Mittelalter, Mörser - Museum für Angewandte Kunst Frankfurt
Mittelalter, Mörser - Museum für Angewandte Kunst Frankfurt
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2.1<br />
Mittelal <strong>Mittelalter</strong> Mittelal <strong>Mittelalter</strong><br />
ter, ter , <strong>Mörser</strong><br />
<strong>Mörser</strong><br />
Objekt <strong>Mörser</strong><br />
Künstler/ Künstler/ Identität Identität Eingeritzte Handwerkermarke und<br />
Schlüssel (Wappen von Worms)<br />
Material Bronze, gegossen. Stößel aus Eisen<br />
Ort Ort und und Zeit Zeit Zeit der der Entstehung Entstehung Worms 15. Jahrhundert<br />
Standor Standort: Standor<br />
t: <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
Abteilung <strong>Mittelalter</strong>,<br />
1. OG, 2. Quadrant<br />
1. 1. Welche Welche praktische praktische Funktion Funktion hat hat das das Objekt?<br />
Objekt?<br />
<strong>Mörser</strong> dienen zum Zerkleinern von Nahrungsmitteln in der Küche oder von Heilmitteln in der<br />
Apotheke. Sie waren im Haushalt unentbehrlich zum zerstoßen von Salz und Gewürzen und zum<br />
Zerreiben weicher Materialien zu breiiger Konsistenz.<br />
2. 2. Was Was sind sind seine seine ästhetischen ästhetischen Kriterien? Kriterien?<br />
Kriterien?<br />
Das schlanke zylindrische Gefäß erhebt sich über einer Bodenplatte, die leicht eingezogene<br />
hohe Wandung schwingt zur Lippe aus, der Lippenrand ist senkrecht abgesetzt und verstärkt.<br />
Drei sehr dünne senkrechte Rippen mit klauenartiger Verdickung am Fußteil sind rund um die<br />
Wandung aufgelegt. Im oberen Teil ein rechteckig geführter, kantiger Henkelgriff.<br />
3. 3. Welche Welche Materialien Materialien und und Verarbeitungstechnike<br />
Verarbeitungstechniken Verarbeitungstechnike n werden werden verwendet?<br />
verwendet?<br />
Bevorzugtes Material ist Bronze und Messing, weil diese Metalllegierungen großem Druck und<br />
harten Stößen am längsten standhalten.<br />
4. 4. In In welchem welchem kulturellen kulturellen Zusammenhang Zusammenhang ist ist das das Objekt Objekt entstanden?<br />
entstanden?<br />
Die Epoche seiner Entstehung ist das späte <strong>Mittelalter</strong>, die Stilepoche der Gotik. Diese löste ab<br />
1150 den romanischen Stil ab. Die Wiege der Gotik ist die Ile de France, also die Gegend um<br />
Paris. Anders als in der Romanik wurde der Innenraum einer Kirche nicht mehr als Summe von<br />
verschiedenen Räumen, sondern als Raumeinheit verstanden. Die Kirchen werden höher und<br />
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etonen eine himmelwärts ausgerichtete Vertikalität und verstehen sich als Lichterscheinungen.<br />
„Das Wort Gottes ist das wahre Licht, das den ganzen Menschen erleuchtet“ (Augustinus). Das<br />
auffälligste Kennzeichen gegenüber der Romanik ist der Spitzbogen, der schmalere Joche und<br />
deshalb eine dichtere Abfolge der Bögen ermöglicht. Zwischen den Strebepfeilern werden die<br />
Mauern in Fenster aufgelöst, deren obere Teile mit Maßwerk gefüllt werden.<br />
Die mittelalterliche Gesellschaft war eine Pyramide hierarchisch gegliederter Schichten. An der<br />
Spitze des Feudalwesens standen Papst und Kaiser, gefolgt vom Adel (Könige, Herzöge,<br />
Markgrafen, Grafen, Ritter. Dann kamen die freien Bürger der Städte. Diese erstarkten erst<br />
allmählich, bis hin zur Reichsfreiheit. Handwerker organisierten sich in Zünften und Gilden und<br />
erhoben eigene Rechtansprüche. Wehrtechnisch organisierten sich die Städte wie Burgen und<br />
verteidigten sich selbst. Für einen Stadtbürger war das Vaterland nicht Deutschland, sondern<br />
Nürnberg oder Lübeck. Worms war im 15. Jahrhundert dem Erzbistum Mainz unterstellt.<br />
Eine wesentliche Kraft der Christianisierung war die Mönchsbewegung. Sie führte zu einer<br />
Geistes- und Lebenshaltung, die nach Benedikts Regel „ora et labora“ im ständigen<br />
Verschmelzen von Arbeit und Gebet besteht. Im frühen <strong>Mittelalter</strong> stellten Klöster die Hochform<br />
religiösen Gemeinschaftslebens dar.<br />
5. 5. Wie Wie korrespondiert korrespondiert die die die praktische praktische Nutzung Nutzung mit mit mit dem dem dem ästhetischen ästhetischen Mehrwert?<br />
Mehrwert?<br />
Der hohe schlanke <strong>Mörser</strong> mit senkrechten Rippen war im späten <strong>Mittelalter</strong> der gängigste Typ.<br />
Letztere dienten der Stabilität des Gefäßes, das ja durch die Stöße stark beansprucht wurde. Für<br />
gewöhnlich brach die Wandung an den dazwischen liegenden Flächen oder zeigte Risse.<br />
Funktional sind <strong>Mörser</strong> mit einem Griff, da stets nur eine Person damit arbeitet (mit der anderen<br />
Hand wird der Stößel betätigt), paarweise Henkel haben rein ästhetische Funktion. Die<br />
Tierklauenfüße sind dekoratives Attribut. Die vertikale Betonung des Gefäßes durch die Rippen<br />
entspricht den Gestaltungsprinzipien der Gotik (siehe 4).<br />
6. 6. Wie, Wie, wo wo und und von von wem wem wurde wurde das das Objekt Objekt hergestellt?<br />
hergestellt?<br />
Hergestellt wurden <strong>Mörser</strong> in den Werkstätten der Glockengießer.<br />
7. 7. Handelt Handelt es es sich sich bei bei dem dem Objekt Objekt Objekt um um ei eine ei ne Auftragsarbeit?<br />
Auftragsarbeit?<br />
Dieses Stück trägt zwar die Marke eines Handwerkers, man kann sie aber nicht mit einer<br />
bestimmten Glockengießerwerkstatt identifizieren. Der daneben eingeritzte Schlüssel wird als<br />
Hinweis auf eine Herkunft aus der Stadt Worms gedeutet, kann aber auch auf einen eventuellen<br />
Besitzer deuten. Meistens wurden Gerätschaften, jedenfalls wenn sie kostspielig waren, als<br />
Auftragsarbeiten hergestellt.<br />
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8. 8. Wer Wer hat hat hat das das Objekt, Objekt, wie wie häufig häufig häufig und und zu zu welchem welchem Anlass Anlass benutzt?<br />
benutzt?<br />
<strong>Mörser</strong> sind in der Regel repräsentative Geräte: einmal sind sie unentbehrlich in Küche und<br />
Apotheke, zum andern bestehen sie aus kostbarem Material und werden entsprechend sorgfältig<br />
gestaltet und verziert.<br />
9. 9. Welchen Welchen Wertkriterien Wertkriterien Wertkriterien unterstand unterstand das das das Objekt Objekt zum zum zum Zeitpunkt Zeitpunkt seiner seiner Entstehun Entstehung? Entstehun g?<br />
Praktisches Gerät, das entsprechend der Kostbarkeit des Materials auch eine sorgsame<br />
Gestaltung erfuhr.<br />
10. 10. Welchen Welchen Wert Wertkriterien Wert kriterien untersteht untersteht es es im im <strong>Museum</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong> <strong>Frankfurt</strong>? <strong>Frankfurt</strong><br />
Im Kontext der <strong>Museum</strong>ssammlung ist das Stück das einzige Beispiel <strong>für</strong> den in der Spätgotik<br />
häufigsten, süddeutschen <strong>Mörser</strong>typ.<br />
Literatur Literatur<br />
• Edmund Launett. Der <strong>Mörser</strong>. Geschichte und Erscheinungsbild eine Apothekengerätes.<br />
München 1990<br />
• Otto von Simson. Das <strong>Mittelalter</strong> Propyläen <strong>Kunst</strong>geschichte. Berlin 1972<br />
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2.2<br />
Renaissance<br />
Objekt Pultkasten<br />
Künstler /Auftraggeber unbekannt<br />
Material Korpus Weichholz, furniert und eingelegt mit<br />
Nussbaum, Buchsholz, Obsthölzern, Elfenbein und<br />
Perlmutter; vergoldete, geätzte Beschläge; Profilleisten<br />
zum Teil erneuert.<br />
Ort und Zeit der Entstehung Nürnberg (?), um 1570<br />
Standort <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong>,<br />
Abteilung „Renaissance“ , 1.OG, 2. Quadrant<br />
1. Welche praktische Funktion hat das Objekt?<br />
Das abgeschrägte Tischpult diente zur Erleichterung beim<br />
Lesen und Schreiben. Schon im <strong>Mittelalter</strong> gehörte es zur<br />
Einrichtung in Klosterbibliotheken <strong>für</strong> die Mönche und in der<br />
Renaissance zur Studierstube (Studiolo) der Gelehrten.*<br />
Die Handwerker der Renaissance formten die konstruktiv einfachen Pulte zum komplizierten aber<br />
praktischen Pultkasten um, der unter einer aufklappbaren Platte Raum zum Aufbewahren von<br />
Schreibgerät, Siegeln und anderem Zubehör bot. So auch in unserem Tischpult, das zwei Reihen<br />
kleiner Schubläden im Inneren des Kastens, übereinander angeordnet, beinhaltet.<br />
2. Was sind seine ästhetischen Kriterien?<br />
Das ursprünglich rein funktionale Objekt ist durch die ungewöhnlich kostbare und aufwendige<br />
Einlegearbeit zum reinen Repräsentationsstück geworden. Durch die kunstfertig verwendeten,<br />
damals sehr seltenen und teueren Materialien Elfenbein und Perlmutt, erhält es seinen Reiz. Es<br />
steht gleichzeitig in einem hohen Spannungsverhältnis, indem die seltenen Materialien mit<br />
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einheimischen und daher verfügbaren Obsthölzern kombiniert werden. Ebenso verhält es sich<br />
mit dem Bildprogramm in dem sich die Ideale der Renaissance widerspiegeln. Einerseits führt<br />
es komplizierte stereometrische (Stereometrie = Berechnung räumlicher Gebilde) Körper vor,<br />
deren Erforschung in der Renaissance herausragende Bedeutung erlangte. Die Wirkung der<br />
würfel-, pyramiden-, stern- und kugelartigen Gebilde sind von der Farbigkeit der Materialien so<br />
durchgestaltet, dass sie wie wirklich existierend scheinen: Sie erzeugen raffiniert die Illusion<br />
dreidimensionaler Körperlichkeit. Zum anderen zeigt das am Rand des Kastens eingelegte<br />
Bildprogramm spätantike literarische Themen aus der griechischen Mythologie. Seitlich ist das<br />
dritte Buch der Metamorphosen des Ovid dargestellt: die Geschichte des Aktaion, das<br />
tyrrhenische Schiff, Pentheus, Opfer und Triumph des Bacchus nach einer Holzschnittfolge von<br />
Virgil Solis. Diese erschien 1563 in Nürnberg. Die zwei Schubladen im Inneren des Pultkastens<br />
nehmen die Motive der Außenseite teilweise wieder auf.<br />
3. Welche Materialien und Verarbeitungstechniken werden verwendet?<br />
Bereits im 14. Jahrhundert wurde in Italien die Intarsienkunst (Einlegearbeiten in Holz)<br />
zunehmend beliebter und erreichte zwischen 1470 und 1520 in der Vertäfelung des Studiolo des<br />
Palazzo Ducale, im italienischen Urbino, ihren Höhepunkt. Auftraggeber war der Herzog Federico<br />
da Montefeltre. Die dort angewendeten Perspektiven finden sich in eben solcher Qualität an den<br />
geometrischen Körpern unseres Pultkastens von 1570 wieder. Die Arbeitsfläche besteht aus rund<br />
30 Figurenkompositionen. Die Materialien Perlmutt und Elfenbein wurden in unseren Breiten so<br />
hoch geschätzt, dass sie ausschließlich nur an <strong>Kunst</strong>kammerstücken Verwendung fanden.<br />
4. In welchem kulturellen Zusammenhang ist das Objekt entstanden?<br />
Die Epoche seiner Entstehung ist die Renaissance (1400 – 1530). Renaissance heißt<br />
Wiedergeburt. Der Begriff meint die Wiederentdeckung der heidnischen Kultur der Antike nach<br />
der Epoche des <strong>Mittelalter</strong>s. Die Renaissance als Stil zeigt sich vor allem in der Baukunst, der<br />
Skulptur und der Malerei. Die Renaissance bricht darum in Italien aus, da hier am frühesten der<br />
Feudalismus der Geldwirtschaft weicht, mit dem Ergebnis, dass Italien - statt ein Königreich zu<br />
werden - als eine Ansammlung von Stadtstaaten entsteht. Da die Handelswege in den Orient<br />
über Italien führten, sammelte sich hier Kapital an. Das floss dann auch in die Industriezweige<br />
des <strong>Kunst</strong>handwerks und der Textilindustrie und schuf so ein einflussreiches Bürgertum. Wegen<br />
dieser Explosion der Geldwirtschaft wurde Italien zur Wiege des Bank- und Kreditgeschäfts. Die<br />
Hauptstadt der Bankgeschäfte war Florenz. Die Familie mit dem größten Bankhaus wurde die<br />
Beherrscherin dieser Stadt: die Medici, die größten Mäzene der Künste ihrer Zeit, die auf diese<br />
Weise ihre Machtstellung repräsentierten und legitimierten.<br />
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Für Künstler, da sie nun im Wirkungskreis „weltlicher Signori“ und nicht allein <strong>für</strong> die Kirche<br />
arbeiteten, bedeutete dies eine Aufwertung ihres gesellschaftlichen Stellenwerts. Vom Stand der<br />
Handwerker, begannen sie sich zu Gelehrten zu emanzipieren. Eine Verwissenschaftlichung der<br />
Künste ist die Folge. Dies drückt sich zum einen im Studium der Antike und in der Entstehung<br />
der <strong>Kunst</strong>theorie aus, zum anderen in der Entdeckung und systematischer Begründung der<br />
Zentralperspektive (Linearperspektive). Diese wiederum ist ein Ausdruck der Auseinandersetzung<br />
mit der sichtbaren Welt als Naturnachahmung und als Erforschung innerer Gesetzmäßigkeiten<br />
der Wirklichkeit.<br />
5. Wie korrespondiert die praktische Nutzung mit dem ästhetischen Mehrwert?<br />
Der Pultkasten ist im Hinblick auf seine praktischen Aufgaben zweckmäßig konstruiert. Er ist als<br />
Schreib- und Leseunterlage sowie als Aufbewahrungsort verwendbar. Über die bloße Nützlichkeit<br />
hinaus, repräsentiert die aufwendige und meisterhafte Verarbeitung der kostbaren Materialien<br />
den hohen Stellenwert, der Schreiben und Lesen als den Tätigkeiten eines Gelehrten<br />
beigemessen wurde. Das Bildprogramm veranschaulicht den ehrgeizigen Anspruch im Sinne des<br />
Humanismusideals, nämlich als die wissenschaftliche Berechnung und Darstellung schwieriger<br />
geometrischer Raumkonstruktion und als Studium antiker Literatur. Insgesamt wurde die<br />
Gelehrtentätigkeit als eine philosophische gewertet.<br />
Indem der Pultkasten das Ideal der Wissenschaft über Bilder vorführt, wird zugleich die<br />
Gelehrsamkeit zum Thema der bildenden <strong>Kunst</strong> erklärt. Der Pultkasten rückt damit die bildende<br />
<strong>Kunst</strong> in den Rang der artes liberalis, den freien Künsten. Die Gleichstellung bildender <strong>Kunst</strong> mit<br />
der Wissenschaft und Poesie, war ein zentrales Thema der Renaissancekünstler, die die <strong>Kunst</strong><br />
vom Status des Handwerks zur Tugendleistung einer von der Lohnarbeit unabhängigen, daher<br />
des freien Mannes würdigen Tätigkeit, zu emanzipieren und folglich zu nobilitieren suchten.<br />
Insofern sind die Bildthemen des Pultkastens mehr als nur dekorativ im Sinne eines<br />
ornamentalen Beiwerks. Vielmehr gerät die praktische Funktionalität gegenüber den<br />
repräsentativen Belangen, dem wissenschaftlichen und literarischen Studium eines gelehrten,<br />
freien und daher reichen Mannes, in den Hintergrund. Dies lässt die Annahme zu, dass der<br />
Pultkasten weniger ein Gebrauchsmöbel als vielmehr ein Schaustück ist.<br />
6. Wie, wo und von wem wurde das Objekt hergestellt?<br />
Zwar ist die qualitativ hohe Konstruktions- und Verarbeitungsleistung nachvollziehbar, jedoch ist<br />
nicht bekannt, auf wen die Gestaltung und das Bildprogramm zurückgehen. Ebenso ist<br />
unbekannt, ob derjenige, der das Tischpult entworfen hat, auch der ausführende Handwerker<br />
war. Bekannt ist jedoch der Umkreis der Künstler, welche die Anregungen zu diesem Objekt<br />
lieferten und so Rückschlüsse auf den Entstehungsort zulassen.<br />
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Es sind Künstler aus dem Nürnberger Raum und ihr eigenständiger Beitrag zur Renaissance.<br />
Stereometrische Körper, perspektivisch dargestellt, sind in der zweiten Hälfte des 16.<br />
Jahrhunderts ein beliebtes Motiv <strong>für</strong> Künstler im süddeutschen Raum. Das Interesse,<br />
perspektivische Konstruktionen zu beherrschen und anhand regelmäßiger Körper virtuos zur<br />
Geltung zu bringen, drückt sich in ihrer recht häufigen Anwendung bei Intarsienarbeiten aus. Die<br />
Grundlage <strong>für</strong> die illusionistische Darstellung der Körper war die Entwicklung von<br />
Perspektivgeräten, mit deren Hilfe räumliche Konstruktionen erleichtert wurden. Bereits 1525<br />
lehrt Albrecht Dürers „Unterweisungen der Messung“ den Umgang mit einem einfachen<br />
Perspektivgerät; verbesserte Methoden werden in den folgenden Jahrzehnten ersonnen. Dürers<br />
Schrift zusammen mit den Graphiken von Wenzel Jamnitzers Werk „Perspectiva Corporum<br />
Regularium“ bilden die Voraussetzungen, die zugleich belegen, inwiefern die Konstruktion der<br />
stereometrischen Körper im Geist antiker Philosophie aufgeladen ist. Darin heißt es: „Eyn<br />
fleyssige Fürweysung / Wie die fünff regulierten Cörper / davon Plato in Timaeo und Euclidedes<br />
in sein Elementis schreibt...“ Entsprechend der seit der Antike überlieferten Auffassung, dass<br />
die fünf platonischen Körper den vier Naturelementen (Feuer = Tetraeder-Vierflächer; Luft =<br />
Oktaeder-Achtflächer; Erde = Hexaeder-Sechsflächer; Wasser = Ikosaeder-Zwanzigflächer)<br />
zuzuordnen seien.<br />
Die Szenen aus Ovids „Metamorphosen“ lassen die Holzschnitte des Nürnberger Grafikverlegers<br />
Virgil Solis in einer Ovid-Ausgabe von 1563 als Vorbild erkennen, die wiederum seitenverkehrte<br />
Wiedergaben einer Ovid-Ausgabe sind, die 1559 bei Giovanni di Tornes in Lyon veröffentlicht<br />
wurde und von Bernard Salomon stammt.<br />
7. Handelt es sich bei dem Objekt um eine Auftragsarbeit?<br />
Darüber ist nichts bekannt. Es ist aber anzunehmen, dass der Entwurf und die Ausführung nicht<br />
auf eine Person zurückgehen. Ob der Entwerfer auch der Auftraggeber ist, darüber kann nur<br />
spekuliert werden.<br />
8. Wer hat das Objekt, wie häufig und zu welchem Anlass benutzt?<br />
Darüber ist nichts bekannt. Die Prunkausstattung des Pultkastens lässt jedoch die<br />
Schlussfolgerung zu, dass er zu kostbar <strong>für</strong> den praktischen Gebrauch war, er also mehr als<br />
Schaustück diente.<br />
9. Welchen Wertkriterien unterstand das Objekt zum Zeitpunkt seiner<br />
Entstehung?<br />
Neben seiner praktischen Funktion als Lese- und Schreibmöbel, diente der Pultkasten vor allem<br />
als Statussymbol und Repräsentationsobjekt universaler Gelehrsamkeit und wissenschaftlicher<br />
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Ideale. Im Zuge der Platon-Rezeption lag in damaliger Zeit der Darstellungen auf dem<br />
Pultkasten die Aussage zugrunde, dass die Überwindung irdischer Wertnormen und das Bemühen<br />
um intellektuelle Erkenntnisse im Ekstatischen gipfelt, das über die Grenzen des Denkens hinaus<br />
das mystische Einswerden des Menschlichen im Göttlichen (im Reich der<br />
Ideen) ermöglicht. Dies geht mit der Aufgabe der Studierstube (Studiolo) einher, die ein Ort der<br />
Kontemplation sein sollte. Einsamkeit und Abgeschiedenheit von allen äußeren Ablenkungen<br />
wurden als die Grundvoraussetzungen <strong>für</strong> jegliche geistige schöpferische Tätigkeit angesehen.<br />
10. Welchen Wertkriterien untersteht es im <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong>?<br />
Der Rückgriff auf geometrische Körper sowie auf antike Mythologie und Philosophie, die vielfach<br />
variierte Zentralperspektive, die lebendige Darstellung von Mensch und Natur – das alles erklärt<br />
den Pultkasten zum charakteristischen Werk der Renaissance. Die Qualität in handwerklicher<br />
Verarbeitung, Gestaltung und Bildprogrammatik ist herausragend und einmalig. Sie ist zugleich<br />
ein Beleg <strong>für</strong> die eigenständige Entwicklung der Renaissance in Süddeutschland.<br />
Literatur<br />
• Zum Pultkasten: <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Kunst</strong>handwerk. Auswahlkatalog 1, <strong>Frankfurt</strong> 1987, S. 44 f.<br />
• Zum Studiolo: Natur und Antike in der Renaissance, Katalog zur Ausstellung im Liebieghaus<br />
<strong>Museum</strong> alter Plastik <strong>Frankfurt</strong> am Main, <strong>Frankfurt</strong> 1985.<br />
• Zur Künstlerproblematik der Renaissance: Martin Warnke, Hofkünstler. Zur Vorgeschichte des<br />
modernen Künstlers, Köln 1985<br />
(*siehe zum Beispiel das Fresko in der Ognissanti-Kapelle in Florenz: Hieronymus im Gehäuse<br />
von D. Ghirlandaio, 1480).<br />
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2.3<br />
Barock Barock, Barock<br />
, Schenkkann Schenkkanne<br />
Schenkkann<br />
Objekt Schenkkanne, Fayence mit Scharffeuermalerei<br />
in Blau und Mangan<br />
Ort Ort und und und Zeit Zeit Zeit der der Entstehung Entstehung Manufaktur <strong>Frankfurt</strong><br />
am Main, um 1680 – 1690<br />
Identität Signatur unter dem Boden „F“<br />
Standort Standort <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
Abteilung „Barock“<br />
1. OG, 3. Quadrant<br />
1. 1. Welche Welche praktische praktische Funktion Funktion hat hat das das Objekt?<br />
Objekt?<br />
Die Kanne ist ein Ausschankgefäß <strong>für</strong> Wein und hat ihren<br />
Platz auf der Tafel oder auf dem Buffet. Der im Keller<br />
in Fässern kühl lagernde Wein wird jeweils frisch abgefüllt -<br />
Vorratshaltung in Flaschen wurde erst viel später üblich.<br />
2. 2. Was Was sind sind seine seine ästhetischen ästhetischen Kriterien?<br />
Kriterien?<br />
Die große Kanne steht auf einem abgesetzten Fuß, der Leib<br />
ist breit ausladend und mit schrägen Rippen versehen. Ein<br />
enger Hals mündet in den erweiterten, vorn zusammen<br />
gedrückten Ausguss. Der Henkel ist zopfartig geflochten. Die<br />
Kanne ist mit einem Deckel aus Zinn verschlossen, ebenso<br />
trägt der Fuß eine Montierung aus Zinn. Die Oberfläche ist reich<br />
mit Blumen-Malerei geschmückt.<br />
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3. Welche Welche Materialien Materialien und und Verarbeitungstechniken Verar<br />
beitungstechniken werden werden verwendet?<br />
verwendet?<br />
Das Material ist ein innen und außen mit einer weißen, wasserdichten Glasur überzogener Ton.<br />
Dieser ist <strong>für</strong> die Aufnahme von Getränken gut geeignet: Die Glasur ist dicht und<br />
geschmacksneutral.<br />
4. 4. In In welchem welchem kulturellen kulturellen Zusammenhang Zus<br />
ammenhang ist ist das das Objekt Objekt entstanden?<br />
entstanden?<br />
Barock ist die Stilbezeichnung <strong>für</strong> die Epoche zwischen etwa 1600 und 1730. In pompösen<br />
Kirchenbauten und den Residenzen absolutistischer Herrscher fand die Baukunst ihre stärkste<br />
Ausprägung. Diese Raumkomplexe wollten mitsamt ihrer kostbaren Ausstattung als Gesamtkunstwerk<br />
verstanden sein. Die <strong>Kunst</strong> ist bewegungs- und ausdrucksstark, Raumkompositionen<br />
zeichnen sich durch spannungsreiche Dynamik und illusionistische Effekte aus. Die Gefäßformen<br />
besitzen eine gesteigerte Plastizität, bewegte Umrisse und sind mit reicher Ornamentik versetzt.<br />
Florale Motive sind beliebt, insbesondere exotische Blumen. Die Modeblumen der Zeit zwischen<br />
1650 und 1700 waren Nelken, Tulpen und Narzissen aus dem Orient, sowie Päonien aus<br />
Ostasien. Diese sind auch auf der Schenkkanne zu finden. Diese Blumen waren den Europäern<br />
entweder durch Malereien auf chinesischem Porzellan bekannt oder direkt als Pflanzen, die vor<br />
allem von den Holländern importiert und gezüchtet wurden und äußerst begehrt und kostbar<br />
waren.<br />
5. 5. Wie korrespondiert die praktische praktische praktische Nutzung mit mit dem dem dem ästhetischen ästhetischen Mehrwert?<br />
Die Formgebung ist funktionell, zeigt aber auch <strong>für</strong> ihre Entstehungszeit im Barock charakteristische<br />
Elemente. Durch den Fuß hat sie Standfestigkeit, der weit ausladende Bauch bewirkt ein<br />
gewisses Fassungsvermögen und hält den Wein gut kühl. Durch den engen Hals mit dem<br />
schmalen Ausguss lässt sich die Flüssigkeit gut dosieren. Der Zopfhenkel bewirkt Griffsicherheit.<br />
Der Deckel dient als Schutz vor Insekten und die Zinnmontierung um den Fuß verhindert<br />
Abstoßungen beim Aufsetzen des Gefäßes.<br />
Die Form der bauchigen Kanne mit gestrecktem Hals und kräftig gebogenem Henkel ist als<br />
kraftvoll und voluminös zu bezeichnen, der Umriss wirkt bewegt durch die diagonalen Rippen des<br />
Leibes und die Querrillen des Halses, die das auf die glänzende Oberfläche fallende Licht diffus<br />
spiegeln.<br />
6. 6. Wie, Wie, Wie, wo wo und und von von wem wem wurde wurde das das Objekt Objekt hergestellt?<br />
hergestellt?<br />
Die Kanne entstand in der <strong>Frankfurt</strong>er Fayencemanufaktur, deren Eigentümer 1666-1693 Joh.<br />
Christoph Fehr war, dessen Initiale unter dem Boden aufgemalt ist. Fehr signierte als<br />
Unternehmer, viele der Töpfer und Maler in seiner Manufaktur sind zwar namentlich bekannt,<br />
haben aber ihre Arbeiten in der Regel nicht signiert.<br />
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7. Handelt Handelt es es sich sich bei bei dem dem Objekt O<br />
bjekt um um eine eine Auftragsarbeit?<br />
Auftragsarbeit?<br />
In der Manufaktur wurde sowohl auf Vorrat als auch auf Bestellung produziert, worauf die<br />
Entstehung dieser Kanne basiert, ist nicht zu entscheiden.<br />
8. 8. Wer Wer Wer hat hat das das Objekt, Objekt, Objekt, wie wie wie häufig häufig und und zu zu welchem welchem Anlass Anlass benutzt?<br />
Die Kanne diente sicher nicht nur als funktionales Gerät, sondern stellte auch ein Schaustück in<br />
einem wohlhabenden Haushalt dar.<br />
9. 9. Welchen Welchen Wertkriterien unterstand das Objekt zum zum Zeitpunkt seiner Entstehung? Entstehung?<br />
Eine so prachtvoll bemalte Weinkanne gehörte innerhalb des Tafelgerätes zu den repräsentativen<br />
Gefäßen, ihre Wertschätzung geht auch aus Erwähnungen solcher Stücke in Nachlassinventaren<br />
hervor. Sie diente sicher nicht nur als funktionales Gerät, sondern stellte ein Schaustück in<br />
einem wohlhabenden Haushalt dar.<br />
10. Welchen We<br />
lchen Wertkriterien Wertkriterien untersteht untersteht es es im im im <strong>Museum</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong> <strong>Frankfurt</strong>? <strong>Frankfurt</strong><br />
Heute gilt die Kanne als ein hervorragendes Stück innerhalb der Sammlung von Gefäßen aus<br />
der <strong>Frankfurt</strong>er Manufaktur und der Fayencesammlung allgemein.<br />
Literatur<br />
• Claude Frégnac. Europäische Fayencen. Stuttgart 1976<br />
• Erich Hubala. Die <strong>Kunst</strong> des 17. Jahrhunderts. Propyläen <strong>Kunst</strong>geschichte. Berlin 1970<br />
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2.4<br />
Vordererer Vordererer Orient Orient, Orient , Wasserkannen<br />
Wasserkannen<br />
Wasserkannen<br />
Objekt Ein Paar Wasserkannen aus Messing<br />
Ort Ort und und Zeit Zeit Zeit der der Entstehung Entstehung Osmanische Türkei, datiert auf 1744 und 1802<br />
Standort <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
Abteilung „Vorderer Orient“<br />
2. OG, 3. Quadrant<br />
1. Welche Welche praktische praktische Funktion Funktion hat hat das das Objekt?<br />
Objekt?<br />
Kannen dieser Art dienten als Wasserdepot <strong>für</strong> Trinkwasser oder zum Händewaschen. Bei diesen<br />
Kannen ist jedoch die Größe recht außergewöhnlich. Wenn sie mit Wasser gefüllt sind, dürften<br />
sie eigentlich <strong>für</strong> die Handhabung zu schwer sein. Deswegen lässt sich vermuten, dass sie<br />
einem rein dekorativen Zweck dienten.<br />
2. 2. Was Was sind sind seine seine ästhetischen ästhetischen Kriterien?<br />
Kriterien?<br />
<strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> der islamischen Welt hat eine Vorliebe <strong>für</strong> Ornamente und aufwendige<br />
Dekorationen, die alle Gegenstände des Alltagslebens betreffen. Dies gilt besonders <strong>für</strong><br />
repräsentative Objekte wie diese Wasserkannen, bei denen jedes Detail mit größter Sorgfalt<br />
gestaltet und gearbeitet ist: Der bauchige Gefäßkörper ist umschlossen von geschwungenen<br />
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Wülsten. Über dem vergleichsweise schlanken Hals folgt ein halbrunder Deckel, auf dem ein<br />
kugeliger Knauf sitzt.<br />
Sowohl der Henkel, als auch der Ausguss sind s-förmig geschwungen. Der obere Teil des<br />
Ausgusses ist schuppenartig graviert und endet in einer kugeligen Öffnung. Oberhalb des<br />
Henkels ist ein eingerolltes Blatt angebracht – es dient als Daumenruhe. Das unterhalb des<br />
Blattes befindliche Verbindungsstück zwischen Henkel und Hals der Kanne bleibt zu beiden Seiten<br />
hin offen. Ein kleines vollplastisch ausgearbeitetes Vögelchen sitzt in diesem „Käfig“.<br />
Typisch <strong>für</strong> islamische <strong>Kunst</strong> sind die geschwungenen Formen des Ausgusses und des Henkels.<br />
Ihre gedrehte Form ähnelt selbst schon einer Arabeske – einem verschlungenen Ornament, das<br />
als das Stilmittel der islamischen <strong>Kunst</strong> angesehen werden kann. Die bauchige Silhouette der<br />
Kanne hingegen entstammt dem Formenrepertoire des so genannten „türkischen Barock“, das<br />
ab dem 18. Jahrhundert europäische Stilelemente mit türkisch-islamischen vermischte. Ein<br />
bisschen erinnert der Gefäßkörper mit seinen Wülsten an Turbane, die bei Hofe getragen<br />
wurden.<br />
3. Welche Welche Materialien Materialien und und Verarbeitungstechniken Verarbeitungstechniken werden werden verwendet?<br />
Die Kannen sind aus Messing gearbeitet. Da<strong>für</strong> wurde das Metall zunächst zu einem dünnen<br />
Blech verarbeitet, das dann durch „Treiben“, d.h. durch die Bearbeitung mit einem abgeflachten<br />
Hammer, in Form gebracht wurde. Um Rundungen zu erzielen, benutzte man einen Holzkern,<br />
über den man das Stück trieb. Nach der Fertigstellung der Rohform gravierten die Handwerker<br />
Ornamente und Inschriften in die Kanne.<br />
4. 4. In In In welchem welchem kulturellen kulturellen Zusammenhang Zusammenhang ist ist das das Objekt Objekt entstanden?<br />
Die Kannen entstanden um die Mitte des 18. Jahrhunderts und wurden vermutlich 1802<br />
nachträglich mit einer zusätzlichen Widmungsinschrift versehen.<br />
Das 18. Jahrhundert bildet den Anfangspunkt einer schrittweisen Annäherung des Osmanischen<br />
Reiches an den Westen. Durch die erstmalige Aussendung repräsentativer türkischer Botschafter<br />
an die Fürstenhöfe Europas und vor allem nach Versailles wurde die Voraussetzung geschaffen,<br />
dass europäische Dekore an den Bosporus gelangen konnten. Die mitgebrachten Skizzen und<br />
Entwürfe beeinflussten die Mode nachhaltig. Bei unseren beiden Kannen ist hiervon nichts zu<br />
sehen. Sie weisen vielmehr klassische Elemente der islamischen <strong>Kunst</strong> auf. Dies gilt sowohl <strong>für</strong><br />
die Dekoration als auch <strong>für</strong> die Form der Kannen.<br />
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5. Wie korrespondiert die praktische praktische Nutzung mit dem ästhetischen Mehrwert?<br />
Die Formgebung ist im Hinblick auf die klimatischen Bedingungen heißer und trockener<br />
Regionen funktionell und weist die typischen Elemente islamischer Wasserkannen auf:<br />
Charakteristisch ist in erster Linie der schlanke lange, s-förmig geschwungene Ausguss, der<br />
ein sparsames und kontrolliertes Wasserausgießen gewährleistete. Vor allem beim Händewaschen<br />
wurde darauf geachtet, möglichst wenig des kostbaren Wassers zu vergeuden. Außerdem noch<br />
unerlässlich ist der Deckel zum Verschließen aller Flüssigkeiten und Speisen zum<br />
Schutz vor Ungeziefer. Die Daumenruhe zum Öffnen des Deckels ist in Form eines Blatts<br />
gearbeitet. Die häufige Verwendung von Pflanzen und Blumen als Dekorationselement ist ein<br />
weiteres Charakteristikum islamischer <strong>Kunst</strong>. Der Grund hier<strong>für</strong> ist einerseits in der<br />
Zurückhaltung gegenüber figurativ-realistischen Darstellungen zu suchen, denn man wollte nicht<br />
Allahs Schöpfung imitieren und wich gerne auf stilisierte Ranken und Ornamente zurück.<br />
Andererseits waren Blumen und Pflanzen sehr beliebt, weil sie als Symbol <strong>für</strong> das Paradies<br />
gelten. Auf gleiche Weise kann auch der Vogel unterhalb der Daumenruhe gedeutet werden.<br />
Vögel symbolisieren die Seele, die zu Allah strebt. Von der Nachtigall sagt man, dass sie „die<br />
Seele von der Heimat grüßt“. Die „Heimat“ ist das Paradies, dass der Mensch verlassen musste<br />
und dass er hofft, nach seinem Tode zu erreichen und somit Gott wieder nahe zu sein.<br />
6. 6. Wie, Wie, wo wo wo und und von von wem wem wurde wurde das das Objekt Objekt hergestellt?<br />
hergestellt?<br />
Der genaue Produktionsort der Kannen ist nicht bekannt, ebenso wenig die Namen der am<br />
Entstehungsprozess beteiligten Handwerker. Einzig die Widmungsinschrift gibt Aufschluss über<br />
die Zeit der Herstellung sowie den späteren Besitzer der Kannen.<br />
Die umlaufende Widmungsinschriften lautet: „Pascha Sultan Ahmed Sultan Osman Sultan Mahmud<br />
Sultan Mohammed Sultan Ali Reza Schah Schamsi 1802“.<br />
7. 7. Handelt Handelt Handelt es es sich sich bei bei dem dem Objekt Obj<br />
Obj ekt um um eine eine Auftragsarbeit?<br />
Auftragsarbeit?<br />
Belegt durch die Widmungsinschrift wissen wir, dass es sich um eine Auftragsarbeit gehandelt<br />
haben muss, jedoch kennen wir den Auftraggeber nicht. Die Kannen sind vielmehr der Beleg <strong>für</strong><br />
eine Kultur des repräsentativen Verschenkens.<br />
8. 8. Wer Wer Wer hat hat das das Objekt, Objekt, wie wie häufig häufig und und zu zu welchem welchem Anlass Anlass benutzt?<br />
Durch das hohe Gewicht in befülltem Zustand lässt sich vermuten, dass das Objekt einen rein<br />
dekorativen Charakter hatte. Wahrscheinlich waren die Kannen in einem der Paläste des Sultans<br />
aufgestellt und bezeugen die Verehrung, die den hochgestellten Persönlichkeiten<br />
entgegengebracht wurde.<br />
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9. Welchen Welchen Wertkriterien unterstand das Objekt Objekt zum zum Zeitpunkt seiner Entstehung? Entstehung?<br />
Die Kannen sind beeindruckend fein gearbeitet. Ein Objekt in dieser Größe mit solch reicher<br />
Dekoration setzt einen langen Herstellungsprozess voraus, an dem mehrere Handwerker beteiligt<br />
gewesen sein dürften. Dieses und die Tatsache, dass es sich um ein Geschenk an den Sultan<br />
handelt, verdeutlichen den hohen Wert der Kannen.<br />
10. Welchen elchen Wertkriterien Wertkriterien untersteht untersteht untersteht ees<br />
e s im im <strong>Museum</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Kunst</strong>? <strong>Kunst</strong><br />
Eingegliedert in die Sammlung islamischen <strong>Kunst</strong>handwerks sind diese monumentalen<br />
Wasserkannen ein vorzügliches Beispiel <strong>für</strong> Formen und Dekore der osmanischen <strong>Kunst</strong>. Darüber<br />
hinaus geben sie Auskunft über die orientalische Eß- und Tischkultur sowie ihre repräsentativen<br />
Aspekte.<br />
Literatur Literatur<br />
• Katalog: Türkische <strong>Kunst</strong> und Kultur aus osmanischer Zeit, <strong>Frankfurt</strong> 1985<br />
• Katalog: Bürgerliches Mäzenatentum, <strong>Frankfurt</strong> 1998, S. 204 f.<br />
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2.5<br />
Ostasien, Buddhistische Stele<br />
Objekt Buddhistische Stele,<br />
Kalkstein mit Resten von Bemalung<br />
Ort und Entstehung China, Ost-Wei-Dynastie<br />
(534 – 549)<br />
Identität Inv.Nr. 12749<br />
Sammlung Ernst-Arthur Voretzsch, Ankauf 1959<br />
Standort <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong>,<br />
Abteilung Ostasien, 2. OG, 2. Quadrant<br />
1. Welche praktische Funktion hat das Objekt?<br />
Die Stele fungierte als Kultbild in einem buddhistischen<br />
Tempel. Vermutlich war sie eine von mehreren Statuen<br />
innerhalb des Tempelbezirks.<br />
2. Was sind seine ästhetischen Kriterien?<br />
Der Kopf des Buddha ist vollplastisch ausgearbeitet und<br />
vermittelt einen Ausdruck von Ruhe und Kraft. Bemerkens-<br />
wert ist die dynamische Spannung zwischen dem relativ<br />
naturalistisch wiedergegebenen Kopf, dem eleganten Falten-<br />
wurf des Gewandes und der zarten Linienführung des Reliefs<br />
der Mandorla.<br />
3. Welche Materialien und Verarbeitungstechniken werden verwendet?<br />
Die Skulptur ist aus Kalkstein gehauen. Es ist anzunehmen, dass sie ursprünglich<br />
komplett mit leuchtenden Farben bemalt war. Von dieser Farbfassung sind jedoch nur wenige<br />
Spuren erhalten.<br />
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4. In welchem kulturellen Zusammenhang ist das Objekt entstanden?<br />
Ausgehend von Indien hatte sich diese Bildkunst wie die buddhistische Lehre selbst über die<br />
Seidenstraße und über die Seehandelsverbindungen allmählich in China verbreitet. Das 6.<br />
Jahrhundert, dem diese Figur entstammt, ist eine frühe Blütezeit der buddhistischen Skulptur.<br />
5. Wie korrespondiert die praktische Nutzung mit dem ästhetischen Mehrwert?<br />
Als Meisterwerk einer Zeit, in der der Buddhismus in China mehr als je zuvor und danach<br />
Zuspruch fand, ist die Stele ein Spiegelbild der Verehrung, die der Lehre des Buddhismus<br />
entgegengebracht wurde. Die Frontalität, die Symmetrie und die stille Ausdruckskraft der Figur<br />
schaffen eine Aura der Stille und Verinnerlichung, die ihre Funktion als Andachtsbild eindrucksvoll<br />
unterstreicht. Mit der würdevollen zentralen Figur und den zahlreichen in Reliefzeichnung auf der<br />
Mandorla wiedergegebenen Begleitfiguren repräsentiert die Stele ein großes Pantheon von<br />
Heilsgestalten des Mahayana-Buddhismus.<br />
6. Wie, wo und von wem wurde das Objekt hergestellt?<br />
Über die Bedingungen, unter denen die Figur entstand, ist wenig bekannt. Der Vergleich mit<br />
ähnlich gestalteten, und mit einem Entstehungsjahr versehenen Figuren erlaubt eine Datierung<br />
auf die Zeit 534 – 549 n. Chr. Das Material und der Stil der Skulptur sprechen da<strong>für</strong>, dass sie<br />
in Nord-China, vermutlich in der Küstenprovinz Shandong geschaffen wurde. Angesichts der<br />
relativ großen Zahl derartiger Steinskulpturen aus dieser Epoche ist zu vermuten, dass es<br />
damals in dieser Region effizient arbeitende Bildhauerwerkstätten gab, die buddhistische<br />
Bildwerke <strong>für</strong> Tempel anfertigten.<br />
7. Handelt es sich bei dem Objekt um eine Auftragsarbeit?<br />
Die Skulptur weist keine Aufschrift auf, die dies belegen würde. Vielfach wurden derartige<br />
Steinfiguren jedoch im Auftrag wohlhabender Stifter <strong>für</strong> buddhistische Tempel angefertigt.<br />
8. Wer hat das Objekt, wie häufig und zu welchem Anlass benutzt?<br />
Als möglicherweise zentrales Bildwerk innerhalb eines buddhistischen Tempels dürfte die Figur<br />
täglich als Andachtsbild genutzt worden sein. Besucher eines Tempels waren Mönche, Pilger und<br />
gläubige Laien aus den umliegenden Regionen.<br />
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9. Welchen Wertkriterien unterstand das Objekt zum Zeitpunkt seiner<br />
Entstehung?<br />
In einem langwierigen Herstellungsprozess aus Kalkstein gehauen, repräsentierte die Figur<br />
zweifellos einen erheblichen materiellen Wert. Als Andachtsbild verkörpert die Figur jedoch zu<br />
allererst einen immateriellen Wert, der sich an seiner Funktion im buddhistischen Ritus bemaß.<br />
10. Welchen Wertkriterien untersteht es im <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong><br />
<strong>Frankfurt</strong>?<br />
Im <strong>Museum</strong> ist die Stele zunächst ein herausragendes Beispiel buddhistischer Skulptur aus<br />
China – der Wert ist primär ein ästhetischer. Es ist jedoch zu beobachten, dass dem<br />
Buddhismus nahe stehende <strong>Museum</strong>sbesucher die Figur zuweilen auch als im religiösen Sinne<br />
verehrenswertes Objekt betrachten.<br />
Literatur<br />
• Herbert Butz, in: Auswahlkatalog 1. <strong>Frankfurt</strong>/M.: <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Kunst</strong>handwerk 1987, S. 198f.<br />
• Vgl.: Osvald Siren: Chinese Sculpture from the Fifth to Fourteenth Century, 4 Bde., London<br />
1925<br />
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2.6<br />
Design Design, Design , Elektrorasierer<br />
Designer Designer Richard Fischer<br />
Objekt Elektrorasierer Elektrorasierer Elektrorasierer „Sixtant „Sixtant 6006“ 6006“<br />
6006“<br />
Material <strong>Kunst</strong>stoff, Metall<br />
Ort Ort und und Zeit Zeit der der Entstehung Entstehung 1968, Braun, Deutschland<br />
Standort <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Frankfurt</strong><br />
Abteilung „Design“ 2. OG, 1. Quadrant<br />
1. 1. Welche Welche praktische praktische Funktion Funktion hat hat das das das Objekt?<br />
Objekt?<br />
Der Elektrorasierer „Sixtant 6006“ ist <strong>für</strong> die trockene Rasur nach ergonomischen* Kriterien auf<br />
dem Stand damaliger technischer Möglichkeiten entwickelt worden. Der „Sixtant 6006“ hat eine<br />
<strong>für</strong> die Handhabung passende Greifgröße. Die Ecken sind abgerundet. Er ist so konstruiert, dass<br />
die von der Rasur verschmutzten Teile am Rasierkopf bequem abnehmbar sind, um gereinigt zu<br />
werden. Für die Entfernung des Bartstaubs ist die beigegebene Bürste vorgesehen. Der Einund<br />
Ausschalter seitlich ist geriffelt und lässt sich daher angenehm, selbst bei Nässe, drücken.<br />
Die Kreuzschrauben sind versenkt und stören den Greiflauf nicht. Die kreisrunde Griffmulde<br />
sorgt <strong>für</strong> einen sicheren Halt beim Rasieren. Das flexible Deckblatt ist verchromt und schützt<br />
vor den Rasiermessern. Darüber hinaus ist der Rasierer mit einem Langhaarschneider, der über<br />
einen Schiebeschalter vorne einzustellen ist, ausgestattet. Der Rasierer kann mit und ohne<br />
direkten Stromanschluss benutzt werden und ist <strong>für</strong> die Reise geeignet. Auf diese mobile<br />
Benutzung ist die Box mit integriertem Spiegel abgefasst.<br />
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2. Was Was sind sind seine seine ästhetischen ästhetischen Kriterien?<br />
Kriterien?<br />
Die Gestaltung ist sachlich-funktional und betont die technische Kompetenz des<br />
Elektrorasierers. Das Design versucht ein Ausdruck funktionaler Leistungskapazität zu sein und<br />
verzichtet auf überschüssige Dekoration. Alle die Oberflächengestaltung gliedernden Elemente<br />
wie Schrauben, Bedienungsknopf und die horizontale Strukturierung seiner Rillen, die sanft nach<br />
innen sich vertiefende kreisrunde Griffmulde und das Braun Logo ordnen sich symmetrisch um<br />
die Zentralachse an, so dass es zu einem ruhigen und monumental anmutendem<br />
Erscheinungsbild kommt. Das ästhetisch beruhigte Produkt und sein Anspruch im Sinne des<br />
Funktionalismus werden auch von der farblichen Gestaltung getragen. Diese setzt auf den<br />
Kontrast und geht in Schwarz und Silber/ Weiß auf - Farben die zugleich die Materialfarben<br />
sind. Die Absage an verspielte und überflüssige Gestaltungselemente zugunsten reiner<br />
Funktionalität erzeugt eine tendenziell „männliche“ Erscheinung: der kubische Korpus hat<br />
gedrungene stämmige Proportionen und wirkt kompakt und kraftvoll.<br />
3. 3. Welche Welche Materialien Materialien und und Verarbeitungstechniken Verarbeitungstechniken werden werden verwendet?<br />
Der „Sixtant 6006“ ist ein Produkt, dessen Konstruktion auf die Herstellung hoher Stückzahlen<br />
ausgerichtet ist. Seine Produktionsbedingungen sind die des Industriedesigns.<br />
Das Gehäuse besteht aus zwei Schalen und ist im Spritzgussverfahren hergestellt. Die<br />
Bedienungselemente sind ebenfalls aus <strong>Kunst</strong>stoff und sind <strong>für</strong> ein mechanisches Hin- und<br />
Herschieben konstruiert. (Die heute übliche Verbindung von Hart- und flexiblen Weichteilen ist<br />
erst seit Ende den 70er Jahre entwickelt worden. Das erste Objekt war ein Rasierer mit Noppen)<br />
Die flexible Scherfolie wird in einem velourverchromten Metallrahmen gehalten. Darunter oszilliert<br />
der Messerkopf.<br />
4. 4. In In In welchem welchem kulturellen kulturellen Zusammenhang Zusammenhang ist ist das das Objekt Objekt entstanden?<br />
entstanden?<br />
Der „Sixtant 6006“ ist ein Produkt, dessen formal-funktionale Designsprache in der Tradition<br />
des Deutschen Werkbundes (1907 in München als Elitevereinigung führender Design-Gestalter<br />
gegründet) und in den Ideen des Bauhauses verankert ist.<br />
Unmittelbar aus seiner Zeit heraus, verkörpert der Elektrorasierer das Lebensgefühl der<br />
ausgehenden 60er und beginnenden 70er Jahre. Diese kennzeichnet ein Fortschrittsglauben, der<br />
die Probleme der Menschheit aufgrund technischer Innovation zu lösen hoffte. Elektrogeräte und<br />
High Tech sind en vogue und stehen einerseits <strong>für</strong> die Beherrschbarkeit der Welt, anderseits <strong>für</strong><br />
mehr Lebensqualität und die beginnende Freizeitgesellschaft. Es ist die Zeit des „Kalten<br />
Krieges“, das Messen der beiden Supermächte USA und UdSSR; eine Zeit, die ihren<br />
Lösungsansatz im „The Club of Rome“, jener lockeren Verbindung von Wissenschaftlern und<br />
Industriellen zur Untersuchung der Weltproblematik zum Zweck der Friedenssicherung und<br />
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harmonischem globalen Rohstoffhaushalt, sucht. In den Filmen James Bond 007 findet der<br />
„Lifestyle“ dieser Jahre seinen unterhaltsamen Ausdruck.<br />
5. Wie Wie korrespondiert kor<br />
respondiert respondiert die die praktische praktische Nutzung Nutzung mit mit dem dem ästhetischen ästhetischen Mehrwert?<br />
Mehrwert?<br />
Beim „Sixtant 6006“ wollen Funktion und Gestaltung eine sich gegenseitig bedingende Einheit<br />
bilden. Die Leistungskapazität des Elektrorasierers und sein Anspruch auf effektives, kraftvolles<br />
Funktionieren unterstreicht das Gerät in seiner Kompaktheit. Dabei werden die Werkzeuganteile<br />
wie Schrauben, Bedienungskopf und Griffmulde zum uneigentlichen Ornament, die den Körper<br />
des Geräts achsensymmetrisch gliedern und so eine beruhigte wie gleichwohl monumentale<br />
Erscheinung erzeugen. Das Produkt ist nicht bemüht, eine über die Funktion hinaus gehende<br />
Formensprache zu kreieren, sondern sucht – und das ist die „Philosophie von Braun“ – ein<br />
Design zu sein, welches sich ausschließlich aus dem Funktionszusammenhang heraus<br />
begründet. Das Gerät steht <strong>für</strong> die technische Entwicklung seiner Zeit, die sich als solche im<br />
Design realisiert. Die Produkte von Braun wiederum sind Dinge des täglichen Gebrauchs und<br />
wollen als praktische Geräte den Alltag und seine Handlungsabläufe erleichtern und verbessern.<br />
6. 6. 6. Wie, Wie, wo wo und und von von von wem wem wurde wurde das das Objekt Objekt Objekt hergestellt?<br />
hergestellt? hergestellt?<br />
Der „Sixtant 6006“ wurde von der Firma Braun in Deutschland konzipiert, entworfen, produziert<br />
und weltweit vertrieben. Der Designentwurf geht auf Richard Fischer zurück, der zum festen im<br />
Designerteam von Braun bis 1968 zählte. Die Entwicklung des „Sixtant 6006“ ist eine<br />
Kooperationsleistung vieler Spezialisten, von Modellbauern, Ingenieuren und Designern, die alle<br />
gemeinsam bewirkten, dass der Elektrorasierer zu einem Produkt im Sinne des Industriedesigns<br />
werden konnte.<br />
7. 7. Handelt Handelt Handelt es es sich sich bei bei dem dem Objekt Objekt Objekt um um eine eine Auftragsarbeit?<br />
Auftragsarbeit?<br />
Es handelt sich um ein Industrieprodukt, daher gibt es keinen eigentlichen Auftraggeber. Die<br />
Konstruktion basiert einerseits auf der Tatsache, dass Braun in früheren Jahrzehnten erfolgreich<br />
Elektrorasierer produzierte und sich damit einen „Markt“ erobert hat. Auf der anderen Seite ist<br />
der „Sixtant 6006“ Ausdruck weiterer und neuer technischer Entwicklung. „Innovation“ ist ein<br />
Anspruch, über den sich die Produkte von Braun definieren.<br />
8. 8. 8. Wer Wer Wer hat hat das das Objekt, Objekt, wie wie häufig häufig und und zu zu welchem welchem Anlass Anlass Anlass benutzt? benutzt?<br />
„Sixtant 6006“ ist der am meisten verkaufte Rasierer seiner Zeit in Europa und wurde<br />
überwiegend von Männern benutzt. In dem Zeitraum von 1970 bis 1977 wurden 5.649.976<br />
Elektrorasierer dieses Typs verkauft.<br />
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9. Welchen Welchen Wertkriterien Wertkriterien unterstand unterstand das das Objekt Objekt zum zum zum Zeitpunkt Zeitpunkt seiner seiner Entstehung?<br />
Entstehung?<br />
Der „Sixtant 6006“ wollte ein konkurrenzfähiger Elektrorasierer sein, der den Ansprüchen an eine<br />
Elektrorasur entspricht und im Design den Zeitgeist anspricht und prägt. Als solcher musste er<br />
die Mobilität der Nassrasur an Komfort überbieten und so die Mehrkosten <strong>für</strong> die Anschaffung<br />
eines Elektrorasierers plausibel machen. Er wurde <strong>für</strong> den Preis von 100,- DM (umgerechnet<br />
51,13 Euro) verkauft.<br />
10. Welchen Wertkriterien Wertkriterien untersteht untersteht es es im im <strong>Museum</strong> <strong>Museum</strong> <strong>für</strong> <strong>für</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Angewandte</strong> <strong>Kunst</strong> <strong>Kunst</strong> F<strong>Frankfurt</strong>?<br />
F rankfurt?<br />
Der „Sixtant 6006“ ist ein Elektrorasierer in einer Folge von mehreren der Firma Braun. Somit<br />
verkörpert er eine Station ihrer im Funktionalismus-Stil verankerten Designentwicklung. Darüber<br />
hinaus ist er exemplarisch sowohl <strong>für</strong> die technische Entwicklung, als auch <strong>für</strong> den<br />
„Geschmack“ und die Designlösungen seiner Zeit im Rahmen der Geschichte des Produkt- als<br />
Industriedesigns.<br />
* Ergonomisch meint das Streben nach der besten wechselseitige Anpassung zwischen<br />
Menschen und seinen Arbeits-, Bedienungs- und Handhabungsbedingungen.<br />
Literatur<br />
• Polster, Bernd: Braun. 50 Jahre Produktinnovationen. Köln: DuMont 2005<br />
• Produkt Design 1900 – 1990. Berlin: Dietrich Reimer Verlag 1991<br />
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