topthema : kinder & kreativität - Rappel-Post
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8 TOPTHEMA: Kreativität<br />
Nostalgie-Nachmittag mit Schleckmuscheln …<br />
Ein Nachmittag im Oktober. Wir haben uns<br />
verabredet, zu Kaffee und Kuchen und Erinnerungen<br />
an früher. Wir, das sind fünf<br />
Freundinnen, Mitte 30 und Mamas von insgesamt<br />
neun Kindern zwischen acht Monaten<br />
und sechs Jahren. In deren Hände legen<br />
wir Alltagsgegenstände von früher: Dinge,<br />
die für uns noch ganz normal waren und in<br />
denen die Kinder heute (teilweise) etwas<br />
ganz Neues, weil Unbekanntes entdecken.<br />
Denn dass sich seit damals vieles, vor allem<br />
der technische Standard, extrem weiter entwickelt<br />
hat, weiß man spätestens, wenn man<br />
beobachtet, wie scheinbar selbstverständlich<br />
schon kleinste Kinderfi nger über Smartphones<br />
streifen. Mit Digitalkameras, Computer und<br />
Laptop wird gewohnt hantiert und IPods oder<br />
Tablets stehen auf Wunschlisten von Knirpsen<br />
mit Schulranzen. Das irritiert mich – zugegeben!<br />
Vielleicht, weil ich zu denen gehöre, die<br />
sich auf dem Flohmarkt über Hotzenplotz Folge<br />
6 auf Kassette freuen, die ich meinem Sohn<br />
mitbringe, der sich noch mehr freut. Vielleicht<br />
auch, weil es gefühlt nicht ewig her ist, dass ich<br />
stolz meinen ersten Walkman im Hipbag spazieren<br />
trug. Wo ist der überhaupt?<br />
Den Walkman habe ich leider nicht mehr gefunden,<br />
dafür stehen aber zwischen Lego und<br />
Kugelbahn, eine alte Kofferschreibmaschine, liegen<br />
Polaroid und alte Fotokameras neben Dias,<br />
Videokassetten, Platten und ein goldenes Wählscheibentelefon<br />
neben dem Sofa.<br />
Wir wollen beobachten, was passiert. ... Wenig<br />
später hört man auch schon das erste „Tack,<br />
tack -pling“ auf der Schreibmaschine, das Entdecken<br />
beginnt und mit ihm viele, viele „Was<br />
ist das? Wie geht das an?“ Die schönsten Bilder,<br />
Gedanken und Wortideen hier:<br />
SCHREIBMASCHINE: Der Publikumsmagnet.<br />
Hier passiert was – hör- und sichtbar und Ergebnisse<br />
sind immer toll. Luis tippt seinen Namen,<br />
während seine Mama sich erinnert, dass<br />
sie ihren ersten Praktikumsbericht noch darauf<br />
getippt hat. Interpretiert als Rechenmaschine,<br />
Riesen-Laptop. „Der Koffer ist schick“, aber keiner<br />
will ihn tragen. Verständlich.<br />
WÄHLSCHEIBENTELEFON: „Das ist Gold, damit<br />
kann man auf jeden Fall den Kaiser anrufen<br />
und Könige!“ „Ist daaaas ein Handy“. Dass man<br />
mit dem Tischfernsprecher telefonieren kann,<br />
wissen ausnahmslos alle sofort – nur das man<br />
drehen statt tippen muss, braucht eine Erklärung.<br />
DIKTIERGERÄT: „Da redet einer, ich habe einen<br />
gehört.“ „ Also ein Handy?“ „Aber mit einer<br />
Klappe.“ Keiner denkt an eine Kassette, als diese<br />
sich öffnet. „Eine Batterie wahrscheinlich“, meint<br />
Lene. „Mama, jetzt redet da einer wie du.“ „Ja,<br />
aber nur beim grünen Knopf, rot ist ein Mann.“<br />
FOTOKAMERA MIT NEGATIVFILM: Das ist<br />
eine Kamera, ganz klar – die Größeren erkennen<br />
das sofort. Das sie lauter ist als die Kamera<br />
Zuhause auch. Posieren und knipsen, Film weiter<br />
drehen. Das macht Spass. „Bloß die ist ganz<br />
schön schwer!“<br />
S/W FOTOS: „Das ist von früher, ganz, ganz früher“.<br />
„Da war alles noch schwarz-weiß.“ „Mama,<br />
du warst nie schwarz-weiß, oder?“<br />
SCHALLPLATTEN: „Bei Petterson und Findus<br />
gab‘s so was, das macht Musik, damit kann<br />
man einen Stier aufwecken.“ Man kann sie aber<br />
auch auf dem Sofa auslegen, nach Farben sortiert.<br />
„Nur bitte nicht aufeinander!“ „Ah, wie bei<br />
CDs, oder?“ „GENAU!“<br />
DIAS: „Vielleicht ein Memory?“ (Tolle Idee, eigentlich!)<br />
„Ne, da kann man durchgucken, da ist<br />
was drauf.“ Ein kleines Bild also. „Fensterbild.“<br />
Oder doch Memory, denkt einer der Kleinen und<br />
streut die „Lichtbilder“ auf den Boden.<br />
VIDEOKASETTEN: „Die sind blöd, die kann<br />
ich nie kaufen, weil die bei uns nicht passen, dabei<br />
sind da so tolle Filme drauf.“<br />
Weil es irgendwie dazu gehört, werden auch<br />
Kirschlollis, Himbeerdrops und Liebesperlen in<br />
kleinen Flaschen probiert, Essperlenketten angezogen<br />
und Schleckmuscheln für lecker, aber<br />
unpraktisch befunden. Teppich und Finger kleben<br />
– alles wie früher. Abends lese ich meinem<br />
Sohn den kleinen Maulwurf vor. Den haben wir<br />
übrigens auch auf DVD. Ich konnte nicht widerstehen.<br />
Jeannine Fernandez