Kirche Z - Mai 2011 - Reformierte Kirche Zug
Kirche Z - Mai 2011 - Reformierte Kirche Zug
Kirche Z - Mai 2011 - Reformierte Kirche Zug
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Rubrik<br />
Foto Silvia Hänni<br />
3<br />
Pilgergruppe mit 66 Pilgernden unterwegs von Stans nach Sachseln, organisiert von der <strong>Reformierte</strong>n <strong>Kirche</strong> Bezirk Hünenberg.<br />
Beten mit den Füssen<br />
Seit den 1990er-Jahren erlebt das Pilgern einen<br />
sagenhaften Aufschwung. Immer mehr Menschen<br />
machen sich auf den Weg, um zu sich zu finden und<br />
eine Auszeit vom Alltag zu nehmen. Auch <strong>Reformierte</strong><br />
entdecken das Pilgern für sich – denn schliesslich<br />
steckt dahinter mehr als eine katholische Wandertradition.<br />
Pilgern ist in: Nach Angaben der Erzdiözese Santiago de<br />
Compostela wurden im vergangenen Jahr auf dem Jakobsweg<br />
270’000 Pilger gezählt, so viele wie nie zuvor. Auch immer<br />
mehr <strong>Reformierte</strong> nehmen einen Pilgerweg unter die<br />
Füsse – obwohl Martin Luther und die anderen Reformatoren<br />
«das Geläuff» entschieden ablehnten. «<strong>Reformierte</strong><br />
waren und sind sogar treibende Kräfte bei der Renaissance<br />
des Pilgern seit den 1990er-Jahren in der Schweiz», bestätigt<br />
Thomas Schweizer, Beauftragter für Tourismus der <strong>Reformierte</strong>n<br />
<strong>Kirche</strong>n Bern-Jura-Solothurn.<br />
Tradition in allen Religionen<br />
Einer der reformierten Pilger ist Theo Bächtold. Bis vor kurzem<br />
leitete der pensionierte Pfarrer das Pilgerzentrum in der<br />
Citykirche offener St. Jakob in Zürich. Einen Konflikt zwischen<br />
Pilgerei und reformierter Konfession sieht er nicht:<br />
«Dass Pilgern eine katholische Tradition sei, ist eine weit<br />
verbreitete Ansicht», erklärt er. «Aber sie ist falsch. Pilgern<br />
ist eine Übung in Frömmigkeit, die es schon seit Urzeiten in<br />
allen Religionen gibt.» Muslime kennen den Haddsch, die<br />
Pilgerfahrt nach Mekka; Buddhisten pilgern nach Lumbini,<br />
den Geburtsort Buddhas; Shintoisten unternehmen Pilgerfahrten<br />
zum Grossschrein von Ise. Auch die Christen haben<br />
schon immer gepilgert: Einer der christlichen Pilgerberichte<br />
beschreibt die Pilgerreise der Egeria ins Heilige Land zwischen<br />
381 und 384.<br />
Unterwegs zu Gott<br />
Theo Bächtold kam 1991 zum Pilgern, als er gemeinsam mit<br />
seiner Frau zu Fuss von seiner damaligen Pfarrstelle Schlatt<br />
bei Winterthur nach Santiago de Compostela ging. «Seither<br />
hat das Pilgern unser Leben verändert», erzählt der Theologe.<br />
Er hielt fortan Vorträge und baute ab 1996 das Pilgerzentrum<br />
auf. Damit habe er versucht, den Pilgergedanken unter<br />
den <strong>Reformierte</strong>n zu verbreiten. «Auf Ablehnung bin ich<br />
dabei nie gestossen!» Für Theo Bächtold ist Pilgern ein Weg,<br />
Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Das Unterwegssein<br />
biete eine Möglichkeit, mit sich und Gott ins Reine<br />
zu kommen. Dass der Weg demzufolge das Ziel sei, hört der<br />
Organisator von Pilgerreisen allerdings nicht gern: «Pilgern<br />
braucht ein Ziel, sonst wäre es einfach nur wandern», ist er<br />
überzeugt. «Dieses Ziel ist immer ein transzendentes Ziel –<br />
letztlich Gott.» Es sei aber richtig, dass beim «Neuen Pilgern»<br />
dem Weg eine grössere Bedeutung zukomme als bei<br />
der früheren Pilgerei. «Im alten katholischen Verständnis<br />
ging es nur darum, einen heiligen Ort zu besuchen und dort<br />
an einem Gottesdienst teilzunehmen. Heute erachtet man<br />
den Weg an diesen Ort als ebenso wichtig, um zur Besinnung<br />
zu kommen.»<br />
Den Kopf freibekommen<br />
Dieser Ansicht stimmt Hans-Andreas Wüthrich zu. Der<br />
Pfarrer, der derzeit als Verweser in Cham arbeitet, kam<br />
durch Theo Bächtold zum Pilgern. «Wandern an sich ist<br />
schon heilsam», findet er. «Schweigend zu wandern – zu pilgern<br />
– ist noch einmal eine spezielle Erfahrung, eine Gele-