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lesen Sie hier den vollständigen Bericht - Richard-Müller-Schule Fulda

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Schülerteams decodieren Allegorien<br />

von Helga Korodi<br />

Projekt der 13. Klasse des Deutsch-Literaturkurses der <strong>Richard</strong>-Müller-<strong>Schule</strong> und der<br />

9. Klasse des Lyzeums Nikolaus Lenau, im Schuljahr 2009/2010<br />

von Helga Korodi<br />

Während einer Zeitreise in <strong>den</strong> Jugendstil / das Fin de Siècle / <strong>den</strong> Symbolismus / die<br />

Déca<strong>den</strong>ce verweilt der Deutsch-Literaturkurs der <strong>Fulda</strong>er “<strong>Richard</strong>-Müller-<strong>Schule</strong>” /<br />

RiMS bei Gustav Klimts Beethovenfries, fühlt sich in <strong>den</strong> künstlerischen Stil der Epoche<br />

ein und kodiert die allegorischen Figuren der Sehnsucht, der feindseligen Mächte und<br />

des Glücks um. Gustav Klimts Beethovenfries mit <strong>den</strong> Hauptgestalten Eros / Kuss und<br />

Thanatos / Typhoeus wurde 1902 in der Wiener Secession ausgestellt. Nach dem Motto<br />

des Hauses: “Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit”, sehen die Betrachter auch<br />

heute mit jeder einzelnen Gestalt des Freskos ein “Gesicht” (Mitchell), das zur<br />

Betrachtung und Selbstbetrachtung, zur ästhetischen Forschertätigkeit und Gestaltung<br />

motiviert.<br />

Kommunikationsprozesse mit Meisterwerken der bil<strong>den</strong><strong>den</strong> Kunst sind laut W.J.T.<br />

Mitchells Studie “Das Leben der Bilder” so alt wie die Menschheit selbst, sie wecken die<br />

“schläfrigen Gefilde der akademischen Kunstgeschichte” (Mitchell) und bieten daher<br />

“Spiel- und Arbeitsmaterial zur kreativen Umformung”(Lehrplan). Wechselseitig nehmen<br />

die Teampartner die Sender- und Empfängerrolle ein. <strong>Sie</strong> präsentieren ihre kreativen<br />

Ergebnisse dem gesamten Kurs, <strong>den</strong> Projektpartnern des “Lyzeums Nikolaus Lenau” /<br />

der “Lenauschule”, in Temeswar / Timisoara, Rumänien, einem Gymnasium mit<br />

deutscher Unterrichtssprache und schließlich einer breiteren Öffentlichkeit.<br />

http://new-twinspace.etwinning.net/web/p19659<br />

In <strong>den</strong> Leerflächen zwischen <strong>den</strong> allegorischen Figuren entfaltet sich die Phantasie der<br />

Betrachter. Die RiMS- Inszenierung “Das Schicksal als Gegner" relativiert Gut und Böse<br />

wie auch “Illusion und Wahrheit” (Einakter), sie setzt die Bilder in bunte Gespräche um<br />

und verwandelt <strong>den</strong> Fries in ein “erlebnisorientiertes Lehr und Lernarrangement”<br />

(Unterrichtsmetho<strong>den</strong>, Bialy): Klimts letzte Gedanken gelten seinem Beethoven-Fries,<br />

auch in seiner Sterbestunde beeinflussen die Allegorien Bewusstsein und Schicksal,<br />

und wieder einmal siegt Eros. Die mephistophelischen Frauengestalten wollen zwar das<br />

Böse, schaffen aber stets das ästhetisch Gute. Klimt lässt sich nicht überzeugen, ihnen<br />

Kleider zu verleihen, sie gefallen ihm in ihrer weiblichen Pracht noch immer am besten.<br />

Dieser ästhetischen Konsequenz beugen sich die Gorgonen und wandeln sich zu ewig<br />

weiblichen Genien.<br />

Die SchülerInnen haben “sich auf Arbeitsprozesse ein(ge)lassen, deren Wege nicht von<br />

vornherein feststehen und bei <strong>den</strong>en unterschiedlichste Lösungen möglich sind”<br />

(Lehrplan). Dabei haben sie Kompetenzen “in persönlichen, sozialen und fachlichen<br />

Bereichen” entwickelt, entsprechend dem Leitbild unserer <strong>Schule</strong>. Für die Aufführung als<br />

Sprechtheater im Rahmen des Schulfestes am 28. Januar wer<strong>den</strong> rechtliche<br />

Bestimmungen in Bezug auf ein computergeneriertes Bühnenbild und der digitalen<br />

Nutzung der allegorischen Bilder geklärt. Herr Mag. Johannes Stoll, Bildarchiv und<br />

Reproduktionen / Österreichische Galerie Belvedere erteilt eine freundliche Zusage. Als<br />

“e-Plakat” und Projekt-Logo auf der etwinning-Seite wählt der Kurs einen Ausschnitt des<br />

Bühnenbilds. Vorschläge des Kurses zur musikalischen Untermalung - die<br />

unveröffentlicht blieben - sind: “Freude schöner Götterfunken 2004 des Fischerchors,


2<br />

The God of War (Soundtrack).<br />

Die Lenauschüler jurieren zusammen mit meiner Kollegin Astrid Otiman die<br />

“Dreiminutenspiele” nach <strong>den</strong> Kriterien des Materials der Hertie Stiftung “ Deutsch-<br />

Olympiade” und treffen eine eigene Text-Auswahl für ihre Hörspiel-Fassung des<br />

“Schicksals als Gegner”, dazu wählen sie eine psychedelische Klangtapete, grauenvoll<br />

schleppend oder harmonisch fließend. Das Hörspiel wird am 29.Mai 2010 gesendet:<br />

www.pausenradio.net/ Jugendwelle, Radio Temeswar / Hörspiel, mp3.<br />

Im 2. Halbjahr <strong>lesen</strong> die bei<strong>den</strong> Kurse (<strong>Richard</strong>-Müller-<strong>Schule</strong> und Lenauschule) die<br />

Kurzgeschichte “Die Alten” von Otto Alscher und entwickeln Arbeitstechniken zur<br />

Darstellung der Spanne zwischen Symbolismus und Realismus. Als Stu<strong>den</strong>t in Wien<br />

gehört Alscher zu <strong>den</strong> 58000 Besuchern des Beethoven-Gesamtkunstwerks in der 14.<br />

Ausstellung der Wiener Secession. 1920 reflektiert er in einer ästhetischen Schrift seine<br />

künstlerische Entwicklung. Die Gestalt des Ungeheuers Typhoeus hat sich in der<br />

Zwischenzeit zu einem realen Bären gewandelt. Das alte und hungrige Raubtier (mit<br />

Typhoeusschem, lückenhaftem Gebiss und trübem Blick wie aus Perlmuttaugen)<br />

genießt die Früchte eines Bauerngehöfts, was <strong>den</strong> Besitzer in eine aggressive<br />

Stimmung versetzt. Zum Schluss lenkt die Begegnung zwischen dem altersschwachen<br />

Eindringling und dem alten Einsiedler die Gedanken des Menschen in gute,<br />

naturfreundliche Bahnen. Auf symbolischer Ebene verhilft Eros zu einer<br />

lebensbejahen<strong>den</strong> Einstellung und menschlichen Mentalität, reelle und surreal<br />

überhöhte Wirklichkeiten verschränken sich.<br />

Die Schülerteams zeigen intertextuelle Referenzen in einem weiteren Modul auf: Die<br />

Inszenierung “Der Bär im Traum” / RiMS und die illusionsbrechende Präsentation:<br />

“Nicht das Schicksal ist unser Gegner – manchmal sind wir es selbst” / Lenauschule<br />

nehmen Gestalt an.<br />

Während Alschers alter Mensch noch rechtzeitig sein destruktives Denken erkennt und<br />

<strong>den</strong> Schwächeren verschont, hat - in der heutigen Perspektive der Lenauschüler -<br />

Typhoeus die Umwelt im Griff; unter der Maßlosigkeit der einen lei<strong>den</strong> die anderen. Die<br />

Präsentation “Nicht das Schicksal ist unser Gegner – Manchmal sind wir es selbst!”<br />

verweist auf aktuellen ökologischen Stumpfsinn und hinterfragt gesellschaftliche<br />

Prozesse. Zur Folie des gefangenen Bären im Temeswarer Zoo wirbt ein innerer<br />

Monolog für Empathie mit dem freiheitslieben<strong>den</strong> Tier.<br />

“Das Sehen ist in der Vermittlung sozialer Beziehungen ebenso bedeutsam wie die<br />

Sprache, und es lässt sich nicht auf Sprache, ‚Zeichen’ oder einen ‚Diskurs’ reduzieren.”<br />

(Mitchell). Klimts “Kreis der Genießen<strong>den</strong>” hat sich im Laufe des Arbeitsprozesses<br />

erweitert und <strong>den</strong> beteiligten Autoren-Teams interkulturelle Kompetenzen bestätigt.<br />

Auch Dilettanten (lateinischer Ursprung des Wortes: delectare) sind Künstler in Klimts<br />

freundlicher Definition des Künstlers: “Und weit wie <strong>den</strong> Begriff Kunstwerk, fassen wir<br />

auch <strong>den</strong> Begriff Künstler. Nicht nur die Schaffen<strong>den</strong>, auch die Genießen<strong>den</strong> heißen<br />

uns so, sie, die fähig sind, Geschaffenes fühlend nachzuerleben und zu<br />

würdigen.”(Kunstschau, Eröffnungsrede, 1908).<br />

Der Zuschuss der Hertie-Stiftung von jeweils 100 Euro für das Catering zur Projekt-<br />

Abschlussfeier der Partner-Teams setzt ein Zeichen für das literaturgeschichtliche<br />

Nachleben der Zeitreise.<br />

Chronologisch steht die Epoche zwischen <strong>den</strong> Schwerpunktthemen des Lehrplans:<br />

poetischer Realismus und Expressionismus. In <strong>den</strong> neuen Lehrbüchern ist die Zeit um


3<br />

1900 mit jeweils einem Kapitel vertreten: “Deutschbuch für die Oberstufe. Texte,<br />

Themen und Strukturen”, 2009, S. 390- 397 und “deutsch.kompetent”, Klett, 2009, S.<br />

286-309.<br />

An unserer <strong>Schule</strong> wurde durch Konferenzbeschluss für das Fach Deutsch-Literatur<br />

das Curriculum “Literatur. Didaktische Grundlagen des Curriculums NRW ‚Literatur<br />

Gymnasium Sek.II‘” aus NRW übernommen.<br />

Entsprechend “dem eigenständigen Charakter und dem spezifischen<br />

Gestaltungsanspruch dieses Faches” (Lehrplan, Aufgaben und Ziele, S.5) gehört das<br />

“projektorientierte Arbeiten zu <strong>den</strong> verbindlichen Aufgaben und Zielen der gymnasialen<br />

Oberstufe” (Lehrplan, S.9). Die Vorgaben <strong>hier</strong>zu lauten: “- der Umgang mit technischen<br />

Medien wird erprobt / - Projekte wer<strong>den</strong> geplant und durchgeführt / - die Gesprächs-<br />

Lese- und Schreibfähigkeit wer<strong>den</strong> gefördert / - in vielfältiger Weise wer<strong>den</strong> eigene<br />

Texte angefertigt / Theater- Hörspiel- oder Videoprojekte wer<strong>den</strong> durchgeführt.” Das<br />

Sehen möglichst vieler Facetten hat zu einer anregen<strong>den</strong> Workshop-Atmosphäre<br />

beigetragen.<br />

Die Schüler haben die Wahrnehmungsstruktur der Epoche gestaltet und ihre<br />

literaturgeschichtlichen und ästhetischen Kompetenzen vertieft. Der Unterricht ist<br />

fachwissenschaftlich und schulpädagogisch fundiert, passt zum Lehrplan und ist auf<br />

andere <strong>Schule</strong>n mit dem Fach “Literatur" übertragbar. Praxisrelevant ist die Aneignung<br />

von methodischen Kompetenzen: “Je mehr Sinne oder Lernwege wir beim Lernen<br />

benutzen, desto besser behalten wir etwas!” (vgl. Klippert)

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