RLV-Fachausschuss Rinder - Tierwohldebatte erhitzt die Gemüter
RLV-Fachausschuss Rinder - Tierwohldebatte erhitzt die Gemüter
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12| AGRARPOLITIK<br />
überhaupt – nur ein geringer Aufpreis<br />
gezahlt werde. Positiver aufgenommen<br />
wurden dagegen Fechlers Ausführungen<br />
zu einem Projekt von McDonald´s<br />
in Süddeutschland, bei dem ausgehend<br />
von einer Laufstallhaltung beziehungsweise<br />
Weidehaltung im Betrieb ein Aufschlag<br />
auf den Rindfleischpreis gewährt<br />
werden soll.<br />
Gehört im<br />
<strong>Fachausschuss</strong><br />
Standen den Mitgliedern des <strong>RLV</strong>-<strong>Fachausschuss</strong>es <strong>Rinder</strong> Rede und Antwort (v.l.n.r.): Roger Fechler, Dr. Josef Dissen,<br />
Dr. Arno Piontkowski, Brigitte Wenzel, der <strong>Fachausschuss</strong>vorsitzende Johannes Frizen, Heiner Wurm und <strong>RLV</strong>-Vizepräsident<br />
Wilhelm Neu.<br />
Fotos: Dr. Elisabeth Legge<br />
<strong>Tierwohldebatte</strong><br />
<strong>erhitzt</strong> <strong>die</strong> Gemüter<br />
<strong>RLV</strong>-<strong>Fachausschuss</strong> <strong>Rinder</strong> tagte in Bonn<br />
Viel wird derzeit über Tierwohl diskutiert.<br />
Bei den <strong>Rinder</strong>haltern stößt <strong>die</strong>s<br />
vielfach jedoch auf Unverständnis. Das<br />
wurde auf der jüngsten Sitzung des<br />
<strong>Fachausschuss</strong>es <strong>Rinder</strong> des Rheinischen<br />
Landwirtschafts-Verbandes (<strong>RLV</strong>)<br />
deutlich, der am Freitag vergangener<br />
Woche unter Vorsitz von Kammerpräsident<br />
Johannes Frizen in Bonn tagte.<br />
▶ Initiative Tierwohl:<br />
Noch viele Fragen offen<br />
Roger Fechler, Referent beim Deutschen<br />
Bauernverband, gab dabei den <strong>Rinder</strong>haltern<br />
Einblick in <strong>die</strong> Initiative Tierwohl.<br />
„Der Lebensmitteleinzelhandel<br />
ist auf den DBV zugekommen, um zusammen<br />
mit der Fleischwirtschaft an<br />
einer Projektgruppe zur Erarbeitung<br />
von Tierwohlkriterien mitzuwirken.<br />
Dies ist für uns ein echtes Novum. Wir<br />
haben dadurch <strong>die</strong> Chance, uns in <strong>die</strong><br />
ganze Wertschöpfungskette mit einzubringen“,<br />
so Fechler. Zugleich sei für<br />
den DBV wichtig, den Drang des Handels<br />
nach mehr Nachhaltigkeit zu kanalisieren<br />
und einen Kriterienwettlauf zu<br />
Lasten der Tierhalter zu vermeiden. Die<br />
Initiative Tierwohl solle freiwillig für<br />
<strong>die</strong> Betriebe sein, <strong>die</strong> hierzu bestimmte<br />
Kriterien einhalten müssten. „Allerdings<br />
liegt <strong>die</strong>ser Kriterienkatalog noch<br />
nicht vor“, betonte der DBV-Referent.<br />
Zudem solle der höhere Aufwand honoriert<br />
werden. Nach ersten Überlegungen<br />
solle dazu viertel- oder halbjährig<br />
eine Bonuszahlung aus einem Fonds erfolgen.<br />
„Wichtig ist natürlich, dass <strong>die</strong>ses<br />
Geld auch wirklich bei den Landwirten<br />
ankommt“, meinte Fechler. Insgesamt<br />
seien bei der Initiative noch viele<br />
Fragen offen. Vor allen Dingen müsse<br />
eine Zweiteilung des Marktes, sprich<br />
Export und Inlandsmarkt, vermieden<br />
werden. Der DBV wolle der Initiative<br />
Tierwohl nur zustimmen, wenn alle kritischen<br />
Fragen zufriedenstellend beantwortet<br />
seien, betonte der DBV-Referent<br />
abschließend.<br />
Die <strong>Rinder</strong>halter im <strong>Fachausschuss</strong> sahen<br />
<strong>die</strong> Initiative Tierwohl allerdings<br />
mit großer Skepsis. Die Betriebe hätten<br />
in der Vergangenheit ihre Ställe ständig<br />
angepasst, um Tierwohl und letztendlich<br />
Tierleistungen zu steigern. Von daher<br />
sei es unverständlich, warum der<br />
Handel jetzt für Tierwohl eigene zusätzliche<br />
Standards setzen wolle, kritisierten<br />
<strong>die</strong> Ausschussmitglieder. Darüber<br />
hinaus zeige das Beispiel QS, dass am<br />
Markt für höhere Standards – wenn<br />
„Die Initiative<br />
Tierwohl<br />
wird <strong>die</strong> Tierschützer<br />
niemals<br />
zufrieden<br />
stellen.“<br />
Helmut Kothes,<br />
Bullenmäster aus Viersen<br />
„Die <strong>Rinder</strong>halter<br />
haben<br />
viel in Sachen<br />
Tiergesundheit<br />
und<br />
Tierwohl getan<br />
und ihre<br />
Ställe immer weiterentwickelt,<br />
weil schlechte Haltungsbedingungen<br />
unwirtschaftlich sind.“<br />
Hermann-Josef Evertz, Bullenmäster<br />
aus Geilenkirchen-Lindern<br />
Hans-Peter Dreßen,<br />
Bullenmäster aus Übach-Palenberg<br />
„Wie weit<br />
soll <strong>die</strong> <strong>Tierwohldebatte</strong><br />
noch gehen?<br />
Sollen wir<br />
demnächst<br />
unsere Tiere<br />
mit ins Wohnzimmer nehmen?“<br />
„Vor neuen<br />
Auflagen für<br />
<strong>die</strong> <strong>Rinder</strong>halter<br />
sollte<br />
zunächst einmal<br />
verhindert<br />
werden,<br />
dass Krankheiten wie Blauzunge<br />
oder Schmallenbergvirus nach<br />
Deutschland eingeschleppt werden.“<br />
Dirk Krückeberg,<br />
Limousinzüchter aus Rösrath<br />
LZ 51/52 · 2012
AGRARPOLITIK | 13<br />
Was <strong>die</strong> Marktlage anbelangt, so könne<br />
sich <strong>die</strong> <strong>Rinder</strong>halter freuen. Sie dürfen<br />
sich auch weiterhin auf feste Preise einstellen.<br />
Wie Heiner Wurm, Leiter des<br />
Marktreferats der Landwirtschaftskammer<br />
NRW, erläuterte, profitierten <strong>die</strong><br />
Erzeuger von Schlachtrindern seit Monaten<br />
vom begrenzten Aufkommen und<br />
dem intensiven Wettbewerb um den<br />
Rohstoff in ganz Europa. Und wegen<br />
<strong>die</strong>ses Wettbewerbs seien <strong>die</strong> Voraussetzungen<br />
für <strong>die</strong> Rindfleischpreise<br />
weiterhin gut (Lesen Sie hierzu auch<br />
den Artikel auf S. 34). Hoch bleiben<br />
dürften allerdings auch <strong>die</strong> Getreideund<br />
Futtermittelpreise. Erst ab Mitte<br />
kommenden Jahres könne hier mit einer<br />
Entspannung gerechnet werden, vorausgesetzt<br />
<strong>die</strong> Sojabohnenernte in Brasilien<br />
falle wirklich so hoch aus, wie im<br />
Moment prognostiziert, sagte Wurm.<br />
▶ Amtliche Notierung bei<br />
Rindfleischpreisen<br />
Der Marktreferent gab im <strong>Fachausschuss</strong><br />
auch einen kurzen Überblick<br />
über das Zustandekommen der Notierung<br />
der Rindfleischpreise im Markbericht<br />
der LZ sowie im Internet unter<br />
www.agrarmarkt-nrw.de. „Im Gegenteil<br />
zu Getreide gibt es bei Rindfleisch eine<br />
amtliche Notierung“, betonte Wurm. Die<br />
Schlachtunternehmen würden dazu ihre<br />
Preise dem Landesamt für Natur,<br />
Umwelt und Verbraucherschutz NRW<br />
melden, <strong>die</strong>se würden vom Marktreferat<br />
der Kammer erfasst und an <strong>die</strong> Bundesanstalt<br />
für Landwirtschaft und Ernährung<br />
(BLE) weiterleitet. Die nicht<br />
amtliche Preis-Differenz zwischen QS<br />
und nicht QS-Herkünften erfolge nur in<br />
NRW und auch nur dann, wenn jeweils<br />
mehr als 15 % der Tiere QS und nicht<br />
QS seien, erläuterte der Marktreferent.<br />
Während in der Milchviehhaltung <strong>die</strong><br />
Hornloszucht noch in den Kinderschuhen<br />
steckt, ist <strong>die</strong> genetische Hornlosigkeit<br />
bei einigen Fleischrinderrassen<br />
seit langem bekannt. „Bei Fleckvieh<br />
existierten schon vor 1995 natürliche<br />
Hornloszuchtlinien“, berichtete Dr. Josef<br />
Dissen, Geschäftsführer des<br />
Fleisch rinder-Herdbuches Bonn (FHB).<br />
Ab 1995 sei dann auch bei anderen<br />
Fleischrassen, wie Limousin, Charolais<br />
und Blonde d’Aquitaine mit der Hornloszucht<br />
begonnen worden. „Die ersten<br />
Gehversuche im FHB-Zuchtgebiet wurden<br />
damals noch mit viel Skepsis begleitet“,<br />
berichtete der FHB-Geschäftsführer.<br />
Zunächst seien nur wenige genetisch<br />
hornlose Deckbullen angeboten<br />
worden, bei den etablierten Rassen<br />
seien sie aber jetzt nicht mehr wegzudenken.<br />
Inzwischen müsse man auch<br />
keine Zugeständnisse mehr bei der<br />
Fleischfülle machen. Bei den Eigenleistungsgeprüften<br />
Bullen hätten keine<br />
statistisch abgesicherten Unterschiede<br />
zwischen hornlosen und gehörnten Tieren<br />
mehr festgestellt werden können.<br />
Nach Aussagen von Dr. Dissen bringt<br />
<strong>die</strong> natürliche Hornlosigkeit zahlreiche<br />
Vorteile mit sich: Eine geringere Verletzungsgefahr<br />
für Mensch und Tier sowie<br />
das Vermeiden von Schmerzen durch<br />
Wegfall der Enthornung. Bei den Fleischrindern<br />
komme aber noch ein weiterer<br />
Pluspunkt dazu. „Auf unseren Absetzerauktionen<br />
sind hornlose Tiere<br />
einfach mehr gefragt und hierfür werden<br />
auch höhere Preise erzielt“, stellte<br />
Dr. Dissen fest.<br />
Auch das Thema Senkung des Antibiotikaeinsatzes<br />
in der Tierhaltung war Thema<br />
im <strong>Fachausschuss</strong> <strong>Rinder</strong>. Derzeit<br />
gibt es bekanntlich einen Entwurf zur<br />
Änderung des Arzneimittelgesetzes, der<br />
Meldungen an eine staatliche Stelle<br />
vorsieht. Was hierdurch auf <strong>die</strong> Rindfleischerzeuger<br />
zukommt, machte Dr.<br />
Arno Piontkowski vom Düsseldorfer<br />
Landwirtschaftsministerium deutlich.<br />
Die Meldepflicht würde zunächst einmal<br />
für alle Mastbetriebe gelten. Diese<br />
müssten dabei vierteljährlich jede Antibiotikaanwendung,<br />
<strong>die</strong> Zahl der behandelten<br />
Tiere, <strong>die</strong> Behandlungsdauer sowie<br />
<strong>die</strong> Zahl der Gesamttiere melden.<br />
Aus <strong>die</strong>sen Daten solle dann ein Index<br />
zur Therapiehäufigkeit des Einzelbetriebes<br />
berechnet werden und auf Basis<br />
der Therapiehäufigkeit würden dann<br />
zwei bundeseinheitliche Kennzahlen<br />
eingeführt. „Bei Überschreiten <strong>die</strong>ser<br />
Kennzahlen muss der Landwirt dann zusammen<br />
mit dem Tierarzt einen Maßnahmenplan<br />
erstellen, um den Antibiotikaverbrauch<br />
zu verringern“, kündigte<br />
Dr. Piontkowski an.<br />
Geht es nach dem Willen der Bundesregierung<br />
müssen sich <strong>die</strong> Rindfleischerzeuger<br />
auch auf Hygieneleitlinien zur<br />
Haltung von Wiederkäuern einstellen.<br />
Die Details hierzu erläuterte Brigitte<br />
Wenzel, Referentin für Tiergesundheit<br />
beim Deutschen Bauernverband (DBV).<br />
Diese Leitlinien, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Einschleppung<br />
und Weiterverbreitung von Krankheiten<br />
eindämmen sollen, enthielten zum Teil<br />
selbstverständliche Empfehlungen, andererseits<br />
aber auch völlig praxisfremde<br />
und nicht umsetzbare Vorschläge<br />
zur Haltung von <strong>Rinder</strong>n. Der DBV lehne<br />
daher <strong>die</strong> vorliegenden Hygieneleitlinien<br />
ab, betonte Brigitte Wenzel.<br />
Im <strong>Fachausschuss</strong> stießen <strong>die</strong> Leitlinien<br />
auf heftige Kritik. Insbesondere Absicherungen<br />
gegen Eindringen von Wildtieren<br />
sei überhaupt nicht umsetzbar.<br />
Wie wolle man das bei der Weidehaltung<br />
von Fleischrindern machen, hieß<br />
es hierzu im <strong>Fachausschuss</strong>. Nach Auffassung<br />
der <strong>Rinder</strong>halter verliert sich<br />
<strong>die</strong> geplante Leitlinie in Details. Statt<br />
eines riesigen Katalogs mit überzogenen<br />
und praxisfremden Forderungen<br />
sollten <strong>die</strong> Leitlinien lieber auf <strong>die</strong> wichtigsten<br />
Punkte konzentriert werden, forderten<br />
<strong>die</strong> Rindfleischerzeuger. el<br />
Milchmarkt: Franzosen für Eingriffsmöglichkeiten<br />
Frankreich drängt an mehreren Fronten<br />
auf eine stärkere Regulierung des<br />
europäischen Milchmarkts nach dem<br />
Auslaufen der Quotenregelung im Jahr<br />
2015. Sowohl <strong>die</strong> französische Regierung<br />
als auch der zuständige Berichterstatter<br />
im Europaparlament, Michel<br />
Dantin, pochen auf <strong>die</strong> Entschädigung<br />
von Erzeugern, <strong>die</strong> im Krisenfall auf einen<br />
Teil ihrer Milchproduktion verzichten.<br />
Während Agrarminister Stéphane<br />
Le Foll mit solchen Plänen bei<br />
der Europäischen Kommission vorspricht,<br />
formulierte Dantin seine Ideen<br />
mittlerweile in einem Kompromissantrag<br />
aus, über den der Landwirtschaftsausschuss<br />
des Europaparlaments<br />
Ende Januar abstimmen wird.<br />
Darin will der französische EVP-Abgeordnete<br />
der Kommission das Recht<br />
einräumen, bei einer schweren Störung<br />
des Milchmarkts und insbesondere<br />
dann, wenn der Milchpreis auf<br />
24 Cent / l oder weniger absinken sollte,<br />
wenigstens drei Monate lang zusätzliche<br />
Beihilfen zu gewähren. Förderfähig<br />
wären Landwirte, <strong>die</strong> ihre<br />
Milchproduktion im Vergleich zum<br />
entsprechenden Vorjahreszeitraum<br />
um wenigstens 5 % kürzen. Diese Produktionsverringerung<br />
könnte durch<br />
<strong>die</strong> kostenlose Abgabe von Milch an<br />
karitative Einrichtungen erreicht werden.<br />
Im Gegenzug sollen Erzeuger, <strong>die</strong><br />
ihre Produktion gleichzeitig um 5 %<br />
oder mehr erhöhen, mit Sanktionen<br />
belegt werden. Über <strong>die</strong> konkrete Ausgestaltung<br />
der Beihilfen beziehungsweise<br />
Abgaben würde <strong>die</strong> Kommission<br />
entscheiden.<br />
◀<br />
LZ 51/52 · 2012