Bandes der Einheit (Epheser 4,4-6). Die so vollzogene<br />

T<strong>auf</strong>e ist einmalig und unwiederholbar.“<br />

24<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


3.3 Die Bedeutung des <strong>Wasser</strong>s in verschiedenen Religionen<br />

3.3 Die Bedeutung des <strong>Wasser</strong>s in verschiedenen Religionen<br />

3.3.1 <strong>Wasser</strong> im Islam 5<br />

<strong>Wasser</strong> wird im Islam als besonders segensreich empfunden. Allah schenkt den Menschen das<br />

<strong>Wasser</strong>, das Leben und Natur wachsen lässt. In islamischer Paradiesvorstellung nimmt das<br />

kühlende, erfrischende <strong>Wasser</strong> eine zentrale Rolle ein. Es wird in Verbindung gebracht mit<br />

ewiger Jugend, Schönheit, immergrünen Pflanzen und Unsterblichkeit. Der Garten, in <strong>dem</strong><br />

das kühle, reine <strong>Wasser</strong> ewig fließt, ist der Aufenthaltsort für das ewige Leben des Rechtgläubigen.<br />

Der Prophet Mohammed, der die Gläubigen im Paradies empfängt, steht in der<br />

Nähe eines paradiesischen Flusses. <strong>Wasser</strong> steht <strong>dem</strong> Gerechten, Rechtgläubigen zur Verfü–<br />

gung. Dem Ungerechten, <strong>dem</strong> Verbrecher, entzieht Allah <strong>Wasser</strong>, seine Gärten trocknen aus,<br />

seine Brunnen versiegen. <strong>Wasser</strong> ist ein Urbild der Reinheit. Der äußeren wie inneren Reinigung<br />

dienen die Waschungen vor <strong>dem</strong> Gebet und die vorgeschriebnen Waschungen vor <strong>dem</strong><br />

Besuch der Moschee. Diese Waschungen sind in festgelegter Weise durchzuführen: zuerst die<br />

Waschung der Hände, dann des Gesichts, der Unterarme und der Füße. Diese Waschung dient<br />

nicht nur der körperlichen Gesundheit, sondern auch der geistigen Vorbereitung <strong>auf</strong> das Gebet.<br />

Das Trinken aus einer heiligen Quelle gehört zur Pilgerreise nach Mekka.<br />

3.3.2 <strong>Wasser</strong> im Hinduismus 6<br />

<strong>Wasser</strong> hat im Hinduismus einen außerordentlich hohen Stellenwert. <strong>Wasser</strong> gilt als Urquelle<br />

des Lebens. Es wird als einziges der Elemente selbst als „unsterblich“ bezeichnet und ist<br />

Grundlage der Schöpfung. Nach hinduistischer Auffassung wird die Welt erschaffen, nach<br />

einer gewissen Zeit <strong>auf</strong>gelöst, um wieder neu zu entstehen. <strong>Wasser</strong> ist die Ursubstanz, die<br />

auch nach der Welt<strong>auf</strong>lösung übrig bleibt. Nach der Zerstörung der Welt erfolgt vor der Neuschöpfung<br />

eine Ruhepause, in der der Gott Vishnu <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Urwasser schläft. Vishnu sagt von<br />

sich: „Ich bin der uranfängliche Erzeuger, er, der <strong>Wasser</strong> ist, das erste Wesen, die Quelle des<br />

Lebens.“ Auch der Schöpfergott Brahma, der aus Vishnu entsteht, hat <strong>Wasser</strong> getrunken, was<br />

ihn erst fähig macht, tätig zu werden. <strong>Wasser</strong> transportiert die Seelen zum Ort des ewigen<br />

Lebens, entweder der Erlösung zu, <strong>dem</strong> eigentlichen ewigen Leben ohne Wiedergeburt, oder<br />

zu der Existenz als Ahne, der nach einer gewissen Zeit eine weitere irdische Geburt vor sich<br />

hat. Welchen Weg die Seele letztlich beschreitet, hängt nicht von ihrem freien Willen ab, sondern<br />

von den guten oder schlechten Taten im letzten Leben. Der Mensch kann aber in seinem<br />

irdischen Leben direkt dieses Schicksal beeinflussen. Durch Baden an heiligen Stätten an den<br />

Ufern der Flüsse, durch rituelle Waschungen mit heiligem <strong>Wasser</strong> werden Sünden abgespült,<br />

die Seele gereinigt.<br />

So berichten die Heiligen Schriften der Hindu in ihren Richtlinien ausführlich über das Ritual<br />

beim Morgengebet eines Gläubigen, besonders eines Brahmanen. Er muss sich frühmorgens<br />

waschen und zwar möglichst in fließen<strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong>. Bevor er ins <strong>Wasser</strong> taucht, gießt er <strong>Wasser</strong><br />

über seinen Körper. Wenn er in Richtung Ost, West und Süd das <strong>Wasser</strong> sprenkelt, spricht<br />

er jeweils ein Gebet. Bevor er seinen Körper mit Asche bestreicht, trinkt er einen Schluck<br />

5 nach: „<strong>Wasser</strong> im Islam“, aus: Religion betrifft uns 3/2001, S. 28.<br />

6 nach: Informationen aus: Schule und Mission 3–1992/93, S. 189 und Religion betrifft uns, Lernzirkel <strong>Wasser</strong><br />

ist Leben, 3/2001.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

25


3.3 Die Bedeutung des <strong>Wasser</strong>s in verschiedenen Religionen<br />

<strong>Wasser</strong> und betet, dass er innerlich gereinigt werde. Dann sprenkelt er <strong>Wasser</strong> über den Hausaltar,<br />

über die Gegenstände, die für die heiligen Riten gebraucht werden und über die Statuen.<br />

Da die Flüsse Ganges und Kaveri heilig sind, werden die Leichen am Ufer verbrannt und die<br />

Asche unter ständigem Gebet der Anwesenden in das fließende <strong>Wasser</strong> gestreut. Hindus, die<br />

an der Küste wohnen, bringen die Asche ihrer Toten zum Meer. Es wird geglaubt, dass sich<br />

die Toten dadurch <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Pfad der Erlösung befinden. <strong>Wasser</strong> erlöst nicht nur die Seelen<br />

vom Kreisl<strong>auf</strong> der Wiedergeburt, sondern erfüllt auch den Wunsch nach ewiger Schönheit,<br />

Jugend und verlängert das irdische Leben. <strong>Wasser</strong> gilt als Urgrund des Lebens und als Allheilmittel<br />

gegen Krankheiten.<br />

3.3.3 <strong>Wasser</strong> im Buddhismus 7<br />

Im Buddhismus gelten Schlangen und <strong>Wasser</strong>geister als Freunde und früheste Verehrer des<br />

Buddhas. Als die Mutter Maya den zukünftigen Buddha gebar, näherten sich aus der Luft<br />

zwei Schlangenkönige. Sie produzierten zwei <strong>Wasser</strong>ströme, einen heißen und einen kalten,<br />

womit sie das gerade geborene Kind wuschen. Aus diesem <strong>Wasser</strong> entstanden der Legende<br />

nach zwei Teiche, von denen der eine heute noch kalt und der andere warm sein soll. <strong>Wasser</strong>genien<br />

sind besondere Schutzgeister des Buddha und Hüter seiner Lehre. Nagarjuna, der später<br />

die buddhistische Lehre nach Tibet gebracht hat, hat diese in den Tiefen des <strong>Wasser</strong>s von<br />

den dort lebenden Schlangen empfangen. Der Überlieferung nach nahm ihn ein Schlangenkönig<br />

mit in sein Reich in den tiefen <strong>Wasser</strong>regionen der Welt und zeigte ihm sieben Kisten mit<br />

Schriften, in denen die Weisheit niedergelegt ist. Nach dreimonatigem Studium in der Unterwasserwelt<br />

kehrte er mit den Schriften, die er nun verstanden hatte, <strong>auf</strong> die Erde zurück, um<br />

diese Wahrheit den Menschen zu unterbreiten.<br />

<strong>Wasser</strong> wird auch als Sinnbild für den Strom der Lehre gebraucht. Die buddhistische Lehre<br />

wird dabei als Fluss begriffen, der überquert werden muss. Buddha benutzt dieses Gleichnis,<br />

z.B. eine große Menschenmenge steht am Rande eines über die Ufer getretenen Flusses, kennt<br />

dessen Tiefe nicht und scheut sich, ihn zu überqueren. Die Menschen stehen dort solange, bis<br />

einer von ihnen mutig in den Strom geht und schließlich ans andere Ufer gelangt. Als die<br />

Menschenschar sieht, dass er am anderen Ufer steht, überquert auch sie den Fluss. Die buddhistische<br />

Lehre soll sein wie ein Fluss der durch sein Fließen die Seelen der Erlösung zuführt.<br />

7 aus: Religion betrifft uns, 3/2001, S. 30.<br />

26<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – Die Bedeutung des <strong>Wasser</strong>s im Licht der Riten und gottes–<br />

dienstlichen Feiern der verschiedenen Konfessionen 8<br />

4.1 Osterwasser – T<strong>auf</strong>e – Christwerden als Sterben und Auferstehen mit Christus<br />

Sowohl in den alten als auch in den modernen Osternachtfeiern wird das Zusammenfließen<br />

des <strong>Wasser</strong>s mit <strong>dem</strong> Ostergeheimnis in den Lesungen der Osternacht deutlicht gemacht. Sie<br />

beginnen mit der Schöpfungsgeschichte und führen uns durch die biblischen Erzählungen von<br />

der Befreiung aus <strong>dem</strong> und durch das <strong>Wasser</strong>. Hier werden insbesondere die Sintflut und die<br />

Arche erwähnt, der Durchzug durch das Rote Meer und die Schilderung in Exodus, als Gott in<br />

der Wüste <strong>Wasser</strong> aus einem Felsen quellen lässt. Diese Bibelerzählungen von Gottes Befrei-<br />

ungshandeln durch <strong>Wasser</strong> sind ein Vorgeschmack der Auferstehung Christi und unserer ei-<br />

genen Auferstehung mit ihm durch das <strong>Wasser</strong> der T<strong>auf</strong>e.<br />

Liturgisch wird die Verbindung zwischen <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> und <strong>dem</strong> Sterben und Auferstehen Jesu<br />

in der Osternachtfeier mit der Segnung des T<strong>auf</strong>wassers zum Ausdruck gebracht, besonders<br />

wenn Täuflinge ihren T<strong>auf</strong>glauben bekennen, zu <strong>dem</strong> lebendigen <strong>Wasser</strong> kommen und zu<br />

Mitgliedern der Familie Christi, der Kirche, erklärt werden. Mit oder ohne Täuflinge erinnert<br />

8 aus: Sieben Wochen im Zeichen des <strong>Wasser</strong>s 2010: Heilige <strong>Wasser</strong>, hrsg. von Ökumenisches <strong>Wasser</strong>netzwerk<br />

(ÖWN) (download unter: http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenisches-wassernetzwerkoewn/ressourcen-und-links/sieben-wochen-fuer-wasser/ueber-die-kampagne/archiv/2010-heiligewasser.html?tx_wecdiscussion%5Bsingle%5D=2074<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

das Osterwasser an unsere eigene T<strong>auf</strong>e und wird zum Brennpunkt für die Erneuerung unseres<br />

T<strong>auf</strong>glaubens im Kreuz und in der Auferstehung Christi.<br />

Die … Sieben Wochen im Zeichen des <strong>Wasser</strong>s erinnern an die tiefsten liturgischen Wurzeln<br />

der T<strong>auf</strong>e und T<strong>auf</strong>vorbereitung, die das Herzstück der Fastenzeit sind, und stellen die Ver-<br />

wendung von <strong>Wasser</strong> durch die Kirchen im Gottesdienst heraus. Durch die Jahrhunderte hin-<br />

durch haben die Christen erkannt, dass die Kirche im öffentlichen Gebet am deutlichsten sie<br />

selbst ist – denn wenn zwei oder drei um den Tisch des Wortes, das T<strong>auf</strong>becken und den A-<br />

bendmahlstisch versammelt sind, ist der <strong>auf</strong>erstandene Christus mitten unter ihnen. Was die<br />

christliche Gemeinschaft in ihrem öffentlichen Gottesdienst sagt und tut, empfängt und feiert,<br />

verkündet und prägt, was sie glaubt. Wie sich die Gemeinschaft in Communio mit <strong>dem</strong> drei-<br />

einigen Gott erfährt, wird zur lebendigen Quelle für ihr Nachdenken darüber, was sie glaubt,<br />

was sie ist und wie sie als Leib Christi in der Welt handeln sollte.<br />

Dementsprechend hat das, was die christliche Gemeinschaft beim Gottesdienst im Zusam-<br />

menhang mit <strong>Wasser</strong> sagt und tut – T<strong>auf</strong>wasser, die T<strong>auf</strong>e des Herrn, die <strong>Wasser</strong>weihe zur<br />

Theophanie, die Fußwaschung, die Jesus an seinen Jüngern vornimmt und alle anderen litur-<br />

gischen Verwendungen im öffentlichen Gottesdienst –, tiefe Implikationen für das christliche<br />

Verständnis und Bewusstsein von <strong>Wasser</strong> heute. Dass wir im Gottesdienst <strong>Wasser</strong> verwenden<br />

– und wie wir es verwenden und wie viel davon – hat Konsequenzen. Die liturgische Ver-<br />

wendung von <strong>Wasser</strong> in der christlichen Gemeinschaft kann eine reichhaltige Quelle für die<br />

theologische Reflexion darüber sein, was <strong>Wasser</strong> bedeutet und wie wir mit ihm umgehen. Das<br />

Maß, in <strong>dem</strong> die Christen die Heiligkeit des <strong>Wasser</strong>s im Gottesdienst erfahren, wird auch mit-<br />

bestimmen, wie sich die Kirchen mit anderen Glaubensgemeinschaften, Regierungen, Um-<br />

weltschützern und allen, die sich heute für einen gerechten und ethisch vertretbaren Umgang<br />

mit <strong>Wasser</strong> einsetzen, engagieren.<br />

Wir wollen diese Sieben Wochen im Zeichen des <strong>Wasser</strong>s mit einem Gebet aus der Os-<br />

ternachtfeier abschließen, das bei der Segnung des T<strong>auf</strong>wassers gesprochen wird. Mögen wir<br />

glauben, was wir beten, und leben, was wir glauben:<br />

„Bei der T<strong>auf</strong>e verwenden wir deine Gabe des <strong>Wasser</strong>s,<br />

das du zu einem reichen Symbol der Gnade gemacht hast,<br />

die du uns mit diesem Sakrament<br />

zuteil werden lässt.<br />

Am Anfang der Schöpfung schwebte dein Geist <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong><br />

und machte <strong>Wasser</strong> zur Quelle aller Heiligkeit.“<br />

(Freie Übersetzung aus <strong>dem</strong> Englischen)<br />

John Gibaut ist Direktor der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung des Ökumenischen<br />

Rates der Kirchen. Er ist Mitglied der Anglikanischen Kirche von Kanada und war<br />

vierzehn Jahre lang Professor an der theologischen Fakultät der Saint Paul University in Ottawa,<br />

wo er unter anderem liturgische Theologie lehrte.<br />

28<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

4.2 Fußwaschung – Christsein ist Dienst am Nächsten<br />

Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von<br />

Gott gekommen war und zu Gott ging, da stand er vom Mahl <strong>auf</strong>, legte sein Obergewand ab<br />

und nahm einen Schurz und umgürtete sich. Danach goss er <strong>Wasser</strong> in ein Becken, fing an,<br />

den Jüngern die Füße zu waschen, und trocknete sie mit <strong>dem</strong> Schurz, mit <strong>dem</strong> er umgürtet<br />

war. (Johannes 13,3-5)<br />

Die Politik der wechselseitigen Verwundbarkeit leben<br />

Für die meisten christlichen Traditionen stehen im Mittelpunkt der von Jesus vollzogenen<br />

Handlung die einfachen Elemente Brot und Wein und das nicht so einfache Geheimnis des<br />

Leibes Christi, der in der Welt gegenwärtig ist, wenn sich die Gemeinde zur Wiederholung<br />

des letzten Abendmahls versammelt. Doch bevor Jesus seinen Jüngern das Brot und den<br />

Kelch reichte, vollzog er eine andere Handlung, die in vielen Kirchen fast vergessen ist – er<br />

goss <strong>Wasser</strong> in ein Becken und kniete nieder, um ihre Füße zu waschen.<br />

Einer der Gründe dafür, dass Gruppen innerhalb der anabaptistisch-mennonitischen Tradition<br />

das Ritual der Fußwaschung beibehalten haben, ist schlicht und einfach, dass Christus es be-<br />

fohlen hat: „Wenn ich nun, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt<br />

auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr<br />

tut, wie ich euch getan habe“ (Joh 13,14-15). Auf einer tieferen Ebene ist die gegenseitige<br />

Fußwaschung jedoch eine verwandelnde politische Praxis, die in den Gläubigen eine ausge-<br />

prägt christliche Weise des Engagements in der Welt ausbildet.<br />

In den vergangenen zehn Jahren ist es über viele Fragen zu heftigen Auseinandersetzungen<br />

zwischen Christen gekommen, besonders vielleicht im Zusammenhang mit <strong>dem</strong> Umgang mit<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

der Schöpfung. Die Gipfeltreffen in Kyoto und Kopenhagen haben die Christen im Westen<br />

tief gespalten in der Frage, wie die Kirche <strong>auf</strong> Probleme wie Klimawandel, Umweltzerstö-<br />

rung, <strong>Wasser</strong>rechte und Zugang zu natürlichen Ressourcen reagieren sollte. Und weil im Zu-<br />

sammenhang mit diesen Fragen offenbar so viel <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Spiel steht, sind die Aktivisten <strong>auf</strong><br />

beiden Seiten entschlossen, ihre Sache aggressiv durchzufechten – im üblichen Rahmen des<br />

politischen Engagements: Ressourcen mobilisieren, strategische Allianzen bilden, den PR-<br />

Kampf für sich entscheiden und alles tun, um die Machtinhaber von ihrer Zukunftsvision zu<br />

überzeugen.<br />

Die Praxis der Fußwaschung stellt viele dieser Prinzipien in Frage. Jesus hat wiederholt ver-<br />

sucht, die Jünger von Standardvorstellungen darüber abzubringen, was Macht ist. „Wer unter<br />

euch groß sein will, der sei euer Diener“, sagte er (Mt 20,26); wenn ihr ins Himmelreich<br />

kommen wollt, „werdet wie die Kinder“ (Mt 18,3); wenn ihr die Ersten sein wollt, stellt euch<br />

hinten an. Dies waren keineswegs perverse Aufforderungen zum Selbsthass oder Aufrufe zur<br />

Selbstgefälligkeit in Situationen der Unterdrückung. Vielmehr forderte Jesus seine Jünger<br />

heraus, sich einem Leben in wechselseitiger Verwundbarkeit zu verschreiben, das im Vertrau-<br />

en <strong>auf</strong> Gottes überreicher Liebe wurzelt. In<strong>dem</strong> er seinen Jüngern die Füße wusch, bot Jesus<br />

eine physische, verkörperte Darstellung dieser neuen Politik an – einer Politik, die weit dra-<br />

matischer noch in seinem Tod und seiner Auferstehung veranschaulicht wurde, in denen die<br />

Macht „in der Schwäche zur Vollkommenheit geführt“ wurde.<br />

Wenn Christen niederknien, um einander die Füße zu waschen, dann üben sie eine alternative<br />

Politik aus – eine verwundbare, aber zugleich zuversichtliche Daseinsweise in der Welt, die<br />

die bloße Logik traditioneller Formen des Aktivismus – ob links oder rechts – in Frage stellt.<br />

In <strong>dem</strong> reinigenden <strong>Wasser</strong> bei der Fußwaschung lernen Christen, anderen Gutes zu tun in<br />

einer Haltung freiwilliger und wechselseitiger Unterwerfung. In unserer wechselseitigen Ver-<br />

wundbarkeit wird Gottes verwandelnde, geheimnisvolle, versöhnende Gegenwart in der Welt<br />

sichtbar.<br />

John D. Roth ist Professor für Geschichte und Direktor der Mennonite Historical Library am<br />

Goshen College in Indiana, USA. Er ist auch Herausgeber der Mennonite Quarterly Review.<br />

4.3 <strong>Wasser</strong> des Lebens – <strong>Wasser</strong> zum Leben<br />

30<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

„Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem <strong>Wasser</strong> trinkt, den wird wieder dürsten;<br />

wer aber von <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten,<br />

sondern das <strong>Wasser</strong>, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des <strong>Wasser</strong>s wer-<br />

den, das in das ewige Leben quillt. Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches <strong>Wasser</strong>,<br />

damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!“ Johannes 4,13-15<br />

Nipe maji ninywe, maji ya uzima Yesu akasema mmesha yapata… (gib mir zu trinken, das<br />

lebendige <strong>Wasser</strong>, Jesus antwortet, du hast es bereits… ) – so heißt es in einem bekannten<br />

Swahili-Lied, das davon erzählt, wie groß in Kenia das Bedürfnis und Verlangen nach <strong>Wasser</strong><br />

ist. Viele Menschen bitten auch heute noch: Gebt uns <strong>Wasser</strong>, wie können wir <strong>Wasser</strong> be-<br />

kommen?<br />

Die Degradation der <strong>Wasser</strong>einzugsgebiete infolge von Entwaldung, Bodendegradation und<br />

industriellen Aktivitäten in diesen Gebieten hat zu unermesslichem Leid geführt und sich ne-<br />

gativ <strong>auf</strong> die Wirtschaft ausgewirkt. Der gegenwärtige Streit um den Mau-Wald – <strong>dem</strong> größ-<br />

ten aller <strong>Wasser</strong>einzugsgebiete in Kenia – ist nur die Spitze des Eisbergs. Anhaltende Dürre-<br />

perioden, Ausbruch der Cholera sowie heftige Überschwemmungen verursachen Tod und<br />

Verwüstung und bringen Leid über viele Menschen. Hintergründe für solche Ereignisse sind<br />

fehlender Zugang zu sauberem <strong>Wasser</strong>, Missmanagement der natürlichen Ressourcen, Um-<br />

weltzerstörung, soziale Ungleichheiten, unzulängliche sanitäre Grundversorgung und Armut.<br />

Vor diesem Hintergrund fand vor kurzem eine presbyterianische T<strong>auf</strong>e von rd. 80 Erwachse-<br />

nen aus der Massai-Gemeinschaft in Kijiado (einem semiariden Gebiet in Kenia) statt. Sie<br />

wurden in einem eigens für diesen Zweck ausgehobenen Becken (einem tieferen Trog ähn-<br />

lich) get<strong>auf</strong>t. Weil die Flüsse in dieser Zeit kein <strong>Wasser</strong> führen, musste das <strong>Wasser</strong> für die<br />

T<strong>auf</strong>e gek<strong>auf</strong>t werden und hat 2000 K.Sh. gekostet (rd. 19 Euro). Das ist ziemlich viel Geld in<br />

einer Region, wo Mensch und Vieh verhungern und verdursten. Doch die Täuflinge entschie-<br />

den sich für T<strong>auf</strong>wasser, anstatt das Geld für Nahrung und <strong>Wasser</strong> zu verwenden, und sie ent-<br />

schieden sich auch für eine T<strong>auf</strong>e durch Untertauchen. Selbst für die Säuglinge musste der<br />

Geistliche im <strong>Wasser</strong> stehen, auch wenn er diese durch Begießen t<strong>auf</strong>te. Nach der T<strong>auf</strong>e<br />

drängten die Gemein<strong>dem</strong>itglieder dann zu <strong>dem</strong> – inzwischen verschmutzten – restlichen Was-<br />

ser, um damit ihr Vieh zu tränken.<br />

Diese Geschichte ist ein Bild der Wirklichkeit, in der viele Gemeinschaften leben. Es scheint<br />

eine starke Wechselbeziehung zwischen <strong>dem</strong> T<strong>auf</strong>wasser und <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> für den täglichen<br />

Gebrauch zu bestehen. Das T<strong>auf</strong>wasser steht für das Leben, für die Gnade Gottes und für Er-<br />

neuerung und Hoffnung. In <strong>dem</strong> Wunsch dieser bestimmten Gemeinschaft nach T<strong>auf</strong>wasser,<br />

auch zu einem hohen Preis, spiegelt sich aber auch das gleichermaßen große Verlangen nach<br />

der Versorgung mit <strong>Wasser</strong> für den täglichen Gebrauch.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

In einem solchen Kontext ist es nach wie vor das <strong>Wasser</strong>, das den Menschen das Evangelium<br />

bringt und die Möglichkeit zu einem anderen Leben bietet. Städtische Kirchen und andere, die<br />

Zugang zu <strong>Wasser</strong> haben, sowie diejenigen Kirchen, die am Muster der T<strong>auf</strong>e im Jordan fest-<br />

halten möchten, planen den Bau ihrer Kirchen so, dass neben <strong>dem</strong> Altar ein größeres T<strong>auf</strong>be-<br />

cken Platz findet, das für den T<strong>auf</strong>gottesdienst geöffnet und mit <strong>Wasser</strong> gefüllt werden kann.<br />

Andere vollziehen die T<strong>auf</strong>e in Schwimmbecken. Die Mehrzahl der traditionellen Großkir-<br />

chen vollzieht die T<strong>auf</strong>e durch Begießen. Wenn ich die verschiedenen Praktiken miteinander<br />

vergleiche, komme ich zu <strong>dem</strong> Schluss, dass die Menschen, denen am meisten nach physi-<br />

schem <strong>Wasser</strong> dürstet, noch mehr nach T<strong>auf</strong>wasser dürstet.<br />

In <strong>dem</strong> Gespräch, das Jesus mit der Samariterin führt (Johannes 4,7-15), bittet die Frau Jesus<br />

um lebendiges <strong>Wasser</strong>. Natürlich brauchte sie auch das <strong>Wasser</strong> aus <strong>dem</strong> Brunnen Jakobs, aber<br />

mehr noch brauchte sie das lebendige <strong>Wasser</strong>. Gott schenkt der Welt Jesus und Jesus schenkt<br />

sich selbst der Welt als lebendiges <strong>Wasser</strong>. Dieses lebendige <strong>Wasser</strong> steht als Bild für den<br />

Segen, der sich stets erneuert und der wie eine Quelle nie versiegt. Durch die Menschen, die<br />

unter <strong>Wasser</strong>armut leiden, bittet Christus auch heute noch um etwas zu trinken, um <strong>Wasser</strong>,<br />

um lebendiges <strong>Wasser</strong>. Mögen wir in dieser Fastenzeit, in der wir uns einer Reihe von An-<br />

nehmlichkeiten enthalten, um den Schmerz anderer nachempfinden zu können, auch zu kon-<br />

kreten Vorschlägen gelangen, wie den Vielen eine Antwort gegeben werden kann, die auch<br />

heute noch rufen: Gebt uns <strong>Wasser</strong>… lebendiges <strong>Wasser</strong>!<br />

Lucy Wambui Waweru von der Presbyterianischen Kirche von Ostafrika versieht zurzeit ihren<br />

Dienst in der Vereinigten Kirche (Anglikaner, Methodisten und Presbyterianer) in Lavington/Nairobi.<br />

32<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

4.4 <strong>Wasser</strong>weihe – Theophanie – Hochfest der Orthodoxen Kirche<br />

Und als Jesus get<strong>auf</strong>t war, stieg er alsbald her<strong>auf</strong> aus <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong>. Und siehe, da tat sich ihm<br />

der Himmel <strong>auf</strong>, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren und über sich kom-<br />

men. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dies ist mein lieber Sohn, an <strong>dem</strong><br />

ich Wohlgefallen habe. Matthäus 3,16-17<br />

In der heiligen Tradition und in der Liturgie der östlich-orthodoxen Kirchen hat das <strong>Wasser</strong><br />

eine tiefe symbolische Präsenz. Im Sakrament der T<strong>auf</strong>e ist das <strong>Wasser</strong> eng verbunden mit<br />

<strong>dem</strong> Fest der Theophanie, das am 6. Januar gefeiert wird. Die Theophanie (von griech. the-<br />

ophania, was „Erscheinung oder Manifestierung Gottes in der Welt“ bedeutet) ist eines der<br />

wichtigen Feste der orthodoxen Kirche und offenbart der Welt die allerheiligste Trinität durch<br />

die T<strong>auf</strong>e des Herrn durch Johannes den Täufer, <strong>dem</strong> Vorläufer, in den <strong>Wasser</strong>n des Jordans.<br />

Das Fest bezeichnet das Ende der heiligsten Zeit im Kirchenjahr, der „heiligen zwölf Tage“<br />

zwischen der Geburt des Logos, unseres Gottes und Heilands Jesus Christus, am 25. Dezem-<br />

ber und der Theophanie, wenn die drei Personen der heiligen Trinität bei seiner T<strong>auf</strong>e anwe-<br />

send sind.<br />

Das Fest beginnt am 5. Januar mit <strong>dem</strong> „Vorfest der Theophanie“, bei <strong>dem</strong> im Anschluss an<br />

die Heilige Liturgie die erste <strong>Wasser</strong>weihe (mikros agiasmos) vorgenommen wird. Am 6.<br />

Januar erfolgt nach der Heiligen Liturgie dann die zweite <strong>Wasser</strong>weihe (megas agiasmos). In<br />

der südlichen Hemisphäre findet diese Zeremonie im Sommer statt, in der nördlichen im Win-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

ter. In beiden Fällen handelt es sich um ein traditionelles und freudiges Fest, das die orthodo-<br />

xe christliche Identität zum Ausdruck bringt.<br />

Die Zeremonie des heiligen <strong>Wasser</strong>s findet im Kirchengebäude statt, doch überall <strong>auf</strong> der<br />

Welt, wo immer möglich, in der Nähe von offenen Gewässern: an Flüssen, Seen oder am<br />

Meer. Als Zeichen der Segnung so, wie Christus das <strong>Wasser</strong> des Jordans segnete, wird Weih-<br />

wasser in ein Gewässer gegossen (See, Fluss, Teich oder Strom) und ein Kreuz ins <strong>Wasser</strong><br />

geworfen (das anschließend von Tauchern, die dadurch gesegnet werden, wieder herausgeholt<br />

wird).<br />

Das beim Fest der Theophanie gesegnete Weihwasser wird den Gläubigen zu trinken gege-<br />

ben, um ihre Gesundheit zu stärken und ihren Leib zu segnen. In den Wochen nach der The-<br />

ophanie machen Priester vielerorts Hausbesuche und nehmen mit <strong>dem</strong> Weihwasser, das an<br />

Theophanie gesegnet wurde, Segnungszeremonien vor.<br />

Wir sind in heiligem <strong>Wasser</strong> get<strong>auf</strong>t worden: heilig, weil es gesegnet wurde, heilig, weil es<br />

lebenserhaltend ist, heilig, weil es Ursprung und Grund allen Lebens ist. Durch die T<strong>auf</strong>e sind<br />

wir Christen geworden, da wir im Heiligen Geist Gottes get<strong>auf</strong>t worden sind. Die zentrale<br />

Botschaft des Festes der Theophanie lautet: Jesus ist get<strong>auf</strong>t worden, doch auch wir sind ge-<br />

t<strong>auf</strong>t worden in seinem Namen und im Namen Gottes, des Vaters, und des Heiligen Geistes.<br />

Die Segnung des <strong>Wasser</strong>s zum Fest der Theophanie ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass die<br />

ganze Schöpfung mit der heilig machenden Gegenwart Gottes erfüllt sein muss. Auch wenn<br />

verschmutztes <strong>Wasser</strong> <strong>auf</strong> diese Weise gesegnet wird, muss es die orthodoxe Kirche dennoch<br />

als „heiliges <strong>Wasser</strong>“ ansehen. Diese Anomalie – oder dieser Widerspruch – verweist <strong>auf</strong> den<br />

skandalösen Unterschied zwischen <strong>dem</strong> orthodoxen Verständnis von der Heiligkeit der<br />

Schöpfung und der Entweihung dieser Gabe Gottes durch den Menschen.<br />

Zum Abschluss möchte ich aus einer Botschaft Seiner Heiligkeit, des Ökumenischen Patriar-<br />

chen Bartholomaios, aus <strong>dem</strong> Jahre 2005 zitieren: „Daraus folgt, dass <strong>Wasser</strong> die Tiefe des<br />

Lebens und die Berufung zur Verklärung des Kosmos bedeutet. <strong>Wasser</strong> darf niemals als Pri-<br />

vateigentum betrachtet oder behandelt werden, noch darf es ein Mittel zum Zweck der Ver-<br />

wirklichung individueller Interessen sein. Gleichgültigkeit gegenüber der lebenswichtigen<br />

Bedeutung des <strong>Wasser</strong>s ist Lästerung Gottes, des Schöpfers, und ein Verbrechen gegen die<br />

Menschlichkeit.“<br />

2010 ist wieder ein Jahr, in <strong>dem</strong> alle Christen die Auferstehung Jesu Christi, unseres Gottes<br />

und Heilands, am selben Tag feiern. Wenn wir in diesen sieben Wochen im Zeichen des Was-<br />

sers und in dieser heiligen Fastenzeit zur Vorbereitung <strong>auf</strong> Ostern über die Botschaft der The-<br />

ophanie nachdenken, dann bitten wir auch darum, dass unsere gemeinsame Osterfeier in die-<br />

sem Jahr ein Symbol der Einheit unter den Christen wie auch unserer gemeinsamen Sorge um<br />

die Heiligkeit des <strong>Wasser</strong>s sein möge.<br />

Lic. Elias Crisostomo Abramides von der Griechisch-Orthodoxen Erzdiözese von Buenos<br />

Aires und Südamerika lebt in Buenos Aires, Argentinien. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe<br />

des Ökumenischen Rates der Kirchen zum Klimawandel.<br />

34<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

4.5 T<strong>auf</strong>e des Herrn<br />

Zu der Zeit kam Jesus aus Galiläa an den Jordan zu Johannes, dass er sich von ihm t<strong>auf</strong>en<br />

ließe. Aber Johannes wehrte ihm und sprach: Ich bedarf dessen, dass ich von dir get<strong>auf</strong>t wer-<br />

de, und du kommst zu mir? Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Lass es jetzt geschehen!<br />

Denn so gebührt es uns, alle Gerechtigkeit zu erfüllen. Da ließ er’s geschehen. Mt 3,13-15<br />

Jesu T<strong>auf</strong>e durch Johannes im Jordan ist ein grundlegendes Bild, an das heute bei praktisch<br />

jeder christlichen T<strong>auf</strong>e erinnert wird. Für die ersten Christen musste Jesu T<strong>auf</strong>e durch Johan-<br />

nes allerdings etwas irritierend gewesen sein. Schließlich sahen damals viele Menschen in<br />

Johannes einen Rivalen Jesu. Manche glaubten, Johannes sei Gottes letztes Wort der Offenba-<br />

rung gegenüber den Menschen, und es gibt heute noch Gruppen, die das glauben. Daher könn-<br />

te die Tatsache, dass Jesus zu Johannes kam, um von ihm get<strong>auf</strong>t zu werden, die Behauptun-<br />

gen der Anhänger des Johannes erhärtet haben.<br />

Die Erzählung von der T<strong>auf</strong>e Jesu im Neuen Testament ist vielleicht weniger als biografische<br />

Aufzeichnung wichtig als vielmehr als ein Paradigma für jede christliche T<strong>auf</strong>e. Die T<strong>auf</strong>e<br />

Jesu durch Johannes war wie die christliche T<strong>auf</strong>e einzigartig, wurde von einer anderen Per-<br />

son gespendet, eröffnete den Zugang zu einem neuen Leben und bedeutete Erkenntnis des<br />

Hereinbrechens des Reiches Gottes in die Angelegenheiten der Welt. Am bedeutsamsten aber<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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4. „Heilige <strong>Wasser</strong>“ – <strong>Wasser</strong> im Licht der Riten der verschiedenen Konfessionen<br />

ist, dass Jesus bei seiner T<strong>auf</strong>e die Gabe des Heiligen Geistes zuteil wurde und eine Stimme<br />

vom Himmel die besondere Beziehung zwischen Jesus und seinem Vater verkündete.<br />

Die Christen bekennen in ihrer T<strong>auf</strong>praxis, dass Gott den neu Get<strong>auf</strong>ten die Gabe des Heili-<br />

gen Geistes verleiht. Da Jesus bei seiner T<strong>auf</strong>e „Christus – der Gesalbte“ wurde, wird jeder<br />

neue Christ in der T<strong>auf</strong>e ebenfalls „Christus – ein Gesalbter“. Und da am Jordan die besonde-<br />

re Vater-Sohn-Beziehung angekündigt wurde, werden die Get<strong>auf</strong>ten in diese Beziehung mit<br />

Gott eingegliedert. Viele Religionen der Welt verwenden <strong>Wasser</strong> in ihren Initiationsriten,<br />

doch sind die Christen die einzigen, die bekennen, dass Gott sie in ihrer T<strong>auf</strong>e mit <strong>dem</strong> Heili-<br />

gen Geist ausstattet.<br />

Es sollte uns nicht verwundern, dass alle Christen Jahrhunderte lang in „lebendigem“ (d.h. in<br />

reichlich vorhandenem, vorzugsweise fließen<strong>dem</strong>) <strong>Wasser</strong> t<strong>auf</strong>en wollten. Diese großzügige<br />

Verwendung von <strong>Wasser</strong> bei der T<strong>auf</strong>e erinnert an ihre Symbolik von Tod und neuem Leben.<br />

Wenn <strong>Wasser</strong> <strong>auf</strong> diese Weise verwendet wird, dann wird die Bedeutung, die Christen mit der<br />

T<strong>auf</strong>e verbinden, vor den Augen der Gemeinde, die diese zugleich todbringende wie le-<br />

benspendende T<strong>auf</strong>handlung miterlebt, erkennbar: sie ist Teilhabe an Christi Tod und Aufer-<br />

stehung (Röm 6,3-5; Kol 2,12); Reinwaschung von Sünde (1. Kor 6,11); eine neue Geburt<br />

(Joh 3,5); und die Erfahrung der Rettung aus <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> (1. Petr 3,20-21).<br />

Im L<strong>auf</strong>e der Jahrhunderte haben sich die meisten Kirchen jedoch angewöhnt, so wenig Was-<br />

ser zu verwenden, dass die starke Symbolik der T<strong>auf</strong>handlung kaum noch zu erkennen ist. Die<br />

wenigen Tropfen, mit denen der Täufling besprengt oder begossen wird, sagen sowohl <strong>dem</strong><br />

Täufling als auch der anwesenden Gemeinde wenig über Tod und Neugeburt. Die symboli-<br />

schen Eigenschaften des <strong>Wasser</strong>s müssen als solche erst erklärt werden, da sie nicht länger für<br />

sich selbst sprechen wie es der Fall wäre, wenn sie großzügig und freigiebig verwendet wür-<br />

den.<br />

Viele Kirchen erneuern heute ihre T<strong>auf</strong>praxis, so dass die T<strong>auf</strong>symbolik wieder für sich selbst<br />

sprechen kann. Die Passionszeit <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Weg nach Ostern bietet sich den Kirchen geradezu<br />

an, um über ihre T<strong>auf</strong>praktiken nachzudenken und sich zu fragen, ob diese deutlich genug <strong>auf</strong><br />

die Realitäten verweisen, für die sie stehen.<br />

David Holeton ist Professor für Liturgie an der Karlsuniversität in Prag und verantwortlicher<br />

Priester der altkatholischen Kirchengemeinde der Hl. Maria Magdalena an der Moldau.<br />

36<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

5. Ökumenische Gottesdienstmodelle und liturgische Gestaltungselemente<br />

5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst 9<br />

5.1.1 Erläuterung des Grundmodells und seiner ökumenischen Bedeutung<br />

Ökumenische T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienste haben inzwischen in zahlreichen Gemeinden einen<br />

festen Platz im geistlichen Leben. Bei unterschiedlichen Anlässen werden sie in Verbindung<br />

mit ökumenischen Begegnungen gefeiert. [… ] Das Thema „Schöpfung“ bietet sich für die<br />

Konkretisierung dieses Modells an, da in der T<strong>auf</strong>e das von Gott geschenkte Leben dankbar<br />

bedacht wird, und die Get<strong>auf</strong>ten zugleich bekennen, im Geist Jesu Christi eine neue Schöpfung<br />

zu sein. Dies hat auch ethische Bedeutung im Blick <strong>auf</strong> die gemeinsame Sorge für die<br />

Bewahrung der Schöpfung.<br />

Meilensteine bei der Entdeckung der ökumenischen T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienste waren der<br />

Evangelischen Kirchentag 1985 in Düsseldorf und der Katholikentag 1986 in Aachen. Bei<br />

diesen Gelegenheiten wurden erstmals ökumenische T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienste gefeiert.<br />

Damit wurden Anregungen der 1982 in Lima verabschiedeten Konvergenzerklärungen der<br />

Kommission für Glaube und Kirchenverfassung des Ökumenischen Rates der Kirchen über<br />

T<strong>auf</strong>e, Eucharistie und Amt <strong>auf</strong>genommen und umgesetzt.<br />

Die mittlerweile breite ökumenische Praxis knüpft an die in vielen kirchlichen Traditionen<br />

beheimateten Formen der T<strong>auf</strong>erinnerung an. In unterschiedlicher Weise und in unterschiedlichem<br />

Ausmaß sind sie in den einzelnen Kirchen verankert, jeweils eingebettet in einen<br />

spezifischen Kontext geistlichen und liturgischen Lebens.<br />

Ein traditioneller, altkirchlich verwurzelter Ort der T<strong>auf</strong>erinnerung ist die Feier der Osternacht.<br />

In der katholischen Liturgie ist dieser frühe Brauch der T<strong>auf</strong>erneuerung der ganzen<br />

Gemeinde am stärksten bewahrt und ausgestaltet worden. Ergänzt wird diese zentrale gottesdienstliche<br />

Tradition durch andere Handlungen und Riten, die die Dimension der T<strong>auf</strong>erinnerung<br />

einschließen. Vor allem die Bekräftigung des T<strong>auf</strong>glaubens bei der Firmung und der<br />

Erstkommunion gehört dazu. Aber auch die sonntägliche Besprengung mit Weihwasser<br />

(Asperges), das Kreuzzeichen mit Weihwasser am Eingang der Kirche oder die Besprengung<br />

des Sarges beim Begräbnis verweisen <strong>auf</strong> den Bezugskontext der T<strong>auf</strong>e.<br />

In den konfessionellen Traditionen der evangelischen Landeskirchen stellt die Konfirmation<br />

den zentralen und klassischen Ort der T<strong>auf</strong>erneuerung dar. Im Anschluss daran haben Gottesdienste<br />

zu Konfirmationsjubiläen einen breiten Eingang in die gottesdienstliche Praxis der<br />

Gemeinden gefunden. Hinzu kommen zunehmend weitere und vielfältige kontextbezogene<br />

und zielgruppenorientierte Formen des T<strong>auf</strong>gedächtnisses. Im Abl<strong>auf</strong> des Kirchenjahres steht<br />

am 6. Sonntag nach Trinitatis bei der Verkündigung thematisch die T<strong>auf</strong>erinnerung im Mittelpunkt.<br />

Nicht in allen Traditionen ist die T<strong>auf</strong>erinnerung gleichermaßen ausgebildet und verankert. In<br />

der orthodoxen Tradition taucht sie eher beiläufig als explizit <strong>auf</strong>, wie z.B. im Zusammenhang<br />

der <strong>Wasser</strong>weihe am Fest der T<strong>auf</strong>e Jesu. Auch in den meisten evangelischen Freikirchen hat<br />

das Element der T<strong>auf</strong>erinnerung keine ausgeprägte gottesdienstliche Form gefunden. Vornehmlich<br />

in der Verkündigung und der T<strong>auf</strong>predigt, sowie in persönlichen Zeugnissen werden<br />

die Glaubenden an ihre eigene T<strong>auf</strong>e erinnert. Nur vereinzelt gibt es (vor allem in der menno-<br />

9 aus: Umkehr ökumenisch feiern. Theologische Grundlagen und Praxismodelle. Erarbeitet von Paul<br />

Deselaers, Matthias Haudel, Michael Kappes, Assaad Elias Kattan, Eugenie Neugebauer, Dorothea Sattler<br />

und Klaus Peter Voß in Verbindung mit der <strong>ACK</strong> in Nordrhein-Westfalen, Frankfurt a.M. – Paderborn 2011,<br />

S. 115–127.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

37


5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

nitischen Tradition) die Feier von T<strong>auf</strong>jubiläen. Eine agendarische Gestalt hat die Erneuerung<br />

des T<strong>auf</strong>bundes bzw. die Feier zur Erneuerung des Bundes mit Gott in der Evangelischmethodistischen<br />

Kirche.<br />

Grundlegende theologische Basis der ökumenischen Feiern ist die Überzeugung, dass die<br />

T<strong>auf</strong>e eine konfessionsübergreifende Relevanz und Dimension hat und ein sichtbares Zeichen<br />

und Band der Einheit in Christus verkörpert. Die Vereinbarung über die gegenseitige Anerkennung<br />

der T<strong>auf</strong>e, die 2007 im Magdeburger Dom unterzeichnet wurde, geschah <strong>auf</strong> der<br />

Grundlage dieses fundamentalen ökumenischen Konsenses. Sie war für die beteiligten Kirchen<br />

ein feierlicher und sichtbarer Ausdruck dafür und ist als ein Markstein des ökumenischen<br />

Miteinanders der Kirchen in Deutschland zu betrachten. Angesichts noch nicht überwundener<br />

Differenzen konnten sich allerdings nicht alle Kirchen der <strong>ACK</strong> an dieser gegenseitigen<br />

T<strong>auf</strong>anerkennung beteiligen (täuferische Freikirchen und einige orientalisch-orthodoxe<br />

Kirchen). Vor diesem Hintergrund ist es umso dringlicher, sich bei ökumenischen T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdiensten,<br />

wo immer möglich, um integrierende Gestaltungsformen zu bemühen<br />

(Impulse dazu in der Arbeitshilfe „T<strong>auf</strong>gedächtnis und Glaubenserneuerung“ – Texte aus der<br />

Ökumenischen Centrale Nr. 7).<br />

Der ökumenische T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst orientiert sich am Grundmuster der Wort-<br />

Gottes-Feier bzw. <strong>dem</strong> Predigtgottesdienst. Zentrale Elemente sind die T<strong>auf</strong>erinnerung und<br />

die gemeinsame Neuverpflichtung. Sie stehen im Mittelpunkt der gottesdienstlichen Feier.<br />

Ein gemeinsamer Akt des Bekennens des einen verbindenden trinitarischen Glaubens, verbunden<br />

mit Lesungen und Gebeten und begleitet von Symbolen und Zeichenhandlungen, die<br />

<strong>auf</strong> die T<strong>auf</strong>e Bezug nehmen (<strong>Wasser</strong>ritus, Kerzen, Segensgeste), geben <strong>dem</strong> Gottesdienst<br />

seine besondere Signatur. Das Leben im Glauben als Geschenk und Gabe der Neuschöpfung<br />

in Christus soll sichtbar und lebendig werden. Im Rückgang <strong>auf</strong> die T<strong>auf</strong>e werden der geistliche<br />

Grund und die Quelle der Umkehr und Erneuerung freigelegt und vergegenwärtigt.[… ]<br />

5.1.2 Struktur und Verl<strong>auf</strong><br />

1. Eröffnung<br />

Musik/Gesang<br />

Gruß und Einführung<br />

Schuldbekenntnis<br />

Christusanrufung<br />

Gebet<br />

2. Verkündigung und T<strong>auf</strong>gedächtnis<br />

Lesung<br />

Antwortgesang<br />

(Lesung des Evangeliums)<br />

Auslegung<br />

Lobpreis<br />

38<br />

Abkürzungen<br />

A Alle/Gemeinde<br />

G Gemeinde<br />

L Liturg/in<br />

S Sprecher/in<br />

Gesang<br />

Zeichenhandlung<br />

Gesang<br />

Glaubensbekenntnis<br />

(Gesang)<br />

3. Abschluss<br />

Fürbitten<br />

Vaterunser<br />

Sendung/Segen/Entlassung<br />

Musik/Gesang<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

(Orgel-) Musik zum Eingang<br />

Einzug<br />

der mitwirkenden Liturgen aus den beteiligten Gemeinden mit Kreuz, Bibel, Kerze, Blumen,<br />

einem gefüllten <strong>Wasser</strong>krug und einer <strong>Wasser</strong>schale. Die Symbolgegenstände werden <strong>auf</strong> <strong>dem</strong><br />

Altar/im Chorraum für alle sichtbar abgestellt.<br />

Eingangslied<br />

Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren GL 258 / EG 316<br />

Eingangsvotum – Begrüßung<br />

L Im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.<br />

A Amen.<br />

L Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns<br />

gegeben ist. (Röm 5,5).<br />

Unser Herr Jesus Christus, dessen Namen wir seit unserer T<strong>auf</strong>e tragen, sei mit euch.<br />

A: Und mit deinem Geiste.<br />

L Liebe Schwestern und Brüder.<br />

Als Christen aus verschiedenen Kirchen feiern wir diesen Gottesdienst. Gott hat uns zu<br />

einem Volk berufen, über alle Trennungen hinweg. Unser Glaube, der uns eint, und<br />

unsere T<strong>auf</strong>e, die wir empfangen haben, verbinden uns in Jesus Christus. Er ist der<br />

Anfang der neuen Schöpfung, die Quelle unserer Hoffnung und das Fundament unseres<br />

Heils. In diesem Gottesdienst wollen wir uns gemeinsam erinnern lassen an den<br />

Reichtum der Gnade, der uns in der T<strong>auf</strong>e zugesprochen ist. Christus, zu <strong>dem</strong> wir gehören,<br />

er stärkt unseren Glauben und gibt uns Kraft und Orientierung für unser Leben<br />

und Handeln heute.<br />

Lied Nun jauchzt <strong>dem</strong> Herren alle Welt GL 474 / EG 288<br />

Sündenbekenntnis<br />

Bußgebet<br />

S1: Gott, Schöpfer allen Lebens,<br />

der sichtbaren und der unsichtbaren Welt,<br />

du hast mit uns einen Bund geschlossen<br />

und willst uns nahe sein.<br />

Du kennst<br />

unsere Herzen,<br />

unsere Gedanken<br />

und unser Handeln.<br />

Wir entfernen uns von dir und voneinander,<br />

wo wir die Gaben deiner Schöpfung<br />

zurückweisen,<br />

vernachlässigen,<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

39


40<br />

5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

missbrauchen,<br />

ausbeuten,<br />

zerstören,<br />

er-schöpfen.<br />

S2: Wir entfernen uns von dir und voneinander,<br />

wo wir <strong>auf</strong> Kosten der anderen leben,<br />

wo wir ihnen die Luft zum Atmen,<br />

den Boden unter den Füßen,<br />

die Lebens-Grundlage<br />

und Wege in die Zukunft nehmen.<br />

Wir entfernen uns von dir und voneinander,<br />

wo wir unsere eigenen Schwächen übersehen:<br />

unsere Bequemlichkeit,<br />

unseren verschwenderischen Lebensstil,<br />

unseren hohen Energieverbrauch,<br />

unsere Unachtsamkeit,<br />

im Kleinen und für das Große.<br />

S3: Gott, der Schöpfer allen Lebens,<br />

der sichtbaren und der unsichtbaren Welt,<br />

lenke unsere Herzen, unsere Gedanken<br />

und unser Handeln zu ihm hin,<br />

damit wir gemeinsam und füreinander<br />

die Sorge lernen für die Bewahrung<br />

seiner Schöpfung – damit alle leben können.<br />

G: Amen<br />

aus: MISEREOR, Fastenaktion 2009 „Gottes Schöpfung bewahren - damit alle leben können“, Liturgische Bausteine, Aachen 2009, S. 63.<br />

Gnadenzuspruch<br />

L Gott sagt seinem Volk sein Erbarmen zu. In seiner Gnade verheißt er:<br />

Ich gieße <strong>Wasser</strong> <strong>auf</strong> den dürstenden Boden, rieselnde Bäche <strong>auf</strong> das trockene Land.<br />

Ich gieße meinen Geist über deine Nachkommen aus und meinen Segen über deine<br />

Kinder (Jes 44,3)<br />

Nachlass, Vergebung und Verzeihung unserer Sünden gewähre uns der allmächtige<br />

und barmherzige Herr.<br />

Anrufung<br />

L Gott, Schöpfer und Herr der Welt,<br />

du hast alles, was ist, ins Leben gerufen. Du hast uns dazu bestimmt, deine Ebenbilder<br />

zu sein, um deine Schöpfung zu schützen und zu bewahren.<br />

G Kyrie eleison (gesungen oder gesprochen)<br />

L Herr Jesus Christus, Erlöser und Versöhner,<br />

du hast uns zu Gliedern an deinem Leib gemacht.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

Mit der T<strong>auf</strong>e hast du uns in deine Nachfolge gerufen.<br />

G Kyrie eleison<br />

L Gott, Heiliger Geist, Beistand und Erneuerer,<br />

du erfüllst unsere Herzen mit der Kraft deiner Liebe.<br />

In einer bedrohten und zerrissenen Welt<br />

ermutigst du uns, für Gerechtigkeit und Frieden zu wirken.<br />

G Kyrie eleison<br />

Gebet<br />

L Gott, du bist die Quelle des Lebens. In deinem Licht sehen wir das Licht. Dich preisen<br />

wir für die Werke deiner Schöpfung. Dein schöpferisches Wort steht am Anfang dieser<br />

Welt und unseres Daseins. Es ist der Urgrund allen Lebens. In Christus hast Du dein<br />

vollmächtiges Wort der Liebe und Gnade erneuert. Heil und Rettung wirkst du, wo<br />

Unheil und Zerstörung unser Leben bedrohen. Erleuchte uns durch deinen Geist und<br />

lass uns gemeinsam neu den Reichtum deiner Gnade erkennen und die Würde der Berufung<br />

ergreifen, die uns in der T<strong>auf</strong>e zuteil geworden ist.<br />

G Amen.<br />

Lied Herr, Jesu Christ, dich zu uns wend EG 155 / GL 516<br />

Lesung Tit 3,4-8 (oder Röm 6,3-8)<br />

Antwortpsalm Psalm 95,1-7 ( als Psalmodie oder mit gesungenem Kehrvers)<br />

Evangelium Joh 3,1-6 (oder Mt 28,16-20)<br />

G Halleluja (gesungen)<br />

Predigt<br />

Lied Ich lobe meinen Gott, der aus der Tiefe mich holt EG 638<br />

Hinführung zum T<strong>auf</strong>gedächtnis<br />

L: In diesem Gottesdienst dürfen wir persönlich und gemeinsam annehmen und erneuern,<br />

wozu wir in der T<strong>auf</strong>e berufen sind. Wir wollen bekräftigen, was uns im Leben leitet<br />

und trägt und uns miteinander als Glieder am Leib Christi verbindet. Gott, der uns von<br />

falschen Wegen erlöst und befreit, ruft uns zu immer neuen Umkehr zu ihm <strong>auf</strong>.<br />

Wir sind gerufen, mit Gottes Schöpfung verantwortungsvoll umzugehen. Als Zeichen<br />

für neues und lebendiges Leben wollen wir in Erinnerung an Gottes Zusage, die er uns<br />

in unserer T<strong>auf</strong>e gegeben hat, gleich einander mit <strong>Wasser</strong> segnen und senden.<br />

<strong>Wasser</strong>meditation<br />

Aus einem Krug wird <strong>Wasser</strong> in Schalen gegossen.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

41


5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

(Alternativ können die Liturgen mit der Gemeinde auch zum T<strong>auf</strong>stein/T<strong>auf</strong>brunnen gehen<br />

und dort die <strong>Wasser</strong>schalen mit <strong>Wasser</strong> aus <strong>dem</strong> T<strong>auf</strong>brunnen füllen. Dann stellt sich die Gemeinde<br />

im Halbkreis um den T<strong>auf</strong>stein/T<strong>auf</strong>brunnen.)<br />

L1 Ohne <strong>Wasser</strong> gibt es kein Leben. Es erquickt und belebt.<br />

In der Bibel ist das <strong>Wasser</strong> ein elementares Zeichen der Schöpfung.<br />

Menschen und Tiere, Bäume und Pflanzen können ohne <strong>Wasser</strong> nicht existieren.<br />

<strong>Wasser</strong> erinnert an die grundlegenden Gaben und gefährdeten Güter der Schöpfung.<br />

L2 <strong>Wasser</strong> ist aber auch Zeichen bedrohlicher und tödlicher Urgewalt.<br />

Im Anfang, so heißt es bei der Erschaffung der Erde, schwebte Gottes Geist über den<br />

<strong>Wasser</strong>n. Mitten in den Urgewalten des Chaos schafft Gott Raum zum Leben.<br />

L3 In der Geschichte von der großen Flut, in der alles untergeht, rettet Gott Noah in der<br />

Arche.<br />

Beim Durchzug durch das Rote Meer befreit Gott die Töchter und Söhne Abrahams<br />

aus der Hand ihrer Bedränger und führt sie in das Land der Verheißung.<br />

L1 <strong>Wasser</strong> wird zum Zeichen des neuen Lebens, Zeichen der rettenden Macht Gottes.<br />

L2 Die T<strong>auf</strong>e Jesu offenbart die heilbringende Zeitenwende. Jesus, der die T<strong>auf</strong>e des Johannes<br />

empfängt, stellt sich an die Seite der Sünder. Er ist der gesandte und vom Geist<br />

göttlicher Liebe erfüllte Gottessohn.<br />

L3 Das <strong>Wasser</strong> unserer T<strong>auf</strong>e, die wir im Namen Christi empfangen haben, ist ein Zeichen<br />

der in Christus angebrochenen Neuschöpfung. Es ist Symbol der erneuernden<br />

Kraft Gottes. Gott gibt uns Anteil am Tod und an der Auferstehung Jesu Christi. Er<br />

macht uns im Glauben gewiss, dass unsere Schuld vergeben ist und dass wir teilhaben<br />

an einem neuen Leben in seinem Geist.<br />

Lied Nun singe Lob, du Christenheit EG 265 / GL 638<br />

oder<br />

Lied Laudate omnes gentes Taizé / EG 181.6<br />

Glaubensbekenntnis (Ökumenisches Glaubensbekenntnis von Nizäa–Konstantinopel<br />

381)<br />

L Mit den Worten des Ökumenischen Bekenntnisses wollen wir unseren gemeinsamen<br />

Glauben bekennen.<br />

G Wir glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen…<br />

Verpflichtung <strong>auf</strong> den T<strong>auf</strong>bund<br />

L Das ist unser gemeinsamer Glaube, der uns trägt und in <strong>dem</strong> unser Leben gründet.<br />

Durch Gottes Geist will er Gestalt gewinnen in unserem Denken und Handeln.<br />

Deshalb frage ich Euch:<br />

Ihr habt den Glauben bekannt an Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den<br />

Urheber und Freund des Lebens. Wollt Ihr euch mit seiner Gnade nach Kräften einset-<br />

42<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

zen für einen achtungsvollen Umgang mit <strong>dem</strong> Leben, für die Bewahrung der Schöpfung?<br />

G Ja, das wollen wir.<br />

L Ihr habt den Glauben bekannt an Jesus Christus, den Erlöser der Welt.<br />

Wollt Ihr mit euren Worten und Taten Boten seines Heils und seiner Liebe sein, euch<br />

mit seiner Hilfe einsetzen für Gerechtigkeit und Frieden unter den Menschen?<br />

G Ja, das wollen wir.<br />

L Ihr habt den Glauben bekannt an den Heiligen Geist, der Gemeinschaft schenkt und<br />

das Leben erneuert. Wollt Ihr euch mit seiner Kraft einsetzen für eine wachsende Einheit,<br />

für ein geschwisterliches Zusammenleben der Kirchen und für Versöhnung unter<br />

den Völkern?<br />

G Ja, das wollen wir.<br />

L Der dreieinige Gott, in dessen Namen wir get<strong>auf</strong>t wurden, der Vater und der Sohn und<br />

der Heilige Geist, spreche zu unserem menschlichen Ja sein göttliches Amen.<br />

Er stärke unseren Glauben, unsere Hoffnung und unsere Liebe. Er schenke zu unserem<br />

Wollen das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen.<br />

G Amen.<br />

Lied Ich bin get<strong>auf</strong>t <strong>auf</strong> deinen Namen EG 200<br />

(oder: Ich bin get<strong>auf</strong>t und Gott geweiht GL 635)<br />

Zeichenhandlung – Segensgeste<br />

L Als Zeichen der Verbundenheit wollen wir uns einander Gottes Frieden zusprechen<br />

und dies mit einer Geste des Segens verbinden, in<strong>dem</strong> wir mit <strong>Wasser</strong> die Hand des<br />

Nachbarn berühren und ihm sagen: „Christus sagt: Ich bin das Leben. Er segne und<br />

begleite dich.“<br />

<strong>Wasser</strong>schalen werden weitergereicht. Jeder, der möchte, taucht seine Hand in das <strong>Wasser</strong><br />

und berührt die Hand des Nachbarn, macht dabei ein Kreuzzeichen in dessen Hand oder/und<br />

spricht ihm das Segenswort zu. Während der Zeichenhandlung: Orgelspiel und nachfolgendes<br />

Lied.<br />

Lied Strahlen brechen viele aus einem Licht EG 268<br />

Fürbitten<br />

S1 Herr, unser Gott, Schöpfer und Vater, du bist die Quelle des Lebens.<br />

Dein Namen wurde über uns ausgerufen am Tag unserer T<strong>auf</strong>e.<br />

Hilf uns, behutsam und gerecht mit den Gaben und Gütern deiner Schöpfung umzugehen.<br />

Darum bitten wir dich:<br />

G Herr, erbarme dich. (gesprochen oder gesungen)<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

43


5.1 Ökumenischer T<strong>auf</strong>gedächtnisgottesdienst<br />

S2 Herr, unser Gott, dein Sohn Jesus Christus, hat sich hingegeben für uns.<br />

Seine Liebe befreit uns von Angst und Schuld.<br />

Er stiftet Versöhnung und macht uns zu Gliedern an seinem Leib.<br />

Hilf uns, für Einheit zu wirken und Mauern zu überwinden.<br />

Darum bitten wir dich:<br />

G Herr, erbarme dich.<br />

S3 Herr, unser Gott, dein Geist erneuert und verwandelt. Er bringt Erstarrtes in<br />

Bewegung.<br />

Seit unserer T<strong>auf</strong>e erfüllt er unsere Herzen.<br />

Stärke unseren Glauben und unsere Liebe. Hilf uns, Boten der Hoffnung zu sein.<br />

Darum bitten wir Dich:<br />

G Herr, erbarme dich.<br />

Vaterunser<br />

L Gemeinsam beten wir, wie Christus uns zu beten gelehrt hat:<br />

Vater unser…<br />

Sendung und Segen<br />

L Wir haben gemeinsam unseren Glauben bekannt und unserer T<strong>auf</strong>e gedacht. Gott, der<br />

uns berufen hat, sendet uns in diese Welt. Er sagt uns zu, gegenwärtig zu sein, wo wir<br />

in seinem Namen handeln. Sein Segen begleitet uns.<br />

L Gott, der Herr, segne euch und behüte euch.<br />

Der Herr lasse sein Angesicht über euch leuchten und sei euch gnädig.<br />

Er wende euch sein Antlitz zu und schenke euch Frieden.<br />

G Amen .<br />

Auszug / Orgelnachspiel<br />

Verwandte Literatur<br />

⎯ Die Feier des T<strong>auf</strong>gedächtnisses. Liturgische Handreichung. Hg. im Auftrag der Kirchenleitung<br />

der Vereinigten Evangelisch Lutherischen Kirche Deutschlands vom Amt der<br />

VELKD, Hannover 2007.<br />

⎯ Gottes Schöpfung feiern. Schöpfungstag und Schöpfungszeit – 1. September bis Erntedank.<br />

Arbeitshilfe der <strong>ACK</strong>. Ökumenischen Centrale, Frankfurt am Main 2008.<br />

⎯ Klaus Peter Voß, Die Liturgie der T<strong>auf</strong>erinnerung und ihre ökumenische Dimension. Ein<br />

Werkstattbericht. In: Klaus Peter Voß, Ökumene und freikirchliches Profil. Beiträge zum<br />

zwischenkirchlichen Gespräch, Berlin 2008, S. 178-192.<br />

⎯ Ökumenische Gottesdienste. Anlässe, Modelle und Hinweise für die Praxis. Hg. vom<br />

Deutschen Liturgischen Institut, Trier, und vom Gottesdienst-Institut der Evangelisch–<br />

Lutherischen Landeskirche in Bayern, Nürnberg, Freiburg i.Br. 2003.<br />

44<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „<strong>Wasser</strong>"<br />

5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „<strong>Wasser</strong>" 10<br />

Vorbemerkung<br />

Unsere Gottesdienstvorlage will kein fertiges Konzept liefern, sondern soll vor allem auch<br />

zur Anregung für eigene Ideen dienen.<br />

Das Thema „<strong>Wasser</strong>" mit <strong>dem</strong> Psalmvers „Bei dir ist die Quelle des Lebens, in deinem Licht<br />

schauen wir das Licht" (Ps 36,10) diente uns zur Inspiration.<br />

Der Gottesdienstgemeinde soll im Verl<strong>auf</strong> des Wortgottesdienstes die Symbolkraft des<br />

<strong>Wasser</strong>s verdeutlicht werden. Deshalb macht es Sinn, mit <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> im Wortgottesdienst<br />

direkt in Berührung zu kommen, damit das gesprochene Wort auch zu einer sinnlichen Er-<br />

fahrung werden kann. Hierfür haben wir nach der Ansprache zur Lesung genügend Raum<br />

für eine Meditation mit Symbolhandlung vorgesehen. Das gemeinsame Beten und Feiern<br />

von gemischtkonfessionellen Christen soll allen zu einem Quell des Lebens werden.<br />

Vorbereitung<br />

Vor <strong>dem</strong> Gottesdienst sollte in der Mitte des Altarraumes oder <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Altar eine große<br />

(Glas-)Schale mit <strong>Wasser</strong> gestellt werden. Schön wäre es, diese Stelle mit bunten Tüchern zu<br />

gestalten. Wenn die versammelte Gemeinde zu groß ist, können im Altarraum auch meh-<br />

rere <strong>Wasser</strong>schalen <strong>auf</strong>gestellt werden. Die stärkste Symbolkraft hätte allerdings das mit<br />

<strong>Wasser</strong> gefüllte T<strong>auf</strong>becken anstelle der Schale.<br />

Abkürzungen:<br />

V: Vorsteher / Leiter des Wortgottesdienstes; L: Lektor; A: Alle; EG: Evangelisches Ge-<br />

sangbuch; GL: Gotteslob; TB: Troubadour<br />

Eröffnungslied: GL 270 / EG 599 oder GL 638 / EG 265<br />

Begrüßung und Hinführung zum Thema:<br />

V: Erinnern Sie sich noch an ihre letzte Wanderung an einem heißen Sommertag? Viel-<br />

leicht waren sie erschöpft und durstig und sehnten sich nach einer Erfrischung. Schließlich<br />

entdeckten sie zwischen moosbedeckten Steinen eine Quelle, aus der ihr kühles, klares<br />

<strong>Wasser</strong> hervorsprudelte. Diese Quelle war ein Geschenk und gab neue Kraft und Erfri-<br />

schung. Auch Gott will für uns so eine Quelle sein. Es liegt an uns wie viel wir daraus<br />

schöpfen. Denn bei Gott ist die Quelle des Lebens, in seinem Licht schauen wir das Licht.<br />

10 Melanie Bräundl, Melanie Jörg, Florian Kluger, Thema „<strong>Wasser</strong>“. Ökumenischer Wortgottesdienst mit Ju–<br />

gendlichen, in: Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36,6–10). Materialien für Gemeindearbeit und Gottes–<br />

dienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart – Eichstätt 2001, S. 30–33.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

45


5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „<strong>Wasser</strong>"<br />

Kyrie / Bußakt (nach Ps 36,6.7a.10)<br />

L1: „Herr deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, /<br />

46<br />

deine Treue, so weit die Wolken ziehn.“ (V 6)<br />

L2: Aber meine eigene Begrenztheit hindert mich daran, gütig und treu zu sein. So wie<br />

ich bin, bringe ich mich vor dich.<br />

A: Herr erbarme dich<br />

L1: „Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes, /<br />

deine Urteile sind tief wie das Meer.“ (V 7a)<br />

L2: Ich jedoch versuche oft nicht in die Tiefe des Meeres der Wahrheit vorzudringen,<br />

sondern bleibe mit meinem vorschnellen Urteilen an der Oberfläche der Ungerech–<br />

tigkeit.<br />

So wie ich bin, bringe ich mich vor dich.<br />

A: Christus erbarme dich<br />

L1: „Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, /<br />

in deinem Licht schauen wir das Licht.“ (V 10)<br />

L2: Die Sinnlichkeit deiner Lebensquelle bleibt mir nicht selten verborgen. Meinen<br />

Durst an dir zu stillen, vergesse ich schnell im Trubel der Zeit.<br />

So wie ich bin, bringe ich mich vor dich.<br />

A: Herr, erbarme dich<br />

Lied: GL 258 / EG 317 oder TB 133<br />

Lesung: Joh 4,7-15 (Die Frau am Jakobsbrunnen)<br />

Ansprache:<br />

Die Ansprache sollte eine Verbindung der Lesung zur anschließenden meditativen Symbol-<br />

handlung sein. Nach der Ansprache sollte die Gemeinde dazu eingeladen werden zur Was-<br />

serschale/T<strong>auf</strong>becken zu gehen und sich durch Eintauchen der Hand in das <strong>Wasser</strong> zu be-<br />

kreuzigen oder die Stirn zu benetzen.<br />

Hierbei kann der folgende Meditationstext vorgelesen und mit sanfter Meditationsmusik (evtl.<br />

Meeresrauschen) unterlegt werden.<br />

Meditationstext:<br />

<strong>Wasser</strong> reinigt und erfrischt uns.<br />

Das Plätschern der Wellen am See beruhigt uns.<br />

Die Quelle schenkt uns neues Leben.<br />

Ich möchte<br />

mit <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> des neuen Lebens<br />

übergossen<br />

eingetaucht<br />

gewaschen<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


Fürbitten:<br />

5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „<strong>Wasser</strong>"<br />

erneuert werden.<br />

Ich möchte<br />

mit <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> der Liebe<br />

mit <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> des Friedens<br />

mit <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> der Gerechtigkeit<br />

reingewaschen werden.<br />

Ich glaube, dass Gott für mich dieses lebendige <strong>Wasser</strong> ist.<br />

In diesem <strong>Wasser</strong> werde ich gewaschen und gehe als neuer Mensch hervor.<br />

Das Evangelium ist die Quelle, aus der ich leben darf. Hilf mir aus dieser<br />

Quelle zu schöpfen, so dass ich dich immer wieder neu erkenne. Ich lebe in<br />

diesem Bewusstsein,<br />

glaube und hoffe, dass Gott mich stets <strong>auf</strong>s Neue stärkt.<br />

Ich lebe mit dieser Hoffnung in der Gemeinschaft der Christen.<br />

Meine Seele dürstet nach Gott, nach <strong>dem</strong> lebendigen Gott.<br />

Ich vertraue dar<strong>auf</strong>, dass mein Durst nach dir, <strong>dem</strong> lebendigen Gott,<br />

stets gestillt wird.<br />

Du wäscht mich im <strong>Wasser</strong> deiner Barmherzigkeit rein.<br />

Lass mich selbst das klare und lebendige <strong>Wasser</strong> sein,<br />

dass anderen Menschen ihr Leben erfrischt.<br />

S 1: Herr, du hast der Frau am Jakobsbrunnen versprochen für immer ihren Durst zu<br />

stillen, wenn sie von deinem <strong>Wasser</strong> trinkt.<br />

Lass uns erkennen, dass du das <strong>Wasser</strong> des Lebens bist.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 2: Herr, du gibst uns Orte, an denen wir verweilen können.<br />

Hilf dass wir uns Zeit nehmen das Plätschern des <strong>Wasser</strong>s oder den Gesang der Vögel<br />

zu hören, um dir zu begegnen.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 3: Herr, du schenkst uns Sehnsucht nach lebendigem <strong>Wasser</strong>.<br />

Lass diese Sehnsucht einen festen Platz in unserem Leben haben und unversiegbar in<br />

uns sprudeln.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 1: Herr, deine Kraft ist frisch und stark.<br />

Gib uns den Glauben, dass du uns für den Alltag stärken und uns Ausdauer schen–<br />

ken willst.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

47


5.2 Ökumenischer Wortgottesdienst mit Jugendlichen zum Thema „<strong>Wasser</strong>"<br />

S 2: Herr, du bist für uns zur Quelle geworden, in<strong>dem</strong> du uns Jesus geschenkt hast.<br />

48<br />

Lass uns unseren Mitmenschen von deiner Liebe erzählen und lass uns die Liebe<br />

weitergeben, damit sie zu einer unversiegbaren Quelle wird.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 3: Herr, wir stehen als Menschen verschiedener Kirchen vor dir.<br />

Hilf uns, dass wir nicht wie Wellen gegeneinander prallen und im Tosen des Was–<br />

sers unterzugehen drohen. Lass uns einander respektvoll begegnen, weil wir alle im<br />

selben Fluss schwimmen.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

Lied: GL 644 / EG 263 oder TB 151 oder TB 132<br />

Vater unser<br />

Segensgebet:<br />

L: Herr, allmächtiger Gott, alles hat seinen Ursprung in dir.<br />

Segne uns, die wir uns mit <strong>dem</strong> lebensspendenden <strong>Wasser</strong> als Zeichen der Einheit<br />

und Reinigung benetzt haben.<br />

Wenn Krankheit und Gefahren und die Anfechtungen des Bösen uns bedrohen, dann<br />

lass uns deinen Schutz erfahren.<br />

Gib, dass die <strong>Wasser</strong> des Lebens allezeit für uns fließen und uns Rettung und<br />

Einheit bringen.<br />

Darum bitten wir durch Christus, unsern Herrn.<br />

A: Amen<br />

L: Und der Segen des allmächtigen Gottes, des Vaters und des Sohnes und des<br />

Heiligen Geistes, komme <strong>auf</strong> uns herab und bleibe bei uns allezeit.<br />

A: Amen<br />

Schlusslied: EG 171<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

1. Grundstruktur<br />

1. Eröffnung<br />

Eröffnungsruf<br />

(Einführung/Gebet)<br />

Musik/Gesang/Hymnus<br />

2. Psalmengebet<br />

1. Psalm<br />

2. Psalm<br />

3. Gesang aus <strong>dem</strong> Neuen Testa–<br />

ment (Canticum)<br />

3. Wort Gottes und Besinnung<br />

Lesung<br />

Antwortgesang<br />

4. Gebet<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

Predigt (Homilie)<br />

Besinnung<br />

Stille<br />

Lobgesang Mariens (Magnificat)<br />

Fürbitten<br />

5. Abschluss<br />

Vaterunser<br />

Schlussgebet<br />

Segen/ Sendung<br />

Schlusslied<br />

49


2. Verl<strong>auf</strong><br />

Orgelvorspiel<br />

Eröffnungsruf<br />

50<br />

5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

Liturg/in (= L): Herr, öffne meine Lippen,<br />

Gemeinde (= G): damit mein Mund dein Lob verkünde.<br />

Oder:<br />

Ehre sei <strong>dem</strong> Vater und <strong>dem</strong> Sohn und <strong>dem</strong> Heiligen Geist,<br />

wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit.<br />

Amen. (Halleluja.)<br />

L: Herr, tue meine Lippen <strong>auf</strong>,<br />

G: dass mein Mund deinen Ruhm verkündige.<br />

L: Gott, gedenke mein nach deiner Gnade.<br />

G: Herr, erhöre mich mit deiner treuen Hilfe.<br />

L: Ehre sei <strong>dem</strong> Vater und <strong>dem</strong> Sohne und <strong>dem</strong> Heiligen Geiste,<br />

G: Wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit.<br />

Amen. (Halleluja) (EG 727; s. auch RG 555)<br />

Begrüßung/Einführung<br />

Ich heiße Sie alle herzlich zu dieser Vesper willkommen.<br />

Sie steht unter <strong>dem</strong> Thema: „<strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens. Wir greifen<br />

damit das Schwerpunkthema des diesjährigen Ökumenischen Schöpfungstages bzw. der<br />

Schöpfungszeit <strong>auf</strong>, die <strong>dem</strong> „<strong>Wasser</strong>“ gewidmet ist.<br />

Der Impuls zu der Feier eines Ökumenischen Schöpfungsgottesdienstes in dieser Zeit des<br />

Kirchenjahres ging von der 3. Europäischen Ökumenischen Versammlung im September 2007<br />

in Hermannstadt/Sibiu in Rumänien aus. Vertreterinnen und Vertreter aller Konfessionsfami-<br />

lien in Europa haben empfohlen, „dass der Zeitraum zwischen <strong>dem</strong> 1. September und 4. Ok-<br />

tober <strong>dem</strong> Gebet für den Schutz der Schöpfung und der Förderung eines nachhaltigen Lebens-<br />

stils gewidmet wird, um den Klimawandel <strong>auf</strong>zuhalten.“ Die Arbeitsgemeinschaft Christli-<br />

cher Kirchen in Deutschland hat diese Empfehlung <strong>auf</strong>gegriffen und beschlossen am 1. Frei-<br />

tag im September beziehungsweise wo dies nicht möglich ist, im Zeitraum vom 1. September<br />

bis zum 4. Oktober eines jeden Jahres in ökumenischer Gemeinschaft einen „Tag der Schöp-<br />

fung“ zu feiern. Er findet in diesem Jahr das zweite Mal statt.<br />

[Wir feiern diesen Gottesdienst ökumenisch. Beteiligt sind: (Gemeinden nennen).]<br />

Wir bitten, dass Gottes Geist uns durch diesen Gottesdienst führt.<br />

Lied „Gott liebt diese Welt“ (GL 297/EG 409) oder<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

„Solang es Menschen gibt <strong>auf</strong> Erden“ (GL 300/EG 427)<br />

1. Psalm Psalm 104,1–24 (im Wechsel gesprochen)<br />

1 Lobe den Herrn, meine Seele! / Herr, mein Gott, wie groß bist du! / Du bist<br />

mit Hoheit und Pracht bekleidet.<br />

2 Du hüllst dich in Licht wie in ein Kleid, / du spannst den Himmel aus wie ein<br />

Zelt.<br />

3 Du verankerst die Balken deiner Wohnung im <strong>Wasser</strong>. / Du nimmst dir die<br />

Wolken zum Wagen, / du fährst einher <strong>auf</strong> den Flügeln des Sturmes.<br />

4 Du machst dir die Winde zu Boten / und lodernde Feuer zu deinen Dienern.<br />

5 Du hast die Erde <strong>auf</strong> Pfeiler gegründet; / in alle Ewigkeit wird sie nicht wan–<br />

ken.<br />

6 Einst hat die Urflut sie bedeckt wie ein Kleid, / die <strong>Wasser</strong> standen über den<br />

Bergen.<br />

7 Sie wichen vor deinem Drohen zurück, / sie flohen vor der Stimme deines<br />

Donners.<br />

8 Da erhoben sich Berge und senkten sich Täler / an den Ort, den du für sie<br />

bestimmt hast.<br />

9 Du hast den <strong>Wasser</strong>n eine Grenze gesetzt, / die dürfen sie nicht überschreit<br />

en; / nie wieder sollen sie die Erde bedecken.<br />

10 Du lässt die Quellen hervorsprudeln in den Tälern, / sie eilen zwischen den<br />

Bergen dahin.<br />

11 Allen Tieren des Feldes spenden sie Trank, / die Wildesel stillen ihren<br />

Durst daraus.<br />

12 An den Ufern wohnen die Vögel des Himmels, / aus den Zweigen erklingt<br />

ihr Gesang.<br />

13 Du tränkst die Berge aus deinen Kammern, / aus deinen Wolken wird die<br />

Erde satt.<br />

14 Du lässt Gras wachsen für das Vieh, / auch Pflanzen für den Menschen, die<br />

er anbaut, damit er Brot gewinnt von der Erde /<br />

15 und Wein, der das Herz des Menschen erfreut, damit sein Gesicht von Öl<br />

erglänzt / und Brot das Menschenherz stärkt.<br />

16 Die Bäume des Herrn trinken sich satt, / die Zedern des Libanon, die er ge–<br />

pflanzt hat.<br />

17 In ihnen bauen die Vögel ihr Nest, / <strong>auf</strong> den Zypressen nistet der Storch.<br />

18 Die hohen Berge gehören <strong>dem</strong> Steinbock, / <strong>dem</strong> Klippdachs bieten die Fel–<br />

en Zuflucht.<br />

19 Du hast den Mond gemacht als Maß für die Zeiten, / die Sonne weiß, wann<br />

sie untergeht.<br />

20 Du sendest Finsternis und es wird Nacht, / dann regen sich alle Tiere des<br />

Waldes.<br />

21 Die jungen Löwen brüllen nach Beute, / sie verlangen von Gott ihre Nah–<br />

rung.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

51


52<br />

5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

22 Strahlt die Sonne dann <strong>auf</strong>, so schleichen sie heim / und lagern sich in ihren<br />

Verstecken.<br />

23 Nun geht der Mensch hinaus an sein Tagwerk, / an seine Arbeit bis zum<br />

Abend.<br />

24 Herr, wie zahlreich sind deine Werke! / Mit Weisheit hast du sie alle ge–<br />

macht, / die Erde ist voll von deinen Geschöpfen.<br />

oder gesungen mit <strong>dem</strong> Kehrvers „Herr, unser Herrscher, wie gewaltig..“<br />

(GL 710)<br />

2. Psalm Psalm 148 (im Wechsel gesprochen)<br />

1 Halleluja! Lobt den Herrn vom Himmel her, / lobt ihn in den Höhen:<br />

2 Lobt ihn, all seine Engel, / lobt ihn, all seine Scharen;<br />

3 lobt ihn, Sonne und Mond, / lobt ihn, all ihr leuchtenden Sterne;<br />

4 lobt ihn, alle Himmel / und ihr <strong>Wasser</strong> über <strong>dem</strong> Himmel!<br />

5 Loben sollen sie den Namen des Herrn; / denn er gebot, und sie waren er–<br />

schaffen.<br />

6 Er stellte sie hin für immer und ewig, / er gab ihnen ein Gesetz, das sie nicht<br />

übertreten.<br />

7 Lobt den Herrn, ihr <strong>auf</strong> der Erde, / ihr Seeungeheuer und all ihr Tiefen,<br />

8 Feuer und Hagel, Schnee und Nebel, / du Sturmwind, der sein Wort voll–<br />

zieht,<br />

9 ihr Berge und all ihr Hügel, / ihr Fruchtbäume und alle Zedern,<br />

10 ihr wilden Tiere und alles Vieh, / Kriechtiere und gefiederte Vögel,<br />

11 ihr Könige der Erde und alle Völker, / ihr Fürsten und alle Richter <strong>auf</strong> Er–<br />

den,<br />

12 ihr jungen Männer und auch ihr Mädchen, / ihr Alten mit den Jungen!<br />

13 Loben sollen sie den Namen des Herrn; / denn sein Name allein ist erhaben,<br />

/ seine Hoheit strahlt über Erde und Himmel.<br />

14 Seinem Volk verleiht er Macht, / das ist ein Ruhm für all seine Frommen, /<br />

für Israels Kinder, das Volk, das ihm nahen darf. Halleluja!<br />

oder gesungen mit <strong>dem</strong> Kehrvers „Sende aus deinen Geist und das Antlitz der<br />

Erde wird neu“ (GL 253)<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

Psalmgebet 11<br />

Gott,<br />

du hast <strong>Wasser</strong> des Lebens.<br />

Gib uns davon zu trinken,<br />

damit die Wüsten in uns grün werden.<br />

Gib uns davon zu trinken,<br />

damit das Harte in uns weich wird,<br />

damit Liebe wachsen kann,<br />

die Hoffnung nie versiegt,<br />

der Glaube nicht austrocknet.<br />

Gott,<br />

gib uns das <strong>Wasser</strong> des Lebens<br />

und lass es in uns<br />

zur sprudelnden Quelle werden,<br />

zur Quelle, die nie versiegt.<br />

Und mach uns Mut,<br />

Gott,<br />

dieses <strong>Wasser</strong> des Lebens an<br />

andere weiterzugeben,<br />

es nicht in uns einzusperren,<br />

Dämme und Mauern darum zu bauen,<br />

sondern es auszugießen,<br />

mit anderen zu teilen.<br />

Gib du uns<br />

Das <strong>Wasser</strong> des Lebens.<br />

Gesang aus <strong>dem</strong> Neuen Testament „Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes“ (GL 694)<br />

oder<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

„Christus Sieger, Christus König, Christus Herr in E –<br />

wigkeit“ (GL 564)<br />

Lesung Genesis/1. Mose 9,8–17 oder<br />

Exodus / 2. Mose 17,1–7 oder<br />

Joh 4,7–15 oder<br />

Offb 21,1–7<br />

Lied/Kanon „Lobet und preiset ihr Völker den Herrn“ (GL 282 / EG 337)<br />

oder<br />

<strong>Wasser</strong> aus wieviel Wolken geregnet ...<br />

11 nach: Andrea Schwarz, Singt das Lied der Erlösung. Mit Gott das Leben feiern. Freiburg – Basel – Wien<br />

1990, S. 114.<br />

53


Predigt (Homilie)<br />

Lied<br />

54<br />

5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

oder<br />

„Agios, o Theos“ (= Heiliger Gott, Heiliger Mächtiger, Heiliger<br />

Unsterblicher, erbarme dich unser“)(orthodox)<br />

2. Herr, sei gelobt durch unsre Schwester Mond,<br />

und durch die Sterne, die du gebildet hast.<br />

Sie sind so hell, so kostbar und so schön.<br />

3. Herr sei gelobt durch unsren Bruder Wind,<br />

durch Luft und Wolken und jeglich Wetter.<br />

Dein O<strong>dem</strong> weht, dort wo es ihm gefällt.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


oder<br />

5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

4. Herr, sei gelobt durch Schwester <strong>Wasser</strong>,<br />

sie ist gar nützlich, <strong>dem</strong>utsvoll und keusch.<br />

Sie löscht den Durst, wenn wir ermüdet sind.<br />

5. Herr, sei gelobt durch Bruder Feuer,<br />

der uns erleuchtet die Dunkelheit und Nacht.<br />

Er ist so schön, gar kraftvoll und auch stark.<br />

6. Herr, sei gelobt durch Mutter Erde,<br />

die uns ernährt, erhält und Früchte trägt.<br />

Die auch geschmückt durch Blumen und Gesträuch.<br />

7. Herr, sei gelobt durch jene, die verzeihn,<br />

und die ertragen Schwachheit, Leid und Qual.<br />

Von dir, du Höchster, werden sie gekrönt.<br />

8. Herr, sei gelobt durch unsren Bruder Tod,<br />

<strong>dem</strong> kein Mensch lebend je entrinnen kann.<br />

Der zweite Tod tut uns kein Leide an.<br />

„Komm, Heilger Geist, der Leben schafft“ (GL 241, EG 552)<br />

Bußakt 12<br />

Lasst uns beten:<br />

O Gott,<br />

Schöpfer des <strong>Wasser</strong>s, Quelle des Lebens,<br />

Wir bekennen unsere Unfähigkeit,<br />

den vielen Ungerechtigkeiten der Welt entgegenzutreten,<br />

wie <strong>dem</strong> falschen Umgang mit <strong>Wasser</strong>.<br />

Aber wir bekennen auch unsere Neigung,<br />

dein Geschenk der Liebe, das allen Menschen zuteil wird, einzuschränken.<br />

Vergib uns, wenn wir deine Güte und Gerechtigkeit hintertreiben.<br />

Vergebungsbitte<br />

Wir bitten dich,<br />

vergib uns.<br />

Laß es nicht nur beim Klagen, bei Appellen und<br />

schönen Gottesdiensten<br />

sein Bewenden haben.<br />

Gib uns die Kraft, uns zu verändern<br />

12 nach: <strong>Wasser</strong>ströme in der Einöde. Gottesdienstordnung 5. Sonntag der Passionszeit (21. März 2010), hrsg.<br />

von Ökumenisches <strong>Wasser</strong>netzwerk (ÖWN), download unter:<br />

http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenisches-wassernetzwerk-oewn/ressourcen-und-links/oewnmaterialien.html.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

55


5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

und bei uns selbst damit anzufangen.<br />

Amen.<br />

und/oder<br />

Lobgesang Mariens (Magnificat)<br />

„Meine Seele preist die Größe des Herrn“ (GL 689; KG 274.1)<br />

Fürbitten 13<br />

Lasst uns beten:<br />

L Gott, unser Schöpfer, du hast die Erde geschaffen und gesehen, dass alles gut war.<br />

56<br />

<strong>Wasser</strong> bedeutet Leben; Flüsse sind Lebensraum für viele Tiere und Pflanzen.<br />

Daher bitten wir dich:<br />

S 1 Wir bitten für uns und die kommenden Generationen:<br />

Dass wir bei all unserem Planen und Tun Achtung beweisen vor deiner Schöpfung,<br />

damit wir unseren Kindern eine lebenswerte Umwelt erhalten.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 2: Herr, du schenkst uns Sehnsucht nach lebendigem <strong>Wasser</strong>.<br />

Lass diese Sehnsucht einen festen Platz in unserem Leben haben und unversiegbar in<br />

uns sprudeln.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 3: Herr, deine Kraft ist frisch und stark.<br />

Gib uns den Glauben, dass du uns für den Alltag stärken und uns Ausdauer schen–<br />

ken willst.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 1: Herr, du bist für uns zur Quelle geworden, in<strong>dem</strong> du uns Jesus geschenkt hast.<br />

Lass uns unseren Mitmenschen von deiner Liebe erzählen und lass uns die Liebe<br />

weitergeben, damit sie zu einer unversiegbaren Quelle wird.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

S 2: Herr, wir stehen als Menschen verschiedener Kirchen vor dir.<br />

Hilf uns, dass wir nicht wie Wellen gegeneinander prallen und im Tosen des Was–<br />

sers unterzugehen drohen. Lass uns einander respektvoll begegnen, weil wir alle im<br />

selben Fluss schwimmen.<br />

A: Wir bitten dich erhöre uns<br />

13 nach: Jörg Menke, Die Vielfalt der Schöpfung feiern. Ökumenische Arbeitshilfe für den Gottesdienst, Hei-<br />

delberg 2008, S. 25.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


Vater unser<br />

Segen 1 14<br />

5.3 Modell einer Ökumenischen Vesper<br />

Segne uns und behüte uns, du rettender und treuer Gott. Sei um uns und in uns wie lebendiges<br />

<strong>Wasser</strong> und schenke Frieden und Segen der ganzen Welt. Das gewähre euch der dreieinige<br />

Gott,<br />

+ der Vater und der Sohn und der Heilige Geist.<br />

A: Amen<br />

Segen 2<br />

Gott segne euch und behüte euch<br />

Gott lasse Recht strömen wie lebendiges <strong>Wasser</strong><br />

Gott lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig<br />

Gott breche die Gewaltwellen und setze Wellen der Versöhnung frei<br />

Gott erhebe sein Angesicht <strong>auf</strong> euch und gebe euch jenen Frieden,<br />

den die Welt euch nicht geben kann.<br />

Oder:<br />

Es segne euch der dreieinige Gott,<br />

der Vater,<br />

der Recht strömen lässt wie lebendiges <strong>Wasser</strong>,<br />

und der Sohn,<br />

der die Gewaltwellen durchbricht und Wellen der Versöhnung freisetzt,<br />

und der heilige Geist,<br />

der euch jenen Frieden gibt, den die Welt euch nicht geben kann.<br />

Schlusslied: „Mein schönste Zier und Kleinod bist“ (GL 559 / EG 473)<br />

oder<br />

„Bewahre uns Gott..“ (GL 845 / EG 171)<br />

14 „Donau-Friedenswelle“ – Es ströme das Recht wie <strong>Wasser</strong> (Amos 5,24).Gottesdienstentwurf für die Gemeinden,<br />

Herausgegeben von der Evangelischen Landeskirche in Württemberg der Evangelisch-Lutherischen<br />

Kirche in Bayern, <strong>dem</strong> Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich, der Evangelischen Kirche A.B. in der<br />

Slowakei, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, der Evangelischen Kirche A.B. in Rumänien,<br />

Stuttgart 2010, S. 36.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

57


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

5.4 Ökumenische Gottesdienstmodelle und liturgische Gestaltungselemente<br />

5.4.1 Gebete<br />

Gebet 1 15<br />

Gott, du Quelle der Hoffnung, wir beten dich an. Wir danken dir für die Hoffnung <strong>auf</strong> ein<br />

neues Leben für die ganze Schöpfung, unsere Kirchen und für uns selbst. Wir danken dir für<br />

alle, die durch die eine T<strong>auf</strong>e in Christus zu Schwestern und Brüdern wurden. Wir sehnen uns<br />

danach, immer mehr in dieser Einheit zu leben. Vergib uns unsere Trennungen und gib uns<br />

die Kraft, sie zu überwinden. Amen.<br />

Gebet 2 16<br />

Gott, unser Vater, gib deinem Volk <strong>auf</strong> seinem Pilgerweg neuen Mut. Du lässt Leben in<br />

der Wüste erblühen und <strong>Wasser</strong> aus Felsen hervorbrechen. Nimm unsere Zweifel und<br />

Fragen und lass gute Früchte aus ihnen entstehen. Hilf, dass unsere Kirchen dich ge-<br />

meinsam suchen und sich vereint nach dir ausstrecken. Begleite uns und zeige uns,<br />

dass du in deiner Liebe unter uns bist. Lass uns zu der Einheit gelangen, die du für<br />

dein Volk willst, durch Jesus Christus, deinen Sohn, unseren Herrn. Amen.<br />

Gebet 3 17<br />

Quelle des lebendigen <strong>Wasser</strong>s,<br />

reinige uns von unseren Ängsten und Qualen,<br />

stille unseren Durst nach Gerechtigkeit und Frieden,<br />

erfülle uns mit der Freude deiner Gegenwart,<br />

damit wir zu denen werden,<br />

die dein Geschenk der Liebe und Barmherzigkeit<br />

für die ganze Welt verkündigen.<br />

Amen.<br />

15 nach: Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36, 6–10). Materialien für Gemeindearbeit und Gottesdienst zur<br />

Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart – Eichstätt 2001, S. 46.<br />

16 Ebd. S. 41 f.<br />

17 nach: <strong>Wasser</strong>ströme in der Einöde. Gottesdienstordnung 5. Sonntag der Passionszeit (21. März 2010), hrsg.<br />

von Ökumenisches <strong>Wasser</strong>netzwerk (ÖWN), download unter:<br />

http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenisches-wassernetzwerk-oewn/ressourcen-und-links/oewnmaterialien.html.<br />

58<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4.2 Lobpreis<br />

Lobpreis 1 18<br />

5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Gepriesen seist du, Gott ewiger Vater, Schöpfer und Bewahrer der Welt, dass Du Dich Deiner<br />

gefährdeten Schöpfung zuwendest und nicht <strong>auf</strong>hörst, Leben zu schenken, auch wo wir es<br />

verderben.<br />

Du schaffst eine Welt, in der Regen uns erfrischt; in der es sich gut atmen lässt; in der wir die<br />

Schönheit eines Baumes bewundern und unser Leben umgeben ist von der Fülle Deiner Ge-<br />

schöpfe.<br />

Gepriesen seist Du, Jesus Christus, Sohn des Vaters und unser Bruder, dass Du Anteil nimmst<br />

an den Ratlosigkeiten unseres Lebens. Du hast Deinen Frieden hineingetragen in die zerrisse-<br />

ne Schöpfung; Du nimmst uns an in die Gemeinschaft mit Dir, auch wenn wir unseren Le-<br />

bensstil nicht kurzfristig ändern können. Du trittst beim Vater für uns ein, bis Dein Erlö-<br />

sungswerk sich ganz durchgesetzt hat.<br />

Gepriesen seist Du, Gott Heiliger Geist, Lebensspender, dass Du uns <strong>auf</strong>weckst aus Trägheit<br />

und Sattheit. Du willst uns gebrauchen und rüstest uns zu für die Bewahrung des Lebens; Du<br />

erhältst die Kirche als eine Stätte der Erneuerung aus <strong>dem</strong> Evangelium. Du schaffst alles neu<br />

nach Gottes Willen.<br />

Dafür sei Dir, <strong>dem</strong> Vater, <strong>dem</strong> Sohn und <strong>dem</strong> Heiligen Geist, Lob und Ehre in Ewigkeit.<br />

Amen.<br />

Lobpreis 2 19<br />

L: Liebender Schöpfer,<br />

du sorgst für das Land, in<strong>dem</strong> du Regen schickst;<br />

du machst es fruchtbar und ertragreich,<br />

und schenkst uns reiche Ernten!<br />

A: • Die ganze Schöpfung jauchzt vor Freude.<br />

L: Wenn wir für das Land sorgen, die Saat aussäen<br />

und die Ernte einbringen,<br />

A: • dann singt die ganze Schöpfung vor Freude.<br />

18 Norbert Copray, in: Gottes Erde – Zum Wohnen gemacht – Unsere Verantwortung für die Schöpfung. Impulse<br />

für Praxis und Gottesdienst (Woche für das Leben 2 .- 8. Mai 1999, hrsg. vom Sekretariat der DBK u.<br />

Kirchenamt der EKD, Bonn – Hannover 1999, S. 36.<br />

19 Per Harling, aus Gloria Deo, Prayers & Hymns for the 12. Assembly of Conference of European Churches<br />

(CCEE/KEK) 2003.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

59


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

L: Wenn wir die Bäche und Flüsse sauber halten,<br />

60<br />

und die Klarheit von Seen und Meeren achten,<br />

A: • dann singt die ganze Schöpfung vor Freude.<br />

L: Wenn wir erkennen, dass wir eine Familie sind,<br />

Brüder und Schwestern,<br />

die zusammen für das Land und die Gewässer Verantwortung tragen,<br />

A: • dann singt die ganze Schöpfung vor Freude, denn du segnest uns allezeit mit<br />

Fülle.<br />

Lobpreis 3 20<br />

AUS DEM GOTTESDIENST DER TAUFE<br />

Groß bist du Herr, und wunderbar sind deine Werke und kein Wort reicht hin, um deine<br />

Wunder zu preisen! Denn du hast nach deinem Willen das Weltall aus <strong>dem</strong> Nichtsein ins Da-<br />

sein geführt; durch deine Macht erhältst du die Schöpfung und durch deine Vorsehung ver-<br />

waltest du die Welt. Aus vier Elementen hast du die (ganze) Schöpfung gebildet und durch<br />

vier Jahreszeiten den Kreis des Jahres gekrönt. Vor dir erzittern alle geistigen Kräfte; dich<br />

preist die Sonne, dich verherrlicht der Mond, dir dienen die Sterne, dir gehorcht das Licht, vor<br />

dir erschauern die Abgründe, dir dienen die Quellen. Du hast ausgebreitet den Himmel wie<br />

eine Umhüllung, du hast die Erde über den Gewässern gegründet, du hast das Meer mit Sand<br />

umrahmt, du hast die Luft zum Atmen ausgegossen. Es dienen dir die Kräfte der Engel, die<br />

Chöre der Erzengel beten dich an, die vieläugigen Cherubim und die sechsflügeligen Sera-<br />

phim umgeben und verhüllen sich vor deiner unnahbaren Herrlichkeit.<br />

5.4.3 Schrifttexte (in Auswahl)<br />

<strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes – Quelle neuen Lebens<br />

Altes Testament<br />

Gen / 1. Mose 1,1-2,5a Schöpfungsbericht (P) (Gottes Geist schwebte <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong>)<br />

Gen / 1. Mose 2,4b–25 Schöpfungsbericht (J) (Scheidung u. Sammlung der <strong>Wasser</strong>; Grundlage<br />

allen Lebens)<br />

Gen / 1. Mose 6–9 Sintflut und Noah–Bund<br />

20 zitiert nach: Orthodoxe Texte zur Schöpfung. Ein Florilegium, zusammengestellt von Erzpriester Constantin<br />

Miron, Brühl 2010, S. 8.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Gen / 1. Mose 21,14-20 Hagar und Ismael in der Wüste<br />

Gen / 1. Mose / 26,18–22 Isaak gräbt Brunnen<br />

Ex / 2. Mose 15,22–25 Bitteres <strong>Wasser</strong> wird süß<br />

Ex / 2. Mose 17,1-7 <strong>Wasser</strong> aus <strong>dem</strong> Fels<br />

1 Kön 19,1–13 Berufung des Elija– Krug <strong>Wasser</strong> als Lebenselexier<br />

Jes 12,1–6 „ihr werdet <strong>Wasser</strong> schöpfen voll Freude/aus den Quellen des Heils“<br />

Jes 35,1–10/ Jes 41,17–20 Hoffnung Israels <strong>auf</strong> Neuschöpfung – <strong>Wasser</strong>quellen sprudeln in der<br />

Jes 43,14–21 Wüste<br />

Amos 5,24 es ströme Recht wie <strong>Wasser</strong><br />

Jona 2,1-7 Rettung des Jona<br />

Psalmen<br />

Ps 36 Gott, die Quelle des Lebens<br />

Ps 42 Sehnsucht nach Gott wie „der Hirsch lechzt nach frischem <strong>Wasser</strong>“<br />

Ps 65 Dank für Gottes Gaben der Schöpfung<br />

Ps 69 Ruf nach Rettung aus den Tiefen des <strong>Wasser</strong>s<br />

Ps 93 Jahwe ist mächtiger König<br />

Ps 104 <strong>Wasser</strong> als gute Schöpfungsgabe<br />

Neues Testament<br />

Mk 1,9–11 parr T<strong>auf</strong>e Jesu<br />

Joh 3,1–7 T<strong>auf</strong>e als Neugeburt aus <strong>Wasser</strong> und Hl. Geist<br />

Joh 4,1-26 Frau am Jakobsbrunnen<br />

Joh 7,37–44 Christi Tod als Quelle neuen Lebens<br />

Apg 8,26–40 T<strong>auf</strong>e des Äthiopiers<br />

Röm 6,3–14 T<strong>auf</strong>e als Mitsterben und Auferstehen mit Christus<br />

Offb 21,5;22,1 Gott schenkt das <strong>Wasser</strong> des Lebens<br />

5.4.4 Lieder (Auswahl)<br />

Zum Thema „<strong>Wasser</strong>– Gabe Gottes –Quelle neuen Lebens“<br />

bieten sich folgende Lieder an:<br />

a) aus <strong>dem</strong> Gotteslob (GL) oder aus <strong>dem</strong> Evangelischen Gesangbuch (EG ):<br />

GL 211 Gott redet und Quellen springen <strong>auf</strong><br />

GL 726 Meine Seele dürstet<br />

GL 742.2 Lobe den Herrn meine Seele<br />

GL 759 Lobe den Herrn meine Seele<br />

GL 527.3 / GL 743 Meine Seele preise den Herrn<br />

GL 676 / GL 754 Meine Seele dürstet nach dir<br />

GL 266 / EG 321 Nun danket alle Gott<br />

GL 528.4 Meine Augen schauen allezeit zum Herrn<br />

GL 529.2 Zu dir, Herr, erbebe ich meine Seele<br />

EG 278 Wie der Hirsch lechzt nach frischem <strong>Wasser</strong><br />

EG 279 Jauchzt, alle Lande, Gott zu Ehren<br />

EG 285 Das ist ein köstlich Ding, <strong>dem</strong> Herrn danken<br />

EG 202 Christ, unser Herr, zum Jordan kam<br />

EG 432 Gott gab uns Atem<br />

b) Neue geistliche Lieder<br />

• Miteinander gehen, zueinander stehn<br />

• Gott, unser Ursprung<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

61


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

• Bei dir ist die Quelle des Lebens<br />

• Aus klarem <strong>Wasser</strong> schöpfen<br />

• Alles, was atmet<br />

• Bewahre uns, Gott<br />

• Du bist da, wo Menschen leben<br />

• Meine Seele dürstet<br />

• Gottes Brünnlein hat <strong>Wasser</strong> die Fülle<br />

• Komm, du Quelle des Lebens<br />

• Lob sei dir Gott<br />

62<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

63


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

5.4.5 Texte zur Besinnung<br />

Gedichte<br />

Sensible Wege Reiner Kunze<br />

Sensibel<br />

ist die Erde über den Quellen:<br />

kein Baum darf gefällt,<br />

keine Wurzel gerodet werden<br />

Die Quellen könnten<br />

Versiegen<br />

Wie viele Bäume werden gefällt,<br />

wie viele Wurzeln gerodet in uns<br />

Bitte Hilde Domin<br />

Wir werden eingetaucht<br />

und mit <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> der Sintflut gewaschen,<br />

wir werden durchnässt,<br />

bis <strong>auf</strong> die Herzhaut.<br />

Der Wunsch nach der Landschaft<br />

diesseits der Tränengrenze<br />

taugt nicht,<br />

der Wunsch, den Blütenfrühling zu halten,<br />

der Wunsch, verschont zu bleiben,<br />

taugt nicht.<br />

Es taugt die Bitte,<br />

dass bei Sonnen<strong>auf</strong>gang die Taube<br />

den Zweig vom Ölbaum bringe.<br />

Dass die Frucht so bunt wie die Blüte sei,<br />

dass noch die Blätter der Rose am Boden<br />

eine leuchtende Krone bilden.<br />

Und dass wir aus der Flut,<br />

dass wir aus der Löwengrube und <strong>dem</strong> feurigen Ofen<br />

immer versehrter und immer heiler<br />

stets von neuem zu uns selbst<br />

entlassen werden.<br />

64<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Inselmittag Hilde Domin<br />

Wir sind Fremde<br />

von Insel<br />

zu Insel.<br />

Aber am Mittag, wenn uns das Meer<br />

bis ins Bett steigt<br />

und die Vergangenheit<br />

wie Kielwasser<br />

an unsern Fersen abläuft<br />

und das tote Meerkraut am Strand<br />

zu goldenen Bäumen wird,<br />

dann hält uns kein Netz<br />

der Erinnerung mehr,<br />

wir gleiten<br />

hinaus,<br />

und die abgesteckten<br />

Meerstraßen der Fischer<br />

und die Tiefenkarten<br />

gelten nicht<br />

für uns.<br />

Traumwasser Hilde Domin<br />

Traumwasser<br />

voll ertrunkener Tage.<br />

Traumwasser<br />

steigt in den Straßen.<br />

Traumwasser<br />

schwemmt mich hinweg.<br />

Immer mit den vollen Händen Hilde Domin<br />

Immer mit den vollen Händen<br />

es wachsen <strong>auf</strong> ihnen<br />

es verdorren <strong>auf</strong> ihnen<br />

und säen sich neu<br />

Wiesen<br />

Wälder Tiere<br />

wachsen und leben dort<br />

leben und sterben und werden geboren<br />

<strong>auf</strong> meinen Händen<br />

die gesamte Natur<br />

vor der Erschaffung des Menschen<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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66<br />

5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Ich staune sie an diese Landschaft<br />

ich bewässere sie<br />

mit <strong>dem</strong> gedeihlichen <strong>Wasser</strong><br />

mit Tränen<br />

Immer den Kopf geneigt<br />

einer Stimme entgegen<br />

von der ich schon weiß<br />

ich werde sie nie<br />

hören<br />

Text 1 21<br />

Das <strong>Wasser</strong> lehrt uns, was wir leben sollen<br />

Einen Weisen im alten China fragten einmal seine Schüler: „Du stehst nun schon so lange vor<br />

diesem Fluss und schaust ins <strong>Wasser</strong>. Was siehst du denn da?“ Der Weise gab keine Antwort.<br />

Er wandte den Blick nicht ab von <strong>dem</strong> unablässig strömenden <strong>Wasser</strong>. Endlich sprach er:<br />

„Das <strong>Wasser</strong> lehrt uns, wie wir leben sollen. Wohin es fließt, bringt es Leben und teilt sich<br />

aus an alle, die seiner bedürfen. Es ist gütig und freigiebig. Die Unebenheiten der Geländes<br />

versteht es auszugleichen. Es ist gerecht. Ohne zu zögern in seinem L<strong>auf</strong>, stürzt es sich über<br />

Steilwände in die Tiefe. Es ist mutig. Seine Oberfläche ist glatt und ebenmäßig, aber es kann<br />

verborgene Tiefen bilden. Felsen, die ihm im L<strong>auf</strong> entgegenstehen, umfließt es. Es ist verträglich.<br />

Aber seine sanfte Kraft ist Tag und Nacht am Werk, das Hindernis zu beseitigen. Es ist<br />

ausdauernd. Wie viele Windungen es auch <strong>auf</strong> sich nehmen muss, niemals verliert es die<br />

Richtung zu seinem ewigen Ziel, <strong>dem</strong> Meer, aus <strong>dem</strong> Auge. Es ist zielbewusst. Und sooft es<br />

auch verunreinigt wird, bemüht es sich doch unablässig, wieder rein zu werden. Es hat die<br />

Kraft, sich immer wieder zu erneuern. Das alles“, sagte der Weise, „ist es, warum ich <strong>auf</strong> das<br />

<strong>Wasser</strong> schaue. Es lehrt mich das richtige Leben.“<br />

Text 2 22<br />

L: Gelobt seist du, mein Herr, durch Schwester <strong>Wasser</strong>,<br />

gar nützlich ist es und <strong>dem</strong>ütig und kostbar und keusch.<br />

KURZE ATEMPAUSE<br />

L: Ganz herzlich begrüße ich Euch/Sie alle zu dieser Andacht/Besinnung anlässlich des öku-<br />

menischen Schöpfungstages/Schöpfungszeit. „Schwester <strong>Wasser</strong>" begleitet uns heute.<br />

21<br />

Nach einer Erzählung aus China – aus: Religionsunterricht praktisch 7. Schuljahr, hrsg. von Rudolf Tammeus,<br />

Göttingen 1997, S. 57.<br />

22<br />

aus: MISEREOR, Materialien zur Fastenaktion 2009: Gottes Schöpfung bewahren – damit alle leben können.<br />

Liturgische Bausteine, Aachen 2009, S. 20.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

„Schwester <strong>Wasser</strong>", von der Franziskus im Sonnengesang singt: „Es ist nützlich, <strong>dem</strong>ütig,<br />

kostbar und keusch.“<br />

Der Religionsphilosoph Bernhard Welte hat diesen Gedanken einst ausgefaltet:<br />

„Das <strong>Wasser</strong> ist <strong>dem</strong>ütig. Es sucht sich immer den niedersten Platz <strong>auf</strong> der Welt, und wenn es<br />

in den Bergen entspringt, dann hat es nichts Eiligeres zu tun, als wieder herunter zu kommen<br />

in die Tiefe. Ein anderer Grund ist der: Das <strong>Wasser</strong> ist <strong>dem</strong>ütig, weil es – wenn es ruhig ist –<br />

gerne ausweicht und je<strong>dem</strong>, der sich ihm anvertraut, Raum gewährt. Wenn es nicht so <strong>dem</strong>ü-<br />

tig wäre und so Platz gewährend, könnten wir nicht in ihm baden. Und endlich ist es <strong>dem</strong>ütig,<br />

weil es von sich selber kein Aufsehen macht. Es schmeckt für gewöhnlich nach nichts, und es<br />

hat keine Farbe und ist ganz durchsichtig. In dieser Hinsicht ist sozusagen nichts daran. Ge-<br />

rade auch dieses Nichts gehört mit zu seiner Demut.<br />

Diese Demut und die (heute oft genug bedrohte) Reinheit des <strong>Wasser</strong>s darf uns freilich nicht<br />

darüber täuschen, dass im <strong>Wasser</strong> doch auch eine große Kraft ruht. Weil das <strong>Wasser</strong> auch<br />

Kraft hat, kann es auch nützlich sein. Freilich nur dann, wenn es in angemessener Weise ge-<br />

nutzt wird, sonst kann es auch bedrohlich werden. Wenn das <strong>Wasser</strong> sich etwa mit <strong>dem</strong> Wind<br />

verbindet, dann kann seine Kraft unheimlich werden. Die Demut, die Keuschheit, die Nütz-<br />

lichkeit des <strong>Wasser</strong>s dürfen uns nicht dazu verführen, es für harmlos oder belanglos zu halten.<br />

Es steckt allerhand in ihm.“<br />

Und Bernhard Welte formuliert noch einen weiteren interessanten Gedanken: „Es ist schon<br />

merkwürdig, dass das <strong>Wasser</strong> uns einlädt, uns zu entkleiden. Denn mit den Kleidern legen wir<br />

auch die Statussymbole ab, den gebügelten Anzug, die feine Montur aus Seide oder Wolle<br />

oder was immer, ebenso wie die Bluejeans, die ja auch ein Statussymbol sind. Wir legen da-<br />

mit aber doch wohl auch viel seelische Aufmachung ab und viel Sorge um unsere Geltung in<br />

der Welt.“ –<br />

Diese Sorge wollen wir nun Gott übergeben und uns anstecken lassen von der Nützlichkeit,<br />

der Demut, der Kostbarkeit und der Keuschheit unserer Schwester <strong>Wasser</strong>.<br />

Text 3 23<br />

Jeder Tropfen <strong>Wasser</strong> zählt<br />

L: Jeder Tropfen <strong>Wasser</strong> zählt,<br />

wenn kostbarer Ackerboden ausgetrocknet.<br />

Jeder Tropfen <strong>Wasser</strong> zählt,<br />

wenn Menschen, Tiere und Pflanzen Durst leiden.<br />

23 Ebd. S. 61.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Jeder Tropfen <strong>Wasser</strong> zählt,<br />

wenn Schmutz die Erde verunstaltet.<br />

Jeder Tropfen <strong>Wasser</strong> zählt,<br />

wenn mangelnde Hygiene zu Krankheiten führt.<br />

Jeder Tropfen <strong>Wasser</strong> zählt,<br />

für dich – für mich – für jeden Menschen.<br />

Jeder Tropfen <strong>Wasser</strong> zählt,<br />

wenn das Leben nach <strong>Wasser</strong> schreit.<br />

Text 4 24<br />

Dass es ein letztes Mal gibt,<br />

dass ein warmer Frühlingsregen <strong>auf</strong> mein Gesicht fällt,<br />

ein letztes Mal, dass ich den Duft einer Blume riechen,<br />

ein letztes Mal, dass meinen Geliebten umarmen kann,<br />

das macht das Leben und alles Lebendige<br />

so unendlich kostbar.<br />

Dass es ein letztes Mal gibt,<br />

lässt mich mit offenen Sinnen,<br />

klarer Vernunft und achtsamer Präsenz<br />

den Alltag leben.<br />

Dass es ein letztes Mal gibt,<br />

lässt mich wissen, dass ich eingeflochten bin<br />

in das ewige Werden und Sein des Lebens,<br />

in <strong>dem</strong> Gott alle und alles in seinen Händen birgt.<br />

Da es ein letztes Mal gibt, möchte ich,<br />

dass das, was mir an Schönheit und Kostbarkeit vom Leben geschenkt wird,<br />

auch für Menschen, die nach mir leben erhalten bleibt.<br />

24 Eva Südbeck-Baur, in: Biblische Meditationen und Gebete für die Schöpfungszeit 2006 vom 1. September<br />

bis zum 2. Sonntag im Oktober, hrsg. von Europäisches Christliches Umweltnetzwerk/Koalition für Schöpfungstag<br />

und Zeit der Schöpfung (ECEN), Genf 2006, S. 29.<br />

68<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Meine Sterblichkeit, meine Begrenztheit ist eine Quelle meiner Liebesfähigkeit.<br />

In der Begrenztheit liegt ein zukunftsweisender Wert,<br />

den wir in den wirtschaftlich reichen Ländern<br />

dringend nötig haben.<br />

Text 5 25<br />

Aus der Orthodoxen Tradition der großen <strong>Wasser</strong>weihe (6. Januar)<br />

AUS DEM SEGENSGEBET DER GROSSEN WASSERWEIHE<br />

(6. JANUAR)<br />

Heute gar ist es gut zu feiern: der Chor der Heiligen ruft uns zur Versammlung und die Engel<br />

feiern zusammen mit den Menschen. Heute erscheint die Gnade des Heiligen Geistes<br />

in Gestalt einer Taube über den <strong>Wasser</strong>n. Heute erstrahlt die unzugängliche Sonne und die<br />

Welt ist vom Lichte des Herrn erleuchtet. Heute beleuchtet der Mond mit ihr die Welt mit<br />

seinen Strahlen. Heute verschönern die leuchtenden Sterne mit der Klarheit ihres Glanzes den<br />

Erdkreis. Heute lassen die Wolken den Tau der Gerechtigkeit vom Himmel <strong>auf</strong> die Mensch-<br />

heit hernieder regnen. Heute lässt sich der Unerschaffene freiwillig die Hand Seines eigenen<br />

Geschöpfes <strong>auf</strong>legen. Heute kommt der Prophet und Vorläufer vor den Gebieter, zitternd steht<br />

er neben Ihm, und sieht Gott zu uns herabkommen. Heute sind die Fluten des Jordan verwan-<br />

delt in <strong>Wasser</strong> der Heilung durch die Ankunft des Herrn. Heute ist die ganze Schöpfung von<br />

geheimnisvollen Wellen benetzt. Heute sind die Übertretungen der Menschen in den <strong>Wasser</strong>n<br />

des Jordan getilgt. Heute öffnet sich den Menschen das Paradies und die Sonne der Gerech-<br />

tigkeit glänzt über uns. Heute ist das bittere <strong>Wasser</strong> des Moses <strong>dem</strong> Volk in süßes verwandelt<br />

durch die Ankunft des Herrn. Heute enden wir unsere alte Klage und als neues Israel sind wir<br />

errettet. Heute sind wir von der Finsternis befreit und erleuchtet vom Licht der göttlichen Er-<br />

kenntnis. Heute sind die Nebel der Welt <strong>auf</strong>gelöst durch die Offenbarung unseres Gottes.<br />

Heute wird die ganze Schöpfung vom Himmel angestrahlt. Heute sind die Verwirrungen be-<br />

gradigt und die Ankunft des Herrn zeigt uns den Heilsweg. Heute feiern die Himmel mit der<br />

Unterwelt und die Unterwelt redet mit den Himmeln. Heute frohlocken alle über das heilige<br />

und freudige Fest der Orthodoxen. Heute eilt der Gebieter zur T<strong>auf</strong>e, um die Menschheit in<br />

den Himmel zu heben. Heute beugt sich, der sich nicht beugen kann, <strong>dem</strong> eigenen Knecht, um<br />

uns von der Knechtschaft zu befreien. Heute haben wir das Himmelreich erworben, dieses<br />

25 zitiert nach: Orthodoxe Texte zur Schöpfung. Ein Florilegium, zusammengestellt von Erzpriester Constantin<br />

Miron, Brühl 2010, S. 8f.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

69


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Reich des Herrn aber hat kein Ende. Heute teilen sich Erde und Meer die Freude der Welt und<br />

die Welt ist erfüllt von Freude.<br />

Text 6 26<br />

Ökologie und Heilsökonomie – eine Betrachtung aus der orthodoxen Tradition<br />

Clemens von Alexandria hat es im 2. Jahrhundert so formuliert: „Wenn du deinen Bruder<br />

siehst, hast du deinen Gott gesehen" (Stromateis1). Wir würden vielleicht so formulieren:<br />

Wenn du im Anderen den Bruder erkannt hast, hast du begonnen, Gott zu sehen. Ja, jenen<br />

Gott, von <strong>dem</strong> es eigentlich heißt „Niemand hat Gott je gesehen!“(Joh 1,18) So erstaunlich<br />

dieser Gedanke einer Gottesschau durch Menschen-Schau ist, er wird noch übertroffen durch<br />

ein apokryphes Jesuswort, das in einem alten frühchristlichen Papyrus steht. Dort heißt es<br />

nämlich: „Heb den Stein <strong>auf</strong> und du wirst mich finden, spalte das Holz und ich bin darin!"<br />

(Papyrus 1 von Oxyrrynchos, Logion 5).<br />

Während man das Wort des Clemens als Grundlage unseres sozialen Handelns von Christen<br />

in der Welt bezeichnen könnte, stößt uns dieses zweite Wort, dieses Logion, dar<strong>auf</strong>, Christus<br />

sogar in allen Dingen zu entdecken. Das Ergebnis dieser Haltung ist, dass man den Christen<br />

als denjenigen bezeichnet hat, der überall Christus entdeckt und sich darüber freut. (Alexan-<br />

der Schmemann hat das zum Beispiel so ausgedrückt.)<br />

Dies setzt allerdings voraus: Man muss unter den Stein schauen! Oder anders gesagt: Wir<br />

müssen sozusagen wissen, was oder wen wir „unter <strong>dem</strong> Stein" finden. Alle Wertung der<br />

Schöpfung besteht in ihrem Woher, in der Aufdeckung ihrer Beziehung zum Schöpfer. (...)<br />

Ökologie hängt also für uns Christen immer mit Ökonomie zusammen, nicht um Sinn der<br />

„economy“ – (das überlassen wir heute einmal den Windradherstellern und den Solarfirmen),<br />

sondern mit der Heilsökonomie Gottes, mit der Einsetzung des Menschen als „Oikonomos“,<br />

als Haushalter in Gottes gute Schöpfung. Damit ist nicht nur der rechte Umgang mit der uns<br />

umgebenden Welt, eben der „Umwelt“ gemeint, die man als „Oikos“, als ein Haus versteht,<br />

sondern auch der rechte Nomos, das rechte Zu-Teilen, das rechte In-Beziehung-Setzen. Leon-<br />

tios von Neapolis, ein weiterer Kirchenvater (Sie sehen, wir mögen die Art und Weise des<br />

patristischen Denkens!) sagt über diese Beziehung „Die Schöpfung verehrt Gott nicht direkt,<br />

von sich aus, sondern durch mich verkünden die Himmel die Ehre Gottes, durch mich ehrt Ihn<br />

der Mond, durch mich lobpreisen die Sterne Ihn, durch mich verehren und besingen die Was-<br />

ser, der Regen und der Tau unseren Gott.“ (PG 93, 1604AB)<br />

26 Constantin Miron, Predigt beim Ökumenischen Gottesdienst der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in<br />

Deutschland zum Schöpfungstag 2010, zitiert nach: ebd. S. 21f.<br />

70<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

5.4.6 Meditationen zu zentralen Bibeltexten<br />

Gottes beständige Liebe:<br />

Ex 17,1-7 Gebt uns <strong>Wasser</strong> zu trinken 27<br />

Meditation: Das Volk Israel brach voller Hoffnung in das verheißene Land <strong>auf</strong>. Der<br />

Weg durch die Wüste wurde jedoch bald zu einer Zeit der Krise, der Zweifel und Fragen. Die<br />

Israeliten verloren das Vertrauen und klagten Mose an: „Warum hast du uns aus Ägypten<br />

geführt? Um uns verdursten zu lassen?" Sie stritten sich, stellten Gott <strong>auf</strong> die Probe und<br />

sehnten sich an den Ort ihrer früheren Sklaverei zurück.<br />

Obwohl sie uneinsichtig und undankbar waren, wich Gott in seiner Treue und Liebe<br />

nicht von ihnen. Als sie nach <strong>Wasser</strong> verlangten, ließ er es im Überfluss aus <strong>dem</strong> Felsen<br />

sprudeln. Damit bekräftigte er sein Versprechen, für sie die Quelle des Lebens zu sein.<br />

Auch <strong>auf</strong> unserem Lebensweg gibt es Wüstenstrecken, z.B. dann, wenn Ängste und<br />

Fragen die Oberhand gewinnen. „Wie soll ich mein Leben leben?" „Ist Gott bei uns,<br />

wenn wir in Schwierigkeiten sind?" „Was bedeutet es heute, Christus nachzufolgen?" Die<br />

Anfechtung, <strong>auf</strong>zugeben und in das alte Leben zurückzukehren, kann sehr groß wer-<br />

den.<br />

Manchmal können unsere Fragen ziemlich anmaßend sein. Doch Gott bleibt uns trotz<strong>dem</strong><br />

treu. „Er ist keinem von uns fern". Selbst in tiefster Dunkelheit, wenn uns die Kraft<br />

zum Durchhalten fehlt, ist er bei uns und lädt uns ein, beharrlich und treu den Weg mit<br />

ihm zu gehen.<br />

Unser ökumenischer Weg führt unsere Kirchen auch durch „Wüstenzeiten". Fragen<br />

und Zweifel kommen <strong>auf</strong>. „Was müssen wir tun?" „Kommen wir voran?" Die Versu-<br />

chung, umzukehren und sich wieder in die alten Verhältnisse zurückzuziehen, besteht<br />

immer neu. Doch Gott in seiner unerschütterlichen Liebe gibt uns nicht <strong>auf</strong>. Er ruft uns<br />

<strong>auf</strong>, alle Sünden und Trennungen hinter uns zu lassen und gemeinsam aus der Quelle<br />

des Lebens zu schöpfen.<br />

Get<strong>auf</strong>t in ein neues Leben:<br />

Joh 3,1-7 Wenn jemand nicht aus <strong>Wasser</strong> und Geist geboren wird,<br />

kann er nicht in das Reich Gottes kommen 28<br />

Meditation: Niko<strong>dem</strong>us steht für all diejenigen, die das Gefühl haben, dass ihnen irgendet-<br />

was fehlt. Er verkörpert alle, die sich nach <strong>dem</strong> Reich Gottes sehnen. Weil er nach einer Ant-<br />

27 aus: Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36, 6–10). Materialien für Gemeindearbeit und Gottesdienst zur<br />

Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart – Eichstätt 2001, S. 41.<br />

28 Ebd. S. 42.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

71


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

wort sucht, wendet er sich an Jesus und kommt zu ihm. Er erkennt Jesus als den, der von Gott<br />

gesandt wurde.<br />

Christus bietet Niko<strong>dem</strong>us und allen, die wie er <strong>auf</strong> der Suche sind, das kostbare Geschenk<br />

des neuen Lebens an. Durch Gottes Wirken, durch „<strong>Wasser</strong> und Geist", werden sie <strong>dem</strong><br />

Machtbereich der Sünde entrissen. Mit der T<strong>auf</strong>e werden sie zu Schwestern und Brüdern, zu<br />

Gliedern am Leib Christi. Mit ihrem Handeln legen sie Zeugnis ab von <strong>dem</strong> einzigartigen<br />

Reichtum der Erkenntnis Christi. Der zurückliegende gemeinsame ökumenische Weg hat den<br />

Christen verstärkt die verbindende Bedeutung der T<strong>auf</strong>e bewusst gemacht. Durch die eine<br />

T<strong>auf</strong>e und den einen Glauben sind alle Glieder des einen Leibes Christi geworden. Wir dürfen<br />

deshalb nicht mehr nach „menschlichen Maßstäben" miteinander umgehen. Wir alle sind mit<br />

Gott versöhnt und mit <strong>dem</strong> Dienst der Versöhnung betraut. Unsere immer noch vorhandenen<br />

Trennungen verhindern, die Tragweite der einen T<strong>auf</strong>e wahrzunehmen und sie in ihren Aus-<br />

wirkungen anzuerkennen. Darum wollen wir einander helfen, immer mehr aus der einen<br />

Quelle des Lebens zu schöpfen, damit wir Gottes Werk der Versöhnung durch unser Tun in<br />

der Welt sichtbar machen.<br />

Früchte des neuen Lebens<br />

Ps 1,1-6 Sie sind wie Bäume, die an <strong>Wasser</strong>bächen gepflanzt sind, die zur<br />

72<br />

rechten Zeit Frucht bringen 29<br />

Meditation: Das Bild von den Bäumen, die an <strong>Wasser</strong>bächen gepflanzt sind, führt uns<br />

die Wurzeln wie auch die Früchte des neuen Lebens vor Augen. Blühendes Leben ist<br />

ohne Quellen nicht denkbar. So wie die Bäume <strong>Wasser</strong> und Wurzeln brauchen, so spricht<br />

der Psalm von der Thora, <strong>dem</strong> Wort Gottes, als der zentralen Quelle für das Leben des<br />

Volkes Gottes.<br />

Das Wort Gottes ist wie frisches <strong>Wasser</strong>, wie eine fortwährend sprudelnde Quelle, die die<br />

Kirchen und das Leben der Christen inspiriert. Es ist kein totes, sondern ein wirksames le-<br />

bendiges Wort, das Frucht hervorbringt. Es schafft Vertrauen, Beständigkeit und Ori-<br />

entierung, Geduld und Freiheit. Weil es unser Leben und unser Handeln verwandelt,<br />

ist es wie das Saatkorn, das <strong>auf</strong>geht, und wie ein blühender Baum, der Früchte trägt.<br />

Die Bibel ist eine Gabe Gottes, die wir als Kirchen miteinander teilen. Als Christen aus<br />

unterschiedlichen Traditionen und Kulturen sind wir berufen, zusammenzukommen und<br />

zu lernen, immer besser <strong>auf</strong> das zu hören, was uns die Heilige Schrift heute zu sagen hat.<br />

Dabei können wir überraschende Entdeckungen machen und uns gegenseitig anregen<br />

und stärken. Ein ernsthaftes Hören <strong>auf</strong> das Wort Gottes wird nicht ohne Folgen bleiben.<br />

Das Wort vereint uns. Es drängt uns, gemeinsam in einem Geist zu handeln. Je tiefer<br />

wir in Christus verwurzelt sind, desto überzeugter und entschlossener werden wir tun,<br />

29 Ebd. S. 45.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

was Christus uns <strong>auf</strong>getragen hat. In seinem Geist werden wir eintreten für die Rechte der<br />

Enteigneten; für die Solidarität mit den Armen. Wir werden zu Zeugen der Wahrheit, wenn<br />

wir uns für eine friedliche Versöhnung, für die Würde des Lebens und die Bewahrung<br />

der Schöpfung einsetzen. So wachsen Früchte des neuen Lebens unter uns und wir wer-<br />

den damit in dieser zerbrochenen Welt zu einem Zeichen der Hoffnung dafür, dass<br />

Gott seine Schöpfung erneuert.<br />

Gott – die Quelle der Hoffnung:<br />

Offb 21,1-7 Wer durstig ist, den werde ich umsonst aus der Quelle trinken lassen, aus<br />

der das <strong>Wasser</strong> des Lebens strömt 30<br />

Meditation: Das neue Leben in Christus wird durch Gottes Gnade allen großzügig angeboten.<br />

Das „<strong>Wasser</strong> des Lebens" ist Gottes Geschenk. Wir verdienen uns das Heil nicht. Wir müssen<br />

uns seiner nicht erst seiner „würdig" erweisen. Niemand hat das Monopol <strong>auf</strong> Christus, den<br />

Zugang zur Quelle des Lebens. Das Heil ist ein Geschenk Gottes, das jeder für sich annehmen<br />

und sich zu Eigen machen muss. Jeder ist <strong>auf</strong>gerufen, <strong>auf</strong> die Einladung zu einem neuen Le-<br />

ben in Christus zu antworten. Das bedeutet aber nicht, dass man nur für sich selber Christ ist.<br />

In<strong>dem</strong> wir Christus näher kommen, kommen wir auch einander näher. Wir treten ein in die<br />

Gemeinschaft derer, die, in allen Ländern und über alle Zeiten hinweg, sich zu Christus als<br />

die Quelle der neuen Schöpfung, <strong>dem</strong> Herrn der Kirche und <strong>dem</strong> Herrn ihres eigenen Lebens<br />

bekennen. Wir sind mit allen verbunden, die zu Christus gehören, auch wenn uns Missver-<br />

ständnisse oder konfessionelle Unterschiede voneinander trennen.<br />

Christus verheißt uns „eine sprudelnde Quelle, deren <strong>Wasser</strong> ewiges Leben schenkt". Die<br />

Hoffnung eines neuen Lebens gründet in Gottes Zusage. Sie schließt die Erneuerung unseres<br />

eigenen Lebens, die Erneuerung aller Kirchen und die Erneuerung der Schöpfung mit ein.<br />

Durch die eine T<strong>auf</strong>e <strong>auf</strong> den Namen Christi gehören wir zusammen. Wie Dürstende sehnen<br />

wir uns nach der vollkommenen Einheit der Kirche. Wir erhoffen das gemeinsame Bekennt-<br />

nis, das gemeinsame Zeugnis, den gemeinsamen Gottesdienst und die gemeinsame Feier der<br />

Eucharistie an <strong>dem</strong> einen Tisch unseres Herrn. Um <strong>auf</strong> dieses Ziel zuzugehen, müssen wir<br />

zusammenarbeiten. Wir hoffen und vertrauen dar<strong>auf</strong>, dass der Heilige Geist uns <strong>auf</strong> diesem<br />

Weg leitet und dabei noch viele ungeahnte Überraschungen für uns bereithält<br />

30 Ebd. S. 46.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

73


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Betrachtung zu Am 5,24 „Es ströme Recht wie <strong>Wasser</strong>“<br />

Das Recht –<br />

oft gebrochen, missachtet, verbogen, gebeugt,<br />

unterentwickelt, zurückgehalten, ignoriert,<br />

benutzt, missbraucht, verunstaltet,<br />

überwältigt durch Ignoranz, Machtsucht,<br />

Interessen, Gier nach Reichtum,<br />

aus Verzweiflung und Demütigung,<br />

hilflos zusehend,<br />

wo Gerechtigkeit mit Füßen getreten wird,<br />

wo Machtstreben den Schwachen das Leben nimmt,<br />

wo Willkür sich ausbreitet<br />

wie <strong>Wasser</strong> aus einer lecken Leitung,<br />

wo Anarchie und Chaos vorherrschen<br />

und Gemetzel und Krieg lauern.<br />

Es ströme Recht wie <strong>Wasser</strong>!<br />

alles benetzend wie ein Landregen,<br />

durchtränkend alles Lebendige,<br />

gereinigt vom Missbrauch,<br />

get<strong>auf</strong>t mit <strong>dem</strong> Geist der Gerechtigkeit;<br />

das Recht als Rhythmus des Lebens,<br />

als ordnende Harmonie,<br />

als Grundton der Menschlichkeit,<br />

als Zusammenspiel der Verschiedenen,<br />

als Ausgleich zwischen Ungleichen,<br />

als Melodie des Friedens.<br />

Wolfgang Huber<br />

74<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

5.4.7 Predigtanregungen<br />

• Das <strong>Wasser</strong> des Lebens – Auf <strong>dem</strong> Weg zur Quelle, Johannes 4,5-30<br />

Bischof Dr. Markus Dröge, Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz,<br />

Predigt <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Kreiskirchentag 4. Juli 2010, Neukölln<br />

I.<br />

Es ist früh am Morgen. Du atmest die salzige Meeresluft ein und genießt die kühle Brise,<br />

die über die See streicht. Wie gut, dass Du <strong>auf</strong>gestanden bist! Was für ein fantastischer<br />

Morgen! Du läufst am Strand entlang, links die Dünen und rechts die Wellen, die das küh-<br />

le Nass rhythmisch <strong>auf</strong> den Strand und über Deine Füße spülen.<br />

Du spürst das Leben so kräftig und unmittelbar mit allen Sinnen wie den Sand zwischen<br />

den Zehen. Es ist gut, dass der Alltag mit seiner manchmal erbarmungslosen, ewigen Wie-<br />

derkehr des Gleichen unterbrochen wurde.<br />

- Eine Augenärztin kann nicht rund um die Uhr immer nur funktionieren.<br />

- Ein Busfahrer kann nicht immer nur am Steuer durch die Metropole fahren.<br />

- Und unsere Kinder dürfen nicht permanent unter Druck gesetzt werden, weil schon wie-<br />

der eine Mathearbeit ansteht.<br />

Wir sind Kinder der Freiheit. Deshalb sehnen wir uns nach Freiheit, zum Beispiel mal<br />

wieder ans Meer zu fahren, um dort am Strand die Weite zu spüren. Der Blick über den<br />

Horizont darf nicht verloren gehen.<br />

II.<br />

Liebe Neuköllner Festgemeinde, mit Ihnen allen freue ich mich über die Gemeinschaft,<br />

heute <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Kreiskirchentag. „<strong>Wasser</strong> des Lebens – Auf <strong>dem</strong> Weg zur Quelle“ unter<br />

diesem Motto wird heute gefeiert, mit Aktionen, guten Worten und viel Musik. Und es ist<br />

gut, nun zum Abschluss einen Gottesdienst zu erleben. Ein besonderer Grund zur Freude<br />

ist es, dass wir dabei mit Ihnen, liebe Familie Moldenhauer die T<strong>auf</strong>e von Maya Cathleen<br />

feiern können. Und alle 5 älteren Geschwister sind mit dabei! Mit <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> des Lebens<br />

nehmen wir ein Kind in die Gemeinschaft mit Christus und in seine Gemeinde <strong>auf</strong>. So<br />

werden wir alle daran erinnert, dass Jesus Christus bei uns ist und mit uns gehen will. Jesus<br />

Christus bringt uns das <strong>Wasser</strong> des Lebens. Davon erzählt uns die Geschichte von der Frau<br />

am Jakobsbrunnen.<br />

Text Johannes 4,5-30<br />

Jesus war sich nicht zu schade, <strong>auf</strong> seiner Reise von Judäa nach Galiläa am Jakobsbrunnen<br />

mit einer Samaritanerin zu sprechen. In der Nähe von Sichem, <strong>dem</strong> heutigen Nablus am<br />

Fuße des Berges Garizim, ereignet sich diese Begegnung. Warum hält Jesus gerade hier<br />

an? Die Samaritaner waren nicht beliebt. Bei ihnen wusste man nicht wirklich, ob sie Ju-<br />

den waren. Sie waren Migranten. Die Assyrer hatten vor Jahrhunderten Nordisrael erobert<br />

und dort fremde Völker angesiedelt. Dann beteten sie eigenartige Götzen an und vergaßen<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

75


76<br />

5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

ihren Bund mit <strong>dem</strong> Gott Israels. Verlässliche Kameraden waren sie auch nicht. In einer<br />

schwierigen Situation äußerer Bedrohung ließen sie Jerusalem im Stich und kehrten ein-<br />

fach zu ihren Zelten zurück. Und ausgerechnet bei diesen Samaritanern hält Jesus Rast und<br />

begibt sich zum Brunnen. Dass sich auch gerade in diesem Kaff der berühmte Jakobsbrun-<br />

nen befindet! Jesus trifft eine Frau am Brunnen und kommt mit ihr ins Gespräch. Ja, hier in<br />

diesem Brunnen lässt sich das lebendige Nass schöpfen, ohne das wir nicht leben können,<br />

erst recht nicht im heißen Israel. Aber Jesus geht es noch um mehr! Nicht nur um das kühle<br />

Nass, mit <strong>dem</strong> wir uns waschen und erfrischen können, das unseren Durst stillt, wenn es<br />

heiß ist, mit <strong>dem</strong> wir trockene Erde fruchtbar machen können, damit Büsche und Bäume,<br />

Blumen und Früchte wachsen können. Jesus geht es noch um mehr! Wer an ihn glaubt, so<br />

verspricht er, der soll eine innere Kraftquelle bekommen, die davor bewahrt, auszutrock-<br />

nen, auszubrennen, und die davor schützt, die Hoffnung und das Vertrauen zu verlieren.<br />

Mit <strong>dem</strong> Symbol des <strong>Wasser</strong>s machen wir dies bei jeder T<strong>auf</strong>e deutlich: „Du Menschen-<br />

kind sollst immer wieder den Dreck und den Staub des Lebens, im Bild gesprochen, abwa-<br />

schen können: Die Verflechtungen in Schuld und Verzweiflung, in Aggressivität und Hass,<br />

in die jeder von uns hineingeraten kann, – all dies soll Dir nicht die Würde nehmen, Dir<br />

nicht die Freude am Leben verderben. Durch das, was Jesus für uns getan hat, durch seinen<br />

Weg ans Kreuz und seine Auferstehung, gibt es die immer sprudelnde Quelle für Dein Le-<br />

ben.“<br />

III.<br />

Mich fasziniert an der Geschichte von der Frau am Jakobsbrunnen, dass es sowohl um das<br />

ganz reale <strong>Wasser</strong> geht, das uns erfrischt und Leben schenkt, als auch um das <strong>Wasser</strong> im<br />

geistlichen Sinn: die Quelle des Glauben. Eins ist vom anderen nicht zu trennen. Wer an<br />

die Quelle des ewigen Lebens glaubt, der soll auch den Wert des <strong>Wasser</strong>s als Lebensmittel<br />

achten. Bei uns kommt das <strong>Wasser</strong> aus Wand und füllt unser Waschbecken oder perlt in<br />

der Dusche über unseren Körper. Wir haben Eiswürfel im Kühlschrank, um unsere Ge-<br />

tränke zu temperieren. Es ist schon mehr als 60 Jahre her, dass Männer und Frauen mit<br />

Kanistern oder Kannen durch die Trümmer Neuköllns liefen, um sich Trinkwasser zu ho-<br />

len. Heute gleichen viele Bäder kleinen oder großen Luxusoasen. Das <strong>Wasser</strong> sprudelt<br />

durch die Leitungen in unser Haus und ist da, wann immer wir es brauchen. Die Erde gilt<br />

als blauer Planet. Das belegen die Fotos, die von Satelliten <strong>auf</strong>genommen werden, in a-<br />

temberaubend schöner Weise. Die Oberfläche unserer Erde ist zu 70 Prozent mit <strong>Wasser</strong><br />

bedeckt. Doch Süßwasser ist ein rares Gut. Und, man will es kaum glauben: Der Organis-<br />

mus eines erwachsenen Menschen besteht zu 70 Prozent aus <strong>Wasser</strong>. Das <strong>Wasser</strong> fließt in<br />

unserer Welt über alle geographischen und sozialen Grenzen hinweg. Über seinen großen<br />

Kreisl<strong>auf</strong> gelangt <strong>Wasser</strong> überall hin. Verschmutzen und verschwenden wir das <strong>Wasser</strong>,<br />

zerstören wir die Quelle allen Lebens. Alle Lebewesen dieser Erde haben ein natürliches<br />

Recht <strong>auf</strong> reines <strong>Wasser</strong>. In Berlin erleben wir gerade, wie eine Bürgerinitiative um die<br />

Berliner <strong>Wasser</strong>betriebe kämpft. Mit Hilfe des <strong>dem</strong>okratischen Mittels eines Volksbegeh-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

rens soll in der Bundeshauptstadt eine Runde im städtischen Monopoly zurückgedreht<br />

werden. Die Initiatoren werben dafür, dass die Berliner „ihr <strong>Wasser</strong> zurückhaben wollen“.<br />

Sie wehren sich gegen die vollzogene Teilprivatisierung der Berliner <strong>Wasser</strong>betriebe. Inso-<br />

fern spielt sich vor unseren Augen ein <strong>dem</strong>okratisches Ringen ab, von deren Ausgang ab-<br />

hängen wird, wer zukünftig die Schlüssel für die Berliner <strong>Wasser</strong>versorgung in den Hän-<br />

den hält. Berlin befindet sich also gerade <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> Weg zur Quelle. Ich begrüße diese de-<br />

mokratische Auseinandersetzung ausdrücklich. Bewahren wir uns also beides: Die Quellen<br />

des Glaubens und den Segen eines gesunden <strong>Wasser</strong>kreisl<strong>auf</strong>es, der für alle Menschen da<br />

sein muss. <strong>Wasser</strong> darf nicht zum Machtmittel der Politik oder zum Spekulationsobjekt <strong>auf</strong><br />

<strong>dem</strong> Finanzmärkt werden. So wie die frohe Botschaft des Evangeliums für alle Menschen<br />

da ist, so muss auch das <strong>Wasser</strong> als natürliches Geschenk der Schöpfung Gottes für alle da<br />

sein.<br />

IV.<br />

Zurück zur Sehnsucht nach Strand und Wellen, nach salziger Meeresluft und einer kühlen<br />

Brise, die über die See streicht. Das Geld ist heute knapp, es sitzt nicht mehr so locker. Bei<br />

manchem ist er schon ein paar Jahre her, der letzte Urlaub, dazwischen nur Ferien zu Hau-<br />

se in Neukölln, mit Sommer und Sonne vorm Balkon. Aber vielleicht geht es ja doch, und<br />

wenn auch nur für einen Ausflug an die Ostsee. Ein Tag am Strand, mit <strong>dem</strong> Jubelgeschrei<br />

der Möwen im Ohr, <strong>dem</strong> Wind vom Meer und Sand an den Füßen. Und dann rein in die<br />

See, ins frische kühle Nass.<br />

Amen<br />

5.4.8 Aktionsformen<br />

<strong>Wasser</strong>meditation 31<br />

Ein Tonkrug mit <strong>Wasser</strong> und Schöpfkelle steht in der Mitte der Gruppe. Jemand<br />

schöpft wiederholt <strong>Wasser</strong> und lässt es in den Krug zurückrinnen, um so <strong>Wasser</strong> hör-<br />

bar und sichtbar zu machen.<br />

1. Meditation:<br />

<strong>Wasser</strong>! Im ewigen Kreisl<strong>auf</strong> verbindet es Himmel und Erde. In Wolken und Regen,<br />

in Schnee und in Eis fällt es zur Erde, macht grün sie und fruchtbar, verzaubert und<br />

schmückt sie. Schafft Quellen und Bäche und Flüsse und Seen, gestaltet die Erde mit<br />

Bergen und Tälern, ergießt sich ins Meer in unendliche Weiten, steigt wieder nach o-<br />

ben, verdunstend zum Himmel.<br />

Es rinnt durch die Kehle, erfrischende Kühle. Spiegelt den Durst von uns Menschen<br />

31 aus: Gottesdienstvorschlag für einen „Tag der Schöpfung“ 2000, von Klaus Hoof, Vorbachmühle, Weikersheim<br />

für die Arbeitsgruppe „Tag der Schöpfung“ im Evang. Oberkirchenrat Stuttgart (download unter<br />

http://www.ecen.org/cms/uploads/Creationtime%202000,%20liturgical%20materials,%20German.doc).<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

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78<br />

5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

nach Leben. Umhüllte uns schützend im Leib unserer Mutter, durchpulst unsre Zellen<br />

und Adern mit Leben. Wiege des Lebens unter Gottes: Es werde!<br />

Reinigt von Schmutz und kühlt unsren Körper, trägt uns beim Schwimmen und weckt<br />

unsre Geister. Es lindert das Leiden in unsrem Weinen, wäscht ab unsre Tränen, t<strong>auf</strong>t<br />

<strong>auf</strong> Jesu Namen. <strong>Wasser</strong> – Geschenk des Himmels für die Geschöpfe der Erde.<br />

2. Symbolhandlung<br />

Aus <strong>dem</strong> Tonkrug wird eine Schale (oder mehrere Schalen) mit <strong>Wasser</strong> gefüllt. Der<br />

Liturg/die Liturgin geht mit dieser Schale zu den Teilnehmenden und lädt sie mit den<br />

Worten ein: Wenn Sie gerne möchten, tauchen Sie ihre Finger in das <strong>Wasser</strong> und küh-<br />

len Sie damit ihre Stirn oder ihr Gesicht. Nach dieser Handlung sagt er oder sie: Wie<br />

dieses <strong>Wasser</strong> dich erfrischt und belebt, so belebe dich Gott mit seinem Geist.<br />

3. Lesung: Joh 4,5-14<br />

Da kam er in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei <strong>dem</strong> Feld, das Jakob<br />

seinem Sohn Josef gab.<br />

Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er<br />

sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde.<br />

Da kommt eine Frau aus Samarien, um <strong>Wasser</strong> zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib<br />

mir zu trinken!<br />

Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu k<strong>auf</strong>en.<br />

Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken,<br />

der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine<br />

Gemeinschaft mit den Samaritern. –<br />

Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der<br />

ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges<br />

<strong>Wasser</strong>.<br />

Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und<br />

der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges <strong>Wasser</strong>?<br />

Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat<br />

daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh.<br />

Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem <strong>Wasser</strong> trinkt, den wird wieder<br />

dürsten;<br />

wer aber von <strong>dem</strong> <strong>Wasser</strong> trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht<br />

dürsten, sondern das <strong>Wasser</strong>, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle<br />

des <strong>Wasser</strong>s werden, das in das ewige Leben quillt.<br />

– Stille –<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


5.4 Liturgische Gestaltungselemente<br />

Ein meditativer <strong>Wasser</strong>tanz zu Versen aus Psalm 104 32<br />

Die Bewegungen sind für einen Bändertanz ausgelegt und müssen angepasst werden, wenn<br />

der <strong>Wasser</strong>tanz mit Jugendgruppen durchgeführt werden soll.<br />

Zur Einstimmung hört man <strong>Wasser</strong>rauschen, z.B. von einem Regenmacher-Rohr. Die Hände<br />

beginnen ganz langsam mit Wellenlinien, wechselseitig rechts und links.<br />

Du lässest <strong>Wasser</strong> in den Tälern quellen, dass sie<br />

zwischen den Bergen dahinfließen,<br />

Dass alle Tiere des Feldes trinken und das Wild seinen<br />

Durst lösche.<br />

An ihren Ufern wohnen die Vögel des Himmels und<br />

singen unter den Zweigen.<br />

Du tränkest die Berge von oben her,<br />

aus deinen Wolken wird die Erde gesättigt.<br />

Du lässest Gras wachsen für das Vieh und Saat<br />

zu Nutz den Menschen,<br />

Dass du Brot aus der Erde hervorbringst,<br />

dass der Wein erfreue des Menschen Herz<br />

Und sein Antlitz schön werde vom Öl und das Brot<br />

des Menschen Herz stärke.<br />

Wellenlinien mit den Händen.<br />

Wellenlinien werden immer größer.<br />

32 aus: „<strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes. Bausteine für Gemeindearbeit und Gottesdienst“ (2006), hrsg. vom Evangelischen<br />

Oberkirchenrat Stuttgart in Zusammenarbeit mit der Dekade zur Überwindung von Gewalt, den Umwelträten<br />

der Evangelischen Landeskirchen und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Baden-<br />

Württemberg, S. 12.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

Körperposition verändern, in geduckter Haltung<br />

(wie Tiere) bewegen.<br />

Bewegung in <strong>auf</strong>rechter Position.<br />

Rückenlage, ganz geöffnet nach oben hin.<br />

Zuerst wächst eine Hand als „Gras“ aus der Erde,<br />

dann die zweite.<br />

Nun kommt ein Bein dazu, dann das zweite Bein.<br />

Körper erwächst aus der Rückenlage in die <strong>auf</strong>rechte<br />

Haltung<br />

79


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

Das Thema <strong>Wasser</strong> lässt sich mit vielen Aktivitäten verbinden:<br />

- Gemeindefest im Sommer,<br />

- Ausstellungen in Verbindung mit <strong>dem</strong> örtlichen <strong>Wasser</strong>werk,<br />

- Spurensuche <strong>Wasser</strong> im Ort, in der Region,<br />

- <strong>Wasser</strong>läufe, Brunnen, Quellen, <strong>Wasser</strong>mühlen<br />

6.1 <strong>Wasser</strong> – ein Element für das Leben 33<br />

[… ]<br />

<strong>Wasser</strong> ist neben der Luft zum Atmen die wichtigste Voraussetzung und Grundlage allen Le-<br />

bens. Für Christen sind diese Grundlagen des Lebens, die unbelebte und die belebte Natur<br />

nicht einfach nur Material, <strong>dem</strong> Menschen zu Verbrauch und Ausbeutung überlassen, sondern<br />

anvertraute Gaben der Schöpfung.<br />

Der Mensch besteht zu mehr als 60 % aus <strong>Wasser</strong>. Ohne <strong>Wasser</strong><strong>auf</strong>nahme stirbt der Mensch<br />

nach wenigen Tagen. Alle lebenswichtigen Vorgänge beim Menschen und in der Natur sind<br />

an das <strong>Wasser</strong> gebunden.<br />

Alles <strong>Wasser</strong> <strong>auf</strong> unserem Planeten ist in einem unendlichen Kreisl<strong>auf</strong> in Bewegung. <strong>Wasser</strong><br />

ist <strong>auf</strong> der Erde reichlich vorhanden, in flüssiger, gasförmiger oder kristalliner Form. Zwei<br />

Drittel der Erde sind mit <strong>Wasser</strong> bedeckt, aber nur etwa 2 % der gesamten <strong>Wasser</strong>menge ste-<br />

hen uns als Süßwasser zur Verfügung. Davon aber wiederum nur etwa 0,6 % in Seen, Flüssen<br />

oder als Grundwasser und nur dieses Grundwasser hat Trinkwasserqualität. Wir leben in<br />

Deutschland in einem wasserreichen Land. Im Vergleich zu vielen anderen Menschen und<br />

Regionen <strong>auf</strong> dieser Erde sind wir in einer bevorzugten Lage. In <strong>dem</strong> „Jahresgutachten 1997“<br />

des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung zur weltweiten <strong>Wasser</strong>situation wird<br />

festgestellt:<br />

� 2 Mrd. Menschen <strong>auf</strong> der Erde leben ohne Zugang zu sauberem Trink- und Sanitärwasser.<br />

� Jeder 2. Mensch in den Entwicklungsländern leidet an einer wasserbedingten<br />

Krankheit.<br />

� 5 Millionen Menschen sterben jährlich durch Verunreinigungen und Keime im<br />

Trinkwasser.<br />

� Alle 8 Sekunden stirbt nach Angaben der WHO ein Kind durch verschmutztes <strong>Wasser</strong>.<br />

33 nach: Ulrich Hack, <strong>Wasser</strong> – ein Element für das Leben, in: Gottes Erde – Zum Wohnen gemacht – Unsere<br />

Verantwortung für die Schöpfung. Impulse für Praxis und Gottesdienst (Woche für das Leben 2.-8. Mai<br />

1999, hrsg. vom Sekretariat der DBK u. Kirchenamt der EKD, Bonn – Hannover 1999, S. 28–30.<br />

80<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

Während in unbewohnten Gegenden <strong>Wasser</strong> im Überfluss vorhanden ist, wächst der Mangel<br />

an <strong>Wasser</strong> mit <strong>dem</strong> Wachstum der Bevölkerung und steigender Nachfrage.<br />

In den letzten 50 Jahren hat sich der <strong>Wasser</strong>verbrauch versechsfacht. <strong>Wasser</strong>mangel bedroht<br />

ein Viertel der Menschheit.<br />

Zahlreiche Megastädte (Mexiko, Peking, Schanhai, Kalkutta, Bombay u. a.) können schon<br />

heute ihre Einwohner nicht mehr ausreichend mit Trinkwasser versorgen.<br />

Jeder von uns trägt Verantwortung für die Qualität unseres <strong>Wasser</strong>s.<br />

Auch in den Industriestaaten ist man nicht mehr frei von Sorgen um die Trinkwasserqualität.<br />

Deshalb ist die konsequente Anwendung des Vorsorgeprinzips von ganz besonderer Bedeu-<br />

tung.<br />

Jeder von uns trägt Verantwortung für die Qualität unseres <strong>Wasser</strong>s. Der einzelne Bürger,<br />

Haushalte, Industrie, kirchliche Einrichtungen u. a. haben viele Möglichkeiten zu einem sorg-<br />

samen Umgang mit der Ressource <strong>Wasser</strong>.<br />

<strong>Wasser</strong>verbrauch und <strong>Wasser</strong>vergeudung<br />

Der Verbrauch von <strong>Wasser</strong> geschieht <strong>auf</strong> vielfältige Weise z.B. als Brauchwasser und Kühl-<br />

mittel in Gewerbe und Industrie, als Transportmittel, als Möglichkeit für Erholung und Frei-<br />

zeitsport, zum Bewässern in der Landwirtschaft u.v.a.m. Für häusliche Verwendungszwecke<br />

wird dagegen nur <strong>Wasser</strong> in Trinkwasserqualität verwendet.<br />

Der Pro - Kopf - Verbrauch von Trinkwasser liegt bei durchschnittlich 140 Litern pro Tag.<br />

Nur 3 - 6 Liter dienen zum Kochen und der Ernährung.<br />

In Kirchengemeinden entfallen manche Verwendungsbereiche. Andere kommen hinzu. Des-<br />

halb sind in kirchlichen Einrichtungen zunächst Erhebungen über den <strong>Wasser</strong>verbrauch not-<br />

wendig, mit deren Hilfe dann über Einsparmöglichkeiten nachgedacht werden kann.<br />

<strong>Wasser</strong>sparen<br />

Kreativität und Eigeninitiative sind gefragt.<br />

<strong>Wasser</strong>rechnung prüfen, Verbrauchsquellen kontrollieren und mit anderen Einrichtungen ver-<br />

gleichen. Es gibt eine Reihe von Maßnahmen und Möglichkeiten, ohne großen technischen<br />

Aufwand <strong>Wasser</strong> zu sparen. Sie sind in aller Regel sofort zu verwirklichen und verursachen<br />

entweder überhaupt keine oder nur geringfügige Kosten, mittelfristig senken sie sogar die<br />

Ausgaben. Allein mit wassersparenden Maßnahmen lassen sich 10 % <strong>Wasser</strong> und damit auch<br />

Kosten sparen.<br />

Tropfverluste undichter <strong>Wasser</strong>hähne kosten Geld.<br />

<strong>Wasser</strong>sparende Installationen und Maßnahmen:<br />

Toilettenspülung<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

81


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

Spar-Spül-Kästen, Spül-Stop-Tasten oder Spar-Druckspüler ermöglichen bis zu 25 Liter Was-<br />

ser pro Person und Tag einzusparen. Ihr Einsatz empfiehlt sich vor allem in Kindergärten,<br />

Gemeindehäusern, Heimen u.a.<br />

In diesem Zusammenhang sollten die Dichtungen von Druckspülern in allen kirchlichen Ein-<br />

richtungen überprüft werden, da bis zu 5o Liter pro Toilette und Tag ungenutzt in die Kanali-<br />

sation fließen können.<br />

<strong>Wasser</strong>sparende Armaturen<br />

Mit Armaturen in Badezimmern, Küchen und Toiletten wird etwa 1/3 des täglichen <strong>Wasser</strong>-<br />

verbrauchs gesteuert. <strong>Wasser</strong>sparende Armaturen wie z. B. Durchflußbegrenzer, Einhandhe-<br />

belmischer, Selbstschlußarmaturen reduzieren den Trinkwasserverbrauch erheblich. Für jede<br />

Verbrauchseinrichtung sollten <strong>Wasser</strong>zähler installiert werden.<br />

<strong>Wasser</strong>sparende Geräte<br />

Moderne Geschirrspülmaschinen und Waschmaschinen sind wesentlich sparsamer beim Was-<br />

serverbrauch als Geräte aus den 7oer und 8oer Jahren (Im Vergleich 120 Liter früher zu ca. 55<br />

Liter heute).<br />

Regenwassernutzung<br />

Für die Toilettenspülung, zum Wäschewaschen und zur Gartenbewässerung sollte Regenwas-<br />

ser als Ersatz für Trinkwasser genutzt werden. Es sollte dazu eine entsprechende Beratung<br />

eingeholt werden. In einigen Bundesländern wird die Nutzung von Regenwasser gefördert.<br />

Für die Garten-/Außenanlagenbewässerung empfiehlt sich das Aufstellen von Regentonnen.<br />

Auf jeden Fall lassen sich damit Trinkwasserressourcen sowie Kanalisation und Kläranlagen<br />

schonen.<br />

<strong>Wasser</strong>schonende Maßnahmen<br />

Grünflächenbewässerung durch Oberflächenwasser<br />

Für die Bewässerung von Grünflächen und Außenanlagen kirchlicher Gebäude sollte Oberflä-<br />

chenwasser/Regenwasser benutzt werden. Vor allem in den Sommermonaten, in denen natur-<br />

gemäß ein höherer <strong>Wasser</strong>verbrauch besteht, sollte nicht noch zusätzlich Trinkwasser für die<br />

Grünflächenbewässerung verschwendet werden. Auch lassen sich durch eine standortgerechte<br />

Bepflanzung in den Sommermonaten erhebliche <strong>Wasser</strong>mengen einsparen.<br />

Entsiegelung von Flächen<br />

Die Versiegelung unserer Landschaft durch Gebäude, Straßen, Gewerbeflächen und Parkplät-<br />

ze hat in den letzten Jahrzehnten stark zugenommen und dazu beigetragen, dass Nieder-<br />

82<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

schlagwasser nicht mehr ausreichend versickern und somit zur Grundwasserneubildung bei-<br />

tragen kann. Auch hat die zunehmende Versiegelung die Hochwassergefahr in Flüssen und<br />

Bächen erhöht. Die Versiegelung hat außer<strong>dem</strong> die natürliche Verdunstung verringert, den<br />

Lebensraum für Tiere und Pflanzen an der Erdoberfläche und im Boden zerstört, das Klein-<br />

klima verschlechtert und Landschaftsräume verödet.<br />

Inzwischen gehen immer mehr Kommunen dazu über, Abgaben für versiegelte Flächen zu<br />

erheben. Damit werden Entsiegelungen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch sinn-<br />

voll. Deshalb sollte folgendes geprüft und umgesetzt werden:<br />

� versiegelte Flächen entsiegeln<br />

� Flächen wasserdurchlässig befestigen z. B. mit Rasengittersteinen, Porenpflaster, Ra–<br />

senfugenpflaster oder Sylittfugenpflaster<br />

� Regenwasser versickern lassen z. B. durch entsprechende Systeme wie Flächenversickerung,<br />

Muldenversickerung oder Schachtversickerung.<br />

Vermeidung von Schadstoffeinträgen ins <strong>Wasser</strong> durch:<br />

� Reduzierung von Nitrateinträgen <strong>auf</strong> landwirtschaftlich genutzten Böden<br />

� Verwendung von umweltschonenden Wasch- und Reinigungsmitteln<br />

� Einsatz von umweltfreundlichen Streumitteln im Winterdienst<br />

� Einsatz von Recyclingpapier in Gemeinde- und Pfarrbüros sowie kirchlichen Verwaltungseinrichtungen<br />

� Ordnungsgemäße Abfallbeseitigung, denn Abfälle aller Art gehören weder in die Toilette<br />

noch in das Spülbecken<br />

Schritte in der Gemeindearbeit<br />

Das Thema „<strong>Wasser</strong> als Lebenselement“ in die Arbeit der Gemeinde und kirchlichen Institu-<br />

tionen einbringen.<br />

Für die Umsetzung konkreter Maßnahmen empfiehlt sich die Bildung einer Arbeitsgruppe, in<br />

der Benutzerinnen und Benutzer von Gemeinderäumen vertreten sind. Wichtige Arbeitsschrit-<br />

te können sein:<br />

� zunächst Verbrauchsdaten erfassen<br />

� Rundgang durch die Einrichtungen mit der Fragestellung, wo etwas geändert oder<br />

gespart werden kann<br />

� Checkliste für Sparmöglichkeiten und Projekte <strong>auf</strong>stellen<br />

� Zuständigkeiten klären und Maßnahmen anordnen<br />

� Erfolg kontrollieren.<br />

Für die Arbeit in der Gemeinde können darüber hinaus folgende Aktionen vorgesehen wer-<br />

den:<br />

� eine <strong>Wasser</strong>woche veranstalten<br />

� Ausstellung im Gemeindehaus zum Thema in Absprache mit <strong>Wasser</strong>werk, Umweltgruppen,<br />

Stadt<br />

� Verbraucherberatung um Informationen bitten<br />

� einen (Kinder-) Gottesdienst zum Thema durchführen<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

83


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

� im Kindergarten einen Malwettbewerb durchführen.<br />

Literatur:<br />

„Ohne <strong>Wasser</strong> läuft nichts – Informationen zum <strong>Wasser</strong>sparen",<br />

hg. v. Arbeitsstelle für Umweltfragen der Ev. Kirche in Hessen-Nassau<br />

(Tel.: 06151/367004) in Zusammenarbeit mit <strong>dem</strong> Hess. Ministerium für Umwelt, Energie,<br />

Jugend, Familie und Gesundheit<br />

Ein Bibeltag zum <strong>Wasser</strong>,<br />

hg. v. Konferenz der Umweltbe<strong>auf</strong>tragten der Ev. - Luth. Kirche in Bayern, Postfach 200751,<br />

80007 München, Tel.: 089/548219-11<br />

Bewahrung der Schöpfung – praktisch: <strong>Wasser</strong>, hg. v. Arbeitsgemeinschaft der Umweltbe<strong>auf</strong>tragten<br />

der Gliedkirchen der EKD, Amt für Sozialethik KDA und Ökologie, Hans-Böckler-<br />

Str. 7, 40476 Düsseldorf<br />

„Schwamm drüber – Umweltschonende und gesundheitsbewusste Reinigung in öffentlichen<br />

Einrichtungen", hg. v. Landschaftsverband Westfalen - Lippe in Zusammenarbeit mit den<br />

kirchlichen Umweltreferaten und den diakonischen Werken in <strong>NRW</strong> Tel.: 0251/591-3565<br />

FAX: 0251/591-218<br />

„Ein <strong>Wasser</strong>tropfen <strong>auf</strong> Reisen" – Ein Lesebuch für die Kindergartenarbeit, hg. v. Hessisches<br />

Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und Gesundheit<br />

Sonderdruck für das Umweltreferat der Evang. - Luth. Kirche in Bayern Tel.: 089/54821911,<br />

FAX: 089/54821920<br />

84<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

6.2 <strong>Wasser</strong>verbrauch weltweit und zuhause 34<br />

Woher kommt unser <strong>Wasser</strong>?<br />

Der größte Teil befindet sich im Boden,<br />

entweder direkt unter der Erdoberfläche<br />

oder in tieferen Schichten. Die Menge die-<br />

ses <strong>Wasser</strong>s ist 60 Mal größer als die des<br />

<strong>Wasser</strong>s <strong>auf</strong> der Erdoberfläche. Neben <strong>dem</strong><br />

fließenden Grundwasser, das als Teil des<br />

<strong>Wasser</strong>kreisl<strong>auf</strong>es zirkuliert, gibt es die<br />

Aquifere: Unterirdische Grundwasserspei-<br />

cher, oft ohne Verbindung zur Biosphäre,<br />

auch fossiles <strong>Wasser</strong> genannt. Mit ihnen<br />

geht es uns wie mit <strong>dem</strong> Öl: Irgendwann<br />

ist der Vorrat zu Ende. Überall <strong>auf</strong> der<br />

Welt jedoch werden Aquifere in giganti-<br />

schem Umfang ausgebeutet.<br />

<strong>Wasser</strong>verbrauch weltweit<br />

In den letzten sieben Jahrzehnten hat sich<br />

der weltweite <strong>Wasser</strong>verbrauch versechs-<br />

facht. Die Unterschiede des Verbrauchs in<br />

den einzelnen Regionen der Welt sind e-<br />

norm: Während er in afrikanischen Tro-<br />

ckengebieten bei etwa 20 Litern liegt, er-<br />

reicht er in den USA ca. 295 Liter pro Tag.<br />

Nach Angaben der Weltgesundheitsorgani-<br />

sation WHO sind mindestens 25 Liter pro<br />

Tag zum Trinken, Kochen und den hygie-<br />

nischen Bedarf nötig.<br />

34 aus: <strong>Wasser</strong> – Zur Quelle gehen, Umweltbrief, Gerhard Monninger, hrsg. von der Ev.-Lutherischen Kirche in<br />

Bayern (Januar 2008), S. 5.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

<strong>Wasser</strong>verbrauch im Haushalt<br />

Essen und Trinken*<br />

Kaffee kochen 1 Liter<br />

Kartoffeln kochen 1 Liter<br />

Gemüse waschen 3,5 Liter<br />

Obst waschen 2 - 5 Liter<br />

Körperpflege und Hygiene*<br />

ein Vollbad 120 - 180 Liter<br />

einmal Duschen 30 - 90 Liter<br />

Zahnpflege 0,5 Liter<br />

Händewaschen 2 - 3 Liter<br />

Morgenwäsche 3 - 5 Liter<br />

Toilette*<br />

spülen mit Spartaste 6 Liter<br />

Normalspülkasten 10 -18 Liter<br />

undichter Toilettenspülkasten<br />

(24 Std.) 500 Liter<br />

Geschirr spülen*<br />

altes Gerät 20 - 30 Liter<br />

neues Gerät 15 Liter<br />

Handwäsche 20 - 40 Liter<br />

Wäsche waschen*<br />

alte Waschmaschine 60 -100 Liter<br />

neue Waschmaschine 35 - 50 Liter<br />

* Durchschnittswerte aus verschiedenen<br />

Quellen, die ja nach Nutzerverhalten und<br />

Gerätetyp / Programm variieren<br />

85


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

<strong>Wasser</strong> <strong>auf</strong> <strong>dem</strong> <strong>Globus</strong> 35<br />

Vorkommen Volumen in km 3 in %<br />

Weltmeere 1.338.000.000 96,5<br />

Unterirdische Salzwasser 12.870.000 0,94<br />

Unterirdische Süßwasser 10.530.000 0,76<br />

Bodenfeuchte 16.500 0,001<br />

Eis, Schnee und Firn 24.364.100 1,766<br />

Salzwasserseen 85.400 0,006<br />

Süßwasserseen 91.000 0,007<br />

Sümpfe 11.500 0,0008<br />

Flüsse 2.100 0,0002<br />

Lebewesen 1.100 0,0001<br />

Atmosphäre 12.900 0,001<br />

Total 1.385.984.600 100<br />

Hätten Sie´s gewusst?<br />

• Süßwasserquellen im Meer - Der antike<br />

König Agamemnon kannte keine <strong>Wasser</strong>-<br />

probleme, wohl aber die Süßwasserquellen<br />

im Meer im heutigen Kiveri, nahe seiner<br />

Königsburg. Hier strömen große Süßwas-<br />

sermengen untermeerisch aus, durch einen<br />

12.000 Jahre alten Kanal. Im porösen Un-<br />

tergrund des Karstgebirges verschwindet<br />

Regenwasser rasch und taucht als „anony-<br />

mes <strong>Wasser</strong>“ in Quellkanälen unterhalb<br />

des Meeresspiegels wieder <strong>auf</strong>, wo es sich<br />

mit <strong>dem</strong> Salzwasser vermischt.<br />

• Astgabeln als Quellen des Lebens –<br />

Verwandte unseres europäischen Laubfro-<br />

sches sind vor allem in den Regenwäldern<br />

Südamerikas weit verbreitet. Ihre Quappen<br />

entwickeln sich dort häufig in den wasser-<br />

gefüllten Blattachseln der Urwaldbäume in<br />

35 Ebd. S. 9.<br />

86<br />

großer Höhe. Tropische Frösche sind oft<br />

<strong>auf</strong>fällig gefärbt und sehr giftig.<br />

• Energiequelle <strong>Wasser</strong>kraft –<br />

Bayernweit sind rund 4.250 <strong>Wasser</strong>kraft-<br />

anlagen in Betrieb, wovon die 220 großen<br />

Anlagen über 90 Prozent des Stroms er-<br />

zeugen. Alleine die 28 Anlagen an der Isar<br />

erzeugen pro Jahr 1,6 Milliarden Kilowatt-<br />

stunden Strom für umgerechnet 440.000<br />

Haushalte und vermeiden dadurch 10 Mil-<br />

lionen Tonnen Kohlendioxid).<br />

• Moderne Trinkwasserquellen –<br />

In Deutschland stillen die Menschen ihren<br />

Durst mit <strong>Wasser</strong> aus <strong>dem</strong> Hahn oder aus<br />

der Flasche. 2005 kostete der Liter Lei-<br />

tungswasser im Schnitt 0,181 Cent, für<br />

Mineralwasser zahlt man hingegen das<br />

100- bis 1000-fache. Dennoch stieg der<br />

Mineralwasser-Verbrauch zwischen 1970<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


6. Anregungen für die praktische Gestaltung der Schöpfungszeit vor Ort<br />

und 2007 von 12,5 Liter <strong>auf</strong> über 130 Li-<br />

ter.<br />

• Wenn saubere Quellen fehlen –<br />

Jährlich sterben 2,3 Millionen Menschen<br />

an den Folgen verschmutzen <strong>Wasser</strong>s.<br />

2004 hatten 2,6 Milliarden, das sind 40<br />

Prozent der Weltbevölkerung, noch nicht<br />

einmal ein Minimum an sanitärer <strong>Wasser</strong>-<br />

versorgung.<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

87


7. Anhang<br />

88<br />

7. Anhang 7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum <strong>Wasser</strong> als Quelle des Lebens<br />

7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum <strong>Wasser</strong> als Quelle des Lebens (in Auswahl)<br />

(1) Erklärung: <strong>Wasser</strong> – Quelle des Lebens. Beschluss der 9. Vollversammlung des Öku-<br />

menischen Rates der Kirchen in Porto Alegre (Brasilien) vom 14.-28. Februar 2006<br />

Der folgende Bericht wurde der Vollversammlung vorgelegt und von ihr entgegengenommen.<br />

Die darin enthaltenen Beschlussfassungen wurden vom Ausschuss für öffentliche Angelegenheiten<br />

vorgeschlagen und von der Vollversammlung im Konsens gebilligt. Abweichende Meinungen<br />

von Vollversammlungsdelegierten erscheinen als Endnoten.<br />

1. <strong>Wasser</strong> ist ein Symbol des Lebens. Die Bibel nennt das <strong>Wasser</strong> Ursprung des Lebens, Aus-<br />

druck der Gnade Gottes für die gesamte Schöpfung in Ewigkeit (1. Mose 2,5ff). Es ist eine<br />

Grundvoraussetzung allen Lebens <strong>auf</strong> der Erde (1. Mose 1,2ff) und muss bewahrt und mit<br />

allen Lebewesen und der übrigen Schöpfung geteilt werden. <strong>Wasser</strong> ist die Quelle der Ge-<br />

sundheit und des Wohlbefindens und verlangt verantwortungsvollen Umgang von uns Men-<br />

schen als Partner und Priester der Schöpfung (Röm 8,19ff; Offb 22). Als Kirchen sind wir zur<br />

Teilnahme an Gottes Plan einer neuen Schöpfung <strong>auf</strong>gerufen, in der allen ein Leben in Fülle<br />

gewährt wird (Joh 10,10; Am 5,24). Daher ist es geboten, die Stimme zu erheben und zu han-<br />

deln, wenn das Leben spendende <strong>Wasser</strong> weltweit und systematisch gefährdet wird.<br />

2. Zugang zu Trinkwasser wird zu einem akuten Problem <strong>auf</strong> unserem Planeten. <strong>Wasser</strong>man-<br />

gel und fehlende sanitäre Versorgung bedrohen gegenwärtig das Überleben von 1,2 Mrd.<br />

Menschen. Einseitiger Zugang zu <strong>Wasser</strong> führt zu Konflikten zwischen und innerhalb von<br />

Menschen, Gemeinwesen, Regionen und Ländern. Auch die Artenvielfalt ist bedroht durch<br />

die Erschöpfung und Verunreinigung der Trinkwasserreserven oder durch den Bau von gro-<br />

ßen Staudämmen bzw. Bergbau oder Treibhauskulturen (Bewässerung) im großen Stil, Akti-<br />

vitäten, die häufig mit Zwangsumsiedlungen der Bevölkerung und Störungen des Ökosystems<br />

einhergehen. Intakte und im Gleichgewicht befindliche Ökosysteme sind wesentliche Voraus-<br />

setzungen für den Zugang zu <strong>Wasser</strong>. Wälder haben im Ökosystem <strong>Wasser</strong> eine unersetzliche<br />

Funktion und müssen geschützt werden. Klimawandel und die Verfolgung mächtiger wirt-<br />

schaftlicher Interessen verschärfen die Krise noch. <strong>Wasser</strong> wird zunehmend als Handelsware<br />

betrachtet, die den Marktgesetzen unterworfen ist.<br />

3. Immer mehr wird <strong>Wasser</strong>mangel auch zu einer Konfliktquelle. Abkommen über internatio-<br />

nale <strong>Wasser</strong>läufe und Flusseinzugsgebiete müssen viel konkreter gefasst sein und Maßnah-<br />

men zur Vertragsdurchsetzung sowie detaillierte Konfliktlösungsmechanismen enthalten.<br />

4. Auf lokaler wie <strong>auf</strong> internationaler Ebene gibt es positive und ideenreiche Initiativen, die<br />

der christlichen Position zu <strong>Wasser</strong>fragen erhöhtes Profil verleihen:<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


7. Anhang 7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum <strong>Wasser</strong> als Quelle des Lebens<br />

5. So haben Kirchen in Brasilien und der Schweiz eine gemeinsame Ökumenische Erklärung<br />

zum <strong>Wasser</strong> als Menschenrecht und als öffentliches Gut abgegeben – ein ausgezeichnetes<br />

Beispiel ökumenischer Zusammenarbeit. Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios erklärt,<br />

dass <strong>Wasser</strong> niemals als Privatbesitz betrachtet und behandelt oder zum Mittel und Zweck<br />

von Einzelinteressen werden darf. Er betont, dass Gleichgültigkeit gegenüber der Lebensbe-<br />

deutung des <strong>Wasser</strong>s sowohl eine Lästerung Gottes des Schöpfers als auch ein Verbrechen<br />

gegen die Menschlichkeit sei. Kirchen verschiedener Länder und ihre Dienste und Werke ha-<br />

ben sich im Ökumenischen <strong>Wasser</strong>-Netzwerk zusammengeschlossen, um sich gemeinsam für<br />

die Verfügbarkeit von Trinkwasser und den Bau von adäquaten Abwassersystemen einzuset-<br />

zen und für das Recht <strong>auf</strong> <strong>Wasser</strong> einzutreten. Grundsätzlich gilt: der Zugang zu <strong>Wasser</strong> ist<br />

ein menschliches Grundrecht. Die Vereinten Nationen haben eine Internationale Aktionsde-<br />

kade "<strong>Wasser</strong> – Quelle des Lebens", 2005-2015, ausgerufen.<br />

6. Es ist wichtig, dass Kirchen und christliche Hilfswerke zusammenarbeiten und die Zusam-<br />

menarbeit mit anderen Partnern, einschließlich anderer Glaubenstraditionen und NROs, und<br />

insbesondere mit denjenigen Organisationen vergleichbarer ethischer Ausrichtung suchen, die<br />

mit bedrohten und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen arbeiten. Es ist unerlässlich, sich an<br />

Diskussionen über <strong>Wasser</strong>politik und an entsprechenden Aktionen zu beteiligen, einschließ-<br />

lich Gesprächen mit Regierungen, Körperschaften oder multilateralen Institutionen. Nur so<br />

kann die Bedeutung des Rechts <strong>auf</strong> <strong>Wasser</strong> bewusst gemacht und <strong>auf</strong>gezeigt werden, welche<br />

alternativen Lebensweisen es gibt, die den ökologischen Abläufen besser Rechnung tragen<br />

und Nachhaltigkeit langfristig sicherstellen.<br />

Beschlussfassung:<br />

Die vom 14. – 23. Februar 2006 in Porto Alegre (Brasilien) tagende Neunte Vollver-<br />

sammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen<br />

a) nimmt die Erklärung "<strong>Wasser</strong> – Quelle des Lebens" an und ruft die Kirchen und ö-<br />

kumenischen Partner zur Zusammenarbeit <strong>auf</strong>, um:<br />

b) das Bewusstsein für die Erhaltung und den Schutz der <strong>Wasser</strong>ressourcen gegen Über-<br />

nutzung und Verschmutzung – als fester Bestandteil des Rechts <strong>auf</strong> Leben – zu schärfen<br />

und alle dafür notwendigen Maßnahmen zu treffen;<br />

c) sich stark zu machen für die Ausarbeitung von Rechtsinstrumenten und -<br />

mechanismen, die <strong>auf</strong> lokaler, nationaler, regionaler und internationaler Ebene die<br />

Durchsetzung des Rechts <strong>auf</strong> <strong>Wasser</strong> als eines menschlichen Grundrechts garantieren;<br />

d) unter Kirchen und ökumenischen Partnern die Zusammenarbeit in <strong>Wasser</strong>fragen<br />

durch Beteiligung am Ökumenischen <strong>Wasser</strong>-Netzwerk voranzutreiben;<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

89


7. Anhang 7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum <strong>Wasser</strong> als Quelle des Lebens<br />

e) Initiativen von Gemeinwesen zu unterstützen, mit <strong>dem</strong> Ziel, lokalen Bevölkerungen<br />

verantwortungsvolle Verfügungsgewalt über <strong>Wasser</strong>ressourcen zu geben, sie zu deren<br />

Bewirtschaftung und Regelung zu befähigen sowie deren Nutzung für kommerzielle<br />

Zwecke zu verhindern;<br />

f) bei Regierungen und internationalen Hilfsorganisationen dar<strong>auf</strong> zu dringen, solchen<br />

Programmen Priorität einzuräumen und sie mit angemessenen finanziellen und anderen<br />

Mitteln auszustatten, die <strong>Wasser</strong> für örtliche Gemeinschaften erschließen und verfügbar<br />

machen und die bei der Planung und <strong>dem</strong> Bau funktionierender Abwassersysteme hel-<br />

fen, unter Berücksichtigung der notwendigen Vorkehrungen dafür, dass Menschen mit<br />

Behinderungen Zugang zu diesem Trinkwasser und der sanitären Versorgung erhalten;<br />

g) Streitigkeiten und die Ausarbeitung von Vereinbarungen zu verfolgen, in denen es um<br />

<strong>Wasser</strong>ressourcen und Flusseinzugsgebiete geht, um sicherzustellen, dass solche Über-<br />

einkünfte detaillierte, konkrete und eindeutige Konfliktlösungsbestimmungen enthalten;<br />

h) einen Beitrag zur Internationalen Aktionsdekade "<strong>Wasser</strong> – Quelle des Lebens, 2005-<br />

2015, zu leisten, in<strong>dem</strong> die ethische und spirituelle Dimension der <strong>Wasser</strong>krise unter-<br />

sucht und herausgestellt wird.<br />

(2) Ökumenische Erklärung zum <strong>Wasser</strong> als Menschenrecht und als öffentliches Gut, hrsg.<br />

von Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund, Ökumenischer Rat Christlicher Kirchen<br />

Brasiliens, Katholische Bischofskonferenz Brasiliens, Schweizer Bischofskonferenz, Bern<br />

2005.<br />

Wir, die im Ökumenischen Rat christlicher Kirchen Brasiliens und im Schweizerischen Evan-<br />

gelischen Kirchenbund zusammengeschlossenen Kirchen und die Bischofskonferenzen Brasi-<br />

liens und der Schweiz, angeregt durch lokale Initiativen in ihren Kirchen und ermutigt durch<br />

weltweite kirchliche Äußerungen – und in Anknüpfung an die von der UNO ausgerufene In-<br />

ternationale <strong>Wasser</strong>dekade (2005-2015),<br />

1. Wir erkennen an<br />

• <strong>Wasser</strong> ist eine Grundvoraussetzung für alles Leben. Ohne <strong>Wasser</strong> gibt es kein Leben.<br />

90<br />

Zugang zu <strong>Wasser</strong> haben oder nicht haben, entscheidet über Leben und Tod. <strong>Wasser</strong><br />

ist eine Gabe Gottes, das er allen für ein Leben in Fülle zum verantwortlichen<br />

Gebrauch zur Verfügung stellt. <strong>Wasser</strong> ist deshalb grundsätzlich ein gemeinsames<br />

Gut, das nicht zu privatisieren ist.<br />

• Zugang zu <strong>Wasser</strong> ist ein Menschenrecht. Das «Recht <strong>auf</strong> angemessene Ernährung» ist<br />

festgehalten in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UNO von 1948<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


7. Anhang 7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum <strong>Wasser</strong> als Quelle des Lebens<br />

(Art. 25) und im UNO-«Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte» von<br />

1966 (Art. 11). Bei der Umsetzung müssen die spezifischen Probleme und Bedürfnisse<br />

der Frauen besondere Berücksichtigung finden: In vielen Ländern sind Frauen (und<br />

Kinder, speziell Mädchen) für das Beschaffen von <strong>Wasser</strong> zuständig – mit Konse-<br />

quenzen für die Gesundheit der Frauen (Tragen schwerer Lasten) und der Mädchen,<br />

die dadurch gehindert werden, die Schule zu besuchen.<br />

• <strong>Wasser</strong> hat spirituelle Bedeutung. <strong>Wasser</strong> ist nicht nur ein Wirtschaftsgut, sondern es<br />

besitzt eine soziale, kulturelle, medizinische, religiöse und mystische Bedeutung.<br />

Schon im Schöpfungsbericht heißt es: «Gottes Geist schwebte über den <strong>Wasser</strong>n...»<br />

(Gen 1,2). Durch Moses versorgte Gott sein durch die Wüste pilgerndes Volk mit<br />

<strong>Wasser</strong>. Für uns Christinnen und Christen liegt die Symbolkraft des <strong>Wasser</strong>s in der<br />

T<strong>auf</strong>e: «Wer glaubt und sich t<strong>auf</strong>en lässt, wird gerettet,..» (Mk 16,16). Das <strong>Wasser</strong> hat<br />

für viele Völker und Kulturen eine heilige Bedeutung und besitzt einen gemein-<br />

schaftsstiftenden, rituellen und traditionsverbundenen Wert.<br />

• <strong>Wasser</strong> wird für viele Menschen knapp. Durch den hohen <strong>Wasser</strong>verbrauch pro Kopf,<br />

2. Wir fordern<br />

die wachsende Bevölkerungszahl, eine inadäquate <strong>Wasser</strong>bewirtschaftung, die Ver-<br />

schwendung, den Lebensstil und die Zerstörung von Wald, Boden und <strong>Wasser</strong>reserven<br />

wird eine besondere Sorge für das <strong>Wasser</strong> sowie eine Prioritätensetzung bei dessen<br />

Gebrauch nötig.<br />

• Zugang zu <strong>Wasser</strong> ist als Menschenrecht lokal und global anzuerkennen, wie es im<br />

Recht <strong>auf</strong> angemessene Ernährung enthalten ist. Es ist von allen Sektoren der Gesell-<br />

schaft, in besonderer Verantwortung aber von Staaten zu respektieren. Die «Allgemei-<br />

ne Bemerkung» Nr. 15 des UNO Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kultu-<br />

relle Rechte und die von der Staatengemeinschaft in der FAO im November 2004 ver-<br />

abschiedeten «Freiwilligen Richtlinien zur Unterstützung der Verwirklichung des<br />

Rechts <strong>auf</strong> angemessene Nahrung im Kontext nationaler Nahrungssicherheit» (bes.<br />

Richtlinie 8c) sind zügig umzusetzen.<br />

• <strong>Wasser</strong> ist als öffentliches Gut zu behandeln. Der Staat muss die Verpflichtung über-<br />

nehmen, allen Bewohnern Zugang zu Trinkwasser zu sichern. Das beinhaltet einen er-<br />

schwinglichen Preis für <strong>Wasser</strong>, die Beschaffung der nötigen technischen und finan-<br />

ziellen Mittel sowie die Einbeziehung der Gemeinden und lokalen Gemeinschaften in<br />

sie betreffende Entscheidungen zur Nutzung der vorhandenen <strong>Wasser</strong>ressourcen.<br />

<strong>Wasser</strong> als öffentliches Gut beinhaltet auch die Verpflichtung der Staaten, die Nut-<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

91


92<br />

7. Anhang 7.1 Zentrale Aussagen der Kirchen zum <strong>Wasser</strong> als Quelle des Lebens<br />

zung der <strong>Wasser</strong>ressourcen mit friedlichen Mitteln so zu regeln, dass für alle Men-<br />

schen auch der Nachbarstaaten das Recht <strong>auf</strong> <strong>Wasser</strong> respektiert wird.<br />

• Für den <strong>Wasser</strong>verbrauch sind gesetzliche Prioritäten festzulegen. An erster Stelle<br />

steht die Stillung des Durstes von Mensch und Tier sowie der <strong>Wasser</strong>bedarf für die<br />

Nahrungsproduktion. Das erfordert eine vorbeugende Umweltpolitik, im Geist der So-<br />

lidarität zwischen Gemeinden, Ländern und Völkern.<br />

• Dem Recht <strong>auf</strong> <strong>Wasser</strong> ist mit einer von der UNO zu verabschiedenden Internationa–<br />

len <strong>Wasser</strong>konvention ein verbindlicher Rahmen zu geben.<br />

3. Wir verpflichten uns<br />

• unsere Kirchen, Kirchgemeinden, Werke, ökumenischen Zusammenschlüsse und na–<br />

hestehende Organisationen für die Unterstützung dieser Erklärung zu gewinnen, und<br />

dafür zu beten;<br />

• zusammen mit den interessierten sozialen Bewegungen und NGOs der Schweiz und<br />

Brasiliens die öffentliche Meinung, die politischen Kräfte und die Bevölkerung unse-<br />

rer Länder im Einsatz für die Anliegen dieser Erklärung zu motivieren und der Ten-<br />

denz zur Privatisierung entgegen zu wirken;<br />

• die Regierungen unserer Länder dazu zu bewegen, dass sie durch entsprechende Ge–<br />

setzgebungen das Menschenrecht <strong>auf</strong> <strong>Wasser</strong> und die Erklärung des <strong>Wasser</strong>s als öf-<br />

fentliches Gut sichern und sich für die Erarbeitung einer von der UNO zu verabschie-<br />

denden Internationalen <strong>Wasser</strong>konvention einsetzen.<br />

Freiburg, 22. April 2005<br />

Für den Ökumenischen Rat Christlicher Kirchen Brasiliens CONIC<br />

Bischof Adriel de Souza Maia, Präsident<br />

Für die Katholische Bischofskonferenz Brasiliens CNBB<br />

Weihbischof Odilo Pedro Scherer, Generalsekretär<br />

Für den Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund SEK<br />

Irène Reday, Vizepräsidentin<br />

Für die Schweizer Bischofskonferenz SBK<br />

Weihbischof Peter Henrici, ressortverantwortlicher Bischof<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


7.2 Hinweise <strong>auf</strong> weitere Materialien zum Thema<br />

7.2. Hinweise <strong>auf</strong> weitere Materialien zum Thema<br />

⎯ Bei dir ist die Quelle des Lebens (Ps 36,6–10). Materialien für Gemeindearbeit und<br />

Gottesdienst zur Gebetswoche für die Einheit der Christen 2002, Stuttgart – Eich-<br />

stätt 2001.<br />

⎯ „Bewahrung der Schöpfung – praktisch: <strong>Wasser</strong> (1990), hg. v. Arbeitsgemeinschaft<br />

der Umweltbe<strong>auf</strong>tragten der Gliedkirchen der EKD, Amt für Sozialethik KDA und<br />

Ökologie, Hans-Böckler-Str. 7, 40476 Düsseldorf<br />

⎯ Ein Bibeltag zum <strong>Wasser</strong>, hg. v. Konferenz der Umweltbe<strong>auf</strong>tragten der Ev. - Luth.<br />

Kirche in Bayern, Postfach 200751, 80007 München, Tel.: 089/548219-11<br />

⎯ Materialien des Ökumenischen <strong>Wasser</strong>netzwerkes (ÖWN), Sieben Wochen im Zei-<br />

chen des <strong>Wasser</strong>s 2011: <strong>Wasser</strong> und gerechter Frieden (Woche 1: Land und <strong>Wasser</strong>;<br />

Woche 2: Öl und <strong>Wasser</strong> in Nigeria; Woche 3: <strong>Wasser</strong> als Ware; Woche 4: Frauen,<br />

<strong>Wasser</strong> und Gewalt; Woche 5: <strong>Wasser</strong>konflikt im Heiligen Land; Woche 6: Klima-<br />

wandel und Flüchtlinge ;Woche 7: <strong>Wasser</strong> für die Landlosen in Guatemala)<br />

[download unter: http://www.oikoumene.org/de/activities/oekumenisches-<br />

wassernetzwerk-oewn/ressourcen-und-links/sieben-wochen-fuer-wasser/ueber-die-<br />

kampagne/archiv/sieben-wochen-fuer-wasser.html]<br />

⎯ MISEREOR (1996): <strong>Wasser</strong> - ein globale Herausforderung. Sachbuch zur Fastenak-<br />

tion 1996. (Postfach 1450, 52015 Aachen, Tel. 0241/479)<br />

⎯ Ohne <strong>Wasser</strong> läuft nichts – Informationen zum <strong>Wasser</strong>sparen, hg. v. Arbeitsstelle für<br />

Umweltfragen der Ev. Kirche in Hessen-Nassau (Tel.: 06151/367004) in Zusam-<br />

menarbeit mit <strong>dem</strong> Hess. Ministerium für Umwelt, Energie, Jugend, Familie und<br />

Gesundheit<br />

⎯ <strong>Wasser</strong> – Zur Quelle gehen, Umweltbrief, Gerhard Monninger, hrsg. von der Ev.-<br />

Lutherischen Kirche in Bayern (Januar 2008) [Download unter:<br />

http://www.zgv.info/cms/fileadmin/user_upload/download/umwelt/200801-<br />

wasser_zur_quelle_gehen-monninger.pdf]<br />

⎯ Water - Source of Life. A Dossier produced by the European Christian Environmen-<br />

tal Network (ECEN) (November 2003) [Download unter:<br />

http://www.argeschoepfung.at/die-34-tage-der-schoepfungszeit.html]<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

93


94<br />

7.2 Hinweise <strong>auf</strong> weitere Materialien zum Thema<br />

⎯ Die Evangelische Landeskirche in Württemberg gibt schon seit <strong>dem</strong> Jahr 2000 jedes<br />

Jahr ein Materialheft mit Anregungen zum „Schöpfungstag“ unter wechselnden<br />

thematischen Aspekten heraus „<strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes. Bausteine für Gemeindear-<br />

beit und Gottesdienst“ (2006), hrsg. vom Evangelischen Oberkirchenrat Stuttgart in<br />

Zusammenarbeit mit der Dekade zur Überwindung von Gewalt, den Umwelträten<br />

der Evangelischen Landeskirchen und der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen<br />

in Baden-Württemberg (Download unter : http://www.umwelt.elk-<br />

wue.de/fileadmin/mediapool/einrichtungen/E_umweltbe<strong>auf</strong>tragter/Veranstaltungen/t<br />

ds06wasser.pdf<br />

⎯ Zeit der Schöpfung. Dossier zur Schöpfungszeit 2010 (ECEN), hrsg. von Isolde<br />

Schönstein/ARGE Schöpfungsverantwortung, Wien 20108 (Bezugsadresse: ARGE,<br />

A - 1130 Wien, Don Bosco Haus, St. Veitgasse 25, www.argeschoepfung.at; of-<br />

fice@argeschoepfung.at; Tel: 0043 (0) 1 878 39-539; Fax: 0043 (0) 1 878 39-540)<br />

[download unter: http://www.argeschoepfung.at/die-34-tage-der-<br />

schoepfungszeit.html]<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


7.3 „<strong>Wasser</strong>“ – Links zu weltweiten Hilfsprojekten<br />

7.3 „<strong>Wasser</strong>“ – Links zu weltweiten Hilfsprojekten<br />

� MISEREOR–Projekte<br />

⎯ Brasilien - Trotz Dürre leben (Projekt-Nr.: P23303):<br />

http://www.misereor.de/projekte/projektpartnerschaften/brasilien-trotz-duerre-<br />

leben.html<br />

⎯ Burkina Faso - Gärten in der Sahelzone (Projekt-Nr.: P11501):<br />

http://www.misereor.de/projekte/projektpartnerschaften/burkina-faso-gemeinsam-<br />

kaempfen.html<br />

⎯ Nigeria: <strong>Wasser</strong> schenkt Leben (Projekt-Nr.: P13101):<br />

http://www.misereor.de/projekte/projektpartnerschaften/nigeria-wasser-schenkt-<br />

leben.html<br />

⎯ Indien: Sauberes <strong>Wasser</strong>. Ökumenische Aktion Miteinander Teilen<br />

http://www.misereor.de/projekte/oekumenisch-miteinander-teilen/oemt-april.html<br />

� „Brot für die Welt“ – Projekte<br />

⎯ Äthiopien: <strong>Wasser</strong> marsch!<br />

http://www.brot-fuer-die-welt.de/weltweit-aktiv/index_8364_DEU_HTML.php<br />

⎯ Uganda: Jeder Tropfen Regen ist ein Geschenk des Himmels<br />

http://www.brot-fuer-die-welt.de/downloads/weltweit-aktiv/flyer_wasser.pdf<br />

⎯ Kiribati: Rettet uns vor <strong>dem</strong> Untergang!<br />

http://www.brot-fuer-die-welt.de/weltweit-aktiv/index_8405_DEU_HTML.php<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens<br />

95


Impressum<br />

Herausgeber und Bezugsadresse:<br />

Dr. Michael Kappes<br />

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen<br />

in Nordrhein–Westfalen<br />

Domplatz 27<br />

48143 Münster<br />

Tel: 0251 / 495–319<br />

Fax: 0251 / 495–6159<br />

e–mail: info@ack–nrw.de<br />

Homepage: www.ack–nrw.de<br />

1. Auflage Münster 2011<br />

96<br />

Michael Kappes (Hg.), <strong>Wasser</strong> – Gabe Gottes und Quelle neuen Lebens


Bereits 2010 erschienen:<br />

Bezugsadresse:<br />

Dr. Michael Kappes<br />

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen<br />

in Nordrhein–Westfalen<br />

Domplatz 27<br />

48143 Münster<br />

Tel: 0251 / 495–319<br />

Fax: 0251 / 495–6159<br />

e–mail: info@ack–nrw.de<br />

Homepage: www.ack–nrw.de<br />

Grundlagenheft zum Ökumenischen Tag<br />

der Schöpfung/Schöpfungszeit

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