Spenderzeitung Aktuell 1/13 - pdf, 4.9M - Pro Infirmis
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7<br />
Andreas Pröve<br />
Durch das wilde Pakistan<br />
er entspricht nicht unbedingt dem<br />
Klischee eines rollstuhlfahrers<br />
und seine Ziele sind – vorsichtig<br />
ausgedrückt – meistens nur bedingt<br />
bar rierefrei. Solche «Kleinigkeiten»<br />
halten den passionierten<br />
reisenden Andreas Pröve nicht<br />
davon ab, im rollstuhl durch die<br />
welt zu kreuzen. Freiheit bedeutet<br />
für ihn, mit dem handbike durch<br />
Indien, Pakistan, den orient,<br />
durch Indochina oder<br />
in den himalaya zu rollen.<br />
Mit seinem Handbike am Rollstuhl wird Andreas Pröve Teil des Strassenverkehrs.<br />
KARACHI<br />
Mit Gurten um den Bauch, die Beine<br />
und Füsse an eine Art Sackkarre geschnallt,<br />
werde ich auf der Ladefläche<br />
eines Krans wie ein Gepäckstück aus<br />
dem Flugzeug geliftet. Auf dem Gepäckband<br />
schwebt mir mein Rolli entgegen.<br />
Selten habe ich mich so gefreut,<br />
wieder in meinem eigenen Rollstuhl<br />
zu sitzen, denn es wäre nicht das erste<br />
Mal gewesen, dass beim Umsteigen Gepäck<br />
und Rolli im falschen Teil der<br />
Welt landeten. Im Flughafenbus passiert<br />
mir der erste Kardinalfehler:<br />
Mein Rolli liegt auf dem Dach, mein<br />
Gepäck wurde vom Busfahrer verstaut<br />
und ich sitze neben einer verheirateten<br />
Frau, deren Mann gerade hereinkommt<br />
und mich wild gestikulierend<br />
beschimpft. Erst mit der Hilfe des Busfahrers<br />
kann ich ihm begreiflich machen,<br />
dass ich nicht aufstehen kann<br />
um den Platz zu wechseln. Am Busbahnhof<br />
krabbele ich aus dem Bus<br />
wieder heraus, denn der Rolli passt<br />
nicht durch die Tür. Ich hänge meine<br />
Tasche an die Griffe des Rollstuhls<br />
und stürze mich ins Verkehrsgewühl.<br />
Auf der Suche nach einer Unterkunft<br />
rolle ich zwischen Ochsenkarren,<br />
Pferdekutschen, Rikschas und stinkenden<br />
Lastwagen, deren Auspuffrohre<br />
nahezu in meiner Kopfhöhe liegen,<br />
am Strassenrand entlang, denn Trottoirs<br />
gibt es in Karachi nicht. Dabei<br />
muss ich auch noch den Kühen und<br />
ihren Exkrementen ausweichen. Gelingt<br />
mir das nicht, wird mit den Rädern<br />
alles hochtransportiert und klebt<br />
an meinen Händen. Aufgrund eines<br />
Hinweisschildes mit der Aufschrift<br />
„HOTEL“ biege ich in eine Seitenstrasse.<br />
Doch schon werde ich zurückgepfiffen:<br />
„Einbahnstrasse“ ruft ein Polizist<br />
hinter mir. Ich diskutiere mit ihm,<br />
versuche ihm klarzumachen, dass ich<br />
Rollstuhlfahrer bin und schon ist ein<br />
Pulk Neugieriger um uns. Schliesslich<br />
darf ich ausnahmsweise doch weiterrollen.<br />
Vor dem Hotel sind zehn Stufen,<br />
aber schon die offene Kanalisation<br />
davor scheint mir unüberwindlich.<br />
Von den Neugierigen, die immer noch<br />
hinter mir her sind, picke ich mir vier<br />
junge Männer heraus, die mich unter<br />
Stöhnen und Ächzen ins Hotel tragen<br />
- sie wollen Geld dafür. Der Tresen an<br />
der Rezeption ist so hoch, dass ich den<br />
Hotelier beim besten Willen nicht zu<br />
Gesicht bekomme. Aber ich muss ihn<br />
auch nicht sehen, denn es ertönt von<br />
dort ein „no room“. Wieder mit übertrieben<br />
lautem Ächzen setzen mich<br />
die vier genau in der Gosse vor dem<br />
Hotel ab. Schließlich komme ich im<br />
YWCA unter, nachdem ich der Leiterin<br />
hoch und heilig versprochen habe,<br />
keinen engeren Kontakt zu ihren weiblichen<br />
Gästen aufzunehmen.<br />
Mehr von Andreas Pröve im nächsten «aktuell»